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Document 92002E003488

SCHRIFTLICHE ANFRAGE E-3488/02 von Charles Tannock (PPE-DE) undChristopher Heaton-Harris (PPE-DE) an die Kommission. Betrug in der Europäischen Union und das Vorgehen gegen Marta Andreasen.

ABl. C 280E vom 21.11.2003, pp. 18–21 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

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92002E3488

SCHRIFTLICHE ANFRAGE E-3488/02 von Charles Tannock (PPE-DE) undChristopher Heaton-Harris (PPE-DE) an die Kommission. Betrug in der Europäischen Union und das Vorgehen gegen Marta Andreasen.

Amtsblatt Nr. 280 E vom 21/11/2003 S. 0018 - 0021


SCHRIFTLICHE ANFRAGE E-3488/02

von Charles Tannock (PPE-DE) undChristopher Heaton-Harris (PPE-DE) an die Kommission

(9. Dezember 2002)

Betrifft: Betrug in der Europäischen Union und das Vorgehen gegen Marta Andreasen

Nachdem die vor kurzem vom Dienst suspendierte Rechnungsführerin Marta Andreasen behauptet hatte, dass das Rechnungslegungssystem der EU mit großen Mängeln behaftet ist, weigerte sich nun der Europäische Rechnungshof bereits im achten Jahr in Folge, den Prüfvermerk für den EU-Haushaltsplan zu erteilen. Der Hof räumte ein, dass er lediglich eine Gewähr dafür geben kann, dass fünf Prozent der Gelder der Steuerzahler korrekt verwendet werden. Er erklärte des Weiteren, dass die Gelder, wenn sie erst einmal an die Mitgliedstaaten weitergeleitet oder als Hilfen gezahlt worden sind, nicht kontrolliert werden könnten. Darüber hinaus kritisierte er das Finanzmanagement der Kommission scharf, das auch weiterhin auf einem veralteten und in Verruf geratenen Rechnungslegungssystem basiert, das als Kassenbuchführung geführt wird.

Es kursieren unterschiedliche Angaben darüber, wann die Kommission beabsichtigt, dass auf der Kassenbuchführung basierende System zu ersetzen. Kann die Kommission angesichts der Kritik der vergangenen Jahre erklären, warum es so lange gedauert hat anzuerkennen, dass Veränderungen notwendig sind, und warum ein moderneres Rechnungslegungssystem nicht innerhalb einiger Monate statt Jahre eingeführt werden kann?

Erkennt die Kommission an, dass ihre Überwachungsmechanismen, was an die Mitgliedstaaten weitergeleitete Gelder und auch Hilfen für Regionen außerhalb der EU betrifft, geradezu jämmerlich unzureichend sind und dringend überprüft werden müssen? Falls ja, hat die Kommission konkrete Vorschläge, wie die Überwachungsmechanismen verbessert werden könnten?

Kann die Kommission schließlich erläutern, warum sie es für notwendig erachtet hat, Marta Andreasen vom Dienst zu suspendieren, wenn der Rechnungshof der Lageeinschätzung von Frau Andreasen, was die Finanzen der EU betrifft, in weiten Teilen zustimmt? Welche Auswirkungen hat die Suspendierung von Frau Andreasen nach Meinung der Kommission auf den Ruf der Kommission und ihr Bemühen um Offenheit und Transparenz? Erkennt die Kommission an, dass die Kritik von Frau Andreasen berechtigt ist, und beabsichtigt sie, Frau Andreasen wieder einzusetzen?

Antwort von Frau Schreyer im Namen der Kommission

(10. März 2003)

1. Die Kommission kann den Ausführungen der Herren Abgeordneten nicht zustimmen.

Wie den Herren Abgeordneten bekannt sein dürfte, sind die Rechnungsführungsvorschriften für den Gemeinschaftshaushalt in der Haushaltsordnung festgelegt. Die alte, bis Ende letzten Jahres geltende Fassung der Haushaltsordnung enthielt keine Verpflichtung zur Anwendung eines periodengerechten Rechnungsführungskonzepts, sondern vertrat die für das öffentliche Rechnungswesen traditionell übliche kassenbasierte Methode.

