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Document 32009A0718(01)

    Stellungnahme des Rates vom 7. Juli 2009 zum aktualisierten Stabilitätsprogramm Belgiens für 2008—2013

    ABl. C 166 vom 18.7.2009, p. 1–6 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    18.7.2009   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 166/1


    STELLUNGNAHME DES RATES

    vom 7. Juli 2009

    zum aktualisierten Stabilitätsprogramm Belgiens für 2008—2013

    2009/C 166/01

    DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –

    gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

    gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 3,

    auf Empfehlung der Kommission,

    nach Anhörung des Wirtschafts- und Finanzausschusses –

    GIBT FOLGENDE STELLUNGNAHME AB:

    (1)

    Am 7. Juli 2009 prüfte der Rat das aktualisierte Stabilitätsprogramm Belgiens für den Zeitraum 2008 bis 2013.

    (2)

    Im Jahr 2008 verstärkte sich der Wirtschaftsabschwung in Belgien aufgrund der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise. Vor allem der Einbruch im Welthandel in Kombination mit nachlassendem Vertrauen, Vermögenseffekten und restriktiveren kreditpolitischen Bedingungen führte im letzten Quartal 2008 und im ersten Quartal 2009 zu einem drastischen Konjunkturrückgang. Auch für 2009 wird ein drastischer Rückgang des BIP erwartet, was gemäß der Frühjahrsprognose 2009 der Kommissionsdienststellen zu einem erheblichen Anstieg der Arbeitslosenquote auf über 10 % im Jahr 2010 führen dürfte. Die größten Herausforderungen in diesem Abschwung sind die Wiederherstellung eines normal funktionierenden Finanzsektors sowie des Vertrauens, um die Binnennachfrage zu stützen und die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Der Abschwung wird signifikante negative Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen haben. In der Frühjahrsprognose 2009 der Kommissionsdienststellen wird von einer Verschlechterung des gesamtstaatlichen Defizits von 1,2 % des BIP im Jahr 2008 auf über 6 % des BIP im Jahr 2010 ausgegangen. Dies ist sowohl auf das normale Funktionieren der automatischen Stabilisatoren als auch auf die Auswirkungen der Ende 2008 von der Föderalen Regierung bzw. den Regionalregierungen verabschiedeten Konjunkturprogramme (0,5 % des BIP im Jahr 2009 und 0,4 % des BIP im Jahr 2010) zurückzuführen. Diese Programme ergänzen andere, bereits im Haushalt 2009 enthaltene Maßnahmen mit einem Umfang von etwa 0,4 % des BIP. Zu den wichtigsten Maßnahmen der Konjunkturprogramme zählen die Verringerung der Lohnnebenkosten, die Senkung des MwSt.-Satzes im Wohnungsbau, das Vorziehen öffentlicher Investitionen und Liquiditätsunterstützung für Unternehmen. Die Regierung hat eine begrenzte Anzahl von Strukturreformen, u.a. zur Verbesserung des Funktionierens des Arbeitsmarktes, umgesetzt.

    (3)

    Nach dem makroökonomischen Szenario des Programms wird das reale BIP, das im Jahr 2008 um 1,1 % gestiegen war, im Jahr 2009 um 1,9 % sinken, bevor es sich 2010 mit einer Wachstumsrate von 0,6 % leicht erholt und im restlichen Programmzeitraum eine Rate von durchschnittlich 2¼ % erreicht. Dieses Szenario scheint nach aktuellem Kenntnisstand (2) ausgesprochen günstig. Das projizierte Wachstum für 2009 und 2010 erscheint hoch angesichts des sich rasch verschlechternden internationalen Umfelds, des geschätzten BIP-Wachstums von – 3,1 % im Jahresvergleich und den weiterhin niedrigen Vertrauensindikatoren.

