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Document 52009AE0345

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema Ein europäischer freiwilliger Gesellschaftsdienst

ABl. C 218 vom 11.9.2009, p. 1–7 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

11.9.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 218/1


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Ein europäischer freiwilliger Gesellschaftsdienst“

(2009/C 218/01)

In einem Schreiben vom 3. Juli 2008 ersuchte der französische Minister für auswärtige und europäische Angelegenheiten im Rahmen des französischen EU-Ratsvorsitzes den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um eine Sondierungsstellungnahme zu folgendem Thema:

Ein europäischer freiwilliger Gesellschaftsdienst“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 4. Februar 2009 an. Berichterstatter war Herr JANSON, Mitberichterstatter war Herr SIBIAN.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 451. Plenartagung am 25./26. Februar 2009 (Sitzung vom 25. Februar) mit 131 gegen 7 Stimmen bei 9 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Initiative des französischen Ratsvorsitzes. Ferner möchte er auf die Empfehlung des Rates vom 20. November 2008 über die Mobilität junger Freiwilliger in der Europäischen Union (1) verweisen. Aufgrund der großen Vielfalt der Systeme für die aktive Teilhabe junger Menschen an der Gesellschaft sollte eine europäische Initiative am besten auf folgendem Ansatz aufbauen:

Zusammenarbeit zwischen freiwilligen Tätigkeiten, die allen offen stehen, unbezahlt sind, aus freien Stücken geleistet werden, einen Bildungsaspekt (nicht formale Lernerfahrung) haben und einen sozialen Mehrwert erbringen.

Die freiwillige Tätigkeit ist zeitlich befristet; Ziele, Inhalte, Aufgaben, Struktur und Rahmen sind klar festgelegt; angemessene Unterstützung sowie rechtliche und soziale Absicherung werden geboten.

Die freiwillige Tätigkeit findet zudem in einem europäischen und einem transnationalen Kontext statt.

1.2

Die aktive Teilhabe an der Gesellschaft, einschließlich transnationaler Austausche, ist von großem Nutzen für die persönliche Entwicklung vor allem junger Menschen sowie für die Entwicklung der organisierten Zivilgesellschaft in Europa. Den Freiwilligen bietet sich hier eine einzigartige Gelegenheit für formale und nicht formale Lernerfahrungen sowie für den Erwerb sozialer und fremdsprachlicher Kompetenzen. So kann ihr Bewusstsein dafür geschärft werden, dass sie Bürger Europas sind, und der Grundstein dafür gelegt werden, dass sie auch später im Leben ihre Rolle als aktive Bürger wahrnehmen. Durch die Einbeziehung anderer Altersgruppen, auch älterer Menschen, in das System könnten diese ihre Lebenserfahrung einbringen. Dies würde sich positiv auf ihre Gesundheit und ihre Lebensqualität auswirken. Wenn Menschen verschiedener Altersgruppen gemeinsam eine freiwillige Tätigkeit ausüben, kann dies auch zu einem besseren Verständnis zwischen den Generationen führen.

1.3

Der EWSA vertritt die Auffassung, dass die Union ehrgeizige Ziele für eine stärkere Teilhabe der Menschen an der Zivilgesellschaft aufstellen sollte. Ein erster Schritt ist die praktische Umsetzung der vom EWSA in seiner früheren Stellungnahme vorgebrachten Empfehlungen (2).

1.4

Der EWSA würde es daher begrüßen, wenn die Mitgliedstaaten eine Zusammenarbeit zwischen Organisatoren freiwilliger Tätigkeiten anstoßen würden, durch die die bestehenden Formen der Freiwilligentätigkeit ein transnationales Element erhielten.

1.5

Die EU könnte eine europäische Initiative für bürgerschaftliches Engagement (3) fördern, die Maßnahmen und Tätigkeiten für Austauschprogramme verbindet, die anders als bisher nicht mehr schwerpunktmäßig auf die Jugend ausgerichtet sind. Ein Ziel könnte ein Beitrag zur europäischen Integration sein. Der Ausschuss hält es für selbstverständlich, dass die Europäische Union die finanzielle Ausstattung derartiger Programme aufstockt. Zunächst sollte eine Verdoppelung der aktuellen Zahl der Teilnehmer an Jugendaustauschen sowie eine deutlich erhöhte Teilnahme anderer Altersgruppen ermöglicht werden.

1.6

Der EWSA hält es für erforderlich, Menschen mit Behinderungen und vor allem benachteiligte junge Menschen stärker als Zielgruppe zu berücksichtigen.

