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Document 52008IR0006

Stellungnahme des Ausschusses der Regionen Mehrsprachigkeit

ABl. C 257 vom 9.10.2008, p. 30–35 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

9.10.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 257/30


Stellungnahme des Ausschusses der Regionen „Mehrsprachigkeit“

(2008/C 257/06)

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN

betont, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in der gesamten Europäischen Union Verantwortung für den Schutz und die Förderung der sprachlichen Vielfalt tragen. Sie befinden sich in einer idealen Position, um mit Einrichtungen, die im Bereich der sprachlichen Bildung tätig sind, eine konstruktive Partnerschaft einzugehen und auf der Grundlage der spezifischen Anforderungen und Bedürfnisse vor Ort Kurse für die allgemeine und berufliche Bildung auszuarbeiten;

ist der Auffassung, dass aufgrund der großen Bedeutung, die der sprachlichen Vielfalt in der Europäischen Union zukommt, beim Aufbau einer mehrsprachigen Gesellschaft die positiven Auswirkungen der Vielfalt maximiert und die negativen Folgen minimiert werden müssen;

jeder EU-Bürger soll seine Muttersprache/n als Zeichen seines kulturellen Hintergrundes pflegen können, sollte jedoch im Rahmen des lebenslangen Lernens zusätzliche aktive und passive Kenntnisse einer gemeinsamen zweiten Sprache sowie eine dritte Sprache als persönliche Adoptivsprache lernen, die er auf der Grundlage der kulturellen Affinitäten oder der gesellschaftlichen und/oder wirtschaftlichen Mobilitätsanforderungen des Herkunftslandes bzw. der Herkunftsregion frei wählen kann;

betont, dass die Gebietskörperschaften im Hinblick auf die Erreichung des Ziels „Muttersprache plus zwei Fremdsprachen“ die Hauptrolle spielen müssen, insbesondere bei der Ausarbeitung und Umsetzung der Bildungspläne;

schlägt vor, alle Regionen zur Schaffung eines eigenen lokalen Forums für Mehrsprachigkeit zu bewegen, um die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und bildungspolitischen Trends vor Ort zu prüfen und die erforderlichen Initiativen zur Sensibilisierung und Motivation der Bürger für das lebenslange Lernen nach dem Konzept „Muttersprache plus zwei Fremdsprachen“ vorzuschlagen.

Berichterstatter

:

Herr PELLA (IT/EVP), Mitglied des Provinzialrats von Biella und stellvertretender Bürgermeister von Valdengo

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN

1.

würdigt, dass die Europäische Kommission dem Thema Mehrsprachigkeit einen starken Impuls verliehen hat, indem sie Kommissionsmitglied Leonard Orban am 1. Januar 2007 ein eigens dafür vorgesehenes thematisches Ressort an die Hand gegeben hat. Aufgrund der Bedeutung dieses Ressorts und der Herausforderungen, die es birgt, sollte dieser Bereich gestärkt werden, damit die ihm übertragenen Ziele weiterentwickelt und wirkungsvoll erreicht werden können;

2.

bekräftigt den vorrangigen Stellenwert, den die Frage der Mehrsprachigkeit in der europäischen politischen Agenda einnimmt. Diese Priorität berührt übergreifend alle Bereiche des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens in Europa;

3.

begrüßt das von Kommissionsmitglied Orban umrissene Arbeitsprogramm, der die Auffassung vertritt, dass die Mehrsprachigkeit zur einer besseren europäischen Integration und einem umfassenderen interkulturellen Dialog beiträgt.

4.

Aufgrund der großen Bedeutung, die der sprachlichen Vielfalt in der Europäischen Union zukommt, müssen beim Aufbau einer mehrsprachigen Gesellschaft die positiven Auswirkungen der Vielfalt maximiert und die negativen Folgen minimiert werden, damit die Vielfalt nicht nur Mittel zum Zweck ist.

