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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 52004IE0317

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Bedeutung der Kernenergie für die Stromerzeugung“

    ABl. C 110 vom 30.4.2004, S. 77–95 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

    30.4.2004   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 110/77


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Bedeutung der Kernenergie für die Stromerzeugung“

    (2004/C 110/14)

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 23. Januar 2003, gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten: „Die Bedeutung der Kernenergie für die Stromerzeugung“.

    Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 8. Januar 2004 an. Berichterstatter war Herr CAMBUS.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 406. Plenartagung am 25./26. Februar 2004 (Sitzung vom 25. Februar) mit 68 gegen 33 Stimmen bei 11 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    EINLEITUNG

    Diese Initiativstellungnahme soll einen Beitrag leisten zur Erhellung der Debatte über die Nuklearstromerzeugung, die die Kommission mit dem Grünbuch über die Energieversorgungssicherheit der Union und das sog. Nuklearpaket betreffend allgemeine Sicherheitsgrundsätze und die Behandlung abgebrannter Brennelemente sowie radioaktiver Abfälle neu angefacht hat.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat zu jeder dieser Initiativen eine befürwortende Stellungnahme abgegeben. In seiner Stellungnahme zum Grünbuch (CES 705/2001 vom 1.5.2001) bekräftigte er insbesondere: „Im Zusammenhang mit der Kernenergie bestehen Probleme, sie hat jedoch auch eindeutige Vorteile. Über die Nutzung der Kernenergie entscheiden die Mitgliedstaaten. Es ist jedoch schwer vorstellbar, wie die EU in Zukunft ohne Beibehaltung zumindest des heutigen Anteils der Kernenergie an der Stromproduktion die Energieversorgung und einen annehmbaren Preis gewährleisten sowie den Herausforderungen der Klimaveränderung begegnen kann.“ (Ziffer 5.7.8).

    In seiner Stellungnahme zum sog. Nuklearpaket (CES 411/2003 vom 26.3.2003) befürwortete er weitgehend die Initiative der Kommission und ergänzte sie durch sach- und fachkundige Empfehlungen.

    In dieser Stellungnahme nun folgt die Auseinandersetzung mit den übrigen — namentlich den ökologischen, physiologischen und ökonomischen — Aspekten und Risiken der Kernkraft, die der Ausschuss im Interesse eines eingehenden Verständnisses der Energieproblematik der Union und einer möglichst umfassenden und informierten Debatte für unerlässlich hält.

    Die dieser Stellungnahme zugrunde liegenden quantitativen und qualitativen Daten beziehen sich aus Kohärenzgründen auf die EU-15, denn die künftigen Perspektiven bauen auf einer Analyse der bisherigen Entwicklungen auf. Eine Berücksichtigung der Beitritts- und Bewerberstaaten wirkt sich zwar in jedem Fall zahlenmäßig aus, hat jedoch keinen Einfluss auf die eigentliche Problematik der Kernenergienutzung und ihre Vor- und Nachteile.

    Die Sicherheit der Kernkraftwerke der Beitritts- und Bewerberstaaten wird seit 1992 analysiert und ist Gegenstand von Aktualisierungsprogrammen, die entsprechend den jeweiligen Erfordernissen Stillegungs-, Anpassungs- und Ausbildungsmaßnahmen umfassen. Um das Sicherheitsniveau aufrecht zu erhalten bzw. sogar zu verbessern, bedarf es einer ununterbrochenen Wachsamkeit der Betreiber und der für die Sicherheit zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten.

    Schließlich zeigt der Titel der Stellungnahme selbst ihre Grenzen auf; sie ist nur ein Teilelement in einer umfassenderen Debatte über die Energiepolitik, die bereits in anderen Stellungnahmen thematisiert wurde und die insbesondere bezüglich der Entwicklung erneuerbarer Energien und der Steuerung der Nachfrage fortgesetzt werden muss.

    1.   Teil 1: Nuklearstromerzeugung heute

    1.1   Die derzeitige Nuklearstromerzeugung weltweit

    1.1.1

    Im Jahr 2002 waren weltweit 441 Leistungsreaktoren mit einer installierten Gesamtkapazität von 359 Gwe in Betrieb und 32 neue Reaktoren im Bau befindlich. Mit 2.574 TWh lieferten die in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke ca. 17 % der weltweiten Gesamtstromerzeugung. Der Anteil der Kernkraft an der Stromerzeugung in der EU beläuft sich auf 35 %.

    1.1.2

    Zur Deckung des Gesamtprimärenergiebedarfs von 9.963 Mtep im Jahr 2000 trug die Kernkraft mit 6,7 % bei, die erneuerbaren Energieträger mit 13,8 % (Biomasse und Siedlungsabfälle mit 11 %, die Wasserkraft mit 2,3 %, Erdwärme, Sonnenenergie, Windkraft mit 0,5 %) und die fossilen Brennstoffe mit 79,5 % (Erdöl mit 34,9 %, Kohle mit 23,5 % und Erdgas mit 21,1 %).

    1.1.3

    In 32 Ländern wird Nuklearstrom erzeugt. Im Jahr 2002 betrug der Anteil der Kernkraft an der Gesamtstromerzeugung zwischen 80 % in Litauen, 77 % in Frankreich und 1,4 % in China. Der Bau von 32 neuen Leistungsreaktoren verdeutlicht, dass sich die Kernkraftindustrie international im Ausbau befindet, und das kann die EU im Zuge ihrer energie- und industriepolitischen Überlegungen nicht einfach ignorieren. Die finnische Regierung erteilte dem finnischen Energiekonzern TVO im Januar 2002 die grundsätzliche Genehmigung zum Bau eines fünften Kernkraftwerks, die im Mai 2002 durch das Parlament bestätigt wurde.

    1.1.4

    Schweden dagegen hatte sich 1980 im Rahmen einer Volksabstimmung für die Stilllegung seiner 12 Kernkraftwerke bis zum Jahr 2010 ausgesprochen. Das schwedische Parlament und die schwedische Regierung mussten jedoch 1997 feststellen, dass die Ersetzung dieser Kraftwerke durch andere Energieträger nicht realisierbar war. 2003 konnte nur ein einziger Reaktor, Barsebäck Block 1 (600 MW Leistung), stillgelegt werden. Die Stilllegung von Block 2, die 2003 nicht möglich ist, wird derzeit erörtert. Es wird erwogen, mit den Kernkraftwerksbetreibern über einen schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie nach deutschem Vorbild zu verhandeln. Einer jüngst durchgeführten Meinungsumfrage zufolge befürwortet die Bevölkerung inzwischen eher eine Fortsetzung der Nutzung der Kernenergie.

    1.1.5

    In Belgien beschloss die Regierung im März 2002 den Ausstieg aus der Kernenergie ab 2015 und das Parlament stimmte diesem Beschluss Anfang 2003 zu. Demnach beträgt die maximale Laufzeit eines Atomkraftwerks 40 Jahre, so dass die Reaktoren zwischen 2015 und 2025 abgeschaltet werden sollten; neue Reaktoren dürfen nicht mehr gebaut und/oder in Betrieb genommen werden. Allerdings ermöglicht das Gesetz die weitere Nutzung der Kernenergie bei einer Gefährdung der Stromversorgungssicherheit.

    1.1.6

    In Deutschland hat die Regierungskoalition aus SPD und Grünen einen schrittweisen Ausstieg aus der Kernkraft beschlossen und sich diesbezüglich in einer freiwilligen Vereinbarung mit der Atomindustrie geeinigt: nach schwierigen Verhandlungen einigte sich die Regierung mit den Betreibern der 19 deutschen Atomkraftwerke auf eine durchschnittliche Betriebsdauer der Kernkraftwerke von ihrer Inbetriebnahme an gerechnet von durchschnittlich 32 Jahren. Ein erstes AKW ist bereits abgeschaltet, die meisten Reaktoren werden zwischen 2012 und 2022 abgeschaltet.

    1.1.7

    Außerhalb der EU, aber in geografischer Hinsicht mitten unter uns, haben die Bürger der Schweiz im Mai 2003 zwei Anti-Kernkraft-Initiativen — „Moratorium plus“ und „Strom ohne Atom“ — abgelehnt. Mit „Moratorium plus“ sollte der bisher auf zehn Jahre begrenzte Bewilligungsstopp für neue Kernkraftwerke verlängert werden; diese Initiative wurde mit 58,4 % der abgegebenen Stimmen abgelehnt; die Initiative „Strom ohne Atom“, die einen graduellen Ausstieg aus der Kernenergie — ohne Ersatz durch fossile Brennstoffe — und das Verbot der Wiederaufarbeitung von abgebrannten Kernbrennstoffen zum Ziel hatte, wurde mit 66,3 % der abgegebenen Stimmen abgelehnt.

    1.1.8

    Die verschiedenen, im Einsatz befindlichen Technologien

    Reaktortypen im Vergleich

    Reaktortyp

    Energie der Neutronen

    Moderator

    Brennstoff

    Kühlmittel

    Installierte Einheiten insges. / Anzahl Länder

    Druckwasserreaktor (PWR oder DWR)

    thermisch

    gewöhnliches Druckwasser *

    angereichertes Uran mit oder ohne Pu

    gewöhnliches Druckwasser *

    258 / 25

    Siedewasserreaktor (SWR)

    -id-

    gewöhnliches Siedewasser *

    -id-

    gewöhnliches Siedewasser *

    91 / 10

    Schwerwasser-Druckwasserreaktor (PHWR oder Candu)

    -id-

    schweres Wasser

    Natururan

    schweres Wasser

    41 / 6

    Graphit-Gas-Reaktor (UNGG oder Magnox oder AGR)

    -id-

    Graphit

    Natururan oder leicht angereichertes Uran

    CO2 oder He

    32 / 1

    Siedewasser-Druckröhrenreaktor (RBMK)

    -id-

    -id-

    angereichertes Uran

    gewöhnliches Siedewasser

    13 / 3

    Schneller Brutreaktor (SBR)

    schnell

    keiner

    angereichertes Uran und Pu

    flüssiges Na

    4 / 4

    1.1.9

    Die größten Nuklearstromproduzenten sind die USA mit 780 TWh (20,3 % ihrer Gesamterzeugung), Frankreich mit 416 TWh (78 %), Japan mit 313 TWh (34,5 %), Deutschland mit 162 TWh (30 %), Russland mit 129 TWh (16 %), Südkorea mit 113 TWh (38,6 %) und das Vereinigte Königreich mit 81,1 TWh (22 %) (Zahlenangaben aus dem Jahr 2002).

    1.1.10

    Weitere Länder mit einem hohen Kernenergieanteil an der Gesamtstromerzeugung sind Armenien mit 40,5 %, Belgien mit 57 %, Finnland mit 30 %, Ungarn mit 36 %, Litauen mit 80 %, die Slowakei mit 73 %, Schweden mit 46 %, die Schweiz mit 40 % und die Ukraine mit 46 % (Zahlenangaben aus dem Jahr 2000).

    1.1.11

    In der EU-15 belief sich der aus Kernenergie erzeugte Strom im Jahr 2002 auf 855,6 TWh, d.h. auf 35 % der Gesamtstromerzeugung. An diesem Verhältnis wird sich nach dem Beitritt der neuen Mitgliedstaaten zur EU im Jahr 2004 kaum etwas ändern. Die Kernkraft stellt somit die wichtigste Stromerzeugungsquelle und auf Grund ihres Anteils am Primärenergieverbrauch in der EU (15 %) einen wichtigen Faktor für die Energieversorgungssicherheit der Union dar.

    1.2   Der durch die Kernkraft in der EU vermiedene CO2-Ausstoß

    1.2.1

    Im Jahr 1990 beliefen sich die Treibhausgasemissionen auf insgesamt 4.208 Mio. t Kohlendioxidäquivalente.

    1.2.2

    Dem Jahresbericht 2002 der Europäischen Umweltagentur zufolge erreichten die Treibhausgasemissionen im Jahr 2000 insgesamt 4.059 Mio. t, was eine Steigerung um 0,3 % im Vergleich zu 1999 bedeutet, aber um 3,5 % unter dem Ausstoß von 1990 liegt.