1.7

Grundlegend wichtig wären die Gewährleistung einer besseren Zusammenarbeit zwischen bestehenden nationalen und europäischen Programmen, der Abbau technischer Hindernisse sowie von Problemen im Zusammenhang mit der Kranken- und Unfallversicherung. Zu diesem Zweck könnte die Europäische Union eine Art „Markenzeichen“ für Austauschprogramme erwägen, die den Qualitätsstandards der EU entsprechen. Die Qualität freiwilliger Tätigkeiten - egal in welcher Form - ist wichtig und muss durch geeignete Mittel gewahrt werden.

1.8

Der EWSA hält es für angezeigt, Drittstaaten stärker einzubeziehen und so einen Beitrag zu den Bemühungen der EU zur Verwirklichung der Millenniumsziele und zur Umsetzung der europäischen Politik für Entwicklungsförderung und humanitäre Hilfe zu leisten.

1.9

Die EU muss diesen Bereich einer Bewertung unterziehen, indem sie Forschung anregt und unterstützt und Statistiken entwickelt.

1.10

Auch in Versicherungsfragen sowie in Bezug auf Gesundheit und Sicherheit muss Klarheit geschaffen werden. Freiwillige sollten während der Zeit ihres Dienstes angemessen sozial abgesichert sein, doch wird dies schwierig, wenn die Bestimmungen zur Sozialversicherung bei transnational tätigen Freiwilligen in den einzelnen Ländern unterschiedlich sind. Der EWSA fordert die Kommission daher auf, in diesen Fragen eine gemeinsame Lesart anzustreben und ruft die Mitgliedstaaten sowie die zuständigen Institutionen dazu auf, eine Lösung für diese Fragen zu finden.

1.11

Der EWSA ist sich bewusst, dass für diese Thematik ein Follow-up erforderlich ist, beispielsweise in Form einer Konferenz. Hieran sollten alle einschlägigen nationalen Dienste, die Europäische Kommission und im Jugendbereich oder Freiwilligendienst tätigen Nichtregierungsorganisationen beteiligt werden, um die Entwicklung des Rahmens einer europäischen Initiative für bürgerschaftliches Engagement zu fördern.

2.   Ausgangspunkte

2.1

Die Initiative des französischen Ratsvorsitzes, den EWSA um eine Sondierungsstellungnahme zum Thema „Ein europäischer freiwilliger Gesellschaftsdienst“ zu ersuchen, ist zu begrüßen.

2.2

Aufgrund der großen Vielfalt der Systeme für die aktive Teilhabe junger Menschen an der Gesellschaft - durch Freiwilligen- oder Gesellschaftsdienste oder andere Formen der Beteiligung - muss eine europäische Initiative jedoch einen klar abgesteckten Rahmen und eine eindeutige Definition erhalten. Nach Auffassung des EWSA sollte diese Frage auf europäischer Ebene so angegangen werden, dass über den traditionellen gesellschaftlichen Dienst hinausgegangen und eine europäische Initiative innerhalb des folgenden Rahmens angesiedelt wird:

Ein Freiwilligendienst, der allen offen steht, unbezahlt ist, aus freien Stücken geleistet wird, einen Bildungsaspekt (nicht formale Lernerfahrung) hat und einen sozialen Mehrwert erbringt.

Er ist zeitlich befristet; Ziele, Inhalte, Aufgaben, Struktur und Rahmen sind klar festgelegt; angemessene Unterstützung sowie rechtliche und soziale Absicherung werden geboten.

Er findet zudem in einem europäischen und einem transnationalen Kontext statt.

2.3

Dieser könnte „europäische Initiative für bürgerschaftliches Engagement“ genannt werden und vielfältige Traditionen und Praktiken freiwilliger Tätigkeit - einschließlich der freiwilligen Gesellschaftsdienste in den einzelnen Mitgliedstaaten - umfassen.

2.4

Bereits der Vertrag über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft enthielt Bestimmungen für einen Austausch junger Arbeitnehmer, um die Solidarität zwischen den Völkern Europas zu fördern und zu vertiefen.

2.5

In einer früheren Stellungnahme des EWSA zum Thema freiwillige Aktivitäten (4) wurden einige Empfehlungen vorgebracht, darunter folgende:

Ein Jahr der Freiwilligen sollte ausgerufen und ein Weißbuch über freiwillige Aktivitäten und aktive Bürgerschaft in Europa veröffentlicht werden.

