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Document 52010AE0643
Opinion of the European Economic and Social Committee on the ‘Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on minimum standards on procedures in Member States for granting and withdrawing international protection’ COM(2009) 554 final — 2009/0165 (COD)
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzstatus“ KOM(2009) 554 endg. — 2009/0165 (COD)
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzstatus“ KOM(2009) 554 endg. — 2009/0165 (COD)
ABl. C 18 vom 19.1.2011, p. 85–89
(BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)
19.1.2011 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 18/85 |
Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzstatus“
(Neufassung)
KOM(2009) 554 endg. — 2009/0165 (COD)
2011/C 18/15
Berichterstatter: Antonello PEZZINI
Der Rat beschloss am 26. November 2009, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzstatus (Neufassung)
KOM(2009) 554 endg. – 2009/0165 (COD).
Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 23. März 2010 an.
Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 462. Plenartagung am 28./29. April 2010 (Sitzung vom 28. April) mit 153 Ja-Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:
1. Zusammenfassung und Empfehlungen
1.1 Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt und unterstützt die Arbeit der Kommission zur Anpassung der Asylverfahrensrichtlinie an die im Grünbuch (1) und im Aktionsplan (2) vorgebrachten Empfehlungen.
1.2 Durch den Vertrag von Lissabon, der unter anderem die Charta der Grundrechte beinhaltet, wurden die Zuständigkeiten und Befugnisse der Union im Bereich Asyl und Einwanderung erheblich erweitert.
1.3 Der EWSA ist der Überzeugung, dass die Kommission bei der Harmonisierung der früheren Richtlinien bezüglich der komplexen Asylproblematik eine anerkennenswerte Arbeit geleistet hat.
1.4 Der EWSA ist der Auffassung, dass gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und Drittstaaten durch kulturelle, rechtliche, administrative und kooperative Prozesse ein „Europa des Asyls“ innerhalb des „sozialen Europas“ geschaffen werden sollte.
1.5 In einer Welt, die auch infolge der Globalisierungsprozesse und der Wirtschafts- und Umweltkrisen immer komplexer erscheint und sich immer rascher wandelt, manifestiert und entwickelt sich die grundlegende Rolle der Nichtregierungsorganisationen; nach Auffassung des Ausschusses sollte diese Rolle durch die Gesellschaft und die öffentlichen Entscheidungsträger zunehmend gestärkt und geprägt werden.
1.6 Die Nichtregierungsorganisationen haben ihrer Bestimmung nach die Aufgabe, den am meisten benachteiligten Gruppen Hilfe und Unterstützung zu bieten. Ihre Rolle ist nach Ansicht des EWSA sogar unerlässlich, wenn es um Hilfe und kulturelle Mediation in allen Phasen der in den europäischen und einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehenen Verfahren geht.
1.7 Nach Auffassung des EWSA sollte die Kommission bei ihren Anstrengungen zur Harmonisierung der Verfahren und Methoden stets große Um- und Vorsicht walten lassen, da es hier um Menschen geht, die sich mehr als andere und aus ganz offenkundigen Gründen in einer Situation der Unterlegenheit und der Not befinden.
1.8 In jedem Falle sollte die EU vermeiden, Flüchtlinge in die Herkunftsländer zurückzuführen, in denen ihre physische und psychische Unversehrtheit gefährdet ist und die Grundrechte nicht geachtet werden.
1.9 Im Falle der Beantragung von Asyl erscheint es wesentlich, dass sich Antragsteller in ihrer Muttersprache ausdrücken können und ihnen zu jedem Zeitpunkt kostenloser Rechtsbeistand gewährt wird.
1.10 Ein Bescheid über die Ablehnung eines Antrags auf internationalen Schutz muss klar begründet sein und Informationen über Einspruchsmöglichkeiten (insbesondere Verfahren und Fristen) beinhalten.
