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Dokument 62021CJ0130

Urteil des Gerichtshofs (Achte Kammer) vom 24. März 2022.
Lukáš Wagenknecht gegen Europäische Kommission.
Rechtsmittel – Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union – Betrugsbekämpfung – Mehrjähriger Finanzrahmen – Angeblicher Interessenkonflikt des Premierministers der Tschechischen Republik – Aufforderung, den Premierminister der Tschechischen Republik daran zu hindern, mit dem Kollegium der Mitglieder der Europäischen Kommission zusammenzukommen – Aufforderung, die Direktzahlungen aus dem Haushalt der Union an bestimmte Konzerne der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft zu stoppen – Untätigkeitsklage – Angebliche Untätigkeit der Kommission – Zusammensetzung des Gerichts der Europäischen Union – Angeblich fehlende Unparteilichkeit – Unzulässigkeit der Klage – Stellungnahme – Klagebefugnis – Rechtsschutzinteresse.
Rechtssache C-130/21 P.

Sammlung der Rechtsprechung – allgemein – Abschnitt „Informationen über nicht veröffentlichte Entscheidungen“

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2022:226

 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

24. März 2022 ( *1 )

„Rechtsmittel – Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union – Betrugsbekämpfung – Mehrjähriger Finanzrahmen – Angeblicher Interessenkonflikt des Premierministers der Tschechischen Republik – Aufforderung, den Premierminister der Tschechischen Republik daran zu hindern, mit dem Kollegium der Mitglieder der Europäischen Kommission zusammenzukommen – Aufforderung, die Direktzahlungen aus dem Haushalt der Union an bestimmte Konzerne der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft zu stoppen – Untätigkeitsklage – Angebliche Untätigkeit der Kommission – Zusammensetzung des Gerichts der Europäischen Union – Angeblich fehlende Unparteilichkeit – Unzulässigkeit der Klage – Stellungnahme – Klagebefugnis – Rechtsschutzinteresse“

In der Rechtssache C‑130/21 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 1. März 2021,

Lukáš Wagenknecht, wohnhaft in Pardubice (Tschechische Republik), vertreten durch A. Koller, Advokátka,

Rechtsmittelführer,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch F. Erlbacher und M. Salyková als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Siebten Kammer J. Passer in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Achten Kammer sowie der Richter F. Biltgen (Berichterstatter) und N. Wahl,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Mit seinem Rechtsmittel begehrt Herr Lukaš Wagenknecht die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts der Europäischen Union vom 17. Dezember 2020, Wagenknecht/Kommission (T‑350/20, im Folgenden: angefochtener Beschluss, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:635), mit dem seine Untätigkeitsklage nach Art. 265 AEUV als unzulässig abgewiesen wurde, mit der er die Feststellung begehrt hatte, dass die Europäische Kommission es rechtswidrig unterlassen habe, auf seine Aufforderung hin tätig zu werden und zwingende und abschreckende Maßnahmen zu erlassen, um den Interessenkonflikt, in dem sich Herr Andrej Babiš, der Premierminister der Tschechischen Republik, befinde, zu vermeiden oder mit ihm umzugehen.

Vorgeschichte des Rechtsstreits

2

Die Vorgeschichte des Rechtsstreits wird in den Rn. 1 bis 4 des angefochtenen Beschlusses wie folgt dargestellt:

„1

Mit Schreiben vom 30. Januar 2020 forderte der [Rechtsmittelführer], ein Mitglied des Senát Parlamentu České republiky (Senat des Parlaments der Tschechischen Republik), die Europäische Kommission auf, zwingende und abschreckende Maßnahmen zu erlassen, um den Interessenkonflikt, in dem sich Herr Andrej Babiš, der Premierminister der Tschechischen Republik, befinde, zu vermeiden oder mit ihm umzugehen: Zum einen müssten die Mitglieder des Kollegiums der Mitglieder der Kommission, insbesondere dessen Präsidentin, daran gehindert werden, mit [Herrn Babiš] zusammenkommen und mit ihm über Fragen, die mit dem Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 und dem Haushalt der Union allgemein in Zusammenhang stünden, zu sprechen; zum anderen müssten Maßnahmen ergriffen werden, um Direktzahlungen für landwirtschaftliche Betriebe aus dem Haushalt der Union an bestimmte Gesellschaften, die von Herrn Babiš kontrolliert würden und deren tatsächlicher Eigentümer er sei, zu stoppen (im Folgenden: Aufforderung, tätig zu werden). Denn dieser Vertreter der Tschechischen Republik befinde sich aufgrund seiner persönlichen und familiären Interessen an Unternehmen der Konzerne Agrofert und Synbiol, die insbesondere in der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft tätig seien, in einem Interessenkonflikt.