Die Regierungen der Mitgliedstaaten sollten dazu angeregt werden, eine eigene Freiwilligenpolitik zu entwerfen.

Die Mitgliedstaaten sollten rechtliche Rahmenbedingungen ausarbeiten, die ein Recht auf freiwillige Tätigkeiten unabhängig vom jeweiligen rechtlichen oder sozialen Status vorsehen.

Auf europäischer Ebene sollten Erhebungen verlässlicher und vergleichbarer Zahlen über freiwillige Aktivitäten durchgeführt werden.

Im Rahmen der Finanzierungsinstrumente sowie der einzelnen Politikbereiche und Programme der Europäischen Union sollten freiwillige Tätigkeiten stärker als bisher gefördert werden; in ganz Europa sollten angemessene Infrastrukturen für die Unterstützung freiwilliger Tätigkeiten bereitgestellt werden.

Europaweite Freiwilligenprogramme sollten für alle Bevölkerungsgruppen zugänglich gemacht werden.

2.6

Der EWSA ist diesbezüglich der Auffassung, dass zwar Fortschritte erzielt wurden, doch sind viele der Empfehlungen und Vorschläge noch nicht in die Tat umgesetzt worden. Mit dieser Stellungnahme möchte der EWSA erneut unterstreichen, dass die Empfehlungen seiner früheren Stellungnahme umgesetzt werden müssen und dass im Rahmen der freiwilligen Tätigkeiten gezielt der Freiwilligendienst gefördert werden muss.

2.7

Nach Auffassung des EWSA muss die Zivilgesellschaft stärker in die europäische Integration einbezogen werden. Eine ambitionierte europäische Initiative für bürgerschaftliches Engagement, die allen Altersgruppen offen steht, kann auch dazu beitragen, die angeschlagene Vertrauensbasis zwischen den Bürgern und der Europäischen Union als solcher wiederherzustellen. Die Förderung einer aktiven Bürgerschaft junger Menschen auf freiwilliger Basis trägt zur Festigung der Grundsätze der Europäischen Union - Freiheit, Demokratie, Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Gleichstellung von Frauen und Männern sowie Nichtdiskriminierung - bei.

2.8

Der EWSA betont, dass alle Menschen, besonders aber junge und/oder benachteiligte, stärker und aktiver an der Gesellschaft teilhaben sollten, um ihren Sinn für bürgerschaftliches Engagement und Solidarität zu schärfen. Auch sollte die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, der Europäischen Kommission und dem EWSA im Bereich der Freiwilligendienste intensiviert werden.

2.9

Die Rechtsgrundlage für die Jugendpolitik und bürgerschaftliche Tätigkeiten bilden im derzeit geltenden Vertrag die Artikel 149 und 151, die zwar jegliche Angleichung von Rechtsvorschriften ausschließen, der EU jedoch Möglichkeiten geben, eine Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten anzuregen und Jugendaustausche zu fördern. Durch den Vertrag von Lissabon wird der jugendpolitische Bereich ein wenig erweitert, hinzu kommt die Teilhabe junger Menschen am demokratischen Leben in Europa.

2.10

Nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wird als Rahmen für gemeinsame Beiträge der europäischen Jugendlichen zu den Maßnahmen der humanitären Hilfe der Union ein Europäisches Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe geschaffen werden.

2.11

Gegenwärtig werden freiwillige Tätigkeiten vor allem über die Methode der offenen Koordinierung im Rahmen der Jugendpolitik der Europäischen Union durchgeführt, bei der drei vorrangige Stränge verfolgt werden:

Förderung der Teilhabe junger Menschen an einer aktiven Bürgerschaft und der Zivilgesellschaft;

Förderung freiwilliger Tätigkeiten junger Menschen;

Verbesserung der an junge Menschen gerichteten Informationen und der diesbezüglich bestehenden Informationsdienste, Förderung freiwilliger Tätigkeiten junger Menschen zur Förderung eines besseren Verständnisses der Jugend.

2.12

Aus mehreren Gründen sollte über eine stärkere aktive Teilhabe an der Gesellschaft in Europa nachgedacht werden. Die Europäische Union hat eine größere Verantwortung als alle anderen Kontinente für die Erfüllung der Millenniumsziele. Sie ist eine der größten Gebernationen der Welt. Die Einbindung der Unionsbürger in die Bewältigung der größten weltweiten Herausforderungen würde nicht nur zur jeweiligen persönlichen Entwicklung beitragen, sondern auch gegenseitiges Verständnis fördern und die in einer globalisierten Welt erforderlichen Netzwerke schaffen.

