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Document 52004IE0965

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Beziehungen EU/Türkei mit Blick auf die Tagung des Europäischen Rats im Dezember 2004“

ABl. C 302 vom 7.12.2004, p. 80–85 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

7.12.2004   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 302/80


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Beziehungen EU/Türkei mit Blick auf die Tagung des Europäischen Rats im Dezember 2004“

(2004/C 302/18)

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 28. Januar 2004, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Stellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten: „Die Beziehungen EU/Türkei mit Blick auf die Tagung des Europäischen Rats im Dezember 2004“.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe „Außenbeziehungen“ nahm ihre Stellungnahme am 7. Juni 2004 an. Berichterstatter war Herr Tom ETTY.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 410. Plenartagung am 30. Juni/1. Juli 2004 (Sitzung vom 1. Juli) mit 166 gegen 17 Stimmen bei 28 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Hintergrund

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beobachtet die Entwicklung in der Türkei seit vielen Jahren. Die Türkei ist seit 1963 mit der EU bzw. der EG assoziiert, stellte 1987 einen Beitrittsantrag und befindet sich seit 1995 in Zollunion mit der EU.

1.2

Über den mit der türkischen Zivilgesellschaft eingerichteten Gemischten Beratenden Ausschuss (GBA), der seit 1995 erfolgreich tätig ist, ist der EWSA über die Anliegen der sozialen und wirtschaftlichen Interessengruppen der Türkei in Bezug auf die EU-Mitgliedschaft des Landes gut informiert. Er hat diesen Erwartungen stets Rechnung getragen und hofft inständig, dass der Europäische Rat zu dem Schluss gelangt, dass die Türkei inzwischen die auf dem Kopenhagener Gipfel im Jahre 1993 festgelegten politischen Kriterien erfüllt, und denn auch die unverzügliche Eröffnung der Beitrittsverhandlungen beschließt.

1.3

Seit Jahrzehnten signalisiert die Türkei unzweideutig ihre Hinwendung zu Europa.

1.4

Die Türkei ist ein säkularer Staat mit einer überwiegend islamischen Bevölkerung. Das Land begreift sich als eine moderne, säkulare Demokratie. Für Länder mit einer islamischen Bevölkerungsmehrheit, die ihre politischen Strukturen im Sinne einer Trennung von Religion und Staat und der Demokratie stärken möchten, ist die Türkei ein wichtiges Vorbild. Ein EU-Beitritt der Türkei würde das hohe Niveau belegen, das die EU im Hinblick auf Pluralismus erreicht hat, ihre Fähigkeit zur Gestaltung des Dialogs zwischen Kulturen und Religionen sowie ihre Rolle als treibende Kraft des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

1.5

Demographisch betrachtet ist die Türkei ein junges Land mit einer stark wachsenden Wirtschaft mit großem Potenzial. Allerdings wäre es verfehlt, das Land nur als großen Markt für den europäischen Export oder als „Spielwiese“ für günstige Investitionen zu betrachten.

1.6

Die Türkei entwickelt seit vielen Jahren ihre Rolle einerseits als Pufferzone, andererseits als Brücke zwischen West und Ost, hat sich aber immer als europäisch betrachtet. Träte die Türkei tatsächlich der EU bei, könnte das Land dank seiner ausgezeichneten Beziehungen zu Zentralasien, dem Nahen Osten und dem Golf die Bestrebungen der EU zur Konfliktprävention noch unmittelbarer unterstützen.

2.   Einleitung

2.1

Die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei werden gegenwärtig und für den Rest des Jahres von der Frage beherrscht, ob Beitrittsverhandlungen eröffnet werden oder nicht. Der Europäische Rat wird im Dezember 2004 darüber beschließen.

2.2

Dieser Beschluss wird nach einer über 15-jährigen Wartezeit der Türkei auf eine klare Antwort hinsichtlich ihres EU-Beitrittsgesuchs ein entscheidendes Ereignis darstellen. Auf der Tagung des Europäischen Rats im Dezember 1999 in Helsinki erhielt die Türkei den Status eines Beitrittskandidaten. Auf der Ratstagung in Kopenhagen im Dezember 2002 wurde beschlossen, eine Entscheidung über die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen auf der Grundlage einer Bewertung zu treffen, wenn die Türkei bis dahin die 1993 in Kopenhagen festgelegten politischen Kriterien erfülle. Die Umsetzung dieser Kriterien gilt als unabdingbare Voraussetzung auf dem Weg zu einer Vollmitgliedschaft.

2.3

Die anstehende Entscheidung ist natürlich nicht nur für die Türkei, sondern auch für die EU von größter Bedeutung.

