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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62020CJ0700

Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 20. Juni 2022.
London Steam-Ship Owners’ Mutual Insurance Association Limited gegen Kingdom of Spain.
Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 – Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung – Gründe für die Nichtanerkennung – Art. 34 Nr. 3 – Entscheidung, die mit einer zuvor in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, zwischen denselben Parteien ergangenen Entscheidung unvereinbar ist – Voraussetzungen – Beachtung der Bestimmungen und der grundlegenden Ziele der Verordnung Nr. 44/2001 durch die zuvor entsprechend einem Schiedsspruch ergangene Entscheidung – Art. 34 Nr. 1 – Anerkennung, die der öffentlichen Ordnung des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde – Voraussetzungen.
Rechtssache C-700/20.

Sammlung der Rechtsprechung – allgemein – Abschnitt „Informationen über nicht veröffentlichte Entscheidungen“

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2022:488

 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

20. Juni 2022 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 – Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung – Gründe für die Nichtanerkennung – Art. 34 Nr. 3 – Entscheidung, die mit einer zuvor in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, zwischen denselben Parteien ergangenen Entscheidung unvereinbar ist – Voraussetzungen – Beachtung der Bestimmungen und der grundlegenden Ziele der Verordnung Nr. 44/2001 durch die zuvor entsprechend einem Schiedsspruch ergangene Entscheidung – Art. 34 Nr. 1 – Anerkennung, die der öffentlichen Ordnung des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde – Voraussetzungen“

In der Rechtssache C‑700/20

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Commercial Court) (Hoher Gerichtshof [England & Wales], Abteilung Queen’s Bench [Kammer für Handelssachen], Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 21. Dezember 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Dezember 2020, in dem Verfahren

London Steam-Ship Owners’ Mutual Insurance Association Limited

gegen

Kingdom of Spain

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, der Kammerpräsidentin K. Jürimäe, der Kammerpräsidenten C. Lycourgos, E. Regan, I. Jarukaitis und N. Jääskinen, der Richter M. Ilešič, J.‑C. Bonichot, M. Safjan (Berichterstatter) und A. Kumin, der Richterin M. L. Arastey Sahún, der Richter M. Gavalec und Z. Csehi sowie der Richterin O. Spineanu-Matei,

Generalanwalt: A. M. Collins,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der London Steam-Ship Owners’ Mutual Insurance Association Limited, vertreten durch A. Song und M. Volikas, Solicitors, A. Thompson und C. Tan, Barristers, sowie C. Hancock und T. de la Mare, QC,

der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Baxter, B. Kennelly und F. Shibli als Bevollmächtigte,

der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, U. Bartl und M. Hellmann als Bevollmächtigte,

der spanischen Regierung, vertreten durch S. Centeno Huerta, A. Gavela Llopis, S. Jiménez García und M. J. Ruiz Sánchez als Bevollmächtigte,

der französischen Regierung, vertreten durch A. Daniel und A.‑L. Desjonquères als Bevollmächtigte,

der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und S. Żyrek als Bevollmächtigte,

der schweizerischen Regierung, vertreten durch M. Schöll als Bevollmächtigten,

der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Ladenburger, X. Lewis und S. Noë als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Mai 2022

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. d und Art. 34 Nrn. 1 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der London Steam-Ship Owners’ Mutual Association Limited (im Folgenden: London P&I Club) und dem Kingdom of Spain (Königreich Spanien) wegen der Anerkennung einer Entscheidung eines spanischen Gerichts im Vereinigten Königreich.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung Nr. 44/2001

3

Der 16. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 lautet:

„Das gegenseitige Vertrauen in die Justiz im Rahmen der [Europäischen Union] rechtfertigt, dass die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, außer im Falle der Anfechtung, von Rechts wegen, ohne ein besonderes Verfahren, anerkannt werden.“

4

Art. 1 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt:

„(1)   Diese Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.

(2)   Sie ist nicht anzuwenden auf:

d) die Schiedsgerichtsbarkeit.“

5

Kapitel II („Zuständigkeit“) der Verordnung Nr. 44/2001 ist in zehn Abschnitte unterteilt.

6

Abschnitt 3 dieses Kapitels betrifft die Zuständigkeit für Versicherungssachen.

7

In diesem Abschnitt bestimmt Art. 13 der Verordnung Nr. 44/2001:

„Von den Vorschriften dieses Abschnitts kann im Wege der Vereinbarung nur abgewichen werden:

5.

wenn sie einen Versicherungsvertrag betrifft, soweit dieser eines oder mehrere der in Artikel 14 aufgeführten Risiken deckt.“

8

Art. 14 der Verordnung Nr. 44/2001, der ebenfalls zu diesem Abschnitt gehört, bestimmt:

„Die in Artikel 13 Nummer 5 erwähnten Risiken sind die folgenden:

1.

sämtliche Schäden

a)

an Seeschiffen, Anlagen vor der Küste und auf hoher See oder Luftfahrzeugen aus Gefahren, die mit ihrer Verwendung zu gewerblichen Zwecken verbunden sind,

2.

Haftpflicht aller Art, mit Ausnahme der Haftung für Personenschäden an Passagieren oder Schäden an deren Reisegepäck,

a)

aus der Verwendung oder dem Betrieb von Seeschiffen, Anlagen oder Luftfahrzeugen gemäß Nummer 1 Buchstabe a), es sei denn, dass – was die Letztgenannten betrifft – nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem das Luftfahrzeug eingetragen ist, Gerichtsstandsvereinbarungen für die Versicherung solcher Risiken untersagt sind,

…“

9

Abschnitt 7 des Kapitels II der Verordnung Nr. 44/2001 betrifft die Vereinbarung über die Zuständigkeit und enthält u. a. Art. 23 dieser Verordnung, der in seinem Abs. 1 bestimmt:

„Haben die Parteien, von denen mindestens eine ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vereinbart, dass ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaats über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit entscheiden sollen, so sind dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats zuständig. Dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats sind ausschließlich zuständig, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Eine solche Gerichtsstandsvereinbarung muss geschlossen werden

a)

schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung,

b)

in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind, oder

c)

im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten.“

10

Abschnitt 9 („Rechtshängigkeit und im Zusammenhang stehende Verfahren“) des Kapitels II der Verordnung Nr. 44/2001 enthält u. a. deren Art. 27, der bestimmt:

„(1)   Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht, so setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht.