2.13

Der Zivildienst ist mitunter als Wehrersatzdienst angelegt. Da die Wehrpflicht immer weiter eingeschränkt wird und sich das Militär in den Mitgliedstaaten immer stärker in Richtung einer Berufsarmee entwickelt, wird auch der Zivildienst eingeschränkt. Angesichts dessen kann der Aufbau von Freiwilligendiensten für Jugendliche eine attraktive Alternative bieten, um junge Menschen in die Gesellschaft einzubinden, auch wenn weniger junge Menschen den Wehrdienst/Zivildienst leisten.

2.14

Freiwillige Tätigkeiten und andere zivilgesellschaftliche Initiativen erzeugen aus verschiedenen Gründen zunehmend Aufmerksamkeit. Vertreter der EU-Mitgliedstaaten, der Beitrittsstaaten und der Europäischen Kommission trafen auf Einladung des italienischen Ratsvorsitzes 2004 in Rom zusammen, zur ersten Conference on Civic Service and Youth (Erste Europäische Konferenz zum freiwilligen Gesellschaftsdienst und zur Jugend). In den Schlussfolgerungen empfahl der italienische Konferenzvorsitz u.a.:

einen systematischen und regelmäßigen Austausch von Informationen und bewährten Verfahren sowie eine verstärkte Verknüpfung zwischen freiwilligen Gesellschaftsdiensten und der Jugendpolitik,

eine stärkere Einbeziehung junger Menschen in freiwillige Gesellschaftsdienste, um ihr bürgerschaftliches Engagement und ihre Solidaritätsbereitschaft zu stärken,

eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, Beitrittsländern und der Europäischen Kommission im Bereich der freiwilligen Gesellschaftsdienste für junge Menschen.

3.   Bestehende Austauschprogramme

3.1   Europa

3.1.1

Das Programm „Jugend in Aktion“ umfasst den Europäischen Freiwilligendienst (EFD). Freiwillige im Alter zwischen 18 und 30 Jahren verbringen zwei bis zwölf Monate im Ausland. Sie erhalten eine spezifische Schulung und ihre Lernerfahrung wird offiziell in einem Jugendpass anerkannt. Im Zeitraum von 1996 bis 2006 beteiligten sich ca. 30 000 Freiwillige am Europäischen Freiwilligendienst.

3.1.2

Von 2009 an werden ältere Menschen in die institutionalisierte Form des europäischen Freiwilligendienstes aufgenommen, was im Rahmen des Programms Grundtvig geschieht. Dieser Austausch wird zwar anfänglich nur einen geringen Umfang haben, doch ist es erwähnenswert, dass die Europäische Kommission nach Wegen sucht, die von verschiedenen Altersgruppen ausgeübte freiwillige Tätigkeit entsprechend zu unterstützen. Auch die Maßnahmen im Rahmen des Kommissionsprogramms „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ eröffnen greifbare Möglichkeiten für den Austausch von Freiwilligen aus verschiedenen Ländern und Altersgruppen.

3.1.3

Es gibt seit vielen Jahren eine bilaterale Zusammenarbeit zwischen Tausenden von Organisationen in den Mitgliedstaaten, in deren Mittelpunkt u.a. der Austausch von Freiwilligen steht. Dieser Austausch erfolgt dezentral, und es gibt keine Daten über seinen Umfang. Berücksichtigt man jedoch allein den Austausch innerhalb international tätiger Weltorganisationen, kann mit Sicherheit gesagt werden, dass daran eine bedeutende Zahl insbesondere junger Europäerinnen und Europäer teilnimmt.

3.1.4

Der EFD baut auf bestimmten grundlegenden Werte und Qualitätsstandards auf, die in der EFD-Charta festgelegt sind. Damit diese geschützt und eingehalten werden, müssen Organisationen, die Freiwillige über den EFD aufnehmen bzw. entsenden oder ein EFD-Projekt koordinieren möchten, zunächst akkreditiert werden.

3.1.5

Das Erasmus-Programm der EU hat sehr erfolgreich die Mobilität von Studierenden erhöht und gleichzeitig Hochschuleinrichtungen bei einer stärkeren Zusammenarbeit unterstützt. Ca. 90 % der Universitäten in Europa beteiligen sich an Erasmus, seit Anlaufen des Programms 1987 haben 1,9 Millionen Studenten hieran teilgenommen. Es ist geplant, die Erasmus-Mobilitätsmaßnahmen in den nächsten Jahren noch weiter auszubauen, mit dem Ziel von drei Millionen Erasmus-Studenten bis 2012.