2

In ihrer Antwort vom 25. März 2020 stellte die Kommission fest, dass die Aufforderung, tätig zu werden, die an sie gerichtet worden sei, größtenteils derjenigen entspreche, die bereits an den Europäischen Rat gerichtet worden sei und Gegenstand der – seinerzeit beim Gericht anhängigen – Untätigkeitsklage in der Rechtssache T‑715/19, Wagenknecht/Europäischer Rat, sei. Sie wies darauf hin, dass sie die zum Schutz des Haushalts der Union erforderlichen Maßnahmen, die im Hinblick auf dieses Ziel verhältnismäßig seien, bereits getroffen habe. Erstens seien keine Mittel aus den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds an Empfänger geflossen, die potenziell von dem behaupteten Interessenkonflikt betroffen seien. Zweitens seien die Zahlungen aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) mit dem Beschluss vom 28. November 2019 ausgesetzt worden, der vor dem Gericht angefochten worden sei (Rechtssache T‑76/20, Tschechische Republik/Kommission). Im Hinblick auf diese Rechtssache, die seinerzeit rechtshängig war und in der Zwischenzeit nach Rücknahme der Klage im Register des Gerichts gestrichen worden ist (Beschluss vom 25. August 2020, Tschechische Republik/Kommission, T‑76/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:379), sah die Kommission davon ab, weiter Stellung zu nehmen.

3

Mit E‑Mail vom 30. März 2020 wandte sich der [Rechtsmittelführer] erneut an die Kommission. Er wiederholte die Fragen, die er bereits in der Aufforderung, tätig zu werden, gestellt hatte, weil die Kommission in ihrer Antwort vom 25. März 2020 hierzu nicht Stellung genommen habe. In der E‑Mail stellte der [Rechtsmittelführer] weitere Fragen, räumte dabei aber ein, dass diese über den Rahmen der Aufforderung, tätig zu werden, hinausgingen.

4

Mit Schreiben vom 23 April 2020 antwortete die Kommission, dass sie die E‑Mail des [Rechtsmittelführers] vom 30. März 2020 erhalten habe und dass sie dem bisherigen Schriftwechsel nichts hinzuzufügen habe.“

Verfahren vor dem Gericht und angefochtener Beschluss

3

Mit Klageschrift, die am 9. Juni 2020 bei der Kanzlei einging, erhob der Rechtsmittelführer gemäß Art. 265 AEUV Klage auf Feststellung der Untätigkeit der Kommission, die es unterlassen habe, seiner Aufforderung, tätig zu werden, nachzukommen.

4

Die Kommission erhob am 11. August 2020 gemäß Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts eine Einrede der Unzulässigkeit. Der Rechtsmittelführer reichte hierzu keine Stellungnahme ein.

5

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Gericht dem Antrag der Kommission statt, die Stellen der Klageschrift, in denen auf ein Gutachten des juristischen Diensts der Kommission vom 19. November 2018 Bezug genommen wird, nicht zu berücksichtigen, und wies die Klage als unzulässig ab. Das Gericht stellte fest, dass der Rechtsmittelführer kein Rechtsschutzinteresse habe und nicht klagebefugt sei (angefochtener Beschluss, Rn. 28 bis 31) und dass die Kommission in ihrem Schreiben vom 25. März 2020 zu der Aufforderung, tätig zu werden, Stellung genommen habe (angefochtener Beschluss, Rn. 32 bis 36).

Anträge der Parteien vor dem Gerichtshof

6

Der Rechtsmittelführer beantragt,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und

den erstinstanzlichen Anträgen stattzugeben.