    (4)

    Die Kommissionsdienststellen erwarten in ihrer Frühjahrsprognose 2009, dass die Wirtschaft im Jahr 2009 um 3,5 % und 2010 um 0,2 % schrumpft. Auch die projizierte mittelfristige Wachstumsentwicklung könnte angesichts der deutlich niedrigeren Zahlen des durchschnittlichen Potenzialwachstums (nach Neuberechnungen anhand des Programms und in der Frühjahrsprognose 2009 der Kommissionsdienststellen) als optimistisch bezeichnet werden. Die Inflationsprognosen des Programms von 0,7 % für 2009 und 1,8 % für 2010 scheinen relativ hoch, könnten sich für die folgenden Jahre jedoch als realistisch erweisen.

    (5)

    2008 lag das gesamtstaatliche Defizit bei 1,2 % des BIP, während in der Programmaktualisierung vom Vorjahr noch das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts genannt worden war. Die Einnahmen fielen 0,4 % des BIP niedriger aus als erwartet, während die Ausgaben 0,8 % des BIP über den Erwartungen lagen. Das schlechtere Ergebnis ergibt sich aus dem unerwartet niedrigen nominalen BIP-Wachstum (2,9 % statt der in der Programmaktualisierung vom April 2008 prognostizierten 4,9 %) und einer beschleunigten Zahlung staatlicher Rechnungen zum Jahresende als Teil des Konjunkturprogramms.

    (6)

    In der Aktualisierung wird für das Jahr 2009 ein Defizitziel von 3,4 % des BIP genannt, während die Kommissionsdienststellen in ihrer Frühjahrsprognose 2009 von 4,5 % ausgehen. Die Verschlechterung des Defizits 2009 reflektiert die Wirkung der automatischen Stabilisatoren (rund 2½ % des BIP), der expansiven Maßnahmen im Haushalt 2009 (0,4 % des BIP) und der von der Föderalen Regierung und den Regionalregierungen geschnürten Konjunkturpakete (0,5 % des BIP). Das strukturelle Defizit (d.h. der konjunkturbereinigte Saldo ohne Anrechnung einmaliger und sonstiger befristeter Maßnahmen) dürfte laut den Angaben des aktualisierten Stabilitätsprogramms und gemäß der Neuberechnung der Kommissionsdienststellen nach der gemeinsamen Methodik von 2 % im Jahr 2008 auf 2½ % des BIP im Jahr 2009 steigen. Die Kommissionsdienststellen erwarten in ihrer Frühjahrsprognose 2009 eine deutlichere Verschlechterung des strukturellen Haushaltssaldos (um einen Prozentpunkt) für 2009. Der finanzpolitische Kurs im Jahr 2009 kann somit in Einklang mit dem Europäischen Konjunkturprogramm als expansiv eingestuft werden. Die finanzpolitische Expansion lässt sich neben den finanzpolitischen Anreizen im Zusammenhang mit dem Europäischen Konjunkturprogramm (0,5 % des BIP) auch durch früher getroffene Maßnahmen zur Steigerung der Kaufkraft der privaten Haushalte (0,4 % des BIP) erklären. Somit belaufen sich die Nettoauswirkungen auf rund 0,9 % des BIP.

    (7)

