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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62018TJ0516

Urteil des Gerichts (Zweite erweiterte Kammer) vom 12. Mai 2021.
Großherzogtum Luxemburg u. a. gegen Europäische Kommission.
Staatliche Beihilfen – Beihilfe Luxemburgs zugunsten von Engie – Beschluss, mit dem die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar und rechtswidrig erklärt und ihre Rückforderung angeordnet wird – Steuervorbescheide (tax rulings) – Staatliche Mittel – Vorteil – Kombinierte Wirkung zweier steuerlicher Maßnahmen – Steuerbefreiung von Beteiligungen – Besteuerung von Gewinnausschüttungen – Rechtsmissbrauch – Selektiver Charakter – Referenzrahmen – Feststellung einer Ausnahme – Vergleichbarkeit der Situationen – Mutter-Tochter-Regelung – Unternehmensgruppe – Rückforderung – Mittelbare Harmonisierung – Verfahrensrechte – Begründungspflicht.
Rechtssachen T-516/18 und T-525/18.

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:T:2021:251

 URTEIL DES GERICHTS (Zweite erweiterte Kammer)

12. Mai 2021 ( *1 )

„Staatliche Beihilfen – Beihilfe Luxemburgs zugunsten von Engie – Beschluss, mit dem die Beihilfe für mit dem Binnenmarkt unvereinbar und rechtswidrig erklärt und ihre Rückforderung angeordnet wird – Steuervorbescheide (tax rulings) – Staatliche Mittel – Vorteil – Kombinierte Wirkung zweier steuerlicher Maßnahmen – Steuerbefreiung von Beteiligungen – Besteuerung von Gewinnausschüttungen – Rechtsmissbrauch – Selektiver Charakter – Referenzrahmen – Feststellung einer Ausnahme – Vergleichbarkeit der Situationen – Mutter-Tochter-Regelung – Unternehmensgruppe – Rückforderung – Mittelbare Harmonisierung – Verfahrensrechte – Begründungspflicht“

In den Rechtssachen T‑516/18 und T‑525/18,

Großherzogtum Luxemburg, vertreten durch T. Uri als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt D. Waelbroeck,

Kläger in der Rechtssache T‑516/18,

unterstützt durch

Irland, vertreten durch J. Quaney, M. Browne und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gallagher, S. Kingston, SC, und B. Doherty, Barrister,

Streithelfer,

Engie Global LNG Holding Sàrl mit Sitz in Luxemburg (Luxemburg),

Engie Invest International SA mit Sitz in Luxemburg,

Engie mit Sitz in Courbevoie (Frankreich),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte B. Le Bret, M. Struys und C. Rydzynski,

Klägerinnen in der Rechtssache T‑525/18,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch B. Stromsky und S. Noë als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2019/421 der Kommission vom 20. Juni 2018 über die von Luxemburg durchgeführte staatliche Beihilfe SA.44888 (2016/C) (ex 2016/NN) zugunsten von Engie (ABl. 2019, L 78, S. 1)

erlässt

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. van der Woude, der Richterin V. Tomljenović (Berichterstatterin), des Richters F. Schalin, der Richterin P. Škvařilová-Pelzl und des Richters I. Nõmm,

Kanzler: M. Marescaux, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. September 2020

folgendes

Urteil

I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

1

Am 23. März 2015 übermittelte die Europäische Kommission dem Großherzogtum Luxemburg ein Auskunftsersuchen zur Handhabung von Steuervorbescheiden in Bezug auf die Gesellschaften der Engie-Gruppe, einschließlich Engie (im Folgenden: Engie SA), Engie Global LNG Holding Sàrl und Engie Invest International SA (im Folgenden zusammen: Engie).

2

Mit diesem Ersuchen verlangte die Kommission zum einen die Übermittlung aller Steuervorbescheide, die den Gesellschaften der Engie-Gruppe von 2004 bis zum 23. März 2015 übermittelt worden und zum Zeitpunkt des Ersuchens oder in den vorangegangenen zehn Jahren in Kraft waren bzw. gewesen waren.

3

Zum anderen verlangte die Kommission die Übermittlung der Jahresabschlüsse der Engie-Gruppe und der Gesellschaften dieser Gruppe für die Jahre 2011, 2012 und 2013 sowie die Übermittlung von Kopien ihrer Steuererklärungen.

A. Engie-Gruppe

4

Im Licht der Erwägungsgründe 16 bis 22 des Beschlusses (EU) 2019/421 der Kommission vom 20. Juni 2018 über die von Luxemburg durchgeführte staatliche Beihilfe SA.44888 (2016/C) (ex 2016/NN) zugunsten von Engie (ABl. 2019, L 78, S. 1, im Folgenden: angefochtener Beschluss) besteht die Engie-Gruppe aus der Engie SA, einem in Frankreich ansässigen Unternehmen, sowie allen Unternehmen, die direkt oder indirekt von ihr kontrolliert werden; die Unternehmen werden im angefochtenen Beschluss zusammenfassend als „Engie“ bezeichnet.

5

Die Engie SA kontrolliert in Luxemburg verschiedene Gesellschaften. Dies ist der Fall für die im Jahr 1933 gegründete Compagnie Européenne de Financement C.E.F. SA (im Folgenden: CEF), die im Jahr 2015 in Engie Invest International SA umbenannt wurde.

6

Zweck dieses Unternehmens ist der Erwerb von Beteiligungen an luxemburgischen und ausländischen Unternehmen sowie die Verwaltung, Verwertung und Kontrolle dieser Beteiligungen.

7

CEF hält erstens die GDF Suez Treasury Management Sàrl (im Folgenden: GSTM) und zweitens die Electrabel Invest Luxembourg SA (im Folgenden: EIL).

8

Ab 2010 hat CEF ihre Finanzierungs- und Treasury-Management-Aktivitäten auf GSTM übertragen.

9

Drittens hält CEF die GDF Suez LNG Holding Sàrl (im Folgenden: LNG Holding), die im Jahr 2009 in Luxemburg gegründet und im Jahr 2015 in Engie Global LNG Holding Sàrl umbenannt worden ist.

10

Zweck dieses Unternehmens ist der Erwerb von Beteiligungen an luxemburgischen und ausländischen Unternehmen sowie die Verwaltung dieser Beteiligungen.

11

Ende 2009 ersetzte die LNG Holding eine weitere Gesellschaft der Engie-Gruppe, Suez LNG Trading (im Folgenden: LNG Trading), an der Spitze der GDF Suez LNG Supply SA (im Folgenden: LNG Supply) und der GDF Suez LNG Luxembourg Sàrl (im Folgenden: LNG Luxembourg).

12

LNG Luxembourg und LNG Supply wurden 2009 in Luxemburg gegründet, um unter anderem die Finanzierung und die anschließende Übertragung der Aktivitäten der LNG Trading im Bereich Flüssigerdgas und Gasderivate über LNG Luxembourg auf LNG Supply zum 30. Oktober 2009 sicherzustellen.

13

Die konzerninterne Übertragung der Aktivitäten von CEF und LNG Trading auf ihre jeweiligen Tochtergesellschaften wurde innerhalb der Engie-Gruppe durch die Aufnahme einer Art zwingend konvertiblen zinslosen Darlehens mit der Bezeichnung „ZORA“ durch LNG Supply und GSTM (im Folgenden zusammen: Tochtergesellschaften) bei LNG Luxembourg bzw. EIL (im Folgenden zusammen: Zwischengesellschaften) finanziert.

14

Sowohl die Übertragung der Finanzierungs- und Treasury-Management-Aktivitäten der CEF auf GSTM als auch die Übertragung der Aktivität der LNG Trading im Zusammenhang mit dem An- und Verkauf von sowie dem Handel mit Flüssigerdgas und Gasderivaten auf LNG Supply führten zur Erteilung von zwei Reihen von Steuervorbescheiden durch die luxemburgischen Steuerbehörden.

B. Steuervorbescheide

15

In Beantwortung des Auskunftsersuchens vom 23. März 2015 übermittelte das Großherzogtum Luxemburg der Kommission zwei Reihen von Steuervorbescheiden (im Folgenden zusammen: fragliche Steuervorbescheide):

eine Reihe von Steuervorbescheiden betreffend die Übertragung der Aktivität im Zusammenhang mit dem An- und Verkauf von sowie dem Handel mit Flüssigerdgas und Gasderivaten von LNG Holding auf LNG Supply sowie deren Finanzierung durch ein von LNG Luxembourg gewährtes Darlehen, wobei die beteiligten Unternehmen alle in Luxemburg ansässig sind;

eine Reihe von Steuervorbescheiden betreffend die Übertragung der Finanzierungs- und Treasury-Management-Aktivitäten von CEF auf GSTM sowie deren Finanzierung durch ein von EIL gewährtes Darlehen, wobei die beteiligten Gesellschaften alle in Luxemburg ansässig sind.

1.   Steuervorbescheide betreffend die Übertragung von Aktivitäten auf LNG Supply

16

Die Steuervorbescheide betreffend die Übertragung der Aktivitäten im Zusammenhang mit Flüssigerdgas und Gasderivaten auf LNG Supply sind in den Erwägungsgründen 23 bis 58 des angefochtenen Beschlusses dargestellt und den Akten der Rechtssache T‑516/18 als Anlage beigefügt.

17

Der erste Steuervorbescheid wurde am 9. September 2008 erteilt. Er bezieht sich auf die Gründung von LNG Supply und sodann von LNG Luxembourg sowie auf die geplante Übertragung der Aktivitäten von LNG Trading auf LNG Luxembourg und deren anschließende Übertragung auf LNG Supply.

18

Schematisch gesehen erwarb LNG Supply die Aktivitäten von LNG Trading, indem sie mit LNG Luxembourg ein ZORA abschloss. Bei der Umwandlung des ZORA gab LNG Supply Anteile aus, die dessen Nennwert zuzüglich oder abzüglich der Akkretionen für dieses Darlehen (im Folgenden: ZORA-Akkretionen) beinhalteten.

19

In steuerlicher Hinsicht ergibt sich aus dem Steuervorbescheid vom 9. September 2008, dass LNG Supply nur auf eine mit der luxemburgischen Steuerverwaltung vereinbarte Marge besteuert wird. Diese Marge entspricht einem Bruchteil [vertraulich] ( 1 ) von LNG Supply, wobei ein Minimum von [vertraulich] festgelegt wurde. Die Differenz zwischen dem jährlich erwirtschafteten Gewinn und der mit der luxemburgischen Steuerverwaltung vereinbarten Marge entspricht den ZORA-Akkretionen, die eine abzugsfähige Aufwendung darstellen.

20

Zur Veranschaulichung stellte die Kommission im 48. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses fest, dass die Steuerbemessungsgrundlage von LNG Supply für das Jahr 2011 für einen Umsatz von [vertraulich] auf [vertraulich], nämlich [vertraulich] festgesetzt worden sei. Dementsprechend habe LNG Supply für das Jahr 2011 Körperschaftsteuer in Höhe von [vertraulich] Euro entrichtet.

21

LNG Luxembourg finanziert ihrerseits das in Rede stehende Darlehen durch den Abschluss eines vorausbezahlten Terminkaufvertrags mit LNG Trading, in dem sich LNG Luxembourg verpflichtet, alle von LNG Supply zum Zeitpunkt der Umwandlung ausgegebenen Anteile gegen einen dem Nennwert des betreffenden ZORA entsprechenden Preis zu übertragen.

22

In steuerlicher Hinsicht gibt die luxemburgische Verwaltung LNG Luxembourg die Möglichkeit, während der Laufzeit des betreffenden ZORA weder steuerpflichtige Erträge noch steuerlich abzugsfähige Aufwendungen im Zusammenhang mit diesem ZORA zu buchen. Ferner sieht sie vor, dass die Umwandlung des betreffenden ZORA, sofern LNG Luxembourg für die Anwendung des im 89. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses dargelegten Art. 22bis des geänderten Gesetzes vom 4. Dezember 1967 über die Einkommensteuer (im Folgenden: LIR) optiert, zu keinem steuerpflichtigen Kapitalgewinn führt. Mit anderen Worten werden die ZORA-Akkretionen bei einer Option für die Anwendung von Art. 22bis LIR zum Zeitpunkt der Umwandlung nicht besteuert.

23

Aus dem Steuervorbescheid vom 9. September 2008 geht weiterhin hervor, dass LNG Trading die Zahlung aus dem vorausbezahlten Terminkaufvertrag als Finanzanlagevermögen verbuchen wird und dass diese Vermögenswerte zum Einstandspreis bewertet werden, so dass LNG Trading vor der Umwandlung des betreffenden ZORA keine Erträge oder abzugsfähigen Aufwendungen im Zusammenhang mit diesem ZORA verbuchen wird. Im Übrigen bestätigt die Steuerverwaltung, dass der in den Erwägungsgründen 83 bis 86 des angefochtenen Beschlusses dargestellte Art. 166 LIR, nach dem bestimmte Erträge aus Beteiligungen von der Steuer befreit werden können, auf die aufgrund des Termingeschäfts erworbene Beteiligung anwendbar sei.

24

Der zweite Steuervorbescheid wurde am 30. September 2008 erteilt und betrifft die Verlegung der effektiven Verwaltung von LNG Trading in die Niederlande.

25

Der dritte Steuervorbescheid wurde am 3. März 2009 erteilt und bestätigt die im Steuervorbescheid vom 9. September 2008 vorgesehenen Änderungen der Finanzierungsstruktur, insbesondere die Ersetzung von LNG Trading durch LNG Holding und die Umsetzung des von LNG Supply mit LNG Luxembourg und LNG Holding abgeschlossenen ZORA.

26

Der vierte Steuervorbescheid wurde am 9. März 2012 erteilt und präzisiert bestimmte Rechnungslegungsvorschriften zur Bestimmung der Marge, auf die LNG Supply besteuert wird.

27

Der letzte Steuervorbescheid wurde am 13. März 2014 erteilt und bestätigt einen am 20. September 2013 gestellten Antrag. Er betrifft die steuerliche Behandlung der teilweisen Umwandlung des von LNG Supply abgeschlossenen ZORA. Daraus ergibt sich, dass LNG Supply am Tag der Umwandlung dieses Darlehens ihr Grundkapital um einen Betrag in Höhe dieses Umwandlungsbetrags herabsetzen wird.

28

In steuerlicher Hinsicht bestätigt die luxemburgische Steuerverwaltung, dass die in Rede stehende teilweise Umwandlung keine Konsequenzen für LNG Luxembourg haben werde. LNG Holding wird ihrerseits einen Gewinn in Höhe der Differenz zwischen dem Nennwert der umgewandelten Anteile und dem Umwandlungsbetrag verbuchen. Außerdem ist vorgesehen, dass dieser Gewinn unter die Steuerbefreiung von Beteiligungen gemäß Art. 166 LIR fällt.

2.   Steuervorbescheide betreffend die Übertragung von Aktivitäten auf GSTM

29

Die Steuervorbescheide betreffend die Übertragung der Finanzierungs- und Treasury-Management-Aktivitäten auf GSTM sind in den Erwägungsgründen 59 bis 77 des angefochtenen Beschlusses aufgeführt und den Akten der Rechtssache T‑516/18 als Anlage beigefügt.

30

Der erste, am 9. Februar 2010 erteilte Steuervorbescheid billigt eine ähnliche Struktur wie die, die von LNG Holding zur Finanzierung der Übertragung ihrer Aktivitäten im Bereich Flüssigerdgas auf LNG Supply eingeführt wurde. Die in Rede stehende Struktur beruht nämlich auf einem von GSTM mit EIL abgeschlossenen ZORA zur Finanzierung des Erwerbs der Finanzierungs- und Treasury-Management-Aktivitäten von CEF.

31

Ebenso wie LNG Supply wird GSTM während der Laufzeit des ZORA auf eine mit der luxemburgischen Steuerverwaltung vereinbarte Marge besteuert. Diese Marge entspricht einem Bruchteil [vertraulich].

32

Zur Veranschaulichung führte die Kommission im 74. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses aus, dass GSTM für das Jahr 2011 auf der Grundlage eines Ergebnisses vor Steuern und ZORA-Akkretionen von 45522581 Euro und auf der Grundlage eines durchschnittlichen Wertes der Vermögenswerte von GSTM in Höhe von 3,7 Mrd. Euro [vertraulich] besteuert worden sei.

33

Der zweite, am 15. Juni 2012 erteilte Steuervorbescheid billigt die steuerliche Behandlung der Finanzierungstransaktion und beruht auf derselben Analyse wie derjenigen im Steuervorbescheid vom 9. September 2008 betreffend die Übertragung der Aktivitäten von LNG Trading auf LNG Supply. Jedoch unterscheidet er sich von diesem Bescheid im Hinblick auf eine mögliche Erhöhung des Betrags des von GSTM abgeschlossenen ZORA.

3.   Überblick über die von den Unternehmen der Engie-Gruppe eingerichteten Finanzierungsstrukturen

34

Aus den Erwägungsgründen 23 bis 77 des angefochtenen Beschlusses ergibt sich, dass die fraglichen Steuervorbescheide verschiedene konzerninterne Transaktionen im Licht des luxemburgischen Steuerrechts billigen. Außerdem verweist die Kommission darauf, dass aus diesen Steuervorbescheiden hervorgehe, dass es sich bei diesen Transaktionen um eine Gesamtheit handele, durch die für LNG Supply und GSTM ein einziger Vorgang umgesetzt werde, nämlich die konzerninterne Übertragung der Aktivitäten im Zusammenhang mit Flüssigerdgas bzw. der Finanzierungs- und Treasury-Aktivitäten, deren Finanzierung ebenfalls konzernintern erfolgt sei. Ferner hebt die Kommission hervor, dass diese Transaktionen von Anfang an in drei aufeinanderfolgenden, jedoch miteinander verknüpften Schritten konzipiert gewesen seien, an denen die Holdinggesellschaften, die Zwischengesellschaften und die Tochtergesellschaften der Engie-Gruppe beteiligt gewesen seien. Diese Transaktionen weisen die folgenden wesentlichen Merkmale auf.

35

Erstens überträgt eine Holdinggesellschaft eine Reihe von Vermögenswerten auf ihre Tochtergesellschaft.

36

Zum einen ergibt sich aus dem 34. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass am 30. Oktober 2009 im Rahmen der Übertragung der Tätigkeiten von LNG Trading auf LNG Supply zwei Schuldscheine von LNG Supply zugunsten von LNG Trading ausgegeben wurden. Der erste Schuldschein deckt eine Forderung in Höhe von 11 Mio. USD (etwa 9,26 Mio. Euro) und der zweite eine Forderung in Höhe von 646 Mio. USD (etwa 544 Mio. Euro). Nur die zweite Forderung wurde von LNG Trading an LNG Holding übertragen.

37

Zum anderen geht aus dem 61. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Übertragung der Tätigkeiten von CEF auf GSTM zur Ausgabe eines Schuldscheins zugunsten von CEF führte. Der Schuldschein deckt eine Forderung in Höhe von 1036912506,84 Euro.

38

Zweitens schließt die Tochtergesellschaft zur Finanzierung der übertragenen Vermögenswerte bei einer Zwischengesellschaft ein ZORA ab. Abgesehen davon, dass das gewährte Darlehen keine periodischen Zinsen generiert, erstattet die Tochtergesellschaft, die ein ZORA aufgenommen hat, das Darlehen zum Zeitpunkt seiner Umwandlung durch die Ausgabe von Anteilen, deren Wert dem Nennwert des Darlehens zuzüglich eines Bonus entspricht, der sich aus allen von der Tochtergesellschaft während der Laufzeit des Darlehens erzielten Gewinnen, mithin den ZORA-Akkretionen, abzüglich einer mit den luxemburgischen Steuerbehörden vereinbarten begrenzten Marge zusammensetzt.

39

Zum einen ergibt sich aus dem 34. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass am 30. Oktober 2009 zwischen LNG Supply und LNG Luxembourg ein ZORA mit einem Nennwert von 646 Mio. USD und einer Laufzeit von 15 Jahren abgeschlossen wurde.

40

Zum anderen wurden gemäß dem 61. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zwei Verträge – ein auf den 17. Juni 2011 und ein auf den 30. Juni 2014 datierter Vertrag – zum Zweck der Aufnahme eines ZORA durch GSTM bei EIL mit einer Laufzeit bis 2026 und einem Nennwert von 1036912506,84 Euro abgeschlossen.

41

Drittens finanziert die Zwischengesellschaft das der Tochtergesellschaft gewährte Darlehen durch den Abschluss eines vorausbezahlten Terminkaufvertrags mit der Holdinggesellschaft. Im Rahmen dieses Vertrags zahlt die Holding an die Zwischengesellschaft einen Betrag in Höhe des Nennbetrags des Darlehens gegen den Erwerb der Rechte an den Anteilen, die die Tochtergesellschaft bei der Umwandlung des betreffenden ZORA ausgeben wird. Wenn die Tochtergesellschaft also während der Laufzeit des betreffenden ZORA Gewinne erzielt, werden der Muttergesellschaft die Rechte an allen ausgegebenen Anteilen zustehen, die neben dem Nennwert des Darlehens die erzielten Gewinne beinhalten.

42

In der Praxis wurde, wie aus dem 34. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, am 30. Oktober 2009 zwischen LNG Luxembourg und LNG Holding ein vorausbezahlter Terminkaufvertrag abgeschlossen. Dieser Vertrag umfasst erstens den Kauf sämtlicher Rechte der LNG Luxembourg an den LNG-Supply-Anteilen durch LNG Holding für einen Betrag von 646 Mio. USD und zweitens die Übertragung der LNG-Supply-Anteile am Tag ihrer Ausgabe.

43

Dem 61. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zufolge wurde am 17. Juni 2011 ein identischer vorausbezahlter Terminkaufvertrag zwischen CEF und EIL geschlossen.

44

Die Aufnahme eines ZORA bei EIL bzw. LNG Luxembourg durch GSTM und LNG Supply und der Abschluss eines vorausbezahlten Terminkaufvertrags mit CEF bzw. LNG Holding (im Folgenden: betreffende Holdinggesellschaften) durch EIL und LNG Luxembourg ersetzt die ursprüngliche Finanzierung der Übertragung der Geschäftsbereiche durch die Ausgabe von Schuldscheinen durch GSTM und LNG Supply, deren Inhaber CEF bzw. LNG Holding waren.

45

Das nachstehend wiedergegebene Schema aus dem 27. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses veranschaulicht diese drei aufeinanderfolgenden Vorgänge.

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4.   Auswirkung der teilweisen Umwandlung des von LNG Supply abgeschlossenen ZORA

46

In den Erwägungsgründen 46, 47, 49, 53 und 57 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission die Auswirkungen der im Jahr 2014 vorgenommenen teilweisen Umwandlung des von LNG Supply abgeschlossenen ZORA dargelegt, wobei dieses das einzige vor Erlass des angefochtenen Beschlusses umgewandelte ZORA war.

47

Zum Zwecke der teilweisen Umwandlung des von ihr abgeschlossenen ZORA erstattete LNG Supply einen Teil des Nennwerts dieses ZORA und einen Teil der ZORA-Akkretionen.

48

Hierzu führte sie im September 2014 eine Kapitalerhöhung in Höhe von 699,9 Mio. USD (etwa 589,6 Mio. Euro) durch, wovon 193,8 Mio. USD (etwa 163,3 Mio. Euro) auf die Rückzahlung eines Teils des Nennwerts des betreffenden ZORA und, zu diesem Zeitpunkt, [vertraulich] auf die Rückzahlung eines Teils der ZORA-Akkretionen entfielen. Die Kommission stellt jedoch anhand der Steuererklärungen von LNG Supply für 2014 fest, dass der Betrag der kumulierten ZORA-Akkretionen tatsächlich [vertraulich] reduziert worden sei.

49

Was LNG Luxembourg anbelangt, so führte die teilweise Umwandlung des betreffenden ZORA zu einer Verringerung des Wertes dieses in ihrem Jahresabschluss als Vermögenswert erfassten ZORA um 193,8 Mio. USD und dementsprechend zu einer Verringerung des Wertes des in ihrem Jahresabschluss als Verbindlichkeit verbuchten vorausbezahlten Terminkaufvertrags um denselben Betrag.

50

Schließlich verbuchte LNG Holding nach der Annullierung der gemäß dem vorausbezahlten Terminkaufvertrag erhaltenen Anteile in ihrem Jahresabschluss [vertraulich]. Auf diesen Kapitalgewinn war die Steuerbefreiung von Beteiligungen zur Anwendung gekommen.

51

Zu dem von GSTM abgeschlossenen ZORA führte die Kommission im 165. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses aus, dass das Bestehen des Vorteils nicht von der Umwandlung des ZORA abhänge, auch wenn der Vorteil zum Zwecke der Bestimmung des Rückforderungsbetrags erst zu dem Zeitpunkt als zustande gekommen gelte, zu dem die von CEF vereinnahmten Erträge befreit worden seien.

C. Förmliches Prüfverfahren

52

Mit Schreiben vom 1. April 2016 teilte die Kommission dem Großherzogtum Luxemburg mit, dass sie Zweifel an der Vereinbarkeit der fraglichen Steuervorbescheide mit dem Beihilferecht habe.

53

Am 23. Mai 2016 übermittelte das Großherzogtum Luxemburg der Kommission seine Stellungnahme.

54

Am 19. September 2016 eröffnete die Kommission gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV das förmliche Prüfverfahren (im Folgenden: Einleitungsbeschluss). Der Einleitungsbeschluss wurde am 3. Februar 2017 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

55

Mit Schreiben vom 21. November 2016 übermittelte das Großherzogtum Luxemburg seine Stellungnahme zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens und die angeforderten Informationen.

56

Am 27. Februar 2017 übermittelte Engie seine Stellungnahme zum Einleitungsbeschluss.

57

Mit Schreiben vom 10. März 2017 leitete die Kommission die Stellungnahme von Engie an die luxemburgischen Behörden weiter und gab ihnen Gelegenheit, sich dazu zu äußern.

58

Mit Schreiben vom 22. März 2017 forderte die Kommission das Großherzogtum Luxemburg auf, zusätzliche Informationen vorzulegen.

59

Am 10. April und am 12. Mai 2017 teilte das Großherzogtum Luxemburg der Kommission mit, dass es sich die ihm übermittelten Stellungnahmen zu eigen mache, und legte die erforderlichen zusätzlichen Informationen vor.

60

Am 1. Juni 2017 fand ein trilaterales Treffen zwischen der Kommission, dem Großherzogtum Luxemburg und Engie statt, für das ein Protokoll erstellt wurde.

61

Im Anschluss an die Sitzung vom 1. Juni 2017 übermittelte das Großherzogtum Luxemburg am 16. Juni 2017 zusätzliche Informationen.

62

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2017 forderte die Kommission erneut die Übermittlung zusätzlicher Informationen an. Das Großherzogtum Luxemburg und Engie kamen dieser Aufforderung am 31. Januar 2018 nach.

63

Am 20. Juni 2018 erließ die Kommission den angefochtenen Beschluss.

II. Angefochtener Beschluss

64

Mit dem angefochtenen Beschluss vertritt die Kommission im Wesentlichen die Auffassung, dass das Großherzogtum Luxemburg durch seine Steuerverwaltung unter Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 und Art. 108 Abs. 3 AEUV einer Einheit, die gemäß den Erwägungsgründen 16, 316 und 317 des angefochtenen Beschlusses alle als eine wirtschaftliche Einheit verstandenen Gesellschaften der Engie-Gruppe umfasst, einen selektiven Vorteil verschafft habe.

65

Ohne die luxemburgische Steuergesetzmäßigkeit der gesamten von der Engie-Gruppe für die Übertragung der beiden Geschäftsbereiche geschaffenen Finanzierungsstruktur in Frage zu stellen, beanstandet die Kommission die praktischen Auswirkungen dieser Struktur auf die gesamte Steuerschuld der Gruppe, da letztlich nahezu alle von den Tochtergesellschaften in Luxemburg erzielten Gewinne tatsächlich unversteuert blieben.

A. Zurechenbarkeit an den Staat

66

Zur Zurechenbarkeit der fraglichen Steuervorbescheide an den Staat und zum Einsatz staatlicher Mittel wies die Kommission in den Erwägungsgründen 156 und 157 des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass die fraglichen Steuervorbescheide von der luxemburgischen Steuerverwaltung erteilt worden seien und in einem Verlust von Steuereinnahmen zum Ausdruck kämen, so dass der durch diese fraglichen Steuervorbescheide verschaffte wirtschaftliche Vorteil dem Großherzogtum Luxemburg zuzurechnen sei und aus staatlichen Mitteln finanziert werde.

B. Verschaffung eines Vorteils

67

Zur Verschaffung eines wirtschaftlichen Vorteils für die betreffenden Holdinggesellschaften führte die Kommission u. a. in den Erwägungsgründen 163 und 166 des angefochtenen Beschlusses aus, dass dieser Vorteil darin bestehe, dass es nach den fraglichen Steuervorbescheiden zu keiner Besteuerung der Erträge dieser Gesellschaften aus Beteiligungen komme, wobei diese Erträge aus wirtschaftlicher Sicht den ZORA-Akkretionen entsprächen, die von den Tochtergesellschaften als Aufwand von ihrer Steuerbemessungsgrundlage abgezogen würden.

68

Genauer gesagt würden die ZORA-Akkretionen weder auf der Ebene der Tochtergesellschaften noch auf der der Zwischengesellschaften noch der der betreffenden Holdinggesellschaften besteuert.

69

In steuerlicher Hinsicht würden die Tochtergesellschaften, wie aus den Erwägungsgründen 35, 47 und 62 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, eine Körperschaftsteuer entrichten, deren Bemessungsgrundlage einer mit den Steuerbehörden vereinbarten begrenzten Marge entspreche.