3.1.6

Das Programm Leonardo da Vinci fördert die Mobilität in der beruflichen Erstausbildung, von Arbeitnehmern oder Selbständigen sowie von Berufsbildungspersonal.

3.2   Mitgliedstaaten

3.2.1

Der EWSA erkennt die verschiedenen Formen und Traditionen von Freiwilligendiensten und anderen freiwilligen Tätigkeiten in den Mitgliedstaaten an, die bürgerschaftliches Engagement, Solidarität und die soziale Entwicklung fördern sollen, und unterstreicht die Rolle und den Beitrag von Nichtregierungsorganisationen, die im Bereich der Jugend- oder Freiwilligenarbeit tätig sind. Auch ist dem Ausschuss das Problem des Vorhandenseins nur weniger Informationen bezüglich der Programme für Gesellschaftsdienste oder Freiwilligentätigkeit in den Mitgliedstaaten bewusst.

3.2.2

In einigen Mitgliedstaaten wie Deutschland, Italien und Frankreich sind (verpflichtende oder freiwillige) Gesellschaftsdienste für junge Menschen bereits eingeführt worden. In anderen Ländern wird die Einführung solcher Dienste erwogen bzw. in Angriff genommen.

4.   Eine europäische Initiative für bürgerschaftliches Engagement

4.1   Laufende politische Initiativen

Der Ausschuss begrüßt den Vorschlag für eine Empfehlung des Rates über die europaweite Mobilität junger Freiwilliger. Der EWSA begrüßt auch die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22. April 2008 zur Freiwilligentätigkeit als Beitrag zum wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt. Hierin wird die Notwendigkeit hervorgehoben, Ressourcen für die Freiwilligentätigkeit zu mobilisieren und Programme auch für andere Gruppen als junge Menschen zu öffnen.

Der EWSA begrüßt ferner die Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen für die vorbereitende Maßnahme Amicus durch die Kommission, um den transnationalen Charakter der Vermittlung Jugendlicher in Tätigkeiten im gemeinnützigen Dienst bzw. Freiwilligendienst und die Schaffung eines europäischen Rahmens zu fördern sowie um eine Test- und Auswertungsphase zu ermöglichen.

4.1.1

Der EWSA würde es daher begrüßen, wenn diejenigen Mitgliedstaaten mit etablierten Traditionen und Interesse in diesem Bereich eine Zusammenarbeit aufnehmen würden, durch die die bestehenden Formen des Freiwilligen-/Zivildiensts ein transnationales Element erhielten.

4.1.2

Der EWSA teilt die Auffassung, dass die mangelnde Koordinierung zwischen den verschiedenen nationalen Systemen und die nur spärlich vorhandenen Informationen, die Möglichkeiten, die der EFD bietet, einschränken und Anlass zur Besorgnis sind. Der Ausschuss begrüßt auch die Bemühungen um eine stärkere Anerkennung des EFD als Markenname bzw. Aushängeschild, ähnlich wie beim Erasmus-Programm.

4.2   Welche Ziele sollten verfolgt werden?

4.2.1

Der EWSA vertritt die Auffassung, dass die Union ehrgeizige Ziele für eine stärkere Teilhabe der Menschen an der Zivilgesellschaft aufstellen sollte. Ein erster Schritt wäre die praktische Umsetzung der vom EWSA in seiner früheren Stellungnahme vorgebrachten Empfehlungen (siehe Ziffer 2.5).

4.2.2

Die EU sollte eine europäische Initiative für bürgerschaftliches Engagement fördern, die Maßnahmen und Tätigkeiten für Austauschprogramme verbindet, deren Schwerpunkt nicht mehr ausschließlich auf der Jugend liegt, sondern auch eine stärkere europäische Komponente hat. Der Dienst sollte möglichst in einem anderen als dem Heimatland der Freiwilligen abgeleistet werden. Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass die Europäische Union die finanzielle Ausstattung derartiger Programme aufstocken sollte.

4.2.3

Zunächst sollte die Initiative darauf ausgerichtet sein, die aktuelle Zahl der Teilnehmer an Austauschen junger Freiwilliger zu verdoppeln. Dies sollte möglich sein, da z.B. derzeit über 100 000 Studierende am Erasmus-Programm teilnehmen, wohingegen an den laufenden Jugendaustauschprogrammen in Europa nur eine sehr geringe Zahl europäischer Jugendlicher beteiligt ist. Langfristig könnte bei diesen Programmen ein Gleichziehen mit den bei Erasmus erreichten Zahlen angestrebt werden.