(2)   Sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, erklärt sich das später angerufene Gericht zugunsten dieses Gerichts für unzuständig.“

11

Kapitel III („Anerkennung und Vollstreckung“) der Verordnung Nr. 44/2001 umfasst deren Art. 32 bis 56.

12

Art. 32 der Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt:

„Unter ‚Entscheidung‘ im Sinne dieser Verordnung ist jede von einem Gericht eines Mitgliedstaats erlassene Entscheidung zu verstehen, ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung wie Urteil, Beschluss, Zahlungsbefehl oder Vollstreckungsbescheid, einschließlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses eines Gerichtsbediensteten.“

13

Art. 33 der Verordnung Nr. 44/2001 sieht vor:

„(1)   Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf.

(2)   Bildet die Frage, ob eine Entscheidung anzuerkennen ist, als solche den Gegenstand eines Streites, so kann jede Partei, welche die Anerkennung geltend macht, in dem Verfahren nach den Abschnitten 2 und 3 dieses Kapitels die Feststellung beantragen, dass die Entscheidung anzuerkennen ist.

(3)   Wird die Anerkennung in einem Rechtsstreit vor dem Gericht eines Mitgliedstaats, dessen Entscheidung von der Anerkennung abhängt, verlangt, so kann dieses Gericht über die Anerkennung entscheiden.“

14

Art. 34 der Verordnung Nr. 44/2001 sieht vor:

„Eine Entscheidung wird nicht anerkannt, wenn

1.

die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde;

3.

sie mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die zwischen denselben Parteien in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ergangen ist;

…“

15

Art. 35 der Verordnung Nr. 44/2001 lautet:

„(1)   Eine Entscheidung wird ferner nicht anerkannt, wenn die Vorschriften der Abschnitte 3, 4 und 6 des Kapitels II verletzt worden sind oder wenn ein Fall des Artikels 72 vorliegt.

(2)   Das Gericht oder die sonst befugte Stelle des Mitgliedstaats, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ist bei der Prüfung, ob eine der in Absatz 1 angeführten Zuständigkeiten gegeben ist, an die tatsächlichen Feststellungen gebunden, aufgrund deren das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats seine Zuständigkeit angenommen hat.

(3)   Die Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats darf, unbeschadet der Bestimmungen des Absatzes 1, nicht nachgeprüft werden. Die Vorschriften über die Zuständigkeit gehören nicht zur öffentlichen Ordnung (ordre public) im Sinne des Artikels 34 Nummer 1.“

16

Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt:

„Gegen die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung kann jede Partei einen Rechtsbehelf einlegen.“

Verordnung (EU) Nr. 1215/2012

17

Die Verordnung Nr. 44/2001 wurde durch die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1) aufgehoben und ersetzt.

18

Der zwölfte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1215/2012 lautet wie folgt:

„Diese Verordnung sollte nicht für die Schiedsgerichtsbarkeit gelten. Sie sollte die Gerichte eines Mitgliedstaats nicht daran hindern, die Parteien gemäß dem einzelstaatlichen Recht an die Schiedsgerichtsbarkeit zu verweisen, das Verfahren auszusetzen oder einzustellen oder zu prüfen, ob die Schiedsvereinbarung hinfällig, unwirksam oder nicht erfüllbar ist, wenn sie wegen eines Streitgegenstands angerufen werden, hinsichtlich dessen die Parteien eine Schiedsvereinbarung getroffen haben.

Entscheidet ein Gericht eines Mitgliedstaats, ob eine Schiedsvereinbarung hinfällig, unwirksam oder nicht erfüllbar ist, so sollte diese Entscheidung ungeachtet dessen, ob das Gericht darüber in der Hauptsache oder als Vorfrage entschieden hat, nicht den Vorschriften dieser Verordnung über die Anerkennung und Vollstreckung unterliegen.

Hat hingegen ein nach dieser Verordnung oder nach einzelstaatlichem Recht zuständiges Gericht eines Mitgliedstaats festgestellt, dass eine Schiedsvereinbarung hinfällig, unwirksam oder nicht erfüllbar ist, so sollte die Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache dennoch gemäß dieser Verordnung anerkannt oder vollstreckt werden können. Hiervon unberührt bleiben sollte die Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten, über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen im Einklang mit dem am 10. Juni 1958 in New York unterzeichneten Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche [(United Nations Treaty Series, Bd. 330, S. 3)] (‚Übereinkommen von New York von 1958‘) zu entscheiden, das Vorrang vor dieser Verordnung hat.

Diese Verordnung sollte nicht für Klagen oder Nebenverfahren insbesondere im Zusammenhang mit der Bildung eines Schiedsgerichts, den Befugnissen von Schiedsrichtern, der Durchführung eines Schiedsverfahrens oder sonstigen Aspekten eines solchen Verfahrens oder für eine Klage oder eine Entscheidung in Bezug auf die Aufhebung, die Überprüfung, die Anfechtung, die Anerkennung oder die Vollstreckung eines Schiedsspruchs gelten.“

19

Art. 73 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 lautet:

„Diese Verordnung lässt die Anwendung des Übereinkommens von New York von 1958 unberührt.“

Recht des Vereinigten Königreichs

20

Section 66 („Vollstreckung des Schiedsspruchs“) des Arbitration Act 1996 (Gesetz über die Schiedsgerichtsbarkeit von 1996) bestimmt:

„(l)   Ein vom Schiedsgericht aufgrund einer Schiedsvereinbarung erlassener Schiedsspruch kann mit Genehmigung des Gerichts in gleicher Weise vollstreckt werden wie ein Urteil oder ein Beschluss des Gerichts mit entsprechendem Inhalt.

(2)   Wird die entsprechende Genehmigung erteilt, so kann ein Urteil entsprechend dem Schiedsspruch ergehen.

(3)   Die Vollstreckung eines Schiedsspruchs wird nicht genehmigt, wenn und soweit der Vollstreckungsschuldner nachweist, dass das Schiedsgericht für den Erlass des Schiedsspruchs sachlich unzuständig war.

Das Recht, einen solchen Einwand zu erheben, kann erloschen sein (vgl. Section 73).