70

Die Kommission stellte fest, dass die Tochtergesellschaften im Hinblick auf die künftige Umwandlung des betreffenden ZORA jedes Jahr den ZORA-Akkretionen entsprechende Betriebsrücklagen bildeten, wobei diese im Wesentlichen der Differenz zwischen dem von den Tochtergesellschaften tatsächlich erzielten Gewinn und der mit den Steuerbehörden als Steuerbemessungsgrundlage vereinbarten Marge entsprächen. Diese ZORA-Akkretionen gälten als abzugsfähige Aufwendungen. Nach Auffassung der Kommission haben es die angefochtenen Maßnahmen den Tochtergesellschaften somit tatsächlich ermöglicht, nahezu alle während der Laufzeit des Darlehens erzielten Gewinne von der Bemessungsgrundlage der von ihnen geschuldeten Körperschaftsteuer auszuschließen.

71

Auch würden die Zwischengesellschaften in Anbetracht der Erwägungsgründe 39 und 52 des angefochtenen Beschlusses nicht auf die ZORA-Akkretionen besteuert.

72

Bei der Umwandlung des ZORA entstünden den Zwischengesellschaften gemäß dem mit den betreffenden Holdinggesellschaften abgeschlossenen vorausbezahlten Anteilskaufvertrag in ihren Jahresabschlüssen nämlich Verluste in Höhe des Betrags der ZORA-Akkretionen.

73

Schließlich würden die betreffenden Holdinggesellschaften, die gemäß dem vorausbezahlten Anteilskaufvertrag Eigentümer der Anteile der Tochtergesellschaften seien, nach dem 56. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auch nicht auf einen dem Betrag der ZORA-Akkretionen entsprechenden Betrag besteuert, da die durch die Annullierung der Anteile ihrer Tochtergesellschaft erzielten Erträge nach den fraglichen Steuervorbescheiden von Art. 166 LIR erfasst würden, wonach Erträge aus Beteiligungen von der Körperschaftsteuer befreit seien. Die Kommission stellte somit im 57. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses fest, dass infolge der teilweisen Umwandlung des LNG-Supply-ZORA im Jahr 2014 ein völlig steuerfrei gebliebener Kapitalgewinn [vertraulich] erzielt worden sei.

C. Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide

74

Zur Feststellung der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide stützte sich die Kommission, wie insbesondere aus den Erwägungsgründen 163 bis 170 und 237 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, in erster Linie auf drei Argumentationslinien. Zwei Argumentationslinien betreffen das Vorliegen eines selektiven Vorteils auf der Ebene der Holdinggesellschaften, und zwar zum einen im Licht eines erweiterten Referenzrahmes in Gestalt des luxemburgischen Körperschaftsteuersystems und zum anderen im Licht eines auf die Bestimmungen über die Besteuerung von Gewinnausschüttungen und die Steuerbefreiung von Beteiligungen beschränkten Referenzrahmens. Eine dritte Argumentationslinie betrifft das Vorliegen eines Vorteils auf der Ebene der Engie-Gruppe. Außerdem geht aus dem 289. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Kommission als alternative Argumentationsmöglichkeit der Ansicht war, dass sich aus der Nichtanwendung von Art. 6 des Steueranpassungsgesetzes vom 16. Oktober 1934 (Mémorial A 901, im Folgenden: Rechtsmissbrauchsvorschrift) ein selektiver Vorteil ergebe. Im Übrigen stellte die Kommission fest, dass die aus den fraglichen Steuervorbescheiden resultierende selektive Behandlung nicht gerechtfertigt sei.

1.   Zur Selektivität auf der Ebene der Holdinggesellschaften

75

Zunächst ging die Kommission in den Erwägungsgründen 171 bis 199 des angefochtenen Beschlusses erstens davon aus, dass die fraglichen Steuervorbescheide der Engie-Gruppe auf der Ebene der Holdinggesellschaften einen selektiven Vorteil verschafften, da sie vom luxemburgischen Körperschaftsteuersystem abwichen.

76

Zweitens war die Kommission in den Erwägungsgründen 200 bis 236 des angefochtenen Beschlusses der Auffassung, dass die fraglichen Steuervorbescheide der Engie-Gruppe auf der Ebene der Holdinggesellschaften einen selektiven Vorteil verschafften, da sie von den Bestimmungen über die Steuerbefreiung von Beteiligungen und die Besteuerung von Gewinnausschüttungen abwichen. Diese Abweichungen könnten nicht durch die Systematik des Steuersystems gerechtfertigt werden.

a)   Zur Abweichung vom erweiterten Referenzrahmen in Gestalt des luxemburgischen Körperschaftsteuersystems

77

Im Hinblick auf das luxemburgische Körperschaftsteuersystem vertrat die Kommission die Auffassung, dieses System beruhe auf den in den Erwägungsgründen 78 bis 81 des angefochtenen Beschlusses dargestellten Art. 18, 23, 40, 159 und 163 LIR, nach denen die in Luxemburg ansässigen, der Körperschaftsteuer dieses Staates unterliegenden Gesellschaften auf ihren in ihren Jahresabschlüssen festgestellten Gewinn besteuert würden. Die zur Definition eines Referenzrahmens vorgenommene Ableitung eines verfolgten Ziels oder eines Grundsatzes, der sich aus den Bestimmungen ergebe, die diesen Referenzrahmen bildeten, stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs, und was dieses Ziel, nämlich die Besteuerung des Gewinns aller in Luxemburg steuerpflichtigen Gesellschaften, wie er in ihren Jahresabschlüssen festgelegt sei, anbelange, gehe dieses Ziel eindeutig aus dem luxemburgischen Recht hervor.

78

Ferner stehe die Berücksichtigung eines erweiterten Referenzrahmens in Gestalt des luxemburgischen Körperschaftsteuersystems auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs. Der Gerichtshof habe im Zusammenhang mit Maßnahmen betreffend die Unternehmensbesteuerung wiederholt entschieden, dass der Referenzrahmen im Licht des Körperschaftsteuersystems und nicht im Hinblick auf spezifische Bestimmungen, die für bestimmte Steuerzahler oder für bestimmte Transaktionen gälten, definiert werden könne.

79

Die fraglichen Steuervorbescheide seien somit vom luxemburgischen Körperschaftsteuersystem abgewichen, indem sie auf der Ebene der Holdinggesellschaften die Nichtbesteuerung von Erträgen aus Beteiligungen, die aus wirtschaftlicher Sicht den ZORA-Akkretionen entsprochen hätten, gebilligt hätten.

80

Die fraglichen Steuervorbescheide hätten auch zu einer Diskriminierung zugunsten der Holdinggesellschaften geführt. Unternehmen, die in Luxemburg der Körperschaftsteuer unterlägen, würden nämlich im Unterschied zu den Holdinggesellschaften auf ihren Gewinn, wie er in ihren Jahresabschlüssen festgelegt sei, besteuert.

b)   Zur Abweichung von dem auf die Bestimmungen über die Besteuerung von Gewinnausschüttungen und die Steuerbefreiung von Beteiligungen beschränkten Referenzrahmen

81

Die Kommission stellte fest, dass die fraglichen Steuervorbescheide auch von den luxemburgischen Bestimmungen über die Steuerbefreiung von Beteiligungen und die Besteuerung von Gewinnausschüttungen, d. h. von den in den Erwägungsgründen 82 bis 87 des angefochtenen Beschlusses dargestellten Art. 164 und 166 LIR, abwichen.

82

Nach Auffassung der Kommission ist die Steuerbefreiung von Erträgen aus Beteiligungen für eine Muttergesellschaft nämlich nur dann möglich, wenn die ausgeschütteten Gewinne zuvor auf der Ebene ihrer Tochtergesellschaft besteuert worden seien. Die auf der Ebene der Holdinggesellschaften steuerfreien Erträge aus Beteiligungen entsprächen wirtschaftlich jedoch den von den Tochtergesellschaften von ihrer Steuerbemessungsgrundlage als Aufwendungen abgezogenen ZORA-Akkretionen.

83

Zwar handele es sich bei den ZORA-Akkretionen formal nicht um Gewinnausschüttungen, doch seien die steuerfreien Erträge aus Beteiligungen von LNG Holding als „befreite Dividenden“ verbucht worden, und in Anbetracht des direkten und klaren Zusammenhangs zwischen den auf der Ebene von LNG Holding steuerbefreiten Erträgen und den auf der Ebene von LNG Supply abgezogenen ZORA-Akkretionen seien diese Akkretionen aus wirtschaftlicher Sicht Gewinnausschüttungen gleichzusetzen.

84

Diese Abweichung vom beschränkten Referenzrahmen hat nach Ansicht der Kommission zu einer Diskriminierung zugunsten der Holdinggesellschaften geführt. Letztlich dürften Muttergesellschaften, die Erträge aus Beteiligungen beziehen könnten und sich in diesem Sinne in einer mit den Holdinggesellschaften vergleichbaren Rechts- und Sachlage befänden, keine Steuerbefreiung für diese Erträge erhalten, wenn die Erträge nicht zuvor auf der Ebene ihrer Tochtergesellschaften besteuert worden seien.

85

Das Fehlen eines ausdrücklichen Zusammenhangs zwischen den Art. 164 und 166 LIR ändere nichts an dieser Feststellung. Könnten dieselben Erträge auf der Ebene der Muttergesellschaft von der Steuer befreit und auf der Ebene der Tochtergesellschaft als Aufwand abgezogen werden, so blieben sie in Luxemburg völlig steuerfrei, was sowohl dem Ziel des luxemburgischen Körperschaftsteuersystems als auch dem Ziel der Vermeidung der Doppelbesteuerung zuwiderliefe.

86

Darüber hinaus stellte die Kommission im Wesentlichen fest, dass die zum Zeitpunkt des Erlasses der fraglichen Steuervorbescheide geltende Richtlinie, nämlich nacheinander die Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. 1990, L 225, S. 6) und dann die Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom 30. November 2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. 2011, L 345, S. 8) (im Folgenden zusammen: Mutter-Tochter-Richtlinie), die Steuerbefreiung von Beteiligungen auf der Ebene einer Muttergesellschaft zwar nicht formal von der Besteuerung der ausgeschütteten Erträge auf der Ebene ihrer Tochtergesellschaft habe abhängig machen wollen, diese Regelung jedoch nur auf grenzüberschreitende Gewinnausschüttungen, bei denen es zu Diskrepanzen zwischen den Steuersystemen zweier verschiedener Länder kommen könne und die zu einer Nichtbesteuerung führen könnten, zur Anwendung komme. Folglich könne diese Richtlinie nicht mit Erfolg angeführt werden, um in einer rein internen Situation die Steuerbefreiung von Erträgen aus Beteiligungen, die keiner Steuer auf der Ebene einer Tochtergesellschaft unterlägen, zu rechtfertigen.

2.   Zur Selektivität auf der Ebene der Engie-Gruppe

87

Sodann machte die Kommission geltend, dass die Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide im Licht der Erwägungsgründe 237 bis 244 des angefochtenen Beschlusses unbeschadet der Schlussfolgerung zum Vorliegen eines selektiven Vorteils auf der Ebene der Holdinggesellschaften auch aus einer Analyse auf der Ebene der Engie-Gruppe, die sich aus den betreffenden Holdinggesellschaften, den Zwischengesellschaften und den Tochtergesellschaften zusammensetze, hervorgehe. Dieser Ansatz sei dadurch gerechtfertigt gewesen, dass die betreffenden Holdinggesellschaften, die Zwischengesellschaften und die Tochtergesellschaften ab 2015 eine steuerliche Einheit gebildet hätten. Da die wirtschaftlichen Auswirkungen staatlicher Maßnahmen im Hinblick auf Unternehmen und nicht auf einzelne juristische Personen zu analysieren seien, müssten die betreffenden Holdinggesellschaften, die Zwischengesellschaften und die Tochtergesellschaften jedenfalls als Teil desselben Unternehmens im Sinne des Beihilferechts betrachtet werden. Die Kommission fügte hinzu, dass sich zum einen die Anträge auf Erteilung von Steuervorbescheiden auf die steuerliche Behandlung aller Gesellschaften des Engie-Konzerns bezogen hätten und zum anderen der wirtschaftliche Vorteil, von dem die Gruppe auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften profitiert habe, in der Kombination einer Steuerbefreiung der Beteiligungen auf der Ebene dieser Gesellschaften mit einem Abzug der ZORA-Akkretionen als Aufwand auf der Ebene der Tochtergesellschaften bestanden habe.

88

Der Kommission zufolge verschaffen die fraglichen Steuervorbescheide der Engie-Gruppe einen selektiven Vorteil, da sie von einem erweiterten Referenzrahmen in Gestalt des luxemburgischen Körperschaftsteuersystems abwichen; dieses System ziele darauf ab, die in Luxemburg steuerpflichtigen Unternehmen auf ihren Gewinn, wie er in ihren Jahresabschlüssen festgelegt sei, zu besteuern.

89

Die Verringerung der Steuerlast auf der Ebene der Tochtergesellschaften infolge des Abzugs der ZORA-Akkretionen von der Steuerbemessungsgrundlage dieser Tochtergesellschaften als Aufwand werde nämlich nicht durch eine Erhöhung der Steuerlast auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften oder durch eine tatsächliche Erhöhung der Steuerbemessungsgrundlage der Zwischengesellschaften ausgeglichen, was faktisch zu einer Verringerung der kombinierten Steuerbemessungsgrundlage der Gruppe in Luxemburg geführt habe.

90

Andere Unternehmensgruppen, die sich in einer vergleichbaren Rechts- und Sachlage befänden, könnten keine Verringerung ihrer kombinierten Bemessungsgrundlage erlangen, und zwar unabhängig von der Art des Finanzierungsinstruments, des verwendeten Vertrags oder der Höhe der Vergütung.

91

Gleiches gelte für Unternehmensgruppen, die ein direktes ZORA verwendet hätten. Der im 89. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angeführte Art. 22bis Abs. 2 LIR sei nicht auf die ZORA-Akkretionen anwendbar und könnte, selbst wenn er anwendbar wäre, nur zu einem Steueraufschub führen.

3.   Zur Selektivität aufgrund der Nichtanwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift

92

Als alternative Argumentationsmöglichkeit fügte die Kommission schließlich in den Erwägungsgründen 289 bis 312 des angefochtenen Beschlusses hinzu, dass die fraglichen Steuervorbescheide von der im 90. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angeführten luxemburgischen Steuervorschrift über Rechtsmissbrauch abwichen. Nach Auffassung der Kommission war die geschaffene Finanzierungsstruktur missbräuchlich. Die vier von der luxemburgischen Rechtsprechung zur Feststellung eines Rechtsmissbrauchs entwickelten Kriterien seien erfüllt, sei es im Hinblick auf die Verwendung privatrechtlicher Formen oder Institutionen, die Verringerung der Steuerschuld, die Verwendung einer unangemessenen rechtlichen Gestaltung oder das Fehlen nicht steuerbezogener Gründe.

93

Was insbesondere die beiden letztgenannten Kriterien angeht, hat die Kommission zum einen darauf hingewiesen, dass die von der Engie-Gruppe bevorzugte rechtliche Gestaltung die praktische Nichtbesteuerung des von den Tochtergesellschaften in Luxemburg erzielten Gewinns erlaubt habe, die nicht möglich gewesen wäre, wenn die Übertragung der Geschäftsbereiche durch ein Eigenkapitalinstrument oder ein Darlehen zwischen den Tochtergesellschaften und den betreffenden Holdinggesellschaften erfolgt wäre. Zum anderen habe es außer der Erzielung erheblicher Steuerersparnisse keine tatsächlichen wirtschaftlichen, einen ausreichenden wirtschaftlichen Nutzen für die Engie-Gruppe bietenden Gründe gegeben, um sich für die komplexen Strukturen zu entscheiden, die durch die fraglichen Steuervorbescheide gebilligt worden seien.

4.   Zur fehlenden Rechtfertigung

94

In den Erwägungsgründen 285 bis 287 des angefochtenen Beschlusses stellte die Kommission fest, dass sie in Ermangelung einer von Luxemburg vorgelegten Rechtfertigung für die durch die fraglichen Steuervorbescheide gebilligte günstigere Behandlung zu dem Schluss kommen müsse, dass diese Behandlung nicht durch den allgemeinen Aufbau des luxemburgischen Steuersystems gerechtfertigt werden könne. Jedenfalls könne eine hypothetische, auf die Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung gestützte Rechtfertigung im Ergebnis nicht durchgreifen.

D. Zur Wettbewerbsverzerrung

95

Im 160. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses führte die Kommission aus, dass die Engie-Gruppe, da sie in mehreren Mitgliedstaaten in den Bereichen Strom, Erdgas und Flüssigerdgas, Energieeffizienzdienstleistungen und anderen damit verbundenen Märkten tätig sei, durch die auf der Grundlage der fraglichen Steuervorbescheide gewährte Steuerbehandlung von einer Steuerschuld befreit worden sei, die sie sonst bei der täglichen Ausübung ihrer normalen Geschäftstätigkeit hätte tragen müssen. Durch die Stärkung der Position der Engie-Gruppe hätten die fraglichen Steuervorbescheide den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen gedroht.

E. Zum Beihilfeempfänger

96

In den Erwägungsgründen 314 bis 318 des angefochtenen Beschlusses vertrat die Kommission die Auffassung, dass der selektive Vorteil, von dem der Engie-Konzern auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften profitiert habe, auch den Unternehmen des Engie-Konzerns insgesamt zugutegekommen sei, indem er der gesamten Gruppe zusätzliche Finanzmittel verschafft habe. Ungeachtet der Tatsache, dass die Gruppe in verschiedenen juristischen Personen organisiert sei und die fraglichen Steuervorbescheide die steuerliche Behandlung einzelner Unternehmen betroffen hätten, sei sie als eine wirtschaftliche Einheit, d. h. als ein einziges Unternehmen anzusehen, das eine staatliche Beihilfe erhalte.

F. Zur Rückforderung der Beihilfe

97

In den Erwägungsgründen 318 bis 365 des angefochtenen Beschlusses wies die Kommission darauf hin, dass das Großherzogtum Luxemburg, da die gewährte Beihilfe mit dem Binnenmarkt unvereinbar und rechtswidrig sei, die im Jahr 2014 durch die teilweise Umwandlung des zugunsten von LNG Supply abgeschlossenen ZORA bereits realisierte Beihilfe sofort von LNG Holding und andernfalls von Engie SA oder ihren Rechtsnachfolgern zurückfordern müsse und die fraglichen Steuervorbescheide im Hinblick auf die Steuerbefreiung von Beteiligungen, von denen die betreffenden Holdinggesellschaften gegebenenfalls bei der vollständigen Umwandlung der zugunsten der Tochtergesellschaften abgeschlossenen ZORAs profitieren würden, nicht anwenden dürfe.

98

Die Kommission war der Ansicht, dass eine solche Rückforderung nicht gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes, der Gleichbehandlung und der guten Verwaltungspraxis verstoße. Sie wies auch die Rügen des Großherzogtums Luxemburg und von Engie zurück, mit denen Verfahrensfehler im förmlichen Prüfverfahren geltend gemacht wurden. Deren Verfahrensrechte seien ordnungsgemäß gewahrt worden.

III. Verfahren und Anträge der Parteien

A. Zum schriftlichen Verfahren in der Rechtssache T‑516/18

99

Mit Schriftsatz, der am 30. August 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Großherzogtum Luxemburg die unter dem Aktenzeichen T‑516/18 in das Register eingetragene Klage erhoben.

100

Am 23. November 2018 hat die Kommission eine Klagebeantwortung eingereicht.

1.   Zur Zusammensetzung des Spruchkörpers

101

Mit Beschluss des Gerichts vom 28. September 2018 ist die Rechtssache T‑516/18 der Siebten Kammer des Gerichts (frühere Besetzung) zugewiesen worden.

102

Mit Schriftsatz, der am 28. Januar 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Großherzogtum Luxemburg gemäß Art. 28 Abs. 5 der Verfahrensordnung des Gerichts beantragt, dass die Rechtssache T‑516/18 von einem erweiterten Spruchkörper entschieden werde. Mit Beschluss des Gerichts vom 13. Februar 2019 ist der Antrag des Großherzogtums Luxemburg zur Kenntnis genommen und die Rechtssache T‑516/18 an die Siebte erweiterte Kammer (frühere Besetzung) verwiesen worden.

103

Mit Beschluss des Gerichts vom 16. Oktober 2019 ist die Rechtssache T‑516/18 gemäß Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung der Zweiten erweiterten Kammer zugewiesen worden.

104

Da ein Mitglied der Zweiten erweiterten Kammer an der Mitwirkung am Verfahren gehindert war, hat sich der Präsident des Gerichts mit Beschluss vom 21. Januar 2020 selbst zu seinem Ersatz und zur Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten erweiterten Kammer bestimmt.

2.   Zum Streithilfeantrag

105

Mit Schriftsatz, der am 20. Dezember 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Irland gemäß Art. 142 und 143 der Verfahrensordnung die Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Großherzogtums Luxemburg beantragt.

106

Mit Beschluss vom 15. Februar 2019 hat der Präsident der Siebten erweiterten Kammer des Gerichts dem Streithilfeantrag Irlands stattgegeben.

107

Mit Schriftsatz, der am 12. April 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Irland einen Streithilfeschriftsatz eingereicht.

3.   Zum Antrag auf vertrauliche Behandlung

108

Am 30. Januar 2018 und am 18. Februar 2019 hat das Großherzogtum Luxemburg die vertrauliche Behandlung bestimmter Anlagen zur Klageschrift und zur Erwiderung gegenüber Irland beantragt.

109

Nach seiner Zulassung als Streithelfer hat Irland nur nicht vertrauliche Fassungen der Verfahrensunterlagen erhalten und keine Einwände gegen die Anträge auf vertrauliche Behandlung ihm gegenüber erhoben.

4.   Zu den Anträgen der Parteien

110

Das Großherzogtum Luxemburg beantragt,

den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

hilfsweise, Art. 2 des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

111

Die Kommission beantragt,

die Klage abzuweisen;

der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

112

Irland beantragt, den angefochtenen Beschluss in Übereinstimmung mit den Anträgen des Großherzogtums Luxemburg ganz oder teilweise für nichtig zu erklären.

B. Zum schriftlichen Verfahren in der Rechtssache T‑525/18

113

Mit Schriftsatz, der am 4. September 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Engie die unter dem Aktenzeichen T‑525/18 in das Register eingetragene Klage erhoben.

114

Am 14. Dezember 2018 hat die Kommission eine Klagebeantwortung eingereicht.

115

Am 4. Juni 2019 hat Engie gemäß Art. 106 Abs. 2 der Verfahrensordnung beantragt, in einer mündlichen Verhandlung gehört zu werden.

1.   Zur Zusammensetzung des Spruchkörpers

116

Mit Beschluss des Gerichts vom 28. September 2018 ist die Rechtssache T‑525/18 der Siebten Kammer des Gerichts (frühere Besetzung) zugewiesen worden.

117

Mit Beschluss des Gerichts vom 11. September 2019 ist die Rechtssache T‑525/18 gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung an die Siebte erweiterte Kammer (frühere Besetzung) verwiesen worden.

118

Mit Beschluss des Gerichts vom 16. Oktober 2019 ist die Rechtssache T‑525/18 gemäß Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung der Zweiten erweiterten Kammer zugewiesen worden.

119

Da ein Mitglied der Zweiten erweiterten Kammer an der Mitwirkung am Verfahren gehindert war, hat sich der Präsident des Gerichts mit Beschluss vom 21. Januar 2020 selbst zu seinem Ersatz und zur Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten erweiterten Kammer bestimmt.

2.   Zum Antrag auf vertrauliche Behandlung

120

Am 3. Juli 2019 hat Engie für den Fall, dass die vorliegende Rechtssache mit der Rechtssache T‑516/18 verbunden werden sollte, beim Gericht beantragt, die Anlagen A.1 und A.9 zur Klageschrift sowie die Anlage C.1 zur Klageerwiderung gegenüber Irland als Streithelferin in dieser Rechtssache vertraulich zu behandeln.

121

Am 3. Juli 2019 hat Engie die vertraulichen Fassungen der Anlagen zur Klageschrift und zur Erwiderung bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht.

3.   Zu den Anträgen der Parteien

122

Engie beantragt,

den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

hilfsweise, Art. 2 des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

123

Die Kommission beantragt,

die Klage abzuweisen;

der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

IV. Rechtliche Würdigung

A. Zur Verbindung der Rechtssachen T‑516/18 und T‑525/18 sowie zur Beantwortung der Anträge auf vertrauliche Behandlung

124

Mit Schriftsätzen, die am 4. Juni bzw. am 25. Juni 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben Engie und das Großherzogtum Luxemburg beantragt, die Rechtssachen T‑516/18 und T‑525/18 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer das Verfahren beendender Entscheidung zu verbinden.

125

Die Kommission und Irland haben keine Einwände gegen die Verbindung der Rechtssachen T‑516/18 und T‑525/18 erhoben.

126

Mit Beschluss vom 12. Juni 2020 hat der Präsident der Zweiten erweiterten Kammer des Gerichts nach Anhörung der Parteien die Rechtssachen T‑516/18 und T‑525/18 gemäß Art. 68 Abs. 1 der Verfahrensordnung zu gemeinsamem mündlichen Verfahren verbunden und entschieden, die vertraulichen Daten aus der Irland zugänglichen Akte zu entfernen.

127

Mit Beschluss des Gerichts vom 28. September 2020 ist das mündliche Verfahren in den verbundenen Rechtssachen T‑516/18 und T‑525/18 wiedereröffnet worden, um die Kommission im Wege einer prozessleitenden Maßnahme zur Verbindung dieser Rechtssachen zu gemeinsamer das Verfahren beendender Entscheidung zu befragen.

128

Angesichts der etwaigen Gefahr einer Extrapolation bestimmter Argumente der Parteien äußerte die Kommission Bedenken hinsichtlich der Verbindung der Rechtssachen T‑516/18 und T‑525/18. Das Gericht hält es jedoch in Anbetracht ihres Zusammenhangs für angebracht, sie gemäß Art. 68 der Verfahrensordnung zu gemeinsamer das Verfahren beendender Entscheidung zu verbinden und die vertraulichen Daten erneut aus der Irland zugänglichen Akte zu entfernen.

B. Zur Begründetheit

129

Das Großherzogtum Luxemburg stützt seine Klage in der Rechtssache T‑516/18 im Wesentlichen auf sechs Klagegründe:

erstens, fehlerhafte Beurteilung der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide;

zweitens, Verkennung des Begriffs des Vorteils;

drittens, versteckte Steuerharmonisierung;

viertens, Verletzung von Verfahrensrechten;

fünftens, hilfsweise, Verstoß gegen allgemeine Grundsätze des Unionsrechts im Zusammenhang mit der Rückforderung der angeblich gewährten Beihilfen;

sechstens, Verstoß gegen die Begründungspflicht.

130

Engie stützt ihre Klage in der Rechtssache T‑525/18 im Wesentlichen auf acht Klagegründe:

erstens, fehlende Zurechenbarkeit der fraglichen Steuervorbescheide an den Staat;

zweitens, Verkennung des Begriffs des Vorteils;

drittens, fehlerhafte Beurteilung der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide;

viertens, fehlerhafte Einstufung der fraglichen Steuervorbescheide als Einzelbeihilfen;

fünftens, im Wesentlichen, versteckte Steuerharmonisierung;

sechstens, Verletzung von Verfahrensrechten;

siebtens, hilfsweise, Verstoß gegen allgemeine Grundsätze des Unionsrechts im Zusammenhang mit der Rückforderung der angeblich gewährten Beihilfen;

achtens, Verstoß gegen die Begründungspflicht.

131

Im Rahmen des vorliegenden Urteils ist als Erstes die Begründetheit der Klagegründe zu prüfen, mit denen erstens eine versteckte Steuerharmonisierung – da die Kommission, wenn dies der Fall sein sollte, nicht dafür zuständig wäre, sich vor dem Hintergrund der staatlichen Beihilfen mit den fraglichen Steuervorbescheiden zu befassen –, zweitens ein Verstoß der Kommission gegen ihre Begründungspflicht und drittens eine Verletzung der Verfahrensrechte gerügt wird.

132

Als Zweites wird auf die Klagegründe eingegangen, die die fehlende Zurechenbarkeit der fraglichen Steuervorbescheide an das Großherzogtum Luxemburg, das Fehlen eines selektiven Vorteils, die fehlerhafte Einstufung der fraglichen Steuervorbescheide als Einzelbeihilfen und die fehlerhafte Verpflichtung zur Rückforderung der angeblich gewährten Beihilfen betreffen.

1.   Zum fünften Klagegrund in der Rechtssache T‑525/18 und zum dritten Klagegrund in der Rechtssache T‑516/18: Vorliegen einer versteckten Steuerharmonisierung

133

Der fünfte Klagegrund in der Rechtssache T‑525/18 gliedert sich im Wesentlichen in zwei Teile. Mit dem ersten Teil macht Engie einen Verstoß gegen die Art. 3 bis 5 und 113 bis 117 AEUV und mit dem zweiten einen Ermessensmissbrauch der Kommission geltend. In der Rechtssache T‑516/18 macht das Großherzogtum Luxemburg eine versteckte Steuerharmonisierung unter Verstoß gegen die Art. 4 und 5 EUV geltend.

a)   Zum behaupteten Verstoß gegen die Art. 4 und 5 EUV sowie die Art. 3 bis 5 und 113 bis 117 AEUV

134

Engie macht zum einen geltend, die Kommission habe in die Steuerpolitik des Großherzogtums Luxemburg eingegriffen, indem sie die fraglichen Steuervorbescheide als staatliche Beihilfen eingestuft habe, obwohl mit ihnen allgemeine Maßnahmen der direkten Besteuerung umgesetzt würden, die keine Diskriminierung bewirkten und daher nicht selektiv seien. Die Kommission habe damit gegen die Art. 3 bis 5 und 113 bis 117 AEUV verstoßen.