2.4

Bislang konnte die Europäische Kommission der Türkei bei ihrer Bewertung der relevanten Fortschritte eine positive Entwicklung bescheinigen. Die Kommission bezeichnet die Ergebnisse des Reformprozesses in den letzten zwei bis drei Jahren als außerordentlich beeindruckend. Allerdings müssten bei der Unabhängigkeit der Justiz, der Redefreiheit, der Rolle der Streitkräfte und bei den kulturellen Rechten, zumal im südöstlichen Landesteil, noch weitere erhebliche Fortschritte erzielt werden.

Das Europäische Parlament gelangt in seinem jüngsten Bericht zur Türkei zu einer ähnlichen Beurteilung. Dort heißt es, dass die Türkei trotz aller bislang unternommenen Anstrengungen die politischen Kopenhagener Kriterien immer noch nicht erfüllt. Die Verfassung aus dem Jahre 1982, die zur Zeit der Militärregierung in Kraft gesetzt wurde, weist gravierende Mängel auf. Die Reformen seit 2001 haben deren grundlegend autoritären Charakter immer noch nicht geändert. Weitere Punkte des Berichts, die gemäß Parlamentsbericht ernsthaft Anlass zu Besorgnis geben, sind die praktische Umsetzung der Reformen, die immer noch vorkommende Anwendung der Folter auf Polizeiwachen, die Behinderung der Arbeit von Menschenrechtsorganisationen und die mangelnde Achtung der Rechte der Minderheiten (insbesondere der Kurden).

2.5

Die Türkei hat nicht nur in der Rechtsetzung ein imponierendes Programm auf den Weg gebracht, sondern auch wichtige Schritte zur Überwachung der praktischen Umsetzung dieser neuen Gesetze unternommen.

2.6

Diese Stellungnahme ist unter anderem auf der Grundlage der einschlägigen Arbeit des GBA EU/Türkei zustande gekommen. Dadurch konnte der EWSA die Ansichten, Hoffnungen und Erwartungen eines bedeutenden Teils der türkischen Zivilgesellschaft mit berücksichtigen.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Eine Klarstellung vorab: Die Kernfragen, die aus Sicht des EWSA zum jetzigen Zeitpunkt zu erörtern sind, beziehen sich in erster Linie auf die politischen Themen Demokratie, Rechtstaatlichkeit, Menschenrechte und Schutz von Minderheiten, wie vom Europäischen Rat in Kopenhagen 2002 festgelegt.

3.2

Die wirtschaftlichen Kriterien und der Acquis werden hier nur insoweit erörtert, als sie mit Blick auf die Fortschritte der Türkei in diesem Bereich als ein Beitrag zur Stärkung der Menschenrechte, der Zivilgesellschaft und der Demokratie betrachtet werden können.

3.3

Der EWSA hat die jüngsten relevanten Informationen sorgsam zur Kenntnis genommen, insbesondere den regelmäßigen Bericht der Kommission 2003 über die Fortschritte der Türkei auf dem Weg zum Beitritt, den Bericht des Europäischen Parlaments über die Türkei vom April 2004 und den Bericht des Europarats über die Menschenrechtslage in der Türkei vom Dezember 2003. Der Ausschuss teilt die allgemeine Einschätzung dieser Berichte in Bezug auf den Stand des Reformprozesses. Er sieht den Mehrwert dieser Stellungnahme in der Erörterung derjenigen Aspekte der politischen Kriterien, die für die im Ausschuss vertretenen wirtschaftlichen und sozialen Interessengruppen besonders relevant sind. Diese Aspekte werden daher im Mittelpunkt dieser Stellungnahme stehen.

3.4

Als besonders wichtige Aspekte der politischen Kriterien betrachtet der EWSA:

die Einhaltung der Menschenrechte und insbesondere des Rechts auf Vereinigungsfreiheit und des Rechts auf Kollektivverhandlungen; die Rechte der Frauen und die kulturellen Rechte der Minderheiten);

die Demokratie und insbesondere den möglichen Beitrag der wirtschaftlichen und sozialen Interessengruppen und der Zivilgesellschaft insgesamt zum politischen Beschlussfassungsprozess;

Redefreiheit, Pressefreiheit und

die Rolle der Streitkräfte in der türkischen Gesellschaft, insbesondere in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht.

3.5

Auf dem EU-Gipfel von Helsinki 1999 wurde klar zum Ausdruck gebracht, dass die Reformanstrengungen der Türkei auf der Grundlage derselben Kriterien, die auch für die übrigen beitrittswilligen Länder gelten, bewertet werden würden.

3.6

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass einige Länder, mit denen vor mehreren Jahren Beitrittsverhandlungen aufgenommen wurden, die politischen Kriterien zum Zeitpunkt der Eröffnung der Verhandlungen offenkundig noch nicht umfassend erfüllten. In einigen davon bestehen diese Diskrepanzen fort, auch nach dem EU-Beitritt. Zu nennen wären dabei insbesondere wichtige Aspekte wie Korruption und Unabhängigkeit der Justiz sowie die Behandlung von Minderheiten. In Anbetracht dessen muss nach Ansicht des EWSA klargestellt werden, dass die Türkei nicht nur auf der Grundlage derselben Kriterien, die auch für die übrigen beitrittswilligen Länder gelten, überprüft wird, sondern dass diese Kriterien auch auf gleiche Weise angewendet werden.

