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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62006TJ0056(01)

    Urteil des Gerichts (Erste erweiterte Kammer) vom 22. April 2016.
    Französische Republik gegen Europäische Kommission.
    Staatliche Beihilfen – Richtlinie 92/81/EWG – Verbrauchsteuern auf Mineralöle – Mineralöle, die als Brennstoff zur Tonerdegewinnung verwendet werden – Befreiung von der Verbrauchsteuer – Vertrauensschutz – Rechtssicherheit – Angemessene Verfahrensdauer.
    Rechtssache T-56/06 RENV II.

    Sammlung der Rechtsprechung – allgemein

    ECLI-Identifikator: ECLI:EU:T:2016:228

    URTEIL DES GERICHTS (Erste erweiterte Kammer)

    22. April 2016 ( *1 )

    „Staatliche Beihilfen — Richtlinie 92/81/EWG — Verbrauchsteuern auf Mineralöle — Mineralöle, die als Brennstoff zur Tonerdegewinnung verwendet werden — Befreiung von der Verbrauchsteuer — Vertrauensschutz — Rechtssicherheit — Angemessene Verfahrensdauer“

    In der Rechtssache T‑56/06 RENV II

    Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues, D. Colas und R. Coesme als Bevollmächtigte,

    Klägerin,

    gegen

    Europäische Kommission, vertreten durch V. Di Bucci, N. Khan, G. Conte, D. Grespan und K. Walkerová als Bevollmächtigte,

    Beklagte,

    wegen Nichtigerklärung von Art. 5 der Entscheidung 2006/323/EG der Kommission vom 7. Dezember 2005 über die Befreiung von der Verbrauchsteuer auf Mineralöle, die als Brennstoff zur Tonerdegewinnung in den Regionen Gardanne und Shannon und auf Sardinien verwendet werden, durch Frankreich, Irland und Italien (ABl. 2006, L 119, S. 12), soweit der Französischen Republik darin aufgegeben wird, die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe zurückzufordern, die sie zwischen dem 3. Februar 2002 und dem 31. Dezember 2003 auf der Grundlage der Befreiung von der Verbrauchsteuer auf Mineralöle, die als Brennstoff zur Tonerdegewinnung in der Region Gardanne (Frankreich) verwendet werden, gewährte,

    erlässt

    DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)

    unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen, der Richterin I. Pelikánová (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Buttigieg, S. Gervasoni und L. Madise,

    Kanzler: S. Bukšek Tomac, Verwaltungsrätin,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 2015

    folgendes

    Urteil

    Vorgeschichte des Rechtsstreits

    Streitige Befreiung

    1

    Tonerde (Aluminiumoxid) ist ein weißes Pulver, das vor allem zur Aluminiumherstellung verwendet wird. Es wird aus Bauxiterz durch Raffinierung gewonnen, deren letzter Schritt die Kalzinierung ist. Über 90 % der kalzinierten Tonerde werden zur Verhüttung von Aluminiummetall verwendet. Der Rest wird weiterverarbeitet und in chemischen Anwendungen verwendet. Es gibt zwei getrennte sachlich relevante Märkte: Schmelz-Aluminiumoxid und reines Aluminiumoxid. Mineralöle können als Brennstoff zur Tonerdegewinnung verwendet werden.

    2

    In Irland, Italien und Frankreich gibt es jeweils nur einen Tonerdehersteller. In Frankreich handelt sich dabei um die Alcan Inc. mit Sitz in der Region Gardanne. Auch in Deutschland, Spanien, Griechenland und Ungarn sowie im Vereinigten Königreich gibt es Tonerdehersteller.

    3

    Seit 1997 befreit die Französische Republik Mineralöle, die als Brennstoff zur Tonerdegewinnung in der Region Gardanne verwendet werden, von der Verbrauchsteuer (im Folgenden: streitige Befreiung). Die streitige Befreiung wurde durch Art. 6 des Gesetzes Nr. 97-1239 vom 29. Dezember 1997 mit dem Steuerberichtigungsgesetz für 1997 (JORF vom 30. Dezember 1997, S. 19101) in das französische Recht eingeführt.

    4

    Die Anwendung der französischen Befreiung in der Region Gardanne wurde durch die Entscheidung 97/425/EG des Rates vom 30. Juni 1997 zur Ermächtigung bestimmter Mitgliedstaaten, gemäß dem Verfahren der Richtlinie 92/81/EWG ermäßigte Verbrauchsteuersätze oder Verbrauchsteuerbefreiungen für Mineralöle mit bestimmten Verwendungszwecken anzuwenden und beizubehalten (ABl. L 182, S. 22), bis zum 31. Dezember 1998 genehmigt. Anschließend wurde sie durch die Entscheidung 1999/255/EG vom 30. März 1999 zur Ermächtigung bestimmter Mitgliedstaaten, gemäß der Richtlinie 92/81/EWG für Mineralöle mit bestimmten Verwendungszwecken Verbrauchsteuerermäßigungen oder ‑befreiungen anzuwenden und beizubehalten, und zur Änderung der Entscheidung 97/425 (ABl. L 99, S. 26), vom Rat der Europäischen Union bis zum 31. Dezember 1999 verlängert. Durch die Entscheidung 1999/880/EG vom 17. Dezember 1999 zur Ermächtigung bestimmter Mitgliedstaaten, gemäß dem Verfahren der Richtlinie 92/81/EWG ermäßigte Verbrauchsteuersätze oder Verbrauchsteuerbefreiungen für Mineralöle mit bestimmten Verwendungszwecken anzuwenden und beizubehalten (ABl. L 331, S. 73), wurde sie vom Rat ein weiteres Mal bis zum 31. Dezember 2000 verlängert.

    5

    Durch die Entscheidung 2001/224/EG des Rates vom 12. März 2001 über Verbrauchsteuerermäßigungen und ‑befreiungen für Mineralöle, die zu bestimmten Zwecken verwendet werden (ABl. L 84, S. 23) – die letzte, die die streitige Befreiung betraf –, wurde die genannte Befreiung bis zum 31. Dezember 2006 verlängert. In ihrem fünften Erwägungsgrund heißt es, dass diese Entscheidung „dem Ergebnis etwaiger Verfahren nicht vor[greift], die möglicherweise gemäß den Artikeln 87 [EG] und 88 [EG] wegen einer Beeinträchtigung des Funktionierens des Binnenmarkts eingeleitet werden“, und dass „[s]ie … die Mitgliedstaaten keinesfalls ihrer Pflicht [enthebt], etwaige staatliche Beihilfen gemäß Artikel 88 [EG] bei der Kommission anzumelden“.

    Verwaltungsverfahren

    6

    Mit Schreiben vom 2. Juni 1998 erbat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften Auskünfte von den französischen Behörden, um zu prüfen, ob die streitige Befreiung in den Anwendungsbereich der Art. 87 EG und 88 EG fiel. Nachdem sie am 10. Juli 1998 um eine Verlängerung der Antwortfrist gebeten hatte, die am 24. Juli 1998 gewährt wurde, antwortete die Französische Republik mit Schreiben vom 7. August 1998.

    7

    Mit Schreiben vom 17. Juli 2000 forderte die Kommission die Französische Republik auf, die streitige Befreiung bei ihr anzumelden. Mit Schreiben vom 4. September 2000 antworteten die französischen Behörden, dass die streitige Befreiung nach ihrer Auffassung keine staatliche Beihilfe darstelle und daher nicht angemeldet werden müsse. Die Kommission bat die Französische Republik mit Schreiben vom 27. September 2000 um weitere Auskünfte. Nach einem Erinnerungsschreiben der Kommission vom 20. November 2000 antworteten die französischen Behörden am 8. Dezember 2000.