5.

verweist auf die Analyse der 2005 eingesetzten hochrangigen Gruppe zum Thema Mehrsprachigkeit und stimmt mit den von ihr ermittelten Maßnahmenschwerpunkten überein, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:

verstärkte Sensibilisierungsmaßnahmen insbesondere im Wege von Informationskampagnen, die an Eltern, Jugendliche und in den Bereichen Kultur und Bildung tätige Organisationen gerichtet sind;

Maßnahmen, die zum Erlernen neuer Sprachen motivieren, insbesondere mithilfe von außerschulischen, spielerischen und informellen Aktionen;

größere Berücksichtigung des kulturellen und sprachlichen Potenzials von Migranten im Rahmen des Ziels, diese einerseits in die Aufnahmegesellschaft zu integrieren und ihnen andererseits die Möglichkeit zu geben, durch ihre Mehrsprachigkeit ihr individuelles Potenzial voll zu verwirklichen;

Ausweitung der europäischen Maßnahmen zur Förderung der Mehrsprachigkeit auch auf Sprachen, die in Drittländern gesprochen werden, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu steigern;

6.

verweist auf die im September 2007 durchgeführte Online-Konsultation, bei der im Hinblick auf die Mehrsprachigkeit folgende Kernpunkte ermittelt wurden:

Das Erlernen von Sprachen ist ein grundlegender Faktor, um die eigenen Karrieremöglichkeiten aufrechtzuerhalten bzw. zu steigern.

Die größte Motivierung zum Erlernen von Fremdsprachen lässt sich im Wege eines frühzeitig begonnenen Bildungsprozesses sowie durch die Förderung von Studien- und Arbeitsaufenthalten im Ausland erreichen.

Um die Effizienz der Lehrmethoden zu maximieren, muss mehr Nachdruck auf nichtstandardisierte Methoden des Sprachunterrichts gelegt werden, die den Bedürfnissen der einzelnen Lernenden Rechnung tragen.

Eine bessere Kenntnis der Kultur der Sprache, die man erlernen will bzw. mit der man sich auseinandersetzen muss, trägt am meisten dazu bei, dass die sprachliche Vielfalt auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene gewahrt bleibt.

In der Wirtschaft kommt der Sprache eine entscheidende Bedeutung zu, da es einfacher ist, Geschäfte mit einem ausländischen Unternehmen zu machen, wenn man die Sprache des Landes spricht, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat.

Eine gute Möglichkeit zur Verbesserung der Sprachkenntnisse der Arbeitnehmer besteht darin, unternehmensinterne Sprachkurse zu fördern, sofern dies für das jeweilige Unternehmen praktikabel ist.

Die Verwendung einer größeren Anzahl an Amtssprachen in der Europäischen Union und der damit einhergehende Anstieg der Verwaltungskosten sind als wünschenswert zu betrachten, um das Bewusstsein für die Mehrsprachigkeit in den Institutionen zu stärken;

7.

unterstreicht und begrüßt die Vorschläge, die die auf Anregung der Europäischen Kommission eingesetzte Intellektuellengruppe für Mehrsprachigkeit und interkulturellen Dialog unter dem Vorsitz von Amin Maalouf unterbreitet hat, und bekräftigt insbesondere, dass

bei bilateralen Beziehungen zwischen Völkern der Europäischen Union der Verwendung der Sprachen dieser beiden Völker Vorrang eingeräumt werden sollte;

es von großer Bedeutung ist, dass sich die Europäische Union für das Konzept der persönlichen Adoptivsprache stark macht;

8.

bekräftigt, dass die Förderung und der Schutz der kulturellen und sprachlichen Vielfalt zu den wichtigsten Prioritäten gehören. Im Rahmen der Europäischen Union ist unter sprachlicher Vielfalt die Kenntnis und der Gebrauch folgender Sprachen zu verstehen:

der Amtssprachen der EU;

der Amtssprachen der EU-Mitgliedstaaten;

der nicht als Amtssprachen anerkannten und in den EU-Mitgliedstaaten gesprochenen Minderheitensprachen.

Die Union und ihre Mitgliedstaaten bemühen sich in ihren jeweiligen Handlungsbereichen um eine Förderung der sprachlichen Vielfalt;

9.

In der gesamten Europäischen Union tragen die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften Verantwortung für den Schutz und die Förderung der sprachlichen Vielfalt. Diese Gebietskörperschaften sind überdies für die allgemeine und berufliche Bildung sowie für die Erwachsenenbildung zuständig, sind Teil der Sozialpartnerschaft und koordinieren das Wachstum und die Entwicklung auf regionaler und lokaler Ebene.

10.