    Im Programm ist keine ausreichend begründete mittelfristige Haushaltsstrategie vorgesehen, und es erfüllt nicht wichtige Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts. So wird in Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 „eine detaillierte und quantitative Bewertung der haushaltspolitischen und sonstigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die zur Erreichung der Programmziele unternommen werden“ gefordert. Darüber hinaus wird im Verhaltenskodex ausdrücklich auf die Notwendigkeit verwiesen, Angaben zu „den Ausgaben- und Einnahmequoten und ihren gesondert genannten Komponenten“ einzubeziehen sowie eine „[Aufschlüsselung] nach gesamtstaatlichen Teilsektoren“ beizufügen. Diese Angaben wurden nicht übermittelt. Das Programm enthält einen haushaltspolitischen Pfad mit sinkendem Gesamtdefizit ab 2011, jedoch keine Angaben zu den Maßnahmen, mit denen dieses Ziel erreicht werden soll, zur geplanten Entwicklung der grundlegenden Einnahmen- und Ausgabenkomponenten und der Ziele für die einzelnen Regierungsebenen. Das Gesamtdefizit dürfte weiter auf 4 % im Jahr 2010 steigen, bevor es bis zum Ende des Programmzeitraums auf 1,5 % zurückgeht. Der Primärsaldo folgt im Großen und Ganzen demselben Pfad. Das neuberechnete strukturelle Defizit dürfte sich 2010 um weitere 0,2 Prozentpunkte verschlechtern, bevor es sich — vor allem 2012 und 2013 — schrittweise verbessert. Im Programm ist nicht vorgesehen, dass das mittelfristige Ziel (ein Überschuss von 0,5 % des BIP, konjunkturbereinigt ohne einmalige und sonstige befristete Maßnahmen) im Programmzeitraum erreicht wird. Nach dem Programm erfordert das Erreichen dieser Defizitziele Korrekturmaßnahmen, zumal die in früheren Jahren getroffenen Maßnahmen und das Konjunkturpaket sich weiterhin während des Großteils des Programmzeitraums expansiv auswirken werden. Im aktualisierten Programm werden die öffentlichen Schulden auf 89,6 % des BIP im Jahr 2008 im Vergleich zu 84 % im Jahr 2007 geschätzt. Abgesehen vom Anstieg des Defizits und dem sinkenden BIP-Wachstum trägt eine erhebliche Bestandsanpassung, die in der Hauptsache Maßnahmen zur Bankenrettung (6 % des BIP) umfasst, zum Anstieg der Schuldenquote bei. Laut Programm soll die Schuldenquote im Jahr 2010 weiter auf 95 % steigen, sich 2011 stabilisieren und danach leicht zurückgehen. Nach der Frühjahrsprognose 2009 der Kommissionsdienststellen wird die Schuldenquote im Jahr 2009 rund 96 % des BIP betragen und im Jahr 2010 100 % des BIP knapp überschreiten; der Unterschied zum aktualisierten Stabilitätsprogramm ergibt sich aus den abweichenden Zahlen für gesamtstaatliches Defizit und Wachstum.

    (8)

    Da wichtige Angaben zum Programm fehlen und gegen mehrere Punkte des Verhaltenskodexes verstoßen wird (s.o.), ist eine Beurteilung des Programms sehr schwierig; es ist jedoch klar, dass die Haushaltsziele im gesamten Programmzeitraum mit erheblichen Abwärtsrisiken behaftet sind. Erstens wird die makroökonomische Entwicklung im gesamten Programmzeitraum voraussichtlich schlechter ausfallen als im Programm prognostiziert. Zweitens können die (strukturellen) Ziele nur durch umfangreiche zusätzliche Maßnahmen erreicht werden. Das Programm enthält jedoch keine Angaben zu diesen Maßnahmen oder zur geplanten Entwicklung der grundlegenden Einnahmen- und Ausgabenkomponenten, die somit eindeutig nicht durch eine mittelfristige Haushaltsstrategie gestützt werden. Die Tatsache, dass die dauerhaften Maßnahmen des Konjunkturpakets nicht durch künftige Einsparungen aufgefangen werden, erhöht diese Gefahr weiter und steht in Widerspruch zu den Leitlinien des Europäischen Konjunkturprogramms, das der Rat am 11. Dezember 2008 beschloss. Außerdem weist Belgien beim Erreichen von Haushaltszielen bisher eine eher gemischte Erfolgsbilanz vor (siehe Absatz 9). Schließlich hat die Regierung dem Bankensektor umfangreiche Bürgschaften gewährt, die zum künftigen Anstieg von Defizit und Schuldenstand führen könnten, wenn sie in Anspruch genommen werden. Angesichts der erheblichen Abwärtsrisiken für die Haushaltsziele kann sich die Schuldenquote auch ungünstiger entwickeln als im Programm projiziert.