    1.2.3

    Mit Blick auf das Ziel der Verringerung der Treibhausgasgesamtemissionen um 8 % bis 2008/2012 übersteigen die Emissionen im Jahr 2000 (4.059 Mio. t) das für dieses Jahr gesetzte Ziel, das sich aus einer linearen Reduzierung zwischen 1990 und 2010 (4.208 Mio t reduziert um 4 %, also 4.039 Mio. t) ableitet.

    1.2.4

    Auf die Energiewirtschaft und ihre Anwendungen (Industrie, Raffinerien, Stromerzeugung, Gebäudeheizung und Verkehrskraftstoffe) entfiel im Jahr 2000 der Löwenanteil an diesen Emissionen mit 3.210 Mio. t, wobei 1098 Mio. t davon auf die Energieerzeugung und nur 836 Mio. t auf die Elektrizitätserzeugung für Stromnetze zurückgingen.

    1.2.5

    Die CO2-Emissionen, die 82 % der Treibhausgasemissionen ausmachen, erreichten im Jahr 2000 3.325 Mio. t und lagen damit nur 0,5 % unter dem Niveau von 1990 (3.342 Mio. t).

    1.2.6

    Alle diese Zahlen veranschaulichen, dass sich die Einhaltung der in Kyoto eingegangenen Verpflichtungen schwierig gestalten wird. Dies umso mehr, als die Ergebnisse in einer Zeit schwachen Wirtschaftswachstums erzielt wurden; sie wären noch ungünstiger ausgefallen, hätte die EU ihr Wachstumsziel von 3 % erreicht.

    1.2.7

    Bezugnehmend auf diese Zahlenangaben konnten durch die Nutzung der Kernenergie in Europa je nach Referenzrahmen zwischen 300 und 500 Mio. t (1) CO2-Emissionen jährlich vermieden werden, was mehr oder weniger der 1995 durch alle Pkw in der EU verursachten CO2-Emissionsmenge (430 Mio t) entspricht (2).

    1.2.8

    Eine Energiesachverständigengruppe schreibt in einer für die Kommission erstellten „Bottom-up“-Studie aus dem Jahr 2001 (3) dem Energiesektor (ohne Verkehrssektor) für das Jahr 1990 1.327 Mio. t CO2-Emissionen zu und sagt bis zum Jahr 2010 bei gleich bleibender Technologie eine Steigerung auf 1.943 Mio. t voraus. Mit Blick auf diese Steigerung werden vier Optionen zur Vermeidung von CO2-Emissionen erörtert:

    500 Mio. t durch die Ersetzung herkömmlicher, fossil befeuerter Kraftwerke durch Kombi-Kraftwerke; wenn allerdings in Zukunft in Ergänzung der erneuerbaren Energieträger bei der Stromerzeugung vollständig auf Erdgas gesetzt wird, beschleunigt dies die Erschöpfung der Erdgasvorräte und kann kaum als “nachhaltig„ bezeichnet werden;

    229 Mio. t durch die Nutzung erneuerbarer Energieträger;

    23 Mio. t durch die Optimierung der Erdölraffination;

    50 Mio. t durch die Abtrennung von CO2 vorbehaltlich weiterer Studien und der Kostenentwicklung;

    280 Mio t gemäß einer weiteren Studie (Shared Analysis Project) (4) durch die Aufrechterhaltung des relativen Anteils der Kernenergie, also einer installierten Kapazität von 100 Gwe (ca. 70 Reaktoren).

    Die Ausschöpfung dieser verschiedenen Möglichkeiten in Verbindung mit einer konsequenten Energienachfragesteuerung kann eine Verbesserung der Energieeffizienz um 1,4 % jährlich bewirken (s. Ziffer 2.4.2.2).

    1.2.9

    Es scheint also, dass die in Kyoto gesetzten Ziele erreicht werden können, wenn tatsächlich alle Emissionsminderungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden, aber:

    einerseits ist zum derzeitigen Zeitpunkt nicht abzusehen, inwieweit sich die notwendigen Maßnahmen zu vertretbaren Kosten umsetzen lassen;

    andererseits sind die Ziele von Kyoto global angelegt und eine 8 %ige Emissionsverringerung im Energiesektor reicht nicht aus, wenn nicht auch beispielsweise im Verkehrssektor die Emissionen gesenkt werden können;

    und schließlich würde ein Verzicht auf die Kernkraft bei der Stromerzeugung mit jährlich weiteren 300 Mio. t CO2-Emissionen des Energiesektors zu Buche schlagen.

    1.3   Die Entsorgung der radioaktiven Abfälle und der abgebrannten Kernbrennstoffe

    1.3.1

    Der Hauptanteil der radioaktiven Abfälle stammt heutzutage aus den Kernkraftwerken; hinzu kommen noch die radioaktiven Abfälle aus medizinischen Einrichtungen, Industrieunternehmen und Forschungslaboren, die radiologische Untersuchungen und Messungen durchführen.

    1.3.2

    Bei einer Klassifizierung der Abfälle spielen zwei Parameter eine Rolle: die Strahlungsintensität, die auch als Aktivität bezeichnet wird, und die Zerfallsdauer (Periode) dieser Stoffe. Man spricht also von leicht-, mittel- oder hochaktiven und von kurzlebigen oder langlebigen Abfällen. Es ist darauf hinzuweisen, dass die längste Zerfallsdauer nicht gleichbedeutend ist mit der höchsten Radioaktivität; vielmehr bedeutet eine lange Zerfallsdauer, dass der Zerfall langsam vor sich geht und die Radioaktivität daher eher schwach ist.

    1.3.3

    Technische Lösungen für die Behandlung dieser Abfälle gibt es bereits. Für leicht aktive und kurzlebige Abfälle bietet sich als eine vertretbare Lösungsmöglichkeit die oberirdische Endlagerung an, die auch in einigen Mitgliedstaaten bereits offiziell beschlossen ist und in die Praxis umgesetzt wird. Bei hochaktiven oder langlebigen Abfällen gilt die Endlagerung in tiefen geologischen Schichten unter Experten international als Referenzlösung, doch werden diese Abfälle in Erwartung einer demokratischen Entscheidung der betreffenden Mitgliedstaaten über die letztendliche Behandlung dieser Abfälle oberirdisch zwischengelagert. Die Konditionierung und oberirdische Zwischenlagerung dieser Abfälle erfolgt in Einklang mit den vorgeschriebenen Sicherheitsanforderungen und in Erwartung einer endgültigen Lösung. Mit ihrem im Rahmen des EURATOM-Vertrags vorgeschlagenen „Nuklearpaket“ möchte die Kommission den Beschlussfassungsprozess im Hinblick auf unterirdische Endlager voranbringen.

    1.3.4

    Da der Anfall bestrahlter Kernbrennstoffe im Verhältnis zur erzeugten Strommenge steht, sind logischerweise diejenigen Mitgliedstaaten am stärksten gefordert, die den größten Anteil an Nuklearstrom erzeugen. Bezüglich der hochaktiven bzw. langlebigen Abfälle unterscheidet sich die Lage in den einzelnen Mitgliedstaaten:

    Finnland verfügt über den größten Entwicklungsvorsprung, hat sich für die Endlagerung in tiefen geologischen Schichten entschieden und ein Endlager ausgewählt;

    Schweden hat sich ebenfalls für die Endlagerung in tiefen geologischen Schichten entschieden und führt Standortprüfungen durch;

    Frankreich analysiert drei Forschungslinien, die Einlagerung in tiefen geologischen Schichten, die Verkürzung der Langlebigkeit der radioaktiven Substanzen durch Abtrennung und Transmutation und die oberirdische oder oberflächennahe langfristige Zwischenlagerung;

    die anderen Länder haben den Entscheidungsprozess über eine endgültigen Lösung für die hochaktiven oder langlebigen Abfälle noch nicht eingeleitet.

    Für schwach aktive und kurzlebige Abfälle wird in den meisten Mitgliedstaaten die oberirdische Lagerung als vertretbare Lösungsmöglichkeit angesehen.

    1.3.5

    Die Lage in den Beitrittsländern (5)

    „In den Beitrittsländern mit von der Sowjetischen Union gebauten Kernkraftwerken und Forschungsreaktoren ist die Entsorgung abgebrannter Brennelemente in den vergangenen zehn Jahren zu einer entscheidenden Frage geworden, weil die Rücksendung nach Russland zur Wiederaufarbeitung oder Lagerung nicht mehr möglich ist. Von heute auf morgen mussten diese Länder Zwischenlager für ihre abgebrannten Brennelemente bauen. Mit der Durchführung von Programmen für die längerfristige Entsorgung und letztliche Beseitigung dieser abgebrannten Brennelemente ist man kaum — wenn überhaupt — vorangekommen.

    Was die weniger gefährlichen Abfälle aus Kernkraftwerken angeht, so verfügen nur die Tschechische Republik und die Slowakei über Endlager, die tatsächlich in Betrieb sind. Mehrere Länder verfügen über Endlager nach russischer Bauart für die radioaktiven Abfälle, die nicht aus dem Kernbrennstoffkreislauf stammen. Allerdings entsprechen diese Anlagen nicht immer den heutigen Sicherheitsnormen. In manchen Fällen werden die Abfälle woanders aufgearbeitet beziehungsweise entsorgt werden müssen.“

    1.3.6

    In der EU sind bereits 2.000.000 m3 schwach aktive oder kurzlebige radioaktive Abfälle beseitigt worden. Diese Kategorie von Abfällen, die in erheblich größeren Mengen anfallen als die gefährlicheren Kategorien, stellen hinsichtlich ihrer Entsorgung keine besondere technologische Herausforderung dar, erfordern aber während ihrer Zwischenlagerung eine genaue Überwachung (KOM(2003) 32 endg.).

    2.   Teil 2: Langfristige Energieperspektiven (2030)

    2.1

    Langfristige Energieverbrauchsperspektiven lassen sich auf Grund der zahlreichen Unwägbarkeiten nur unter Schwierigkeiten vorschlagen. Bekanntermaßen ist die Steigerung des Energieverbrauchs Voraussetzung für alle in jüngster Zeit erreichten Fortschritte in den Bereichen Technologie, Lebensqualität, Hygiene und Gesundheit, Wirtschaft, Kultur usw. gewesen. Dagegen ist festzustellen, dass die Energieintensität unserer Aktivitäten (verbrauchte Energiemenge je Produktionseinheit) im Zuge des strukturellen wirtschaftlichen Wandels (Tertiärisierung) und der Weiterentwicklung der energieverbrauchenden Prozesse abnimmt. Der Energiebedarf der Milliarden Einwohner der Entwicklungsländer darf nicht unterschätzt werden. Ferner findet eine Sensibilisierung für die Auswirkungen des Energieverbrauchs auf die Umwelt und das Klima statt.

    2.2

    Relevant sind in diesem Zusammenhang zwei im Auftrag der Kommission erstellte Studien: „European Energy Outlook“ von P. Capros und L. Mantzos von der Universität Athen (6) und „World Energy, Technology and Climate Policy Outlook“ (WETO) von der GD Forschung (7). Beide Studien sind darum bemüht, die Perspektiven bis 2030 zu beleuchten; die eine setzt sich mit den europäischen Perspektiven auseinander und nimmt den Ausstieg aus der Kernkraft als gegeben hin, die andere ist international ausgerichtet und geht davon aus, dass die derzeit zur Verfügung stehenden Technologien auch weiterhin eingesetzt werden.

    2.3

    Beide Studien benutzen Extrapolationsmodelle, die sich auf die Fortsetzung der bisherigen Entwicklungstendenzen einschließlich der strukturellen Entwicklungen und des technischen Fortschritts stützen. Dabei bleiben allerdings neue Verfahrensweisen, die einen Bruch mit den bisherigen Entwicklungen darstellen, unberücksichtigt. Dies ist jedoch vernachlässigbar, da sich Entwicklungsbrüche kaum wirklich absehen lassen. Für den Zweck dieser Stellungnahme dienen diese Studien daher zur besseren Einschätzung der Entwicklungsaussichten, nicht aber als Vorhersage.