Die Kommission hat vorgeschlagen, mit der neugefassten Haushaltsordnung, die im Juni 2002 von der Legislativbehörde verabschiedet wurde, gleichzeitig auf die Methode der Periodenrechnung umzustellen. Sie teilt jedoch keineswegs die Auffassung der Herren Abgeordneten, die Kassenbuchführung sei veraltet und in Verruf geraten; diese Methode wird nach wie vor im öffentlichen Rechnungswesen zahlreicher Länder angewandt. Die Kommission beabsichtigt, die traditionelle Berichterstattung an die Haushaltsbehörden der Mitgliedstaaten beizubehalten, da sie regelmäßig von Parlamentsabgeordneten um Auskunft über den Stand der Zahlungen zu Lasten der verschiedenen Haushaltslinien gebeten wird und die hierfür erforderlichen Informationsdaten sich nur im Wege eines kassenbasierten Rechnungsführungssystems ermitteln lassen. Auch die weitere Behauptung der Herren Abgeordneten, dass die Gelder, wenn sie erst einmal an die Mitgliedstaaten weitergeleitet oder als Hilfen ausgezahlt worden [seien], nicht mehr kontrolliert werden könnten, trifft nicht zu. Eine Reihe von horizontalen und sektoralen Verordnungen regelt die diesbezüglichen Kontrollverpflichtungen der Mitgliedstaaten. Außerdem verfügt die Kommission über verschiedene Mechanismen zur Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge; sie berichtet dem Parlament im übrigen regelmäßig über die dabei erzielten Fortschritte(1).

2. Wie in anderen Behörden, die eine Modernisierung ihrer Rechnungsführungssysteme durchgeführt haben, erfordert auch der Reformprozess in der Kommission einen beträchtlichen Aufwand an Zeit, Mühe, Sachverstand und finanzielle Ressourcen. Der auf mehrere Jahre angelegte Modernisierungsplan wurde im Jahre 2000 in Angriff genommen; seither läuft die schrittweise Umstellung von der kassenbasierten auf die periodengerechte Rechnungsführung.

Der vorgenannte Mehrjahresplan umfasst folgende Elemente:

- Mitte des Jahres 2000 wurde von hochrangigen Sachverständigen des öffentlichen Rechnungswesens eine Studie zur inhaltlichen und formalen Gestaltung der Rechnungen der Gemeinschaften vorgelegt.

- Im Juni 2001 wurde ein Aktionsplan für die Modernisierung unterbreitet und mit dem Rechnungshof abgesprochen. Der Hof befürwortete die darin enthaltenen Orientierungen.

- Ab der Erstellung der Rechnungsabschlüsse für das Haushaltsjahr 2000 wurden schrittweise einzelne Elemente der Periodenrechnung bei der Ermittlung der Haushaltsergebnisse herangezogen. Dies ist nach Auffassung des Rechnungshofes ein großer Schritt nach vorn und entspricht den auf internationaler Ebene im öffentlichen Rechnungswesen zu beobachtenden Entwicklungstrends(2). Des weiteren wurde ein für alle Gemeinschaftsorgane verbindliches Handbuch für die Rechnungsführung und die Konsolidierung der Jahresabschlüsse erstellt.

- Im Juni 2002 wurde die neue Haushaltsordnung förmlich angenommen(3), die eine schrittweise Umstellung auf die Methode der periodengerechten Rechnungsführung vorschreibt (Artikel 133), welche bis zum Haushaltsjahr 2005 volle Wirkung entfalten soll (Artikel 181).

- Am 24. Juli 2002 legte das für den Haushalt zuständige Kommissionsmitglied dem Kollegium einen Vermerk(4) vor, in dem die großangelegten Arbeiten zur Modernisierung des Rechnungsführungsrahmens und der DV-Systeme im einzelnen beschrieben werden.