(4)   Diese Section berührt nicht die Anerkennung oder Vollstreckung eines Schiedsspruchs nach einer anderen gesetzlichen Bestimmung oder Rechtsnorm, insbesondere nach Teil II des Arbitration Act 1950 (Gesetz über die Schiedsgerichtsbarkeit von 1950) (Vollstreckung von Schiedssprüchen nach dem Genfer Abkommen) oder nach den Bestimmungen von Teil III dieses Gesetzes über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen nach dem Übereinkommen von New York [von 1958] oder in einem Verfahren über den Schiedsspruch [‚action on the award‘].“

21

Die Sections 67 bis 72 des Gesetzes über die Schiedsgerichtsbarkeit von 1996 legen die Voraussetzungen fest, unter denen die Parteien des Schiedsverfahrens Einwände in Bezug auf die Zuständigkeit des Schiedsgerichts, die Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens und die Begründetheit des Schiedsspruchs erheben können.

22

Section 73 („Verlust des Rechts, Einwände zu erheben“) des Gesetzes über die Schiedsgerichtsbarkeit von 1996 sieht vor:

„(1)   Lässt sich ein am Schiedsverfahren Beteiligter auf das Schiedsverfahren ein oder nimmt er weiter daran teil, ohne, sei es umgehend oder innerhalb der in der Schiedsvereinbarung, vom Schiedsgericht oder in einer Bestimmung in diesem Teil dafür vorgesehenen Frist einen Einwand zu erheben wegen

(a)

fehlender sachlicher Zuständigkeit des Schiedsgerichts,

(b)

nicht ordnungsgemäß betriebenen Verfahrens,

(c)

Nichteinhaltung der Schiedsvereinbarung oder einer Bestimmung in diesem Teil oder

(d)

jeglicher sonstigen das Schiedsgericht oder das Verfahren betreffenden Unregelmäßigkeit,

so kann er diesen Einwand später nicht vor dem Schiedsgericht oder dem Gericht erheben, es sei denn, er weist nach, dass ihm zu der Zeit, als er sich auf das Verfahren einließ oder weiter daran teilnahm, die Gründe für den Einwand nicht bekannt waren und er sie bei angemessener Sorgfalt nicht hätte feststellen können.

(2)   Entscheidet das Schiedsgericht, dass seine sachliche Zuständigkeit gegeben ist, und sieht ein Beteiligter am Schiedsverfahren, der diese Entscheidung hätte beanstanden können, sei es

(a)

durch ein zur Verfügung stehendes schiedsgerichtliches Rechtsbehelfs- oder Überprüfungsverfahren oder

(b)

durch Anfechtung des Schiedsspruchs,

von der Beanstandung ab oder nimmt er diese nicht innerhalb der in der Schiedsvereinbarung oder in einer Bestimmung in diesem Teil dafür vorgesehenen Frist vor, so kann er später hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit des Schiedsgerichts keinen Einwand erheben, der auf Gründe gestützt ist, die Gegenstand dieser Entscheidung waren.“

Spanisches Recht

23

Art. 117 des Código Penal (Strafgesetzbuch, im Folgenden: spanisches Strafgesetzbuch) bestimmt:

„Versicherer, die die Gefahr finanzieller Haftpflichten aus der Nutzung oder Verwertung eines Gegenstands, eines Unternehmens, einer Industrie oder Tätigkeit übernommen haben, sind unbeschadet des Rechts auf Rückgriff gegen die betreffende Person bis zu der gesetzlich vorgeschriebenen oder vertraglich vereinbarten Haftungshöchstgrenze direkt zivilrechtlich haftbar, wenn infolge der Verwirklichung eines in diesem Gesetzbuch geregelten Tatbestands der Versicherungsfall eintritt.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

24

Nachdem im November 2002 der Öltanker Prestige vor der spanischen Küste gesunken war, was zu erheblichen Umweltschäden an der spanischen und an der französischen Küste führte, wurden in Spanien Ende 2002 strafrechtliche Ermittlungen u. a. gegen den Kapitän dieses Schiffes eingeleitet.

25

Nach dem Abschluss dieser Ermittlungen wurde die Audiencia Provincial de A Coruña (Provinzgericht A Coruña, Spanien) mit der Sache befasst, und mehrere juristische Personen, darunter der spanische Staat, machten im Rahmen des Strafverfahrens zivilrechtliche Ansprüche gegen den Kapitän der Prestige, gegen deren Eigentümer und, auf der Grundlage von Art. 117 des spanischen Strafgesetzbuchs über die direkte Inanspruchnahme, gegen den London P&I Club, bei dem das Schiff und seine Eigentümer hinsichtlich der Haftpflicht versichert waren, geltend. Obwohl der London P&I Club bei den befassten spanischen Strafgerichten seit dem 16. Juni 2003 einen bestimmten Betrag zum Ersatz der Schäden, die durch den Untergang entstanden sein könnten, hinterlegt hatte, erschien er im Rahmen dieses Verfahrens nicht.

26

Am 16. Januar 2012, also nach der gerichtlichen Geltendmachung der entsprechenden zivilrechtlichen Ansprüche, leitete der London P&I Club in London (Vereinigtes Königreich) ein Schiedsverfahren ein, um feststellen zu lassen, dass das Königreich Spanien gemäß der Schiedsklausel in dem mit den Eigentümern der Prestige geschlossenen Versicherungsvertrag verpflichtet war, seine Ansprüche nach Art. 117 des spanischen Strafgesetzbuchs im Rahmen dieses Schiedsverfahrens geltend zu machen. Der London P&I Club begehrte ferner die Feststellung, dass seine Haftung gegenüber dem Königreich Spanien für diese Ansprüche nicht ausgelöst werden könne, da der Versicherungsvertrag vorsehe, dass der Versicherte gemäß der Klausel „pay to be paid“ (Erstattung nach Zahlung) zunächst dem Geschädigten die geschuldeten Entschädigungen zu zahlen habe, bevor er sich den entsprechenden Betrag von dem Versicherer erstatten lassen könne. Das Königreich Spanien beteiligte sich nicht an dem Schiedsverfahren, obwohl es von dem Schiedsgericht dazu aufgefordert wurde.