    (9)

    Die langfristige Auswirkung der Bevölkerungsalterung auf die öffentlichen Haushalte liegt über dem EU-Durchschnitt, was hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, dass die Rentenausgaben im Verhältnis zum BIP in den kommenden Jahrzehnten relativ stark steigen werden. Hier spiegelt sich u.a. wieder, dass Belgien noch keine ausreichende Reform des Rentensystems durchgeführt hat, um das tatsächliche Renteneintrittsalter zu erhöhen und die Kosten zu senken. Die im Programm veranschlagte Haushaltsposition 2008 hat sich gegenüber der geschätzten Ausgangsposition des vorhergehenden Programms verschlechtert, wodurch die mildernde Auswirkung der ursprünglichen Haushaltsposition auf die Tragfähigkeitslücke leicht verringert wird. Würde man die in der Frühjahrsprognose 2009 der Kommissionsdienststellen projizierte Haushaltsposition 2009 als Ausgangspunkt zugrunde legen, würde sich die Tragfähigkeitslücke erheblich vergrößern. Außerdem liegt der als Anteil des BIP gemessene öffentliche Bruttoschuldenstand gegenwärtig weit über dem EGV-Referenzwert. Reformen des Arbeitsmarktes und der Sozialversicherungssysteme würden das Potenzialwachstum steigern und zusammen mit hohen Primärüberschüssen zur Verringerung der derzeit mittleren Risiken für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen beitragen. Die politische Reaktion auf die Finanzkrise könnte zu einem über die Projektionen des Programms hinausgehenden Anstieg der Schuldenquote führen, wenn die Kosten nicht in Zukunft wieder hereingeholt werden können.

    (10)

    Bis 2007 konnte Belgien relativ ausgeglichene Haushalte vorweisen (3). Die Haushaltsziele wurden jedoch mehrfach in aufeinanderfolgenden Aktualisierungen des Stabilitätsprogramms gelockert, auch unter relativ günstigen makroökonomischen Voraussetzungen. Außerdem wurden die Ergebnisse teilweise durch defizitsenkende einmalige Maßnahmen erzielt, die sich auf künftige Haushalte sowie im Rahmen sinkender Zinsausgaben negativ auswirken. Jetzt, wo deutlichere Konsolidierungsbemühungen im Hinblick auf die Korrektur der Anreizmaßnahmen und eine Rückkehr zum Schuldenabbau erforderlich sein werden, dürfte ein strengerer Haushaltsrahmen erforderlich sein, der vor allem mehrjährige und verbindliche Ausgabenobergrenzen und Haushaltsvereinbarungen zwischen den einzelnen Regierungsebenen umfasst, einschließlich der Schaffung von Durchsetzungsmechanismen, durch die die Einhaltung der Haushaltsziele sichergestellt wird.

    (11)

    Die belgische Regierung ergriff infolge der Finanzkrise mehrere Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzsektors. Zunächst leistete sie für vier große Finanzinstitutionen Kapitalspritzen in Höhe von rund 6 % des BIP. Zweitens leistete sie Bürgschaften für spezifische Portfolios von Risikopositionen bestimmter systemrelevanter Banken. Drittens hat die Regierung auf Antrag und unter bestimmten Bedingungen Bürgschaften für von Banken an Firmenkunden und im Interbankgeschäft vergebene Kredite geleistet. Diese Bürgschaften, die sich auf gut ein Drittel des BIP belaufen können, werden gegen eine Gebühr geleistet und haben nur Auswirkungen auf das Defizit, wenn sie in Anspruch genommen werden. Schließlich bot die belgische Regierung eine Garantie für alle Privatkundeneinlagen bis zu 100 000 EUR und weitete sie — ebenfalls gegen Gebühr — auf bestimmte Versicherungsprodukte aus.