7

Die Kommission beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen und

dem Rechtsmittelführer die Kosten aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

8

Es bietet sich an, das Vorbringen des Rechtsmittelführers in der Rechtsmittelschrift in sechs Rechtsmittelgründe umzugruppieren: Der Rechtsmittelführer macht geltend, dass ein Verstoß gegen Art. 18 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union vorliege (erster Rechtsmittelgrund), dass das Gericht das Schreiben der Kommission vom 25. März 2020 zu Unrecht als Stellungnahme eingestuft habe (zweiter Rechtsmittelgrund), dass dem Gericht hinsichtlich seines Rechtsschutzinteresses und seiner Klagebefugnis ein Beurteilungsfehler unterlaufen sei (dritter Rechtsmittelgrund), dass ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK), die Art. 2, 41 und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und Art. 2 EUV vorliege (vierter Rechtsmittelgrund), dass das Gericht den Gebrauch, den er von dem Rechtsgutachten der Kommission vom 19. November 2018 gemacht habe, nicht richtig beurteilt habe (fünfter Rechtsmittelgrund) und dass hinsichtlich der Kosten ein Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz der Vorhersehbarkeit des Gesetzes vorliege (sechster Rechtsmittelgrund).

Zum ersten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

9

Mit dem ersten Rechtsmittelgrund macht der Rechtsmittelführer geltend, dass das Gericht gegen Art. 18 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union verstoßen habe. Bei einem Mitglied des Spruchkörpers des Gerichts, der über seine Klage entschieden habe, nämlich dem Richter J. Laitenberger, habe die Besorgnis der Befangenheit bestanden. Dieser Richter habe sich aber nicht selbst abgelehnt und damit gegen seine Verpflichtungen zur objektiven Unparteilichkeit verstoßen. Außerdem habe der Präsident des Gerichts gegen seine Verpflichtung verstoßen, den betreffenden Richter über seine Befangenheit in Kenntnis zu setzen.

10

Die Befangenheit bestehe aus zwei Gründen, von denen bereits einer für den Nachweis des geltend gemachten Verstoßes gegen die Verpflichtung zu Unparteilichkeit genüge.

11

Erstens habe Herr Laitenberger vor seiner Ernennung zum Richter beim Gericht 20 Jahre lang im Dienst der Kommission gestanden. Er sei insbesondere in der Generaldirektion (GD) „Wettbewerb“ und im Dienst des Sprechers tätig gewesen. Da er etwa neun Monate nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst der Kommission in einer Rechtssache entschieden habe, in der seinem ehemaligen Dienstherrn Untätigkeit vorgeworfen worden sei, habe bei ihm die Besorgnis der Befangenheit bestanden und er habe damit dem Erfordernis der objektiven Unparteilichkeit nicht genügt.

12

Zweitens habe Herr Laitenberger als Generaldirektor der GD „Wettbewerb“ in einer anderen Sache, in der es strukturell um dieselbe Frage gegangen sei wie in der vorliegenden Rechtssache, die Untätigkeit der Kommission gegenüber dem Agrofert-Konzern verteidigt.

13

In der Zeit von Januar bis März 2018 habe Herr Laitenberger über seinen Sprecher mit ihm kommuniziert, nachdem er drei Fragen gestellt habe, mit denen er habe wissen wollen, ob es eine unionsrechtswidrige Beihilfe darstelle, wenn ein Mitgliedstaat den Betrag, der einer Finanzhilfe entspreche, bei der die Kommission es abgelehnt habe, sie zulasten des Haushalts der Union zu übernehmen, weil das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) zu der Einschätzung gelangt sei, dass sie unter Verstoß gegen das Unionsrecht gezahlt worden sei, und der daher von dem Budget des betreffenden Mitgliedstaats abgezogen worden sei, nicht zurückfordere. Er habe im Wesentlichen die Antwort erhalten, dass die Kommission die Rückforderung einer Beihilfe durch einen Mitgliedstaat, wenn nicht nachgewiesen sei, dass die Beihilfe mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar sei, grundsätzlich nicht bereits deshalb anordnen könne, weil die Beihilfe rechtswidrig gewährt worden sei. Mit dieser Antwort, die der Sprecher von Herrn Laitenberger im Namen der GD „Wettbewerb“ gegeben habe, sei nicht konkret auf den eine Tochtergesellschaft von Agrofert betreffenden Streitfall eingegangen worden. Es seien lediglich allgemeine Ausführungen zu den für staatliche Beihilfen geltenden Grundsätzen gemacht worden.

14

Nach Auffassung der Kommission ist der erste Rechtsmittelgrund unbegründet.