27

Mit Schiedsspruch vom 13. Februar 2013 stellte das Schiedsgericht fest, dass auf den Vertrag englisches Recht Anwendung finde, da die Forderungen des Königreichs Spanien nach englischem internationalen Privatrecht vertraglicher Natur seien. Das Königreich Spanien könne sich daher nicht auf die vertraglichen Rechte der Eigentümer berufen, ohne sowohl die Schiedsklausel als auch die Klausel „pay to be paid“ einzuhalten. Das Schiedsgericht schloss daraus, dass die vom Königreich Spanien vor den spanischen Gerichten geltend gemachten Schadensersatzansprüche im Rahmen des Schiedsverfahrens in London hätten geltend gemacht werden müssen, dass der London P&I Club in Ermangelung einer vorherigen Begleichung der Schäden durch die Eigentümer des Schiffes gegenüber dem Königreich Spanien nicht haftbar gemacht werden könne und dass die entsprechende Haftung nach den Bestimmungen des Versicherungsvertrags jedenfalls nicht über eine Milliarde US-Dollar (USD) (rund 900000000 Euro) hinausgehen könne.

28

Im März 2013 rief der London P&I Club gemäß Section 66 (1) und (2) des Gesetzes über die Schiedsgerichtsbarkeit von 1996 den High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Commercial Court) (Hoher Gerichtshof [England & Wales], Abteilung Queen’s Bench [Kammer für Handelssachen], Vereinigtes Königreich) an und beantragte, die Genehmigung dafür zu erteilen, dass der Schiedsspruch im Inland in gleicher Weise wie ein Urteil oder ein Beschluss vollstreckt wird, und ein Urteil entsprechend dem Schiedsspruch zu erlassen. Das Königreich Spanien trat dem entgegen und beantragte bei dem angerufenen Gericht, den Schiedsspruch auf der Grundlage von Section 67 oder Section 72 des Gesetzes über die Schiedsgerichtsbarkeit von 1996 aufzuheben oder für unwirksam zu erklären. Das Königreich Spanien machte ferner geltend, dass dieses Gericht es in Ausübung seines Ermessens ablehnen müsse, ein Urteil entsprechend dem Schiedsspruch zu erlassen.

29

Mit Beschluss vom 22. Oktober 2013 ermächtigte der High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Commercial Court) (Hoher Gerichtshof [England & Wales], Abteilung Queen’s Bench [Kammer für Handelssachen]) den London P&I Club nach einer mündlichen Verhandlung, in der Beweise über die Sachlage vorgelegt und Sachverständige für spanisches Recht angehört worden waren, den Schiedsspruch vom 13. Februar 2013 vollstrecken zu lassen. Ebenfalls am 22. Oktober 2013 erließ er ein Urteil entsprechend diesem Schiedsspruch, d. h. ein Urteil, mit dem der Inhalt des Schiedsspruchs übernommen wurde.

30

Das Königreich Spanien legte gegen diesen Beschluss Beschwerde beim Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Berufungsgericht [England & Wales] [Abteilung für Zivilsachen], Vereinigtes Königreich) ein. Mit Urteil vom 1. April 2015 wies dieses Gericht die Beschwerde zurück.

31

Mit Urteil vom 13. November 2013, das im Rahmen des bei den spanischen Gerichten geführten Strafverfahrens erging, sprach die Audiencia Provincial de A Coruña (Provinzgericht A Coruña) den Kapitän der Prestige in Bezug auf Straftaten gegen die Umwelt frei, verurteilte ihn wegen schwerwiegender Gehorsamsverweigerung gegenüber einer Behörde und entschied, dass der Betroffene für die durch das Auslaufen der Kraftstoffe entstandenen Schäden zivilrechtlich nicht hafte, da kein Zusammenhang zwischen der Straftat der Gehorsamsverweigerung gegenüber einer Behörde und diesen Schäden bestehe. Sie äußerte sich nicht zur zivilrechtlichen Haftung der Eigentümer der Prestige oder des London P&I Club.

32

Mehrere Beteiligte legten gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde beim Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) ein. Dieses Gericht sprach den Kapitän der Prestige mit Urteil vom 14. Januar 2016 in Bezug auf die Straftat der schwerwiegenden Gehorsamsverweigerung gegenüber einer Behörde frei, verurteilte ihn jedoch wegen der Straftat der Unachtsamkeit gegenüber der Umwelt. Im Hinblick auf die zivilrechtlichen Ansprüche erklärte es den Kapitän der Prestige, die Eigentümer des Schiffes sowie – auf der Grundlage von Art. 117 des spanischen Strafgesetzbuchs und bis zu seinem vertraglichen Haftungshöchstbetrag in Höhe von einer Milliarde USD – den London P&I Club für zivilrechtlich haftbar. Schließlich verwies es die Sache zur Festsetzung der Höhe des von den im Rahmen des spanischen Verfahrens in Anspruch Genommenen jeweils geschuldeten Schadensersatzes an die Audiencia Provincial de A Coruña (Provinzgericht A Coruña) zurück.

33

Mit Urteil vom 15. November 2017, berichtigt am 11. Januar 2018, erklärte die Audiencia Provincial de A Coruña (Provinzgericht A Coruña) den Kapitän der Prestige, deren Eigentümer und den London P&I Club – diesen bis zu seinem vertraglichen Haftungshöchstbetrag in Höhe von einer Milliarde USD – gegenüber mehr als 200 verschiedenen Beteiligten, einschließlich des spanischen Staates, für haftbar. Auf eine Kassationsbeschwerde gegen dieses Urteil wurde dieses durch ein Urteil des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) vom 19. Dezember 2018 im Wesentlichen bestätigt.

34

Mit Vollstreckungsbeschluss vom 1. März 2019 setzte die Audiencia Provincial de A Coruña (Provinzgericht A Coruña) die Beträge fest, die jeder Anspruchsgläubiger von den jeweiligen in Anspruch Genommenen verlangen konnte. Sie entschied u. a., dass diese an den spanischen Staat einen Betrag von rund 2,3 Milliarden Euro zu zahlen hatten, wobei im Fall des London P&I Club eine Obergrenze von 855 Millionen Euro galt.

35

Am 25. März 2019 beantragte das Königreich Spanien beim High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Hoher Gerichtshof [England & Wales], Abteilung Queen's Bench) auf der Grundlage von Art. 33 der Verordnung Nr. 44/2001 die Anerkennung des Vollstreckungsbeschlusses vom 1. März 2019 im Vereinigten Königreich. Dieses Gericht gab diesem Antrag mit Beschluss vom 28. Mai 2019 statt.