135

Zum anderen habe sich die Kommission durch ihr weites Verständnis des Begriffs der Selektivität bei der Definition und Auslegung des herangezogenen Referenzrahmens an die Stelle des Großherzogtums Luxemburg gesetzt.

136

Das Großherzogtum Luxemburg fügt hinzu, die Kommission habe dadurch, dass sie ihre eigene Auslegung des luxemburgischen Steuerrechts und dessen Zielsetzung vorgegeben habe, die Vorschriften über staatliche Beihilfen unter Missachtung der souveränen Befugnisse der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern und der Grundsätze, die die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und der Union regelten, instrumentalisiert.

137

Die Kommission hält dieses gesamte Vorbringen für unbegründet. Sie weist insbesondere auf die Verpflichtung der Mitgliedstaaten hin, bei der Ausübung der ihnen auf dem Gebiet der direkten Steuern vorbehaltenen Zuständigkeit das Unionsrecht im Allgemeinen und das Beihilferecht im Besonderen zu beachten. Außerdem betont sie, dass der angefochtene Beschluss in keiner Weise die Zuständigkeit des Großherzogtums Luxemburg für die Ausgestaltung seines eigenen Steuersystems in Frage stelle.

138

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die direkten Steuern beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung des Unionsrechts zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, diese jedoch ihre Befugnisse unter Wahrung des Unionsrechts ausüben müssen (vgl. Urteil vom 12. Juli 2012, Kommission/Spanien, C‑269/09, EU:C:2012:439, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

139

Daher sind Maßnahmen der Mitgliedstaaten in den Bereichen, die nicht in der Union harmonisiert sind, wie die direkte Besteuerung, vom Anwendungsbereich der Regelung in Bezug auf die Kontrolle staatlicher Beihilfen nicht ausgeschlossen. Folglich kann die Kommission eine steuerliche Maßnahme als staatliche Beihilfe einstufen, sofern die Voraussetzungen für eine solche Einstufung erfüllt sind (Urteil vom 25. März 2015, Belgien/Kommission, T‑538/11, EU:T:2015:188, Rn. 65 und 66; vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 2. Juli 1974, Italien/Kommission, 173/73, EU:C:1974:71, Rn. 28, und vom 22. Juni 2006, Belgien und Forum 187/Kommission, C‑182/03 und C‑217/03, EU:C:2006:416, Rn. 81).

140

Wenn nämlich steuerliche Maßnahmen in der Praxis zu einer unterschiedlichen Behandlung der Gesellschaften führen, die sich im Hinblick auf das mit diesen Maßnahmen verfolgte Ziel in einer vergleichbaren Lage befinden, und den Empfängern der Maßnahmen selektive Vorteile verschaffen, die „bestimmte“ Unternehmen oder „bestimmte“ Produktionszweige begünstigen, können sie als eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV angesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 104).

141

Da die Kommission somit die Einhaltung des Art. 107 AEUV überwachen darf, kann ihr nicht vorgeworfen werden, dass sie ihre Befugnisse überschritten habe, als sie die fraglichen Steuervorbescheide prüfte, um festzustellen, ob sie eine staatliche Beihilfe darstellen und, falls ja, ob sie im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar sind.

142

Engie und das Großherzogtum Luxemburg machen daher zu Unrecht geltend, die Kommission habe sich in die Steuerpolitik des Großherzogtums Luxemburg eingemischt, da die Kommission, indem sie geprüft hat, ob die fraglichen Steuervorbescheide mit dem Beihilferecht vereinbar sind, lediglich ihre Befugnisse nach Art. 107 AEUV ausgeübt hat.

143

Das Vorbringen von Engie und dem Großherzogtum Luxemburg kann diese Feststellung nicht in Frage stellen.

144

Erstens hat die Kommission entgegen dem Vorbringen von Engie und dem Großherzogtum Luxemburg bei der Feststellung der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide nicht ihre eigene Auslegung des luxemburgischen Steuerrechts vorgegeben. Die Kommission hat sich nämlich strikt an die in den Erwägungsgründen 78 bis 90 des angefochtenen Beschlusses dargelegten Bestimmungen des luxemburgischen Steuerrechts gehalten. Wie sich aus den Erwägungsgründen 171 bis 176, 200 bis 205, 245 und 292 bis 298 des angefochtenen Beschlusses ergibt, hat die Kommission insbesondere bei der Definition der verschiedenen berücksichtigten Referenzrahmen gerade auf die Bestimmungen des luxemburgischen Steuerrechts abgestellt.

145

Außerdem hat sich die Kommission bei ihrer Prüfung nicht auf ihre eigene Auslegung der luxemburgischen Steuervorschriften, sondern auf die der luxemburgischen Steuerbehörden gestützt, wie sich insbesondere aus dem 283. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt.

146

Daraus folgt, dass die Kommission die fraglichen Steuervorbescheide nicht im Licht ihrer eigenen Auslegung der luxemburgischen Steuervorschriften, sondern anhand der Bestimmungen des luxemburgischen Steuerrechts, wie sie von den luxemburgischen Steuerbehörden angewandt werden, geprüft hat.

147

Zweitens hat die Kommission die den Mitgliedstaaten vorbehaltene Zuständigkeit auf dem Gebiet der direkten Steuern nicht schon dadurch missachtet, dass sie eine eigene Analyse der fraglichen Steuervorbescheide im Hinblick auf die luxemburgischen Steuervorschriften vorgenommen hat, um zu prüfen, ob diese Steuervorbescheide den durch sie Begünstigten einen selektiven Vorteil verschafften.

148

Zwar ergibt sich aus der oben in Rn. 138 dargelegten Rechtsprechung, dass die Kommission beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung des Unionsrechts nicht befugt ist, unter Außerachtlassung der nationalen Steuervorschriften eigenständig die Regeln im Bereich der direkten Besteuerung von Unternehmen zu bestimmen.

149

Auch wenn die sogenannte „normale“ Besteuerung durch die nationalen Steuervorschriften bestimmt wird und das Vorliegen eines selektiven Vorteils im Hinblick auf diese Vorschriften festgestellt werden muss, können steuerliche Maßnahmen, wie oben in Rn. 139 ausgeführt, die in der Praxis zu einer unterschiedlichen Behandlung von Gesellschaften führen, die sich im Hinblick auf das mit diesen Maßnahmen verfolgte Ziel in einer vergleichbaren Lage befinden, dennoch in den Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV fallen.

150

Somit konnte die Kommission bei der Prüfung, ob die fraglichen Steuervorbescheide mit den Vorschriften über staatliche Beihilfen vereinbar sind, nur eine Beurteilung der durch das luxemburgische Steuerrecht, wie es von den luxemburgischen Steuerbehörden angewandt wird, bestimmten sogenannten „normalen“ Besteuerung vornehmen. Damit hat sie keine „steuerliche Harmonisierung“ vorgenommen, sondern von der ihr durch Art. 107 Abs. 1 AEUV verliehenen Befugnis Gebrauch gemacht.

151

Die Kommission kann nämlich im Rahmen der Kontrolle der steuerlichen Maßnahmen im Bereich der staatlichen Beihilfen die nationalen Steuervorschriften selbst beurteilen, wobei diese Beurteilung gegebenenfalls von dem betreffenden Mitgliedstaat oder etwaigen Beteiligten im Rahmen einer Nichtigkeitsklage vor dem Gericht angefochten werden kann.

152

Drittens ist der angeblich fehlende Beweis einer etwaigen Diskriminierung zugunsten von Engie im Hinblick auf den Nachweis einer etwaigen Unzuständigkeit der Kommission unerheblich. Mit diesem Vorbringen soll vielmehr geltend gemacht werden, dass die Kommission bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit gegen Art. 107 AEUV verstoßen habe.

153

Unter diesen Umständen hat die Kommission mit dem Erlass des angefochtenen Beschlusses weder gegen die Art. 4 und 5 EUV noch gegen die Art. 3 bis 5 und 113 bis 117 AEUV verstoßen.

b)   Zum behaupteten Ermessensmissbrauch

154

Engie macht geltend, die Kommission habe ihre Befugnisse nach Art. 107 und 108 AEUV genutzt, um das Großherzogtum Luxemburg zu zwingen, seine Steuerpolitik „im Bereich der Steuerbefreiung für Gewinne“ zu ändern, und damit indirekt die Möglichkeit zu haben, eine Steuerharmonisierung vorzunehmen.

155

Die Verfolgung eines latenten Ziels der Steuerharmonisierung werde belegt durch die nach freiem Ermessen vorgenommene Definition des Referenzrahmens im Rahmen des Nachweises der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide, die Nichtberücksichtigung des Grundsatzes der Rechtmäßigkeit der Steuer, der steuerlichen Behandlung grenzüberschreitender Sachverhalte und des spezifischen Charakters eines ZORA durch die Kommission, die Auslegung der Kriterien des Rechtsmissbrauchs durch die Kommission und den Erlass des angefochtenen Beschlusses zeitgleich mit der Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Änderung von Art. 22bis LIR an die luxemburgische Abgeordnetenkammer.

156

Die Kommission hält dieses gesamte Vorbringen für unbegründet. Da es sich bei dem angefochtenen Beschluss nicht um eine Harmonisierungsmaßnahme handele, könne ihr kein Ermessensmissbrauch vorgeworfen werden.

157

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass eine Maßnahme nur dann ermessensmissbräuchlich ist, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sie ausschließlich oder zumindest hauptsächlich zu anderen als den angegebenen Zwecken oder mit dem Ziel erlassen worden ist, ein Verfahren zu umgehen, das der Vertrag speziell vorsieht (Urteile vom 16. April 2013, Spanien und Italien/Rat, C‑274/11 und C‑295/11, EU:C:2013:240, Rn. 33, und vom 12. Juli 2018, PA/Parlament, T‑608/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:440, Rn. 42).

158

Außerdem ist die Kommission nach Art. 108 AEUV dafür zuständig, die Vereinbarkeit von staatliche Beihilfen darstellenden staatlichen Maßnahmen mit dem Binnenmarkt zu prüfen.

159

Im vorliegenden Fall kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, einen Ermessensmissbrauch begangen zu haben, als sie den angefochtenen Beschluss erließ, mit dem nach Abschluss des die fraglichen Steuervorbescheide betreffenden förmlichen Prüfverfahrens festgestellt werden sollte, dass das Großherzogtum Luxemburg durch diese Steuervorbescheide eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe gewährt habe.

160

Zum einen kann der angefochtene Beschluss nicht als Maßnahme einer versteckten Steuerharmonisierung angesehen werden, wie oben in Rn. 153 festgestellt wurde.

161

Was insbesondere die zeitgleich mit dem Erlass des angefochtenen Beschlusses erfolgte Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Änderung von Art. 22bis LIR an die luxemburgische Abgeordnetenkammer betrifft, ist festzustellen, dass Engie nichts vorgetragen hat, was belegen könnte, inwiefern diese gesetzgeberische Initiative des Großherzogtums Luxemburg ein Indiz für einen Ermessensmissbrauch der Kommission darstellen soll. Die bloße Änderung von Art. 22bis LIR durch das Großherzogtum Luxemburg kann daher nicht als hinreichendes Indiz für einen solchen Ermessensmissbrauch angesehen werden.

162

Zum anderen zielen die anderen von Engie zur Stützung des Vorwurfs eines etwaigen Ermessensmissbrauchs vorgebrachten Indizien in erster Linie darauf ab, die Beurteilung der Kommission hinsichtlich der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide in Frage zu stellen, und gehen daher im Hinblick auf den Nachweis eines angeblichen Ermessensmissbrauchs im Sinne der oben in Rn. 157 angeführten Rechtsprechung ins Leere.

163

Daher sind das auf einen Ermessensmissbrauch gestützte Vorbringen und folglich der fünfte Klagegrund in der Rechtssache T‑525/18 sowie der dritte Klagegrund in der Rechtssache T‑516/18 als unbegründet zurückzuweisen.

2.   Zum achten Klagegrund in der Rechtssache T‑525/18 und zum sechsten Klagegrund in der Rechtssache T‑516/18: Verstoß gegen die Begründungspflicht

164

Das Großherzogtum Luxemburg und Engie machen mehrere Mängel beim Nachweis der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide im angefochtenen Beschluss geltend. So habe die Kommission weder ihre Würdigung hinsichtlich des Vorliegens eines selektiven Vorteils zugunsten der betreffenden Holdinggesellschaften noch ihre Würdigung zum Vorliegen eines selektiven Vorteils aufgrund der Nichtanwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift durch das Großherzogtum Luxemburg ausreichend begründet.

165

Engie fügt hinzu, die Kommission habe gegen ihre Begründungspflicht verstoßen, indem sie nicht klar die Gründe angegeben habe, die sie dazu veranlasst hätten, den Umstand außer Acht zu lassen, dass andere Unternehmen steuerlich genauso behandelt würden wie die Gesellschaften der Engie-Gruppe.

166

Ganz allgemein zeigten die fehlende Bezugnahme auf Texte und die Verwaltungs- und Gerichtspraxis sowie das Fehlen von Beweisen für abweichende Steuervorbescheide, dass die Kommission ihre Begründungspflicht verletzt habe.

167

Die Kommission hält dieses gesamte Vorbringen für unbegründet. Sie trägt vor, Engie und das Großherzogtum Luxemburg hätten in keiner Weise etwaige Unzulänglichkeiten des angefochtenen Beschlusses aufgezeigt. Ferner sei Engie in der Lage gewesen, ihre Argumentation nachzuvollziehen und sie sachgerecht vor dem Gericht zu beanstanden.

168

Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Begründung es den Betroffenen ermöglichen muss, Kenntnis von den Gründen für die getroffene Maßnahme zu erlangen, damit sie ihre Rechte verteidigen und prüfen können, ob die Entscheidung in der Sache begründet ist oder nicht, und es zum anderen dem Unionsrichter ermöglichen soll, seine Rechtmäßigkeitskontrolle auszuüben. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Aspekte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand ihres Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand ihres Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteile vom 15. Juni 2005, Corsica Ferries France/Kommission, T‑349/03, EU:T:2005:221, Rn. 62 bis 63, vom 16. Oktober 2014, Eurallumina/Kommission, T‑308/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:894, Rn. 44, und vom 6. Mai 2019, Scor/Kommission, T‑135/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:287, Rn. 80).

169

Insbesondere braucht die Kommission nicht auf alle Argumente einzugehen, die die Betroffenen vor ihr geltend gemacht haben, sondern es reicht aus, wenn sie die Tatsachen und rechtlichen Erwägungen anführt, denen nach dem Aufbau der Entscheidung eine wesentliche Bedeutung zukommt (Urteile vom 15. Juni 2005, Corsica Ferries France/Kommission, T‑349/03, EU:T:2005:221, Rn. 64, vom 16. Oktober 2014, Eurallumina/Kommission, T‑308/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:894, Rn. 44, und vom 6. Mai 2019, Scor/Kommission, T‑135/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:287, Rn. 80).

170

Im vorliegenden Fall ist neben dem Umstand, dass Engie und das Großherzogtum Luxemburg eng in das förmliche Prüfverfahren eingebunden waren, zunächst festzustellen, dass sie im Licht ihrer beim Gericht eingereichten Schriftsätze in der Lage waren, die Begründetheit des angefochtenen Beschlusses sachgerecht zu beanstanden.

171

Sodann weist der angefochtene Beschluss keine Unzulänglichkeiten auf, die es dem Gericht nicht erlauben würden, seine Rechtmäßigkeitskontrolle in vollem Umfang auszuüben.

172

Aus dem angefochtenen Beschluss geht nämlich hervor, dass die Kommission in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht hinreichend begründet hat, warum sie der Auffassung war, dass die fraglichen Steuervorbescheide im vorliegenden Fall eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV darstellen.

173

Insbesondere in Bezug auf die dritte Voraussetzung, die sich auf das Vorliegen eines selektiven Vorteils im vorliegenden Fall bezieht, hat die Kommission in Abschnitt 6.2 des angefochtenen Beschlusses (Erwägungsgründe 163 bis 236 des angefochtenen Beschlusses) erläutert, warum ihrer Ansicht nach ein selektiver Vorteil zugunsten der Engie-Gruppe auf der Ebene der Holdinggesellschaften vorliegt.

174

Die Kommission war im Wesentlichen der Ansicht, dass die fraglichen Steuervorbescheide den betreffenden Holdinggesellschaften einen selektiven Vorteil verschafften, indem sie erstens von einem erweiterten Referenzrahmen in Gestalt des luxemburgischen Körperschaftsteuersystems und zweitens von einem auf die luxemburgischen Bestimmungen über die Besteuerung von Gewinnausschüttungen und die Steuerbefreiung von Beteiligungen beschränkten Referenzrahmen abwichen.

175

In Abschnitt 6.3 des angefochtenen Beschlusses (Erwägungsgründe 237 bis 288 des angefochtenen Beschlusses) hat die Kommission die Gründe erläutert, aus denen sie der Ansicht war, dass aufgrund der steuerlichen Vorzugsbehandlung der Engie-Gruppe ein selektiver Vorteil vorliege. Dies sei der Fall gewesen, da die steuerliche Belastung der Engie-Gruppe, die aus den Tochtergesellschaften, den Zwischengesellschaften und den Holdinggesellschaften bestehe, durch die fraglichen Steuervorbescheide reduziert worden sei, obwohl diese steuerliche Belastung auf der Ebene der Gruppe grundsätzlich konstant hätte bleiben müssen. Auch die Reduzierung der Steuerlast der Gruppe sei insoweit vom luxemburgischen Körperschaftsteuersystem abgewichen.

176

In Abschnitt 6.4 des angefochtenen Beschlusses (Erwägungsgründe 289 bis 312 des angefochtenen Beschlusses) hat die Kommission auch die Gründe angegeben, aus denen sie der Ansicht war, dass ein selektiver Vorteil aufgrund der Nichtanwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift vorliege.

177

Auf der Grundlage der von der luxemburgischen Verwaltungs- und Gerichtspraxis entwickelten Kriterien für Rechtsmissbrauch hat die Kommission darzulegen versucht, dass jedes dieser Kriterien im vorliegenden Fall ordnungsgemäß erfüllt war. Somit habe das Großherzogtum Luxemburg den betreffenden Holdinggesellschaften durch die Nichtanwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift durch die luxemburgische Steuerverwaltung einen selektiven Vorteil gewährt.

178

Schließlich kann das Versäumnis der Kommission, die luxemburgische Verwaltungspraxis im Bereich der Steuervorbescheide zu berücksichtigen, oder das Versäumnis, Unternehmen zu berücksichtigen, die möglicherweise in den Genuss desselben Vorteils wie die Gesellschaften der Engie-Gruppe kommen, nicht zu der Feststellung führen, dass die Kommission gegen ihre Begründungspflicht verstoßen hat. Mit diesem Vorbringen soll nämlich nicht die Form, sondern die Begründetheit des angefochtenen Beschlusses in Frage gestellt werden.

179

Der achte Klagegrund in der Rechtssache T‑525/18 und der sechste Klagegrund in der Rechtssache T‑516/18, mit denen ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gerügt wird, sind daher als unbegründet zurückzuweisen.

3.   Zum sechsten Klagegrund in der Rechtssache T‑525/18 und zum vierten Klagegrund in der Rechtssache T‑516/18: Verletzung von Verfahrensrechten

180

Sowohl Engie als auch das Großherzogtum Luxemburg werfen der Kommission vor, ihre Verfahrensrechte verletzt zu haben.

181

Erstens macht Engie geltend, dass die Kommission ihre Verfahrensrechte verletzt habe, indem sie ihr nicht die Antwort des Großherzogtums Luxemburg auf das Schreiben der Kommission vom 22. März 2017 übermittelt habe. Diese Antwort hätte es Engie ermöglichen können, sich besser zu verteidigen, da sich aus dem Schreiben ergebe, dass andere Unternehmen eine identische steuerliche Behandlung erhalten hätten.

182

Diese Informationen seien insbesondere für die Feststellung eines selektiven Vorteils aufgrund der Einzelanwendung einer allgemeinen Steuerregelung gemäß dem Urteil vom 12. November 2013, MOL/Kommission (T‑499/10, EU:T:2013:592), und der jüngsten Entscheidungspraxis der Kommission im Bereich der Steuervorbescheide wesentlich gewesen.

183

Hierzu geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass andere Beteiligte als der betroffene Mitgliedstaat in einem Verfahren zur Kontrolle staatlicher Beihilfen nur die Möglichkeit haben, der Kommission sämtliche Informationen zu übermitteln, die dazu beitragen können, ihr Klarheit über ihr weiteres Vorgehen zu verschaffen, und dass sie selbst keinen Anspruch auf eine streitige Erörterung mit der Kommission haben, wie sie zugunsten des Mitgliedstaats eingeleitet wird (Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 181).

184

Unabhängig von den Argumenten, die Engie vorgebracht hat, um die ihrer Ansicht nach bestehende Notwendigkeit zu rechtfertigen, ihr die Antwort des Großherzogtums Luxemburg zu übermitteln, hat sie daher weder einen Anspruch auf eine streitige Erörterung mit der Kommission, noch kann sie verlangen, dass die Kommission die Antworten der anderen Verfahrensbeteiligten übermittelt.

185

Die einzige Möglichkeit für andere Beteiligte als den betroffenen Mitgliedstaat besteht nämlich darin, entweder von sich aus oder als Antwort auf Unterlagen und auf von der Kommission während des förmlichen Prüfverfahrens gestellte Fragen Stellung zu nehmen. Hierzu ist festzustellen, dass Engie, wie oben in den Rn. 56 bis 62 ausgeführt, von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, da sie im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens mehrfach Stellungnahmen abgegeben hat.

186

Zweitens machen Engie und das Großherzogtum Luxemburg geltend, die Kommission habe ihre Verfahrensrechte im Wesentlichen dadurch verletzt, dass kein neuer Einleitungsbeschluss oder zumindest ein Berichtigungsbeschluss erlassen worden sei. Ein solcher Beschluss hätte es ermöglicht, die dem Einleitungsbeschluss anhaftenden Ungenauigkeiten zu beseitigen, und den Parteien die Möglichkeit gegeben, sich im Verwaltungsverfahren sachgerecht zu den Erwägungen zu äußern, die letztendlich im angefochtenen Beschluss zum Nachweis der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide angestellt worden seien.

187

Die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommenen Änderungen seien nämlich nicht vorhersehbar gewesen. Engie zufolge hat sich die Kommission nicht einfach damit begnügt, ihre Argumentation fortzuentwickeln, sondern habe auch die hauptsächlichen Rügen und den eigentlichen Gegenstand des Beschlusses geändert.

188

Das Großherzogtum Luxemburg macht geltend, die Kommission habe dadurch, dass sie weder einen neuen Einleitungsbeschluss noch einen Berichtigungsbeschluss erlassen habe, obwohl dies nach der Sachlage erforderlich gewesen sei, seine Verteidigungsrechte und die Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 AEUV (ABl. 2015, L 248, S. 9) verletzt.

189

Das Großherzogtum Luxemburg fügt hinzu, dass die Kommission den angefochtenen Beschluss allein auf Erwägungen gestützt habe, die lückenhaft im Einleitungsbeschluss angeführt worden seien und offenbar zu den Rügen gehörten, die sie fallen gelassen habe. Wären die Rügen hinreichend substantiiert gewesen, hätte es mehr Elemente vorbringen können, um eine andere als die gewählte Lösung zu erreichen.

190

Außerdem habe das Schreiben der Kommission vom 11. Dezember 2017, das keinen Berichtigungsbeschluss darstelle, keine der dem Einleitungsbeschluss anhaftenden Unklarheiten beseitigt.

191

Die Kommission hält dieses gesamte Vorbringen für unbegründet. Sie macht im Licht der Rechtsprechung geltend, dass sie berechtigt gewesen sei, ihren Standpunkt zwischen dem Einleitungsbeschluss und dem abschließenden Beschluss anzupassen, ohne das förmliche Prüfverfahren erneut eröffnen zu müssen, und fügt im Wesentlichen hinzu, dass der Einleitungsbeschluss auf alle im angefochtenen Beschluss aufgeworfenen Punkte eingegangen sei.

192

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Wahrung der Verteidigungsrechte im förmlichen Prüfverfahren gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV erfordert, dass der betroffene Mitgliedstaat zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission angeführten Tatsachen und Umstände sowie zu den von ihr zur Stützung ihrer Behauptung, dass eine Verletzung des Unionsrechts vorliege, herangezogenen Schriftstücken und zu den Äußerungen, die beteiligte Dritte nach Art. 108 Abs. 2 AEUV abgegeben haben, sachgerecht Stellung nehmen kann. Die Kommission darf diese Äußerungen in ihrer Entscheidung gegen den Mitgliedstaat nicht berücksichtigen, soweit dieser keine Gelegenheit hatte, hierzu Stellung zu nehmen (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2017, Griechenland/Kommission, T‑314/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:903, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

193

Wenn die Kommission beschließt, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten, kann der Einleitungsbeschluss nach Art. 6 der Verordnung 2015/1589 auf eine Zusammenfassung der wesentlichen Sach- und Rechtsfragen, eine vorläufige Würdigung des Beihilfecharakters der fraglichen staatlichen Maßnahme und Ausführungen über die Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt beschränkt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Dezember 2017, Griechenland/Kommission, T‑314/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:903, Rn. 26).

194

Außerdem ermöglicht es das förmliche Prüfverfahren, die im Einleitungsbeschluss aufgeworfenen Fragen zu vertiefen und zu klären.

195

Aus Art. 9 der Verordnung 2015/1589 geht hervor, dass die Beurteilung durch die Kommission am Ende des förmlichen Prüfverfahrens anders ausfallen kann, da sie abschließend entscheiden kann, dass die Maßnahme keine Beihilfe darstellt oder dass die Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit ausgeräumt sind. Folglich kann der abschließende Beschluss bis zu einem gewissen Grad vom Einleitungsbeschluss abweichen, ohne dass dies zur Rechtswidrigkeit der abschließenden Entscheidung führt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Dezember 2017, Griechenland/Kommission, T‑314/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:903, Rn. 27).

196

Im vorliegenden Fall ist jedoch zunächst festzustellen, dass die Kommission im Einleitungsbeschluss vorab das Vorliegen eines selektiven Vorteils sowohl zugunsten der Tochtergesellschaften, nämlich LNG Supply und GSTM, als auch der Engie-Gruppe insgesamt bejaht hat.

197

So hat die Kommission in erster Linie geltend gemacht, dass die fraglichen Steuervorbescheide dadurch, dass sie die Nichtbesteuerung der ZORA-Akkretionen zuließen, von Art. 109 Abs. 1 und Art. 164 LIR abwichen, bei denen es sich um für alle in Luxemburg steuerpflichtigen Gesellschaften geltende Besteuerungsvorschriften handele.

198

Hilfsweise vertrat die Kommission zum einen die Auffassung, dass die fraglichen Steuervorbescheide von den Bestimmungen über die Besteuerung von Kapitalgewinnen aus konvertiblen Darlehen, nämlich den Art. 22bis und 97 LIR, abwichen, da sie die Nichtbesteuerung der von den Tochtergesellschaften erzielten Erträge dadurch billigten, dass sie die ZORA-Akkretionen abzugsfähigen Zinsen gleichsetzten.

199

Zum anderen führe die kombinierte Wirkung der Ausnahmen von den Art. 22bis und 109 LIR, die die Nichtbesteuerung der ZORA-Akkretionen ermögliche, zu einer Ausnahme von der Rechtsmissbrauchsvorschrift.

200

Nach dem Hinweis auf diese Erwägungen ist zunächst festzustellen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss sicher nicht die gesamte im Stadium des Einleitungsbeschlusses zur Analyse der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide entwickelte Argumentation übernommen hat.

201

Gleichwohl kann diese Beschränkung des Analyseumfangs der Kommission nicht als eine Änderung des Gegenstands des Einleitungsbeschlusses verstanden werden, bei dem es sich nach wie vor um die Vereinbarkeit der fraglichen Steuervorbescheide mit dem Beihilferecht handelt.

202

Sodann waren die Prämissen der im angefochtenen Beschluss in Bezug auf die Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide letztendlich vorgenommenen Analyse im Einleitungsbeschluss enthalten, was Engie und das Großherzogtum Luxemburg nicht in Abrede stellen wollen.

203

Wie nämlich in den Erwägungsgründen 91 bis 100 des angefochtenen Beschlusses dargelegt, wurden im Einleitungsbeschluss als Gesichtspunkte, die zu einem selektiven Vorteil führen können, zum einen die Möglichkeit für eine von einem ZORA profitierende Tochtergesellschaft, die ZORA-Akkretionen gemäß Art. 109 LIR als Zinsen abzuziehen, und zum anderen die Anwendung von Art. 22bis LIR auf den vorliegenden Fall genannt, da er eine Nichtbesteuerung dieser Akkretionen zum Zeitpunkt der Umwandlung des betreffenden ZORA ermögliche. Außerdem wurde die kombinierte Wirkung der Abzugsfähigkeit der ZORA-Akkretionen auf der Ebene der Tochtergesellschaften und die Nichtbesteuerung der entsprechenden Erträge auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften hervorgehoben.