1.11 Eine Ausweisungsanordnung ist so lange auszusetzen, bis über einen etwaigen Einspruch befunden wurde.
1.12 Der EWSA ist der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten alles dafür tun sollten (auch mittels Austausch einschlägiger Erfahrungen), um Asylbewerbern die Möglichkeit zu geben, in einem angemessenen sozialen Umfeld einer Beschäftigung nachzugehen, sich weiterzubilden oder an kulturellen Angeboten teilzuhaben.
1.13 Der EWSA unterstreicht, dass am Grundsatz der Nichtzurückweisung festgehalten werden muss und erwogen werden sollte, den Kreis der Personen, die internationalen Schutz benötigen, auf verfolgte Frauen, schutzbedürftige Personen und Umweltflüchtlinge auszuweiten.
1.14 In den Mitgliedstaaten sollte nach Ansicht des EWSA an das Gefühl der gemeinsamen Verantwortung appelliert werden, um das Phänomen der illegalen Wirtschaftsmigration zu verhindern und die Maßnahmen für die tatsächlich Hilfsbedürftigen - im Hinblick auf die Kosten- und Aufgabenverteilung - zu verbessern.
1.15 Der EWSA hält es für offenkundig, dass die Mitgliedstaaten der Kommission mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stellen sollten, damit die Politik zur Eingliederung von Asylbewerbern verbessert werden kann.
1.16 Der mit den unlängst vorgeschlagenen Neufassungen der Richtlinien von der Kommission bekundete Wille zur Harmonisierung muss sich in einem analogen Engagement der Mitgliedstaaten widerspiegeln, die angemessene Änderungen an ihren jeweiligen nationalen Rechtsvorschriften vornehmen müssen.
1.17 Der EWSA ist der Überzeugung, dass die Schaffung eines Europas des Asyls innerhalb des sozialen Europas von dem politischen Willen und dem Bewusstsein der Mitgliedstaaten abhängt, deren Aufgabe durch ein von der Kommission vorgeschlagenes, einheitliches und gut strukturiertes Verfahren erleichtert werden sollte.
1.18 Der EWSA unterstreicht die besondere Situation von Frauen, die bei der Beantragung von Asyl oder der Erlangung des Flüchtlingsstatus mit sehr viel mehr Schwierigkeiten konfrontiert sind als Männer. Er fordert deshalb die Kommission auf, in dieser Frage alle Hebel in Bewegung zu setzen und die Mitgliedstaaten dabei einzubinden, die Gleichstellung von Frauen und Männern zu erreichen, die seit langem ein besonders wichtiges Anliegen der EU ist.
1.19 Eine angemessen ausgerichtete Bildung kann nach Einschätzung des Ausschusses ein soziales und kollektives Bewusstsein schaffen, das auf die Akzeptanz derjenigen ausgerichtet ist, die Hilfe und Unterstützung am dringendsten benötigen und die die historisch-religiösen Traditionen der europäischen Länder als verlässliche Bezugspunkte erachten.
2. Einleitung
2.1 Geschichtlicher Hintergrund
2.1.1 Die Ursprünge des Asylrechts liegen im antiken Griechenland, wo es gegen sämtliche Repressalien eine Immunität gab, die sich zwei Städte gegenseitig für ihre jeweiligen Bürger gewährten oder die eine Stadt herausragenden Persönlichkeiten (Botschaftern usw.) zuerkannte (3).
2.1.2 Auch im antiken Rom wurde mit der Etablierung des Völkerrechts das Asylrecht an den Bürgerstatus gekoppelt (4).
2.1.3 Die Lage des Asylrechts ist in der Folge eng mit den unterschiedlichen Ausprägungen und Erscheinungsformen der Verfolgung verknüpft, die in repressiven Maßnahmen der Behörden aus religiösen und philosophischen Gründen oder wegen politisch-weltanschaulichen Überzeugungen bestehen, die als Gefährdungen der Staatsordnung betrachtet werden.