4.2.4

Der EWSA hält es für erforderlich, benachteiligte Jugendliche stärker als Zielgruppe anzuvisieren. Diese Gruppe könnte am meisten von der Teilhabe an der Zivilgesellschaft profitieren, verfügt jedoch häufig nicht über die finanziellen und/oder schulischen Voraussetzungen.

4.2.5

Eine solche Initiative sollte auch andere Gruppen als die jungen Menschen einbeziehen. Die europäische Bevölkerung altert, doch sind ältere Menschen aktiver als früher und möchten sichtbarer an der Gesellschaft teilhaben. Die Einbeziehung anderer Gruppen, wie etwa von Rentnerinnen und Rentnern, in das System würde zum Konzept des „aktiven Alterns“ beitragen und eine neue Gruppe von Menschen aus verschiedenen Ländern einander näher bringen. Ältere Menschen könnten so am Leben in der Gesellschaft teilhaben, ihre Lebenserfahrung einbringen und sich nützlich fühlen. Dies würde sich positiv auf ihre Gesundheit und ihre Lebensqualität auswirken. Wenn Jung und Alt gemeinsam eine freiwillige Tätigkeit ausüben, kann dies auch zu einem besseren Verständnis zwischen den Generationen führen, Erfahrungen können ausgetauscht und gegenseitige Unterstützung angeboten werden.

4.2.6

Es ist wichtig, dass für eine bessere Zusammenarbeit zwischen bestehenden nationalen und europäischen Programmen gesorgt wird. Technische Hindernisse würden so abgebaut werden, wie etwa die fehlende gegenseitige Anerkennung von Erfahrungen im Freiwilligendienst und von Qualifikationen junger Menschen oder Probleme im Zusammenhang mit der Kranken- und Unfallversicherung. Zu diesem Zweck sollte die Europäische Union ein „Markenzeichen“ für Austauschprogramme festlegen, die den Qualitätsstandards der EU entsprechen.

4.2.7

Staatliche Unterstützung ist heute eine Notwendigkeit für die Stimulierung einer Programmentwicklung und die Sicherstellung von Qualitätsstandards. Kein Land trägt jedoch die gesamten Kosten für Freiwilligenprojekte. Insbesondere bei transnationalen Tätigkeiten werden häufig zusätzliche private Finanzierungsmöglichkeiten gesucht. Um den Austausch zu fördern und eine europäische Initiative für bürgerschaftliches Engagement aufzubauen, muss die EU daher ihren Haushalt für freiwillige Tätigkeiten und Austauschmaßnahmen erheblich aufstocken, um u.a. Kosten für Koordinierung abzudecken und Anreize und Quersubventionen zwischen verschiedenen Ländern zu schaffen. Auch fordert der EWSA die Mitgliedstaaten auf, ihre Finanzierung dieser Tätigkeiten aufzustocken.

4.2.8

Der Ausschuss hält es für wichtig, auch Drittstaaten einzubeziehen, so dass Freiwillige auch einen Dienst im Ausland ableisten können und so zu den Bemühungen der EU um das Erreichen der Millenniumsziele und die Durchführung der europäischen Entwicklungshilfepolitik beitragen. Eine Initiative zur Förderung eines weiter gefassten Rahmens und eine größere Zahl an Austauschen sollte auch mit dem Europäischen Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe abgestimmt werden, das im Lissabon-Vertrag vorgesehen ist. Das Freiwilligenkorps sollte auf lange Sicht neben den jungen Menschen auch andere Gruppen einbeziehen. In diesem Zusammenhang muss sichergestellt werden, dass die Visumspolitik der EU einen solchen Austausch nicht unnötig behindert.

4.2.9

Schließlich muss die EU auf diesen Bereich aufmerksam machen und ihn einer Evaluierung unterziehen, indem sie Untersuchungen anregt und diese unterstützt und Statistiken erstellt. Die Zusammenarbeit zwischen bestehenden Freiwilligendiensten muss im geeigneten institutionellen Rahmen weiter erörtert, begleitet und überwacht werden.