In einer auf das lebenslange Lernen ausgerichteten beruflichen Bildung gewinnen Konzepte wie „Wissen“ und „Lernen“ erheblich an Bedeutung, nicht zuletzt deshalb, weil die Arbeitswelt mit ihren vielfältigen Möglichkeiten bessere Fremdsprachenkenntnisse voraussetzt.

11.

Die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften befinden sich in einer idealen Position, um mit Einrichtungen, die im Bereich der sprachlichen Bildung tätig sind, eine konstruktive Partnerschaft einzugehen und auf der Grundlage der spezifischen Anforderungen und Bedürfnisse vor Ort Kurse für die allgemeine und berufliche Bildung auszuarbeiten.

12.

ist deshalb der Auffassung, dass die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften am besten in der Lage sind, den unterschiedlichen Sprachbedürfnissen vor Ort gerecht zu werden, wobei die (zentral)staatlichen Behörden ihnen jedoch durchaus Unterstützung gewähren können;

Allgemeine Bemerkungen

13.

ist der Ansicht, dass Europa selbst das Fundament für seinen wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt legen muss, indem es die Möglichkeiten maximiert, die mit der Mobilität, der Globalisierung, der europäischen Kultur und dem Bewusstsein für die Unionsbürgerschaft zusammenhängen.

14.

Ein wichtiges Mittel, um dies zu verwirklichen, ist der Abbau der sprachlichen Schwierigkeiten, mit denen die Länder und die einzelnen Bürger zu kämpfen haben:

a)

Fremdsprachenkenntnisse fördern die berufliche, bildungsbezogene, kulturelle und persönliche Mobilität in großem Maße. Die Europäische Union wird niemals eine echte Union sein, wenn es die Bürger nicht schaffen, ein größeres Maß an Mobilität innerhalb der EU zu erreichen.

b)

Fremdsprachenkenntnisse tragen zu einer deutlichen Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit bei, da sie Kontakte zu neuen Gesprächspartnern, den Austausch von Verfahrensweisen, den Produktabsatz und die Erbringung von Dienstleistungen erleichtern. Die Globalisierung ermöglicht eine Öffnung der Handels- und Arbeitsmärkte. Fremdsprachenkenntnisse sind eine der Voraussetzungen, um die partnerschaftlichen Beziehungen zu anderen Ländern bzw. Unternehmen auf- und auszubauen und so die Chancen der Globalisierung nutzen zu können.

c)

Die Sprache ist der direkte Ausdruck der Kultur und trägt zu einer besseren Kommunikation zwischen den europäischen Bürgern bei. Die europäische Kultur kann sich nicht auf die bloße Akzeptanz und das passive Hinnehmen des entstehenden Mosaiks der verschiedenen Kulturen der Mitgliedstaaten gründen (multikulturelle Gesellschaft), sondern muss vielmehr auf dem umfassenden kulturellen Austausch zwischen den Bürgern und auf der Bekräftigung des Werts der kulturellen Vielfalt und Identität beruhen (interkulturelle Gesellschaft).

d)

Die Förderung der aktiven Bürgerschaft, der Beteiligung der Institutionen vor Ort, der Konsultierung und Anhörung der Bevölkerung sowie der sozialen Eingliederung ist notwendig, um eine größere Wirksamkeit der legislativen Maßnahmen der EU zu gewährleisten, die zunehmend der Unterstützung und Zustimmung vonseiten der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und der einzelnen Bürger bedürfen. Folglich ist es notwendig, dass die Europäische Gemeinschaft in ihren Maßnahmen und in den Beziehungen ihrer Institutionen untereinander und nach außen die Sprache ihrer Bürger spricht, damit sie verstanden werden, damit die lokalen Gremien (lokale und regionale Gebietskörperschaften) reagieren können und damit die Bürger die Botschaft begreifen, am europäischen Leben teilnehmen und zum Ausloten der Resonanz der erzielten strategischen Ergebnisse dienen können.

15.

In Bezug auf die offene Koordinierungsmethode im Bereich der Mehrsprachigkeit muss die Kommission darauf achten, nicht nur die nationale, sondern auch die lokale und regionale Verwaltungsebene einzubinden, da diese Ebenen oftmals die Hauptverantwortung für die Umsetzung der verschiedenen Maßnahmen vor Ort tragen.