    8

    Mit Beschluss K(2001) 3295 vom 30. Oktober 2001 leitete die Kommission ein Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG in Bezug auf die streitige Befreiung ein (im Folgenden: förmliches Prüfverfahren). Dieser Beschluss wurde der Französischen Republik mit Schreiben vom 5. November 2001 übermittelt und am 2. Februar 2002 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht (ABl. C 30, S. 21).

    9

    Mit Schreiben vom 26. und 28. Februar sowie vom 1. März 2002 wurden der Kommission Bemerkungen der Aughinish Alumina Ltd, der Eurallumina SpA, von Alcan sowie der European Aluminium Association vorgelegt. Diese wurden der Französischen Republik mit Schreiben vom 26. März 2002 übermittelt.

    10

    Die Französische Republik nahm, nachdem sie mit Schreiben vom 21. November 2001 eine Verlängerung der Antwortfrist beantragt hatte, die am 29. November 2001 gewährt wurde, mit Schreiben vom 12. Februar 2002 Stellung.

    Tonerde-I-Entscheidung

    11

    Am 7. Dezember 2005 erließ die Kommission die Entscheidung 2006/323/EG über die Befreiung von der Verbrauchsteuer auf Mineralöle, die als Brennstoff zur Tonerdegewinnung in den Regionen Gardanne und Shannon und auf Sardinien verwendet werden, durch Frankreich, Irland und Italien (ABl. 2006, L 119, S. 12, im Folgenden: Tonerde‑I‑Entscheidung).

    12

    Die Tonerde‑I-Entscheidung betrifft den Zeitraum vor dem 1. Januar 2004, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. L 283, S. 51), mit der die Richtlinien 92/81/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle (ABl. L 316, S. 12) und 92/82/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuersätze für Mineralöle (ABl. L 316, S. 19) mit Wirkung vom 31. Dezember 2003 aufgehoben worden sind (57. Erwägungsgrund). Sie weitet das förmliche Prüfverfahren gleichwohl auf den Zeitraum nach dem 31. Dezember 2003 aus (92. Erwägungsgrund).

    13

    Im verfügenden Teil der Tonerde‑I-Entscheidung ist u. a. bestimmt:

    „Artikel 1

    Die bis 31. Dezember 2003 von Frankreich, Irland und Italien gewährten Befreiungen von der Verbrauchsteuer auf schwere Heizöle, die zur Tonerdegewinnung verwendet werden, stellen staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 [EG] dar.

    Artikel 2

    Zwischen dem 17. Juli 1990 und 2. Februar 2002 gewährte Beihilfen werden, soweit sie mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind, nicht zurückgefordert, da dies gegen die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts verstoßen würde.

    Artikel 3

    Die zwischen dem 3. Februar 2002 und 31. Dezember 2003 gewährten, in Artikel 1 genannten Beihilfen sind mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Artikel 87 Absatz 3 [EG] vereinbar, soweit die Begünstigten mindestens einen Steuersatz von 13,01 [Euro] pro 1000 kg schweres Heizöl zahlen.

    Artikel 4

    Die zwischen dem 3. Februar 2002 und 31. Dezember 2003 gewährten … Beihilfen sind mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Artikel 87 Absatz 3 [EG] unvereinbar, soweit die Begünstigten nicht einen Steuersatz von 13,01 [Euro] pro 1000 kg schweres Heizöl zahlten.

    Artikel 5

    (1)   Frankreich, Irland und Italien ergreifen alle notwendigen Maßnahmen, um von den Empfängern die in Artikel 4 genannten, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfen zurückzufordern.

    (5)   Frankreich, Irland und Italien weisen die Empfänger der in Artikel 4 genannten, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfen innerhalb von zwei Monaten nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung an, die rechtswidrig gewährten Beihilfen mit Zinsen zurückzuzahlen.“

    Verfahren und Anträge der Parteien

    14

    Mit Klageschrift, die am 17. Februar 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Französische Republik die vorliegende Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen T‑56/06 in das Register eingetragen worden ist.

    15

    In Anwendung von Art. 14 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 und auf Vorschlag der Zweiten Kammer hat das Gericht nach Anhörung der Parteien gemäß Art. 51 der erwähnten Verfahrensordnung beschlossen, die vorliegende Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper zu verweisen.

    16

    Mit Beschluss vom 24. Mai 2007 hat der Präsident der Zweiten erweiterten Kammer des Gerichts die Rechtssache T‑56/06 mit den Rechtssachen T‑50/06, T‑60/06, T‑62/06 und T‑69/06 (im Folgenden: Tonerde‑I-Rechtssachen) nach Anhörung der Parteien gemäß Art. 50 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung verbunden.

    17

    Mit Urteil vom 12. Dezember 2007, Irland u. a./Kommission (T‑50/06, T‑56/06, T‑60/06, T‑62/06 und T‑69/06, EU:T:2007:383), hat das Gericht die Tonerde‑I-Rechtssachen zu gemeinsamer Entscheidung verbunden, die Tonerde‑I-Entscheidung für nichtig erklärt und in der Rechtssache T‑62/06 die Klage im Übrigen abgewiesen.

    18

    Mit Rechtsmittelschrift vom 26. Februar 2008 hat die Kommission Rechtsmittel gegen dieses Urteil des Gerichts eingelegt.

    19

    Mit Urteil vom 2. Dezember 2009, Kommission/Irland u. a. (C‑89/08 P, Slg, EU:C:2009:742), hat der Gerichtshof das Urteil Irland u. a./Kommission (oben in Rn. 17 angeführt, EU:T:2007:383) aufgehoben, soweit das Gericht damit die Tonerde‑I-Entscheidung für nichtig erklärt hatte, die Tonerde‑I-Rechtssachen an das Gericht zurückverwiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten.

    20

    Im Anschluss an das Urteil Kommission/Irland u. a. (oben in Rn. 19 angeführt, EU:C:2009:742) sind die Tonerde‑I-Rechtssachen mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichts vom 18. Dezember 2009 gemäß Art. 118 § 1 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 der Zweiten erweiterten Kammer zugewiesen worden.

    21

    Gemäß Art. 119 § 1 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 haben die Parteien ihre Schriftsätze am 16. Februar 2010 – was die Französische Republik angeht – bzw. am 28. April 2010 – was die Kommission betrifft – eingereicht. In ihrem Schriftsatz hat die Französische Republik in Anbetracht des Urteils Kommission/Irland u. a. (oben in Rn. 19 angeführt, EU:C:2009:742) darauf hingewiesen, dass sie auf den zweiten Klagegrund einer Verletzung der Begründungspflicht verzichte.

    22

    Mit Beschluss des Präsidenten der Zweiten erweiterten Kammer vom 1. März 2010 sind die Tonerde‑I-Rechtssachen zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren sowie zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden. Mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichts vom 20. September 2010 sind die Tonerde‑I-Rechtssachen der Vierten erweiterten Kammer neu zugewiesen worden.

    23

    Mit Urteil vom 21. März 2012, Irland u. a./Kommission (T‑50/06 RENV, T‑56/06 RENV, T‑60/06 RENV, T‑62/06 RENV und T‑69/06 RENV, Slg, EU:T:2012:134), hat das Gericht die Tonerde‑I‑Entscheidung insoweit für nichtig erklärt, als darin festgestellt wurde oder sie auf der Feststellung beruhte, dass die bis zum 31. Dezember 2003 von der Französischen Republik, Irland und der Italienischen Republik gewährten Befreiungen von der Verbrauchsteuer auf Mineralöle, die als Brennstoff zur Tonerdegewinnung verwendet werden (im Folgenden: Befreiungen von der Verbrauchsteuer), staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellten, und mit ihr angeordnet wurde, dass die Französische Republik, Irland und die Italienische Republik alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die genannten Befreiungen von den Empfängern zurückzufordern, soweit diese nicht eine Verbrauchsteuer von 13,01 Euro je 1000 kg schweres Heizöl gezahlt hatten.