36

Am 26. Juni 2019 legte der London P&I Club bei dem vorlegenden Gericht gemäß Art. 43 der Verordnung Nr. 44/2001 einen Rechtsbehelf gegen diesen Beschluss ein.

37

Zur Stützung seines Rechtsbehelfs trug der London P&I Club zum einen vor, dass der Vollstreckungsbeschluss vom 1. März 2019 mit dem Beschluss und dem Urteil vom 22. Oktober 2013, die gemäß Section 66 des Gesetzes über die Schiedsgerichtsbarkeit von 1996 erlassen und am 1. April 2015 vom Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Berufungsgericht [England & Wales] [Abteilung für Zivilsachen]) bestätigt worden seien, im Sinne von Art. 34 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 unvereinbar sei. Zum anderen trug er unter Berufung auf Art. 34 Nr. 1 dieser Verordnung vor, dass die Anerkennung oder Vollstreckung dieses Vollstreckungsbeschlusses jedenfalls der öffentlichen Ordnung offensichtlich widersprechen würde, insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtskraft.

38

Das Königreich Spanien beantragte, den Rechtsbehelf zurückzuweisen.

39

Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, das Ausgangsverfahren werfe erstens die Frage auf, ob eine Entscheidung wie seine Entscheidung nach Section 66 des Gesetzes über die Schiedsgerichtsbarkeit von 1996 als „Entscheidung“ im Sinne von Art. 34 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 eingestuft werden könne, wenn sich das Gericht nicht selbst mit dem gesamten Rechtsstreit, über den das Schiedsgericht entschieden habe, in der Sache befasst habe. Zweitens fragt es sich, ob eine Entscheidung, die wegen der Ausnahme in Bezug auf die Schiedsgerichtsbarkeit nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 44/2001 nicht in den sachlichen Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt, gleichwohl auf der Grundlage von Art. 34 Nr. 3 dieser Verordnung als Hindernis für die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung eines anderen Mitgliedstaats geltend gemacht werden kann. Drittens möchte das vorlegende Gericht wissen, ob, wenn dies nicht der Fall ist, Art. 34 Nr. 1 der Verordnung es erlaubt, die Anerkennung und Vollstreckung einer solchen Entscheidung deshalb zu versagen, weil sie die Rechtskraft eines früheren Schiedsspruchs oder eines entsprechend einem solchen Schiedsspruch ergangenen Urteils missachte.

40

Unter diesen Umständen hat der High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Commercial Court) (Hoher Gerichtshof [England & Wales], Abteilung Queen’s Bench [Kammer für Handelssachen]), das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Kann angesichts der Art der Fragen, über die ein nationales Gericht bei der Entscheidung darüber zu befinden hat, ob es ein Urteil entsprechend einem Schiedsspruch gemäß Section 66 des Gesetzes über die Schiedsgerichtsbarkeit von 1996 erlässt, ein nach dieser Vorschrift ergangenes Urteil eine für die Zwecke von Art. 34 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 relevante „Entscheidung“ des Mitgliedstaats, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, darstellen?

2.

Kann ein Urteil, das wie ein Urteil nach Section 66 des Gesetzes über die Schiedsgerichtsbarkeit von 1996 entsprechend einem Schiedsspruch ergeht, angesichts dessen, dass es sich dabei um eine Entscheidung handelt, die aufgrund der in Art. l Abs. 2 Buchst. d vorgesehenen Ausnahme betreffend die Schiedsgerichtsbarkeit nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001 fällt, eine für die Zwecke von Art. 34 Nr. 3 dieser Verordnung relevante „Entscheidung“ des Mitgliedstaats, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, darstellen?

3.

Für den Fall, dass Art. 34 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 keine Anwendung findet, ist dann, wenn die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung eines anderen Mitgliedstaats der inländischen öffentlichen Ordnung widersprechen würde, weil damit wegen eines früheren inländischen Schiedsspruchs oder eines früheren Urteils, das ein Gericht des Mitgliedstaats, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, entsprechend dem Schiedsspruch erlassen hat, gegen den Grundsatz der Rechtskraft verstoßen würde, eine Berufung auf Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 als Grund für die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung zulässig oder regelt Art. 34 Nrn. 3 und 4 dieser Verordnung abschließend die Gründe, aus denen Rechtskraft und/oder Unvereinbarkeit der Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung im Sinne der Verordnung entgegenstehen können?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten und zur zweiten Frage

41

Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 34 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass ein von einem Gericht eines Mitgliedstaats entsprechend einem Schiedsspruch erlassenes Urteil eine Entscheidung im Sinne dieser Bestimmung darstellen kann, die der Anerkennung einer von einem Gericht in einem anderen Mitgliedstaat erlassenen Entscheidung in diesem Mitgliedstaat entgegensteht, wenn diese Entscheidungen nicht miteinander vereinbar sind.

42

Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass, da die Verordnung Nr. 1215/2012 die Verordnung Nr. 44/2001 aufgehoben und ersetzt hat, die ihrerseits das Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der Fassung der aufeinanderfolgenden Übereinkommen über den Beitritt der neuen Mitgliedstaaten zu diesem Übereinkommen ersetzt hat, die vom Gerichtshof vorgenommene Auslegung der Bestimmungen eines dieser Rechtsinstrumente auch für die Bestimmungen der anderen Rechtsinstrumente gilt, soweit die betreffenden Bestimmungen als gleichwertig angesehen werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juli 2021, Volvo u. a., C‑30/20, EU:C:2021:604‚ Rn. 28).

43

Das ist bei Art. 1 Abs. 2 Buchst. d dieser beiden Verordnungen und Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 dieses Übereinkommens der Fall, die die Schiedsgerichtsbarkeit von ihrem Anwendungsbereich ausschließen.

44

Dieser Ausschluss betrifft die Schiedsgerichtsbarkeit als Gesamtbereich, einschließlich der bei den staatlichen Gerichten eingeleiteten Verfahren (Urteil vom 25. Juli 1991, Rich, C‑190/89, EU:C:1991:319, Rn. 18).