16.

hält es in diesem Zusammenhang ferner für erforderlich, der Achtung und der Würde von Minderheitensprachen Aufmerksamkeit zu schenken, die zwar keine Amtssprachen sind, die jedoch ebenso wie die Amtssprachen für die Vielfalt der territorialen Kultur stehen, der in den europäischen Integrationsprogrammen ebenfalls ein Platz eingeräumt werden muss;

Schlüsselbotschaften und -aktionen

17.

erachtet es als wichtig, das Ziel „Muttersprache plus zwei Fremdsprachen“ zum Ziel der europäischen Politik im Bereich der Mehrsprachigkeit zu erklären.

18.

Jeder EU-Bürger soll seine Muttersprache/n als Zeichen seines kulturellen Hintergrundes pflegen können, sollte jedoch im Rahmen des lebenslangen Lernens zusätzliche aktive und passive Kenntnisse einer gemeinsamen zweiten Sprache sowie eine dritte Sprache als persönliche Adoptivsprache lernen, die er auf der Grundlage der kulturellen Affinitäten oder der gesellschaftlichen und/oder wirtschaftlichen Mobilitätsanforderungen des Herkunftslandes bzw. der Herkunftsregion frei wählen kann.

19.

ist der Auffassung, dass die Adoptivsprache nicht nur eine der Amtssprachen der EU, sondern auch eine der europäischen Minderheitensprachen und insbesondere eine der außereuropäischen Sprachen sein kann, die kulturelle, wirtschaftliche und gesellschaftliche Möglichkeiten bieten, die für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas von Bedeutung sind;

20.

schlägt die folgenden prioritären Schlüsselbotschaften vor, die in der europäischen Politik im Bereich der Mehrsprachigkeit berücksichtigt und in praktische Maßnahmen umgesetzt werden müssen, um die Bürger motivieren, die Vielfalt erhalten und die einzelnen regionalen Gebietskörperschaften bei der Wahl der Bildungswege in den Vordergrund rücken zu können.

Die territoriale Beteiligung

21.

Die Rolle der territorialen Gebietskörperschaften ist von wesentlicher Bedeutung, nicht nur weil viele von ihnen über politische und administrative Zuständigkeiten im Bildungsbereich verfügen, sondern weil sie den Stand der Mehrsprachigkeit unter den Bürgern und deren Entwicklung im Zuge der Umsetzung der einschlägigen Richtlinien und Programme der Gemeinschaft besser verfolgen können. Gerade auf der lokalen und regionalen Ebene können die erworbenen Kompetenzen und die durchgeführten Maßnahmen bewertet und auf dieser Grundlage starke Impulse für die politischen Maßnahmen auf europäischer Ebene geliefert werden.

22.

Im Hinblick auf die Erreichung des Ziels „Muttersprache plus zwei Fremdsprachen“ müssen die Gebietskörperschaften jedoch die Hauptrolle spielen, insbesondere bei der Ausarbeitung und Umsetzung der Bildungspläne.

23.

Die historischen, kulturellen, gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Hintergründe können in ein- und demselben Land von Region zu Region durchaus variieren.

24.

Die territoriale Vielfalt muss gefördert werden, mit anderen Worten müssen die Regionen aufgefordert werden, auf der Grundlage von Untersuchungen, Studien und Umfragen der Kommunen und Regionen zur kulturellen Tradition, zum Bürgerwillen sowie zu den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedürfnissen und Perspektiven der Region Sprachunterricht anzubieten.

25.

Auf diese Weise könnte geprüft werden, ob die bestehenden Bildungsprogramme mit den Erfordernissen vor Ort übereinstimmen, wobei mit Hilfe des flexiblen Instruments der lokalen und regionalen Selbstverwaltung Bildungsinitiativen, die nicht die erhofften Ergebnisse gebracht haben, geändert werden könnten.

26.

Die Adoptivsprache sollte frei gewählt werden können. In Mitgliedstaaten mit mehr als einer offiziellen EU-Amtssprache sollte auch das Erlernen der anderen Sprache(n) gefördert werden.

27.

ist der Auffassung, dass die Politik im Bereich der Mehrsprachigkeit auch einen wichtigen externen Aspekt umfassen muss. Die Förderung der europäischen Sprachen außerhalb der Europäischen Union ist sowohl von kulturellem als auch von wirtschaftlichem Interesse. Gleichwohl muss sich die Union Sprachen aus Drittländern öffnen (so beispielsweise dem Chinesischen, Arabischen, Russischen, den indischen Sprachen usw.).