    24

    Mit Rechtsmittelschrift vom 1. Juni 2012 hat die Kommission Rechtsmittel gegen dieses Urteil des Gerichts eingelegt.

    25

    Mit Urteil vom 10. Dezember 2013, Kommission/Irland u. a. (C‑272/12 P, Slg, EU:C:2013:812), hat der Gerichtshof das Urteil Irland u. a./Kommission (oben in Rn. 23 angeführt, EU:T:2012:134) aufgehoben, die Tonerde‑I-Rechtssachen an das Gericht zurückverwiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten.

    26

    Im Anschluss an das Urteil Kommission/Irland u. a. (oben in Rn. 25 angeführt, EU:C:2013:812) sind die Tonerde‑I-Rechtssachen mit Entscheidungen des Präsidenten des Gerichts vom 21. Januar und 10. März 2014 der Ersten Kammer zugewiesen worden.

    27

    Gemäß Art. 119 § 1 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 haben die Parteien ihre Schriftsätze am 20. Februar 2014 – was die Französische Republik angeht – bzw. am 8. April 2014 – was die Kommission betrifft – eingereicht. In ihrem Schriftsatz hat die Französische Republik in Anbetracht des Urteils Kommission/Irland u. a. (oben in Rn. 25 angeführt, EU:C:2013:812) erklärt, dass sie auf den ersten Klagegrund einer Verkennung des Begriffs der staatlichen Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG verzichte und die Klageanträge auf Nichtigerklärung von Art. 5 der Tonerde-I-Entscheidung, soweit dieser ihr die Rückforderung der unvereinbaren staatlichen Beihilfe aufgebe, die sie zwischen dem 3. Februar 2002 und dem 31. Dezember 2003 auf der Grundlage der streitigen Befreiung gewährt habe (im Folgenden: streitige Beihilfe), sowie auf Verurteilung der Kommission zur Tragung der Kosten beschränkt. Die Kommission hat dies in ihrem Schriftsatz zur Kenntnis genommen.

    28

    Mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichts vom 30. September 2014 sind die Tonerde‑I-Rechtssachen gemäß Art. 118 § 1 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 der Ersten erweiterten Kammer neu zugewiesen worden.

    29

    Auf Bericht der Berichterstatterin hat das Gericht beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen.

    30

    In der Sitzung vom 6. März 2015 haben die Parteien mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

    31

    Die Französische Republik beantragt im Wesentlichen,

    Art. 5 der Tonerde-I-Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit er die Rückforderung der streitigen Beihilfe vorsieht (im Folgenden: angefochtene Entscheidung);

    der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

    32

    Die Kommission beantragt,

    die Klage abzuweisen;

    der Französischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

    Rechtliche Würdigung

    33

    Zur Stützung der vorliegenden Klage macht die Französische Republik nur noch einen einzigen Klagegrund geltend, der dem dritten Klagegrund entspricht, mit dem gerügt wird, die Kommission habe mit dem Erlass der streitigen Entscheidung gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit und der Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer verstoßen.

    34

    Zur Stützung ihres Klagegrundes eines Verstoßes gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit und der Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer beruft sich die Französische Republik erstens auf die Erwägungsgründe 98 und 99 der Tonerde-I-Entscheidung, in denen die Kommission das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände anerkenne, die einer Rückforderung der streitigen Beihilfe gemäß Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88 EG] (ABl. L 83, S. 1) und nach einer ständigen Rechtsprechung entgegenstünden.

    35

    Zweitens beruft sie sich auf die Entscheidung 2001/224, die es ihr gestattet habe, die streitige Befreiung bis zum 31. Dezember 2006 beizubehalten, sowie auf Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2003/96, der diese Entscheidung bestätigt habe; aufgrund dessen habe die Kommission nicht die Auffassung vertreten können, der Umstand, dass der Beschluss über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens am 2. Februar 2002 im Amtsblatt veröffentlicht worden sei, habe den berechtigten Erwartungen des Empfängers der streitigen Beihilfe, d. h. von Alcan, in die Ordnungsmäßigkeit dieser Beihilfe ein Ende gesetzt.

    36

    Die Französische Republik verweist drittens auf die berechtigten Erwartungen von Alcan in die Ordnungsmäßigkeit der streitigen Beihilfe, die sich aus dem säumigen Verhalten der Kommission im Zusammenhang mit dem Erlass der Tonerde-I-Entscheidung ergäben, die erst am 7. Dezember 2005 ergangen sei, obwohl die Kommission im Februar 2002 den Beschluss über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens veröffentlicht und die letzten Bemerkungen der Parteien erhalten habe und durch die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer daran gehindert sei, unbegrenzt lange zu warten, ehe sie von ihren Befugnissen im Bereich der staatlichen Beihilfen Gebrauch mache.

    37

    Viertens beruft sie sich darauf, dass es der Kommission nicht möglich sei, diese Prüfungsdauer von beinahe vier Jahren durch die besondere Komplexität des Verfahrens zu rechtfertigen, weil sie – die Kommission – nicht im Einzelnen erläutert habe, inwiefern die Beurteilung der Vereinbarkeit der Verbrauchsteuerbefreiungen mit Art. 87 EG, speziell den Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen von 1994 und 2001, erhebliche Schwierigkeiten aufgeworfen habe, und bereits seit Langem Kenntnis von den Verbrauchsteuerbefreiungen gehabt habe.

    38

    Die Französische Republik stützt sich fünftens auf die Rechtsprechung, die es dem Richter der Europäischen Union ermögliche, die Angemessenheit der Dauer des förmlichen Prüfverfahrens der Kommission zu beurteilen, und dies sogar nach Inkrafttreten der Verordnung Nr. 659/1999. Art. 15 dieser Verordnung, der eine Verjährungsfrist von zehn Jahren für die Rückforderung einer Beihilfe einführe, lasse sich nicht so auslegen, als ermächtige er die Kommission zur Vornahme einer Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfe innerhalb ebendieser Frist, ohne die als Orientierung dienende Prüfungsfrist von 18 Monaten zu verletzen, die in der genannten Vorschrift ausdrücklich vorgesehen sei.

    39

    Die Kommission hält den vorliegenden Klagegrund für unbegründet.

    40

    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission gemäß Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 die Rückforderung einer staatlichen Beihilfe nicht verlangen kann, wenn dies gegen einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts verstieße.

    41

    Im vorliegenden Fall vertritt die Französische Republik gerade die Ansicht, die angefochtene Entscheidung verstoße gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit und der Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer.