204

Mit anderen Worten betraf der Einleitungsbeschluss bereits sowohl die fehlerhafte Anwendung von Art. 166 LIR auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften für Erträge aus Beteiligungen, die wirtschaftlich gesehen Gewinnen entsprächen, die auf der Ebene der Tochtergesellschaften nicht besteuert würden, als auch die Anwendung von Art. 22bis LIR, der die ZORA-Akkretionen nicht endgültig von der Steuer befreien, sondern ihre Besteuerung nur aufschieben solle. Ebenso hatte die Kommission bereits die Nichtanwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift geltend gemacht.

205

Da sich die von der Kommission im angefochtenen Beschluss in Bezug auf das Vorliegen eines selektiven Vorteils berücksichtigten Schlüsselelemente bereits aus dem Einleitungsbeschluss ergaben, kann das Großherzogtum Luxemburg der Kommission daher nicht vorwerfen, dass sie ihm nicht im Sinne der oben in Rn. 192 angeführten Rechtsprechung Gelegenheit gegeben habe, sachgerecht zum Vorliegen eines selektiven Vorteils Stellung zu nehmen.

206

Hinzu kommt, dass die Kommission mit Schreiben vom 11. Dezember 2017 ihre Erwägungen strukturell präzisieren und hierzu die Stellungnahmen sowohl von Engie als auch vom Großherzogtum Luxemburg einholen wollte.

207

Dies gilt eindeutig für die Bestimmung der Referenzrahmen, die im angefochtenen Beschluss für die Feststellung der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide sowohl auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften als auch auf der Ebene der Engie-Gruppe herangezogen wurden.

208

Außerdem hat die Kommission, auch wenn sie im Schreiben vom 11. Dezember 2017 keine Zusammenfassung ihrer im Einleitungsbeschluss geltend gemachten Argumentation zur Nichtanwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift vorgenommen hat, die Parteien erneut aufgefordert, ergänzende Stellungnahmen zu diesem Punkt abzugeben.

209

Schließlich ist die Beschränkung des Analyseumfangs für die Prüfung der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide zwischen dem Einleitungsbeschluss und dem angefochtenen Beschluss das Ergebnis des Schriftwechsels zwischen den Dienststellen der Kommission, dem Großherzogtum Luxemburg und Engie, was, soweit erforderlich, den eigentlichen Zweck des förmlichen Prüfverfahrens und die Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit des während dieses Verfahrens erfolgten Schriftwechsels zeigt.

210

In Anbetracht dieser Erwägungen kann die Kommission daher im vorliegenden Fall die Verfahrensrechte des Großherzogtums Luxemburg und von Engie nicht dadurch verletzt haben, dass sie keinen neuen Einleitungsbeschluss oder zumindest einen Berichtigungsbeschluss erlassen hat.

211

Folglich sind der sechste Klagegrund in der Rechtssache T‑525/18 und der vierte Klagegrund in der Rechtssache T‑516/18 als unbegründet zurückzuweisen.

4.   Zum ersten Klagegrund in der Rechtssache T‑525/18: fehlende Bindung staatlicher Mittel und fehlende Zurechenbarkeit der fraglichen Steuervorbescheide an den Staat

212

Erstens macht Engie geltend, dass die fraglichen Steuervorbescheide nicht als ein Eingreifen des Staates angesehen werden könnten. Diese seien nämlich fakultativ und zögen lediglich die strikten Konsequenzen aus der Anwendung des luxemburgischen Steuerrechts auf einen bestimmten Sachverhalt.

213

Diese Feststellung könne nicht durch die Nichtanwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift in Frage gestellt werden, da die Kommission in keiner Weise dargetan habe, dass die Praxis der luxemburgischen Behörden, für die im vorliegenden Fall allenfalls ein unterbliebenes Eingreifen festzustellen sei, in vergleichbaren Fällen anders ausgefallen sei.

214

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Vergünstigungen, damit sie als „Beihilfen“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuft werden können, zum einen unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden und zum anderen dem Staat zuzurechnen sein müssen (Urteil vom 28. März 2019, Deutschland/Kommission, C‑405/16 P, EU:C:2019:268, Rn. 48).

215

Um zu beurteilen, ob eine Maßnahme dem Staat zuzurechnen ist, ist zu prüfen, ob die öffentlichen Stellen am Erlass dieser Maßnahme beteiligt waren (Urteil vom 28. März 2019, Deutschland/Kommission, C‑405/16 P, EU:C:2019:268, Rn. 49).

216

Im vorliegenden Fall sind die fraglichen Steuervorbescheide, wie die Kommission im 156. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zutreffend ausgeführt hat, von den luxemburgischen Steuerbehörden erteilt worden.

217

Daher kann allein aufgrund dieser Feststellung nicht mit Erfolg in Abrede gestellt werden, dass diese Steuervorbescheide dem Großherzogtum Luxemburg zuzurechnen sind.

218

Zweitens beinhalten die fraglichen Steuervorbescheide laut Engie auch keine Bindung staatlicher Mittel. Sie führten nämlich nicht zu einer Verringerung der normalen Steuerschuld.

219

Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass nicht in jedem Fall festgestellt werden muss, dass eine Übertragung staatlicher Mittel stattgefunden hat, damit der einem oder mehreren Unternehmen gewährte Vorteil als eine staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV angesehen werden kann (Urteil vom 19. März 2013, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission u. a. und Kommission/Frankreich u. a., C‑399/10 P und C‑401/10 P, EU:C:2013:175, Rn. 100).

220

Als Beihilfen gelten namentlich Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen (Urteil vom 19. März 2013, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission u. a. und Kommission/Frankreich u. a., C‑399/10 P und C‑401/10 P, EU:C:2013:175, Rn. 101).

221

Mit den fraglichen Steuervorbescheiden hat die luxemburgische Steuerverwaltung, wie aus dem 158. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, es den betreffenden Holdinggesellschaften gestattet, auf bestimmte Erträge aus Beteiligungen nicht besteuert zu werden. Mit anderen Worten verringern diese Steuervorbescheide im Sinne der oben in Rn. 220 angeführten Rechtsprechung die Belastungen, die ein Unternehmen grundsätzlich zu tragen hat.

222

Das Erfordernis der Verwendung staatlicher Mittel ist somit ebenfalls erfüllt.

223

Der erste Klagegrund in der Rechtssache T‑525/18 ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

5.   Zum ersten und zum zweiten Klagegrund in der Rechtssache T‑516/18 sowie zum zweiten und zum dritten Klagegrund in der Rechtssache T‑525/18, mit denen im Wesentlichen Beurteilungs- und Rechtsfehler bei der Feststellung eines selektiven Vorteils gerügt werden

a)   Vorbemerkungen

224

Aus den Erwägungsgründen 162, 171, 200, 237 und 289 des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass sich die Kommission, wie sie in Beantwortung einer Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, zum Nachweis, dass die Engie-Gruppe einen selektiven Vorteil genossen habe, auf vier Argumentationslinien gestützt hat, von denen eine im Licht des 289. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses hilfsweise geltend gemacht wurde.

225

So war die Kommission erstens der Ansicht, dass die fraglichen Steuervorbescheide dem Engie-Konzern auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften einen selektiven Vorteil verschafften, indem sie von einem erweiterten Referenzrahmen in Gestalt des luxemburgischen Körperschaftsteuersystems abwichen.

226

Zweitens sei dem Engie-Konzern auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften auch dadurch ein selektiver Vorteil gewährt worden, dass die fraglichen Steuervorbescheide von einem auf die Bestimmungen über die Besteuerung von Gewinnausschüttungen und die Steuerbefreiung von Beteiligungen beschränkten Referenzrahmen abwichen.

227

Drittens war die Kommission im Licht eines erweiterten Referenzrahmens in Gestalt des luxemburgischen Körperschaftsteuersystems der Auffassung, dass die fraglichen Steuervorbescheide auch der Engie-Gruppe, die vorliegend die betreffenden Holdinggesellschaften, die Zwischengesellschaften und die Tochtergesellschaften umfasse, einen selektiven Vorteil verschafften.

228

Viertens und hilfsweise vertrat die Kommission die Auffassung, dass die fraglichen Steuervorbescheide allen Unternehmen der Engie-Gruppe, die im angefochtenen Beschluss zusammenfassend als „Engie“ bezeichnet werden, einen selektiven Vorteil verschafften, da sie von der Rechtsmissbrauchsvorschrift abwichen, die ein fester Bestandteil eines erweiterten Referenzrahmens in Gestalt des luxemburgischen Körperschaftsteuersystems sei.

229

Mit ihren Klagen stellen Engie und das Großherzogtum Luxemburg die gesamten Erwägungen der Kommission zur Feststellung des Vorliegens eines selektiven Vorteils im vorliegenden Fall in Frage. Zu diesem Zweck machen die Kläger Klagegründe und Argumente geltend, die in ihren jeweiligen Klageschriften zwar unterschiedlich präsentiert werden, inhaltlich jedoch erhebliche Ähnlichkeiten aufweisen.

230

Hierzu ist vorab darauf hinzuweisen, dass, soweit bestimmte Gründe einer Entscheidung diese für sich allein rechtlich hinreichend rechtfertigen können, etwaige Mängel der übrigen Begründung des Rechtsakts keinesfalls Auswirkungen auf dessen verfügenden Teil haben (Urteil vom 14. Dezember 2005, General Electric/Kommission, T‑210/01, EU:T:2005:456, Rn. 42).

231

Stützt die Kommission den verfügenden Teil einer Entscheidung auf mehrere Teile ihrer Würdigung, wovon jeder alleine ausreichen würde, um die Verfügung zu begründen, so ist ein derartiger Rechtsakt zudem grundsätzlich nur dann für nichtig zu erklären, wenn jede dieser Stützen fehlerhaft ist. In einem derartigen Fall kann ein Fehler oder ein anderer Mangel, der nur eine der genannten Stützen betrifft, nicht genügen, um die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses herbeizuführen, da dieser Fehler den verfügenden Teil der Entscheidung nicht entscheidend beeinflussen kann (Urteil vom 14. Dezember 2005, General Electric/Kommission, T‑210/01, EU:T:2005:456, Rn. 43).

232

Im vorliegenden Fall ließe somit die Begründetheit nur einer der Argumentationslinien der Kommission das von Engie und dem Großherzogtum Luxemburg gegen die anderen Argumentationslinien der Kommission geltend gemachte Vorbringen ins Leere laufen.

233

Für die Zwecke des vorliegenden Urteils hält es das Gericht für angebracht, zunächst das Vorbringen von Engie und des Großherzogtums Luxemburg zu prüfen, mit denen der Kommission vorgeworfen wird, die Voraussetzungen der Feststellung eines Vorteils mit denen der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide verwechselt zu haben, indem sie diese beiden Voraussetzungen nicht klar getrennt geprüft habe.

234

Anschließend wird das Gericht die Argumente prüfen, die gegen die von der Kommission vorgenommene Beurteilung des Vorliegens eines selektiven Vorteils vorgebracht werden, wobei es mit der Feststellung einer Abweichung von dem auf die Bestimmungen über die Besteuerung von Gewinnausschüttungen und die Steuerbefreiung von Beteiligungen beschränkten Referenzrahmen beginnen wird.

b)   Zur behaupteten Verwechslung der Voraussetzungen des Vorliegens eines Vorteils mit denen der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide

235

Engie und das Großherzogtum Luxemburg werfen der Kommission vor, die Begriffe des Vorteils und der Selektivität miteinander verwechselt zu haben.

236

Anstatt nacheinander das Vorliegen eines Vorteils und einer unterschiedlichen Behandlung zu prüfen, hat die Kommission nach Ansicht von Engie das Vorliegen eines Vorteils abgeleitet aus einer angeblichen Abweichung nicht von den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage, sondern von einem Ziel, das darin bestanden habe, unter allen Umständen die Gewinne körperschaftsteuerpflichtiger Unternehmen zu besteuern.

237

Die Bezugnahme auf das Ziel eines Steuersystems könne jedoch nur im Stadium der Beurteilung der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide und nicht in dem der Feststellung eines Vorteils erfolgen.

238

Die Kommission weist darauf hin, dass sich die Voraussetzung des Vorliegens eines Vorteils zwar von der Voraussetzung der Selektivität unterscheide, dass sich aber der Nachweis des Vorliegens eines Vorteils teilweise mit dem Nachweis der Selektivität überschneide. Weiche nämlich eine steuerliche Maßnahme von einem normalen Besteuerungssystem ab, sei die Voraussetzung des Vorliegens eines Vorteils ebenso erfüllt wie die ersten beiden Argumentationsschritte zur Selektivität. Zur angeblichen Verwechslung zwischen den Regeln, die den Referenzrahmen bildeten, und dem Ziel dieses Systems fügt die Kommission insbesondere hinzu, dass die allgemeinen Regeln des Steuersystems, d. h. die für alle Unternehmen geltenden Regeln, gerade das Ziel des Steuersystems widerspiegelten.

239

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Selektivität und Vorteil grundsätzlich zwei unterschiedliche Kriterien darstellen. Was den Vorteil betrifft, so muss die Kommission nachweisen, dass die Maßnahme die finanzielle Lage des Begünstigten verbessert (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Juli 1974, Italien/Kommission, 173/73, EU:C:1974:71, Rn. 33).

240

In Bezug auf die Selektivität hat die Kommission hingegen nachzuweisen, dass der Vorteil keinen anderen Unternehmen zugutekommt, die sich im Hinblick auf das mit dem Bezugssystem verfolgte Ziel in einer ähnlichen tatsächlichen und rechtlichen Situation wie der Begünstigte befinden (Urteil vom 8. September 2011, Paint Graphos u. a., C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550, Rn. 49).

241

In Steuersachen fällt jedoch die Prüfung des Vorteils mit der Prüfung der Selektivität zusammen, da diese beiden Kriterien den Nachweis verlangen, dass die beanstandete steuerliche Maßnahme zu einer Verringerung des Steuerbetrags führt, den der durch diese Maßnahme Begünstigte normalerweise nach der allgemeinen – d. h. für die anderen, in derselben Situation befindlichen Steuerpflichtigen geltenden – steuerrechtlichen Regelung hätte zahlen müssen. Im Übrigen können diese beiden Kriterien nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gemeinsam als die das Vorliegen eines „selektiven Vorteils“ betreffende „dritte Bedingung“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV geprüft werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Juni 2016, Belgien/Kommission, C‑270/15 P, EU:C:2016:489, Rn. 32).

242

Im vorliegenden Fall hat sich die Kommission jedoch – unabhängig von der Begründetheit aller im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen Erwägungen – bemüht, nachzuweisen, dass die fraglichen Steuervorbescheide zu einer Verringerung der insbesondere von den betreffenden Holdinggesellschaften bei Anwendung normaler Steuerregelungen normalerweise geschuldeten Steuer geführt haben und dass diese Maßnahmen folglich eine Abweichung von den für andere Steuerpflichtige in einer vergleichbaren Sach- und Rechtslage geltenden Steuervorschriften darstellen.

243

Die Kommission hat nämlich zunächst festgestellt, dass die fraglichen Steuervorbescheide dadurch, dass sie die Möglichkeit für die betreffenden Holdinggesellschaften bestätigten, eine Steuerbefreiung für Erträge aus Beteiligungen, die nach dem luxemburgischen Körperschaftsteuersystem und ohne die fraglichen Steuervorbescheide hätten besteuert werden müssen, in Anspruch nehmen zu können, zum einen diesen Gesellschaften einen Vorteil verschafften und zum anderen vom luxemburgischen Körperschaftsteuersystem abwichen.

244

Die Bezugnahme in den Erwägungsgründen 166 und 176 des angefochtenen Beschlusses auf das Ziel des luxemburgischen Körperschaftsteuersystems, das auf der Grundlage der Art. 18, 23, 40, 159 und 163 LIR, wie sie in den Erwägungsgründen 78 bis 81 des angefochtenen Beschlusses dargestellt sind, ermittelt wurde, kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, um eine Verwechslung zwischen den Voraussetzungen des Vorteils und der Selektivität aufzuzeigen.

245

Zwar wird das Ziel eines Steuersystems vor allem herangezogen, um die Selektivität einer steuerlichen Maßnahme festzustellen, da die Steuerpflichtigen, die sich in einer vergleichbaren Sach- und Rechtslage wie der Begünstigte der Beihilfe befinden, im Licht dieses Ziels ermittelt werden.

246

Das von der Kommission insbesondere in den Erwägungsgründen 166 und 176 des angefochtenen Beschlusses angeführte Ziel, nämlich „die Besteuerung des Gewinns aller in Luxemburg steuerpflichtigen Unternehmen, wie er in ihren Abschlüssen festgelegt ist“, scheint jedoch eher ein Grundsatz zu sein, der den allgemeinen Bestimmungen zugrunde liegt, die das von der Kommission herangezogene luxemburgische Körperschaftsteuersystem bilden, als ein Ziel des in Rede stehenden Systems.

247

Unabhängig davon, ob die Kommission diese Bestimmungen und den daraus hergeleiteten Grundsatz richtig aufgefasst hat, führt daher der Nachweis einer Abweichung von diesem Grundsatz zum Nachweis der Gewährung eines Vorteils.

248

Sodann muss dieselbe Feststellung nicht im Licht des luxemburgischen Körperschaftsteuersystems, sondern im Licht der luxemburgischen Bestimmungen über die Steuerbefreiung von Beteiligungen und die Besteuerung von Gewinnausschüttungen gelten.

249

Insbesondere aus den Erwägungsgründen 208 und 209 des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass die betreffenden Holdinggesellschaften ohne die fraglichen Steuervorbescheide keine Steuerbefreiung für ausgeschüttete Erträge, die nicht auf der Ebene ihrer jeweiligen Tochtergesellschaften besteuert wurden, hätten in Anspruch nehmen können, was zur Feststellung sowohl eines Vorteils als auch einer Abweichung von den Bestimmungen über die Steuerbefreiung von Beteiligungen und die Besteuerung von Gewinnausschüttungen führt.

250

Schließlich impliziert die Feststellung einer Abweichung von der Rechtsmissbrauchsvorschrift zugleich die Gewährung eines Vorteils, wie sich aus dem 312. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt. Die Kommission macht, kurz gesagt, geltend, dass die betreffenden Holdinggesellschaften ohne die fraglichen Steuervorbescheide und bei Anwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift keine Steuerbefreiung für die in Rede stehenden Erträge aus Beteiligungen hätten in Anspruch nehmen können.

251

Somit hat die Kommission im vorliegenden Fall nicht die Voraussetzungen der Feststellung eines Vorteils mit denen des Nachweises der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide verwechselt. Diese Voraussetzungen konnten angesichts der steuerlichen Natur dieser Steuervorbescheide gleichzeitig geprüft werden.

252

Folglich ist das auf eine solche Verwechslung gestützte Vorbringen als unbegründet zurückzuweisen.

253

Unter diesen Umständen ist nunmehr zu prüfen, ob die Kommission nach ihrer Prüfung der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide im Licht des engen Referenzrahmens, d. h. beschränkt auf die luxemburgischen Bestimmungen über die Steuerbefreiung von Beteiligungen und die Besteuerung von Gewinnausschüttungen, zu Recht auf das Vorliegen eines selektiven Vorteils schließen durfte.

c)   Zum behaupteten Fehlen eines selektiven Vorteils auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften im Licht des engen Referenzrahmens

254

In den Erwägungsgründen 200 bis 235 des angefochtenen Beschlusses führte die Kommission aus, dass die Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide anhand eines engen Bezugsrahmens festgestellt werden könne, der sich aus den Art. 164 und 166 LIR, nämlich den Bestimmungen über die Besteuerung von Gewinnausschüttungen und die Steuerbefreiung von Beteiligungen, zusammensetze.

255

Art. 164 LIR bestimmt:

„1.   Für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage ist es unerheblich, ob der Gewinn an die Berechtigten ausgeschüttet wurde oder nicht.

2.   Als Ausschüttung im Sinne des vorstehenden Absatzes sind Ausschüttungen jeglicher Art an Inhaber von Aktien, Partizipationsscheinen, Gründeraktien, Genussscheinen oder anderen Wertpapieren, einschließlich variabel verzinslicher Anleihen, zu verstehen, die einen Anspruch auf einen Anteil am jährlichen Gewinn oder am Liquidationsgewinn gewähren.

3.   Verdeckte Gewinnausschüttungen sind der Bemessungsgrundlage zuzurechnen. Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt insbesondere vor, wenn ein Aktionär, ein Gesellschafter oder eine interessierte Partei entweder direkt oder indirekt Gewinne von einem Unternehmen oder einem Verein bezieht, die er bzw. sie ohne diese Eigenschaft normalerweise nicht erhalten hätte.“

256

In Art. 166 Abs. 1 LIR heißt es:

„Die Erträge aus einer Beteiligung:

1.   eines voll steuerpflichtigen, gebietsansässigen Organismus mit kollektivem Charakter mit einer im Anhang zu Absatz 10 aufgeführten Form,

2.   einer voll steuerpflichtigen, nicht im Anhang zu Absatz 10 aufgeführten gebietsansässigen Kapitalgesellschaft,

3.   einer inländischen Betriebsstätte eines Organismus mit kollektivem Charakter im Sinne von Artikel 2 der Richtlinie [2011/96],

4.   einer inländischen Betriebsstätte einer Kapitalgesellschaft, die in einem Staat ansässig ist, mit dem das Großherzogtum Luxemburg ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat,

5.   einer inländischen Betriebsstätte einer Kapitalgesellschaft oder einer Genossenschaft, die in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ansässig ist, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist,

sind steuerfrei, wenn der Begünstigte die Beteiligung zum Zeitpunkt der Zurverfügungstellung der Erträge für einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten gehalten hat oder sich verpflichtet, sie über einen solchen Zeitraum zu halten, und während dieses gesamten Zeitraums die Beteiligungshöhe nicht eine Schwelle von 10 % oder der Kaufpreis eine Schwelle von 1200000 Euro unterschreiten.“

257

Insbesondere aus den Erwägungsgründen 201 und 202 des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass Art. 164 in Verbindung mit Art. 166 Abs. 1 LIR im luxemburgischen Recht dazu führe, dass eine Steuerbefreiung auf der Ebene der Gesellschaft, die Erträge aus Beteiligungen beziehe, ausgeschlossen sei, wenn diese Erträge nicht zuvor auf Ebene der Gesellschaft, die sie ausgeschüttet habe, besteuert worden seien.

258

Nach Art. 164 LIR könne der ausgeschüttete Gewinn nicht von der Steuerbemessungsgrundlage abgezogen werden. Mit anderen Worten könne der Gewinn unabhängig von der Art der vorgenommenen Ausschüttung nur nach Steuern ausgeschüttet werden. Art. 166 LIR erlaube es, den ausgeschütteten Gewinn auf Ebene der Gesellschaft, die ihn erhalte, von der Steuer zu befreien, sofern die erhaltenen Erträge das Ergebnis von Beteiligungen seien.

259

So ist die Kommission im 226. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis gekommen, dass die luxemburgische Steuerverwaltung den betreffenden Holdinggesellschaften dadurch einen selektiven Vorteil gewährt habe, dass sie ihnen durch die fraglichen Steuervorbescheide eine Steuerbefreiung für Erträge aus Beteiligungen ermöglicht habe, die wirtschaftlich gesehen den ZORA-Akkretionen entsprächen, die auf Ebene ihrer jeweiligen Tochtergesellschaften als Aufwand abgezogen worden seien.

260

Engie und das Großherzogtum Luxemburg machen im Wesentlichen geltend, dass die Kommission sowohl bei der Definition des engen Referenzrahmens als auch bei der Feststellung einer Abweichung von diesem Rahmen einen Fehler begangen habe und damit zu dem Schluss gekommen sei, dass den betreffenden Holdinggesellschaften ein selektiver Vorteil gewährt worden sei.

261

Daher ist in einem ersten Schritt das Vorbringen zu prüfen, wonach die Kommission eine fehlerhafte Definition eines auf die Bestimmungen über die Besteuerung von Gewinnausschüttungen und die Steuerbefreiung von Beteiligungen beschränkten Referenzrahmens vorgenommen habe, um sodann in einem zweiten Schritt auf das Vorbringen einzugehen, mit dem der das Vorliegen einer Abweichung von diesen Bestimmungen betreffende Teil des angefochtenen Beschlusses beanstandet wird.

1) Zur Definition des auf die Bestimmungen über die Besteuerung von Gewinnausschüttungen und die Steuerbefreiung von Beteiligungen beschränkten Referenzrahmens

262

Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission die Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften im Licht eines engen Bezugsrahmens beurteilt, der aus den Bestimmungen über die Steuerbefreiung von Beteiligungen und die Besteuerung von Gewinnausschüttungen, d. h. den Art. 164 und 166 LIR, besteht.

i) Zur fehlenden Ausweitung des Referenzrahmens auf die Mutter-Tochter-Richtlinie

263

Das Großherzogtum Luxemburg und Engie machen geltend, die Kommission habe den Referenzrahmen fälschlicherweise auf die für rein innerstaatliche Sachverhalte geltenden Bestimmungen reduziert. Stattdessen hätte sie sich auch auf Situationen beziehen müssen, die in den Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie fallen.

264

Engie weist darauf hin, dass das Großherzogtum Luxemburg auf der Grundlage der zum Zeitpunkt des Erlasses der fraglichen Steuervorbescheide geltenden Mutter-Tochter-Richtlinie nicht verlangt habe, dass die Gewinne der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Tochtergesellschaften zuvor im Sitzstaat dieser Tochtergesellschaften besteuert würden, damit die in Luxemburg ansässigen Muttergesellschaften in den Genuss der in der Mutter-Tochter-Richtlinie vorgesehenen Befreiung kommen könnten.

265

Engie und das Großherzogtum Luxemburg fügen hinzu, dass die Kommission in Anbetracht der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Steuerbefreiung ohne die Voraussetzung einer vorherigen Besteuerung der Gewinne auf der Ebene der Tochtergesellschaft nicht ausschließlich grenzüberschreitenden Sachverhalten vorbehalten könne.

266

Auf der Grundlage des Urteils vom 13. November 1990, Marleasing (C‑106/89, EU:C:1990:395), betont Engie die Notwendigkeit, Art. 166 LIR im Licht des Unionsrechts auszulegen, insbesondere im Licht der zum Zeitpunkt des Erlasses der fraglichen Steuervorbescheide geltenden Mutter-Tochter-Richtlinie.

267

Darüber hinaus würde eine fehlende Angleichung der steuerlichen Behandlung von grenzüberschreitenden Gewinnausschüttungen und rein internen Ausschüttungen zu einer umgekehrten Diskriminierung auf der Ebene der in Luxemburg ansässigen Mutter- und Tochtergesellschaften führen. Die Kommission könne damit nicht die vom luxemburgischen Gesetzgeber im Hinblick auf die Befreiungsregelung für Beteiligungen getroffene Wahl – unabhängig davon, ob es sich um interne oder grenzüberschreitende Ausschüttungen handele – in Frage stellen.

268

Nach Ansicht von Engie und dem Großherzogtum Luxemburg verstößt eine solche fehlende Angleichung der steuerlichen Behandlung außerdem gegen Art. 107 AEUV, wie sich aus den Urteilen vom 22. Dezember 2008, Les Vergers du Vieux Tauves (C‑48/07, EU:C:2008:758), und vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a. (C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981), ergebe.

269

Die Kommission rechtfertigt die unterbliebene Ausweitung des Referenzrahmens auf grenzüberschreitende Sachverhalte im Wesentlichen damit, dass der Zweck der Mutter-Tochter-Richtlinie allein darin bestehe, eine Benachteiligung grenzüberschreitender Sachverhalte gegenüber rein innerstaatlichen Sachverhalten zu verhindern, und nicht darin, die Ausweitung der Vorzugsbehandlung grenzüberschreitender Sachverhalte auf rein innerstaatliche Sachverhalte zu rechtfertigen.

270

Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Selektivität grundsätzlich in einem ersten Schritt die Bestimmung des Referenzsystems impliziert, in das sich die betreffende Maßnahme einfügt. Ihr kommt im Fall von steuerlichen Maßnahmen erhöhte Bedeutung zu, da das tatsächliche Vorliegen einer Vergünstigung nur im Verhältnis zu einer sogenannten „normalen“ Besteuerung festgestellt werden kann (Urteile vom 6. September 2006, Portugal/Kommission, C‑88/03, EU:C:2006:511, Rn. 56, und vom 21. Dezember 2016, Kommission/Hansestadt Lübeck, C‑524/14 P, EU:C:2016:971, Rn. 55).

271

Zum anderen kann die Selektivität einer steuerlichen Maßnahme nicht anhand eines Referenzsystems beurteilt werden, das aus einigen Bestimmungen besteht, die aus einem breiteren rechtlichen Rahmen künstlich herausgelöst wurden (Urteil vom 28. Juni 2018, Deutschland/Kommission, C‑209/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:507, Rn. 99).

272

Der Kommission kann jedoch nicht vorgeworfen werden, dass sie im vorliegenden Fall die steuerliche Behandlung grenzüberschreitender Dividendenausschüttungen nach der zum Zeitpunkt des Erlasses der fraglichen Steuervorbescheide geltenden Mutter-Tochter-Richtlinie nicht berücksichtigt hat.