2.2 Diskriminierungsverbot und Wahrung der Menschenrechte
2.2.1 Die Entwicklung der Rechtskultur hat eine schrittweise Ausweitung des Asylrechts mit sich gebracht. Daher sehen insbesondere die Verfassungen moderner demokratischer Staaten im Allgemeinen vor, dass die Regierung die Auslieferung eines Ausländers verweigern muss, wenn diese wegen politischen Straftaten gefordert wird.
2.2.2 Deshalb ist in den derzeit in den europäischen Staaten gültigen Grundrechtekatalogen festgeschrieben, dass diese Staaten in ihrem Hoheitsgebiet das Asylrecht jedem Ausländer gewähren, dem in seinem Herkunftsland die tatsächliche Ausübung der demokratischen Freiheiten verwehrt wird.
2.2.3 Die vorgenannten Bestimmungen beziehen sich ausdrücklich auf die Anerkennung der unveräußerlichen Menschenrechte und den Grundsatz der Nichtdiskriminierung. Das Diskriminierungsverbot ist im Übrigen in Artikel 14 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankert (5).
2.2.4 Von diesem Verbot darf nach Maßgabe von Artikel 15 der Konvention nicht abgewichen werden, wenn die eventuelle Abweichung im Widerspruch zu den sonstigen völkerrechtlichen Verpflichtungen steht.
2.2.5 Daraus ergibt sich die Beseitigung einzelstaatlicher Bestimmungen über den Ausschluss des Asyls (das sog. Opt-out), mit dem Ziel, die Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 (ergänzt durch das Protokoll von New York vom 31. Januar 1967) voll und ganz anzuwenden.
2.2.6 Durch den Vertrag von Lissabon werden die Zuständigkeiten der EU im Bereich Asyl und Einwanderung erweitert. Der Vertrag umfasst auch die Charta der Grundrechte, die
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das Recht auf Asyl garantiert; |
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die Entwicklung gemeinsamer Regelungen vorsieht; |
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ein integriertes System im Bereich der Verwaltung der Außengrenzen einführt; |
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die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Drittstaaten anerkennt; |
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die Befugnisse des Europäischen Gerichtshofs in Fragen des Asyls und der Einwanderung erweitert. |
3. Zusammenfassung des Vorschlags für eine Neufassung der Richtlinie
3.1 Mit dem hier untersuchten Vorschlag soll die zweite Phase des gemeinsamen europäischen Asylsystems abgeschlossen werden, das mit dem einheitlichen Asylverfahren bis 2012 eingeführt werden soll.
3.2 Bis dahin besteht das Ziel darin, die Lücken und Mängel der derzeitigen Mindestnormen zu beheben, die sich in vielerlei Hinsicht als unzugänglich, unwirksam, ungerecht und unangemessen erwiesen haben (6).
3.3 Die vorgeschlagenen Änderungen zielen vor allem auf eine bessere Harmonisierung der Verfahrensvorschriften ab. Darüber hinaus werden weitere Verfahrensgarantien zugunsten der Asylbewerber vorgeschlagen, insbesondere was die Phase der Prüfung von Schutzanträgen und den damit verbundenen Entscheidungsprozess angeht, wie in spezifischen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte empfohlen wird.
4. Allgemeine Bemerkungen
4.1 Schaffung eines Europas des Asyls innerhalb des sozialen Europas
4.1.1 Die Verwirklichung eines Europas des Asyls innerhalb des sozialen Europas beruht auf tragfähigen Bildungsprozessen, die auf Jugendliche bereits im frühen Schulalter abzielen, damit sie dann eine entscheidende Rolle im kollektiven Bewusstsein der Gesellschaft und der politischen Entscheidungsträger der Mitgliedstaaten spielen.
4.1.2 Unter Achtung der Grundrechte und der Prinzipien, die in der EU-Grundrechtecharta verankert sind, hat die Europäische Union am 27. Januar 2003 die Richtlinie 2003/9/EG zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten verabschiedet.