    2.4

    Kernaussagen der beiden Studien:

    2.4.1   Capros-Mantzos-Studie

    Im Jahr 2030 wird sich das BIP der EU im Vergleich zu 1995 mehr als verdoppelt haben, doch der Energieverbrauch wird auf Grund der technologischen Fortschritte bei der Energieerzeugung, den energieverbrauchenden Verfahren und der Entwicklung der wirtschaftlichen Strukturen von 1650 Mtep auf 1968 Mtep (EU-25), also um 20 % ansteigen, was einem jährlichen Rückgang der Energieintensität um 1,7 % entspricht.

    Die wichtigste Rolle spielt dabei nach wie vor das Erdöl vor Erdgas und Kohle. Die Kohlendioxidgesamtemissionen (4208 Mio t im Jahr 1990), die, ausgehend von einem Index von 100 im Jahr 1990, bis 1995 auf 98,7 gesunken waren, steigen bis 2020 auf 109,5 und bis 2030 auf 117,2. Dieses Ausgangsszenario macht die Einhaltung der Kyoto-Ziele unmöglich, wobei die Anteile der Industrie, des Tertiärsektors und der Privathaushalte an dem Anstieg der Kohlendioxidemissionen (in der Studie auf 568 Mio. t zwischen 1995 und 2030 veranschlagt) zurückgehen, doch der Ausstoß des Verkehrssektors um 163 Mio. t und des Energieerzeugungssektors um 533 Mio. t steigt. Letzteres wäre insbesondere dem Ausstieg aus der Kernkraft zuzuschreiben.

    2.4.2   WETO-Studie

    2.4.2.1   Internationale Perspektiven bis 2030

    Die Weltbevölkerung dürfte von 6,1 Mrd. Menschen im Jahr 2000 auf 8,2 Mrd. Menschen im Jahr 2030 anwachsen, während sich die jährliche Wachstumsrate des Bruttoweltprodukts auf durchschnittlich 3 % belaufen würde (in den 30 Jahren zwischen 1970 und 2000 betrug es 3,3 %).

    Es wird erwartet, dass der Energieverbrauch zwischen 2000 und 2030 um 70 % (von 9963 Mtep auf ca. 17 Gtep) zunimmt, was einer jährlichen Steigerungsrate von nur 1,8 % gegenüber einem Wachstum des Bruttoweltprodukts von 3 % entspricht.

    Bei den fossilen Brennstoffen würde Erdöl mit 5,9 Gtep 34 % des Weltverbrauchs ausmachen, Erdgas mit 4,3 Gtep 25 % und die kostenmäßig wettbewerbsfähigere Kohle 28 % mit 4,8 Gtep.

    Der Anteil der Kernenergie würde im Bezugszeitraum um 0,9 % jährlich zunehmen, doch im Jahr 2030 nur 5 % der Gesamtenergieerzeugung — im Vergleich zu 6,7 % im Jahr 2000 — ausmachen.

    Der Anteil der Großwasserkraftwerke und der Erdwärme würde sich auf 2 % der Gesamtenergieerzeugung einpendeln (2000: 2,3 %). Der Anteil der Solarenergie, der Kleinwasserkraftwerke und der Windkraft würde zwischen 2000 und 2010 um 7 % jährlich, anschließend um 5 % jährlich ansteigen; allerdings würde ihr Anteil an der Gesamtenergieerzeugung im Jahr 2030 lediglich 1 % betragen (2000: 0,5 %).

    Die Energiegewinnung aus Holz- und Abfallverbrennung würde von derzeit 11 % auf 5 % im Jahr 2030 absinken.

    Insgesamt würden die erneuerbaren Energieträger 2030 8 % des Weltenergiebedarfs decken.

    Zusammenfassend kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass der Weltenergieverbrauch um 1,8 % jährlich zunehmen wird, wenn die Weltbevölkerung um ein Prozent anwächst und der Pro-Kopf-Reichtum um 2,1 % jährlich steigt, was voraussetzt, dass die Energieintensität um 1,2 % jährlich sinkt.

    2.4.2.2   EU-Perspektiven bis 2030

    In der EU wird von einer gleich bleibenden Bevölkerungszahl ausgegangen. Der Pro-Kopf-Reichtum soll um 1,9 % ansteigen, durch die Fortschritte im Bereich der Energienachfragesteuerung kann eine Senkung der Energieintensität um 1,4 % erreicht werden, so dass die Steigerung des Energiebedarfs auf 0,4 % jährlich veranschlagt wird.

    Die gesamte Nachfrage würde von 1,5 Gtep im Jahr 2000 auf 1,7 Gtep im Jahr 2030 steigen. Bei dieser Annahme ist die Erweiterung bereits berücksichtigt. In den Beitrittsländern liegt die Energienachfrage zwar höher, doch haben sie auch ein größeres Einsparungspotenzial auf dem Gebiet der Energieintensität. (8)

    In der EU erreicht der Anteil von Erdgas 27 %, weniger als Erdöl mit 39 % und mehr als Stein- und Braunkohle mit 16 %.

    2.4.2.3   Perspektiven für die Stromerzeugung

    Die Weltstromerzeugung nimmt konstant um 3 % jährlich zu. Über die Hälfte davon wird in Anlagen erzeugt, in denen in den 90er Jahren entwickelte Technologien zum Einsatz kommen, wie bspw. Kombi-Kraftwerke, fortgeschritten Kohlekraftwerke und erneuerbare Energien.

    Der Erdgasanteil an der Stromerzeugung steigt in den drei großen Regionen mit Erdgasvorkommen.

    Die Entwicklung der Kernenergie reicht nicht aus, um ihren gegenwärtigen Anteil an der weltweiten Stromerzeugung aufrecht zu erhalten, der auf bloße 10 % absinkt.

    Die erneuerbaren Energieträger decken 4 % der Energienachfrage gegenüber 2 % im Jahr 2000, was im Wesentlichen der Nutzung der Windkraft zuzuschreiben ist. In der EU-25 wird die Gesamtstromerzeugung von 2900 TWh im Jahr 2000 auf 4500 TWh im Jahr 2030 zunehmen; der Anteil der erneuerbaren Energieträger wird dabei von 14,6 % auf 17,7 % und der Kraft-Wärme-Kopplung von 12,5 % auf 16,1 % steigen, während der Anteil der Kernkraft von 31,8 % auf 17,1 % absinkt.

    2.4.2.4   Die CO2-Emissionen

    Dem zentralen Szenario zufolge werden sich die CO2-Emissionen zwischen 1990 und 2030 von 21 Gt auf 45 Gt mehr als verdoppeln.

    China bspw. wird 2030 als größte Wirtschaft (das chinesische BNP wird sich im Vergleich zu 1990 verzehnfacht haben) den größten Ausstoß an CO2 verursachen. Die chinesischen CO2-Emissionen werden im Vergleich zu 1990 um 290 % ansteigen.

    In der EU wird der Anteil von Kohle um 7 % und von Erdöl um 4 % absinken, während der Erdgasanteil um 10 % steigt; daraus ergibt sich eine bescheidene Verringerung der Kohlenstoffintensität des Energiebedarfs in Verbindung mit einer allgemeinen Zunahme des Energieverbrauchs und damit eine 18%ige Steigerung der CO2-Emissionen zwischen 1990 und 2030.

    2.4.2.5   Die Varianten des Ausgangsszenarios

    Die vorangegangenen Bemerkungen betreffen das in der WETO-Studie entworfene zentrale Szenario; davon ausgehend sind vier Varianten geprüft worden:

    Die „Erdgasvariante“ geht davon aus, das ausreichende Ressourcen verfügbar sind und bei der Kombikraftwerks- und Brennstoffzelltechnik erhebliche Fortschritte erzielt werden; der Erdgasverbrauch liegt hier um 21,6 % höher als im zentralen Szenario, während die CO2-Emissionen um 1,6 % niedriger liegen;

    die „Kohlevariante“ stützt sich auf umfassende technologische Fortschritte bei überkritischen Dampferzeugern, Kombikraftwerken mit integrierter Vergasung und direkt befeuerten Dampfkesselheizungen; der Kohleverbrauch liegt hier um 15 % höher als im zentralen Szenario, während die CO2-Emissionen nicht ansteigen;

    die „Kernenergievariante“ geht von umfangreichen Innovationen in Bezug auf Kosten und Sicherheit aus, die sich auf die Leichtwasserreaktoren und insbesondere auf neue Reaktoren-Generationen auswirken; die Stromerzeugung aus Kernenergie steigt hier um 77,5 % an, während die CO2-Emissionen um 2,8 % sinken;

    die „erneuerbare Energieträger“-Variante geht von umfangreichen Fortschritten insbesondere in den Bereichen Windkraft, Solarkraftwerke, Kleinwasserkraftwerke und Fotovoltaik-Zellen aus; der Anteil der erneuerbaren Energieträger an der Stromerzeugung steigt hier um 132 %, während die CO2-Emissionen um 3 % sinken.

    2.5

    Aus alledem geht klar hervor, dass es sich ohne weitere Änderungen in Bezug auf den Stand der Technik und der Vorschriften des Jahres 2000 (dem Bezugsjahr der beiden Studien) sowohl auf internationaler Ebene als auch in der erweiterten EU als sehr schwierig erweisen wird, die Treibhausgasemissionen zu stabilisieren.

    Beide Studien laufen darauf hinaus, dass sich der Beitrag der Kernenergie zur Bewältigung des Klimawandels ausgehend vom heutigen technologischen Entwicklungsstand in der gleichen Größenordnung bewegt wie der Beitrag der erneuerbaren Energieträger.

    3.   Teil 3: Die Forschungsperspektiven

    3.1   Die F+E-Errungenschaften im Bereich der Kernenergie

    3.1.1

    Die Kernenergie ist vermutlich der F+E-intensivste Energieträger. Lange bevor im EU-Vertrag eine allgemeine Forschungspolitik verankert wurde, förderte die EU in dem 1957 angenommenen Euratom-Vertrag die Forschung und Verbreitung von Know-how im Kernenergiebereich. Die Forschung erstreckte sich neben der Reaktortechnik auf die Fragen der Sicherheit und des Schutzes der Arbeitnehmer, der Bevölkerung und der Umwelt.

    3.1.2

    Die zivile Kernforschung hat dazu geführt, dass in denjenigen Ländern, die einen Teil ihres Elektrizitätsbedarfs durch Kernenergie decken, die Stromkosten der Verbraucher und Unternehmen gesunken sind, die Energieversorgungssicherheit gestiegen ist und ein offenkundiger Beitrag zur Verringerung der Treibhausgasemissionen geleistet worden ist.

    3.2   Die Herausforderungen der Kernenergieforschung

    3.2.1

    Im Grünbuch der Europäischen Kommission „Hin zu einer europäischen Strategie für Energieversorgungssicherheit“ (2001) wird die zentrale Frage erörtert, wie die Europäische Union, die nur über sehr begrenzte eigene Energieressourcen verfügt und zu 50 % von Energieeinfuhren — in erster Linie fossiler Energieträger — aus anderen, teilweise politisch instabilen Ländern abhängig ist, ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten, die in Kyoto eingegangenen Verpflichtungen einhalten und den Wohlstand ihrer Bevölkerung gewährleisten kann. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Energieabhängigkeit bis 2020/2030 weiter steigen wird und Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels dringend notwendig sind.

    3.2.2

    In dem Grünbuch wird unter anderem die Feststellung getroffen, dass die Europäische Union im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung, die den Anliegen der wirtschaftlichen Entwicklung, der sozialen Ausgewogenheit und des Umweltschutzes Rechnung trägt, „(…) die Nukleartechnologie weiterhin beherrschen [muss], um das erforderliche Fachwissen zu bewahren, das es ermöglicht, wirksamere Kernspaltungsreaktoren zu entwickeln (…)“. In seiner Antwort auf das Grünbuch bestätigt das Europäische Parlament die Existenz dieser Herausforderungen. Dieses Fachwissen kann allerdings nur dann bewahrt werden, wenn der derzeitige Reaktorpark erhalten bleibt.

    3.3   Die Schlüsselthemen der Kernenergieforschung

    3.3.1

    In der Kernenergieforschung werden die gleichen Zielsetzungen verfolgt wie in den anderen technologischen Sektoren: die Verbesserung der Leistungen in den verschiedenen Bereichen. Gegenstand der Forschungsanstrengungen im Zuge des 6. Rahmenprogramms für Forschung und Entwicklung (Euratom) sind radioaktive Abfälle und die Auswirkungen niedriger Strahlungsdosen.