3.7

Aus dem Beschluss des Europäischen Rats vom Dezember 2002, nach der genannten Frist darüber zu befinden, ob Beitrittsverhandlungen mit der Türkei eröffnet werden oder nicht, kann nur gefolgert werden, dass der Rat zu diesem Zeitpunkt der Ansicht war, dass die Türkei genügend Fortschritte gemacht habe, um die Erwartung zu rechtfertigen, dass die verbleibenden Mängel durch umfassende Reformbemühungen in den kommenden 24 Monaten behoben werden könnten. Andernfalls wäre es sinnlos und unfair gewesen, der Türkei diese Aussicht zu eröffnen.

3.7.1

Für die Lösung einiger der noch offenen zentralen Probleme, wie die Rolle der Streitkräfte in der Gesellschaft und die Behandlung von Minderheiten (insbesondere der Kurden im Südosten), deren komplizierte Geschichte viele Jahrzehnte zurückreicht, erscheinen zwei Jahre als sehr knapp bemessen. Es kann daher vernünftigerweise davon ausgegangen werden, dass der Rat keine vollkommene Erfüllung der politischen Kriterien bis Dezember 2004 erwartet hat.

3.7.2

Wenn diese Auslegung des Ratsbeschlusses vom Dezember 2002 korrekt ist, dann muss geklärt werden, bei welchen Aspekten der politischen Kriterien wie viel Fortschritt von der Türkei realistischerweise vor Eröffnung der Verhandlungen erwartet werden kann.

3.8

In der derzeitigen Diskussion über die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wird regelmäßig auf die Zypern-Frage verwiesen. Die positive Rolle, die die Türkei bei der Suche nach einer Lösung dieses Problems gespielt hat und die sich in den 65 % Stimmen der türkischen Zyprer zugunsten der Wiedervereinigung der Insel widerspiegelte, muss beachtet werden. Zweifelsohne handelt es sich bei der Zypern-Frage um ein Thema von höchster Bedeutung, sowohl unter prinzipiellen Gesichtspunkten als auch in Anbetracht der politischen Realitäten. Bei getreuer Einhaltung des Beschlusses des Europäischen Rates von Kopenhagen vom Dezember 2002 (siehe Ziffer 2.2) kann die EU die Lösung der Zypern-Frage nicht zu einer neuen Bedingung für die Eröffnung der Verhandlungen machen, da dies eine nachträglich gestellte Zusatzbedingung wäre.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1   Menschenrechte

4.1.1

Die wirtschaftlichen und sozialen Interessengruppen sind stark von Fragen im Zusammenhang mit dem Recht auf Vereinigungsfreiheit und dem Recht auf Kollektivverhandlungen betroffen, die in den IAO-Übereinkommen Nr. 87 und 98 sowie in der Europäischen Sozialcharta verankert sind. Die Türkei hat die beiden IAO-Übereinkommen ratifiziert und ist der Europäischen Sozialcharta beigetreten, allerdings mit Vorbehalten in Bezug auf Artikel 5 (Vereinigungsrecht) und Artikel 6 (Recht auf Kollektivverhandlungen, Streikrecht) der Charta.

4.1.2

In den letzten beiden Jahrzehnten ist es insbesondere infolge des Militärputsches vom September 1980 zu ernsten Verletzungen dieser Rechte gekommen. Das Militärregime ging sogar so weit, eine Reihe schwerwiegender Verstöße gegen grundlegende Gewerkschaftsrechte in der Verfassung von 1982 zu verankern.

4.1.3

Einige der betreffenden Artikel und der daraus abgeleiteten Rechtsvorschriften sind in den vergangenen Jahren geändert worden.

4.1.4

Allerdings bestehen nach wie vor erhebliche Abweichungen von den grundlegenden IAO-Übereinkommen. Insbesondere Artikel 54 der Verfassung beinhaltet noch weitgehende Einschränkungen des Streikrechts. Artikel 51 der Verfassung, der den Rahmen für die Wahl von Gewerkschaftsvertretern absteckt, wurde geändert, so dass er dem IAO-Übereinkommen Nr. 87 entspricht. Initiativen zur Änderung ähnlicher Bestimmungen im Gesetz Nr. 2821 über die Gewerkschaften und Gesetz Nr. 2822 über Tarifvereinbarungen, Streiks und Aussperrungen sind in Vorbereitung. Der Bericht des IAO-Sachverständigenausschusses über ratifizierte Übereinkommen an die Internationale Arbeitskonferenz für das Jahr 2004 lässt allerdings erkennen, dass die Regierung unter Berufung auf dieses Gesetz vor kurzem ein Gerichtsverfahren gegen den DISK, einen der im Gemischten Beratenden Ausschuss EU/Türkei vertretenen Gewerkschaftsbünde, angestrengt hat.