28.

Es wird folglich vorgeschlagen, alle Regionen zur Schaffung eines eigenen lokalen Forums für Mehrsprachigkeit zu bewegen, um die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und bildungspolitischen Trends vor Ort zu prüfen und die erforderlichen Initiativen zur Sensibilisierung und Motivation der Bürger für das lebenslange Lernen nach dem Konzept „Muttersprache plus zwei Fremdsprachen“ vorzuschlagen.

29.

Darüber hinaus müssen Programme zur Integration von Migranten und zur Aufwertung der Minderheitensprachen verstärkt gefördert werden. Das Erlernen der Sprachen, die die Migranten und ihre Kinder zur vollen Entwicklung ihres Potenzials in der europäischen Gesellschaft benötigen, muss gefördert und erleichtert werden. Gleichzeitig ist das Recht der Migranten auf die Pflege ihrer Herkunftssprache in vollem Umfang zu gewährleisten. Die Sprachen, die Migranten erlernen und erwerben sollten, sind die offizielle EU-Amtssprache des Landes, in dem sie leben, sowie die gegebenenfalls weiteren verfassungsmäßig anerkannten Sprachen des jeweiligen Gebietes oder der Region, und zwar im Einklang mit den jeweiligen verfassungsrechtlichen Bestimmungen.

30.

Kurzum müssen Schulen von den lokalen, regionalen und nationalen Einrichtungen dazu bewegt werden, eine große Bandbreite an Sprachen in ihre Lehrpläne aufzunehmen. Die Bildungssysteme sollten eine große Bandbreite an Sprachen berücksichtigen, die auf der Grundlage der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Bedürfnisse vor Ort ermittelt werden.

31.

ist der Auffassung, dass Sprachkenntnisse zu sehr wichtigen Wettbewerbsfähigkeitsfaktoren gehören. Untersuchungen haben ergeben, dass europäische Unternehmen aufgrund von fehlenden Sprachkenntnissen Aufträge verlieren;

32.

fordert folglich die Kommission auf, ihre Anstrengungen in diesem Bereich fortzuführen.

Verbesserte sprachliche Eingliederung

33.

Es ist daran zu erinnern, dass kleine Sprachen und Sprachen, die von einer Minderheit gesprochen werden, zur Stärkung des Grundwerts der europäischen Kultur — der Vielfalt — beitragen und daher bei dieser Vorgehensweise nicht nur nicht zu kurz kommen dürfen, sondern auch besonders geschützt werden müssen.

34.

Die Sprache darf aufgrund der Bezeichnung „Minderheitensprache“ oder „kleine Sprache“ nicht benachteiligt werden.

35.

Vor diesem Hintergrund sollten Debatten auf den Weg gebracht werden, um angemessenere Bezeichnungen zu finden, die den tatsächlichen Gegebenheiten besser entsprechen.

36.

Deshalb ist es wichtig, die offizielle Anerkennung dieser Minderheitensprachen weiter voranzubringen, die stark in Europa verwurzelte Traditionen und Kulturen verkörpern.

37.

Die institutionelle Anerkennung der Minderheitensprachen auf europäischer Ebene sollte ermöglicht werden, was wiederum die EU dazu bewegen sollte, die eigenen Dokumente in mehr als die derzeitigen 23 Sprachen zu übersetzen und so den direkten Kontakt zwischen den EU-Institutionen und den Bürgern zu fördern.

38.

Die offizielle Anerkennung auf europäischer Ebene und die Förderung der territorialen Vielfalt wird eine stärkere gesellschaftliche Integration ermöglichen.

39.

Der Ausschuss begrüßt die Schlussfolgerungen des Rates der Europäischen Union vom 13. Juni 2005, in denen der Gebrauch von anderen Sprachen als den Amtssprachen, die unter die Verordnung Nr. 1/1958 fallen, in den Organen und Einrichtungen der EU ermöglicht wird.

40.

Auch Sprachen, die weder auf europäischer noch auf lokaler oder regionaler Ebene als offizielle Sprachen anerkannt sind, müssen des ungeachtet weiterhin Gegenstand von Programmen zum Schutz ihrer Identität sein.

Generationenübergreifende Aspekte

41.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie der Bürger beim Prozess des lebenslangen Lernens am besten unterstützt werden kann.