    (12)

    Als Reaktion auf die Wirtschaftskrise beschloss Belgien eine Reihe von Stützungsmaßnahmen. Das Konjunkturpaket der Föderalen Regierung mit Auswirkungen auf den Haushalt in Höhe von 0,5 % des BIP im Jahr 2009 und 0,4 % im Jahr 2010 zielt auf i) Liquiditätsunterstützung für Unternehmen durch raschere Begleichung staatlicher Rechnungen und Zahlungsfazilitäten, ii) Sicherung der Kaufkraft der privaten Haushalte durch höhere Arbeitslosenunterstützung, iii) Beschäftigungsförderung durch Senkung der Lohnnebenkosten und iv) Investitionsanreize durch zielgerichtete Senkung des MwSt.-Satzes für den Wohnungsbau und zusätzliche öffentliche Investitionen, vor allem in die Infrastruktur ab. Die Konjunkturpakete der Regionalregierungen sollen schwerpunktmäßig den Zugang von Unternehmen, vor allem KMU und neugegründeten Unternehmen, zu Finanzmitteln sichern und öffentliche Investitionen beschleunigen. Angesichts des begrenzten haushaltspolitischen Spielraums scheint das Konjunkturpaket eine angemessene Reaktion auf den Abschwung zu sein. Die meisten Maßnahmen stehen in Einklang mit dem Europäischen Konjunkturprogramm und das Paket ist in Bezug auf Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen. Die Senkung der Lohnnebenkosten, die zu einem wesentlichen Teil allen Arbeitnehmern gewährt wird, und die allen Haushalten gewährten Heizsubventionen erscheinen jedoch nicht zielgerichtet genug. Außerdem kommt ein Teil der Anreize, einschließlich der Investitionspakete und der Senkung der Lohnnebenkosten, wohl etwas spät, um die unmittelbaren Auswirkungen der Krise abzufedern. Schließlich sind auch für künftige Jahre für die dauerhaften Maßnahmen (0,1 % des BIP im Jahr 2009 und 0,3 % des BIP im Jahr 2010), vor allem im Hinblick auf die Senkung der Lohnnebenkosten, keine Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen. Die Pakete umfassen begrenzte Strukturmaßnahmen wie die Verbesserung der aktiven Arbeitsmarktpolitik, eine weitere Verringerung der Lohnnebenkosten und Förderung von FuE, die den Rückgang des Potenzialwachstums in gewissem Umfang abmildern und so zusammen mit Produktmarktreformen langfristige Herausforderungen der Wirtschaft bewältigen dürften. Diese Maßnahmen stehen mit der Lissabonner Reformagenda und den länderspezifischen Empfehlungen in Zusammenhang, die die Kommission am 28. Januar 2009 im Rahmen der Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung vorgeschlagen hat und die am 28. April vom Rat angenommen wurde. Die Strukturmaßnahmen in den Konjunkturpaketen sind begrüßenswert, scheinen aber nicht umfassend genug zu sein, um langfristige Herausforderungen wirksam anzugehen, beispielsweise in Bezug auf die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen und die Effizienz des Arbeitsmarktes.

    (13)