4.1.5

Seit mehr als zwanzig Jahren üben die Aufsichtsgremien der IAO (der unabhängige Sachverständigenausschuss für die Anwendung der Übereinkommen, der Ausschuss der internationalen Arbeitskonferenz für die Anwendung der Übereinkommen und der Verwaltungsratsausschuss für Vereinigungsfreiheit) schwere Kritik an diesen Verstößen und haben aufgezeigt, wie die Türkei diese Praktiken beenden könnte. Die jeweiligen türkischen Regierungen haben sich nur enttäuschend langsam um eine Verbesserung der Lage bemüht; leider deutet bislang nichts auf eine Verbesserung der Situation hin.

4.1.6

In einem Bericht über den sozialen Dialog und die wirtschaftlichen und sozialen Rechte in der Türkei für die zwölfte Sitzung des GBA EU/Türkei (1) wurden insbesondere die Einschränkungen des Vereinigungsrechts und des Streikrechts im öffentlichen Sektor herausgestellt. Leider bestehen diese bis auf den heutigen Tag, obwohl eine Reihe von Reformen in der Gesetzgebung unternommen wurden, die die Gewerkschaften und das Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis betreffen.

4.1.7

Das Recht auf die freie Vereinigung in Nichtregierungsorganisationen wird u.a. hinsichtlich Mitgliedschaft, Finanzierung und Tätigkeitsbereich durch das Vereinigungsgesetz rechtlich eingeschränkt. In der Tat werden diese NRO in der Praxis häufig ernstlich in ihrer Arbeit behindert. NRO, die auf friedliche Weise gegen die Regierung Stellung beziehen, haben unter Bespitzelung, enger Überwachung, Zensur usw. zu leiden.

4.1.8

Stiftungen für (religiöse) Minderheiten stoßen insbesondere im Zusammenhang mit Eigentumsrechten auf große Probleme. Die Regierung scheint jedoch bereit zu sein, diese Beschränkungen ihrer Freiheit abzustellen. Für das Frühjahr 2004 wurden Verbesserungen angekündigt, die aber immer noch auf sich warten lassen.

4.1.8.1

Ernsthafte Probleme bestehen immer noch bei der Ausbildung der Geistlichen religiöser Minderheiten, besonders bei den griechisch-orthodoxen Priestern. Das Priesterseminar von Halki ist seit nunmehr dreißig Jahren geschlossen.

4.1.9

Was die Rechte der Frauen anbelangt, stellt der Ausschuss mehrere schwerwiegende Verstöße fest, obwohl die Türkei die grundlegenden IAO-Übereinkommen über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit (Nr. 100) und das Übereinkommen über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf (Nr. 111) ratifiziert hat. Die Übereinkommen werden mit gewissen Ausnahmen (z.B. vorhandene gesetzliche Zugangsbeschränkungen für Frauen zu bestimmten Berufen) gesetzlich umgesetzt. In der Praxis ist die Umsetzung vielfach unzureichend, beispielsweise was das gleiche Arbeitsentgelt für gleiche Arbeit oder den Zugang zu bestimmten qualifizierten Arbeitsplätzen anbelangt. Ähnliche Probleme existieren in vielen Mitgliedstaaten der EU.

4.1.9.1

Große Sorge bereitet das Vorhandensein mächtiger krimineller Vereinigungen zur Ausbeutung der erzwungenen Prostitution sowie ein nationaler und internationaler Menschenhandel mit Frauen, Jungen und Mädchen und Organen.

4.1.10

Trotz bedeutsamer Gesetzesänderungen gibt es in der Praxis nach wie vor gravierende Probleme bei der Behandlung der Kurden. Ihre kulturellen Rechte als Minderheit sind noch nicht ausreichend gewahrt, obwohl in jüngster Zeit bemerkenswerte Verbesserungen zu verzeichnen sind, darunter die Ausstrahlung von Rundfunksendungen in kurdischer Sprache. In der Türkei ist der Minderheitenstatus den religiösen Gruppen des Landes vorbehalten; die Türkei stützt sich dabei auf den Vertrag von Lausanne von 1923, in dem nur von religiösen Minderheiten die Rede ist.

4.2   Demokratie

4.2.1

An dieser Stelle möchte der EWSA erneut die potenzielle Bedeutung des neuen Wirtschafts- und Sozialrats der Türkei hervorheben. Durch eine gezielte Konsultierung der wichtigsten Interessengruppen seitens der Regierung kann er erheblich zu einer stärkeren Demokratisierung der Beschlussfassung in wichtigen wirtschaftlichen und sozialen Fragen beitragen. In dieser Hinsicht bedeutet seine Einrichtung wesentlich mehr als nur einen Aspekt des sozialen Dialogs, wie die Kommission dies in ihrem regelmäßigen Bericht einstuft.