42.

Es ist zwar relativ einfach, den Sprachunterricht an Schulen in die richtigen Bahnen zu lenken und die Jugendlichen entsprechend zu begleiten, so dass sie die heute an der Schule erworbenen interkulturellen und sprachlichen Fähigkeiten auch in Zukunft nicht verlieren. Problematischer wird es jedoch im Hinblick auf Generationen, die bereits seit langem an keinen Bildungsprogrammen mehr teilnehmen und niemals einen mehrsprachigen Bildungsweg beschritten haben. Wichtig ist auch, den Sprachunterricht für die ältere Generation sicherzustellen, in der viele Menschen weder privat noch beruflich mit Fremdsprachen in Kontakt gekommen sind. Dies würde ihre Kommunikationsmöglichkeiten im Alter verbessern und dazu führen, dass sie die Unionsbürgerschaft umfassender und aktiver wahrnehmen.

43.

Deshalb müssen Lernmechanismen gefördert werden, die nicht nur finanziell erschwinglich sind (oftmals sind die hohen Sprachkursgebühren ein Hindernis für die Teilnahme älterer Menschen), sondern auch ein passives Lernen ermöglichen, damit dem Risiko, dass Menschen, die Mobilitätsprobleme haben oder zeitlich sehr eingeschränkt sind, keinen Zugang finden, vorgebeugt werden kann.

44.

Von grundlegender Bedeutung ist ferner, dass man sich bemühen muss, eine Fremdsprache so korrekt wie möglich zu lernen, insbesondere mit Blick auf die immer größere Zahl an Migranten.

45.

Es muss hervorgehoben werden, dass es auch leichtere Lernmethoden gibt, die es den Bürgern ermöglichen, einfache Sprachkenntnisse zu erwerben, um sich ausdrücken und verstehen zu können. Solche Lernmethoden sollten von den staatlichen, regionalen und lokalen Bildungsinstitutionen gefördert und von der EU finanziert werden, um die Lernmöglichkeiten zu verbreiten und die Kluft zwischen den Generationen im Hinblick auf die sprachliche Ausbildung zu schließen.

46.

Folglich sollte ein Schwerpunkt auf alternative Formen des Lernens mittels stärkerer Nutzung multimedialer Lernprogramme gelegt und Fernsehsendungen in der Originalsprache mit Untertiteln gefördert werden (Fernsehprogramme, Kino, Filme, Nachrichten). Auch sollte verstärkt auf computergestützte Sprachkurse und Online-Übersetzungsprogramme gesetzt werden. Eine Art lebenslanges Selbststudium also.

47.

Bei Kindern und Jugendlichen ist es hingegen erforderlich, frühzeitig das Interesse an Sprachen zu wecken. Das Erlernen einer zweiten Sprache sollte so früh wie möglich beginnen, damit sich die Kinder an den Klang der Fremdsprache gewöhnen können, weil dadurch bessere Voraussetzungen für einen schnelleren und vielseitigeren Spracherwerb geschaffen werden.

48.

Die Fortschritte beim Erwerb von Sprachen in der Grundschule und an den Sekundarschulen sollten ausgebaut werden. In der Grundschule sollte die Fähigkeit, sich in einer Fremdsprache zu unterhalten, ausgebaut werden. An Sekundarschulen sollten die Schüler hingegen eine zweite Fremdsprache erlernen.

49.

Im Rahmen der Hochschulbildung sollte die Möglichkeit zur Perfektionierung oder Erweiterung der bereits erworbenen Sprachkenntnisse bestehen, auch durch den Ausbau der Programme Erasmus und Sokrates.

50.

Die Hochschulen sollten ihre Türen jedoch nicht nur für „ältere“ Lernende öffnen, die ihre Fremdsprachenkenntnisse verbessern wollen, sondern auch für Unternehmen, die dabei unterstützt und ermutigt werden müssen, ihren Mitarbeitern und ihrem Führungspersonal das Erlernen neuer „Handelssprachen“ zu ermöglichen. Dabei sollten Partnerschaften zwischen Unternehmen und Hochschulen gefördert werden.

51.