4.3   Vorteile und Herausforderungen

4.3.1

Eine europäische Initiative für bürgerschaftliches Engagement würde dazu beitragen, die sowohl universellen als auch europäischen Werte Freiheit, Demokratie und Achtung der Menschenrechte neben den Grundfreiheiten und der Rechtsstaatlichkeit zu stützen. Das Ziel sollte außerdem darin bestehen, soziale, fremdsprachliche und Netzwerk-Kompetenzen zu erwerben, Kenntnisse über den Aufbau und die Funktionsweise der Europäischen Union zu erlangen und Erfahrungen zu sammeln und diese auszutauschen. Der Wunsch, Wissen zu erwerben oder sich selbst und die eigenen Fähigkeiten besser kennen zu lernen, liegt häufig dem Engagement junger Menschen in einer freiwilligen Tätigkeit zugrunde; dies kommt auch den Anforderungen der Wissensgesellschaft entgegen.

4.3.2

Der EWSA sieht viele Möglichkeiten für eine transnationale Zusammenarbeit und den Austausch von Freiwilligen in einer Vielzahl von Bereichen (z.B. soziale Eingliederung, Bedürfnisse des Menschen, Kinder und Jugendliche, Information, Schutz von Kulturgütern, Kultur, Umwelt, Zivilschutz usw.), wodurch die europäische Dimension der Bürgerschaft gestärkt werden kann.

4.3.3

Nach Auffassung des EWSA könnte eine europäische Initiative für bürgerschaftliches Engagement die Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten, Beitrittsländern und den Ländern im Rahmen des Instruments der Europäischen Nachbarschaftspolitik in Bezug auf eine aktive Bürgerschaft und die Solidaritätsbereitschaft fördern.

4.3.4

Freiwillige können wichtige, auf dem Arbeitsmarkt gefragte nicht formale Erfahrungen und Kenntnisse erwerben und ein Kontaktnetzwerk aufbauen. Neben den Aktivitäten im sozialen Bereich und im Gesundheitswesen, die als traditionelle Einsatzfelder freiwilliger Tätigkeiten gelten, können die Freiwilligen während ihres Dienstes Schlüsselkompetenzen und Kenntnisse in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation, Ausdrucksfähigkeit, soziale Fähigkeiten, Organisationsmanagement, berufliche Bildung usw. erwerben. Jedoch muss auch für eine Anerkennung der freiwilligen Tätigkeit junger Menschen und ihrer nicht formalen Lernerfahrung gesorgt werden.

4.3.5

Es gibt jedoch auch mögliche Probleme. Eines dieser Probleme ist der fehlende Rechtsstatus von Freiwilligen. In nationalen Rahmen werden der Status der Freiwilligen und Organisationen in dem Land selbst sowie, in geringerem Umfang, auch im Ausland definiert. Es gibt jedoch keinen nationalen Rechtsrahmen, der z.B. Freiwilligen im Rahmen des EFD einen ähnlichen Rechtsstatus einräumen würde.

4.3.6

Auch in Versicherungsfragen sowie in Bezug auf Gesundheit und Sicherheit muss Klarheit geschaffen werden. Für eine soziale Absicherung der Freiwilligen während der Zeit ihres Dienstes sollte gesorgt sein, doch wird dies schwierig, wenn die Bestimmungen zur Sozialversicherung bei transnational tätigen Freiwilligen in den einzelnen Ländern unterschiedlich sind. Der EWSA fordert die Kommission daher auf, in diesen Fragen eine gemeinsame Lesart anzustreben. Die Mitgliedstaaten und zuständigen Institutionen sollten dazu aufgerufen werden, Lösungen für diese wichtigen Fragen zu finden.

4.3.7

Um jeden Preis müssen potenzielle Konflikte bei der Definition von bezahlter Beschäftigung und Freiwilligendienst vermieden werden. Aus diesem Grund muss der Unterschied zwischen Arbeitnehmern und Freiwilligen eindeutig geklärt und müssen die Zuständigkeiten von Freiwilligen ggf. klar definiert werden. Freiwillige Tätigkeiten sollen keine Arbeitsplätze ersetzen. Die Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern ist daher wichtig.

5.   Die Rolle des EWSA und der organisierten Zivilgesellschaft

5.1

Die organisierte Zivilgesellschaft ist der Kernbereich für freiwillige Tätigkeiten. Schon jetzt beteiligen sich eine Vielzahl zivilgesellschaftlicher Organisationen am EFD und an anderen Programmen der EU. Freiwilligenorganisationen sollten in einem weiter gefassten Austauschprogramm auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen.