4.2.2

Der türkische Wirtschafts- und Sozialrat wurde 2001 errichtet. Seinen Vorsitz führt der Ministerpräsident, und ihm gehören mehrere andere Minister des Kabinetts an. Seit seiner Einsetzung wurde er bis vor anderthalb Jahren, als die gegenwärtige Regierung ihr Amt antrat, nicht einberufen. Er ist inzwischen drei Mal ordentlich zusammengetreten, doch arbeitet er sicherlich nicht so, wie in dem in Ziffer 4.1.6 erwähnten Bericht des GBA EU/Türkei über den sozialen Dialog und die wirtschaftlichen und sozialen Rechte empfohlen wurde. Es scheint sich eher um eine Gesprächsrunde zu handeln, in der Erklärungen abgegeben und vage Diskussionen geführt werden, statt um ein einflussreiches Gremium, in dem sich wirtschaftliche und soziale Interessengruppen, offiziell von der Regierung konsultiert, ernsthaft um einen Konsens in schwierigen, ihre Zuständigkeit und Tätigkeit betreffenden Fragen bemühen. Ein solches Gremium mit adäquater Arbeitsweise lässt sich natürlich nicht über Nacht schaffen. Bisher jedoch hat die Regierung es versäumt, den in dem WSR vertretenen Organisationen eine Motivation zu ernsthaften Bemühungen zu geben, z.B. indem sie ihnen glaubhaft versichert, dass im WSR erreichte sinnvolle Kompromisse tatsächlich Eingang in die staatliche Politik finden und dort spürbar etwas bewirken würden. Der EWSA hofft auf die Zusammenarbeit der türkischen Regierung mit dem Wirtschafts- und Sozialrat, damit dieser in die Lage versetzt wird, einen nachhaltigen Beitrag zur Demokratisierung in der Türkei zu leisten. Im Februar 2004 hat die Regierung ihre Absicht bekundet, die Zusammensetzung des Wirtschafts- und Sozialrates, speziell ihre eigene dominante Position in diesem Gremium, zu überprüfen.

4.2.3

Der EWSA unterstreicht darüber hinaus die Bedeutung der Rede- und Pressefreiheit für den demokratischen Prozess in der Türkei. Er würdigt die große Zahl von Reformen gerade in diesem Bereich, teilt allerdings die Sorge des Menschenrechtskommissars des Europarats, wonach einige der Änderungen (z.B. in der Verfassung) in einer Weise ausgelegt werden könnten, dass sie sich sogar als restriktiver erweisen als die Bestimmungen, die sie ersetzen. Außerdem ist die praktische Anwendung und Auslegung der neuen Artikel der entscheidende Praxistest für diese Reformen, wie auch für diejenigen in anderen Bereichen. Erste Erfahrungen mit Gerichtsverfahren deuten diesbezüglich leider auf wenig Konsistenz hin.

4.3   Die Rolle der Streitkräfte in der türkischen Gesellschaft

4.3.1

Der EWSA ist sich der wichtigen Rolle bewusst, die die Streitkräfte in der Geschichte des Landes und in der heutigen türkischen Gesellschaft gespielt haben und noch spielen. Er erkennt an, dass diese Rolle durchaus auch positiv zu bewerten ist. Allerdings ist ebenfalls festzustellen, dass viele der derzeitigen Schwierigkeiten der Türkei bei der Erfüllung der in Kopenhagen 1993 festgelegten politischen Kriterien von der außerordentlich umfassenden und tiefgreifenden Präsenz der Armee in der Gesellschaft herrühren. Diese gesellschaftliche Verwicklung des Militärs muss auf der Grundlage eines konkreten Programms und eines strengen zeitlichen Fahrplans beendet werden.

4.3.2

Der EWSA ist sich im Klaren darüber, dass sich eine über die normale Aufgabe von Streitkräften (Verteidigung, innere Sicherheit) so weit hinausgehende und in vielen Lebensbereichen so dominante Rolle nicht sehr kurzfristig zurückschrauben lässt. Es muss der Türkei jedoch unmissverständlich zu verstehen gegeben werden, dass, wenn sie EU-Mitglied werden will, die Rolle der Armee auf diejenigen Aufgaben beschränkt werden muss, die sie auch in den anderen Mitgliedstaaten wahrnimmt, d. h. Begrenzung auf die Sicherung der äußeren und der inneren Sicherheit des Landes und Teilnahme an internationalen Einsätzen unter der demokratischen Kontrolle durch das Parlament.