    3.3.2

    Die Forschung in Bereich der Entsorgung der radioaktiven Abfälle hat zum Ziel, den Umgang mit diesen Abfällen möglichst perfekt in den Griff zu bekommen. Es gibt bereits sichere industrielle Lösungen für die Endlagerung der schwach aktiven Abfälle und für die Konditionierung (Verglasung) und Zwischenlagerung der langlebigen oder hochaktiven Abfälle.

    3.3.2.1

    Des Weiteren werden Entwürfe für oberirdische oder oberflächennahe (mehrere Dutzend Meter unter der Erdoberfläche) Zwischenlager für hochaktive bzw. langlebige Abfälle untersucht, in denen Abfallbehälter mehrere Jahrhunderte unbeschadet überstehen können. Andere Forschungsarbeiten betreffen die Einlagerung in tiefen geologischen Schichten und die unmittelbare Endlagerung der abgebrannten Brennelemente.

    3.3.2.2

    Es gibt ferner Untersuchungen, denen zufolge bei der Wiederaufbereitung der abgebrannten Brennelemente die in den Wiederaufbereitungsabfällen noch vorhandenen Bestandteile mit der höchsten Radiotoxizität abgetrennt und „transmutiert“ (in radioaktive Stoffe mit kürzerer Halbwertszeit umgewandelt) werden können. Diese sog. Transmutation könnte in den herkömmlichen Reaktortypen oder in neuen Reaktortypen, die noch erforscht werden (s. innovative Konzepte), stattfinden.

    3.3.3

    Die Erforschung innovativer Konzepte folgt dem Leitgedanken der nachhaltigen Entwicklung. Die sich weltweit stellende Herausforderung, die Energieversorgungssicherheit der künftigen Generationen sicherzustellen, macht es notwendig, all diejenigen Technologien zu nutzen, bei denen langfristig vorrätige Brennstoffe zum Einsatz kommen.

    3.3.4

    Die Kernindustrie unternimmt Anstrengungen, um dieser Herausforderung bis 2010 mit der Weiterentwicklung der bisherigen Leichtwasserreaktoren, der sogenannten „Generation III+“, und dann bis 2035/2040 mit neuen Reaktortypen der „Generation IV“, denen andere technologische Konzepten zugrunde liegen (bspw. Kühlung durch Gas oder Flüssigmetall), zu begegnen.

    3.3.5

    Die Forschungsarbeiten im Zusammenhang mit den neuen Reaktortypen verfolgen mehrere Ziele: die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Kernkraft (insbesondere durch eine Verringerung der Investitionsdauer) und der Reaktorsicherheit, die weitestmögliche Verringerung der Abfallproduktion und Wiederverwertung der Wertstoffe sowie die vielseitige Einsetzbarkeit, indem gleichzeitig mit Strom noch andere Produkte, beispielsweise Wasserstoff, erzeugt werden. Fortschritte werden ebenfalls auf dem Gebiet der Meerwasserentsalzung erwartet.

    3.3.6

    Der heliumgekühlte HTR-Modulreaktor (Hochtemperaturreaktor), dessen Abwärme für den Antrieb einer Gasturbine genutzt wird, ist zwischen die Generationen III+ und IV einzuordnen. Die Technik ist bekannt und bei ihrer Umsetzung dürften die bei den herkömmlichen Hochtemperaturzyklen erzielten technologischen Fortschritte zum Einsatz kommen, doch gibt es noch technologische Hemmnisse für eine industrielle Nutzung.

    3.3.7

    Die Erforschung der künftigen Kernenergiesysteme wird auf internationaler Ebene vorangetrieben, insbesondere im Rahmen des von den USA angeregten „Generation-IV International Forum“, an dem sich zehn Länder beteiligen. Ausgehend von ungefähr 100 Vorschlägen wurden 19 Entwurfskategorien bewertet und sechs Entwürfe ausgewählt, die häufig mehrere Reaktorprojekte umfassten. Die ausgewählten Entwürfe befinden sich in verschiedenen Entwicklungsstadien und dürften zu verschiedenen Zeitpunkten ab 2035/2040 industriell einsetzbar sein. Bestimmte Konzepte werden sich in der kombinierten Energie- und Wärme- bzw. Wasserstoffgewinnung einsetzen lassen.

    3.3.8

    In den Reaktoren der „Generation IV“ wird — sobald sie zur Verfügung stehen — das Energiepotenzial von Uran besser ausgeschöpft, werden andere Brennstoffe (Plutonium, Thorium) eingesetzt und die Abfallprodukte verbrannt, während gleichzeitig Wirtschaftlichkeit und Sicherheit gewährleistet und damit die Anforderungen der nachhaltigen Entwicklung umfassend erfüllt werden. Alle ausgewählten Entwürfe weisen sehr interessante Perspektiven hinsichtlich der einzelnen Zielsetzungen der „Generation IV“ bezüglich Nachhaltigkeit (Verwendung der Brennstoffressourcen und Minimierung der Abfälle), Sicherheit und Wirtschaftlichkeit auf. Wie die bestehenden Reaktoren erfüllen sie alle Garantien für eine Nichtverbreitung spaltbaren Materials zu militärischen Zwecken. Die Strom erzeugenden Reaktoren haben alle einen geschlossenen Brennstoffkreislauf.

    3.3.9

    Der Strahlenschutz ist Themenschwerpunkt in den Euratom-F+E-Programmen und umfasst eine breite Palette von Forschungsarbeiten: die Untersuchung niedriger Dosen (ergänzt durch Zellular-, Molekularbiologie- und epidemiologische Forschung); Strahlenbelastung in der Medizin (insbesondere Entwicklung von Strahlungstherapien, die an die individuelle Strahlungssensibilität der Patienten angepasst sind) und natürliche Strahlungsquellen; Umweltschutz und Radioökologie; Risiko- und Notfallmanagement; Schutz am Arbeitsplatz usw. Bei all diesen Forschungsarbeiten wird auf modernste Technik zurückgegriffen, beispielsweise auf dem Gebiet der Genomik und der Biotechnologien. Die Forschungsergebnisse dienen jetzt und künftig der Weiterentwicklung der Verfahren zum Schutz des Menschen und der Umwelt sowie der Verbesserung der entsprechenden Normen.

    3.3.10

    Die nukleare Sicherheit ist selbstredend einer der wichtigsten Schwerpunkte der Kernforschung. Auch auf diesem Gebiet werden in den Euratom-F+E-Programmen (9) klare Prioritäten aufgestellt, wobei deutlich gemacht wird, dass das übergeordnete Ziel auf europäischer Ebene die Verbesserung der Sicherheit in bestehenden kerntechnischen Anlagen der Mitglied-, Beitritts- und Bewerberstaaten betrifft. Die Forschungsarbeiten konzentrieren sich auf das Anlagenmanagement — einschließlich Auswirkungen von Alterung — und Brennstoffleistung; Management schwerer Unfälle, insbesondere Entwicklung fortgeschrittener Codes zur numerischen Simulation; Integration europäischer Kapazitäten und praktischer Erfahrungen bei der Stilllegung; Entwicklung harmonisierter Sicherheitskonzepte und Ansätze für beste betriebliche und regulatorische Praxis auf europäischer Ebene.

    3.3.11

    Schließlich wäre als am stärksten zukunftsorientierte, aber ebenfalls vielversprechende Perspektive die Erforschung der kontrollierten Kernfusion zu nennen, mit der sich der EWSA derzeit im Rahmen einer Initiativstellungnahme befasst.

    4.   Teil 4: Gesundheit, Strahlenschutz, Sicherheit

    4.1   Biologische Auswirkungen von Strahlen

    4.1.1

    Ionisierende Strahlungen können Elektronen aus den Atomen lebender Materie abspalten (Ionisierung). Es kann sich dabei um eine Teilchenstrahlung (Alpha oder Beta) oder um elektromagnetische Strahlung (Röntgenstrahlen, Gammastrahlen) handeln.

    4.1.2

    Messgröße für die Emission ionisierender Strahlen ist die „Aktivität“, d.h. die Anzahl der Atomkernzerfälle je Sekunde mit entsprechender Emission von Strahlung. Maßeinheit ist das Becquerel (Bq); ein Becquerel entspricht dem Zerfall eines Atomkerns pro Sekunde (ein Curie (Ci) entspricht der Aktivität eines Gramms Radium, also 37 Mrd. Becquerel).

    4.1.3

    Seit Anbeginn der Evolution waren lebende Organismen ionisierenden Strahlungen ausgesetzt, die ihrer Weiterentwicklung förderlich waren. Heutzutage sind wir ständig ionisierenden Strahlungen ausgesetzt, die von unserem eigenen Körper herrühren (6000 bis 8000 Bq) oder aus unserer Umgebung stammen, nämlich von der Erde, die Uran enthält (650.000 Bq je Kubikmeter Erde), von der Luft, die Radon enthält, von kosmischer Strahlung und von Alltagserzeugnissen wie Meereswasser (10 Bq/l) und Milch (50 Bq/l).

    4.1.4

    Die Wirkung von ionisierenden Strahlen wird als „absorbierte Dosis“ in Gray (Gy) (absorbierte Strahlungsenergie in der (Gewebe-) Masseneinheit mit der Einheit Joule durch Kilogramm) und als „effektive Dosis“ mit der Einheit Sievert (Sv) (Summe der von jedem Organ absorbierten Dosen, gewichtet nach der Gefährlichkeit der Strahlung und der Empfindlichkeit des Gewebes) gemessen.

    4.1.5

    Die Strahlenbelastung durch natürliche und medizinische Quellen (auf letztere entfallen ca. 30 %) in Paris oder Brüssel beträgt ca. 2,5 mSv (Tausendstel Sievert) effektive Dosis jährlich. In Granitgestein wie beispielsweise dem Massif Central in Frankreich erreicht die effektive Dosis ungefähr 5 mSv pro Jahr und überschreitet 20 mSv pro Jahr in bestimmten Regionen der Erde (Iran; Kerala in Indien). Die von der Kernindustrie ausgehende Strahlungsbelastung dagegen beträgt für einen Europäer ca. 0,015 mSv pro Jahr.

    4.1.6

    Der menschliche Organismus verfügt über höchst wirksame Mechanismen zur Reparatur von durch ionisierende Strahlungen beschädigten Chromosomen. Daraus erklärt sich, dass mit einer schwachen Dosisleistung verabreichte ionisierende Bestrahlungen nicht Krebs erregend sind (eine Krebs erregende Wirkung hat sich noch nie nachweisen lassen) und dass in den Regionen mit einer natürlichen Strahlungsintensität von 20 mSv jährlich nicht mehr Krebserkrankungen vorkommen als anderswo.

    4.1.7

    Ionisierende Strahlungen können zwei Arten von Auswirkungen zeitigen:

    4.1.7.1

    Die sog. nichtstochastischen Strahlenschäden ab einer Dosis über 700 mSv; da diese Schäden nur oberhalb einer bestimmten Schwelle auftreten, ist es relativ einfach, sich davor zu schützen, indem die Strahlenexposition unterhalb dieser Schwelle unter Berücksichtigung einer Sicherheitsmarge gehalten wird.

    4.1.7.2

    Die zufällig auftretenden „stochastischen“ Strahlenschäden, die in zwei Kategorien unterteilt werden: zunächst die Krebserkrankungen, deren Wahrscheinlichkeit mit zunehmender Dosis steigt und die ab einer Strahlenbelastung von 100-200 Sv bei Erwachsenen und von 50-100 Sv bei Kindern nachgewiesen sind; dann die Erbschäden, doch ist das Auftreten dieser an Mäusen beobachteten Schäden bei Menschen noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen worden, weder bei den Nachkommen der Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki noch bei der von dem Tschernobyl-Reaktorunfall betroffenen Bevölkerung.

    4.2   Schutzmaßnahmen gegen ionisierende Strahlungen

    4.2.1

    Die Politik im Bereich des Strahlenschutzes ist in verschiedene Verfahrensabläufe untergliedert, an denen verschiedene internationale und nationale Instanzen beteiligt sind.