    Der an der Veränderung des strukturellen Saldos — unter Berücksichtigung der Risiken für die Haushaltsprojektionen — gemessene finanzpolitische Kurs ist im Jahr 2009 expansiv, in Einklang mit dem Europäischen Konjunkturprogramm. Dies spiegelt teilweise die Reaktion der belgischen Regierung auf das Europäische Konjunkturprogramm wieder. Danach sieht das Programm einen weitgehend neutralen finanzpolitischen Kurs für die Jahre 2010 und 2011 und ab 2012 einen restriktiven Kurs vor. Während die Bewertung des Kurses ab 2010 durch den Mangel an Informationen im Programm erheblich beeinträchtigt wurde, scheinen für die Haushaltsziele erhebliche Abwärtsrisiken zu bestehen, da unter anderem die Ziele nicht durch eine mittelfristige Haushaltsstrategie im Sinne des Stabilitäts- und Wachstumspakts unterstützt werden. Daher wird der finanzpolitische Kurs wahrscheinlich bis 2011 expansiv bleiben und danach bestenfalls neutral werden. Das Programm sieht eine Rückkehr zu einem Gesamtdefizit unter dem Referenzwert erst für 2012 vor. Darüber hinaus scheint ein solcher Pfad ungeeignet angesichts der Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen einschließlich des außerordentlich hohen öffentlichen Schuldenstands, der zudem über den Programmzeitraum nicht hinreichend rückläufig zu sein scheint sowie angesichts erheblicher Eventualverbindlichkeiten in Zusammenhang mit den Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzsystems.

    (14)

    Was die im Verhaltenskodex für die Stabilitäts- und Konvergenzprogramme vorgesehenen Daten angeht, so weist das aktualisierte Programm sowohl bei den obligatorischen als auch bei den fakultativen Angaben (4) erhebliche Lücken auf, obgleich das Programm erst vier Monate nach Ablauf der offiziellen Frist vorgelegt wurde. Diese Lücken haben die Bewertung des Programms, vor allem der mittelfristigen Haushaltsstrategie, durch den Rat sehr erschwert.

    (15)

    Alles in allem werden die öffentlichen Finanzen Belgiens, ausgehend von einer angesichts der hohen öffentlichen Schuldenquote relativ ungünstigen Position, vom Konjunkturabschwung in Mitleidenschaft gezogen. Der finanzpolitische Kurs im Jahr 2009 ist angemessen expansiv, in Einklang mit dem Europäischen Konjunkturprogramm. Er spiegelt vor allem die finanzpolitischen Anreize wieder, deren Umfang angesichts des hohen Schuldenstands begrenzt werden musste. Der gesamtstaatliche Haushaltssaldo wird 2009 den Referenzwert von 3 % des BIP übersteigen. Gleichzeitig wird sich der Anstieg der öffentlichen Bruttoverschuldungsquote, der 2008 als Folge der Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzsystems begann, voraussichtlich fortsetzen. Zuvor war die Bruttoverschuldungsquote deutlich von 134 % im Jahr 1993 auf 84 % im Jahr 2007 gesunken. Der Konsolidierungspfad des aktualisierten Programms zielt auf eine schrittweise Verringerung des Gesamtdefizits ab, um die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu gewährleisten. Das Fehlen entscheidender Angaben, beispielsweise zu den Ausgaben- und Einnahmequoten, im Programm hat die Möglichkeit, die Glaubhaftigkeit der Defizit- und Schuldenziele des Programms zu bewerten, erheblich beeinträchtigt. Die Tatsache, dass das Programm keine Angaben zu diesen Zielen enthält, legt den Schluss nahe, dass sie nicht durch eine solide mittelfristige Haushaltsstrategie im Sinne des Stabilitäts- und Wachstumspakts unterstützt werden. Der Pfad ist während des gesamten Programmzeitraums eindeutig von erheblichen Abwärtsrisiken bedroht, die sich aus den günstigen makroökonomischen Annahmen und dem Mangel an konkreten Maßnahmen ergeben. Darüber hinaus ist er angesichts der Schuldendynamik und der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen nicht ehrgeizig genug in Bezug auf eine entschiedene Korrektur des Defizits, sobald sich die wirtschaftliche Lage bessert.