Würdigung durch den Gerichtshof

15

Die Garantien für den Zugang zu einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht, und insbesondere diejenigen, die für den Begriff und die Zusammensetzung des Gerichts bestimmend sind, bilden den Grundpfeiler des Rechts auf ein faires Verfahren. Danach muss jedes Gericht überprüfen, ob es in Anbetracht seiner Zusammensetzung ein solches Gericht ist, wenn insoweit ein ernsthafter Zweifel besteht. Diese Überprüfung ist im Hinblick auf das Vertrauen erforderlich, das die Gerichte einer demokratischen Gesellschaft bei den Rechtsuchenden wecken müssen (Urteil vom 26. März 2020, Überprüfung Simpson/Rat und HG/Kommission, C‑542/18 RX‑II und C‑543/18 RX‑II, EU:C:2020:232, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

16

Das durch Art. 47 der Charta garantierte Unparteilichkeitsgebot deckt zwei Aspekte ab: Zum einen muss das Gericht subjektiv unparteiisch sein, d. h., keines seiner Mitglieder darf Voreingenommenheit oder persönliche Vorurteile an den Tag legen, wobei die persönliche Unparteilichkeit bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird. Zum anderen muss das Gericht objektiv unparteiisch sein, d. h., hinreichende Garantien bieten, um jeden berechtigten Zweifel in dieser Hinsicht auszuschließen (Urteil vom 4. Dezember 2019, H/Rat, C‑413/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:1044, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der Rechtsmittelführer, indem er lediglich geltend macht, dass bei einem Mitglied des Spruchkörpers des Gerichts, der den angefochtenen Beschluss erlassen habe, die Besorgnis der Befangenheit bestehe, nicht die persönliche Unparteilichkeit dieses Mitglieds anzweifelt, sondern die objektive Unparteilichkeit des Spruchkörpers.

18

Zu den Gründen, die der Rechtsmittelführer insoweit anführt, ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall allein der Umstand, dass das Mitglied des Spruchkörpers im Dienst der Kommission, der Beklagten des ersten Rechtszugs, stand, bevor er seine Aufgaben als Richter beim Gericht ausübte, noch keine berechtigten Zweifel an dessen objektiver Unparteilichkeit und an der objektiven Unparteilichkeit des betreffenden Spruchkörpers begründet (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 2. April 2020, Kerstens/Kommission, C‑577/18 P-REV, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:250, Rn. 25 bis 30).

19

Art. 18 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der eine Ausprägung des in Art. 47 der Charta verbürgten Rechts auf Zugang zu einem unabhängigen und unparteiischen Gericht darstellt, sieht vor, dass die Richter und Generalanwälte des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht an der Erledigung einer Sache teilnehmen dürfen, in der sie vorher als Bevollmächtigte, Beistände oder Anwälte einer der Parteien tätig gewesen sind oder über die zu befinden sie als Mitglied eines Gerichts, eines Untersuchungsausschusses oder in anderer Eigenschaft berufen waren (Abs. 1), und dass ein Richter oder Generalanwalt, wenn er glaubt, bei der Entscheidung oder Untersuchung einer bestimmten Sache aus einem besonderen Grund nicht mitwirken zu können, davon dem Präsidenten Mitteilung macht (Abs. 2 Satz 1).

20

Soweit Art. 18 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union verbietet, dass ein Richter an der Erledigung einer Sache teilnimmt, in der er vorher in einer anderen Eigenschaft tätig gewesen ist, und in Art. 18 Abs. 2 von einem „besonderen Grund“ die Rede ist, aus dem ein Richter bei der Entscheidung einer bestimmten Sache nicht mitwirken kann, kann sich der Rechtsmittelführer nach den besonderen Umständen, wie sie von ihm beschrieben werden, nicht darauf berufen, dass Herr Laitenberger in einem anderen Streitfall, in dem es um dieselbe Frage gegangen sei wie im vorliegenden Fall, als Generaldirektor der GD „Wettbewerb“ der Kommission die Untätigkeit dieses Organs gegenüber dem Agrofert-Konzern verteidigt habe.

21

Erstens war Gegenstand des Schriftwechsels, der zwischen dem Rechtsmittelführer und der Kommission im Jahr 2018 stattgefunden hat, auch wenn er ebenso wie die Klageschrift in der vorliegenden Rechtssache einen Interessenkonflikt betraf, in dem sich der tschechische Premierminister befunden haben soll, eine rechtswidrige staatliche Beihilfe, die die Tschechische Republik gewährt haben soll, während es im vorliegenden Fall um Zahlungen aus dem Haushalt der Union geht. Wie der Rechtsmittelführer selber einräumt, handelt es sich mithin nicht um dieselbe Sache.