    42

    Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes, der einen tragenden Grundsatz des Unionsrechts darstellt (Urteil vom 14. Oktober 1999, Atlanta/Europäische Gemeinschaft, C‑104/97 P, Slg, EU:C:1999:498, Rn. 52), jeder Wirtschaftsteilnehmer berufen kann, bei dem ein Unionsorgan begründete Erwartungen geweckt hat (Urteile vom 11. März 1987, Van den Bergh en Jurgens und Van Dijk Food Products [Lopik]/EWG, 265/85, Slg, EU:C:1987:121, Rn. 44, vom 24. März 2011, ISD Polska u. a./Kommission, C‑369/09 P, Slg, EU:C:2011:175, Rn. 123, sowie vom 27. September 2012, Producteurs de légumes de France/Kommission, T‑328/09, EU:T:2012:498, Rn. 18). Ist ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer jedoch in der Lage, den Erlass einer Unionsmaßnahme vorauszusehen, die seine Interessen berühren kann, so kann er sich im Fall ihres Erlasses nicht auf diesen Grundsatz berufen (vgl. Urteile vom 1. Februar 1978, Lührs, 78/77, Slg, EU:C:1978:20, Rn. 6, und vom 25. März 2009, Alcoa Trasformazioni/Kommission, T‑332/06, EU:T:2009:79, Rn. 102). Das Recht, sich auf Vertrauensschutz zu berufen, ist an drei kumulative Voraussetzungen gebunden. Erstens muss das betreffende Organ dem Betroffenen präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen von zuständiger und zuverlässiger Seite machen. Zweitens müssen diese Zusicherungen geeignet sein, bei dem Adressaten begründete Erwartungen zu wecken. Drittens müssen die Zusicherungen im Einklang mit den anwendbaren Rechtsnormen stehen (vgl. Urteil Producteurs de légumes de France/Kommission, EU:T:2012:498, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    43

    Was insbesondere die Anwendbarkeit des Grundsatzes des Vertrauensschutzes im Bereich staatlicher Beihilfen angeht, ist sodann darauf hinzuweisen, dass ein Mitgliedstaat, dessen Behörden eine Beihilfe unter Verletzung der Verfahrensvorschriften des Art. 88 EG gewährt haben, unter Berufung auf das geschützte Vertrauen des begünstigten Unternehmens die Gültigkeit einer Entscheidung der Kommission, die die Rückforderung der Beihilfe anordnet, vor dem Unionsrichter anfechten kann, sich aber nicht der Verpflichtung entziehen kann, Maßnahmen zur Durchführung dieser Entscheidung zu ergreifen (vgl. Urteil vom 14. Januar 1997, Spanien/Kommission, C‑169/95, Slg, EU:C:1997:10, Rn. 48 und 49 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Aus der Rechtsprechung geht ferner hervor, dass die Empfänger einer Beihilfe unter Berücksichtigung der grundlegenden Rolle der Anmeldepflicht für eine effektive Kontrolle staatlicher Beihilfen durch die Kommission, die zwingend ist, grundsätzlich nur dann ein schutzwürdiges Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit der genannten Beihilfe haben können, wenn diese unter Beachtung des Verfahrens des Art. 88 EG gewährt worden ist; ein sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer kann sich normalerweise vergewissern, dass dieses Verfahren beachtet worden ist. Insbesondere wenn eine Beihilfe ohne vorherige Anmeldung bei der Kommission durchgeführt wird, so dass sie gemäß Art. 88 Abs. 3 EG rechtswidrig ist, kann der Empfänger der Beihilfe zu diesem Zeitpunkt kein schutzwürdiges Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit ihrer Gewährung haben (vgl. in diesem Sinne Urteil Producteurs de légumes de France/Kommission, oben in Rn. 42 angeführt, EU:T:2012:498, Rn. 20 und 21 sowie die dort angeführte Rechtsprechung), es sei denn, es liegen außergewöhnliche Umstände vor (Urteil vom 20. September 1990, Kommission/Deutschland, C‑5/89, Slg, EU:C:1990:320, Rn. 16; vgl. auch Urteil vom 29. April 2004, Italien/Kommission, C‑298/00 P, Slg, EU:C:2004:240, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 30. November 2009, Frankreich/Kommission, T‑427/04 und T‑17/05, Slg, EU:T:2009:474, Rn. 263).

    44

    Weiter ist darauf hinzuweisen, dass die Einhaltung eines angemessenen Zeitraums bei der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt (Urteil vom 27. November 2003, Regione Siciliana/Kommission, T‑190/00, Slg, EU:T:2003:316, Rn. 136). Auch im Hinblick auf das grundlegende Erfordernis der Rechtssicherheit, das es der Kommission verbietet, unbegrenzt lange zu warten, ehe sie von ihren Befugnissen Gebrauch macht, hat das Gericht zu prüfen, ob der Ablauf des Verwaltungsverfahrens ein übermäßig verzögertes Handeln der Kommission erkennen lässt (Urteile vom 24. September 2002, Falck und Acciaierie di Bolzano/Kommission, C‑74/00 P und C‑75/00 P, Slg, EU:C:2002:524, Rn. 140 und 141, sowie vom 14. Januar 2004, Fleuren Compost/Kommission, T‑109/01, Slg, EU:T:2004:4, Rn. 145 bis 147).

    45

    Ein säumiges Verhalten der Kommission bis zur Entscheidung, dass eine Beihilfe rechtswidrig ist und von einem Mitgliedstaat aufgehoben und zurückgefordert werden muss, kann unter bestimmten Umständen bei den Empfängern dieser Beihilfe ein berechtigtes Vertrauen wecken, das es der Kommission verwehren kann, diesem Mitgliedstaat die Rückforderung der fraglichen Beihilfe aufzugeben (Urteil vom 24. November 1987, RSV/Kommission, 223/85, Slg, EU:C:1987:502, Rn. 17). Bei nicht mitgeteilten staatlichen Beihilfen kann der Kommission eine derartige Verzögerung jedoch erst von dem Zeitpunkt an zugerechnet werden, zu dem sie Kenntnis von den mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfen erlangt hat (Urteil Italien/Kommission, oben in Rn. 43 angeführt, EU:C:2004:240, Rn. 91).

    46

    Die bloße Tatsache, dass die Verordnung Nr. 659/1999 außer einer Verjährungsfrist von zehn Jahren (ab Gewährung der Beihilfe), nach deren Ablauf die Rückforderung der Beihilfe nicht mehr angeordnet werden kann, für die Prüfung einer rechtswidrigen Beihilfe durch die Kommission gemäß ihrem Art. 13 Abs. 2, der bestimmt, dass die Kommission nicht an die in Art. 7 Abs. 6 dieser Verordnung genannte Frist gebunden ist, keine Frist – nicht einmal eine Orientierungsfrist – vorsieht, hindert den Unionsrichter nicht daran, zu prüfen, ob dieses Organ keinen angemessenen Zeitraum eingehalten hat oder zu spät tätig geworden ist (vgl. in diesem Sinne entsprechend – in Bezug auf eine Orientierungsfrist – Urteile vom 15. Juni 2005, Regione autonoma della Sardegna/Kommission, T‑171/02, Slg, EU:T:2005:219, Rn. 57, sowie vom 9. September 2009, Diputación Foral de Álava u. a./Kommission, T‑230/01 bis T‑232/01 und T‑267/01 bis T‑269/01, EU:T:2009:316, Rn. 338 und 339, und Diputación Foral de Álava u. a./Kommission, T‑30/01 bis T‑32/01 und T‑86/02 bis T‑88/02, Slg, EU:T:2009:314, Rn. 259 und 260).

    47

    Nach der Rechtsprechung gebietet es der Grundsatz der Rechtssicherheit schließlich, dass die Kommission, wenn sie unter Verletzung der ihr obliegenden Sorgfaltspflicht aufgrund von Unsicherheitsfaktoren und eines Mangels an Klarheit in den anwendbaren Rechtsvorschriften, kombiniert mit einer fehlenden Reaktion über einen längeren Zeitraum trotz ihrer Kenntnis der betreffenden Beihilfen, eine unklare Rechtslage geschaffen hat, diese Rechtslage zu klären hat, bevor sie irgendeine Maßnahme im Hinblick auf die Anordnung der Rückforderung der bereits ausgezahlten Beihilfen ergreifen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 1970, Kommission/Frankreich, 26/69, Slg, EU:C:1970:67, Rn. 28 bis 32).