    4.2.2

    An erster Stelle steht UNSCEAR (10) (ein Gremium der UNO, dessen Mitglieder von ihrer jeweiligen Regierung benannt werden) und insbesondere die ICRP (internationale Strahlenschutzkommission, eine unabhängige internationale Organisation mit gewählten Mitgliedern), die wissenschaftliche Arbeiten auswerten und Empfehlungen in Form von Berichten unterbreiten. In dem Bericht ICRP 73 beispielsweise geht es um die Strahlenbelastung durch medizinische Verfahren.

    In Europa folgt darauf die Europäische Gemeinschaft, die die Texte der ICRP in Empfehlungen oder Richtlinien umsetzt. So führte der Bericht ICRP 73 zu der Richtlinie Euratom 97/43 über den Gesundheitsschutz von Personen gegen die Gefahren ionisierender Strahlung bei medizinischer Exposition.

    An letzter Stelle setzen die Mitgliedstaaten die europäischen Empfehlungen oder Richtlinien in nationales Recht um.

    4.2.3

    Die grundlegenden Normen für den Schutz der Bevölkerung gegen die Gefahren ionisierender Strahlung (11) sind sehr streng gehalten und legen den Grenzwert für die zusätzliche Strahlenexposition auf Grund der Tätigkeiten der Kernindustrie auf 1 mSv pro Jahr und Person fest. Dieser vorgeschriebene Grenzwert, der in keinem Zusammenhang mit den in dem Abschnitt über die biologischen Auswirkungen genannten Zahlen steht, wurde im Wesentlichen unter Berücksichtigung der technischen Möglichkeiten der Kernindustrie festgelegt.

    4.2.4

    Die grundlegenden Normen für den Schutz der Arbeitnehmer der Kernindustrie legen den Grenzwert der Strahlenbelastung auf 100 mSv in fünf aufeinanderfolgenden Jahren fest, das heißt, auf eine jährliche Durchschnittsbelastung von 20 mSv, wobei die Dosis in einem einzigen Jahr 50 mSv nicht überschreiten darf.

    4.2.5

    Die Kernindustrieunternehmen haben fortlaufend Fortschritte erzielt; so sank die durchschnittliche jährliche Strahlenexposition der Arbeitnehmer in zahlreichen Anlagen in der EU von 4,6 mSv im Jahr 1992 auf 2,03 mSv im Jahr 2002.

    4.2.6

    Diese Ergebnisse konnten erzielt werden, indem an die Tätigkeiten in exponierten Bereichen durchweg die Messlatte der „Begründung, Optimierung und Begrenzung“ angelegt wurde. Um diese drei Grundsätze auf industrieller Ebene in die Praxis umzusetzen, gehen alle Betreiber bei der Dosisbegrenzung nach dem sog. ALARA-Konzept (as low as reasonably achievable — so gering wie vernünftigerweise erreichbar) vor.

    4.3   Das Organisationsprinzip der Sicherheit

    4.3.1

    Die nukleare Sicherheit gründet auf einer breiten Palette von Vorschriften betreffend den Entwurf, den Bau, den Betrieb, das Abschalten und die Stilllegung von Kernkraftanlagen sowie den Transport von radioaktiven Materialien.

    4.3.2

    Diese Vorschriften, die zum Ziel haben, Unfälle zu verhüten bzw. ihre Auswirkungen zu begrenzen, bauen auf einem umfassenden Sicherheitskonzept auf, bei dem systematisch mehrere Ansätze verfolgt werden:

    Vorbeugung zur Vermeidung von Störfällen; im Wesentlichen geht es hierbei um die Einhaltung der Betriebsanweisungen;

    Überwachung (oder Detektion) zur Früherkennung möglicher Systemausfälle durch Versuche und/oder Überprüfungen; diese Überwachung kann in Form regelmäßiger Untersuchungen der für die Sicherheit notwendigen Materialien erfolgen;

    Handlungs- bzw. Behandlungsmöglichkeiten zur Begrenzung der Auswirkungen eines Systemversagens und zur Vermeidung einer Wiederholung;

    Durchführung einer systematischen Analyse der Betriebsvorfälle, die der Vorläufer eines umfassenderen Systemversagens sein könnten;

    die Vorschriften sind unterteilt in

    materielle: in Bezug auf den Bau und die Zuverlässigkeit der Anlagen;

    organisatorische: im Arbeitsablauf beruht das Qualitätssystem auf der klaren Abgrenzung der einzelnen Zuständigkeitsbereiche, auf fachgerechten Kontrollen und auf der Bereitstellung ausreichender Ressourcen, insbesondere in Krisensituationen;

    und personenbezogene, die gewährleisten, dass das Personal über eine qualifizierte Ausbildung, Verantwortungs- und Sicherheitsbewusstsein verfügt und Umsicht und Aufmerksamkeit walten lässt.

    4.4   Verantwortung und Überwachung der Sicherheit

    4.4.1

    Die nukleare Sicherheit fällt in die Verantwortung des Anlagenbetreibers nach Maßgabe der von den nationalen Sicherheitsbehörden erlassenen Vorschriften.

    Eine internationale Zusammenarbeit zwischen nationalen Sicherheitsbehörden und/oder Kernkraftwerksbetreibern führt regelmäßig zur Veröffentlichung von Indikatoren betreffend die Anlagenqualität. Ein Austausch findet auch regelmäßig im Zuge internationaler Überprüfungen von Kernkraftwerken durch internationale Expertenteams statt (so z.B. durch OSART — Operational Safety Review Team —, das der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) unterstellt ist, oder durch einen „Peer Review“ der internationalen Betreibervereinigung WANO — World Association of Nuclear Operators).

    4.4.2

    Aus diesen Indikatoren lässt sich eine kontinuierliche Verbesserung des Betriebsablaufs der Reaktoren der Europäischen Union und insbesondere eine Verringerung der Anzahl aufgetretener „Störungen“ (Stufe 1 auf der sieben Stufen umfassenden Internationalen nuklearen Ereignisskala INES — International Nuclear Event Scale) und eine Abnahme der Strahlenbelastungen der Umwelt.

    4.4.3

    Die Kommission hat jüngst die Überwachung der Wirksamkeit der nationalen Vorkehrungen zur Gewährleistung der nuklearen Sicherheit zur Gemeinschaftsaufgabe erklärt (KOM(2003) 32 endg.). Der Ausschuss hat in diesem Zusammenhang die Meinung vertreten, dass die Richtlinien zur Sicherheit kerntechnischer Anlagen und deren Kontroll-Verfahren klarstellen sollen, dass dabei der bisherige Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich der Sicherheitsbehörden der Mitgliedstaaten voll erhalten bleibt und der Betreiber kerntechnischer Anlagen auch weiterhin die ausschließliche Verantwortung für deren Sicherheit trägt. Letztere Forderung folgt auch aus dem Verursacherprinzip, welches der Ausschuss für sehr wichtig erachtet.

    5.   Die wirtschaftlichen Herausforderungen der Nuklearstromerzeugung

    5.1

    Die Nuklearstromerzeugung zeichnet sich durch sehr hohe Kapitalkosten und vergleichsweise sehr niedrige und stabile Betriebskosten aus. In den OECD-Mitgliedstaaten erzeugen 362 Kernkraftwerke Strom und sind im Allgemeinen auf ihrem eigenen Markt, ob der nun dereguliert ist oder nicht, wettbewerbsfähig.

    5.2

    Die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Kernkraft hängt eng von den künftigen Entscheidungen hinsichtlich der übrigen Energieträger und insbesondere Erdgas ab, das in Anbetracht der zwingend notwendigen Verringerung der CO2-Emissionen zu einer Referenz geworden ist. Die Kernkraft ist nicht nur wettbewerbsfähig, sondern kann auch den großen Vorteil der Preisstabilität für sich verbuchen, während der Elektrizitätsbinnenmarkt bei Gleichgewichtsstörungen zwischen Angebot und Nachfrage Preissteigerungen verzeichnet (wie der skandinavische Verbundblock Nordel im Winter 2002/2003 veranschaulichte).

    5.3

    Die Wettbewerbsfähigkeit der Kernkraft hängt von den Investitionskosten ab. Ausgehend von einer betriebswirtschaftlichen Rentabilität von 5 % ist die Kernkraft in über einem Viertel der OECD-Staaten, die 1998 Angaben zu ihren geplanten Investitionen in die Stromerzeugung im Jahr 2005 gemacht haben, deutlich wettbewerbsfähig. Bei einer betriebswirtschaftlichen Rentabilität von 10 % ist sie es nicht mehr.

    5.4

    Diese 1998 vorgelegten Studienergebnisse gehen jedoch von Annahmen aus, die die Internationale Energieagentur IEA für die Entwicklung des Erdgaspreises über die nächsten 25 Jahre aufgestellt hat, das heißt, von einem Erdgaspreis, der unter dem aus dem Jahr 2000 liegt und weniger als die Hälfte des Preises im Jahr 1980 (Realwert) beträgt. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass der Erdgaspreis während der Lebensdauer eines Kernkraftwerks (40 bis 60 Jahre) nicht stark ansteigt.

    5.5

    Kernfrage ist, welches finanzielle Risiko ein Betreiber eingeht, der auf einem stark von Wettbewerb geprägten Markt in Stromerzeugung investiert. Dies wiederum führt zum Umdenken bezüglich der Größe der Produktionseinheiten. Bisher ging die Tendenz im Interesse der Rentabilität hin zum Bau größerer Anlagen. Nun aber müssen Projekte geprüft werden, die angesichts der neuen Charakteristiken des Elektrizitätsmarktes der Nachfrage nach geringerer Einzelkapazität entgegenkommen. Für Länder wie Finnland, Frankreich und Japan stellt die Kernkraft nach wie vor die wirtschaftlichste Weise der Stromerzeugung dar.

    5.6

    Die Kernkraftwerks-Bauunternehmen AREVA-Framatome und BNFL/Westinghouse können die Kosten für Leichtwasserreaktoren um ca. 25 % des Preises im Vergleich zu den derzeit in Betrieb befindlichen Reaktoren senken. Zum Prüfstein wird jedoch die von TVO in Finnland durchgeführte Konsultation, denn dieser Gesellschaft wurden alle Genehmigungen für den Bau eines neuen Kernkraftwerks erteilt.

    5.7

    Im Rahmen der Arbeiten des „Generation-IV International Forum“ wird eine Senkung der Kapitalkosten um 50 % angestrebt sowie eine Verkürzung der Bauzeit, um das finanzielle Risiko dem der anderen Reaktortypen anzupassen.

    5.8

    Die Wettbewerbsfähigkeit der Kernkraft hängt langfristig auch vom Preis der erneuerbaren Energieträger ab. Diese liefern zum Großteil nicht kontinuierlich Strom und erfordern daher ergänzende Stromerzeugungs- oder -speicheranlagen, was sie ohne erhebliche Fortschritte weiterhin teuer machen wird.

    5.9

    Der Nuklearstrompreis beinhaltet die Abfallbehandlungs- und Stillegungskosten, wobei letztere auf 15 % der ursprünglichen Anlagenkosten veranschlagt werden.

    5.10

    Es sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass die zivile Kernindustrie in der EU derzeit 400.000 meist hoch qualifizierte Arbeitnehmer beschäftigt.

    5.11

    Auch wenn sie nicht im eigentlichen Sinn wirtschaftlich relevant ist, sollte die Frage gestellt werden, inwieweit sich der Kostensenkungsdruck, der im Allgemeinen auf einem liberalisierten, wettbewerbsoffenen Markt herrscht, auf die Anlagensicherheit und den Schutz der Arbeitnehmer und der Bevölkerung auswirkt. Nach Ansicht des Ausschusses sollte die Kommission im Rahmen der von ihr vorgeschlagenen Sicherheitsbestimmungen diesen Aspekt gezielt im Auge behalten.

    6.   Schlussfolgerungen

    6.1

    Ausgehend von Informationen, die er auf der Grundlage von Veröffentlichungen der Europäischen Union und von Facheinrichtungen, durch Anhörungen von Sachverständigen und Unternehmern zusammengetragen hat und die dieser Stellungnahme zugrunde liegen, möchte der Ausschuss in Beantwortung der Frage, welche Bedeutung der Kernenergie bei der Stromerzeugung zukommt, insbesondere die nachstehenden Aspekte hervorheben.