22

Zweitens hat die Kommission in diesem Schriftwechsel, wie der Rechtsmittelführer ebenfalls selber einräumt, lediglich allgemeine Ausführungen zu den für staatliche Beihilfen geltenden Grundsätzen gemacht, ohne konkret auf den von dem Rechtsmittelführer angesprochenen Streitfall einzugehen. Die betreffenden Antworten sind für den vorliegenden Fall also nicht relevant und stellen kein Indiz für eine Voreingenommenheit dar.

23

Drittens geht aus dem Schriftwechsel, auch wenn die Gesprächspartner des Rechtsmittelführers dem Dienst des Sprechers der Kommission angehörten und einer von ihnen Pressesprecher der GD „Wettbewerb“ war, jedenfalls nicht hervor, dass Herr Laitenberger die gegebenen Antworten persönlich verfasst oder gebilligt hätte. Es ist daher nicht erwiesen, dass die Behauptung des Rechtsmittelführers, dass Herr Laitenberger über seinen Sprecher mit ihm kommuniziert habe, zuträfe.

24

Somit hat der Rechtsmittelführer nicht dargetan, dass es an der objektiven Unparteilichkeit im Sinne des oben in Rn. 16 angeführten Urteils gefehlt hätte, und zwar weder bei Richter Laitenberger noch bei dem Spruchkörper, der den angefochtenen Beschluss erlassen hat.

25

Der erste Rechtsmittelgrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

26

Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund macht der Rechtsmittelführer geltend, dass dem Gericht in Rn. 36 des angefochtenen Beschlusses zwei Beurteilungsfehler unterlaufen seien, weil es das Schreiben der Kommission vom 25. März 2020 als Stellungnahme im Hinblick auf die Aufforderung, tätig zu werden, angesehen habe.

27

Erstens habe die Kommission in diesem Schreiben, anders als das Gericht in Rn. 36 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, nicht erläutert, warum sie seiner Aufforderung nicht nachkomme. Sie habe es einfach vermieden, auf die beiden Aufforderungen, die in der Aufforderung, tätig zu werden, enthalten gewesen seien, einzugehen, ohne der Aufforderung nachzukommen.

28

Zweitens habe das Gericht das Schreiben der Kommission vom 25. März 2020 als Stellungnahme angesehen, obwohl die Kommission auf seine Aufforderung, die unter die erste Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) fallenden Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe aus dem Haushalt der Union, soweit sie Gesellschaften beträfen, die von dem Premierminister der Tschechischen Republik kontrolliert würden, zu stoppen, überhaupt nicht eingegangen sei. Die Kommission habe darauf hingewiesen, dass Zahlungen an diese Gesellschaften aus den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds und dem ELER, die unter die zweite Säule der GAP fielen, ausgesetzt worden seien. Unter diesen Umständen ergebe der Rückgriff auf Art. 263 AEUV, auf den das Gericht verwiesen habe, keinen Sinn, da er gegen die Ausführungen, die die Kommission im Hinblick auf die zweite Säule der GAP gemacht habe, und gegen die Maßnahmen, die sie insoweit getroffen habe, keinerlei Einwände erhoben habe.

29

Das Nichteingehen der Kommission auf die die erste Säule der GAP betreffende Aufforderung sei eine Untätigkeit der Kommission und müsse zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führen. Außerdem habe das Gericht im Zusammenhang mit Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe irreführend auf den ELER Bezug genommen, um das Nichteingehen auf die die erste Säule der GAP betreffende Aufforderung zu überspielen.

30

Die Kommission hält dieses Vorbringen für nicht stichhaltig.