5.2

Nicht gewinnorientierte und gemeinnützige Organisationen übernehmen häufig verschiedene Wohlfahrtsdienste in Europa. Gleichzeitig sinkt in vielen Fällen die aktive Mitwirkung an Volksbewegungen. Vor diesem Hintergrund könnte eine europäische Initiative für bürgerschaftliches Engagement dazu beitragen, sowohl die Teilhabe der Menschen an der organisierten Zivilgesellschaft zu erweitern als auch die Entwicklungsmöglichkeiten der Organisationen selbst zu vergrößern. Eine Überprüfung und Debatte über die Rolle und den Status nicht gewinnorientierter Organisationen in der Gesellschaft kann einen Wandel in Bezug auf den spezifischen Beitrag der Organisationen herbeiführen und das Bewusstsein über den von ihnen geleisteten gesellschaftlichen Mehrwert fördern.

5.3

Eine europäische Initiative für bürgerschaftliches Engagement kann ferner zu einer stärkeren und lebendigeren Zivilgesellschaft beitragen. Hiervon wird auch das Sozialkapital profitieren, in Bezug auf Vertrauen, weniger Korruption und die Mitgliedschaft in gemeinnützigen Vereinen.

5.4

Von dem Problem der Akkreditierung von Organisationen und der Frage der Qualität des Austauschzeitraums sind Organisationen der Zivilgesellschaft häufig betroffen. Der EWSA möchte die organisierte Zivilgesellschaft in den Mitgliedstaaten und auf europäischer Ebene dazu aufrufen, gemeinsame Grundsätze für die Akkreditierung aufzustellen und gemeinsame Qualitätskriterien weiterzuentwickeln. Dies könnte ggf. in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden geschehen.

5.5

Der EWSA ist sich bewusst, dass für diese Thematik ein Follow-up erforderlich ist, beispielsweise in Form einer Konferenz. Hieran sollten alle einschlägigen nationalen Dienste, die Europäische Kommission und im Jugendbereich oder Freiwilligendienst tätigen Nichtregierungsorganisationen beteiligt werden, um die Entwicklung eines Rahmens für eine europäische Initiative für bürgerschaftliches Engagement zu fördern.

Brüssel, den 25. Februar 2009

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  14825/08, JEUN 101.

(2)  Siehe Stellungnahme des EWSA zum Thema „Freiwillige Aktivitäten, ihre Rolle in der europäischen Gesellschaft und ihre Auswirkungen“, Berichterstatterin: Frau Koller (ABl. C 325 vom 30.12.2006).

(3)  Aus Gründen der Deutlichkeit wird in dieser Stellungnahme des EWSA durchgehend der Begriff „Initiative für bürgerschaftliches Engagement“ verwandt, da der englische Begriff „civic service“ (u.a. freiwilliger Gesellschaftsdienst) in manchen Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgelegt wird.

(4)  Siehe Stellungnahme des EWSA zum Thema „Freiwillige Aktivitäten, ihre Rolle in der europäischen Gesellschaft und ihre Auswirkungen“, Berichterstatterin: Frau Koller (ABl. C 325 vom 30.12.2006).


ANHANG

zu der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Folgende Änderungsanträge, auf die mehr als ein Viertel der abgegebenen Stimmen entfiel, wurden im Laufe der Beratungen abgelehnt:

Ziffer 2.11

Gegenwärtig sind werden freiwillige Tätigkeiten von Jugendlichen eine Priorität der vor allem über die Methode der offenen Koordinierung im Rahmen der Jugendpolitik der Europäischen Union durchgeführt, bei der drei vorrangige Stränge verfolgt werden:

Förderung der Teilhabe junger Menschen an einer aktiven Bürgerschaft und der Zivilgesellschaft;

Förderung freiwilliger Tätigkeiten junger Menschen;

Verbesserung der an junge Menschen gerichteten Informationen und der diesbezüglich bestehenden Informationsdienste, Förderung freiwilliger Tätigkeiten junger Menschen zur Förderung eines besseren Verständnisses der Jugend.

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen: 49 Nein-Stimmen: 69 Stimmenthaltungen: 19

Ziffer 4.3.7

Um jeden Preis müssen potenzielle Konflikte bei der Definition von bezahlter Beschäftigung und Freiwilligendienst vermieden werden. Aus diesem Grund muss der Unterschied zwischen Arbeitnehmern und Freiwilligen eindeutig geklärt und müssen die Zuständigkeiten von Freiwilligen ggf. klar definiert werden. Freiwillige Tätigkeiten sollen keine Arbeitsplätze ersetzen. Die Zusammenarbeit zwischen Freiwilligenorganisationen und mit den Sozialpartnern ist daher wichtig.

Abstimmungsergebnis

Ja-Stimmen: 48 Nein-Stimmen: 77 Stimmenthaltungen: 23


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