45

Folglich unterliegt das Verfahren der Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs nicht der Verordnung Nr. 44/2001, sondern dem nationalen Recht des Mitgliedstaats, in dem diese Anerkennung und Vollstreckung beantragt werden, und den in diesem Mitgliedstaat anwendbaren völkerrechtlichen Vorschriften (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Mai 2015, Gazprom, C‑536/13, EU:C:2015:316, Rn. 41).

46

Im gleichen Sinne wird im zwölften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1215/2012 nunmehr hervorgehoben, dass diese Verordnung nicht für eine Klage oder eine Entscheidung in Bezug auf die Anerkennung oder die Vollstreckung eines Schiedsspruchs gilt.

47

Daraus folgt, dass ein Urteil entsprechend einem Schiedsspruch unter den Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 44/2001 fällt und daher nicht gemäß den Bestimmungen dieser Verordnung von der gegenseitigen Anerkennung zwischen den Mitgliedstaaten erfasst werden und im Rechtsraum der Union zirkulieren kann.

48

Allerdings kann ein solches Urteil als eine Entscheidung im Sinne von Art. 34 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 angesehen werden.

49

Insoweit ergibt sich erstens aus der weiten Definition des Begriffs „Entscheidung“ in Art. 32 der Verordnung Nr. 44/2001, dass dieser Begriff jede von einem Gericht eines Mitgliedstaats erlassene Entscheidung erfasst, ohne dass nach dem Inhalt der betreffenden Entscheidung zu unterscheiden wäre, sofern ihr im Ursprungsmitgliedstaat nach unterschiedlichen Modalitäten ein kontradiktorisches Verfahren vorangegangen ist oder hätte vorangehen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. April 2022, H Limited, C‑568/20, EU:C:2022:264, Rn. 24 und 26 und die dort angeführte Rechtsprechung). Außerdem gilt diese weite Definition für alle Bestimmungen dieser Verordnung, in denen dieser Begriff verwendet wird, insbesondere für ihren Art. 34 Nr. 3 (vgl. entsprechend Urteil vom 2. Juni 1994, Solo Kleinmotoren, C‑414/92, EU:C:1994:221, Rn. 20).

50

Diese Auslegung des in Art. 34 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 verwendeten Begriffs „Entscheidung“ wird durch den Zweck dieser Vorschrift bestätigt, der darin besteht, die Integrität der innerstaatlichen Rechtsordnung eines Mitgliedstaats zu schützen und sicherzustellen, dass das Rechtsleben in diesem Staat nicht durch die Verpflichtung zur Anerkennung eines Urteils aus einem anderen Mitgliedstaat gestört wird, das mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die zwischen denselben Parteien von seinen eigenen Gerichten erlassen wurde (vgl. entsprechend Urteil vom 2. Juni 1994, Solo Kleinmotoren, C‑414/92, EU:C:1994:221, Rn. 21).

51

Zweitens ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass der Ausschluss eines Bereichs vom Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001 es nicht ausschließt, dass eine ihn betreffende Entscheidung unter Art. 34 Nr. 3 dieser Verordnung fallen und damit der Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung, mit der sie unvereinbar ist, entgegenstehen kann.

52

So hat der Gerichtshof u. a. eine von einem Gericht des Mitgliedstaats, in dem die Anerkennung geltend gemacht wurde, erlassene Entscheidung, die, da sie den Personenstand betraf, nicht in den Anwendungsbereich des in Rn. 42 des vorliegenden Urteils genannten Übereinkommens fiel, als mit einem Beschluss aus einem anderen Mitgliedstaat unvereinbar angesehen, da diese beiden Entscheidungen Rechtsfolgen hatten, die sich gegenseitig ausschlossen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Februar 1988, Hoffmann, 145/86, EU:C:1988:61, Rn. 25).

53

Daher kann ein in einem Mitgliedstaat entsprechend einem Schiedsspruch ergangenes Urteil eine Entscheidung im Sinne von Art. 34 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 darstellen, die in diesem Mitgliedstaat der Anerkennung einer von einem Gericht in einem anderen Mitgliedstaat erlassenen Entscheidung entgegensteht, wenn diese Entscheidungen nicht miteinander vereinbar sind.

54

Anders verhält es sich jedoch, wenn der Schiedsspruch, entsprechend dem dieses Urteil ergangen ist, unter Umständen erlassen wurde, die es nicht erlaubt hätten, unter Beachtung der Bestimmungen und der grundlegenden Ziele dieser Verordnung eine in ihren Anwendungsbereich fallende justizielle Entscheidung zu erlassen.

55

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele der Regelung, zu der sie gehört, zu berücksichtigen sind. Für die Beantwortung der ersten und der zweiten Vorlagefrage sind daher neben dem Wortlaut und dem Ziel von Art. 34 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 als einzelner Bestimmung auch der Kontext dieser Bestimmung und die mit dieser Verordnung insgesamt verfolgten Ziele zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Mai 2010, TNT Express Nederland, C‑533/08, EU:C:2010:243, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56

Diese Ziele spiegeln sich in den Prinzipien wider, die der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen innerhalb der Union zugrunde liegen. Dazu gehören der freie Verkehr der Entscheidungen in Zivilsachen, die Vorhersehbarkeit der zuständigen Gerichte und somit die Rechtssicherheit für die Bürger, die geordnete Rechtspflege, die möglichst weitgehende Vermeidung der Gefahr von Parallelverfahren sowie das gegenseitige Vertrauen in die Justiz (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Mai 2010, TNT Express Nederland, C‑533/08, EU:C:2010:243, Rn. 49, und vom 19. Dezember 2013, Nipponka Insurance, C‑452/12, EU:C:2013:858, Rn. 36).

57

Hinzuzufügen ist, dass das gegenseitige Vertrauen in die Justiz im Rahmen der Union, auf das nach dem 16. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 deren Vorschriften über die Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen gestützt sind, sich nicht auf Entscheidungen von Schiedsgerichten oder auf gerichtliche Entscheidungen entsprechend einem Schiedsspruch erstreckt.