Darüber hinaus sind Übersetzungs- und Dolmetschkurse zu konzipieren, an denen sich nicht nur die Institutionen beteiligen (angefangen bei den Bürgern über die Regionen bis hin zum Europäischen Parlament — die Förderung und Auszeichnung von Städten, die ihre eigene Internetseite und ihre Informationsbroschüren in mehreren Sprachen anbieten können, ist ein guter Anreiz für die institutionelle Mehrsprachigkeit auf lokaler Ebene), sondern auch Akteure, die mit der breiten Öffentlichkeit Kontakt haben.

Interdisziplinarität

52.

Die Mehrsprachigkeit kann nicht nur im Rahmen der schulischen und beruflichen Bildung, sondern auch mithilfe von Spiel- und Freizeitaktivitäten gefördert werden.

53.

Durch das Erlernen mehrerer Sprachen mithilfe der Kultur oder des Sports beispielsweise kann das Bewusstsein weiter Bevölkerungsteile, von den Kindern bis hin zu den Erwachsenen, für dieses Problem geschärft werden.

54.

Des Weiteren ist der Markt für Musiksongs bereits an sich global ausgerichtet und mehrsprachig. Positiv wäre in diesem Zusammenhang beispielsweise die Förderung von Veranstaltungen wie eines europäischen Tages der offenen Tür, der der Musik gewidmet ist und Musiktexte in den Mittelpunkt stellt.

55.

Die Verbreitung literarischer Werke in zweisprachiger Ausgabe (Original und Übersetzung) im Rahmen des Programms für literarische Übersetzungen sollte gefördert werden und nicht nur der Initiative der einzelnen Verlagshäuser überlassen bleiben, sondern vielmehr auch durch öffentliche Partnerschaften unterstützt werden, um die lokalen und regionalen Verwaltungen zur Unterstützung privater mehrsprachiger Initiativen zu ermutigen.

EU-Institutionen

56.

zweifelt nicht an der Notwendigkeit der „institutionellen“ Mehrsprachigkeit innerhalb der EU. Daher muss in den Institutionen der EU unverzüglich zumindest die passive Verdolmetschung aus den Amtssprachen der Europäischen Union sichergestellt werden, damit Teilnehmer von Diskussionen ihre Gedanken in ihrer Muttersprache darlegen können.

57.

ist der Überzeugung, dass Erhaltung der kulturellen Vielfalt bedeutet, eine formelle oder informelle Übersetzung in alle europäischen Amtssprachen zu gewährleisten. Bei der Förderung der Mehrsprachigkeit ist es unbedingt notwendig, dass bei sämtlichen informellen Treffen die bilaterale Kommunikation in den Sprachen der Gesprächspartner stattfindet.

58.

Bei allen formellen Treffen müssen die Arbeits- und die offiziellen Dokumente in alle Amtssprachen der Mitgliedstaaten übersetzt werden. Da jeder Mitgliedstaaten als ein Glied in der Kette der Europäischen Union anerkannt wird, muss die EU im Gegenzug allen die vollständige Teilhabe ermöglichen und allen Mitgliedstaaten im Einklang mit deren verfassungsrechtlichen Bestimmungen diejenigen Dokumente zur Verfügung stellen, die eine aktive Wahrnehmung der Unionsbürgerschaft ermöglichen.

Die EU-Außengrenzen

59.

Die Mehrsprachigkeit darf nicht auf die Förderung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Mobilität innerhalb der EU beschränkt werden, sondern muss es der europäischen Gesellschaft auch ermöglichen, sich den Märkten und Kulturen außerhalb der EU zu öffnen.

60.

Dies ist auch angesichts der derzeitigen Trends wichtig, die die EU zu immer engeren Wirtschafts- und Kulturbeziehungen z.B. mit China, Russland oder Japan veranlassen.

61.

Eine größere externe Wettbewerbsfähigkeit der EU setzt somit auch ein besseres Angebot an außereuropäischen Sprachen im Rahmen der schulischen und beruflichen Bildung voraus.

62.

Die Adoptivsprache sollte unter allen Sprachen, die in den Beziehungen mit den EU-Mitgliedstaaten verwendet werden, ausgewählt werden können, wobei den Sprachen nichteuropäischer Schwellenländer und den kulturellen Besonderheiten der Länder, zu denen die EU ihre Handelsbeziehungen ausbaut, besondere Beachtung gilt.

Brüssel, den 19. Juni 2008

Der Präsident

des Ausschusses der Regionen

Luc VAN DEN BRANDE


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