273

Erstens handelt es sich bei dem Sachverhalt, um den es in der vorliegenden Rechtssache geht, um einen rein innerstaatlichen Sachverhalt. Sowohl die betreffenden Holdinggesellschaften als auch die Tochter- und die Zwischengesellschaften sind im Großherzogtum Luxemburg ansässig. Die steuerlichen Situationen dieser Gesellschaften unterliegen im vorliegenden Fall derselben Steuerhoheit. Daher können die der Anwendung unterschiedlicher Steuerregelungen und der Beteiligung verschiedener Steuerhoheiten eigenen Gefahren einer Doppelbesteuerung, die im Fall grenzüberschreitender Ausschüttungen bestehen könnten, in einem rein innerstaatlichen Sachverhalt wie dem in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden nicht auftreten.

274

Zweitens war es nach der zum Zeitpunkt des Erlasses der fraglichen Steuervorbescheide geltenden Mutter-Tochter-Richtlinie zwar formal nicht vorgeschrieben, die Befreiung der Erträge aus Beteiligungen von der vorherigen Besteuerung der ausgeschütteten Gewinne auf der Ebene der Tochtergesellschaften abhängig zu machen.

275

Art. 4 der Mutter-Tochter-Richtlinie sah nämlich u. a. vor, dass der Mitgliedstaat des Sitzes der Muttergesellschaft, die Dividenden von einer gebietsfremden Tochtergesellschaft erhält, von deren Besteuerung absehen kann.

276

Gleichwohl zielte eine solche Befreiungsregelung, die formal nicht von der Besteuerung der ausgeschütteten Gewinne auf der Ebene der gebietsfremden Tochtergesellschaft abhängt, nach dem dritten Erwägungsgrund der Mutter-Tochter-Richtlinie vor allem darauf ab, den Zusammenschluss von Gesellschaften auf Unionsebene zu erleichtern und etwaigen Unterschieden zwischen den Steuervorschriften zweier verschiedener Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen. Eine solche Logik ist sicherlich nicht auf die Situation von Unternehmen mit Sitz in ein und demselben Mitgliedstaat übertragbar.

277

Die Urteile vom 13. November 1990, Marleasing (C‑106/89, EU:C:1990:395), vom 22. Dezember 2008, Les Vergers du Vieux Tauves (C‑48/07, EU:C:2008:758), und vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a. (C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981), stellen diese Feststellung nicht in Frage.

278

Zunächst kann das Urteil vom 13. November 1990, Marleasing (C‑106/89, EU:C:1990:395), nicht in dem von Engie gewünschten Sinne ausgelegt werden. In dieser Rechtssache hat der Gerichtshof entschieden, dass ein nationales Gericht im Rahmen eines Rechtsstreits, der in den Anwendungsbereich einer Richtlinie fällt, die in innerstaatliches Recht hätte umgesetzt werden müssen, verpflichtet ist, sein nationales Recht unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen. Im vorliegenden Fall geht es jedoch keineswegs um eine Auslegung von Art. 166 LIR in einem Fall, der in den Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie fällt, nämlich bei Gewinnausschüttungen zwischen Gesellschaften mit Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten.

279

Sodann kann auch das Urteil vom 22. Dezember 2008, Les Vergers du Vieux Tauves (C‑48/07, EU:C:2008:758), keine etwaige Verpflichtung des Großherzogtums Luxemburg begründen, die steuerliche Behandlung grenzüberschreitender Ausschüttungen an die von rein innerstaatlichen Ausschüttungen anzupassen.

280

In diesem Fall ging es nur um die Frage, ob der Begriff der Beteiligung im Sinne der Mutter-Tochter-Richtlinie das Halten von Anteilen der Gesellschaft aufgrund einer Nießbrauchsvereinbarung (und nicht in Volleigentum) einschließt, was der Gerichtshof verneint hat.

281

Der Gerichtshof hat jedoch auch darauf hingewiesen, dass ein Mitgliedstaat grenzüberschreitende Sachverhalte nicht ungünstiger behandeln darf als rein innerstaatliche Sachverhalte. So hat der Gerichtshof in der Rechtssache, in der das Urteil vom 22. Dezember 2008, Les Vergers du Vieux Tauves (C‑48/07, EU:C:2008:758), ergangen ist, entschieden, dass, wenn ein Mitgliedstaat Dividenden, die eine Gesellschaft erhält, die die Anteile einer Tochtergesellschaft aufgrund einer Nießbrauchsvereinbarung hält, von der Steuer befreit, dies auch in einem grenzüberschreitenden Fall gelten muss. Das Ziel des Unionsrechts besteht nämlich nicht darin, umgekehrte Diskriminierungen zu bekämpfen, sondern darin, sicherzustellen, dass grenzüberschreitende Sachverhalte nicht ungünstiger behandelt werden als rein innerstaatliche Sachverhalte und nicht umgekehrt.

282

Die gleiche Feststellung gilt schließlich für das Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a. (C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981). Entgegen dem Vorbringen des Großherzogtums Luxemburg könnte ihm die Kommission nicht vorwerfen, eine staatliche Beihilfe gewährt zu haben, indem es grenzüberschreitende Dividendenausschüttungen günstiger behandelt als rein interne Ausschüttungen.

283

Die Voraussetzung der Zurechenbarkeit einer solchen Maßnahme an den Staat ist nämlich nicht erfüllt, wenn die in Rede stehende Maßnahme auf einen Unionsrechtsakt wie eine Richtlinie zurückzuführen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. April 2006, Deutsche Bahn/Kommission, T‑351/02, EU:T:2006:104, Rn. 99 bis 104). Im vorliegenden Fall ergibt sich die Befreiungsregelung für Beteiligungen aus der Mutter-Tochter-Richtlinie.

284

Jedenfalls steht die zum Zeitpunkt des Erlasses der fraglichen Steuervorbescheide geltende Mutter-Tochter-Richtlinie dem nicht entgegen, dass ein Zusammenhang zwischen der Besteuerung der ausgeschütteten Gewinne auf der Ebene einer Tochtergesellschaft und der anschließenden Befreiung der Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene einer gebietsfremden Muttergesellschaft hergestellt und gefordert wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Dezember 2008, Les Vergers du Vieux Tauves, C‑48/07, EU:C:2008:758, Rn. 36 und 37).

285

Diese Richtlinie soll Doppelbesteuerungstatbestände vermeiden, was implizit, aber notwendigerweise darauf hindeutet, dass sie auf dem Postulat beruht, dass der Mitgliedstaat, in dem die Tochtergesellschaft ansässig ist, die von dieser erzielten Gewinne vor ihrer Ausschüttung besteuert (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Dezember 2008, Les Vergers du Vieux Tauves, C‑48/07, EU:C:2008:758, Rn. 36 und 37).

286

Außerdem wird diese Auslegung unabhängig von der Frage seiner zeitlichen Anwendbarkeit durch Art. 1 der Richtlinie 2014/86/EU des Rates vom 8. Juli 2014 zur Änderung der Richtlinie 2011/96 (ABl. 2014, L 219, S. 40) bestätigt, wonach die Befreiung grenzüberschreitender Erträge aus Beteiligungen nur möglich ist, wenn diese nicht von der Tochtergesellschaft abgezogen werden können.

287

Im vorliegenden Fall war die Kommission daher nicht verpflichtet, den Referenzrahmen auf die Regelung der Mutter-Tochter-Richtlinie zu erweitern, wobei diese im Übrigen zumindest bei rein innerstaatlichen Sachverhalten nicht dazu führen könnte, jeden Zusammenhang zwischen der Befreiung der Erträge aus Beteiligungen und der Besteuerung von Gewinnausschüttungen auszuschließen.

ii) Zur Auslegung von Art. 164 in Verbindung mit Art. 166 LIR

288

Das Großherzogtum Luxemburg und Engie machen geltend, die Definition eines engeren Bezugsrahmens allein im Licht der Art. 164 und 166 LIR beruhe auf einer fehlerhaften Zusammenschau dieser beiden Bestimmungen.

289

Abgesehen davon, dass ein ZORA keine Gewinnausschüttung im Sinne von Art. 164 LIR impliziere, machen das Großherzogtum Luxemburg und Engie geltend, dass Art. 166 LIR nicht dahin ausgelegt werden könne, dass er die Steuerbefreiung auf der Ebene einer Muttergesellschaft davon abhängig mache, dass die während der Laufzeit des ZORA erzielten Erträge nicht auf der Ebene der Tochtergesellschaft abgezogen würden.

290

Ferner bedauert das Großherzogtum Luxemburg, dass die Kommission die Ausführungen in seinem Schreiben vom 31. Januar 2018 ignoriert habe, in dem klar erklärt worden sei, dass die Art. 164 und 166 LIR unterschiedliche Anwendungsbereiche hätten und dass die Einhaltung von Art. 164 LIR keine Anwendungsvoraussetzung von Art. 166 LIR sei.

291

Die Kommission betont insbesondere, dass die Komplementarität zwischen Art. 166 und Art. 164 Abs. 1 und 2 LIR unerlässlich sei, um die Kohärenz des luxemburgischen Steuersystems zu gewährleisten, was im Übrigen durch die Steuerdoktrin bestätigt werde.

292

Insoweit ist zwar zum einen darauf hinzuweisen, dass Art. 166 LIR die Gewährung der Befreiung der Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene einer Muttergesellschaft formal nicht von der vorherigen Besteuerung der ausgeschütteten Gewinne auf der Ebene ihrer Tochtergesellschaft abhängig macht.

293

Gleichwohl kann die Befreiung der Erträge aus Beteiligungen nur dann gewährt werden, wenn die von einer Tochtergesellschaft ausgeschütteten Erträge zuvor besteuert worden sind, es sei denn, man zieht bei einem rein innerstaatlichen Sachverhalt die Hypothese einer doppelten Nichtbesteuerung von Gewinnen in Betracht.

294

Schematisch sieht Art. 164 LIR die Besteuerung der von einer Gesellschaft erzielten Erträge unabhängig davon vor, ob diese Erträge ausgeschüttet werden oder nicht. Zu diesen Erträgen gehören nach Art. 164 Abs. 3 LIR auch verdeckte Gewinnausschüttungen. Art. 166 LIR befreit Erträge aus Beteiligungen unter bestimmten Voraussetzungen von der Steuer, womit Doppelbesteuerungen vermieden werden können. Ausgeschüttete Gewinne, die auf der Ebene der Tochtergesellschaft besteuert wurden, werden auf der Ebene der Muttergesellschaft nämlich grundsätzlich als steuerpflichtige Erträge erfasst.

295

Der Zusammenhang zwischen den beiden Bestimmungen ergibt sich ausdrücklich aus der Antwort des Großherzogtums Luxemburg vom 31. Januar 2018. Entsprechend dem im 202. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angeführten und in der Fußnote 223 wiedergegebenen eindeutigen Zitat hat das Großherzogtum Luxemburg anerkannt, dass „alle Beteiligungen, deren Erträge in den Genuss der Freistellungsregelung nach Art. 166 LIR kommen, … auch von Art. 164 [LIR] erfasst [werden]“.

296

Der Zusammenhang zwischen diesen beiden Bestimmungen geht umso deutlicher aus der Stellungnahme des luxemburgischen Conseil d’État (Staatsrat) vom 2. April 1965 zu dem Gesetzentwurf zur Aufnahme von Art. 166 in die LIR hervor, auf den die Kommission in den Fußnoten 139 und 238 des angefochtenen Beschlusses zu Recht verweist. Wie der luxemburgische Conseil d’État feststellt, ermöglicht Art. 166 LIR „aus Gründen der Steuergerechtigkeit und aus wirtschaftlichen Gründen“ die Vermeidung einer Doppel- oder Dreifachbesteuerung von ausgeschütteten Erträgen, nicht aber – im Wesentlichen – ein völliges Ausbleiben einer Besteuerung dieser Erträge.

297

Mit anderen Worten gilt die Befreiung von Erträgen aus Beteiligungen nur für Erträge, die nicht von der Bemessungsgrundlage der Tochtergesellschaft abgezogen wurden.

298

Folglich hat die Kommission keinen Rechtsfehler begangen, als sie im 204. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses einen Zusammenhang zwischen den Art. 164 und 166 LIR, d. h. zwischen der Befreiung der Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene der Muttergesellschaft und der Besteuerung der ausgeschütteten Gewinne auf der Ebene ihrer Tochtergesellschaft, festgestellt hat.

299

Zum anderen machen das Großherzogtum Luxemburg und Engie geltend, dass ein ZORA keine Gewinnausschüttung im Sinne von Art. 164 LIR impliziere, so dass die Bezugnahme auf diesen Artikel, insbesondere in den Erwägungsgründen 204 und 210 ff. des angefochtenen Beschlusses, fehlerhaft sei.

300

Zwar handelt es sich bei den ZORA-Akkretionen formal nicht um Gewinnausschüttungen, doch entsprechen die auf der Ebene der LNG Holding befreiten Erträge aus Beteiligungen im Wesentlichen dem Betrag dieser Akkretionen, so dass diese, wie in den Erwägungsgründen 210 bis 212 des angefochtenen Beschlusses zutreffend ausgeführt wird, unter den ganz besonderen Umständen des vorliegenden Falles und unter Berücksichtigung der Unternehmensstruktur mit einer Holding, einer Zwischengesellschaft und einer Tochtergesellschaft materiell Gewinnausschüttungen entsprechen. Die Kommission konnte somit für die Definition des engen Referenzrahmens zu Recht die Art. 164 und 166 LIR, die im nationalen Recht die Besteuerung von Erträgen aus Beteiligungen regeln, in Anspruch nehmen.

301

Daher ist das Vorbringen, Art. 164 in Verbindung mit Art. 166 LIR sei falsch ausgelegt worden, und folglich das gesamte Vorbringen, mit dem die Definition des engen Referenzrahmens durch die Kommission beanstandet wird, zurückzuweisen.

2) Zur Abweichung von den Bestimmungen über die Besteuerung von Gewinnausschüttungen und die Steuerbefreiung von Beteiligungen

302

In den Erwägungsgründen 208 bis 226 des angefochtenen Beschlusses stellte die Kommission fest, dass die luxemburgischen Steuerbehörden durch die fraglichen Steuervorbescheide von den Bestimmungen über die Besteuerung von Gewinnausschüttungen und die Steuerbefreiung von Beteiligungen abgewichen seien, indem sie den betreffenden Holdinggesellschaften eine Steuerbefreiung für Erträge aus Beteiligungen ermöglicht hätten, die wirtschaftlich gesehen den ZORA-Akkretionen entsprächen, die auf Ebene ihrer jeweiligen Tochtergesellschaften als Aufwendungen abgezogen worden seien.

303

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass, wie oben in den Rn. 247 und 248 festgestellt, der Nachweis einer Abweichung von den luxemburgischen Bestimmungen über die Steuerbefreiung von Beteiligungen und die Besteuerung von Gewinnausschüttungen, sollte er erbracht sein, zur Feststellung eines Vorteils führt.

304

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt die Beurteilung der zum Begriff der „staatlichen Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV gehörenden Voraussetzung der Selektivität des gewährten Vorteils die Feststellung, ob eine nationale Maßnahme im Rahmen einer bestimmten rechtlichen Regelung geeignet ist, „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ gegenüber anderen Unternehmen oder Produktionszweigen zu begünstigen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden und somit eine unterschiedliche Behandlung erfahren, die im Wesentlichen als diskriminierend eingestuft werden kann (vgl. Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a., C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 54 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

305

Das Großherzogtum Luxemburg und Engie machen im Wesentlichen geltend, dass im vorliegenden Fall keine Abweichung festgestellt werden könne, da erstens Art. 164 LIR nicht für ZORA gelte und kein unmittelbarer und offensichtlicher Zusammenhang zwischen der Abzugsfähigkeit der ZORA-Akkretionen auf der Ebene der Tochtergesellschaften und der Befreiung der Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften bestehe, zweitens die Erhöhung des Wertes der ZORA zum Zeitpunkt ihrer Ausgabe ungewiss gewesen sei, drittens die Art. 164 und 166 LIR bei isolierter Betrachtung korrekt angewandt worden seien, viertens die Kommission keinen Verstoß gegen diese beiden Bestimmungen, jeweils für sich genommen, nachgewiesen habe, und fünftens keine Vorzugsbehandlung der Engie-Gruppe auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften nachgewiesen worden sei.

i) Zur Anwendung von Art. 164 LIR auf ein ZORA und zum Bestehen eines Zusammenhangs zwischen der Abzugsfähigkeit der ZORA-Akkretionen auf der Ebene der Tochtergesellschaften und der Befreiung der Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften

306

Das Großherzogtum Luxemburg und Engie weisen darauf hin, dass Art. 164 LIR im luxemburgischen Recht nur die Gewinnausschüttungen regele, nicht aber das ZORA, das zum Teil ein Schuldtitelinstrument und zum Teil ein Kapitalinstrument sei.

307

Die Kommission lasse somit die Konvertierbarkeit des ZORA, die dazu führe, dass Art. 164 LIR nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar sei, so dass keine Abweichung von dieser Bestimmung festgestellt werden könne, außer Acht. Die Kommission habe ihre Analyse auf eine teleologische Auslegung des luxemburgischen Steuerrechts gestützt und damit gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Steuer verstoßen, wonach Steuergesetze eng auszulegen seien.

308

Nach Auffassung von Engie liegt auch deshalb keine solche Abweichung vor, weil kein unmittelbarer und offensichtlicher Zusammenhang zwischen dem von LNG Holding erzielten Gewinn und den auf der Ebene von LNG Supply als Aufwand abgezogenen ZORA-Akkretionen festgestellt werden könne. Die Kommission habe auch zu Unrecht den Abschluss des vorausbezahlten Terminkaufvertrags mit der anschließenden Herabsetzung des Kapitals der LNG Supply in Verbindung gebracht, die im Übrigen zum Zeitpunkt der Erteilung der fraglichen Steuervorbescheide nicht vorgesehen gewesen sei. Da keine solche Verbindung bestehe, seien die fraglichen Steuervorbescheide im Ergebnis nicht von dem herangezogenen Referenzrahmen abgewichen.

309

Außerdem seien die ZORA-Akkretionen laut Engie als steuerpflichtiger Gewinn in den Abschlüssen von LNG Luxembourg verbucht worden, so dass die Steuerbefreiung – unterstellt, es werde ein Zusammenhang zwischen dem Betrag der auf der Ebene von LNG Supply als Aufwendungen abgezogenen Akkretionen und dem auf der Ebene von LNG Holding steuerbefreiten Betrag festgestellt – letztlich keinen völlig unversteuert gebliebenen Betrag betroffen habe.

310

Die Kommission hält dieses gesamte Vorbringen für unbegründet. Insbesondere macht sie geltend, dass, wenn derselbe Gewinnbetrag auf der Ebene des ausschüttenden Unternehmens als Aufwand abgezogen und auf der Ebene des Begünstigten als Ertrag steuerbefreit werden könnte, dieser Gewinn im Großherzogtum Luxemburg jeglicher Besteuerung entginge, was im vorliegenden Fall ohne Weiteres das Vorliegen einer Abweichung von dem auf die Holdinggesellschaften anwendbaren engen Referenzrahmen erkennen lasse.

311

Im Gegensatz zu einem formalistischen Ansatz, der darin besteht, jeden der Vorgänge, aus denen sich die raffinierte Finanzkonstruktion zusammensetzt, isoliert zu betrachten, ist es in Übereinstimmung mit der Kommission geboten, das rechtliche Erscheinungsbild beiseitezulassen, um die wirtschaftliche und steuerliche Realität der Konstruktion zu erfassen. Bei der Ermittlung, ob staatliche Maßnahmen staatliche Beihilfen sein können, sind im Wesentlichen die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die begünstigten Unternehmen zu berücksichtigen (vgl. Urteil vom 13. September 2010, Griechenland u. a./Kommission, T‑415/05, T‑416/05 und T‑423/05, EU:T:2010:386, Rn. 212 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

312

Obwohl es sich bei den ZORA-Akkretionen formal nicht um Gewinnausschüttungen handelt, entsprechen die auf der Ebene der LNG Holding steuerbefreiten Erträge aus Beteiligungen im Wesentlichen dem Betrag dieser Akkretionen, so dass sie, wie sich aus den Erwägungsgründen 210 bis 212 des angefochtenen Beschlusses zu Recht ergibt, unter den ganz besonderen Umständen des vorliegenden Falles der Sache nach Gewinnausschüttungen entsprechen.

313

Die fraglichen Steuervorbescheide billigen verschiedene, ein Ganzes bildende Transaktionen, durch die die Übertragung eines Geschäftsbereichs und deren Finanzierung zwischen drei Unternehmen derselben Gruppe in einer zirkulären und voneinander abhängigen Weise umgesetzt wird. Diese Transaktionen wurden so konzipiert, dass sie in drei aufeinanderfolgenden, jedoch miteinander verknüpften Schritten abliefen, an denen eine Holdinggesellschaft, eine Zwischengesellschaft und eine Tochtergesellschaft beteiligt waren.

314

Zwar wurden erstens die ZORA-Akkretionen in den Abschlüssen der Zwischengesellschaften als steuerpflichtiger Gewinn verbucht.

315

Jedoch haben das Großherzogtum Luxemburg und Engie auf eine Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt, dass dieser Gewinn auf der Ebene der Zwischengesellschaften zum Zeitpunkt der Erfüllung des zwischen den Zwischengesellschaften und den betreffenden Holdinggesellschaften abgeschlossenen vorausbezahlten Terminkaufvertrags durch einen Verlust in gleicher Höhe ausgeglichen worden sei.

316

Darüber hinaus wurden die betreffenden Holdinggesellschaften nach diesem Vertrag automatisch Inhaber der zum Zeitpunkt der Umwandlung der betreffenden ZORA ausgegebenen Anteile, die den Nennbetrag des gewährten Darlehens und die von den Tochtergesellschaften erzielten Gewinne beinhalteten.

317

Mit anderen Worten hat es der zwischen den betreffenden Holdinggesellschaften und den Zwischengesellschaften abgeschlossene vorausbezahlte Terminkaufvertrag in Wirklichkeit ermöglicht, den steuerpflichtigen Gewinn auf der Ebene der Zwischengesellschaften auszugleichen und zugleich das Eigentum an den zum Zeitpunkt der Umwandlung der fraglichen ZORA ausgegebenen Anteile auf diese Holdinggesellschaften zu übertragen.

318

Damit wurden die betreffenden Holdinggesellschaften Inhaber dieser Anteile, deren Wert die ZORA-Akkretionen beinhaltet.

319

Zweitens ist zwar auch die Erfüllung des vorausbezahlten Terminkaufvertrags in jeder Hinsicht ein von der späteren Annullierung eines Teils der erhaltenen Anteile der Tochtergesellschaften zu unterscheidender Vorgang.

320

Für die LNG Holding entsprachen jedoch im vorliegenden Fall die auf ihrer Ebene aufgrund des vorausbezahlten Terminkaufvertrags erzielten Erträge und erst recht die infolge der Annullierung der Anteile der LNG Supply erzielten Erträge wirtschaftlich gesehen in Wirklichkeit dem Betrag der vor der teilweisen Umwandlung dieses ZORA erzielten ZORA-Akkretionen, was das Großherzogtum Luxemburg in der mündlichen Verhandlung in Beantwortung einer Frage des Gerichtshofs ausdrücklich eingeräumt hat.

321

Diese Feststellung kann nicht mit dem Argument in Frage gestellt werden, dass sich die fraglichen Steuervorbescheide nicht zur späteren Annullierung eines Teils der erhaltenen Anteile der Tochtergesellschaften, sondern nur zur Erfüllung des vorausbezahlten Terminkaufvertrags geäußert hätten.

322

Aus dem Antrag auf Erteilung eines Steuervorbescheids vom 20. September 2013, wie er im 43. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zitiert wird, geht nämlich eindeutig hervor, dass die spätere Annullierung eines Teils der erhaltenen Anteile der Tochtergesellschaften auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften sehr wohl vor der Umwandlung der betreffenden ZORA vorgesehen war.

323

Darin heißt es nämlich, dass „[die LNG Holding d]urch die Kapitalherabsetzung durch [LNG Supply] … einen Gewinn in Höhe der Differenz zwischen dem Nennwert der umgewandelten Anteile und dem Umwandlungsbetrag erfassen [wird]“ und „[d]ieser Gewinn … in den Abschlüssen der [LNG Holding] sichtbar sein und, wie zuvor von der Steuerverwaltung bestätigt, … unter die Steuerbefreiung von Beteiligungen [fallen wird]“.

324

Der ausdrückliche Hinweis auf die vorherige diesbezügliche Bestätigung der luxemburgischen Steuerverwaltung weist im Wesentlichen darauf hin, dass es sich bei den von der LNG Holding erzielten Erträgen aus der Herabsetzung des Kapitals der LNG Supply um diejenigen Erträge handelte, für die – insbesondere in dem vom Großherzogtum Luxemburg positiv beantworteten Antrag auf Erteilung eines Steuervorbescheids vom 9. September 2008 – die Anwendung von Art. 166 LIR beantragt worden war.

325

Drittens ist zwar die Abzugsfähigkeit der ZORA-Akkretionen auf der Ebene der Tochtergesellschaften formal ein von der Befreiung der Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene der Holdinggesellschaften getrennter Vorgang.

326

Gleichwohl besteht in Wirklichkeit eine unmittelbare Verbindung zwischen diesen beiden Vorgängen. Die auf der Ebene der LNG Holding gemäß Art. 166 LIR steuerbefreiten Erträge entsprechen im Wesentlichen, wie das Großherzogtum Luxemburg in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, den auf der Ebene der LNG Supply abgezogenen ZORA-Akkretionen.

327

Somit hat die Kommission zu Recht die Wechselwirkungen zwischen mehreren Vorgängen, die zwar formal getrennt waren, aber inhaltlich zusammengehören, dargelegt, und die Auffassung vertreten, dass die luxemburgische Steuerverwaltung dadurch, dass sie auf der Ebene der Holdinggesellschaften die Befreiung der Erträge aus Beteiligungen, die wirtschaftlich gesehen dem Betrag der auf der Ebene der Tochtergesellschaften als Aufwand abgezogenen ZORA-Akkretionen entsprächen, bestätigt habe, von dem aus den Art. 164 und 166 LIR bestehenden Referenzrahmen abgewichen sei.

ii) Zum ungewissen Wert eines ZORA zum Zeitpunkt seiner Ausgabe

328

Das Großherzogtum Luxemburg und Engie machen geltend, die Kommission habe nicht außer Acht lassen dürfen, dass die Werterhöhung der ZORA zum Zeitpunkt ihres Abschlusses und zum Zeitpunkt des Erlasses der fraglichen Steuervorbescheide ungewiss gewesen sei. Genau dies sei nach Auffassung des Großherzogtums Luxemburg für CEF der Fall, zumal das ZORA, von dem GSTM profitiert habe, nicht umgewandelt worden sei.

329

Das Großherzogtum Luxemburg und Engie sind der Ansicht, dass die am Tag der Ausstellung der fraglichen Steuervorbescheide bestehende Ungewissheit im Hinblick auf die künftige Erzielung eines Gewinns durch die von dem fraglichen ZORA profitierenden Tochtergesellschaften die Feststellung einer Abweichung vom engen Referenzrahmen im Wesentlichen ausschließe.

330

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass als staatliche Beihilfen Maßnahmen gleich welcher Art gelten, die mittelbar oder unmittelbar Unternehmen begünstigen oder die als ein wirtschaftlicher Vorteil anzusehen sind, den das begünstigte Unternehmen unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte (Urteil vom 9. Oktober 2014, Ministerio de Defensa und Navantia, C‑522/13, EU:C:2014:2262, Rn. 21).

331

Außerdem kann eine Maßnahme auch dann eine staatliche Beihilfe darstellen, wenn die Höhe der Beihilfe und erst recht die Feststellung eines Vorteils von Umständen außerhalb des Steuersystems abhängen.

332

Somit kann eine Maßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV darstellen, auch wenn sich der Vorteil zum Zeitpunkt des Erlasses der fraglichen Maßnahme noch nicht verwirklicht hat. Die bloße Wahrscheinlichkeit einer künftigen Verwirklichung des Vorteils reicht aus. Die fehlende Verwirklichung des Vorteils schließt nämlich nur die Rückforderung der Beihilfe aus, nicht aber ihre Einstufung als solche.

333

Zwar kommen im vorliegenden Fall der Vorteil und letztlich die Abweichung vom Referenzrahmen dann in vollem Umfang zum Ausdruck, wenn die Tochtergesellschaften während der Laufzeit des fraglichen ZORA einen Gewinn erzielen. Gleichwohl schließt die am Tag des Abschlusses der fraglichen ZORA bestehende Ungewissheit im Hinblick auf die Erzielung eines Gewinns auf der Ebene der Tochtergesellschaften die Gewährung eines selektiven Vorteils für die betreffenden Holdinggesellschaften und die Feststellung einer Abweichung vom engen Referenzrahmen nicht aus.

334

Zum Zeitpunkt der Erteilung der fraglichen Steuervorbescheide hat sich die luxemburgische Steuerverwaltung nämlich im Licht der ihr unterbreiteten Finanzkonstruktion für die Befreiung der Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften ausgesprochen, die wirtschaftlich gesehen Erträgen, die auf der Ebene der Tochtergesellschaften als Aufwand abgezogen wurden, entsprechen konnten.