    6.2

    Die Kernenergie liefert einen großen Teil der Elektrizität in der EU (35 %) und macht 15 % ihres Primärenergieverbrauchs aus. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgungssicherheit und zur Verringerung der Energieabhängigkeit der EU.

    6.3

    Durch die Kernenergie werden 300 bis 500 Mio. t Treibhausgasemissionen vermieden. Sie trägt somit zur Verwirklichung der Kyoto-Ziele bei.

    6.4

    Ihre Produktionskosten sind stabil und dadurch ist sie der Preisstabilität in der Union und der Sicherung der wirtschaftlichen Perspektiven förderlich.

    6.5

    Die erneuerbaren Energieträger, deren Entwicklung wünschenswert ist und die von der EU gefördert wird (Richtlinie 2001/77/EG) können nicht die bestehenden Kernkraftwerke nach Ablauf ihrer Betriebsdauer ersetzen und gleichzeitig die steigende Stromnachfrage decken. Beispielsweise hat die Windenergie nur eine vergleichsweise geringe Verfügbarkeit von durchschnittlich etwa 2000 – 2500 Stunden jährlich aufzuweisen.

    6.6

    Die Energienachfragesteuerung soll die Energieintensität der menschlichen Tätigkeiten (Wirtschaft und Privathaushalte) verringern, liefert jedoch kein entscheidendes Argument für den Ausstieg aus der Kernkraft, da sie sich aus quantitativen Gründen in erster Linie auf andere Bereiche als die Elektrizität, beispielsweise den Verkehrssektor, konzentrieren sollte.

    6.7

    Problemstellungen im Bereich der Kernenergie sind die Sicherheit, der Schutz vor den physiologischen Auswirkungen ionisierender Strahlungen und die Abfälle und abgebrannten Brennelemente. Die ersten beiden Aspekte sind bereits Gegenstand anpassungsfähiger technischer und gesetzlicher Vorschriften. Der Entwicklung der potenziellen Bedrohungen von außen, denen die Gesellschaft und die Industrie insgesamt ausgesetzt sind, muss bei den behördlichen und industriellen Sicherheits- und Schutzmaßnahmen Rechnung getragen werden.

    6.8

    Einige Mitgliedstaaten können bei der Lösung der Abfallfrage Fortschritte vorweisen. Zwei Länder (Finnland und Schweden) haben bereits eine Entscheidung gefällt und ein Endlager ausgewählt haben; andere Länder (Frankreich und Spanien) haben eine Entscheidung über die Entsorgung schwach aktiver Abfälle getroffen und erforschen weiter die Lösungsmöglichkeiten für stärker aktive Substanzen: die Europäische Kommission hat im Rahmen des Euratom-Vertrags eine Maßnahme zur Beschleunigung des Verfahrens eingeleitet. In Frankreich und dem Vereinigten Königreich wird die Konditionierung hochaktiver Abfälle industriell betrieben. Die Einlagerung findet statt, und die fortgesetzten Forschungsarbeiten bedeuten nicht, dass es noch keine Lösung gibt.

    6.9

    Gestützt auf seine Stellungnahme und Schlussfolgerungen vertritt der Ausschuss die Ansicht, dass die Kernkraft, wie auch im Grünbuch zum Ausdruck gebracht, Bestandteil einer diversifizierten, ausgewogenen, wirtschaftlichen und nachhaltigen Energiepolitik in der EU sein sollte. In Anbetracht der immer noch offenen Fragen kann nicht alles auf die Kernkraft gesetzt werden, doch ist der Ausschuss auch der Überzeugung, dass ein teilweiser oder vollständiger Ausstieg die Chancen der EU, ihre Klimaverpflichtungen einzuhalten, untergraben würde. Es versteht sich von selbst, dass die konsensuale Festlegung zukunftsfähiger Energieoptionen im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip und in Abstimmung auf die jeweiligen nationalen Besonderheiten auf Mitgliedstaatsebene erfolgen muss.

    6.10

    Der Ausschuss schlägt vor, nach der Vorlage dieser Stellungnahme über die Bedeutung der Kernindustrie in der Praxis — Versorgungssicherheit, Verringerung der CO2-Emissionen, wettbewerbsfähige Preise, Sicherheit, Behandlung der abgebrannten Brennelemente — zu informieren, um der organisierten Zivilgesellschaft die Möglichkeit einer kritischen Auseinandersetzung mit den Inhalten der darüber geführten Debatte zu geben.

    Brüssel, den 25. Februar 2004

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Roger BRIESCH


    (1)  Die Kommission hat bei ihren Berechnungen eine entsprechende Stromerzeugung durch Erdgas miteinbezogen. Ausgehend vom Energiemix der letzten zehn Jahre belaufen sich die durch Kernkraft vermiedenen Kohlendioxidäquivalente eher auf 500 Mio. t jährlich.

    (2)  Economic Evaluation of Sectoral Emission Reduction Objectives for Climate Change, Bottom-up Reports, Energy, European Commission-Environment, March 2001, Kapitel 1.3.4 des Berichts.

    (3)  S. Fußnote 2.

    (4)  The Shared Analysis Project, Economic Foundations for Energy Policy — Directorate General for energy.

    (5)  Auszug aus KOM(2003) 32 endg. — CNS 2003/0022, Vorwort, Punkt 5.

    (6)  The European energy outlook to 2010 and 2030, P. Capros and L. Mantzos, 2000.

    (7)  World energy, technology and climate policy outlook 2030 -WETO- Directorate-General for Research Energy, 2003.

    (8)  In ihren jüngsten Daten nennt die Kommission 1650 Mtep für 2000 und 1968 Mtep für 2030 (EU-25).

    (9)  Die aufgezählten Themen entsprechen den Forschungsaktionslinien des Spezifischen Programms für Forschung und Ausbildung auf dem Gebiet der Kernenergie im Zuge des 6. FTE-Rahmenprogramms EURATOM.

    (10)  United Nations Scientific Committee on the Effects of Atomic Radiation.

    (11)  In der im Mai 1996 im Rahmen des EURATOM-Vertrags verabschiedeten europäischen Richtlinie 96/29 werden die Grenzwerte für die effektiven Dosen festgelegt, denen die Bevölkerung und die Arbeitnehmer der Kernindustrie ausgesetzt werden dürfen.


    ANHANG I

    zur Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Folgende Änderungsanträge, auf die mindestens ein Viertel der abgegebenen Stimmen entfiel, wurden bei der Abstimmung abgelehnt:

    Einleitung

    6. Absatz wie folgt ändern:

    „Die Sicherheit der Kernkraftwerke der Beitritts- und Bewerberstaaten wird seit 1992 analysiert und ist Gegenstand von Aktualisierungsprogrammen, die entsprechend den jeweiligen Erfordernissen Stillegungs-, Anpassungs- und Ausbildungsmaßnahmen umfassen. Um das Sicherheitsniveau aufrecht zu erhalten bzw. sogar laufend auf dem höchsten Standard zu verbessern halten und fortzuentwickeln , bedarf es einer ununterbrochenen Wachsamkeit der Betreiber und der für die Sicherheit zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten. Die Sicherheitsfrage an Atomanlagen hat nach den Terroranschlägen vom 11.9.2001 zweifellos eine neue Dimension bekommen.“

    Begründung

    Die Sicherheit der AKW's sollte nicht nur auf dem jetzigen Stand gehalten werden, sondern bei Bedarf auch verbessert werden. So sind Kraftwerke auf jeden fall beispielsweise gegen Flugzeugabstürze zu sichern.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 34, Nein-Stimmen: 60, Stimmenthaltungen: 8

    Ziffer 1.1.3

    Ziffer wie folgt ändern:

    „In 32 33 von 192  Ländern weltweit wird Nuklearstrom erzeugt, in 18 dieser Länder ist kein AKW mehr im Bau. Im Jahr 2002 betrug der Anteil der Kernkraft an der Gesamtstromerzeugung zwischen 80 % in Litauen, 77 % in Frankreich und 1,4 % in China. Der Bau Die Planung bzw. teilweise der Bau von 32 neuen Leistungsreaktoren verdeutlicht, dass sich die Kernkraftindustrie international außerhalb der EU trotz hohen wirtschaftlichen, sicherheitstechnischen und politischen Risiken derzeit noch im Ausbau befindet und dies zum Teil in Ländern, bei denen eine militärische Nutzung von Spaltmaterial nicht ausgeschlossen werden kann. im und das kann die EU im Zuge ihrer energie- und industriepolitischen Überlegungen nicht einfach ignorieren. Nachdem in Europa 1985 der letzte Bauauftrag für ein AKW erteilt wurde, signalisierte dDie finnische Regierung erteilte dem finnischen Energiekonzern TVO im Januar 2002 die grundsätzliche Bereitschaft zur Genehmigung zum des Bau s eines fünften Kernkraftwerks, die im Mai 2002 durch das Parlament bestätigt wurde ; ein offizieller Bauantrag ist aber noch nicht gestellt .“

    Begründung

    Der Text vermittelt den Eindruck, überall auf der Welt (und somit auch in Europa) gebe es nach wie vor eine große Nachfrage nach neuen AKW's. Dem ist nicht so. Ein Teil der zitierten „in Bau befindlichen“ Anlagen ruht seit Jahren. In Europa ist der letzte Auftrag für einen Neubau vor rund 20 Jahren erteilt worden.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 30, Nein-Stimmen: 58, Stimmenthaltungen: 9

    Ziffer 1.1.4

    Nach Ziffer 1.1.3 eine neue Ziffer 1.1.4 einfügen:

    „Innerhalb der EU (15) liefern derzeit 145 Reaktoren in 8 Mitgliedstaten Strom. Portugal, Griechenland, Italien (seit 1987), Österreich (Volksentscheid 1978), Luxemburg und Irland verzichten vollständig auf Atomkraft. In den Niederlanden läuft noch 1 Reaktor, nachdem der zweite 1997 stillgelegt wurde. Spanien (9 Reaktoren) hat ähnlich wie Belgien (s. Ziff 1.1.5) ein Moratorium beschlossen, in Großbritannien (35 Reaktoren) kämpft die Nuklearbranche mit größten wirtschaftlichen Schwierigkeiten und kann nur mit Subventionen aus den Stromgebühren anderer Energieträger am Leben erhalten werden.“

    Begründung

    Wenn schon die Situation in der EU beschrieben wird, dann bitte vollständig.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 36, Nein-Stimmen: 55, Stimmenthaltungen: 8

    Ziffer 1.1.11

    Ziffer wie folgt ändern:

    „In der EU-15 belief sich der aus Kernenergie erzeugte Strom im Jahr 2002 auf 855,6 TWh, d.h. auf 35 % der Gesamtstromerzeugung. An diesem Verhältnis wird sich nach dem Beitritt der neuen Mitgliedstaaten zur EU im Jahr 2004 kaum etwas ändern. Die Kernkraft stellt somit die wichtigste derzeit eine wichtige Stromerzeugungsquelle und auf Grund ihres Anteils am Primärenergieverbrauch in der EU (15 %) einen wichtigen Faktor für die Energieversorgungssicherheit der Union dar. Dies gilt aber nur so lange, wie die derzeitigen Reaktoren, deren Laufzeitende sich abzeichnet, in Betrieb sind. Will man diesen Anteil mittel- oder langfristig erhalten, unter anderem weil man glaubt, ihn nicht durch Energieeffizienzsteigerungen, regenerative Energien etc. ablösen zu können, wäre der Neubau einer entsprechend hohen Anzahl neuer Atomkraftwerk nötig. In wie weit der Neubau von schätzungsweise 100 neuen Atomkraftwerken gesellschaftspolitisch durchsetzbar ist, ist eine völlig ungeklärte Frage.“

    Begründung

    Mit 35 % ist die Atomenergie nicht die wichtigste, wohl eine derzeit wichtige Energiequelle. Wenn schon in dieser Stellungnahme keine energiepolitische Debatte geführt werden soll, so sollte zumindest klar ausgesprochen werden, dass wir innerhalb der EU um eine entscheidende Frage nicht herum kommen werden: wird der Neubau von (vielen) neuen Atomkraftwerken überhaupt durchsetzbar sein? Der EWSA darf diese Frage nicht unter den Tisch kehren.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 36, Nein-Stimmen: 65, Stimmenthaltungen: 8

    Ziffer 1.2.9

    Dritten Anstrich wie folgt ändern:

    „und schließlich würde ein Verzicht auf die Kernkraft bei der Stromerzeugung mit jährlich weiteren 300 Mio. t CO2-Emissionen des Energiesektors zu Buche schlagen. Diese Zahl reduziert sich allerdings in dem Maße, wie einerseits sich der Verzicht auf Kernenergie über einen längeren Zeitraum erstreckt, und wie andererseits neue Erzeugungskapazitäten auf Basis der erneuerbaren Energien entstehen und Maßnahmen zur Effizienzsteigerung verstärkt werden.“

    Begründung

    Die zitierte Emissionsmenge ist eine Momentaufnahme und erlaubt keine eindeutige Aussage über die zukünftigen Emissionsmengen, weil diese von der Entwicklung des Energiebedarfes, der Energieintensität und der Erzeugungskapazitäten abhängen.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 32, Nein-Stimmen: 66, Stimmenthaltungen: 9

    Ziffer 1.3.3

    Ziffer wie folgt ändern:

    Nach endgültigen technische n Lösungen für die Behandlung , Lagerung und Endlagerung dieser Abfälle gibt es bereits wird aufgrund der Problematik der gefährlichen Substanzen noch gesucht. Für leicht aktive und kurzlebige Abfälle bietet sich als eine vertretbare Lösungsmöglichkeit die oberirdische Endlagerung an, die auch in einigen Mitgliedstaaten bereits offiziell beschlossen ist und in die Praxis umgesetzt wird. Das heißt aber nicht, dass hier bereits sichere Lösungen vorliegen. Bei hochaktiven oder langlebigen Abfällen gilt die Endlagerung in tiefen geologischen Schichten unter Experten international als Referenzlösung, doch werden diese Abfälle in Erwartung einer demokratischen Entscheidung der betreffenden Mitgliedstaaten über die letztendliche Behandlung dieser Abfälle oberirdisch zwischengelagert. Es gibt in der EU weder ein Endlager noch überhaupt die notwendigen Langzeiterfahrungen damit. Die Konditionierung und oberirdische Zwischenlagerung dieser Abfälle erfolgt muss in Einklang mit den vorgeschriebenen Sicherheitsanforderungen und in Erwartung einer endgültigen Lösung erfolgen . Mit ihrem im Rahmen des EURATOM-Vertrags vorgeschlagenen ‚Nuklearpaket‘ möchte die Kommission den Beschlussfassungsprozess im Hinblick auf unterirdische Endlager voranbringen. Es ist klar, dass die Sicherheitskriterien, die ein Endlager erfüllen muss, um eine Million Jahre sicher zu sein, extrem hoch sind. Die Kosten für die Endlagerung sind in die Stromproduktionskosten einzubeziehen.

    Begründung

    Es ist schlichtweg falsch, dass es bereits praktikable Lösungen für alle Fragen der (End-)Lagerung von Atomabfällen gibt.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 34, Nein-Stimmen: 68, Stimmenthaltungen: 7

    Ziffer 2.1

    Folgenden Absatz am Ende hinzufügen:

    „Langfristige Energieverbrauchsperspektiven lassen sich auf Grund der zahlreichen Unwägbarkeiten nur unter............des Energieverbrauchs auf die Umwelt und das Klima statt.

    Szenarien-Studien versuchen, die unterschiedlichen denkbaren Entwicklungspfade der Energieversorgung in der Zukunft abzubilden. Sie sollen die alternativen Möglichkeiten abbilden, um diese einem gesellschaftlichen Diskurs mit dem Ziel eines konsensualen Versorgungskonzeptes zu unterziehen. Dabei werden jedoch auch unverzichtbare Grundlagen eines derartigen Energiekonzeptes deutlich .“

    Begründung

    Selbsterklärend. An dieser Stelle sinnvoll, um den Stellenwert der im Folgenden breit diskutierten Studien einordnen zu können.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 32, Nein-Stimmen: 60, Stimmenthaltungen: 15

    Ziffer 2.3

    Ziffer wie folgt ändern:

    „Beide Studien benutzen Extrapolationsmodelle, die sich auf die Fortsetzung der bisherigen Entwicklungstendenzen einschließlich der strukturellen Entwicklungen und des technischen Fortschritts stützen. Dabei wird in diesen beiden betrachteten Studien davon ausgegangen, dass es im betrachteten Zeitrahmen nicht zu einer grundlegenden Änderung der Investitionsentscheidungen im Energiebereich kommt, beispielsweise aufgrund von politischen Entscheidungen eine deutliche Steigerung des Anteils der Investitionen in Erneuerbare Energien oder Steigerung der Energieeffizienz über den derzeitigen Trend hinaus vorgenommen wird. Dabei bleiben allerdings neue Verfahrensweisen, die einen Bruch mit den bisherigen Entwicklungen darstellen, unberücksichtigt. Dies ist jedoch vernachlässigbar, da sich Entwicklungsbrüche kaum wirklich absehen lassen. Für den Zweck dieser Stellungnahme dienen diese Studien daher zur besseren Einschätzung der Entwicklungsaussichten, nicht aber als Vorhersage.“

    Begründung

    Es handelt sich bei den beiden betrachteten Studien im wesentlichen um sogenannte Referenzszenarien, die derartige – technisch wie wirtschaftlich vertretbaren – Änderungen der Investitionsflüsse nicht berücksichtigen. Käme es indessen – was nicht auszuschließen ist – zu derartigen Entscheidungen, könnte sich beispielsweise aufgrund der vorhandenen Potenziale die Verringerung der Energieintensität deutlich beschleunigen. Dies ist keineswegs utopisch, sondern steht im Einklang mit der Politik der EU. Die EU-Kommission hat in diesem Zusammenhang in ihrem vorliegenden Entwurf einer Energieeffizienz-Richtlinie (KOM (2003) 739 endg. vom 10.12.2003) vorgeschlagen, durch politische Maßnahmen die Steigerung der Energieeffizienz, die heute im Markttrend durchschnittlich bereits 1,5 % pro Jahr beträgt, in den nächsten Jahren um mindestens 1 % kumulativ zu erhöhen. Dies würde den Energieverbrauch deutlich verringern.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 33, Nein-Stimmen: 64, Stimmenthaltungen: 10

    Ziffer 2.5

    Absatz wie folgt ändern:

    „Aus alledem geht klar hervor, dass es sich ohne weitere Änderungen in Bezug auf den Stand der Technik und der Vorschriften des Jahres 2000 (dem Bezugsjahr der beiden Studien) sowohl auf internationaler Ebene als auch in der erweiterten EU als sehr schwierig erweisen wird, die Treibhausgasemissionen zu stabilisieren. Beide Studien laufen darauf hinaus, dass sich der Beitrag der Kernenergie zur Bewältigung des Klimawandels ausgehend vom heutigen technologischen Entwicklungsstand in der gleichen Größenordnung bewegt wie der Beitrag der erneuerbaren Energieträger.

    Bei einem Weiterbetrieb von Kernkraftwerken kann sich ihr Beitrag zur Bewältigung des Klimawandels in den nächsten Jahren und ausgehend vom heutigen technologischen Entwicklungsstand in der gleichen Größenordnung bewegen wie der Beitrag der erneuerbaren Energien.

    Langfristig wird es sowieso nur mit regenerativen Energien und Energieeffizienz möglich sein, die Klimaproblematik zu lösen, da auch der Ausgangsstoff der Atomenergie, das Uran, eine endliche Ressource ist.“

    Begründung

    Die Einschränkung („Bei einem Weiterbetrieb…“) trägt der Tatsache Rechnung, dass eines der beiden betrachteten Szenarien auf Kernenergie verzichtet und nur eines den Weiterbetrieb zulässt. Deshalb steht für die Aussage des Satzes nur ein Szenario (mit Kernenergie) als Beleg zur Verfügung, nicht jedoch wie behauptet beide Szenarien. Die im Ausstiegsszenario für diesen Fall genannte Menge drohender zusätzlicher Emissionen kann durch einen Weiterbetrieb der Kernkraftwerke (also einen Verzicht auf den Ausstieg), aber ebenso durch verstärkte Anstrengungen zur Einführung der Erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz oder durch andere denkbare Maßnahmen vermieden werden. Darüber wird jedoch dort keine Aussage getroffen.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 29, Nein-Stimmen: 62, Stimmenthaltungen: 9

    Ziffer 3.3.2

    Ziffer wie folgt ändern:

    „Die Forschung im Bereich der Entsorgung der radioaktiven Abfälle hat muss zum Ziel haben , den Umgang mit diesen Abfällen möglichst absolut perfekt in den Griff zu bekommen. Es gibt bereits noch keine absolut sichere n industrielle n Lösungen für die Endlagerung der schwach aktiven Abfälle und für die Konditionierung (Verglasung) und Zwischenlagerung der langlebigen oder hochaktiven Abfälle. Der EWSA stellt sich allerdings die Frage, wie lange die Forschung in diesem industriellen Sektor als öffentliche Aufgabe verstanden und finanziert werden soll.“

    Begründung

    Bereits in 3.1.1 macht der Beichterstatter deutlich, dass „die Kernenergie … vermutlich der F+E intensivste Energieträger (ist)“. Die Frage muss gestellt werden, wie lange sich die Öffentlichkeit an den Forschungsaufgaben dieses industriellen Sektors zu beteiligen hat, zumal klar ist, dass aufgrund der Endlichkeit der Ressource Uran auch die Atomwirtschaft langfristig ein Auslaufmodell ist.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 29, Nein-Stimmen: 72, Stimmenthaltungen: 7

    Ziffer 4.1.6

    Ziffer streichen.

    Begründung

    Aussage in ihrer Pauschalität so nicht haltbar.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 43, Nein-Stimmen: 58, Stimmenthaltungen: 9

    Ziffer 4.3.1

    Eine neue Ziffer 4.3.1 einfügen:

    4.3.1

    „Die größte Ängste der Bevölkerung vor der Atomstromproduktion bestand über viele Jahre hinweg in den Sicherheitsrisiken beim normalen Betrieb und bei Betriebsstörungen. Die fürchterliche Katastrophe von Tschernobyl hat gezeigt, dass einerseits menschliches Versagen nicht vollkommen ausgeschlossen werden kann und dass nicht alle Eventualitäten sicherheitstechnisch eingeplant werden können. Tschernobyl als Unzulänglichkeit eines bestimmten politischen Systems abzutun wäre zu einfach. Der Unfall im US-AKW Harrisburg, aber auch die noch ungeklärten Häufungen von Leukämiefällen in der Nähe bundesdeutscher Atomkraftwerke zeigen, dass auch ‚westliche‘ Reaktoren durchaus einer kritischen Würdigung bedürfen.“

    Begründung

    Unnötig.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 32, Nein-Stimmen: 63, Stimmenthaltungen: 8

    Ziffer 4.3.2

    Eine neue Ziffer 4.3.2 einfügen:

    4.3.2

    „Ein neues, gravierendes und bislang nicht gekanntes Risiko der atomaren Stromgewinnung ist die Bedrohung durch den Terrorismus; potenziell aber auch durch kriegerische Auseinandersetzungen. Die Atomstromwirtschaft ist die einzige Form der Elektrizitätserzeugung, die für Terroristen von fundamentalem Interesse sein kann. Diese Form der Bedrohung war bei Beginn der Atomwirtschaft vollkommen außerhalb der Vorstellungskraft von Ingenieuren wie auch Politikern, doch die Zeiten haben sich - leider - dramatisch verändert; und dies darf bei der Diskussion nicht außer Acht gelassen werden. In wie weit die Abwehr dieser erheblichen Risiken in unseren demokratischen Rechtsstaaten gelingen kann, ist fraglich. Diese Gefahren sind in politisch instabilen Ländern noch um ein Vielfaches größer.“

    Begründung

    Unnötig.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 32, Nein-Stimmen: 63, Stimmenthaltungen: 8

    Ziffer 5.1

    Ziffer wie folgt ändern:

    „Die Nuklearstromerzeugung zeichnet sich durch sehr hohe Kapitalkosten und vergleichsweise sehr niedrige und stabile Betriebskosten aus. Ursache hierfür sind u.a. hohe Fördermittel/Subventionen, abgeschriebene Techniken, steuerfreie Rücklagen, keine Berücksichtigung der vollen Kosten der Endlagerung, eine nicht ausreichende Versicherung der Risiken sowie die hohe Unterstützung im Forschungsbereich. All dies trägt mit dazu bei, dass i In den OECD-Mitgliedstaaten erzeugen 362 Kernkraftwerke Strom erzeugen, der und sind im Allgemeinen auf ihrem eigenen Markt, ob der nun dereguliert ist oder nicht, unter den gegebenen Rahmenbedingungen wettbewerbsfähig ist; gleichwohl muss gesehen werden, dass beispielweise im Vereinigten Königreich alle Bestrebungen, die Atomstromproduktion zu privatisieren, gescheitert sind. Dies ist der sicherste Hinweis darauf, dass durchaus auch wirtschaftliche Unsicherheiten existieren.“

    Begründung

    Ergibt sich von selbst.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 26, Nein-Stimmen: 69, Stimmenthaltungen: 6

    Ziffer 5.2

    Ziffer wie folgt ändern:

    „Die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Kernkraft hängt eng von den künftigen Entscheidungen hinsichtlich der übrigen Energieträger und insbesondere Erdgas ab, das in Anbetracht der zwingend notwendigen Verringerung der CO2-Emissionen zu einer Referenz geworden ist. Die Kernkraft ist nicht nur wettbewerbsfähig, sondern kann auch den großen Vorteil der Preisstabilität für sich verbuchen, während der Elektrizitätsbinnenmarkt bei Gleichgewichtsstörungen zwischen Angebot und Nachfrage Preissteigerungen verzeichnet (wie der skandinavische Verbundblock Nordel im Winter 2002/2003 veranschaulichte). Je nach Gaspreis gestaltet sich die Wettbewerbsfähigkeit der Kernenergie unterschiedlich. Sie kann auch zur Preisstabilität im Elektrizitätsbinnenmarkt beitragen, indem sie die Wirkung von Gleichgewichtsstörungen zwischen Angebot und Nachfrage, wie sie dem Binnenmarkt immanent sind (siehe die Situation im skandinavischen Verbundblock Nordel im Winter 2002/03), verringert und damit verhindert, dass diese zu übermäßigen Preisschwankungen führen“.

    Begründung

    Satz 1 ist eine Erläuterung des ersten Satzes von 5.2, in dem richtigerweise gesagt wird, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit der Kernenergie derzeit in erster Linie relativ zum Gaspreis entscheidet. Der ursprüngliche Satz („Die Kernenergie ist …wettbewerbsfähig“) steht in seiner apodiktischen Form dagegen in direktem Widerspruch zum ersten Satz und muss deshalb entfallen. Satz 2 erläutert den Wirkungsmechanismus zur Preisstabilität.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 27, Nein-Stimmen: 65, Stimmenthaltungen: 9

    Ziffer 5.3

    Ziffer wie folgt ändern:

    „Die Wettbewerbsfähigkeit der Kernkraft hängt von den Investitionskosten, den Subventionen und den sonstigen energiepolitischen Rahmenbedingungen ab. Ausgehend von einer betriebswirtschaftlichen Rentabilität von 5 % ist die Kernkraft in über einem Viertel der OECD-Staaten, die 1998 Angaben zu ihren geplanten Investitionen in die Stromerzeugung im Jahr 2005 gemacht haben, deutlich wettbewerbsfähig. Bei einer betriebswirtschaftlichen Rentabilität von 10 % ist sie es nicht mehr.“

    Begründung

    Ergibt sich von selbst.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 38, Nein-Stimmen: 63, Stimmenthaltungen: 6

    Ziffer 5.10

    Ziffer wie folgt ändern:

    „Es sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass die zivile Kernindustrie in der EU derzeit 400.000 meist hoch qualifizierte Arbeitnehmer beschäftigt. Bei einem intensiven Ausbau und einer Fortentwicklung der regenerativen Energien und der Effizienztechnologien werden in der EU zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen, deren Zahl sich mindestens in der gleichen Größenordnung bewegen wird.“

    Begründung

    Angesichts der prekären Situation auf dem Arbeitsmarkt sollte das besondere Augenmerk auf Märkte gerichtet werden, wo neue Arbeitsplätze entstehen können. Die quantitative Abschätzung erscheint konservativ angesichts der Tatsache, dass Abschätzungen allein für Deutschland im Segment „Gebäudeisolierung“ von rund 200 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen ausgehen (Industriegewerkschaft BAU), und Eurosolar die Zahl der möglichen zusätzlichen Arbeitsplätze in der EU im Bereich der Erneuerbaren Energien auf rund 500 000 schätzt.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 28, Nein-Stimmen: 61, Stimmenthaltungen: 18

    Ziffer 5.11

    Ziffer wie folgt ändern:

    „Auch wenn sie nicht im eigentlichen Sinn wirtschaftlich relevant ist, sollte die Frage gestellt werden, inwieweit sich der Kostensenkungsdruck, der im Allgemeinen auf einem liberalisierten, wettbewerbsoffenen Markt herrscht, auf die Anlagensicherheit und den Schutz der Arbeitnehmer und der Bevölkerung auswirkt. Es sind bereits bei großen Betreibern im Personalbereich erhebliche Kürzungen vorgenommen worden. Nach Ansicht des Ausschusses sollte die Kommission im Rahmen der von ihr vorgeschlagenen Sicherheitsbestimmungen diesen Aspekt gezielt im Auge behalten.“

    Begründung

    Selbsterklärend.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 28, Nein-Stimmen: 63, Stimmenthaltungen: 18

    Ziffer 6.3

    Ziffer wie folgt ändern:

    „Durch die Kernenergie werden 300 Mio.bis 500 Mio. t Treibhausgasemissionen vermieden. Sie trägt somit zur Verwirklichung der Kyoto-Ziele bei.“

    Begründung

    Anpassung an den geänderten Absatz 1.2.9.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 27, Nein-Stimmen: 67, Stimmenthaltungen: 12

    Ziffer 6.4

    Ziffer wie folgt ändern:

    „Ihre Produktionskosten sind stabil und dadurch ist sie der Preisstabilität in der Union und der Sicherung der wirtschaftlichen Perspektiven förderlich. Langfristige ökonomische und sicherheitstechnische Betrachtungen führen aber zu einer anderen Kostenbewertung.“

    Begründung

    Ergibt sich von selbst.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 31, Nein-Stimmen: 65, Stimmenthaltungen: 6

    Ziffer 6.5

    Ziffer wie folgt ändern:

    „Die erneuerbaren Energieträger, deren Entwicklung wünschenswert ist und die von der EU gefördert wird werden (Richtlinie 2001/77/EG) können nicht derzeit noch nicht die bestehenden Kernkraftwerke nach Ablauf ihrer Betriebsdauer ersetzen und gleichzeitig die eine partiell noch steigende Stromnachfrage decken. Noch sprechen auch strukturelle Probleme dagegen: so hat heute bBeispielsweise hat die Windenergie nur eine vergleichsweise geringe Verfügbarkeit von durchschnittlich etwa 2000 – 2500 Stunden jährlich aufzuweisen. All dies kann sich allerdings entscheidend ändern, u.a. durch Energieeffizienzmaßnahmen, die Fortentwicklung dauerhaft verfügbarer Energieträger wie Biomasse etc.“

    Begründung

    Die erneuerbaren Energien befinden sich noch in der Markteinführungsphase. Insbesondere die grundlastfähigen Erneuerbaren Energien Biomasse oder Geothermie, die in der Lage wären, Kernenergie auch in deren bevorzugten Einsatzgebiet zu ersetzen, sind noch im Anfangsstadium. Dies gilt auch für Speichersysteme, die die intermittierenden Energien wie Windkraft und Solarenergie grundlastfähig machen können. Deshalb ist der beschriebene Zustand als Momentaufnahme zu werten, die den jetzigen Zustand widerspiegelt.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 27, Nein-Stimmen: 54, Stimmenthaltungen: 16

    Ziffer 6.6

    Eine neue Ziffer 6.6 einfügen:

    6.6

    „Wichtig ist dem EWSA der Hinweis, dass sehr bald entscheidende Weichenstellungen in der EU getroffen werden müssen. Die Laufzeit der existierenden AKW`s neigt sich nämlich allmählich dem Ende zu. Europa steht somit vor der Frage, ob man eine weitere Generation in der Nutzung der Atomenergie angehen will; und in wie weit dies gesellschaftlich überhaupt durchsetzbar ist. Letztere wichtige Frage hat die Politik zu klären. Oder ob man jedoch bereits jetzt alle erdenklich möglichen Anstrengungen unternehmen will, das Zeitalter einer Energiepolitik ohne Nutzung fossiler und atomarer Träger einzuleiten. Ob man dahin kommen muss ist nicht eine Frage eines ‚Ja's‘ oder ‚Nein's‘, sondern lediglich eines Frage des ‚Wann‘.“

    Begründung

    Wir leben von fossilen Energieträgern, zumeist von gespeicherter Sonnenenergie (in Form von Kohle, Öl und Gas) bzw. vom ebenfalls endlichen Uran. Es ist lediglich eine Frage der Zeit, wann wir in ein neues Zeitalter der Energienutzung einsteigen. Der EWSA kann sich an dieser Frage nicht vorbei mogeln.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 32, Nein-Stimmen: 58, Stimmenthaltungen: 15

    Ziffer 6.6

    Ziffer 6.6 wie folgt ändern:

    „Die Energienachfragesteuerung soll die Energieintensität der menschlichen Tätigkeiten (Wirtschaft und Privathaushalte) verringern. Im Strombereich sind hier noch große ungenutzte Potenziale, die es auszuschöpfen gilt. Deren Ausschöpfung allein reicht jedoch nicht aus, um einen möglichen Ausstieg aus der Kernenergie zu kompensieren. Größere Potenziale zur Verringerung der Energieintensität liegen zudem in den Bereichen Wärmeversorgung und Verkehr. Insbesondere der Verkehrssektor bedarf einer besonderen Beachtung, um auch hier eine wirksame Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen zu erreichen und zugleich nachhaltig Mobilität zu sichern.“

    Begründung

    Diese Schlussfolgerungen ergeben sich logisch aus den im Teil 2 der Stellungnahme beschriebenen Szenarien.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 34, Nein-Stimmen: 59, Stimmenthaltungen: 13

    Ziffer 6.9

    Ziffer streichen und wie folgt ersetzen:

    Ungeachtet der weiterhin kontroversen gesellschaftlichen Diskussion über Kernenergie in den EU-Mitgliedsstaaten stellt der EWSA abschließend fest, dass auf der Grundlage des Subsidiaritätsprinzips die konsensuale Festlegung eines zukunftsfähigen Energiemix eine vorrangige Aufgabe der jeweiligen nationalen Entscheidungsträger bleibt. Dabei sind nationale Besonderheiten zu berücksichtigen, insbesondere inwieweit und in welchem Umfang heimische Energieträger zur Verfügung stehen. Diese sollten vorrangig eingesetzt werden, um die hohe Importabhängigkeit der EU im Energiebereich zu verringern, wie bereits das ‚Grünbuch‘ der EU-Kommission zur Versorgungssicherheit als vorrangig erkannt hat. Unstrittig ist, dass dabei den Erneuerbaren Energien und der Erhöhung der Energieeffizienz hervorragende Bedeutung zukommt, weil sie zugleich die Importabhängigkeit mindern und das Klima nicht mit Treibhausgasen belasten. Die Entwicklung der Erneuerbaren Energien und der Effizienztechniken ist ein entscheidender Baustein auf dem Weg Europas zu einer wissensbasierten, hochentwickelten, wettbewerbsfähigen und exportorientierten Region und damit zur Erfüllung der Lissabon-Vereinbarungen bezogen auf den Energiebereich. Dadurch können außerdem zusätzliche Arbeitsplätze generiert werden.“

    Begründung

    Der Text ist inhaltlich selbsterklärend, dabei in der Kontinuität der Aussagen der EU zur Energiepolitik. Dieser Absatz leistet zudem die notwendige Einordnung der Kernenergie in die allgemeine Debatte um ein nachhaltiges Energiemix.

    Abstimmungsergebnis

    Ja-Stimmen: 33, Nein-Stimmen: 61, Stimmenthaltungen: 13


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