- Am 17. Dezember 2002 nahm die Kommission eine neue Mitteilung(5) an, in der die Einzelheiten des Aktionsplans für die Umstellung auf ein vollwertiges Periodenrechnungssystem bis 2005 dargelegt werden.Dieses Dokument verfolgt einen zweifachen Zweck:

- Genehmigung eines detaillierten Vorschlags, auf dessen Grundlage die Kommission konkrete Beschlüsse zur Gestaltung ihres neuen Rechnungsführungsrahmens, insbesondere die praktische Umsetzung der allgemein anerkannten Grundsätze der Periodenrechnung, fassen kann;

- Vorstellung der geplanten Maßnahmen hinsichtlich Projektorganisation, Ressourcen und zeitliche Abfolge der Arbeiten zur Entwicklung eines integrierten DV-Systems; Erläuterung der verschiedenen Systemoptionen und Ermittlung der vorteilhaftesten Lösung für die unmittelbare Zukunft.

Die Entwicklung sowohl des Rechnungsführungsrahmens als auch des DV-Systems soll noch im Jahresverlauf 2003 in Angriff genommen werden; die relevanten Tests und Probeläufe sind für Anfang 2004 geplant. In diesem Zusammenhang soll vor allem geprüft werden, welche buchmäßige Behandlung für die verschiedenen Typen von Transaktionen in den einzelnen Dienststellen und Tätigkeitsbereichen ins Auge zu fassen ist.

Die Kommission steht bei weitem nicht allein bei der Umstellung vom Kassen- auf das Periodenrechnungskonzept. Zahlreiche Industrieländer sind derzeit ebenfalls in solchen Reformprozessen begriffen, wobei sie aktiv von internationalen Organisationen und Gremien wie OECD(6) oder IFAC(7) unterstützt werden, oder haben ihre Rechnungsführungssysteme bereits in den letzten Jahren entsprechend modernisiert.

Einschlägige Erfahrungen in den Mitgliedstaaten haben gezeigt, dass eine Reform des öffentlichen Rechnungswesens ein aufwendiges Unterfangen ist, sowohl verfahrenstechnisch betrachtet als auch aus der Sicht der erforderlichen Human- und Finanzressourcen. Die IFAC-Studie Nr. 14, Kapitel I, weist darauf hin, dass die Übergangsperiode bei Rechnungsführungsreformen kurz (bis zu 3 Jahren), durchschnittlich lang (4 bis 6 Jahre) oder lang (über 6 Jahre) ausfallen kann. Bis dato ist kein Fall bekannt, in dem die Einführung des periodenbasierten Systems innerhalb einiger Monate statt Jahre stattgefunden hätte.

3. Abgesehen von einzelnen Beanstandungen des Rechnungshofs in seinem Jahresbericht sowie von bestimmten Vorbehalten der Kommission selbst in ihrer Zusammenfassung der jährlichen Tätigkeitsberichte und Erklärungen der GDs hält die Kommission die Verfahren für die Kontrolle der Verwendung der Gemeinschaftsmittel durch die und in den Mitgliedstaaten insgesamt für zufriedenstellend. Werden Probleme oder Mängel festgestellt (von ihren eigenen Kontrollbeauftragten oder denen des Rechnungshofs), so ergreift die Kommission möglichst umgehend die erforderlichen Abhilfemaßnahmen.

Im Laufe der letzten Jahre wurden gezielt Anstrengungen zur Verbesserung der Management- und Kontrollsysteme unternommen, insbesondere im Bereich der gemeinsamen Verwaltung der Gemeinschaftsmittel, zum einen durch die Einführung und stetige Weiterentwicklung des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems (IACS) für die Landwirtschaft, zum anderen im Wege der Strukturfondsreform, die schwerpunktmäßig auf eine Straffung der Kontrollstandards und -normen abstellt. Für die externen Politikbereiche hat die Kommission außerdem in einer Mitteilung vom 16. Mai 2000 ein umfassendes Maßnahmenpaket für die Reform der Verwaltung des Außenhilfen(8) vorgeschlagen.