4.1.3 In den letzten Jahren hat der rasche Globalisierungsprozess paradoxerweise jedoch zu Identitätskrisen geführt, die eine Umgestaltung des Rechtssystems nach den Grundsätzen des Universalismus - wie ihn das Römische Recht kennt - unmöglich machte.
4.1.4 Das Zusammentreffen verschiedener Völker und das gegenwärtige Klima der Besorgnis über den Kulturkontakt bilden deshalb den Nährboden für neue Ängste und Verunsicherungen, was fast alle europäischen Länder dazu bewegt, restriktive Positionen in Fragen der Staatsangehörigkeit und somit des Asyls einzunehmen.
4.1.5 Diese Entwicklung steht jedoch im Widerspruch zu der Hoffnung auf einen Prozess der Integration der Völker und dem Ziel der Schaffung eines – auch sozialen - Europas.
4.1.6 Deshalb sollte an dem Grundsatz der Nichtzurückweisung (non-refoulement) festgehalten werden; es könnte sogar erwogen werden, den Kreis der Personen zu erweitern, die für die Gewährung internationalen Schutzes in Frage kommen. Im Übrigen wird in den EU-Richtlinien bereits das Kriterium einer „spezifischen“ Verfolgung anerkannt, wenn die Opfer Frauen und andere besonders schutzbedürftige Personen sind.
4.1.7 Zwar muss im derzeitigen Kontext offensichtlich denjenigen, die nur als Wirtschaftsmigranten gelten, der Flüchtlingsstatus verweigert werden, doch erscheint die Situation der Umweltflüchtlinge noch problematischer.
4.1.8 Hierbei handelt sich de facto um Personen, die gezwungen sind, den Gefahren und Unsicherheiten einer unfreiwilligen Auswanderung, die aus einer Verschlechterung der Umwelt resultiert, zu begegnen, was schwere Folgen für die Wahrnehmung der Menschenrechte - wie des Rechts auf Leben, Nahrung, Gesundheit und Entwicklung - hat (7).
4.1.9 Diese Fragen könnten im Rahmen der Neufassung der „Anerkennungsrichtlinie“ 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 angegangen werden. Diese neuen Problemfelder verdienen auch eine eingehendere Untersuchung, insbesondere im Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (KOM(2009) 66 endg.).
4.2 Besondere Verfahren
4.2.1 Im Verfahren zur Zuerkennung des Flüchtlingsstatus müssen notwendigerweise einerseits eine Reihe von Legislativmaßnahmen im Bereich der Sicherheit berücksichtigt werden, die die Bekämpfung der illegalen Einwanderung und die Lösung migrationsbedingter Fragen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zum Ziel haben.
4.2.1.1 Anderseits ist es notwendig - in Einklang mit den im Europäischen Pakt für Einwanderung und Asyl von 2008 enthaltenen Verpflichtungen und unter Berücksichtigung der von jedem Staat festgelegten Prioritäten, Erfordernisse und Aufnahmekapazitäten - Vorkehrungen für die legale Einwanderung zu treffen und die Integration zu fördern.
4.2.1.2 Im Hinblick auf die Schaffung eines Europas des Asyls wäre es ferner nützlich, eine Partnerschaft mit den Herkunfts- und Transitländern der Einwanderer aufzubauen - gemäß dem Grundsatz der Lastenverteilung, d.h. dem Prinzip der Solidarität bezüglich der Aufnahme und Verteilung von Asylbewerbern in der gesamten Europäischen Union.
4.2.1.3 Die im Vorschlag für eine Neufassung vorgesehenen Verfahren zur Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz und Verfahren zum Widerruf bzw. zur Aberkennung des Status sowie die im Vorschlag für eine Neufassung der Verfahrensrichtlinie vorgesehenen Verfahren zur Anfechtung von Entscheidungen stehen in Einklang mit den internationalen Anforderungen und den Anforderungen im EU-Recht.