    48

    Vor dem Hintergrund der oben in den Rn. 42 bis 47 in Erinnerung gerufenen Regeln ist im vorliegenden Fall das Vorbringen der Parteien zu prüfen.

    49

    Die Französische Republik bestreitet nicht, dass sie die streitige Beihilfe nie bei der Kommission angemeldet hat. Diese Beihilfe ist somit unter Verstoß gegen Art. 88 Abs. 3 EG gewährt worden, ohne zuvor bei der Kommission angemeldet worden zu sein.

    50

    Die Französische Republik macht im vorliegenden Fall außerordentliche Umstände geltend, aufgrund deren Alcan berechtigte Gründe gehabt haben soll, auf die Ordnungsmäßigkeit der streitigen Befreiung und damit der streitigen Beihilfe zu vertrauen.

    51

    Die Französische Republik kann sich im vorliegenden Fall jedoch nicht mit Erfolg auf das Vorliegen solcher außerordentlicher Umstände berufen, und zwar aus den nachstehend in den Rn. 52 bis 86 dargelegten Gründen.

    52

    Entgegen dem Vorbringen der Französischen Republik ist die Veröffentlichung des Beschlusses über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens im Amtsblatt geeignet gewesen, die berechtigten Erwartungen von Alcan in die Ordnungsmäßigkeit der streitigen Befreiung zu beenden, wenn man die unklare Rechtslage berücksichtigt, die zuvor durch den Wortlaut der auf Vorschlag der Kommission ergangenen Genehmigungsentscheidungen des Rates, einschließlich des Wortlauts der während des von der angefochtenen Entscheidung betroffenen Zeitraums in Kraft befindlichen Entscheidung 2001/224, geschaffen worden war.

    53

    In den Rn. 52 und 53 des Urteils Kommission/Irland u. a. (oben in Rn. 25 angeführt, EU:C:2013:812), an die das Gericht gemäß Art. 61 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union gebunden ist, hat der Gerichtshof festgestellt, dass der Umstand, dass die Genehmigungsentscheidungen des Rates auf Vorschlag der Kommission erlassen worden sind und diese zu keiner Zeit von ihren Befugnissen aus Art. 8 Abs. 5 der Richtlinie 92/81 oder den Art. 230 EG und 241 EG Gebrauch gemacht hat, um die Aufhebung oder Umgestaltung dieser Entscheidungen zu erwirken, in Bezug auf die Pflicht zur Rückforderung der unvereinbaren Beihilfe sowie im Hinblick auf die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit zu berücksichtigen war, wie die Kommission dies in der Tonerde‑I-Entscheidung getan hatte, indem sie davon absah, die Rückforderung der Beihilfen anzuordnen, die bis zum 2. Februar 2002, dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entscheidungen über die Einleitung des Verfahrens nach Art. 88 Abs. 2 EG im Amtsblatt, gewährt worden waren. Dieser Grund ist für die Schlussfolgerung des Gerichtshofs in Rn. 54 des Urteils Kommission/Irland u. a. (oben in Rn. 25 angeführt, EU:C:2013:812), wonach die in den Rn. 39 bis 44 ebendieses Urteils dargelegten Gründe die Feststellung des Gerichts, dass durch die Tonerde‑I-Entscheidung die Gültigkeit der Genehmigungsentscheidungen des Rates in Frage gestellt werde, rechtlich nicht begründen können und daher gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Vermutung der Rechtmäßigkeit der Rechtsakte der Organe verstoßen, sowie die auf denselben Gründen beruhende Feststellung, dass die Kommission in der Rechtssache T‑62/06 RENV gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen habe, entscheidend gewesen.

    54

    In Anbetracht der sich aus den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit ergebenden Erfordernisse stand die unklare Rechtslage, die durch den Wortlaut der auf Vorschlag der Kommission erlassenen Genehmigungsentscheidungen des Rates geschaffen worden war, lediglich der Rückforderung der Beihilfe entgegen, die auf der Grundlage der streitigen Befreiung bis zum Tag der Veröffentlichung des Beschlusses über die Einleitung des Verfahrens nach Art. 88 Abs. 2 EG im Amtsblatt gewährt worden war. Ab dieser Veröffentlichung musste Alcan hingegen wissen, dass die streitige Befreiung, falls sie eine staatliche Beihilfe darstellte, gemäß Art. 88 EG von der Kommission zu genehmigen war.

    55

    Folglich hat die Veröffentlichung des Beschlusses über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens die berechtigten Erwartungen, die Alcan in Anbetracht der zuvor auf Vorschlag der Kommission erlassenen Genehmigungsentscheidungen des Rates bis dahin in die Ordnungsmäßigkeit der streitigen Befreiung haben konnte, entgegen dem Vorbringen der Französischen Republik sehr wohl beendet.

    56

    Die Kommission hat im 98. Erwägungsgrund der Tonerde‑I-Entscheidung daher zu Recht berücksichtigt, dass die Umstände dieses Falls insofern außergewöhnlich gewesen seien, als sie dem Rat Vorschläge vorgelegt und so Unklarheiten geschaffen und aufrechterhalten habe, und dass, da sie nicht feststellen könne, ob und, wenn ja, wann die einzelnen Begünstigten tatsächlich von den Mitgliedstaaten über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens informiert worden seien, nicht auszuschließen sei, dass sich die Begünstigten bis zum 2. Februar 2002, als ihre Beschlüsse zur Eröffnung eines förmlichen Verfahrens nach Art. 88 Abs. 2 EG in Bezug auf die Befreiungen von der Verbrauchsteuer im Amtsblatt veröffentlicht worden seien, auf berechtigte Erwartungen hätten verlassen können, wobei spätestens mit dieser Veröffentlichung jede mit dem Wortlaut der Genehmigungsentscheidungen des Rates zusammenhängende Ungewissheit dahin gehend, dass die fraglichen Maßnahmen von ihr nach Art. 88 EG genehmigt werden müssten, wenn sie staatliche Beihilfen darstellten, beseitigt worden sei.

    57

    Die Richtigkeit dieser Lösung wird durch die verschiedenen Argumente der Französischen Republik nicht in Frage gestellt.

    58

    Zum einen ist die Tatsache, dass Art. 18 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2003/96 es der Französischen Republik gestattete, die streitige Befreiung ab dem 1. Januar 2003 beizubehalten, für ein etwaiges schutzwürdiges Vertrauen von Alcan in die Ordnungsmäßigkeit dieser Befreiung in der Zeit vom 3. Februar 2002 bis zum 31. Dezember 2003 irrelevant. Zu dem Zeitpunkt, zu dem Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2003/96 in Kraft trat, d. h. am 1. Januar 2003, musste Alcan nämlich über das Bestehen eines laufenden förmlichen Prüfverfahrens, das die streitige Befreiung betraf, sowie darüber unterrichtet sein, dass die streitige Befreiung, falls sie eine staatliche Beihilfe darstellte, gemäß Art. 88 EG von der Kommission zu genehmigen war. Diese Rechtslage konnte nicht dadurch geändert werden, dass die Richtlinie 2003/96, in deren 32. Erwägungsgrund es ausdrücklich heißt, dass diese Richtlinie „dem Ergebnis etwaiger Verfahren über staatliche Beihilfen gemäß den Artikeln 87 [EG] und 88 [EG] nicht vor[greift]“, am 27. bzw. 31. Oktober 2003 erlassen worden und in Kraft getreten ist (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil Kommission/Irland u. a., oben in Rn. 25 angeführt, EU:C:2013:812, Rn. 51). Daher war Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2003/96 nach der Veröffentlichung des Beschlusses über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens nicht geeignet, bei Alcan erneut ein schutzwürdiges Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit der streitigen Befreiung im Hinblick auf die Vorschriften über staatliche Beihilfen zu wecken.