Gleichwohl gibt sie zu bedenken, dass die Qualität der Verwaltung und Kontrolle der Gemeinschaftsmittel weiterhin in nicht unerheblichem Maße vom Einsatz der Mitgliedstaaten abhängig ist, die diesbezüglich beträchtliche Verantwortung tragen. Die Kommission hat sich daher bemüht, vor allem im Agrar- und Strukturbereich eine Reihe von Anreizmaßnahmen einzuführen, um die Mitgliedstaaten zu einer verstärkten Koordinierung ihrer Tätigkeiten und zur Vereinfachung des Vorschriftrahmens zu veranlassen. Gleichzeitig hat sie ein System verbindlicher Finanzkorrekturen entwickelt, das ebenfalls zur einer strikteren und effizienteren Mittelbewirtschaftung beitragen soll.

Dem zusammenfassenden Bericht der Kommission (Synthese der jährlichen Tätigkeitsberichte mit Erklärungen der Generaldirektoren und Dienstleiter(9)) ist ein Aktionsplan mit einer Reihe von spezifischen Abhilfemaßnahmen beigefügt.

Mehrere dieser Maßnahmen beziehen sich auf die Verwaltung der Außenhilfen, die gemeinsame Verwaltung der Strukturfondsmittel sowie die Abgrenzung der jeweiligen Zuständigkeiten der Schlüsselakteure in den Bereichen Audit und Kontrolle.

Ausgehend von den Empfehlungen des Rechnungshofes in seinem letzten Jahresbericht hat die Kommission einen weiteren Aktionsplan in Verbindung mit der Entlastung für 2001 erstellt, der dem Parlament am 23. Dezember 2002 übersandt wurde.

4. Die Herren Abgeordneten werden sicher verstehen, dass die Kommission diese Fragen nur ganz allgemein beantworten kann, da sie sich auf ein noch laufendes Disziplinarverfahren beziehen. Es geht dabei schwerpunktmäßig um mutmaßliche Verstöße gegen die Bestimmungen des Statuts für die Beamten und Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften.

Die Kommission ist sich darüber im Klaren, dass diese disziplinarrechtlichen Maßnahmen gegen ihre frühere Rechnungsführerin seitens der Presse und auch anderweitig teilweise fehl interpretiert worden sind. Setzt man die früheren Ausführungen des Rechnungshofes und auch der Kommission, die zwischenzeitlich eingeleiteten Verbesserungsmaßnahmen und die Daten der hier angesprochenen Ereignisse zueinander in Bezug, so wird deutlich, dass das angenommene Ursache/Wirkungsverhältnis zwischen den Behauptungen der früheren Rechnungsführerin der Kommission und den Schlussfolgerungen des Hofes inkorrekt und irreführend ist.

Zwischenzeitlich wäre anzumerken, dass das aktive Engagement der Kommission, größtmögliche Offenheit und Transparenz zu praktizieren, die Gemeinschaftsbeamten nicht von ihrer Verpflichtung entbindet, sich strikt an die geltenden Regeln und Verfahren zu halten.

(1) Siehe beispielsweise die jüngste Mitteilung KOM(2002) 671 vom 3.12.2002.

(2) Rechnungshof Jahresbericht 2000, ABl. C 359 vom 15.12.2001.

(3) Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2342/2002 der Kommission vom 23. Dezember 2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 357 vom 31.12.2002).

(4) SEK(2002) 853 endg.

(5) KOM(2002) 755 endg.

(6) OECD: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

(7) IFAC: Internationaler Verband der Rechnungsführer.

(8) http://europa.eu.int/comm/external_relations/reform/document/communication_en.pdf.

(9) KOM(2002) 426 endg.

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