    In Anbetracht der vorstehenden Bewertung wird Belgien aufgefordert,

    i)

    bis spätestens 20. September eine Ergänzung zu dem Programm einschließlich einer soliden mittelfristigen Haushaltsstrategie vorzulegen und sich in stärkerem Maße an die Datenvorgaben des Verhaltenskodex, insbesondere im Hinblick auf die obligatorischen Daten, zu halten;

    ii)

    die konjunkturfördernden Maßnahmen in Einklang mit dem Europäischen Konjunkturprogramm wie geplant umzusetzen, dabei jedoch eine weitere Verschlechterung des strukturellen Saldos im Jahr 2009 zu vermeiden, und die finanzpolitische Konsolidierung ab 2010 wiederaufzunehmen, wenn sich die Wirtschaftslage erwartungsgemäß bessert, und die Bemühungen um eine strukturelle Konsolidierung im Jahr 2011 zu beschleunigen;

    iii)

    die Qualität der öffentlichen Finanzen zu verbessern durch Annahme eines strengeren Haushaltsrahmens einschließlich verbindlicher mehrjähriger Ausgabenobergrenzen sowie Haushaltsvereinbarungen zwischen den einzelnen Regierungsebenen, und dabei auch Durchsetzungsmechanismen zu schaffen, die die Einhaltung der haushaltspolitischen Ziele gewährleisten;

    iv)

    zusätzlich zu den Bemühungen um eine Haushaltskonsolidierung zur Steigerung des Potenzialwachstums Strukturreformen des Sozialversicherungssystems, des Arbeitsmarktes und der Produktmärkte durchzuführen, die Beschäftigungsquote zu erhöhen und die Haushaltsauswirkungen der Bevölkerungsalterung zu verringern, um die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu verbessern.

    Gegenüberstellung zentraler makroökonomischer und budgetärer Projektionen

     

     

    2007

    2008

    2009

    2010

    2011

    2012

    2013

    Reales BIP (Veränderung in %)

    SP Apr. 2009

    2,8

    1,1

    -1,9

    0,6

    2,3

    2,3

    2,1

    KOM Frühjahr 2009

    2,8

    1,2

    -3,5

    -0,2

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    SP Apr. 2008

    2,8

    1,9

    2,0

    2,0

    2,0

    k.A.

    k.A.

    HVPI-Inflation (%)

    SP Apr. 2009

    1,8

    4,5

    0,7

    1,8

    1,8

    1,7

    1,8

    KOM Frühjahr 2009

    1,8

    4,5

    0,3

    1,2

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    SP Apr. 2008

    1,8

    3,0

    1,7

    1,8

    1,8

    k.A.

    k.A.

    Produktionslücke (5) (% des BIP-Potenzials)

    SP Apr. 2009

    2,3

    1,5

    -1,9

    -2,7

    -1,9

    -1,2

    -0,6

    KOM Frühjahr 2009 (6)

    2,5

    1,9

    -2,6

    -3,8

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    SP Apr. 2008

    0,3

    -0,1

    -0,4

    -0,5

    -0,8

    k.A.

    k.A.

    Finanzierungsdefizit/ -überschuss gegenüber dem Rest der Welt (% des BIP)

    SP Apr. 2009

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    KOM Frühjahr 2009

    2,1

    -2,1

    -2,5

    -2,6

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    SP Apr. 2008

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    Gesamtstaatliche Einnahmen (% des BIP)

    SP Apr. 2009

    48,1

    48,6

    48,2

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    KOM Frühjahr 2009

    48,1

    48,6

    48,4

    48,2

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    SP Apr. 2008

    48,7

    49,0

    48,8

    48,9

    49,2

    k.A.

    k.A.

    Gesamtstaatliche Ausgaben (% des BIP)

    SP Apr. 2009

    48,3

    49,8

    51,6

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    KOM Frühjahr 2009

    48,3

    49,8

    52,9

    54,3

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    SP Apr. 2008

    48,9

    49,0

    48,5

    48,3

    48,2

    k.A.

    k.A.

    Gesamtstaatlicher Haushaltssaldo (% des BIP)

    SP Apr. 2009

    -0,2

    -1,2

    -3,4

    -4,0

    -3,4

    -2,6

    -1,5

    KOM Frühjahr 2009

    -0,2

    -1,2

    -4,5

    -6,1

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    SP Apr. 2008

    -0,2

    0,0

    0,3

    0,7

    1,0

    k.A.

    k.A.