    59

    Zum anderen handelt es sich beim verspäteten Erlass der Tonerde‑I-Entscheidung durch die Kommission nicht um einen außergewöhnlichen Umstand, der geeignet gewesen wäre, bei Alcan erneut ein schutzwürdiges Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit der streitigen Befreiung zu wecken, und zwar aus sämtlichen nachstehend in den Rn. 60 bis 86 dargelegten Gründen.

    60

    Als Erstes ist zu prüfen, ob die Dauer des förmlichen Prüfverfahrens im vorliegenden Fall die Grenzen des Zumutbaren überschritten hat.

    61

    Der Gerichtshof hat in dem von der Französischen Republik angeführten Urteil RSV/Kommission (oben in Rn. 45 angeführt, EU:C:1987:502) insoweit die Ansicht vertreten, dass die Kommission die Grenzen des Zumutbaren überschritten hatte, indem sie sich 26 Monate Zeit ließ, bevor sie ihre Entscheidung erließ.

    62

    Außerdem beträgt der Richtwert für den Abschluss eines förmlichen Prüfverfahrens im Rahmen angemeldeter staatlicher Beihilfen gemäß Art. 7 Abs. 6 der Verordnung Nr. 659/1999 18 Monate. Diese Frist gibt, auch wenn sie gemäß Art. 13 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 nicht für rechtswidrige Beihilfen gilt (vgl. oben, Rn. 46), einen nützlichen Bezugspunkt für die Bestimmung der angemessenen Dauer eines förmlichen Prüfverfahrens ab, das, wie im vorliegenden Fall, eine nicht angemeldete Maßnahme betrifft.

    63

    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Kommission die Französische Republik, Irland und die Italienische Republik am 17. Juli 2000 aufgefordert hat, die Befreiungen von der Verbrauchsteuer im Rahmen der Vorschriften über staatliche Beihilfen anzumelden. Die Antworten, die nicht die Qualität einer Anmeldung hatten, sind im September, Oktober und Dezember 2000 bei ihr eingegangen. Sodann hat sie mit Beschluss vom 30. Oktober 2001, der den betreffenden Mitgliedstaaten am 5. November 2001 übermittelt und am 2. Februar 2002 im Amtsblatt veröffentlicht wurde, das förmliche Prüfverfahren eingeleitet. Schließlich wurden ihr Bemerkungen von Aughinish Alumina (Schreiben vom 26. Februar und vom 1. März 2002), Eurallumina (Schreiben vom 28. Februar 2002), Alcan (Schreiben vom 1. März 2002) sowie der European Aluminium Association (Schreiben vom 26. Februar 2002) vorgelegt. Diese Bemerkungen wurden Irland sowie der Italienischen und der Französischen Republik am 26. März 2002 mitgeteilt.

    64

    Irland legte am 8. Januar 2002 Bemerkungen zum Beschluss über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens vor. Die Kommission ersuchte Irland am 18. Februar 2002 um weitere Auskünfte, das, nachdem es eine Verlängerung der Antwortfrist beantragt hatte, am 26. April 2002 antwortete. Die Französische Republik, die am 21. November 2001 ebenfalls eine Verlängerung der Antwortfrist beantragt hatte, legte am 12. Februar 2002 Bemerkungen zum Eröffnungsbeschluss vor. Die Italienische Republik legte ihre Bemerkungen am 6. Februar 2002 vor.

    65

    Die Tonerde‑I-Entscheidung wurde am 7. Dezember 2005 erlassen.

    66

    Somit sind zwischen dem Erlass des Beschlusses über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens und dem Erlass der Tonerde‑I-Entscheidung etwas mehr als 49 Monate vergangen.

    67

    Auf den ersten Blick erscheint eine solche Dauer, die fast doppelt so lang war wie die im Urteil RSV/Kommission (oben in Rn. 45 angeführt, EU:C:1987:502) berücksichtigte und etwas mehr als doppelt so lang wie die in Art. 7 Abs. 6 der Verordnung Nr. 659/1999 für den Abschluss eines förmlichen Prüfverfahrens im Rahmen angemeldeter staatlicher Beihilfen vorgesehene Dauer, unangemessen. Im Einklang mit der Rechtsprechung ist gleichwohl zu prüfen, ob sich diese Dauer nicht durch die Umstände des vorliegenden Falls rechtfertigen ließ.

    68

    Im vorliegenden Fall können die von der Kommission angeführten Umstände eine Prüfungsdauer von 49 Monaten jedoch nicht rechtfertigen.

    69

    Bei der Beurteilung dieser Dauer sind zwar zum einen die den Mitgliedstaaten und den Begünstigten eingeräumte Frist zur Stellungnahme und zum anderen die Tatsache zu berücksichtigen, dass die französische, die irische und die italienische Regierung bei der Kommission Verlängerungen der Fristen für die Abgabe ihrer Stellungnahmen und Antworten im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens beantragt haben. Angesichts der engen Verbindungen, die im vorliegenden Fall zwischen den Befreiungen von der Verbrauchsteuer bestehen, da es um ähnliche Maßnahmen geht, die am Ende parallel geführter Verfahren durch dieselbe Entscheidung des Rates genehmigt worden sind, ist sämtlichen in den betreffenden Verfahren vorgenommenen Prozesshandlungen, insbesondere dem Umstand, dass Irland am 26. April 2002 auf das letzte von der Kommission übermittelte Ersuchen um zusätzliche Informationen geantwortet hat, Rechnung zu tragen.

    70

    Nach dem letztgenannten Datum sind allerdings noch etwas mehr als 43 Monate vergangen, bevor die Kommission die Tonerde‑I-Entscheidung erlassen hat. Im Licht sämtlicher von den betreffenden Mitgliedstaaten und den interessierten Parteien eingereichter Bemerkungen lässt sich ein derart langer Zeitraum für die Prüfung der fraglichen Unterlagen unter den Umständen des vorliegenden Falls jedoch nicht rechtfertigen.

    71

    Was erstens die geltend gemachte Schwierigkeit der Verfahren angeht, ist diese nicht nachgewiesen und könnte, selbst wenn dem so wäre, eine derart lange Prüfungsdauer wie im vorliegenden Fall nicht rechtfertigen. Es bestehen nämlich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kommission mit besonders gravierenden rechtlichen Problemen konfrontiert worden wäre; im Übrigen weist die Tonerde‑I-Entscheidung eine überschaubare Länge (112 Erwägungsgründe) auf und lässt in ihren Ausführungen keine offensichtliche Schwierigkeit erkennen. Sodann hatte die Kommission, wie die Französische Republik zu Recht feststellt, bereits lange vor Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens Kenntnis von den Verbrauchsteuerbefreiungen, da die ersten Befreiungsanträge bis in die Jahre 1992 für Irland, 1993 für die Italienische Republik und 1997 für die Französische Republik zurückreichten. Im Übrigen ist es die Kommission, die dem Rat die aufeinanderfolgenden Vorschläge für Entscheidungen über die Genehmigung der Verbrauchsteuerbefreiungen übermittelt hat, nachdem bei ihr diesbezügliche Anträge der Französischen Republik, Irlands und der Italienischen Republik eingegangen waren. Schließlich hat die Kommission die Welthandelsorganisation (WTO) im Rahmen ihrer Berichte über staatliche Beihilfen von der irischen Befreiung in Kenntnis gesetzt.

    72

    Außerdem hat die Kommission selbst darauf hingewiesen, dass sie die Befreiungen von der Verbrauchsteuer seit 1999 als Verstöße gegen die Vorschriften über staatliche Beihilfen betrachte. Sie ist somit von diesem Zeitpunkt an in der Lage gewesen, ihre Überlegungen zur Ordnungsmäßigkeit der genannten Befreiungen im Hinblick auf diese Vorschriften zu vertiefen.