Würdigung durch den Gerichtshof

31

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs hat das Gericht in den Rn. 33 bis 35 des angefochtenen Beschlusses zu Recht darauf hingewiesen, dass die in Art. 265 AEUV festgelegten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage nicht erfüllt sind, wenn das Organ, das aufgefordert wurde, tätig zu werden, vor Klageerhebung zu der Aufforderung Stellung genommen hat (Beschlüsse vom 8. Februar 2018, CBA Spielapparate- und Restaurantbetrieb/Kommission, C‑508/17 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:72, Rn. 15, und vom 3. Dezember 2019, WB/Kommission, C‑270/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:1038, Rn.13), und dass der Erlass eines anderen als des gewünschten oder für notwendig erachteten Rechtsakts wie etwa die ordnungsgemäß begründete Entscheidung, nicht der Aufforderung, tätig zu werden, entsprechend zu handeln, eine Stellungnahme darstellt, mit der die Untätigkeit beendet wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. November 2013, Kommission/Rat, C‑196/12, EU:C:2013:753, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32

In Anwendung dieser Rechtsprechung hat das Gericht in Rn. 36 des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen festgestellt, dass die Untätigkeit mit dem Schreiben der Kommission vom 25. März 2020, mit dem auf die Aufforderung, tätig zu werden, vom 30. Januar 2020 reagiert worden sei und das die Entscheidung der Kommission enthalten habe, keine Schritte zu unternehmen, wie sie in der Aufforderung vorgeschlagen worden seien, beendet worden sei, so dass die Klage nach Art. 265 AEUV, die der Rechtsmittelführer erhoben habe, unzulässig sei. Das Gericht hat ergänzend darauf hingewiesen, dass der Rechtsmittelführer gegen diese Entscheidung eine Klage nach Art. 263 AEUV hätte erheben können, sofern er seine Klagebefugnis hätte nachweisen können.

33

Hierzu ist festzustellen, dass eine Stellungnahme im Sinne von Art. 265 Abs. 2 AEUV den Standpunkt des betreffenden Organs zum Antrag des Klägers eindeutig und endgültig festlegen muss; die Einordnung der Antwort des Organs auf den Antrag als „Stellungnahme“, mit der die behauptete Untätigkeit beendet wird, ist eine Rechtsfrage, die im Rahmen eines Rechtsmittels aufgeworfen werden kann (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 16. Juni 2020, CJ/Gerichtshof der Europäischen Union, C‑634/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:474, Rn. 29 und 31 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

34

Im vorliegenden Fall ist die vom Rechtsmittelführer im Rahmen des zweiten Rechtsmittelgrundes vorgebrachte Argumentation nicht geeignet, die Einordnung des Schreibens der Kommission vom 25. März 2020 als „Stellungnahme“ und somit auch nicht die Schlussfolgerung des Gerichts, die Klage sei aus diesem Grund unzulässig, in Frage zu stellen.

35

Aus dem Wortlaut des Schreibens geht eindeutig hervor, dass die Kommission es abgelehnt hat, der Aufforderung des Rechtsmittelführers nachzukommen. Sie hat in dem Schreiben gegenüber dem Rechtsmittelführer erläutert, dass sie die zum Schutz des Haushalts der Union erforderlichen Maßnahmen, die im Hinblick auf dieses Ziel verhältnismäßig seien, bereits getroffen habe. Sie habe davon abgesehen, an Empfänger, die potenziell von dem behaupteten Interessenkonflikt betroffen seien, Mittel aus den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds zu zahlen, und sie habe die Zahlungen aus dem ELER ausgesetzt. Damit hat die Kommission es zwar nur implizit, aber eindeutig abgelehnt, den Aufforderungen des Rechtsmittelführers, wie sie in der Aufforderung, tätig zu werden, enthalten waren, nachzukommen und dies auch begründet. Die Kommission hat es also nicht vermieden, auf diese Aufforderungen einzugehen. Folglich hat das Gericht, indem es in Rn. 36 des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, dass das Schreiben der Kommission vom 25. März 2020 eine Stellungnahme im Sinne von Art. 265 Abs. 2 AEUV darstelle, keinen Beurteilungsfehler begangen.

36

Das Vorbringen des Rechtsmittelführers, dass das Gericht in Rn. 36 des angefochtenen Beschlusses den ELER zu Unrecht als Direktzahlung an landwirtschaftliche Betriebe aus dem Haushalt der Union hingestellt habe, geht daher ins Leere. Denn die Kommission hat es, unabhängig davon, wie die Zahlungen aus diesem Fonds einzustufen sind, abgelehnt, den Aufforderungen des Rechtsmittelführers nachzukommen, und dies damit begründet, dass die Aussetzung dieser Zahlungen eine der erforderlichen und verhältnismäßigen Maßnahmen sei, die sie getroffen habe, um den Haushalt der Union zu schützen.