    Primärsaldo (% des BIP)

    SP Apr. 2009

    3,6

    2,5

    0,4

    -0,1

    0,6

    1,5

    2,5

    KOM Frühjahr 2009

    3,6

    2,5

    -0,6

    -2,1

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    SP Apr. 2008

    3,7

    3,7

    3,8

    4,1

    4,3

    k.A.

    k.A.

    Konjunkturbereinigter Saldo (5) (% des BIP)

    SP Apr. 2009

    -1,5

    -2,0

    -2,4

    -2,6

    -2,4

    -1,9

    -1,2

    KOM Frühjahr 2009

    -1,6

    -2,2

    -3,1

    -4,0

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    SP Apr. 2008

    -0,4

    0,0

    0,5

    1,0

    1,4

    k.A.

    k.A.

    Struktureller Saldo (7) (% des BIP)

    SP Apr. 2009

    -1,3

    -2,0

    -2,4

    -2,6

    -2,4

    -1,9

    -1,2

    KOM Frühjahr 2009

    -1,5

    -2,2

    -3,2

    -4,0

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    SP Apr. 2008

    -0,3

    0

    0,5

    1,0

    1,4

    k.A.

    k.A.

    Öffentlicher Bruttoschuldenstand (% des BIP)

    SP Apr. 2009

    84,0

    89,6

    93

    95

    94,9

    93,9

    92

    KOM Frühjahr 2009

    84,0

    89,6

    95,7

    100,9

    k.A.

    k.A.

    k.A.

    SP Apr. 2008

    84,9

    81,5

    778,1

    74,7

    71,1

    k.A.

    k.A.

    Stabilitätsprogramm (SP), Frühjahrsprognose 2009 der Kommissionsdienststellen (KOM), Berechnungen der Kommissionsdienststellen.


    (1)  ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1. Die Dokumente, auf die in diesem Text verwiesen wird, finden sich auf folgender Website: http://ec.europa.eu/economy_finance/about/activities/sgp/main_en.htm

    (2)  Berücksichtigt wurden hierbei insbesondere die Frühjahrsprognose 2009 der Kommissionsdienststellen, daneben aber auch andere, neuere Daten.

    (3)  Mit Ausnahme von 2005, als sich das Defizit aufgrund der Übernahme der Schulden der staatlichen Eisenbahngesellschaft durch die Regierung auf 2,7 % des BIP belief.

    (4)  Vor allem die Daten zu den Salden der Sektoren und die Aufschlüsselung der Haushaltsziele nach Einnahmen und Ausgaben sowie zwischen den einzelnen Regierungsebeneeine detailliern ab 2010 wurden nicht vorgelegt.

    (5)  Produktionslücken und konjunkturbereinigte Salden nach Neuberechnungen der Kommissionsdienststellen anhand von Programmdaten.

    (6)  Ausgehend von einem geschätzten Wachstumspotenzial von 1,9 %, 1,7 %, 1,0 % bzw. 1,0 % im Zeitraum 2007—2010.

    (7)  Konjunkturbereinigter Saldo ohne Anrechnung einmaliger und sonstiger befristeter Maßnahmen. Einmalige und sonstige befristete Maßnahmen machen der letzten Programmfortschreibung zufolge 0,2 % des BIP im Jahr 2007 (defiziterhöhend) und 0,1 % des BIP im Jahr 2008 (defiziterhöhend) und der Frühjahrsprognose 2009 der Kommissionsdienststellen zufolge 0,1 % des BIP im Jahr 2009 (defizitsenkend) aus.

    Quelle:

    Stabilitätsprogramm (SP), Frühjahrsprognose 2009 der Kommissionsdienststellen (KOM), Berechnungen der Kommissionsdienststellen.


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