    73

    Darüber hinaus belegt die Tatsache, dass die Kommission die Französische Republik, Irland oder die Italienische Republik während der 43 Monate vor Erlass der Tonerde‑I-Entscheidung nicht mehr um zusätzliche Auskünfte ersucht hat, dass sie bereits zu diesem Zeitpunkt über alle Informationen verfügte, die sie für den Erlass ihrer Entscheidung über die Befreiungen von der Verbrauchsteuer benötigte.

    74

    Schließlich kann sich die Kommission, wie die Französische Republik zu Recht vorträgt, nicht mit Erfolg auf die angebliche Schwierigkeit berufen, die sich aus der Entwicklung der Gemeinschaftsregelung für die Besteuerung von Mineralölen, insbesondere aus dem Erlass der Richtlinie 2003/96, ergeben soll. Die Tonerde‑I-Entscheidung betrifft nämlich einen rechtlichen Sachverhalt, der nicht unter die sich aus der Richtlinie 2003/96 ergebende neue Regelung für die Besteuerung von Mineralölen fiel, die erst am 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist, sondern unter die zuvor geltende Regelung für die Besteuerung von Mineralölen. Daher wirkte sich die von der Kommission geltend gemachte Entwicklung der Gemeinschaftsregelung im vorliegenden Fall nicht aus. Dies wird dadurch bestätigt, dass die Kommission in der Tonerde‑I-Entscheidung ein neues förmliches Prüfverfahren in Bezug auf die Befreiungen von der Verbrauchsteuer auf Mineralöle eingeleitet hat, die ab dem 1. Januar 2004 – dem Zeitpunkt, zu dem die sich aus der Richtlinie 2003/96 ergebende neue Regelung für die Besteuerung von Mineralölen in Kraft trat – als Brennstoff zur Tonerdegewinnung in der Region Gardanne, der Region Shannon und auf Sardinien verwendet werden. Jedenfalls ist hervorzuheben, dass die Tonerde‑I-Entscheidung fast zwei Jahre nach Erlass der Richtlinie 2003/96 ergangen ist. Die von der Kommission behauptete Notwendigkeit, in der Tonerde‑I-Entscheidung die sich aus der Richtlinie 2003/96 ergebende neue Regelung für die Besteuerung von Mineralölen zu berücksichtigen, konnte als solche jedoch nicht genügen, um eine derart lange Prüfungsdauer wie im vorliegenden Fall zu rechtfertigen.

    75

    Unter diesen Umständen hatte die Kommission eine gute Kenntnis des rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhangs der Befreiungen von der Verbrauchsteuer und sah sich bei der Prüfung dieser Befreiungen anhand der Vorschriften über staatliche Beihilfen keinen offensichtlichen Schwierigkeiten gegenüber.

    76

    Was zweitens die von der Kommission geltend gemachten Schwierigkeiten praktischer und sprachlicher Natur betrifft, so können diese, selbst wenn unterstellt wird, dass sie nachgewiesen sind, eine derart lange Prüfungsdauer wie im vorliegenden Fall nicht rechtfertigen. Die Kommission verfügte jedenfalls über Dienststellen, die es ihr ermöglichten, den von ihr behaupteten sprachlichen Schwierigkeiten zu begegnen und parallel die Befreiungen von der Verbrauchsteuer innerhalb deutlich kürzerer Zeiträume als dem vorliegenden zu prüfen, insbesondere durch eine gute Koordination ihrer Dienststellen.

    77

    Folglich ist die Dauer der Prüfung der streitigen Beihilfe im vorliegenden Fall unangemessen.

    78

    Als Zweites bleibt zu prüfen, ob Alcan, wie die Französische Republik vorträgt, aufgrund der Tatsache, dass das förmliche Prüfverfahren der Kommission eine angemessene Verfahrensdauer überschritten hatte, davon ausgehen durfte, dass die Zweifel der Kommission behoben waren und die streitige Befreiung keinem Einwand begegnete, und ob diese Überschreitung die Kommission daran hindern konnte, die Rückforderung der zwischen dem 3. Februar 2002 und dem 31. Dezember 2003 auf der Grundlage dieser Befreiung gewährten Beihilfe zu verlangen, wie in dem von der Französischen Republik angeführten Urteil RSV/Kommission (oben in Rn. 45 angeführt, EU:C:1987:502, Rn. 16) festgestellt wurde.

    79

    Im Urteil RSV/Kommission (oben in Rn. 45 angeführt, EU:C:1987:502) war die Tatsache, dass sich die Kommission 26 Monate Zeit gelassen hatte, um ihre Entscheidung zu erlassen, nach Ansicht des Gerichtshofs zwar geeignet, bei der klagenden Empfängerin der Beihilfe ein berechtigtes Vertrauen entstehen zu lassen, das es der Kommission verwehrte, den betroffenen nationalen Behörden aufzugeben, die Rückforderung dieser Beihilfe anzuordnen.

    80

    Auch wenn die Gebote der Rechtssicherheit, die private Interessen schützen, gewahrt werden müssen, sind sie jedoch gegen die Gebote des Schutzes der öffentlichen Interessen abzuwägen, zu denen im Bereich der staatlichen Beihilfen das Interesse daran gehört, zu verhindern, dass das Funktionieren des Marktes durch wettbewerbsschädliche Beihilfen verfälscht wird; deshalb ist es nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, dass rechtswidrige Beihilfen zur Wiederherstellung der früheren Lage zurückgezahlt werden (vgl. Urteil vom 5. August 2003, P & O European Ferries [Vizcaya] und Diputación Foral de Vizcaya/Kommission, T‑116/01 und T‑118/01, Slg, EU:T:2003:217, Rn. 207 und 208 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

    81

    In der Rechtsprechung ist das Urteil RSV/Kommission (oben in Rn. 45 angeführt, EU:C:1987:502) daher in dem Sinne ausgelegt worden, dass die konkreten Umstände der Rechtssache, die zu seinem Erlass geführt hat, für die vom Gerichtshof eingeschlagene Richtung von entscheidender Bedeutung gewesen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile Italien/Kommission, oben in Rn. 43 angeführt, EU:C:2004:240, Rn. 90, vom 29. April 2004, Italien/Kommission, C‑372/97, Slg, EU:C:2004:234, Rn. 119, Diputación Foral de Álava u. a./Kommission, oben in Rn. 46 angeführt, EU:T:2009:314, Rn. 286, sowie Diputación Foral de Álava u. a./Kommission, oben in Rn. 46 angeführt, EU:T:2009:316, Rn. 344). Insbesondere war die Beihilfe, um die es im Urteil RSV/Kommission (oben in Rn. 45 angeführt, EU:C:1987:502) ging, gewährt worden, bevor die Kommission das sich darauf beziehende förmliche Prüfverfahren eingeleitet hatte. Außerdem war sie, wenngleich erst nach ihrer Auszahlung, bei der Kommission förmlich angemeldet worden. Darüber hinaus sollte sie die Mehrkosten im Zusammenhang mit von der Kommission genehmigten Beihilfen decken und betraf einen Sektor, der seit 1977 mit Genehmigung der Kommission bezuschusst worden war. Schließlich erforderte die Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfe keine eingehende Untersuchung.