335

Die Kommission hat daher keinen Fehler begangen, als sie zu dem Schluss kam, dass die luxemburgischen Steuerbehörden bei der Festlegung der steuerlichen Sonderregelung für die betreffenden Holdinggesellschaften einen rechtlichen Rahmen abgesteckt haben, der ihnen die Gewährung eines Vorteils ermöglichte, und damit vom engen Referenzrahmen abgewichen sind.

iii) Zur Feststellung einer Ausnahme aufgrund der kombinierten Wirkung allgemeiner Bestimmungen

336

Engie macht geltend, dass die Kommission die im Gesetz nicht vorgesehene kombinierte Wirkung der Abzugsfähigkeit der ZORA-Akkretionen auf der Ebene der Tochtergesellschaften und der Befreiung der Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene der Holdinggesellschaften nicht habe berücksichtigen dürfen. Die Anwendung zweier allgemeiner Bestimmungen auf einen Einzelfall kann nach Ansicht von Engie keinen Vorteil verschaffen, wenn die betreffenden Bestimmungen allgemein gelten und die Anwendung jeder dieser Bestimmungen für sich genommen mit ihrer normalen Anwendung übereinstimme.

337

Die Kommission sei von ihrer Entscheidungspraxis abgewichen, wie sie aus ihrem Beschluss 2014/200/EU vom 17. Juli 2013 über die staatliche Beihilfe SA.21233 C/11 (ex NN/11, ex CP 137/06) Spaniens – Auf bestimmte Finanzierungs-Leasingvereinbarungen anwendbares Steuersystem, das auch als spanisches True-Lease-Modell bezeichnet wird (ABl. 2014, L 114, S. 1, im Folgenden: Beschluss über das spanische True-Lease-Modell), hervorgehe, wonach jede steuerliche Maßnahme – gesondert betrachtet – von der normalen Anwendung der fraglichen Steuervorschriften abweichen müsse. Dieses Erfordernis sei bei mehreren Steuerpflichtigen, wie im vorliegenden Fall, noch wichtiger gewesen.

338

Engie fügt hinzu, dass die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vertretene Auffassung voraussetze, dass nach einem Grundsatz der Kohärenz die Anwendung von Steuervorschriften auf einen Steuerpflichtigen von der steuerlichen Behandlung eines anderen Steuerpflichtigen nach anderen allgemeinen Bestimmungen abhängig gemacht werde. Auch habe die Kommission das Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732), verkannt, das die Berücksichtigung der Wirkungen einer Steuerregelung auf den Fall beschränkt habe, dass ihre Konzeption eindeutig willkürlich oder parteiisch sei.

339

Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

340

Wie aus den vorstehenden Rn. 306 bis 327 hervorgeht, muss nach luxemburgischem Recht ein Zusammenhang zwischen der Befreiung von Erträgen aus Beteiligungen auf der Ebene einer Muttergesellschaft und der Abzugsfähigkeit der ausgeschütteten Erträge auf der Ebene ihrer Tochtergesellschaft festgestellt werden.

341

Die Anwendung einer solchen Steuerbefreiung kann daher nicht in Betracht gezogen werden, ohne dass zuvor geprüft wird, ob die steuerbefreiten Erträge Gegenstand einer Besteuerung waren. Die steuerliche Behandlung der Gesellschaft, die die ausgeschütteten Erträge bezieht, hängt, was Art. 166 LIR betrifft, von der steuerlichen Behandlung der ausschüttenden Gesellschaft ab.

342

Im vorliegenden Fall besteht gemäß den vorstehenden Rn. 312 bis 327 auch ein Zusammenhang zwischen der Abzugsfähigkeit der ZORA-Akkretionen auf der Ebene von LNG Supply und der Befreiung der Erträge aus Beteiligungen, die wirtschaftlich diesen Akkretionen entsprechen, auf der Ebene von LNG Holding. Dieser Zusammenhang ergibt sich aus der von Engie implementierten Finanzierungsstruktur und den verschiedenen zwischen den Gesellschaften der Engie-Gruppe geschlossenen Verträgen, wie sie durch die fraglichen Steuervorbescheide gebilligt wurden. Die den Wert der ZORA-Akkretionen beinhaltenden LNG-Supply-Anteile werden nämlich über dieses ZORA von LNG Supply an LNG Luxembourg und über den vorausbezahlten Terminkaufvertrag von LNG Luxembourg an die LNG Holding geleitet, die durch die Annullierung der erhaltenen Anteile letztlich einen steuerfreien Kapitalgewinn erzielt. Das Gleiche gilt zwischen GSTM und CEF, auch wenn das ZORA, von dem Erstere profitiert, nicht umgewandelt worden ist.

343

Aufgrund dieses Zusammenhangs und der Berücksichtigung der kombinierten Wirkung dieser beiden Vorgänge auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften weichen die fraglichen Steuervorbescheide vom engen Referenzrahmen ab. Im vorliegenden Fall kam eine Befreiung der Erträge aus Beteiligungen, die wirtschaftlich gesehen den ZORA-Akkretionen entsprechen, auf der Ebene der LNG Holding nicht in Betracht, da diese Akkretionen auf der Ebene von LNG Supply als Aufwand abgezogen wurden.

344

Aufgrund dieser kombinierten Wirkung konnte die Kommission in den Erwägungsgründen 208 und 209 des angefochtenen Beschlusses zu Recht feststellen, dass eine Abweichung von dem aus den Art. 164 und 166 LIR bestehenden Referenzrahmen vorlag.

345

Angesichts des Vorliegens dieser Zusammenhänge hat die Kommission daher keinen Rechtsfehler begangen, als sie auf der Ebene der Holdinggesellschaften die kombinierte Wirkung der Abzugsfähigkeit eines Ertrags auf der Ebene einer Tochtergesellschaft mit dessen späterer Steuerbefreiung auf der Ebene der Muttergesellschaft berücksichtigt hat.

346

Diese Schlussfolgerung kann durch den oben in Rn. 337 angeführten Beschluss über das spanische True-Lease-Modell nicht in Frage gestellt werden.

347

Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Entscheidungspraxis der Kommission in anderen Fällen nicht die Gültigkeit eines angefochtenen Beschlusses berühren kann, die nur anhand der objektiven Normen des Vertrags zu beurteilen ist (vgl. Urteil vom 20. September 2019, Havenbedrijf Antwerpen und Maatschappij van de Brugse Zeehaven/Kommission, T‑696/17, EU:T:2019:652, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

348

Zum anderen ergibt sich unabhängig von der Erwägung, dass die Kommission nicht an ihre frühere Entscheidungspraxis gebunden ist, insbesondere aus den Erwägungsgründen 131 und 140 des Beschlusses über das spanische True-Lease-Modell, dass die Kommission in dieser Rechtssache, auch wenn die steuerliche Konstruktion dort auf der Kombination mehrerer verschiedener steuerlicher Maßnahmen beruhte, die Feststellung der Selektivität des spanischen True-Lease-Modells nicht von der Feststellung der Selektivität jeder der – gesondert betrachteten – Maßnahmen, aus der die Regelung bestand, abhängig machen wollte. Auch bestand das spanische True-Lease-Modell aus fünf Maßnahmen, deren kombinierte Anwendung sich im Gegensatz zum vorliegenden Fall, in dem die Art. 164 und 166 LIR betroffen sind, deren Komplementarität sich im Wesentlichen aus ihrer Zusammenschau ergibt, weder formal noch inhaltlich aus einer gesetzlichen Bestimmung ergab.

349

Das Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C-107/09 P, EU:C:2011:732), kann ebenso wenig dahin ausgelegt werden, dass die Berücksichtigung der Wirkungen einer Maßnahme allein auf ihren als „willkürlich oder parteiisch“ definierten Charakter beschränkt wäre.

350

Zum einen ist festzustellen, dass sich die Rechtssachen, in denen das Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732), ergangen ist, erheblich von der vorliegenden unterscheiden, da die fragliche Regelung selbst den Referenzrahmen darstellte, anhand dessen die bevorzugte Behandlung von „Offshore-Unternehmen“ festgestellt worden war.

351

Zum anderen unterscheidet Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht nach den Gründen und Zielen staatlicher Eingriffe, sondern definiert diese nach ihren Wirkungen und somit unabhängig von den verwendeten Techniken. Die von Engie angeführte Rechtsprechung kann jedoch nur in Streitfällen herangezogen werden, die dem Szenario, das dem Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732), zugrunde lag, ähnlich sind.

iv) Zum Fehlen eines Verstoßes gegen die jeweils gesondert betrachteten Art. 164 und 166 LIR

352

Das Großherzogtum Luxemburg macht geltend, da die Art. 164 und 166 LIR im Einklang mit dem nationalen Recht angewandt worden seien, hätte die Kommission nachweisen müssen, dass die fraglichen Steuervorbescheide gegen diese Artikel verstießen.

353

Im Licht des Urteils vom 12. November 2013, MOL/Kommission (T‑499/10, EU:T:2013:592), hätte die Kommission unter Bezugnahme auf die Bestimmungen, auf denen die fraglichen Steuervorbescheide beruhten, und durch den Nachweis eines Verstoßes gegen diese Bestimmungen die Selektivität dieser Steuervorbescheide feststellen müssen.

354

Die Kommission betont, dass die Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide weniger von einer fehlerhaften Anwendung der Bestimmungen, auf deren Grundlage diese Steuervorbescheide erlassen worden seien, abhänge, als von der Selektivität dieser Bestimmungen.

355

Hierzu ist festzustellen, dass entgegen dem Vorbringen des Großherzogtums Luxemburg im vorliegenden Fall die Feststellung einer Abweichung vom engen Referenzrahmen nicht von der Feststellung eines Verstoßes gegen die jeweils gesondert betrachteten Art. 164 und 166 LIR abhing. Vielmehr war die Abweichung im Licht einer Kombination der Art. 164 und 166 LIR zu beurteilen, die den engen Bezugsrahmen bildeten, wonach Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene einer Muttergesellschaft nicht steuerbefreit werden konnten, wenn diese Erträge auf der Ebene ihrer Tochtergesellschaft nicht besteuert worden sind, und umgekehrt.

356

Aus den Erwägungsgründen 212 und 213 des angefochtenen Beschlusses geht jedoch hervor, dass die fraglichen Steuervorbescheide vom engen Bezugsrahmen abweichen, da die Engie-Gruppe aufgrund dieser Steuervorbescheide auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften von einer Steuerbefreiung für Erträge profitiert hat, die wirtschaftlich ausgeschütteten Gewinnen, die nicht auf der Ebene ihrer Tochtergesellschaften besteuert worden sind, entsprachen. Genau dies galt für das zugunsten von LNG Supply aufgelegte ZORA. Der LNG Holding wurde nämlich eine Steuerbefreiung für Erträge aus Beteiligungen erteilt, die wirtschaftlich gesehen den von LNG Supply als Aufwand abgezogenen Erträgen entsprachen.

357

Die Verpflichtung, einen Verstoß der fraglichen Steuervorbescheide gegen die Art. 164 und 166 LIR nachzuweisen, ergibt sich auch nicht aus dem Urteil vom 12. November 2013, MOL/Kommission (T‑499/10, EU:T:2013:592). Entgegen dem Vorbringen des Großherzogtums Luxemburg lässt sich diesem Urteil nämlich nur entnehmen, dass sich die Selektivität einer Beihilfemaßnahme aus einer der Verwaltung durch einen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung eingeräumten Ermessensbefugnis ergeben kann, und zwar unabhängig von der Ausübung dieses Ermessens. Ferner wird in diesem Urteil klargestellt, dass bei fehlender Ausübung einer solchen Befugnis auf den Inhalt der Maßnahme abzustellen ist, um festzustellen, ob sie dem Begünstigten einen selektiven Vorteil verschafft.

358

Unter diesen Umständen ist das auf den fehlenden Nachweis eines Verstoßes gegen die jeweils gesondert betrachteten Art. 164 und 166 LIR gestützte Vorbringen zurückzuweisen.

v) Zur Vorzugsbehandlung der Engie-Gruppe auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften

359

Engie und das Großherzogtum Luxemburg, unterstützt durch Irland, sind der Auffassung, die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass die fraglichen Steuervorbescheide die Engie-Gruppe gegenüber anderen Unternehmen oder Unternehmensgruppen, die sich in einer vergleichbaren Lage befänden, bevorzugt behandelt hätten.

360

Nach Ansicht von Engie hat die Kommission keine Nachweise erbracht für das Vorliegen abweichender Steuervorbescheide und für eine Weigerung der luxemburgischen Steuerbehörden, einem Unternehmen in einer vergleichbaren Lage einen solchen Bescheid zu erteilen, oder aber für das Vorliegen einer Steuerprüfung bei Unternehmen, die die in den fraglichen Steuervorbescheiden vorgesehene Struktur eingerichtet hätten.

361

Im vorliegenden Fall habe nur eine faktische Diskriminierung festgestellt werden können, so dass die Kommission im Licht der Urteile vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732), und vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a. (C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981), bei Vorliegen einer Einzelmaßnahme, durch die eine allgemeine Regelung angewandt werde, typische und spezifische Merkmale der von den fraglichen Steuervorbescheiden begünstigten Unternehmen hätte ermitteln müssen, aufgrund deren sie von denjenigen unterschieden werden könnten, die davon ausgeschlossen seien.

362

Andernfalls hätte die Kommission nachweisen müssen, dass die in den fraglichen Steuervorbescheiden angewandten Steuervorschriften trotz ihrer scheinbaren Allgemeinheit für sich genommen geeignet seien, bestimmte Unternehmen aufgrund ihrer spezifischen Merkmale gegenüber anderen Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren Lage befänden, zu begünstigen.

363

Das Großherzogtum Luxemburg, das insoweit von Irland unterstützt wird, macht ferner geltend, dass sich die Kommission, wenn jeder Steuerpflichtige, wie sie eingeräumt habe, in der Lage sei, eine der in den fraglichen Steuervorbescheiden ähnliche Finanzierungsstruktur zu schaffen, nicht auf die Selektivität dieser Steuervorbescheide hätte berufen dürfen.

364

Irland betont, dass, da jeder Steuerpflichtige die gleiche steuerliche Behandlung wie Engie in Anspruch nehmen könne, indem er eine ähnliche Finanzkonstruktion schaffe wie die, die in den fraglichen Steuervorbescheiden berücksichtigt worden sei, kaum eine Diskriminierung oder ein Ausschluss festgestellt werden könne. Die Kommission hätte nach Ansicht Irlands nachweisen müssen, dass eine andere Unternehmensgruppe trotz der Einrichtung einer ähnlichen Finanzkonstruktion de jure oder de facto von einer identischen steuerlichen Behandlung ausgeschlossen worden sei. Ohne eine solche Feststellung habe es jedoch keine Differenzierung durch das nationale Recht geben können: Der einzige Unterschied habe darin bestanden, wie sich die einzelnen Steuerpflichtigen in Bezug auf die Organisation ihrer Geschäfte entschieden hätten.

365

Nach Ansicht der Kommission kann die Tatsache, dass eine Finanzierungsstruktur grundsätzlich jedem Marktteilnehmer offensteht, die Selektivität der streitigen Steuervorbescheide nicht ausschließen.

366

Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach dem für die Feststellung der Selektivität der in Rede stehenden Maßnahme einschlägigen Maßstab zu prüfen ist, ob diese zwischen Wirtschaftsteilnehmern, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden allgemeinen Steuerregelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, eine durch die Natur oder den Aufbau dieses Systems nicht gerechtfertigte Unterscheidung einführt (Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a., C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 60).

367

Genauer gesagt ist die Voraussetzung der Selektivität erfüllt, wenn die Kommission nachweisen kann, dass eine nationale Maßnahme, die einen Steuervorteil verschafft, von der in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden allgemeinen oder „normalen“ Steuerregelung abweicht und damit durch ihre konkreten Auswirkungen eine unterschiedliche Behandlung von Wirtschaftsteilnehmern einführt, obwohl sich die Wirtschaftsteilnehmer, denen der Steuervorteil gewährt wird, im Hinblick auf das mit der Steuerregelung dieses Mitgliedstaats verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden (Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a., C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 67).

368

Aus der Rechtsprechung geht ebenso hervor, dass die Feststellung der Selektivität einer abweichenden steuerlichen Maßnahme nicht davon abhängig gemacht werden kann, dass eine besondere Gruppe von Unternehmen ermittelt wird, die sich aufgrund spezifischer Eigenarten unterscheiden lässt. Eine solche Ermittlung ist jedoch relevant, wenn sich eine Maßnahme nicht in Form eines von der allgemeinen Steuerregelung abweichenden Steuervorteils, sondern in Form der Anwendung einer „allgemeinen“ Steuerregelung darstellte, die auf Kriterien beruht, die auch an sich allgemeiner Art sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a., C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 71 bis 78).

369

Im Falle einer von einer allgemeinen Regelung abweichenden steuerlichen Maßnahme ergibt sich die Feststellung der Selektivität nicht zwangsläufig daraus, dass bestimmte Unternehmen aufgrund rechtlicher, wirtschaftlicher oder praktischer Zwänge, die sie an der Durchführung des Vorgangs, von dem die Gewährung des Vorteils abhängt, hindern, diesen Vorteil nicht in Anspruch nehmen können, doch kann sie sich allein aus der Feststellung ergeben, dass es einen Vorgang gibt, der zwar mit dem Vorgang vergleichbar ist, von dem die Gewährung des fraglichen Vorteils abhängt, aber keinen Anspruch auf diesen Vorteil begründet. Daraus folgt, dass eine steuerliche Maßnahme selektiv sein kann, auch wenn sich jedes Unternehmen frei dafür entscheiden kann, den Vorgang, von dem die Gewährung des in dieser Maßnahme vorgesehenen Vorteils abhängt, durchzuführen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a., C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 80 bis 88).

370

Im vorliegenden Fall geht aus den Erwägungsgründen 205 und 215 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Kommission davon ausging, dass die betreffenden Holdinggesellschaften steuerlich günstiger behandelt würden als Gesellschaften, die Erträge aus Beteiligungen erhielten und daher im Gegensatz zu diesen Holdinggesellschaften den Regeln über die Steuerbefreiung von Beteiligungen und die Besteuerung von Gewinnausschüttungen unterlägen.

371

Während die Befreiung der Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene einer Muttergesellschaft in einem rein innerstaatlichen Sachverhalt nur bei einer Besteuerung der ausgeschütteten Erträge auf der Ebene ihrer Tochtergesellschaft in Betracht kommt, profitieren die betreffenden Holdinggesellschaften im vorliegenden Fall von einer Steuerbefreiung von Beteiligungen für Erträge, die wirtschaftlich gesehen dem Betrag der auf der Ebene ihrer jeweiligen Tochtergesellschaften als Aufwand abgezogenen ZORA-Akkretionen entsprechen. Für ein und denselben vergleichbaren Vorgang, nämlich die Vereinnahmung von Erträgen aus Beteiligungen im Anschluss an eine Investition in das Kapital einer Tochtergesellschaft, sind bestimmte Muttergesellschaften von dem Steuervorteil, von dem die betreffenden Holdinggesellschaften profitieren, ausgeschlossen.

372

Folglich hat die Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass die betreffenden Holdinggesellschaften gegenüber jeder Muttergesellschaft, die Erträge aus Beteiligungen vereinnahmen konnte, die zum Zeitpunkt ihrer Ausschüttung nicht besteuert wurden, in den Genuss einer steuerlichen Vorzugsbehandlung gekommen sind.

373

Das Vorbringen von Engie und dem Großherzogtum Luxemburg kann diese Feststellung nicht in Frage stellen.

374

Zum einen macht Engie angesichts eines allen offenen Finanzierungssystems, das die betreffenden Holdinggesellschaften in Anspruch genommen hätten, geltend, dass die Kommission zur Feststellung der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide darlegen müsse, dass anderen Unternehmen in einer vergleichbaren Situation eine identische steuerliche Behandlung verweigert worden sei.

375

Selbst wenn jedoch Holdinggesellschaften im Rahmen von Finanzierungsmaßnahmen, die ebenfalls die Ausgabe eines ZORA durch eine Zwischengesellschaft umfassten, eine ähnliche steuerliche Behandlung wie CEF und LNG Holding erfahren sollten, wäre das Vorliegen identischer Steuervorbescheide allenfalls ein Indiz für eine etwaige Beihilferegelung und nicht für das Fehlen einer Diskriminierung.

376

Außerdem beruht die Argumentation von Engie auf der falschen Prämisse, dass der von der Kommission herangezogene Referenzrahmen aus der aus den fraglichen Steuervorbescheiden hervorgegangenen steuerlichen Sonderregelung für die betreffenden Holdinggesellschaften bestehe. Von der Kommission zu verlangen, dass sie zur Feststellung einer Diskriminierung die Unternehmen ermittelt, denen eine identische steuerliche Behandlung für dieselbe Finanzkonstruktion verweigert wurde, würde nämlich implizieren, dass die Kommission die genannte steuerliche Sonderregelung als Referenzrahmen herangezogen hätte.

377

Der Referenzrahmen, von dem die fraglichen Steuervorbescheide abweichen, besteht vielmehr aus den Art. 164 und 166 LIR, die die Besteuerung der Gewinnausschüttungen entweder auf der Ebene der Tochtergesellschaft oder auf der Ebene der Muttergesellschaft regeln.

378

Zum anderen kann auch das Vorbringen keinen Erfolg haben, die Kommission habe keine besondere Gruppe von Unternehmen, der die Gesellschaften der Engie-Gruppe angehörten, anhand ihrer spezifischen Eigenarten als privilegierte Gruppe ermittelt.

379

Wie oben in Rn. 368 ausgeführt, ist die Ermittlung einer solchen Kategorie nämlich nur im Rahmen einer allgemeinen Steuerregelung erforderlich, die für sich genommen den herangezogenen Referenzrahmen darstellt.

380

Dies ist vorliegend nicht der Fall, da sich die Kommission bei der Feststellung der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide auf die sich daraus ergebende Ungleichbehandlung gestützt hat, die darin besteht, dass diese Bescheide den betreffenden Holdinggesellschaften und nicht anderen Unternehmen, die sich im Licht des Ziels des engen Referenzrahmens, von dem die fraglichen Steuervorbescheide abweichen, in einer vergleichbaren Situation befinden, einen Vorteil verschaffen.

381

Die Kommission hat daher im angefochtenen Beschluss zu Recht eine steuerliche Vorzugsbehandlung der betreffenden Holdinggesellschaften festgestellt. Somit sind die Argumente, die gegen die Feststellung einer Abweichung von den Bestimmungen über die Besteuerung von Gewinnausschüttungen und die Steuerbefreiung von Beteiligungen und damit gegen die Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide vorgebracht werden, als unbegründet zurückzuweisen.

vi) Schlussfolgerung zur Gewährung eines selektiven Vorteils für die Engie-Gruppe auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften im Licht des engen Referenzrahmens

382

Da zum einen die Kommission die Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide anhand von vier Argumentationslinien, von denen eine hilfsweise geltend gemacht wurde, nachgewiesen hat, und zum anderen das Vorbringen, mit dem die Stichhaltigkeit einer dieser Argumentationslinien, nämlich das Vorliegen eines selektiven Vorteils auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften im Licht des engen Referenzrahmens, bestritten werden soll, als unbegründet zurückgewiesen wurde, ist auf die Prüfung des gegen die verbleibenden alternativen Argumentationslinien geltend gemachten Vorbringens im Interesse der Verfahrensökonomie und insofern, als dieses Vorbringen ins Leere geht, gemäß der oben in den Rn. 230 und 231 angeführten Rechtsprechung grundsätzlich zu verzichten.

383

Angesichts der Neuartigkeit der Argumentation, mit der die Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide im Hinblick auf den die Rechtsmissbrauchsvorschrift beinhaltenden Referenzrahmen dargetan werden soll, hält es das Gericht jedoch für angebracht, auch die Stichhaltigkeit des gegen diese Argumentation geltend gemachten Vorbringens zu prüfen.

d)   Zum behaupteten Fehlen eines selektiven Vorteils im Licht der Rechtsmissbrauchsvorschrift

384

In den Erwägungsgründen 289 bis 312 des angefochtenen Beschlusses führt die Kommission aus, dass die fraglichen Steuervorbescheide Engie einen selektiven Vorteil verschafften, weil die Rechtsmissbrauchsvorschrift nicht angewandt worden sei. Nach dem 290. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses sei diese Bestimmung Bestandteil des luxemburgischen Körperschaftsteuersystems.

385

Nach der Rechtsmissbrauchsvorschrift darf „eine Steuerschuld nicht durch missbräuchliche Inanspruchnahme der Formen und Möglichkeiten des bürgerlichen Rechts umgangen oder gemindert werden“, und „[i]m Falle eines Missbrauchs sind die Steuern so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Umständen angepassten rechtlichen Struktur erhoben würden“.

386

Die Bezugnahme auf „Engie“, insbesondere im 162. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, zur Bezeichnung der Einheit, auf deren Ebene die Selektivität infolge der Nichtanwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift beurteilt werde, verweist gemäß dem 16. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auf die Engie SA sowie auf die von dieser direkt oder indirekt kontrollierten Gesellschaften, d. h. in Luxemburg die betreffenden Holdinggesellschaften, die Zwischengesellschaften und die Tochtergesellschaften.

387

Nach den Erwägungsgründen 292 bis 298 des angefochtenen Beschlusses erfüllt die von Engie eingerichtete Finanzkonstruktion die vier sich aus der luxemburgischen Rechtsprechung ergebenden Voraussetzungen, wie sie der Kommission vom Großherzogtum Luxemburg in seiner Antwort vom 31. Januar 2018 auf das Schreiben vom 11. Dezember 2017 zur Kenntnis gebracht wurden, um einen Rechtsmissbrauch festzustellen, nämlich erstens die Verwendung einer Rechtsform des Privatrechts, zweitens die Verringerung der Steuerschuld, drittens die Verwendung einer unangemessenen rechtlichen Gestaltung und viertens das Fehlen nicht steuerbezogener Gründe.

388

Abgesehen von der Feststellung, dass die ZORA-Akkretionen auf der Ebene der betreffenden Tochtergesellschaften, der Zwischengesellschaften und der Holdinggesellschaften nicht besteuert worden seien, geht die Kommission in den Erwägungsgründen 304 bis 310 des angefochtenen Beschlusses im Hinblick auf die Bedingung der Verwendung einer unangemessenen rechtlichen Gestaltung davon aus, dass andere Finanzierungsmittel, wie z. B. Eigenkapitalinstrumente oder Darlehen, verfügbar und mit der Absicht des luxemburgischen Gesetzgebers vereinbar gewesen wären, da diese nicht zur Nichtbesteuerung der von den Tochtergesellschaften erzielten Erträge geführt hätten.

389

Zu den zur Verfügung stehenden Darlehensinstrumenten gehört nach Auffassung der Kommission ein unmittelbar von einer Muttergesellschaft zugunsten ihrer Tochtergesellschaft, ohne Beteiligung einer Zwischengesellschaft ausgegebenes ZORA. Die Kommission legt Art. 22bis LIR nämlich dahin aus, dass er, unterstellt, er sei auf ZORA-Akkretionen anwendbar, nur einen Aufschub der Besteuerung dieser Akkretionen erlauben würde.

390

In Art. 22bis Abs. 2 Nr. 1 LIR in der zum Zeitpunkt des Erlasses der fraglichen Steuervorbescheide geltenden Fassung, dessen Auslegung durch die Kommission beanstandet wird, heißt es:

„2.   Abweichend von Artikel 22 Absatz 5 führen die in den nachfolgenden Nummern 1 bis 4 genannten Austauschvorgänge nicht zur Realisierung von Kapitalgewinnen, es sei denn, dass in den Fällen der Nummern 1, 3 und 4 entweder der Gläubiger oder der Anteilseigner auf die Anwendung dieser Bestimmung verzichtet:

1. bei der Umwandlung eines Darlehens: die Zuteilung von Anteilen am Gesellschaftskapital des Schuldners an den Gläubiger. Im Falle der Umwandlung eines verzinslichen Wandeldarlehens sind die kapitalisierten Zinsen, die auf das Geschäftsjahr vor der Umwandlung entfallen, zum Zeitpunkt des Austauschs zu versteuern.

…“

391

In Übereinstimmung mit den Erwägungsgründen 278 bis 284 des angefochtenen Beschlusses trägt die Kommission vor, dass Art. 22bis Abs. 2 Nr. 1 LIR, der im Wesentlichen bestimme, dass bei der Umwandlung eines Darlehens die Zuteilung von Anteilen am Gesellschaftskapital des Schuldners an den Gläubiger nicht zur Realisierung eines Kapitalgewinns führe, es sei denn, der Gläubiger oder der Anteilseigner verzichteten auf die Anwendung dieser Bestimmung, nicht auf ZORA-Akkretionen anwendbar sei. Art. 22bis LIR stelle nämlich klar, dass bei Umwandlung eines verzinslichen Wandeldarlehens die kapitalisierten Zinsen, die auf das Geschäftsjahr vor der Umwandlung entfielen, zum Zeitpunkt des Austauschs zu versteuern seien. Selbst wenn Art. 22bis LIR auf ZORA-Akkretionen anwendbar wäre, würde dieser Artikel nicht zu einer dauerhaften Befreiung der ZORA-Akkretionen führen, sondern nur zu einem Aufschub ihrer Besteuerung.

392

Zur Voraussetzung des Fehlens nicht steuerbezogener Gründe weist die Kommission in den Erwägungsgründen 306 bis 313 des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass die Finanzierung der Übertragung von Geschäftsbereichen mittels eines von einer Zwischengesellschaft aufgelegten ZORA in Verbindung mit einem mit einer Holdinggesellschaft abgeschlossenen vorausbezahlten Termingeschäft nicht mit einer Begrenzung des Risikoprofils der Tochtergesellschaften oder der Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Flexibilität der Gruppe begründet werden könne. Das einzige verfolgte Motiv sei die Erzielung erheblicher Steuerersparnisse gewesen.