4.2.1.4 Der EWSA hält es für äußerst wichtig, die Nichtregierungsorganisationen zu fördern und zu unterstützen, und zwar auch zu Beginn der Verfahren zur Vorbereitung und Prüfung von Aufnahmeanträgen, zum Widerruf bzw. zur Aberkennung der Status sowie zu Anfechtung von Entscheidungen. In dieser Hinsicht schlägt er vor, entweder in den Erwägungsgründen oder im verfügenden Teil eine diesbezügliche explizite Bestimmung vorzusehen.
4.2.1.5 In der Gemeinschaftsterminologie umfasst der internationale Schutz sowohl die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention als auch den subsidiären Schutz für die Personen, die zwar nicht die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtlinge erfüllen, aber nicht in ihr Herkunftsland zurückgeführt werden können, da sie dort erheblichen Gefahren ausgesetzt wären.
4.2.1.6 In den Gesetzen der einzelnen Mitgliedstaaten zur Umsetzung der vorgenannten Verfahrensrichtlinie sind im Allgemeinen drei Zuständigkeitsebenen der Behörden festgelegt, die für die Annahme und Prüfung der Anträge sowie die diesbezügliche Entscheidungsfindung zuständig sind.
4.2.1.7 Der Zugang zum Verfahren geht mit dem Grundsatz einher, dass der Antragsteller das Recht hat, so lange im Hoheitsgebiet zu bleiben und eine menschenwürdige Behandlung zu erhalten, bis der Antrag geprüft wurde - mit gewissen Ausnahmen (Europäischer Haftbefehl usw.). Im Hinblick auf den Grundsatz der Achtung der Menschenwürde darf die Unterbringung in Aufnahmezentren nicht die Regel, sondern die Ausnahme sein, und zwar nur bis ein besserer Bestimmungsort gefunden wurde.
4.2.1.8 Darüber hinaus ist eine Reihe von Garantien für den Schutz von Asylbewerbern vorgesehen: angemessene Unterrichtung des Asylbewerbers über das einzuhaltende Verfahren und das Ergebnis der Antragsstellung, Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit dem UNHCR, Unterstützung durch Dolmetscher, persönliche Anhörung des Antragstellers durch die zuständige Behörde, für deren Mitarbeiter Schulungen und Weiterbildungen durchgeführt werden.
4.2.1.9 Der EWSA ist der Auffassung, dass besondere Anstrengungen zur Ausbildung des Fachpersonals von FRONTEX unternommen werden sollten, um Verbesserungen in folgenden Bereichen zu erzielen:
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Koordinierung der operationellen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten; |
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Erarbeitung gemeinsamer Mindeststandards für die Ausbildung; |
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notwendige Unterstützung der Staaten bei der Organisation der Aufnahme- und Rückführungsmaßnahmen unter Rückgriff auf kulturelle Mediatoren; |
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Schulung der Beamten bezüglich des von der EU erarbeiteten humanitären Rechts des Asyls, das insbesondere von der künftigen für Asyl zuständigen Agentur umgesetzt werden soll. |
4.2.1.10 „Aufnahmezentren“ sollten nach dem Dafürhalten des EWSA nur in Ausnahmen und für begrenzte Zeit unter uneingeschränkter Achtung der Grundrechtecharta genutzt werden. Die Personen, die um internationalen Schutz ersuchen, sollten ein in jeder Hinsicht angemessenes Leben führen dürfen: in Bezug auf menschliche Aspekte, Gesundheitsdienstleistungen, soziale Beziehungen und Chancen beim Zugang zum Arbeitsmarkt.
4.2.1.11 Die Richtlinie 2003/09/EG über Mindeststandards für Asylbewerber in den Mitgliedstaaten lässt einen großen Spielraum im Bereich des Zugangs zur Beschäftigung. Der EWSA ist der Ansicht, dass jede Beschäftigungsbeschränkung ein menschenwürdiges Leben erschweren und die Schwarzarbeit, die zu sozialer Ungerechtigkeit führt, begünstigen dürfte.