37

Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass sich die Frage der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Untätigkeitsklage von der Frage unterscheidet, ob die von dem aufgeforderten Unionsorgan erlassene Handlung, mit der seine Untätigkeit beendet wird, Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein kann (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 16. Juni 2020, CJ/Gerichtshof der Europäischen Union, C‑634/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:474, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das Vorbringen des Rechtsmittelführers, die Erhebung einer Klage nach Art. 263 AEUV gegen das Schreiben der Kommission vom 25. März 2020 ergebe keinen Sinn, geht somit ins Leere.

38

Folglich ist der zweite Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

Zum dritten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

39

Mit dem dritten Rechtsmittelgrund wendet sich der Rechtsmittelführer gegen die Rn. 28 bis 31 des angefochtenen Beschlusses, in dem das Gericht festgestellt hat, dass der Rechtsmittelführer nicht befugt sei, eine Untätigkeitsklage zu erheben, und insoweit auch kein Rechtsschutzinteresse habe.

40

Der Rechtsmittelführer macht geltend, dass die Rechtsakte, zu deren Erlass gegenüber Dritten er die Kommission aufgefordert habe, ihn unmittelbar und individuell betreffen könnten. Wenn der Erlass solcher Rechtsakte erforderlich sei, um zu gewährleisten, dass die in Art. 2 EUV genannten grundlegenden Werte gewahrt würden, seien die Zulässigkeitskriterien weit auszulegen, um es dem Einzelnen zu ermöglichen, beim Gericht eine Klage zu erheben, mit der die Nichtbeachtung dieser Werte durch ein Unionsorgan geltend gemacht werde.

41

Der Rechtsmittelführer macht weiter geltend, dass er auch ein Rechtsschutzinteresse habe. Erstens habe er als Mitglied des Parlaments eines Mitgliedstaats und Präsident des ständigen Ausschusses des tschechischen Senats für die Kontrolle der Verwaltung der öffentlichen Mittel ein Interesse daran, das Gericht um die Prüfung der Frage zu ersuchen, ob die Kommission ihren Verpflichtungen aus dem Unionsrecht nachgekommen sei. Zweitens habe er als europäischer Steuerzahler ein Interesse daran, das Gericht um die Prüfung der Frage zu ersuchen, ob die Kommission die Vorschriften über die gute Verteilung seines Geldes beachtet und angewandt habe.

42

Die Kommission hält das Vorbringen des Rechtsmittelführers für nicht stichhaltig.

Würdigung durch den Gerichtshof

43

Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 31 bis 38), hat das Gericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Klage unzulässig ist, da die Kommission zu der Aufforderung, tätig zu werden, vom 30. Januar 2020 vor Klageerhebung Stellung genommen hat. Deshalb braucht auf das Vorbringen des Rechtsmittelführers, dass seine Klagebefugnis und sein Rechtsschutzinteresse nicht richtig beurteilt worden seien, nicht eingegangen zu werden. Denn unter diesen Umständen wäre ein solcher Fehler für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich und würde sich nicht auf den Tenor des angefochtenen Beschlusses auswirken, soweit mit ihm die Klage als unzulässig abgewiesen wurde (vgl. entsprechend Urteil vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 74, und Beschluss vom 25. Oktober 2016, VSM Geneesmiddelen/Kommission, C‑637/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:812, Rn. 54 und 55).

44

Der dritte Rechtsmittelgrund ist mithin als ins Leere gehend zurückzuweisen.

Zum vierten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

45

Mit dem vierten Rechtsmittelgrund macht der Rechtsmittelführer geltend, dass das Gericht dadurch, dass es in Rn. 37 des angefochtenen Beschlusses der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit stattgegeben habe, ohne die Begründetheit der Klage zu prüfen, insbesondere dadurch, dass es angenommen habe, dass, auch wenn er Mitglied eines nationalen Parlaments sei und in seiner körperlichen Unversehrtheit bedroht sei, Art. 47 der Charta nicht dazu diene, das in den Verträgen vorgesehene System der gerichtlichen Kontrolle zu ändern, gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK, die Art. 2, 41 und 47 der Charta und Art. 2 EUV verstoßen habe.