393

Nach Ansicht der Kommission ist der Vorteil, der Engie aufgrund der Nichtanwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift gewährt worden sei, selektiv, da er gemäß den Erwägungsgründen 311 und 312 des angefochtenen Beschlusses, in denen festgestellt wurde, dass das Gesetz in einem Fall, in dem die Voraussetzungen für seine Anwendung erfüllt gewesen seien, nicht angewandt worden sei, grundsätzlich keinem anderen Unternehmen zur Verfügung gestanden habe.

1) Vorbemerkungen

394

Die Kommission hat im angefochtenen Beschluss die Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide im Licht der Rechtsmissbrauchsvorschrift als fester Bestandteil des luxemburgischen Körperschaftsteuersystems geprüft.

395

Da die fraglichen Steuervorbescheide nicht hätten erlassen werden können, weil die Voraussetzungen für die Anwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift erfüllt gewesen seien, habe das Großherzogtum Luxemburg Engie einen selektiven Vorteil verschafft. Dieser beruhe auf einer Nichtanwendung des Gesetzes in einem Fall, in dem die Voraussetzungen für seine Anwendung erfüllt gewesen seien, und stehe „per Definition keinem anderen Unternehmen zur Verfügung“.

396

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass das Großherzogtum Luxemburg und Engie mit ihrem Vorbringen nicht die Definition des Referenzrahmens beanstanden, den die Kommission für den Nachweis der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide im Licht der Rechtsmissbrauchsvorschrift herangezogen hat.

397

Zwar erwähnt die Kommission in den Erwägungsgründen 290 und 291 des angefochtenen Beschlusses als Referenzsystem das „luxemburgische Körperschaftsteuersystem“, dessen Hauptziel „die Besteuerung von Unternehmensgewinnen“ sei und zu dem die Rechtsmissbrauchsvorschrift gehöre.

398

Gleichwohl stellt die Kommission in den Erwägungsgründen 299 bis 312 des angefochtenen Beschlusses eine Abweichung allein von der Rechtsmissbrauchsvorschrift fest, indem sie im vorliegenden Fall prüft, ob die vier kumulativen Voraussetzungen erfüllt sind.

399

Mit anderen Worten kann das Vorbringen von Engie und dem Großherzogtum Luxemburg in ihren Schriftsätzen gegen den von der Kommission in den Erwägungsgründen 171 bis 199 des angefochtenen Beschlusses erbrachten Nachweis der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften anhand eines erweiterten Referenzrahmens in Gestalt des „luxemburgischen Körperschaftsteuersystems“ keinen Erfolg haben, um im Rahmen der vorliegenden Klagegründe die von der Kommission festgestellte Abweichung allein in Bezug auf die Rechtsmissbrauchsvorschrift in Frage zu stellen. Dies gilt insbesondere für das Vorbringen, mit dem das Großherzogtum Luxemburg und Engie der Kommission vorwerfen, sie habe keine Abweichung von den Bestimmungen, die das luxemburgische Körperschaftsteuersystem bildeten, wie sie in den Erwägungsgründen 78 bis 81 des angefochtenen Beschlusses dargestellt seien, sondern von einem angeblichen Ziel dieses Referenzrahmens festgestellt.

400

Das „grundlegende Ziel des luxemburgischen Körperschaftsteuersystems“, auf das die Kommission im 305. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses in dem den Rechtsmissbrauch betreffenden Teil Bezug nimmt, wird nicht deshalb herangezogen, um eine Abweichung von diesem „Ziel“ festzustellen, sondern um zu prüfen, ob die in den fraglichen Steuervorbescheiden gebilligte steuerliche Behandlung mit der Absicht des luxemburgischen Gesetzgebers im Einklang steht. Die Heranziehung dieses „Ziels“ fügt sich daher in einen anderen Ansatz ein als den, der den Erwägungsgründen 171 bis 199 des angefochtenen Beschlusses zugrunde liegt.

401

Dagegen wenden sich das Großherzogtum Luxemburg und Engie erstens gegen die Beurteilung der Kriterien, die erfüllt sein müssen, um nach luxemburgischem Recht einen Rechtsmissbrauch festzustellen, und bestreiten zweitens das Vorliegen einer Vorzugsbehandlung. Vor der Prüfung der Begründetheit des zu diesem Zweck geltend gemachten Vorbringens ist jedoch auf den Vortrag des Großherzogtums Luxemburg, mit dem die Zulässigkeit der auf die Rechtsmissbrauchsvorschrift gestützten Argumentation bestritten wird, einzugehen.

2) Zur behaupteten Neuartigkeit der auf die Rechtsmissbrauchsvorschrift gestützten Argumentation

402

Das Großherzogtum Luxemburg führt aus, dass die Argumentation der Kommission, mit der sie geltend mache, dass ein selektiver Vorteil aufgrund einer Abweichung von der Rechtsmissbrauchsvorschrift gewährt worden sei, „unzulässig“ sei. Die Kommission habe diese Rüge im Verwaltungsverfahren nur erwähnt und nicht näher ausgeführt.

403

Der Einleitungsbeschluss habe im Hinblick auf die Anwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift nämlich nicht auf die Befreiung der Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene der Holdinggesellschaften, sondern auf die Abzugsfähigkeit der Akkretionen auf der Ebene der Tochtergesellschaften abgestellt. Das Schreiben der Kommission vom 11. Dezember 2017 habe im Übrigen die diesbezüglichen Unzulänglichkeiten des Einleitungsbeschlusses in keiner Weise beseitigt.

404

Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission, wie sich aus der vorstehenden Rn. 204 ergibt, bereits im Einleitungsbeschluss auf die Nichtanwendung dieser Bestimmung hingewiesen hat. Darüber hinaus hat die Kommission in ihrem Schreiben vom 11. Dezember 2017 zwar keine Zusammenfassung ihrer Argumentation zur Nichtanwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift vorgenommen, die Parteien jedoch erneut aufgefordert, ergänzende Stellungnahmen zu diesem Punkt abzugeben.

405

Folglich ist das Vorbringen des Großherzogtums Luxemburg, mit dem die Neuartigkeit der auf die Rechtsmissbrauchsvorschrift gestützten Argumentation der Kommission geltend gemacht wird und deren „Zulässigkeit“ in Abrede gestellt werden soll, als unbegründet zurückzuweisen.

3) Zur Abweichung von der Rechtsmissbrauchsvorschrift

406

Das Großherzogtum Luxemburg und Engie sind der Auffassung, dass die Rechtsmissbrauchsvorschrift im vorliegenden Fall nicht angewandt werden könne. Abgesehen davon, dass die Kommission zur Feststellung der diesbezüglichen Selektivität die Verwaltungspraxis der luxemburgischen Steuerbehörden hätte heranziehen müssen, werfen das Großherzogtum Luxemburg und Engie der Kommission vor, verschiedene Beurteilungsfehler bei der Anwendung der Kriterien begangen zu haben, die nach luxemburgischem Recht zu erfüllen seien, um eine Anwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift zu rechtfertigen. Da die Kriterien nicht erfüllt seien, hätten die luxemburgischen Behörden nicht auf einen Rechtsmissbrauch schließen können, so dass keine Abweichung von dieser Bestimmung habe festgestellt werden können. Das Großherzogtum Luxemburg und Engie weisen darauf hin, dass, selbst wenn man unterstellt, dass die Rechtsmissbrauchsvorschrift anwendbar gewesen sein sollte, zum einen die Kommission nicht nachgewiesen habe, dass die Gesellschaften der Engie-Gruppe bevorzugt behandelt worden seien, und zum anderen ein Verbot der Finanzkonstruktion wegen ihrer angeblichen Missbräuchlichkeit zu einer Verletzung der Niederlassungsfreiheit führen würde.

407

Die Kommission macht insbesondere geltend, dass die vier aus der luxemburgischen Praxis hervorgegangenen Kriterien für die Feststellung eines Rechtsmissbrauchs im vorliegenden Fall erfüllt seien. Es sei offensichtlich, dass die Gewinne der an der Konstruktion beteiligten Unternehmen der Gruppe von der Steuer befreit worden seien, während wirtschaftlich gleichwertige und ohne dieselbe Konstruktion durchgeführte Vorgänge besteuert worden seien.

i) Zur behaupteten Nichtberücksichtigung der Verwaltungspraxis der luxemburgischen Steuerbehörden

408

Vorab ist festzustellen, dass aus den Akten der verbundenen Rechtssachen T‑516/18 und T‑525/18 keineswegs hervorgeht, dass das Großherzogtum Luxemburg oder Engie der Kommission während des Verwaltungsverfahrens eine luxemburgische Verwaltungspraxis zur Kenntnis gebracht hätten, die gegebenenfalls unerlässlich gewesen wäre, um die Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide in diesem Punkt auszuschließen.

409

Unabhängig davon ist festzustellen, dass die Kommission, wie sich aus den Erwägungsgründen 293 bis 298 des angefochtenen Beschlusses ergibt, zu Recht sowohl auf ein Rundschreiben der luxemburgischen Verwaltung von 1989 als auch auf die luxemburgische Rechtsprechungspraxis verwiesen hat, aus der sie die vier Kriterien abgeleitet hat, die für die Feststellung eines Rechtsmissbrauchs nach luxemburgischem Recht zu beachten sind. Außerdem erschien es nicht erforderlich, die Verwaltungspraxis zu berücksichtigen, da die Rechtsmissbrauchsvorschrift im vorliegenden Fall keine Auslegungsschwierigkeiten aufwarf.

ii) Zur Beurteilung der Kriterien für die Rechtfertigung der Anwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift

410

Die Parteien sind sich darüber einig, welche Kriterien für die Feststellung eines Rechtsmissbrauchs nach luxemburgischen Recht zu beachten sind. Im Licht der Erwägungsgründe 301 bis 306 des angefochtenen Beschlusses und des der Klageschrift in der Rechtssache T‑516/18 beigefügten Urteils der Cour administrative du Grand-Duché de Luxembourg (Verwaltungsgerichtshof des Großherzogtums Luxemburg) vom 7. Februar 2013 hängt diese Feststellung davon ab, dass vier Kriterien erfüllt sind, nämlich die Verwendung privatrechtlicher Formen oder Institutionen, die Verringerung der Steuerschuld, die Verwendung einer unangemessenen rechtlichen Gestaltung und das Fehlen nicht steuerbezogener Gründe.

411

Was das erste Kriterium anbelangt, so ist im vorliegenden Fall unstreitig, dass Engie privatrechtliche Formen verwendet hat, die durch die fraglichen Steuervorbescheide gebilligt wurden. Wie oben in Rn. 34 ausgeführt, beziehen sich die fraglichen Steuervorbescheide nämlich auf verschiedene konzerninterne Transaktionen, bei denen es sich um eine Gesamtheit handelt, durch die für LNG Supply und GSTM ein einziger Vorgang umgesetzt wird, nämlich die konzerninterne Übertragung der Aktivitäten im Zusammenhang mit Flüssigerdgas bzw. der Finanzierungs- und Treasury-Aktivitäten, deren Finanzierung ebenfalls konzernintern erfolgt ist. Diese Transaktionen waren von Anfang an in drei aufeinanderfolgenden, jedoch miteinander verknüpften Schritten konzipiert, an denen die Holdinggesellschaften, die Zwischengesellschaften und die Tochtergesellschaften der Engie-Gruppe beteiligt waren.

412

Engie und das Großherzogtum Luxemburg wenden sich hingegen gegen die Beurteilung der drei anderen Kriterien für die Feststellung eines Rechtsmissbrauchs nach luxemburgischem Recht.

– Zum Kriterium der Verringerung der Steuerschuld

413

Zum zweiten Kriterium tragen das Großherzogtum Luxemburg und Engie vor, dass die fraglichen Steuervorbescheide nicht zu einer Verringerung der Steuerschuld der Tochtergesellschaften, der Zwischengesellschaften und der betreffenden Holdinggesellschaften geführt hätten.

414

Wie die Kommission im 302. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, führt diese Konstruktion jedoch tatsächlich dazu, dass die ZORA-Akkretionen weder auf der Ebene der Tochtergesellschaften noch der der Zwischengesellschaften noch der der betreffenden Holdinggesellschaften besteuert werden.

415

Während die Tochtergesellschaften die ZORA-Akkretionen zunächst – abgesehen von einer mit der Steuerverwaltung vereinbarten Marge – von ihrer Steuerbemessungsgrundlage abziehen können, werden die Zwischengesellschaften anschließend nicht auf diese Akkretionen besteuert, da sie aufgrund des mit den betreffenden Holdinggesellschaften abgeschlossenen vorausbezahlten Terminkaufvertrags zum Zeitpunkt der Umwandlung des fraglichen ZORA einen Verlust in gleicher Höhe erleiden, der den diesen Akkretionen entsprechenden Kapitalgewinn in ihren Abschlüssen ausgleicht.

416

Schließlich profitieren die betreffenden Holdinggesellschaften im Licht der fraglichen Steuervorbescheide von der Steuerbefreiung für Erträge aus Beteiligungen, die im vorliegenden Fall für Erträge angewandt wurde, die wirtschaftlich gesehen, wie das Großherzogtum Luxemburg in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, den ZORA-Akkretionen entsprechen.

417

Für die Erzielung dieses steuerlichen Ergebnisses spielen die Zwischengesellschaften eine entscheidende Rolle. Während sie im Hinblick auf den Finanzierungsvorgang entgegen dem Vorbringen des Großherzogtums Luxemburg und von Engie als ein redundanter Bestandteil der von Engie eingerichteten Finanzkonstruktion erscheinen mögen, stellen sie in steuerlicher Hinsicht, anders als vom Großherzogtum Luxemburg und Engie behauptet, einen wesentlichen Bestandteil dieser Konstruktion dar.

418

Unter dem Gesichtspunkt des Finanzierungsvorgangs stellen die Zwischengesellschaften im Verhältnis zu den Tochtergesellschaften die Finanzierung des fraglichen ZORA bereit und erhalten bei der Umwandlung des ZORA Anteile, deren Wert den Nennwert dieses ZORA sowie die ZORA-Akkretionen beinhaltet.

419

Im Verhältnis zu den betreffenden Holdinggesellschaften erhalten die Zwischengesellschaften zum Zeitpunkt der Ausgabe des fraglichen ZORA dessen Nennwert und gewährleisten zum Zeitpunkt der Umwandlung des ZORA den Übergang des Eigentums an den von den Tochtergesellschaften ausgegebenen Anteilen, deren Wert den Nennwert und die ZORA-Akkretionen beinhaltet.

420

Die Zwischengesellschaften führen also nur den von den betreffenden Holdinggesellschaften zur Übertragung der Geschäftsbereiche auf die Tochtergesellschaften beschlossenen Finanzierungsvorgang durch.

421

In steuerlicher Hinsicht unterliegen die Zwischengesellschaften zum einen keiner effektiven Besteuerung auf die ZORA-Akkretionen. Zwar verzeichnen die Zwischengesellschaften zum Zeitpunkt der Umwandlung dieses ZORA einen den ZORA-Akkretionen entsprechenden Kapitalgewinn; jedoch erleiden sie aufgrund des vorausbezahlten Terminkaufvertrags gleichzeitig einen Verlust in gleicher Höhe wie diese Akkretionen.

422

Dies war insbesondere am Tag der Umwandlung des zugunsten von LNG Supply ausgegebenen Teils des ZORA der Fall. Da LNG Luxembourg nicht für Art. 22bis LIR optiert hat, verbuchte sie in ihrem Jahresabschluss einen Kapitalgewinn, der, wie das Großherzogtum Luxemburg in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, durch einen Verlust in gleicher Höhe aufgrund der Anwendung des mit der LNG Holding geschlossenen vorausbezahlten Terminkaufvertrags ausgeglichen wurde. Ohne den vorausbezahlten Terminkaufvertrag hätten die Zwischengesellschaften auf die ZORA-Akkretionen besteuert werden müssen.

423

Zum anderen ermöglichen es die Zwischengesellschaften, zweckdienlicherweise den Gewinn, den die betreffenden Holdinggesellschaften aufgrund der Annullierung eines Teils der gemäß dem vorausbezahlten Terminkaufvertrag erhaltenen Anteile erzielt haben, zumindest dem Anschein nach von dem den ZORA-Akkretionen entsprechenden Gewinn zu trennen und die Anwendung von Art. 166 LIR auszulösen. Da die ZORA-Akkretionen nämlich nicht mit einem Beteiligungsertrag im Sinne von Art. 166 LIR gleichgesetzt werden können, konnte dieser keinen Befreiungsanspruch für diese Akkretionen begründen.

424

Im Licht des ZORA, von dem LNG Supply profitiert, ermöglicht es die Einschaltung von LNG Luxembourg als Zwischengesellschaft LNG Holding mit anderen Worten, dem durch die Annullierung der Anteile von LNG Supply generierten Ertrag den Anschein eines Beteiligungsertrags zu verleihen, obwohl dieser im Wesentlichen den ZORA-Akkretionen entspricht. Ein solches Ergebnis hätte bei einem direkt zwischen LNG Supply und LNG Holding geschlossenen ZORA nicht erreicht werden können.

425

Wie die Kommission im 304. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, kann entgegen dem Vorbringen des Großherzogtums Luxemburg und von Engie der Abschluss eines ZORA zwischen zwei Unternehmen nicht zum gleichen steuerlichen Ergebnis führen wie das, das durch die Einschaltung der Zwischengesellschaften in die betreffende Finanzierungsstruktur erzielt wird.

426

Im Falle eines zwischen einer Tochtergesellschaft und ihrer Muttergesellschaft abgeschlossenen ZORA wären die ZORA-Akkretionen zwar zunächst – abgesehen von einer mit der luxemburgischen Steuerverwaltung vereinbarten Marge – auf der Ebene der Tochtergesellschaft abzugsfähig gewesen.

427

Auf der Ebene der Muttergesellschaft wären die Akkretionen jedoch nach Maßgabe der von Art. 22bis LIR vorgesehenen Option entweder zum Zeitpunkt der Umwandlung des fraglichen ZORA oder zu einem späteren Zeitpunkt besteuert worden.

428

Zum einen kann zum Zeitpunkt der Umwandlung eines ZORA die Gesellschaft, die die umgewandelten Anteile hält, zwar für Art. 22bis LIR optieren, um zum Zeitpunkt der Umwandlung nicht besteuert zu werden und damit die steuerliche Neutralität des Vorgangs sicherzustellen, doch kann dieser Artikel nicht dahin ausgelegt werden, dass der realisierte Kapitalgewinn in Zukunft gar keiner Besteuerung unterliegen wird.

429

Dieses Verständnis wird durch ein Rundschreiben der luxemburgischen Steuerverwaltung vom 27. November 2002 bestätigt, wonach im Licht des 283. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses und des in der Fußnote 288 wiedergegebenen Zitats „[d]as Ziel von Artikel 22bis LIR darin besteht, die Anteilstauschgeschäfte zu bestimmen, die steuerneutral durchgeführt werden können“, und „[dieser Artikel] … jedoch nicht darauf ab[zielt], Kapitalgewinne, die ohne diese Maßnahme beim Zedenten steuerpflichtig gewesen wären, endgültig von der Steuer zu befreien, sondern deren Besteuerung aufzuschieben“.

430

Außerdem wird im Gesetzentwurf vom 17. Juli 2018 zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates vom 12. Juli 2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts (ABl. 2016, L 193, S. 1), auf den Engie in ihren Schriftsätzen verweist, klargestellt, dass „das Ziel [von Art. 22bis LIR] darin besteht, es den Steuerpflichtigen zu ermöglichen, die Besteuerung von Kapitalgewinnen in bestimmten Situationen aufzuschieben“. Auch wenn dieser Entwurf zeitlich nach dem angefochtenen Beschluss liegt, ermöglicht er dennoch, den Standpunkt des luxemburgischen Gesetzgebers in Bezug auf den Sinn dieses Artikels zu veranschaulichen.

431

Zum anderen hätte nicht jeder Ertrag, den eine Muttergesellschaft im Fall eines direkten ZORA im Anschluss an die Annullierung eines Teils der Anteile erzielt hätte, zu einem steuerfreien Ertrag nach Art. 166 LIR führen können, auch wenn die Art. 166 und 22bis LIR dies nicht ausdrücklich ausschließen.

432

Jede gegenteilige Auslegung würde nämlich dem Zweck von Art. 22bis LIR zuwiderlaufen, der, wie die luxemburgische Steuerverwaltung im Rundschreiben vom 27. November 2002 hervorhebt, darin besteht, die Besteuerung etwaiger Kapitalgewinne aufzuschieben, nicht aber, sie letztlich jeder Besteuerung zu entziehen.

433

Diese Auslegung ergibt sich im Übrigen im Wesentlichen aus den Klarstellungen, die das Großherzogtum Luxemburg im Verwaltungsverfahren in seinem Schreiben an die Kommission vom 31. Januar 2018 vorgenommen hat.

434

Auf die Frage, ob ein ZORA ein Beteiligungsinstrument im Sinne von Art. 166 LIR und ein Wertpapier im Sinne von Art. 164 LIR sei, hat das Großherzogtum Luxemburg klargestellt, dass „die von [LNG Supply] bzw. [GSTM] ausgegebenen ZORA ihre Einstufung als Darlehensvertrag behalten [müssten] und de facto vom Anwendungsbereich der auf die Erträge aus Beteiligungen anwendbaren Art. 164 und 166 LIR ausgenommen [seien]“.

435

Mit anderen Worten: Wenn ein ZORA, wie das Großherzogtum Luxemburg im Verwaltungsverfahren vorgetragen hat, seine Einstufung als Darlehensvertrag beibehalten muss, folgt daraus, dass alle Erträge aus einem solchen Vertrag nicht in den Genuss einer Steuerbefreiung gemäß Art. 166 LIR, der Erträge aus Beteiligungen betrifft, kommen können.

436

Folglich hat die Kommission keinen Fehler begangen, als sie zu dem Ergebnis kam, dass das Kriterium der Verringerung der Steuerschuld im vorliegenden Fall erfüllt ist.

– Zum Kriterium der Verwendung einer unangemessenen rechtlichen Gestaltung

437

Im Hinblick auf das dritte Kriterium, nämlich die Verwendung einer unangemessenen rechtlichen Gestaltung, betonen das Großherzogtum Luxemburg und Engie, dass es im vorliegenden Fall angemessen gewesen sei, zur Finanzierung der Übertragung der betreffenden Geschäftsbereiche auf die Tochtergesellschaften auf ein indirektes ZORA, d. h. unter Einschaltung einer Zwischengesellschaft, zurückzugreifen.

438

Die Finanzierungsstruktur sei entgegen dem Vorbringen der Kommission angemessen und nicht mit anderen Finanzierungsmethoden, wie etwa einer Finanzierung durch Darlehen oder Eigenmittel, gleichzusetzen. Engie hebt hervor, dass die Tochtergesellschaften bei einer Kapitalerhöhung überkapitalisiert gewesen wären, was es nicht ermöglicht hätte, von einer Hebelwirkung und einem ausreichenden Verhandlungsspielraum mit Dritten zu profitieren. Ebenso wären die Tochtergesellschaften im Falle eines Darlehens zu einer Barrückzahlung verpflichtet gewesen, was im Rahmen des ZORA nicht der Fall gewesen sei.

439

Jedenfalls beansprucht Engie das Recht, sich für die am wenigsten besteuerte Finanzierungsmethode entscheiden zu können, und wirft der Kommission vor, dass sie für die Schlussfolgerung, die Finanzierungsstruktur sei unangemessen, ihre eigene Auslegung der Absicht des luxemburgischen Gesetzgebers vorgegeben habe, indem sie dem luxemburgischen Körperschaftsteuersystem ein Ziel zugeschrieben habe, das es gar nicht habe.

440

Insoweit ist vorab darauf hinzuweisen, dass nach dem im 297. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angeführten Schreiben des Großherzogtums Luxemburg vom 31. Dezember 2018 die Voraussetzung der Verwendung einer unangemessenen rechtlichen Gestaltung die Rechtslage betrifft, in der ein Steuerpflichtiger eine Gestaltung wählt, die in unmittelbarem Widerspruch zu der dem Ziel oder dem Geist des Gesetzes entsprechenden offenkundigen Absicht des Gesetzgebers steht.

441

Die von Engie errichtete, in den fraglichen Steuervorbescheiden berücksichtigte komplexe Finanzkonstruktion ermöglicht es zwar, die Übertragung der Geschäftsbereiche auf die betreffenden Tochtergesellschaften zu finanzieren, doch führt sie in Wirklichkeit, wie die Kommission in den Erwägungsgründen 304 und 305 des angefochtenen Beschlusses zutreffend ausgeführt hat, dazu, dass die ZORA-Akkretionen nicht besteuert werden.

442

Die von Engie bevorzugte Finanzierungsmethode kann daher nicht als angemessen angesehen werden, da sie in unmittelbarem Widerspruch zur Absicht des luxemburgischen Gesetzgebers steht, die in Steuersachen vernünftigerweise nicht dahin gehen kann, komplexe Finanzkonstruktionen zu fördern, die tatsächlich zu einer doppelten Nichtbesteuerung der ausgeschütteten Erträge sowohl auf der Ebene der Tochtergesellschaft als auch auf der der Muttergesellschaft führen.

443

Insoweit hat die Kommission keinen Beurteilungsfehler begangen, als sie im 305. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, dass die in den fraglichen Steuervorbescheiden gebilligte steuerliche Behandlung in direktem Widerspruch zum Ziel des luxemburgischen Körperschaftsteuersystems stehe, nach dem die von einer Gesellschaft erzielten Gewinne, wie sie in ihrem Jahresabschluss ausgewiesen seien, grundsätzlich zu besteuern seien. Dieses Ziel ergibt sich aus einer Zusammenschau der in den Erwägungsgründen 78 bis 81 des angefochtenen Beschlusses erwähnten Bestimmungen, die das luxemburgische Körperschaftsteuersystem bilden.

444

Der Kommission kann damit nicht vorgeworfen werden, das Ziel des luxemburgischen Körperschaftsteuersystems willkürlich festgelegt und letztlich die Absicht des luxemburgischen Gesetzgebers durch ihre Absicht ersetzt zu haben.

445

Es standen ohne Weiteres andere Finanzierungsmittel zur Verfügung, die, wie die Kommission in den Erwägungsgründen 304 und 310 des angefochtenen Beschlusses feststellt, die Finanzierung der Übertragung der betreffenden Geschäftsbereiche auf die Tochtergesellschaften sichergestellt und gleichzeitig zur Erzielung eines gegebenenfalls auf der Ebene der Tochtergesellschaften, der Zwischengesellschaften oder auch der betreffenden Holdinggesellschaften zu versteuernden Gewinns geführt hätten.

446

Zunächst hätten die Tochtergesellschaften mit einem Eigenmittelinstrument zusätzliche Eigenmittel in gleicher Höhe wie der Nennwert des betreffenden ZORA im vorliegenden Fall erhalten können. Die von den Tochtergesellschaften erzielten Gewinne wären dann insbesondere in Anbetracht der Art. 164 und 166 LIR entweder auf der Ebene dieser Tochtergesellschaften oder auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften besteuert worden.

447

Sodann wären auch bei einer Finanzierung der Übertragung des Geschäftsbereichs durch ein bei einer Konzerngesellschaft aufgenommenes, nicht wandelbares Darlehen die von den Tochtergesellschaften während der Laufzeit des Darlehens erzielten Gewinne auf deren Ebene besteuert worden. Außerdem wären die Zinsen aus dem Darlehen zwar auf der Ebene der Tochtergesellschaften abzugsfähig gewesen, aber entweder auf der Ebene der Zwischengesellschaften oder der betreffenden Holdinggesellschaften, je nachdem, welche Gesellschaften in diesem Fall Gläubiger gewesen wäre, zu versteuern gewesen.

448

Wie die Kommission im 304. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht geltend gemacht hat, und entgegen dem Vorbringen des Großherzogtums Luxemburg und von Engie, hätte es sich schließlich im Licht der vorstehenden Rn. 425 bis 435 ebenso verhalten, wenn ein direktes ZORA zwischen den Tochtergesellschaften und den betreffenden Holdinggesellschaften abgeschlossen worden wäre.

449

Daher konnten andere rechtliche Gestaltungen als angemessen angesehen werden, um im vorliegenden Fall die Übertragung der Geschäftsbereiche auf die Tochtergesellschaften zu finanzieren.

– Zum Kriterium des Fehlens nicht steuerbezogener Gründe

450

Zum letzten Kriterium tragen das Großherzogtum Luxemburg und Engie vor, dass mit dem Finanzierungsvorgang kein ausschließlich steuerlicher Zweck verfolgt worden sei und dass er auf triftigen wirtschaftlichen Gründen beruhe. Nach Ansicht von Engie war es nämlich wirtschaftlich gerechtfertigt, die Tätigkeit über ein indirektes ZORA zu finanzieren.

451

Abgesehen davon, dass eine Vorschrift zur Verhinderung von Missbrauch erst durch eine Reform im Jahr 2015 in die Mutter-Tochter-Richtlinie eingefügt worden sei, ergebe sich aus der Vorschrift zur Verhinderung von Missbrauch der Richtlinie 2016/1164, dass eine Transaktion nicht als missbräuchlich angesehen werde, wenn sie aus triftigen wirtschaftlichen Gründen vorgenommen worden sei, die die wirtschaftliche Realität widerspiegelten.

452

Die Kommission könne sich auch nicht allein auf die Einschaltung von Zwischengesellschaften und die bloße Verwendung komplexer Finanzprodukte stützen, um auf die Missbräuchlichkeit einer Transaktion zu schließen. Dies gelte umso mehr, als ein zwischen zwei Unternehmen ohne Einschaltung einer Zwischengesellschaft eingerichtetes ZORA nach Ansicht des Großherzogtums Luxemburg und von Engie nach Art. 22bis LIR zu einem identischen Ergebnis führen kann.