4.2.1.12 Schließlich ist die Möglichkeit der Anfechtung von Entscheidungen, einschließlich eines unentgeltlichen Rechtsbeistands, vorgesehen, und zwar auf Verwaltungs- und Gerichtsebene. Nach Auffassung des Ausschusses sollte die kostenlose administrative und gerichtliche Unterstützung gestärkt werden, indem sie - ebenso wie die sprachliche Unterstützung - für alle Phasen, die in den Verfahren vorgesehen sind, verpflichtend gemacht wird.
5. Besondere Bemerkungen
5.1 Die vorgeschlagenen Änderungen stehen in Einklang mit dem Ziel der Harmonisierung und Aktualisierung der Verfahren zur Zuerkennung des Flüchtlingsstatus.
5.2 Im Grunde sollte deshalb kritisch hinterfragt werden, warum der explizite Verweis auf die Einrichtung des Asylrechts aus dem Vorschlag gestrichen wurde.
5.3 Daher könnte die Forderung nach einem Verweis auf das Asylrecht im neuen Text weiterhin als Anerkennung des Rechts auf Zugang zum Hoheitsgebiet des Staats verstanden werden, insbesondere um das Verfahren zur Erlangung des Flüchtlingsstatus in dem Zeitraum der Überprüfung der Voraussetzungen für die Zuerkennung dieses Status anzuwenden, währenddessen vorübergehend das Ausweisungsverbot gilt.
5.4 Darüber hinaus würde der Hinweis auf das Asylrecht den Beschluss eines Mitgliedstaats legitimieren, die neue Richtlinie auch in den Fällen, die über ihren Geltungsbereich hinausgehen (siehe Artikel 3, 4, 11 und 12 des Vorschlags), bei schwerwiegenden humanitären Gründen anzuwenden, die die Rückkehr in das Herkunftsland unmöglich machen (zu unterscheiden von spezifischen Formen der Verfolgung) (8).
5.5 Der EWSA billigt die vorgeschlagenen Änderungen insofern, als sie den vorgenannten Zielen entsprechen.
5.5.1 Er möchte jedoch folgende Aspekte herausstellen:
5.5.1.1 |
Erwägungsgrund (38): Es sollte genauer festgelegt werden, in welchem Rhythmus die regelmäßigen Bewertungen der Umsetzung der Richtlinie vorgenommen werden sollen. |
5.5.1.2 |
Erwägungsgrund (41): Die inhaltlichen Änderungen der vorhergehenden Richtlinie, deren Umsetzung verpflichtend ist, sollten spezifiziert werden. |
5.5.1.3 |
Artikel 2 Buchstabe f): Die Asylbehörde sollte genauer definiert werden, angesichts der Tatsache, dass in mehreren nationalen Rechtsordnungen der Begriff einer „gerichtsähnlichen“ Behörde fehlt. |
5.5.1.4 |
Artikel 3 Ziffer 3: Beispielhaft sollten die Fälle aufgeführt werden, in denen die Richtlinie angewandt werden könnte, wenn ein Antrag auf Schutz nicht in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fällt (siehe die Bemerkungen zum neuen Phänomen der „Umweltflüchtlinge“). |
5.5.1.5 |
Artikel 6: Die Bestimmung, die den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gibt zu verlangen, dass die Anträge an einem bestimmten Ort gestellt werden, scheint den Bestimmungen von Artikel 7 in Widerspruch zu stehen; darüber hinaus schränkt sie offenbar den möglichst breiten Zugang zum Verfahren ein, der im Dokument erwünscht und vorgesehen ist; |
5.5.1.6 |
Artikel 10 Absatz 2: In allen Fällen einer negativen Entscheidung sollte dem Betroffenen in seiner Muttersprache sowie seinen Rechtsvertretern nicht nur den Grund für die Ablehnung des Antrags, sondern auch (sinnvolle und akzeptable) Fristen, Modalitäten und Verfahren zur Beschwerde und Anfechtung mitgeteilt werden. |