4.3.3

Abgesehen von den bereits durch die Europäische Kommission und das Europäische Parlament erörterten Aspekten (u.a. Rolle und Zusammensetzung des Nationalen Sicherheitsrates, politische Verantwortlichkeit für den Militärhaushalt, militärische Vertretung in zivilbürgerlichen Gremien im Bereich Bildung und audiovisuelle Medien) ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die Streitkräfte und ihre Offiziere auch herausragende wirtschaftliche Stellungen einnehmen. Ein Gesetz aus dem Jahre 2003 legt fest, dass die zwei außerordentlichen Fonds der Streitkräfte bis Ende 2004 in das Staatsbudget überführt werden und bis 2007 als gesonderte Haushaltsposten erlöschen. Dies bedeutet, dass der Militärhaushalt ab 2007 völlig unter demokratischer Kontrolle stehen wird. Einstweilen stellen die Streitkräfte jedoch noch einen bedeutenden Machtfaktor in der türkischen Gesellschaft und Wirtschaft dar: Ihr weitreichender — formeller und informeller — Einfluss muss, ebenso wie jede andere Wirtschaftstätigkeit, transparent gemacht werden (2). Dieser wirtschaftliche Aspekt ist in den Diskussionen auf EU-Ebene über die herausragende Rolle der Streitkräfte in der türkischen Gesellschaft bisher vernachlässigt worden; lediglich das Europäische Parlament hat in seinem jüngsten Bericht darauf aufmerksam gemacht.

5.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

5.1

Der EWSA betrachtet die Türkei als eine in der Entwicklung befindliche Demokratie, die insbesondere seit Dezember 2002 bedeutende Anstrengungen unternommen hat, um den politischen Kopenhagener Kriterien nachzukommen.

5.2

Die Türkei muss nicht nur die gleichen politischen Kriterien erfüllen wie die anderen Bewerberländer, bevor die Verhandlungen eröffnet werden können; auch bei der Bewertung ihrer Reformanstrengungen muss die gleiche Messlatte angelegt werden wie bei den anderen Beitrittsstaaten. Die EU muss alles tun, um den leisesten Anschein, dass mit zweierlei Maß gemessen wird, zu vermeiden.

5.3

Der Beschluss des Europäischen Rates von Kopenhagen 2002 lässt darauf schließen, dass die EU zu jenem Zeitpunkt die Überzeugung hegte, dass die Türkei bei ernsthaften Bemühungen binnen zweier Jahre die politischen Kriterien erfüllen könne. In einigen Bereichen, die von langjährigen Traditionen und Praktiken geprägt sind, kann dies nur bedeuten, dass eine volle Erfüllung der politischen Kriterien bis Dezember 2004 unmöglich ist, sondern dass vielmehr eine „kritische Masse“ an tatsächlichem Fortschritt angestrebt wurde, die für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen ausreichen würde. Sogar einige der beitretenden Mitgliedstaaten, die den gesamten Verhandlungsprozess durchlaufen haben, erfüllen die politischen Kriterien bis auf den heutigen Tage nicht erschöpfend.

5.3.1

Die EU kann und muss jedoch von der Türkei verlangen, dass sie in diesen speziellen Bereichen bis Ende 2004 derart glaubwürdige Fortschritte vorweisen kann, dass ab diesem Zeitpunkt ein „Rückfall“ unmöglich sein wird. Betroffen hiervon sind u.a. natürlich die Rolle der Streitkräfte und die Behandlung von Minderheiten, insbesondere der Kurden im Südosten. Der EWSA betont nachdrücklich, dass die Reformen hinsichtlich der Begrenzung des Einflusses der Streitkräfte in der Gesellschaft insgesamt sowie in Bezug auf die kulturellen Rechte der Minderheiten mit der gegenwärtigen Geschwindigkeit und Richtung fortgesetzt werden müssen, und hofft, dass künftig keine regressive Entwicklung eintritt, die den Prozess der Beitrittsverhandlungen in Gefahr bringen könnte.

5.3.2

Die Rolle der Streitkräfte muss auf entschiedene Weise auf ihre grundlegenden Aufgaben der Verteidigung und Sicherheit zurückgeführt werden, um die EU davon zu überzeugen, dass der eingeleitete Prozess unumkehrbar ist. Der Militärhaushalt muss der uneingeschränkten demokratischen Kontrolle unterworfen werden. Der wirtschaftliche Einfluss der Armee muss transparent gemacht werden, und es müssen geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um diese Transparenz auf lange Sicht zu gewährleisten.

5.3.3

Die EU muss ihre Gespräche mit der Türkei über die Definition von Minderheiten (für die sich die Türkei auf den Vertrag von Lausanne stützt) fortsetzen und dabei auf die Schwierigkeiten eingehen, die die Türkei mit der vorbehaltlosen Ratifizierung und praktischen Umsetzung relevanter internationaler Instrumente hat. In diesen Gesprächen muss die EU umfassend die Tatsache berücksichtigen, dass auch einige ihrer 25 Mitgliedstaaten eine eng gefasste Definition von Minderheiten anwenden, die ebenso problematisch ist.