453

Insoweit bleiben das Großherzogtum Luxemburg und Engie von vornherein den Nachweis schuldig, inwiefern eine Finanzierung insbesondere durch eine Kapitalzuführung kein wirksames Finanzierungsinstrument gewesen wäre, weil sie das finanzielle Risiko der Tochtergesellschaften erhöht hätte. Sie haben nämlich während des Gerichtsverfahrens keinen Beweis dafür vorgelegt, dass die von der Kommission in den Erwägungsgründen 304, 309 und 310 des angefochtenen Beschlusses in Betracht gezogenen alternativen Möglichkeiten, darunter die Kapitalzuführung, die Risiken erhöht hätten, die die Tochtergesellschaften im Rahmen der in den fraglichen Steuervorbescheiden gebilligten Strukturen trugen.

454

Wäre eine Kapitaleinlage in Höhe des Nennwerts des betreffenden ZORA vorgenommen worden, hätte die Tochtergesellschaft a priori die übertragene Tätigkeit finanzieren können und dabei ein Risiko getragen, das dem im Falle negativer ZORA-Akkretionen eingegangenen Risiko entsprochen hätte.

455

Im Falle einer Kapitalerhöhung hätten die Tochtergesellschaften nämlich von Eigenmitteln in einer dem Darlehen, das sie gemäß dem von den Zwischengesellschaften ausgegebenen ZORA erhielten, entsprechenden Höhe profitieren können.

456

Diese Kapitalzuführung wäre auch, ebenso wie bei der Rückzahlung des ZORA, mit einer Ausgabe neuer Anteile verbunden gewesen. Außerdem umfassen die nach der Umwandlung des betreffenden ZORA ausgegebenen Anteile im Falle positiver Akkretionen den Nennbetrag des Darlehens sowie diese Akkretionen, im Gegensatz zu einer einfachen Kapitalerhöhung, die nur bis zum Nennbetrag des Darlehens vorgenommen worden wäre, so dass das auf die Gefahr einer Überkapitalisierung gestützte Vorbringen keinen Erfolg haben kann.

457

Ebenso wird, wie die Kommission im 309. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zutreffend ausführt, das Anfangskapital einer Tochtergesellschaft in gleicher Weise von etwaigen Verlusten betroffen, unabhängig davon, ob diese Verluste im Rahmen einer Kapitalzuführung oder im Rahmen eines ZORA eintreten, wenn die Verluste den Betrag der Kapitalzuführung oder des Nennwerts des ZORA übersteigen.

458

Außerdem lastet das finanzielle Risiko sowohl bei einer Kapitalzuführung als auch, wie im vorliegenden Fall, bei der indirekten Ausgabe eines ZORA in gleicher Weise auf den betreffenden Beteiligungsgesellschaften. Übersteigen bei einer Kapitalzuführung die Verluste die Kapitaleinlage, so haben die entsprechenden Anteile einen verminderten Wert, und im Falle negativer Akkretionen im Rahmen eines ZORA trägt die emittierende Gesellschaft das Risiko, dass sich der Wert ihrer Forderung vermindert und gegebenenfalls auf einen Wert unter dem Nennwert des betreffenden ZORA fällt.

459

Zwar kann einem Steuerpflichtigen nicht vorgeworfen werden, die am wenigsten besteuerte rechtliche Gestaltung zu wählen, doch gilt dies nicht, wenn die bevorzugte Gestaltung, obwohl es andere angemessene Gestaltungen gibt, auf einem ausschließlich steuerlichen Zweck beruht und tatsächlich zu einer Nichtbesteuerung führt.

460

Das Vorbringen, es sei eine nach Maßgabe der Leistung der Tochtergesellschaften vergütete Finanzierung gewählt worden, ist ebenfalls zurückzuweisen.

461

Es trifft zwar zu, dass die emittierende Gesellschaft im Rahmen eines ZORA desto höher vergütet wird, je höhere Gewinne die zeichnende Gesellschaft erzielt, doch kann eine solche leistungsabhängige Vergütung auch im Fall einer Finanzierung durch eine Kapitalzuführung erzielt werden, indem sie einfach durch höhere ausschüttungsfähige Gewinne zum Ausdruck kommt.

462

Selbst wenn der Rückgriff auf ein ZORA allein durch den Wunsch gerechtfertigt gewesen wäre, ein nach Maßgabe der Leistung der Tochtergesellschaften vergütetes Finanzierungsinstrument zu wählen, hätte dieses Ziel auch durch ein direktes ZORA anstatt eines indirekten ZORA erreicht werden können, das, wie sich aus den vorstehenden Rn. 448 und 449 ergibt, im Gegensatz zu einem direkten ZORA zu einer fast vollständigen Nichtbesteuerung der ZORA-Akkretionen der Tochtergesellschaften führte.

463

Folglich ist das Vorbringen, mit dem das Vorliegen nicht steuerbezogener Gründe nachgewiesen werden soll, als unbegründet zurückzuweisen.

– Zur Vorzugsbehandlung der Unternehmen der Engie-Gruppe

464

Das Großherzogtum Luxemburg und Engie machen geltend, dass die Kommission, selbst wenn die Rechtsmissbrauchsvorschrift anwendbar wäre, jedenfalls nicht dargetan habe, dass die Unternehmen der Engie-Gruppe gegenüber anderen Gesellschaften, die sich in einer vergleichbaren Sach- und Rechtslage befänden, bevorzugt behandelt würden.

465

Ebenso hätte nach Auffassung des Großherzogtums Luxemburg ein Verbot der Finanzierungsstruktur wegen ihrer etwaigen Missbräuchlichkeit zu einem Verstoß gegen die in Art. 49 AEUV verankerte Niederlassungsfreiheit geführt.

466

Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach dem für die Feststellung der Selektivität der in Rede stehenden Maßnahme einschlägigen Maßstab zu prüfen ist, ob diese zwischen Wirtschaftsteilnehmern, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden allgemeinen Steuerregelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, eine durch die Natur oder den Aufbau dieses Systems nicht gerechtfertigte Unterscheidung einführt (Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a., C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 60).

467

Genauer gesagt ist die Voraussetzung der Selektivität erfüllt, wenn die Kommission nachweisen kann, dass eine nationale Maßnahme, die einen Steuervorteil verschafft, von der in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden allgemeinen oder „normalen“ Steuerregelung abweicht und damit durch ihre konkreten Auswirkungen eine unterschiedliche Behandlung von Wirtschaftsteilnehmern einführt, obwohl sich die Wirtschaftsteilnehmer, denen der Steuervorteil gewährt wird, im Hinblick auf das mit der Steuerregelung dieses Mitgliedstaats verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden (Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a., C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 67).

468

Da die Kriterien für die Feststellung eines Rechtsmissbrauchs im vorliegenden Fall erfüllt sind, kann nicht mit Erfolg bestritten werden, dass die Engie-Gruppe durch die Nichtanwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift in den fraglichen Steuervorbescheiden in den Genuss einer steuerlichen Vorzugsbehandlung kam, wie die Kommission im 312. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht festgestellt hat.

469

In Anbetracht des mit der Rechtsmissbrauchsvorschrift verfolgten Ziels, nämlich der Bekämpfung missbräuchlichen Verhaltens in Steuersachen, befinden sich Engie und insbesondere die betreffenden Holdinggesellschaften nämlich in einer ähnlichen tatsächlichen und rechtlichen Situation wie alle luxemburgischen Steuerpflichtigen, die nicht berechtigterweise erwarten können, ebenfalls von der Nichtanwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift in Fällen, in denen die Voraussetzungen für ihre Anwendung erfüllt sind, zu profitieren.

470

Das Vorliegen einer Diskriminierung ist umso offensichtlicher, als die luxemburgische Verwaltung die Rechtsmissbrauchsvorschrift in der Vergangenheit bereits angewandt hat. So hat die Cour administrative du Grand-Duché de Luxembourg (Verwaltungsgerichtshof des Großherzogtums Luxemburg) mit Urteil vom 7. Februar 2013, das der Klageschrift in der Rechtssache T‑516/18 als Anlage beigefügt war, ein erstinstanzliches Urteil in einer Rechtssache bestätigt, in der sich der Directeur des contributions directes (Direktor der Verwaltung für direkte Steuern) und eine Gesellschaft gegenüberstanden und die die Anwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift auf diese Gesellschaft betraf.

471

Die luxemburgische Steuerverwaltung hat somit die Nichtanwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift der Engie-Gruppe vorbehalten.

472

Folglich hat die Kommission rechtlich hinreichend eine Abweichung von dem die Rechtsmissbrauchsvorschrift beinhaltenden Referenzrahmen nachgewiesen.

– Zum behaupteten Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit

473

Das Großherzogtum Luxemburg macht geltend, dass das Verbot der Finanzkonstruktion wegen ihrer angeblich missbräuchlichen Natur zu einem Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit im Sinne von Art. 49 AEUV führen würde.

474

Es ist festzustellen, dass Art. 49 AEUV grundsätzlich nicht anwendbar ist, da es sich um einen rein internen Sachverhalt handelt. Selbst wenn die Niederlassungsfreiheit anwendbar sein sollte, könnte die Feststellung einer etwaigen Beschränkung im Übrigen gerade durch die Bekämpfung des Rechtsmissbrauchs gerechtfertigt sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2019, N Luxembourg 1 u. a., C‑115/16, C‑118/16, C‑119/16 und C‑299/16, EU:C:2019:134, Rn. 177).

475

Im Unionsrecht gilt nämlich der allgemeine Grundsatz, dass man sich nicht betrügerisch oder missbräuchlich auf das Unionsrecht berufen kann. Mit diesem Grundsatz soll insbesondere verhindert werden, dass jeder wirtschaftlichen und geschäftlichen Rechtfertigung entbehrende, nur pro forma oder künstlich durchgeführte Transaktionen vorgenommen werden, deren Hauptzweck die Erlangung eines ungerechtfertigten Vorteils ist (Urteil vom 26. Februar 2019, N Luxembourg 1 u. a., C‑115/16, C‑118/16, C‑119/16 und C‑299/16, EU:C:2019:134, Rn. 96 und 125).

476

Dies ist gerade bei einer künstlichen Gestaltung der Fall, in deren Rahmen die Zahlung von Steuern auf Erträge dadurch vermieden wird, dass in der Gruppe zwischen der den Ertrag ausschüttenden Gesellschaft und der, die Nutzungsberechtigte dieser Erträge ist, eine Durchleitungseinheit geschaltet wird (Urteil vom 26. Februar 2019, N Luxembourg 1 u. a., C‑115/16, C‑118/16, C‑119/16 und C‑299/16, EU:C:2019:134, Rn. 127).

477

Die Kommission hat daher für den Nachweis der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide zu Recht angeführt, dass sie von der Anwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift in einem Fall abwichen, in dem deren Tatbestandsmerkmale erfüllt waren.

478

Demzufolge sind der erste und der zweite Klagegrund in der Rechtssache T‑516/18 sowie der zweite und der dritte Klagegrund in der Rechtssache T‑525/18, mit denen geltend gemacht wird, dass die Kommission die Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide im Licht des engen Referenzrahmens und der Rechtsmissbrauchsvorschrift zu Unrecht bejaht habe, als unbegründet zurückzuweisen; über die Begründetheit des gegen die anderen Argumentationslinien geltend gemachten Vorbringens braucht jedenfalls nicht entschieden zu werden.

6.   Zum vierten Klagegrund in der Rechtssache T‑525/18: fehlerhafte Einstufung der fraglichen Steuervorbescheide als Einzelbeihilfen

479

Engie führt aus, dass die Selektivität eines individuellen Steuervorbescheids nur unter Bezugnahme auf die für die fragliche Steuerregelung geltenden Vorschriften und die Verwaltungspraxis festgestellt werden könne.

480

Hätte die Kommission jedoch die auf die fraglichen Steuervorbescheide anwendbaren Vorschriften und die Verwaltungspraxis berücksichtigt, hätte sie nach Ansicht von Engie ebenso wie im Beschluss (EU) 2016/1699 der Kommission vom 11. Januar 2016 über die Beihilferegelung Belgiens SA.37667 (2015/C) (ex 2015/NN) (ABl. 2016, L 260, S. 61) – Steuerbefreiung von Gewinnüberschüssen – eine Beihilferegelung feststellen müssen.

481

Andere Unternehmen profitierten nämlich aufgrund identischer Steuervorbescheide von derselben Finanzierungsstruktur, was durch die Erklärungen des für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglieds bestätigt werde.

482

Außerdem habe die Kommission im angefochtenen Beschluss eingeräumt, dass die in den fraglichen Steuervorbescheiden gebilligten Finanzierungsstrukturen „allen Gruppen in Luxemburg offenst[ünden]“ und dass es möglich sei, dass „eine bestimmte Kategorie von Unternehmen – Konzerne, die ein direktes ZORA verwenden – ebenfalls die gleiche steuerliche Behandlung … in Anspruch nehmen könnten“.

483

In der Erwiderung fügt Engie hinzu, die Kommission hätte nachweisen müssen, dass die Bestimmungen, auf die sich die fraglichen Steuervorbescheide stützten, trotz ihres allgemeinen Charakters für sich genommen zur Gewährung eines selektiven Vorteils hätten führen können.

484

Zum Vorliegen einer etwaigen Beihilferegelung weist die Kommission zum einen darauf hin, dass, wie aus dem angefochtenen Beschluss ausdrücklich hervorgehe, Unternehmensgruppen, die ein direktes ZORA verwendeten, nicht die gleiche steuerliche Behandlung wie die Engie-Gruppe in Anspruch nehmen könnten. Zum anderen könne es ihr nicht verwehrt sein, auf das Vorliegen einer Einzelbeihilfe zu schließen, selbst wenn diese Beihilfe Teil einer umfassenderen Regelung gewesen sei. Die Bezugnahme auf die zur belgischen Regelung über die Steuerbefreiung von Gewinnüberschüssen ergangene Entscheidung und auf die von der Kommission in dieser Entscheidung angewandte Methode sei daher völlig unerheblich.

485

Insoweit ist unabhängig von der Frage, ob identische Steuervorbescheide vorliegen, darauf hinzuweisen, dass die Kommission eine Maßnahme zur Durchführung einer allgemeinen Regelung als Einzelbeihilfe einstufen kann, ohne zuvor nachweisen zu müssen, dass die dieser Regelung zugrunde liegenden Bestimmungen eine Beihilferegelung darstellen, selbst wenn dies der Fall sein sollte (vgl. entsprechend Urteil vom 9. Juni 2011, Comitato Venezia vuole vivere u. a./Kommission, C‑71/09 P, C‑73/09 P und C‑76/09 P, EU:C:2011:368, Rn. 63).

486

Im Übrigen geht aus den vorstehenden Rn. 382 und 477 klar hervor, dass die Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass die fraglichen Steuervorbescheide den betreffenden Holdinggesellschaften einen selektiven Vorteil verschafften, da sie von den Art. 164 und 166 LIR sowie von der Rechtsmissbrauchsvorschrift abwichen.

487

Folglich hat die Kommission keinen Rechtsfehler begangen, als sie die fraglichen Steuervorbescheide als Einzelbeihilfe eingestuft hat.

488

Der vierte Klagegrund in der Rechtssache T‑525/18 ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

7.   Zum siebten Klagegrund in der Rechtssache T‑525/18 und zum fünften Klagegrund in der Rechtssache T‑516/18, mit denen hilfsweise ein Rechtsfehler bei der Verpflichtung zur Rückforderung der angeblich gewährten Beihilfen gerügt wird

489

Das Großherzogtum Luxemburg und Engie sind der Auffassung, die Kommission habe gegen die allgemeinen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verstoßen, indem sie in Art. 2 des angefochtenen Beschlusses die Rückforderung der Beihilfe angeordnet habe.

490

Zunächst sei der Ansatz der Kommission, der auf der Feststellung einer vorteilhaften Wirkung der Kombination zweier steuerlicher Maßnahmen beruhe, aufgrund seiner Neuartigkeit weder für das Großherzogtum Luxemburg noch für Engie vorhersehbar gewesen.

491

Die Neuartigkeit dieses Ansatzes ergebe sich erst recht zum einen aus der Prüfung der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide im Hinblick auf das Ziel des Referenzrahmens, der die dem luxemburgischen Körperschaftsteuersystem zugrunde liegenden Bestimmungen enthalte, und zum anderen aus der Nichtanwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift.

492

Die Unvorhersehbarkeit des angefochtenen Beschlusses gebiete daher, dass gemäß den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes von der Verpflichtung zur Rückforderung der Beihilfe abgewichen werde.

493

Sodann weisen das Großherzogtum Luxemburg und Engie darauf hin, dass die Kommission die Verpflichtung zur Rückforderung einer Beihilfe in ihrer Praxis bereits gemildert habe, falls „die Komplexität der Analyse steuerlicher Maßnahmen im Hinblick auf die Vorschriften über staatliche Beihilfen zu Rechtsunsicherheit [führe]“.

494

Schließlich, so Engie, habe die Kommission die Rechtssicherheit beeinträchtigt, indem sie eine versteckte steuerliche Harmonisierung der luxemburgischen Bestimmungen vorgenommen habe, die nach wie vor klar und genau seien und den luxemburgischen Behörden bei der Erteilung von Steuervorbescheiden keinen Ermessensspielraum ließen.

495

Die Kommission hält dieses gesamte Vorbringen für unbegründet. Sie habe keineswegs gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen, als sie die Rückforderung der gewährten Beihilfe angeordnet habe, und fügt hinzu, die von Engie behauptete Komplexität beruhe nicht auf ihrer Argumentation, sondern auf der von Engie errichteten und von der luxemburgischen Finanzverwaltung in den fraglichen Steuervorbescheiden gebilligten steuerlichen Konstruktion. Außerdem sei ihre Argumentation keineswegs neu und beruhe auf herkömmlichen Grundsätzen im Bereich der staatlichen Beihilfen.

496

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission gemäß Art. 16 der Verordnung 2015/1589 in Negativbeschlüssen hinsichtlich rechtswidriger Beihilfen entscheidet, dass der betreffende Mitgliedstaat alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Beihilfe vom Empfänger zurückzufordern, es sei denn, dies verstieße gegen einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts.

497

Im vorliegenden Fall hat die Kommission jedoch keinen Rechtsfehler begangen, als sie dem Großherzogtum Luxemburg nach Art. 2 des angefochtenen Beschlusses die Rückforderung der Beihilfe auferlegt hat. Entgegen dem Vorbringen des Großherzogtums Luxemburg und von Engie verstößt eine solche Verpflichtung weder gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit noch gegen den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens.

498

Erstens verlangt der Grundsatz der Rechtssicherheit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, dass Rechtsvorschriften klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sein müssen, damit sich die Betroffenen bei unter das Unionsrecht fallenden Tatbeständen und Rechtsbeziehungen orientieren können (Urteil vom 8. Dezember 2011, France Télécom/Kommission, C‑81/10 P, EU:C:2011:811, Rn. 100).

499

Mit anderen Worten müssen die Betroffenen in der Lage sein, den Umfang der ihnen durch eine Unionsregelung auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen und ihre Rechte und Pflichten eindeutig zu bestimmen und sich darauf einzustellen (Urteil vom 11. Dezember 2012, Kommission/Spanien, C‑610/10, EU:C:2012:781, Rn. 49).

500

Im vorliegenden Fall galt die von der Kommission vorgenommene Argumentation zwar für einen Steuervorbescheid, doch war sie in der Entscheidungspraxis keineswegs neu.

501

Ebenso beruht die Art und Weise, in der die Kommission die Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide nachgewiesen hat, auf einer üblichen Argumentation der Kommission und einer ständigen Rechtsprechung zu staatlichen Beihilfen.

502

Im Übrigen betrifft die tatsächliche Komplexität, die in der vorliegenden Rechtssache festgestellt werden kann, wie die Kommission zu Recht ausführt, die von der Engie-Gruppe errichtete und vom Großherzogtum Luxemburg gebilligte steuerliche Konstruktion zur Finanzierung der Übertragung der Geschäftsbereiche auf die Tochtergesellschaften der Engie-Gruppe.

503

Folglich hat die Kommission mit der Anordnung der Rückforderung der Beihilfe nicht gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen.

504

Zweitens gilt dieselbe Feststellung für den Grundsatz des Vertrauensschutzes.

505

Auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes, der einen tragenden Grundsatz des Unionsrechts darstellt, kann sich jeder Wirtschaftsteilnehmer berufen, bei dem ein Unionsorgan begründete Erwartungen geweckt hat (Urteil vom 22. April 2016, Frankreich/Kommission, T‑56/06 RENV II, EU:T:2016:228, Rn. 42).

506

Da die Überwachung der staatlichen Beihilfen durch die Kommission zwingend vorgeschrieben ist, dürfen die von einer Beihilfe begünstigten Unternehmen grundsätzlich nur dann auf die Ordnungsmäßigkeit der Beihilfe vertrauen, wenn sie unter Einhaltung des in Art. 108 AEUV vorgesehenen Verfahrens gewährt wurde (Urteil vom 12. September 2007, Italien/Kommission, T‑239/04 und T‑323/04, EU:T:2007:260, Rn. 154).

507

Auch hat die Kommission durch ihr Verhalten keine begründeten Erwartungen in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der fraglichen Steuervorbescheide im Hinblick auf das Beihilferecht geweckt.

508

Die Kommission hat daher mit der Anordnung der Rückforderung der Beihilfe nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen.

509

Daher sind der siebte Klagegrund in der Rechtssache T‑525/18 und der fünfte Klagegrund in der Rechtssache T‑516/18 als unbegründet zurückzuweisen und folglich die Klagen insgesamt abzuweisen.

V. Kosten

A. In der Rechtssache T‑516/18

510

Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Großherzogtum Luxemburg unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Kommission neben seinen eigenen Kosten die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

511

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Irland trägt daher seine eigenen Kosten.

B. In der Rechtssache T‑525/18

512

Da Engie unterlegen ist, sind ihr nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung gemäß dem Antrag der Kommission neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Rechtssachen T‑516/18 und T‑525/18 werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

 

2.

Die Klagen werden abgewiesen.

 

3.

Das Großherzogtum Luxemburg trägt neben seinen eigenen Kosten die Kosten, die der Europäischen Kommission in der Rechtssache T‑516/18 entstanden sind.

 

4.

Die Engie Global LNG Holding Sàrl, die Engie Invest International SA und Engie tragen neben ihren eigenen Kosten die Kosten, die der Europäischen Kommission in der Rechtssache T‑525/18 entstanden sind.

 

5.

Irland trägt seine eigenen Kosten.

 

Van der Woude

Tomljenović

Schalin

Škvařilová-Pelzl

Nõmm

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Mai 2021.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis

 

I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

 

A. Engie-Gruppe

 

B. Steuervorbescheide

 

1. Steuervorbescheide betreffend die Übertragung von Aktivitäten auf LNG Supply

 

2. Steuervorbescheide betreffend die Übertragung von Aktivitäten auf GSTM

 

3. Überblick über die von den Unternehmen der Engie-Gruppe eingerichteten Finanzierungsstrukturen

 

4. Auswirkung der teilweisen Umwandlung des von LNG Supply abgeschlossenen ZORA

 

C. Förmliches Prüfverfahren

 

II. Angefochtener Beschluss

 

A. Zurechenbarkeit an den Staat

 

B. Verschaffung eines Vorteils

 

C. Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide

 

1. Zur Selektivität auf der Ebene der Holdinggesellschaften

 

a) Zur Abweichung vom erweiterten Referenzrahmen in Gestalt des luxemburgischen Körperschaftsteuersystems

 

b) Zur Abweichung von dem auf die Bestimmungen über die Besteuerung von Gewinnausschüttungen und die Steuerbefreiung von Beteiligungen beschränkten Referenzrahmen

 

2. Zur Selektivität auf der Ebene der Engie-Gruppe

 

3. Zur Selektivität aufgrund der Nichtanwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift

 

4. Zur fehlenden Rechtfertigung

 

D. Zur Wettbewerbsverzerrung

 

E. Zum Beihilfeempfänger

 

F. Zur Rückforderung der Beihilfe

 

III. Verfahren und Anträge der Parteien

 

A. Zum schriftlichen Verfahren in der Rechtssache T‑516/18

 

1. Zur Zusammensetzung des Spruchkörpers

 

2. Zum Streithilfeantrag

 

3. Zum Antrag auf vertrauliche Behandlung

 

4. Zu den Anträgen der Parteien

 

B. Zum schriftlichen Verfahren in der Rechtssache T‑525/18

 

1. Zur Zusammensetzung des Spruchkörpers

 

2. Zum Antrag auf vertrauliche Behandlung

 

3. Zu den Anträgen der Parteien

 

IV. Rechtliche Würdigung

 

A. Zur Verbindung der Rechtssachen T‑516/18 und T‑525/18 sowie zur Beantwortung der Anträge auf vertrauliche Behandlung

 

B. Zur Begründetheit

 

1. Zum fünften Klagegrund in der Rechtssache T‑525/18 und zum dritten Klagegrund in der Rechtssache T‑516/18: Vorliegen einer versteckten Steuerharmonisierung

 

a) Zum behaupteten Verstoß gegen die Art. 4 und 5 EUV sowie die Art. 3 bis 5 und 113 bis 117 AEUV

 

b) Zum behaupteten Ermessensmissbrauch

 

2. Zum achten Klagegrund in der Rechtssache T‑525/18 und zum sechsten Klagegrund in der Rechtssache T‑516/18: Verstoß gegen die Begründungspflicht

 

3. Zum sechsten Klagegrund in der Rechtssache T‑525/18 und zum vierten Klagegrund in der Rechtssache T‑516/18: Verletzung von Verfahrensrechten

 

4. Zum ersten Klagegrund in der Rechtssache T‑525/18: fehlende Bindung staatlicher Mittel und fehlende Zurechenbarkeit der fraglichen Steuervorbescheide an den Staat

 

5. Zum ersten und zum zweiten Klagegrund in der Rechtssache T‑516/18 sowie zum zweiten und zum dritten Klagegrund in der Rechtssache T‑525/18, mit denen im Wesentlichen Beurteilungs- und Rechtsfehler bei der Feststellung eines selektiven Vorteils gerügt werden

 

a) Vorbemerkungen

 

b) Zur behaupteten Verwechslung der Voraussetzungen des Vorliegens eines Vorteils mit denen der Selektivität der fraglichen Steuervorbescheide

 

c) Zum behaupteten Fehlen eines selektiven Vorteils auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften im Licht des engen Referenzrahmens

 

1) Zur Definition des auf die Bestimmungen über die Besteuerung von Gewinnausschüttungen und die Steuerbefreiung von Beteiligungen beschränkten Referenzrahmens

 

i) Zur fehlenden Ausweitung des Referenzrahmens auf die Mutter-Tochter-Richtlinie

 

ii) Zur Auslegung von Art. 164 in Verbindung mit Art. 166 LIR

 

2) Zur Abweichung von den Bestimmungen über die Besteuerung von Gewinnausschüttungen und die Steuerbefreiung von Beteiligungen

 

i) Zur Anwendung von Art. 164 LIR auf ein ZORA und zum Bestehen eines Zusammenhangs zwischen der Abzugsfähigkeit der ZORA-Akkretionen auf der Ebene der Tochtergesellschaften und der Befreiung der Erträge aus Beteiligungen auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften

 

ii) Zum ungewissen Wert eines ZORA zum Zeitpunkt seiner Ausgabe

 

iii) Zur Feststellung einer Ausnahme aufgrund der kombinierten Wirkung allgemeiner Bestimmungen

 

iv) Zum Fehlen eines Verstoßes gegen die jeweils gesondert betrachteten Art. 164 und 166 LIR

 

v) Zur Vorzugsbehandlung der Engie-Gruppe auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften

 

vi) Schlussfolgerung zur Gewährung eines selektiven Vorteils für die Engie-Gruppe auf der Ebene der betreffenden Holdinggesellschaften im Licht des engen Referenzrahmens

 

d) Zum behaupteten Fehlen eines selektiven Vorteils im Licht der Rechtsmissbrauchsvorschrift

 

1) Vorbemerkungen

 

2) Zur behaupteten Neuartigkeit der auf die Rechtsmissbrauchsvorschrift gestützten Argumentation

 

3) Zur Abweichung von der Rechtsmissbrauchsvorschrift

 

i) Zur behaupteten Nichtberücksichtigung der Verwaltungspraxis der luxemburgischen Steuerbehörden

 

ii) Zur Beurteilung der Kriterien für die Rechtfertigung der Anwendung der Rechtsmissbrauchsvorschrift

 

– Zum Kriterium der Verringerung der Steuerschuld

 

– Zum Kriterium der Verwendung einer unangemessenen rechtlichen Gestaltung

 

– Zum Kriterium des Fehlens nicht steuerbezogener Gründe

 

– Zur Vorzugsbehandlung der Unternehmen der Engie-Gruppe

 

– Zum behaupteten Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit

 

6. Zum vierten Klagegrund in der Rechtssache T‑525/18: fehlerhafte Einstufung der fraglichen Steuervorbescheide als Einzelbeihilfen

 

7. Zum siebten Klagegrund in der Rechtssache T‑525/18 und zum fünften Klagegrund in der Rechtssache T‑516/18, mit denen hilfsweise ein Rechtsfehler bei der Verpflichtung zur Rückforderung der angeblich gewährten Beihilfen gerügt wird

 

V. Kosten

 

A. In der Rechtssache T‑516/18

 

B. In der Rechtssache T‑525/18


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

( 1 ) Nicht wiedergegebene vertrauliche Daten.

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