    82

    In der vorliegenden Rechtssache finden sich allerdings nicht sämtliche außergewöhnlichen Umstände der Rechtssache wieder, in der das Urteil RSV/Kommission (oben in Rn. 45 angeführt, EU:C:1987:502) ergangen ist. Wie in der letztgenannten Rechtssache war der Kommission die streitige Befreiung zu dem Zeitpunkt, zu dem sie offensichtlich untätig geblieben ist, zwar bereits recht gut bekannt, so dass sie sich eine Meinung zur Ordnungsmäßigkeit dieser Befreiung im Hinblick auf die Vorschriften über staatliche Beihilfen bilden konnte und insoweit keine eingehende Untersuchung mehr durchführen musste. Andere im Urteil RSV/Kommission (oben in Rn. 45 angeführt, EU:C:1987:502) festgestellte wesentliche Umstände sind im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Insbesondere ist die streitige Beihilfe in der vorliegenden Rechtssache gewährt worden, nachdem die Kommission das sich auf die streitige Befreiung beziehende förmliche Prüfverfahren eingeleitet hatte.

    83

    Dadurch unterscheidet sich der Fall im Urteil RSV/Kommission (oben in Rn. 45 angeführt, EU:C:1987:502) grundlegend von dem der vorliegenden Klage zugrunde liegenden Fall. Daher kann sich die Französische Republik im vorliegenden Fall nicht mit Erfolg auf das Urteil RSV/Kommission (oben in Rn. 45 angeführt, EU:C:1987:502) berufen.

    84

    Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass, wie der Gerichtshof in Rn. 52 des Urteils vom 11. November 2004, Demesa und Territorio Histórico de Álava/Kommission (C‑183/02 P und C‑187/02 P, Slg, EU:C:2004:701), in Bezug auf außergewöhnliche Umstände, die beim Empfänger einer rechtswidrigen Beihilfe berechtigterweise ein Vertrauen – genauer gesagt ein sich möglicherweise aus der Untätigkeit der Kommission ergebendes schutzwürdiges Vertrauen – in die Ordnungsmäßigkeit dieser Beihilfe wecken könnten, befunden hat, die offensichtliche Untätigkeit der Kommission irrelevant ist, wenn ihr eine Beihilferegelung nicht gemeldet wurde. Somit kommt im vorliegenden Fall der offensichtlichen Untätigkeit der Kommission während 43 Monaten nach der Antwort Irlands auf das letzte Ersuchen der Kommission um zusätzliche Informationen (vgl. oben, Rn. 70), so sehr sie auch gegen den Grundsatz der Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer verstößt, unter dem Gesichtspunkt der Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf die streitige Beihilfe gleichwohl keine besondere Bedeutung zu. Demnach genügt sie hier nicht für die Feststellung des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände, die geeignet gewesen wären, bei Alcan erneut ein schutzwürdiges Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit der streitigen Beihilfe im Hinblick auf die Vorschriften über staatliche Beihilfen zu wecken. Folglich hinderte der bloße Umstand, dass im vorliegenden Fall gegen den Grundsatz der Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer für den Erlass der Tonerde‑I-Entscheidung verstoßen worden ist, die Kommission nicht daran, in dieser Entscheidung die Rückforderung der streitigen Beihilfe anzuordnen.

    85

    Das Vorbringen zur Nichteinhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer ist daher zurückzuweisen.

    86

    Nach alledem ist festzustellen, dass die Französische Republik im vorliegenden Fall keine außergewöhnlichen Umstände nachgewiesen hat, aufgrund deren Alcan vernünftigerweise davon ausgehen durfte, dass die Zweifel der Kommission behoben waren und die streitige Befreiung keinem Einwand begegnete, was es der Kommission verwehrt hätte, in Art. 5 der Tonerde-I-Entscheidung die Rückforderung der streitigen Beihilfe anzuordnen.

    87

    Somit ist der Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, die Kommission habe gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit und der Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer verstoßen, zurückzuweisen und folglich die vorliegende Klage, die nur noch auf diesen einzigen Klagegrund gestützt wird, in vollem Umfang abzuweisen.

    Kosten

    88

    Gemäß Art. 219 der Verfahrensordnung des Gerichts entscheidet dieses in seinen Entscheidungen nach Aufhebung und Zurückverweisung über die Kosten des Rechtsstreits vor dem Gericht und über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vor dem Gerichtshof. Da der Gerichtshof in den UrteilenKommission/Irland u. a. (oben in Rn. 19 angeführt, EU:C:2009:742) sowie Kommission/Irland u. a. (oben in Rn. 25 angeführt, EU:C:2013:812) die Kostenentscheidung vorbehalten hat, hat das Gericht im vorliegenden Urteil auch über die Kosten dieser Rechtsmittelverfahren zu entscheiden.

    89

    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Art. 135 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht aus Gründen der Billigkeit jedoch ausnahmsweise entscheiden, dass eine unterliegende Partei neben ihren eigenen Kosten nur einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt. Außerdem kann das Gericht nach Art. 135 Abs. 2 dieser Verfahrensordnung auch eine obsiegende Partei zur Tragung eines Teils der Kosten oder sämtlicher Kosten verurteilen, wenn dies wegen ihres Verhaltens, auch vor Klageerhebung, gerechtfertigt erscheint. Insbesondere ist es dem Gericht möglich, ein Organ, dessen Entscheidung nicht für nichtig erklärt worden ist, zur Tragung der Kosten zu verurteilen, wenn diese Entscheidung aufgrund ihrer Unzulänglichkeit einen Kläger möglicherweise zur Erhebung einer Klage veranlasst hat (vgl. entsprechend Urteil vom 9. September 2010, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑387/08, EU:T:2010:377, Rn. 177 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    90

    Im vorliegenden Fall ist die Französische Republik mit ihren Anträgen unterlegen. Wie sich oben aus Rn. 77 ergibt, hat die Kommission beim Erlass der angefochtenen Entscheidung jedoch gegen den Grundsatz der Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer verstoßen, was die Französische Republik möglicherweise dazu bewogen hat, die vorliegende Klage zu erheben, um diesen Verstoß feststellen zu lassen. Unter diesen Umständen hält das Gericht es in den Rechtssachen T‑56/06, T‑56/06 RENV I und T‑56/06 RENV II für gerecht und billig, die Französische Republik zur Tragung ihrer eigenen Kosten und von drei Vierteln der Kosten der Kommission zu verurteilen, während diese zur Tragung eines Viertels ihrer eigenen Kosten verurteilt wird. In den Rechtssachen C‑89/08 P und C‑272/12 P ist die Französische Republik, da der Kommission in diesen beiden Rechtssachen je fünf Parteien gegenüberstanden, in Anwendung des in den Rechtssachen T‑56/06, T‑56/06 RENV I und T‑56/06 RENV II gewählten Verteilungsschlüssels zur Tragung ihrer eigenen Kosten und von drei Zwanzigsteln, d. h. eines Fünftels von drei Vierteln, der Kosten der Kommission zu verurteilen, während diese zur Tragung eines Fünftels ihrer eigenen Kosten verurteilt wird.

     

    Aus diesen Gründen hat

    DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)

    für Recht erkannt und entschieden:

     

    1.

    Die Klage wird abgewiesen.

     

    2.

    Die Französische Republik trägt ihre eigenen Kosten, drei Viertel der Kosten der Europäischen Kommission in den Rechtssachen T‑56/06, T‑56/06 RENV I und T‑56/06 RENV II sowie drei Zwanzigstel der Kosten der Kommission in den Rechtssachen C‑89/08 P und C‑272/12 P.

     

    3.

    Die Kommission trägt ein Viertel ihrer eigenen Kosten in den Rechtssachen T‑56/06, T‑56/06 RENV I und T‑56/06 RENV II sowie ein Fünftel ihrer eigenen Kosten in den Rechtssachen C‑89/08 P und C‑272/12 P.

     

    Kanninen

    Pelikánová

    Buttigieg

    Gervasoni

    Madise

    Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 22. April 2016.

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

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