58

Daraus folgt, dass ein Schiedsspruch durch ein ihm entsprechendes Urteil im Rahmen von Art. 34 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 nur dann Wirkungen entfalten kann, wenn dadurch das in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nicht beeinträchtigt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Mai 2016, Meroni, C‑559/14, EU:C:2016:349, Rn. 44) und die Ziele des freien Verkehrs der Entscheidungen in Zivilsachen sowie des gegenseitigen Vertrauens in die Justiz im Rahmen der Union unter mindestens ebenso günstigen Bedingungen erreicht werden können wie bei Anwendung dieser Verordnung (vgl. entsprechend Urteile vom 4. Mai 2010, TNT Express Nederland, C‑533/08, EU:C:2010:243, Rn. 55, und vom 19. Dezember 2013, Nipponka Insurance, C‑452/12, EU:C:2013:858, Rn. 38).

59

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der Inhalt des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Schiedsspruchs nicht Gegenstand einer in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001 fallenden gerichtlichen Entscheidung hätte sein können, ohne gegen zwei Grundregeln dieser Verordnung zu verstoßen, nämlich zum einen die relative Wirkung einer in einen Versicherungsvertrag aufgenommenen Schiedsklausel und zum anderen die Rechtshängigkeit.

60

Zum einen geht nämlich in Bezug auf die relative Wirkung einer in einen Versicherungsvertrag aufgenommenen Schiedsklausel aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung zwischen einem Versicherer und einem Versicherungsnehmer dem Geschädigten, der einen versicherten Schaden erlitten hat, nicht entgegengehalten werden kann, wenn er, soweit es nach nationalem Recht möglich ist, eine auf deliktische oder quasi deliktische Haftung gestützte Klage unmittelbar gegen den Versicherer vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, oder vor dem Gericht des Ortes, an dem er seinen Wohnsitz hat, erheben möchte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juli 2017, Assens Havn, C‑368/16, EU:C:2017:546, Rn. 31 und 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61

Daraus folgt, dass sich ein anderes Gericht als das bereits mit der direkten Inanspruchnahme befasste – wenn dieses Recht des Geschädigten nicht missachtet werden soll – nicht auf der Grundlage einer solchen Schiedsklausel für zuständig erklären darf; damit soll das mit der Verordnung Nr. 44/2001 verfolgte Ziel, nämlich der Schutz der Geschädigten gegenüber dem betreffenden Versicherer, gewährleistet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juli 2017, Assens Havn, C‑368/16, EU:C:2017:546, Rn. 36 und 41).

62

Dieses Ziel des Schutzes der Geschädigten wäre jedoch gefährdet, wenn ein Urteil, das entsprechend einem Schiedsspruch ergeht, mit dem sich ein Schiedsgericht auf der Grundlage einer solchen, in den betreffenden Versicherungsvertrag aufgenommenen Schiedsklausel für zuständig erklärt hat, als „Entscheidung …, die zwischen denselben Parteien in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ergangen ist“, im Sinne von Art. 34 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 angesehen werden könnte.

63

Würde zugelassen, dass ein solches Urteil der Anerkennung einer Entscheidung entgegenstehen kann, die in einem anderen Mitgliedstaat aufgrund einer direkten Inanspruchnahme seitens des Geschädigten ergangen ist, so wäre dies nämlich, wie die Umstände des Ausgangsrechtsstreits zeigen, geeignet, dem Geschädigten den tatsächlichen Ersatz des ihm entstandenen Schadens vorzuenthalten.

64

Zum anderen geht hinsichtlich der Rechtshängigkeit aus der Vorlageentscheidung hervor, dass zum Zeitpunkt der Einleitung des Schiedsverfahrens, d. h. am 16. Januar 2012, bereits ein Verfahren vor den spanischen Gerichten u. a. zwischen dem spanischen Staat und dem London P&I Club anhängig war.

65

Im Übrigen geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass die zivilrechtliche Inanspruchnahme vor den spanischen Gerichten dem London P&I Club im Juni 2011 zugestellt worden war und dass das Königreich Spanien vom Einzelschiedsrichter aufgefordert wurde, sich an dem vom London P&I Club in London eingeleiteten Schiedsverfahren zu beteiligen.

66

Da Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 „Klagen … zwischen denselben Parteien“ regelt, ohne eine tatsächliche Teilnahme am Verfahren zu fordern, ist davon auszugehen, dass die in Rn. 64 des vorliegenden Urteils angeführten Verfahren zwischen denselben Parteien geführt wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Oktober 2017, Merck, C‑231/16, EU:C:2017:771, Rn. 31 und 32).

67

Schließlich betrafen diese Verfahren denselben Anspruch, nämlich die etwaige Haftung des London P&I Club gegenüber dem spanischen Staat aufgrund des Versicherungsvertrags zwischen dem London P&I Club und den Eigentümern der Prestige für die durch deren Untergang verursachten Schäden.

68

Dazu hat der Gerichtshof in Auslegung von Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 für Recht erkannt, dass eine Klage, die auf die Feststellung, dass der Beklagte für einen Schaden haftet, und auf seine Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz gerichtet ist, denselben Anspruch betrifft wie eine von dem entsprechenden Beklagten erhobene Klage auf – negative – Feststellung, dass er für diesen Schaden nicht haftet (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Dezember 2013, Nipponka Insurance, C‑452/12, EU:C:2013:858, Rn. 42, und vom 20. Dezember 2017, Schlömp, C‑467/16, EU:C:2017:993, Rn. 51). Im vorliegenden Fall wurde mit den in Spanien anhängig gemachten zivilrechtlichen Forderungen u. a. die Haftung des London P&I Club in Spanien geltend gemacht, während das von diesem in London eingeleitete Schiedsverfahren auf eine negative Feststellung in Bezug auf diese Haftung gerichtet war.

69

Solche Umstände entsprechen einer Situation der Rechtshängigkeit, in der das später angerufene Gericht gemäß Art. 27 der Verordnung Nr. 44/2001 das Verfahren von Amts wegen aussetzt, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, und sich, sobald diese Zuständigkeit feststeht, zugunsten dieses Gerichts für unzuständig erklärt.

70

Wie in Rn. 56 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ist die mit dieser Bestimmung angestrebte möglichst weitgehende Vermeidung der Gefahr von Parallelverfahren indessen eines der Ziele und Grundsätze, die der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen innerhalb der Union zugrunde liegen.