5.3.3.1

Der EWSA verweist auf die vom GBA unlängst ausgearbeiteten Berichte zum Thema regionale Entwicklung (3) und betont die Bedeutung einer von der EU unterstützten, aktiven Regionalentwicklungspolitik in der Türkei, durch die die Bevölkerung in den südöstlichen (und anderen) Landesteilen aktiv in die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ihrer Region eingebunden wird. Die stufenweise Annahme der EU-Standards in der Regionalpolitik durch die Türkei stellt eine Gelegenheit zum Aufbau einer umfassenderen, gefestigteren Partnerschaft in der Zivilgesellschaft dar: besonders zwischen den freien, unabhängigen und repräsentativen wirtschaftlichen und sozialen Interessengruppen einerseits und den staatlichen Stellen aller relevanten Ebenen andererseits. Sie müssen zusammen eine gemeinsame Perspektive der Entwicklungspolitik finden. Der Erfahrungsaustausch zwischen sozioökonomischen Organisationen der Türkei und der EU muss gefördert werden.

5.3.3.2

Der EWSA registriert mit Interesse Initiativen der türkischen Regierung, wie das Gesetz von 2000 über die Entschädigung von Personen, die im Zuge der Antiterrormaßnahmen der Sicherheitskräfte Schaden erlitten haben, das Programm für Inlandsvertriebene und das Projekt für Rehabilitation und Rückkehr ins Heimatdorf. Für die Glaubwürdigkeit der Reformen, die die Rechte der Bevölkerung im Südosten des Landes stärken sollen, hält es der EWSA für unabdingbar, dass den Opfern mit diesen Initiativen vor Dezember 2004 konkret geholfen wird.

5.4

In anderen Bereichen, wie z. B. der Wahrung der Menschenrechte, über die die Türkei schon seit langer Zeit Gespräche mit der IAO und dem Europarat führt und in denen Reformen nicht im gleichen Maße eine radikale Änderung lang etablierter Machtpositionen, Traditionen und Überzeugungen erfordern, muss die Türkei in der Lage sein, erhebliche Fortschritte aufzuweisen und die ihr inzwischen schon sehr lang bekannten Anforderungen bis Ende 2004 zu erfüllen. Beispielsweise müssen bis dahin die Verletzungen der IAO-Übereinkommen Nr. 87 und 98, die nunmehr bereits seit einem Vierteljahrhundert andauern, beseitigt worden sein. Ferner müssen die undemokratischen Beschränkungen der Arbeit nichtstaatlicher Organisationen im Vereinigungsgesetz und im Alltag aufgehoben werden. Der derzeitige Reformprozess in der Türkei gibt Anlass zu Optimismus. Bis zu der gesetzten Frist müssen jedoch auf diesem Gebiet konkrete und vollständige Ergebnisse vorliegen.

5.5

Der türkische Wirtschafts- und Sozialrat sollte bereits in diesem Jahr wesentlich ernsthafter in die Ausarbeitung der Wirtschafts- und Sozialpolitik eingebunden werden. Die Regierung muss ihn zu zentralen Fragen in diesen Politikbereichen konsultieren und seine Stellungnahmen und Ratschläge nachprüfbar ernst nehmen. Nur wenn den wirtschaftlichen und sozialen Interessengruppen wirklich Verantwortung übertragen wird und sie für die Wahrnehmung dieser Verantwortung Anerkennung erfahren, kann die Regierung von ihnen erwarten, dass sie den Wirtschafts- und Sozialrat und die darauf bezogenen Absichtsbekundungen der Regierung ernst nehmen. Mit Interesse nimmt der EWSA zur Kenntnis, dass die Regierung die Modalitäten des Wirtschafts- und Sozialrates überdenken will. Allerdings darf dies kein Vorwand sein, die aktive Teilnahme der organisierten Zivilgesellschaft an der Gestaltung der Wirtschafts- und Sozialpolitik in der Türkei weiter zu verzögern.

5.6

Um die türkische Zivilgesellschaft zu stärken, muss die Regierung nicht nur ihre Einmischung in die Aktivitäten anerkannter NRO und der wirtschaftlichen und sozialen Interessengruppen beenden. Vielmehr sollte sie die Bildung dieser Gruppen begünstigen, ihre Arbeit erleichtern und mit ihnen zusammenarbeiten.