5.5.1.7 |
Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe d): Die Möglichkeit der zuständigen Behörden, den Antragsteller und die von ihm mitgeführten Sachen zu durchsuchen, könnte im Widerspruch zu den verfassungsmäßigen Garantien stehen, die in unterschiedlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten vorgesehen sind. |
5.5.1.8 |
Artikel 34 Absatz 1 Buchstabe c): Es sollten die schwerwiegenden Gründe präzisiert werden, die ein Antragssteller vorbringen kann, um zu zeigen, dass der als sicherer Herkunftsstaat bezeichnete Drittstaat in Wirklichkeit nicht sicher ist. Auch wenn der EWSA einräumt, dass es mitunter schwierig ist, eine einhellig akzeptierte Definition des „sicheren Drittstaats“ festzulegen. |
5.5.1.9 |
Diesbezügliche Denkanstöße liefert das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 6. Mai 2008 (Rechtssache C-133/06), mit dem Artikel 29 Absatz 1 und 2 und Artikel 36 Absatz 3 der Verfahrensrichtlinie (2005/85/EG) aufgehoben wurden. |
Brüssel, den 28. April 2010
Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses
Mario SEPI
(1) KOM(2007) 301 endg.
(2) KOM(2008) 360 endg.
(3) Die Immunität schützte auch Flüchtlinge, die nicht in bestimmten als unantastbar geltenden Tempeln gefangen werden durften (darauf verweist im Übrigen die Etymologie des Worts „Asyl“).
(4) Im Übrigen fand das Bürgerrecht durch das Edikt von Caracalla (212 v. Chr.) allgemeine Verbreitung, mit dem jeder Unterschied bei der Behandlung zwischen den Bürgern Roms und anderen Bürgern des Römischen Reichs aufgehoben wurde.
(5) Die am 4. November 1950 in Rom unterzeichnete Konvention sowie ihre Zusatzprotokolle wurden von den Mitgliedstaaten der EU ratifiziert. Sie erlangten nicht nur dort Rechtskraft, sondern auch in zahlreichen Drittstaaten, was die Verbindlichkeit der einschlägigen Bestimmungen auf Ebene des internationalen Rechts und der nationalen Rechtsordnungen erhöht.
(6) Der Mangel an Gerechtigkeit in den Asylverfahren der einzelnen Mitgliedstaaten ist offenbar insbesondere darauf zurückzuführen, dass die Verfahrensrichtlinie von 2005 den Mitgliedstaaten einen allzu großen Ermessensspielraum lässt.
(7) Mithin sollte das Kriterium der Sicherheit als vornehmlicher Wert des Menschseins erweitert werden. Umweltflüchtlinge sind Opfer von Umweltzerstörung und damit einhergehenden sozialen Verwerfungen; das gilt z.B. für die Menschen, die von der aus neuen Formen der aggressiven Spekulation resultierenden zunehmenden Desertifizierung ganzer Landstriche in der Subsahara betroffen sind.
(8) Im Falle von Personen, die ihre Heimat nicht wegen einer persönlichen Diskriminierung verlassen, sondern wegen gravierender Ereignisse (Bürgerkrieg, weitverbreitete Gewalttaten, Angriffe aus dem Ausland, Naturkatastrophen, Umweltflucht usw.) besteht im Allgemeinen nicht die Möglichkeit, ihnen den Flüchtlingsstatus zuzuerkennen. Gleichwohl erlauben es die Einwanderungsgesetze, durch außerordentliche Geschehnisse hervorgerufenen humanitären Notlagen durch solche Maßnahmen für einen zeitlich befristeten Schutz zu begegnen, die notwendig sind, um Evakuierte rechtzeitig und angemessen aufnehmen zu können.