71

Es ist Sache des Gerichts, bei dem der Erlass eines Urteils entsprechend einem Schiedsspruch begehrt wird, zu prüfen, ob die Bestimmungen und die grundlegenden Ziele der Verordnung Nr. 44/2001 eingehalten wurden, um deren Umgehung zu verhindern, etwa in der Form, dass ein Schiedsverfahren unter Missachtung sowohl der relativen Wirkung einer in einen Versicherungsvertrag aufgenommenen Schiedsklausel als auch der in Art. 27 dieser Verordnung vorgesehenen Vorschriften über die Rechtshängigkeit zu Ende geführt wird. Im vorliegenden Fall geht jedoch aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten und den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung hervor, dass eine solche Prüfung weder vor dem High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Commercial Court) (Hoher Gerichtshof [England & Wales], Abteilung Queen’s Bench [Kammer für Handelssachen]), noch vor dem Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Berufungsgericht [England & Wales] [Abteilung für Zivilsachen]) vorgenommen wurde. Keines dieser Gerichte hat im Übrigen den Gerichtshof mit einem Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV befasst.

72

Unter solchen Umständen kann ein Urteil entsprechend einem Schiedsspruch wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende der Anerkennung einer Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat nicht nach Art. 34 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 entgegenstehen.

73

Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 34 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass ein von einem Gericht eines Mitgliedstaats entsprechend einem Schiedsspruch erlassenes Urteil keine Entscheidung im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn eine Entscheidung, die zu einem Ergebnis führt, das dem betreffenden Schiedsspruch entspricht, von einem Gericht dieses Mitgliedstaats nicht ohne Missachtung der Bestimmungen und der grundlegenden Ziele dieser Verordnung, insbesondere der relativen Wirkung einer in einen Versicherungsvertrag aufgenommenen Schiedsklausel und der Vorschriften über die Rechtshängigkeit in Art. 27 dieser Verordnung, hätte erlassen werden können. In diesem Fall kann das betreffende Urteil in diesem Mitgliedstaat der Anerkennung einer von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats erlassenen Entscheidung nicht entgegenstehen.

Zur dritten Frage

74

Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass er es in dem Fall, dass Art. 34 Nr. 3 dieser Verordnung auf ein Urteil entsprechend einem Schiedsspruch nicht anwendbar ist, erlaubt, die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat mit der Begründung zu versagen, dass diese Entscheidung im Widerspruch zur öffentlichen Ordnung stehe, weil sie die Rechtskraft dieses Urteils missachte.

75

Insoweit ergibt sich aus der Antwort auf die ersten beiden Fragen, dass sich im vorliegenden Fall die Unanwendbarkeit von Art. 34 Nr. 3 der Verordnung Nr. 44/2001 auf das in Rn. 29 des vorliegenden Urteils angeführte Urteil daraus ergibt, dass das Schiedsverfahren, das zu dem Schiedsspruch geführt hat, der durch dieses Urteil bestätigt wurde, unter Missachtung der in Art. 27 dieser Verordnung vorgesehenen Vorschriften über die Rechtshängigkeit und der relativen Wirkung einer in den fraglichen Versicherungsvertrag aufgenommenen Schiedsklausel zu Ende geführt wurde.

76

Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die behauptete Nichtbeachtung dieses Urteils durch den in Rn. 34 des vorliegenden Urteils angeführten Vollstreckungsbeschluss vom 1. März 2019, der in einem Verfahren ergangen ist, das in dem betreffenden Urteil selbst nicht berücksichtigt wurde, einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung im Vereinigten Königreich darstellen könnte.

77

Jedenfalls ist Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eng auszulegen, da er ein Hindernis für die Verwirklichung eines der grundlegenden Ziele dieser Verordnung bildet. Er kann daher nur in Ausnahmefällen eine Rolle spielen (Urteil vom 25. Mai 2016, Meroni, C‑559/14, EU:C:2016:349, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78

Der Gerichtshof hat indessen bereits entschieden, dass der Rückgriff auf den Begriff „öffentliche Ordnung“ ausgeschlossen ist, wenn es um die Vereinbarkeit einer ausländischen Entscheidung mit einer inländischen Entscheidung geht (Urteil vom 4. Februar 1988, Hoffmann, 145/86, EU:C:1988:61, Rn. 21).

79

Wie vom Generalanwalt in Nr. 77 seiner Schlussanträge und von der französischen Regierung dargelegt, wollte der Unionsgesetzgeber nämlich die Frage der Rechtskraft einer früheren Entscheidung und insbesondere die Frage der Unvereinbarkeit der anzuerkennenden Entscheidung mit dieser früheren Entscheidung durch Art. 34 Nrn. 3 und 4 der Verordnung Nr. 44/2001 abschließend regeln und damit die Möglichkeit ausschließen, insoweit auf die in Art. 34 Nr. 1 geregelte Ausnahme der öffentlichen Ordnung zurückzugreifen.

80

Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass in dem Fall, dass Art. 34 Nr. 3 dieser Verordnung auf ein Urteil entsprechend einem Schiedsspruch nicht anwendbar ist, die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat nicht mit der Begründung versagt werden darf, dass diese Entscheidung im Widerspruch zur öffentlichen Ordnung stehe, weil sie die Rechtskraft dieses Urteils missachte.

Kosten

81

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 34 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass ein von einem Gericht eines Mitgliedstaats entsprechend einem Schiedsspruch erlassenes Urteil keine Entscheidung im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn eine Entscheidung, die zu einem Ergebnis führt, das dem betreffenden Schiedsspruch entspricht, von einem Gericht dieses Mitgliedstaats nicht ohne Missachtung der Bestimmungen und der grundlegenden Ziele dieser Verordnung, insbesondere der relativen Wirkung einer in einen Versicherungsvertrag aufgenommenen Schiedsklausel und der Vorschriften über die Rechtshängigkeit in Art. 27 dieser Verordnung, hätte erlassen werden können. In diesem Fall kann das betreffende Urteil in diesem Mitgliedstaat der Anerkennung einer von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats erlassenen Entscheidung nicht entgegenstehen.

 

2.

Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass in dem Fall, dass Art. 34 Nr. 3 dieser Verordnung auf ein Urteil entsprechend einem Schiedsspruch nicht anwendbar ist, die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat nicht mit der Begründung versagt werden darf, dass diese Entscheidung im Widerspruch zur öffentlichen Ordnung stehe, weil sie die Rechtskraft dieses Urteils missachte.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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