5.7

Der EWSA vertritt die Auffassung, dass die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen beschlossen werden muss, falls die Türkei bis zum Dezember d.J. folgende Bedingungen erfüllt:

es werden Maßnahmen hinsichtlich der Rolle der Streitkräfte in der türkischen Gesellschaft ergriffen, wie in Ziffer 4.3.1 und 4.3.2 beschrieben;

die Türkei muss anhand von konkreten Maßnahmen ihre Absicht unter Beweis stellen, dass sie energisch beim Kurs der Gesetzesreformen zu Gunsten der kulturellen Rechte der Kurden in den südöstlichen Provinzen des Landes bleibt;

sie beginnt mit der praktischen Umsetzung der Absichtsbekundungen und Zusagen hinsichtlich der freiwilligen Rückkehr, Rehabilitation und Entschädigung heimatvertriebener Opfer der Gewalt in den 1980er und 1990er Jahren im Südosten des Landes;

die Rechtsetzung und die Rechtspraxis müssen grundlegende gewerkschaftliche Rechte und Freiheiten in Übereinstimmung mit den IAO-Übereinkommen Nr. 87 und 98 gewährleisten;

die Türkei beseitigt alle antidemokratischen Züge aus dem Vereinigungsrecht und unterlässt in der Praxis jegliche Behinderung der freien Arbeit von Organisationen der Zivilgesellschaft, einschließlich religiöser Stiftungen;

sie stellt die Bedingungen für ein freies und unabhängiges Funktionieren des Wirtschafts- und Sozialrates der Türkei her und schafft die Grundlagen für eine ernsthafte, konstruktive Zusammenarbeit von Regierung und Wirtschafts- und Sozialrat.

5.8

Nach Ansicht des EWSA stellen die bislang von der türkischen Regierung durchgeführten Reformen im Hinblick auf die gesellschaftliche Rolle der Streitkräfte und die kulturellen Rechte der Kurden im Südosten des Landes einen glaubhaften Fortschritt im Sinne von Ziffer 5.3.1 dar.

5.9

Falls des Weiteren die Kriterien in den übrigen vier Spiegelstrichen von Ziffer 5.7 bis Dezember 2004 erfüllt sind, sieht der EWSA die Schaffung einer tragfähigen Basis für die Eröffnung der Verhandlungen als gegeben an, die in angemessener Frist zu für beide Seiten fruchtbaren Resultaten führen werden. In diesem Fall ist der EWSA der Auffassung, dass jede der europäischen Institutionen, darunter auch er selbst beginnen sollte, alle Aspekte der Auswirkungen darzulegen, die der Beitritt der Türkei auf das Funktionieren und die Konzeption der Europäischen Union hätte — eine Europäische Union, die dadurch tief greifend erweitert und vertieft würde, wofür ein großes Verständnis der europäischen Öffentlichkeit erforderlich wäre.

5.10

Ungeachtet des Beschlusses des Europäischen Rates auf seiner Tagung im Dezember wird der EWSA seine erfolgreiche Zusammenarbeit mit der türkischen Zivilgesellschaft fortführen.

Brüssel, den 1. Juli 2004

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Roger BRIESCH


(1)  „Social dialogue and economic and social rights in Turkey“, [Anm. der Übers.: Eine deutsche Fassung liegt nicht vor].

(2)  Beispiele hierfür sind der Pensionsfonds der Armeeoffiziere, der eine Bank und eine Holding besitzt, und seine Stellung als türkischer Partner im Rahmen eines großen Joint Venture in der Automobilindustrie. Den Angaben von OYAK zufolge ist diese Holding als finanziell und verwaltungstechnisch unabhängige Körperschaft organisiert, die wie jede andere Einrichtung dieser Art dem türkischen Zivil- und Handelsrecht unterliegt. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, den eigenen Mitgliedern ergänzend zu den vom sozialen Sicherungssystem des türkischen Staats gezahlten Leistungen mit Zuwendungen zu helfen. Im Prinzip kann OYAK mit dem zweiten Pfeiler der entsprechenden Pensionssysteme in der EU verglichen werden.

Alle Mitglieder der Streitkräfte, darunter auch die Zivilangestellten, sind Mitglieder des OYAK-Pensionsfonds. Sie bleiben ständige Mitglieder des OYAK. Abgesehen von der Bildung seiner Mitgliederbasis agiert OYAK in Bezug auf seine Investitions- oder Geschäftstätigkeit, Mitteltransfers oder staatlichen Beihilfen bzw. jede andere Art von finanzieller Unterstützung unabhängig vom Staat und den türkischen Streitkräften. OYAK ist ein Berufspensionsfonds, der Entsprechungen im EU-Raum hat.

Im Rahmen seiner Politik der Transparenz veröffentlicht OYAK Jahresberichte, die für die breite Öffentlichkeit bestimmt sind; die Rechenschaftsberichte von sowohl dieser Institution als auch von den ihr nachgeordneten Organisationen werden jedes Jahr von internationalen Wirtschaftsprüfungsunternehmen auditiert. OYAK erbringt Zusatzrentenleistungen.

(3)  „Regionale Disparitäten in der Türkei“ von Frau CASSINA und Herrn GUVENC.


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