46

Der Rechtsmittelführer vertritt die Auffassung, dass das Gericht gegen seine Verpflichtung zur Unabhängigkeit im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK verstoßen habe, und zwar in dreierlei Hinsicht: Erstens habe es ohne kritische Distanz das Vorbringen der Kommission als vollziehende Gewalt berücksichtigt, gleichzeitig aber sein Vorbringen nahezu völlig außer Acht gelassen, womit das Recht auf einen fairen Prozess verletzt worden sei. Ein fairer Prozess setze voraus, dass die hauptsächlichen Argumente aller Beteiligten geprüft würden. Zweitens habe das Gericht, indem es seine Klage für unzulässig erklärt habe, seine Befugnisse als Gericht gegenüber der vollziehenden Gewalt der Union beschränkt. Drittens habe das Gericht, indem es das Verhalten der vollziehenden Gewalt nicht kritisiert habe und das Gleichgewicht zwischen der Rechtsprechung und der vollziehenden Gewalt nicht aufrechterhalten habe, das Erfordernis der gerichtlichen Unabhängigkeit im Hinblick auf die Grundwerte und Grundrechte nicht beachtet.

47

Das Gericht habe es hingenommen, dass die Kommission im Verfahren subversiv die Strategie verfolgt habe, eine Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, um die Verletzung der in Art. 2 EUV verbürgten Grundrechte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit und Gerechtigkeit zu ermöglichen.

48

Zudem habe das Gericht, indem es die Bedrohungen seiner körperlichen Unversehrtheit außer Acht gelassen habe, sein durch Art. 2 der Charta garantiertes Recht auf Leben verletzt.

49

Im Übrigen habe das Gericht, indem es nicht über die Begründetheit der Klage entschieden habe und sein Vorbringen zum größten Teil übergangen habe, durch das Fehlen einer inhaltlichen Auseinandersetzung gegen seine Begründungspflicht, die in Art. 41 der Charta verbürgt sei und eine Ausprägung des Rechts auf ein faires Verfahren darstelle, verstoßen.

50

Die Kommission hält dieses Vorbringen für nicht stichhaltig.

Würdigung durch den Gerichtshof

51

Mit der Rüge einer Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK, der Art. 2, 41 und 47 der Charta und Art. 2 EUV wendet sich der Rechtsmittelführer im Wesentlichen dagegen, dass das Gericht gemäß Art. 130 seiner Verfahrensordnung, vorab über die Einrede der Unzulässigkeit entschieden hat.

52

Hierzu genügt die Feststellung, dass, wie das Gericht im Wesentlichen in Rn. 37 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, auch wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage vor dem Gerichtshof im Licht der Werte und der Grundrechte des Unionsrechts auszulegen sind, diese jedoch nicht zu einer Änderung des von den Verträgen vorgesehenen Systems der gerichtlichen Kontrolle und insbesondere der Regeln über die Zulässigkeit der unmittelbar vor den Unionsgerichten erhobenen Klagen führen können (Beschluss Wagenknecht/Europäischer Rat, C‑504/20 P, EU:C:2021:305, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53

Im Übrigen zielt das Vorbringen des Rechtsmittelführers, dass das Gericht im angefochtenen Beschluss gegen seine Begründungspflicht verstoßen habe, darauf ab, dass in dem angefochtenen Beschluss nicht auf die Begründetheit eingegangen worden sei, was aber lediglich die Folge der zulässigen Entscheidung des Gerichts ist, gemäß Art. 130 seiner Verfahrensordnung vorab über die Einrede der Unzulässigkeit zu entscheiden.

54

Folglich ist der vierte Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

Zum fünften Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

55

Mit dem fünften Rechtsmittelgrund wendet sich der Rechtsmittelführer im Wesentlichen gegen die Rn. 14 bis 24 des angefochtenen Beschlusses, mit denen das Gericht dem Antrag der Kommission stattgegeben hat, die Stellen der Klageschrift, in denen auf das Gutachten des juristischen Dienstes der Kommission vom 19. November 2018 Bezug genommen wird, nicht zu berücksichtigen. Der Rechtsmittelführer meint, dass das Gericht nicht richtig beurteilt habe, inwieweit er sich in seiner Klageschrift auf dieses Gutachten gestützt habe.

56

In seiner Klageschrift dienten die beiden Verweise auf dieses Rechtsgutachten dazu, sein eigenes Vorbringen zu veranschaulichen. Es handele sich um Ergänzungen, nicht um tragende Erwägungen. Der erste Verweis finde sich in einer Fußnote, der zweite in der Überschrift eines Abschnitts der Klageschrift.

57

Nach Auffassung der Kommission geht der fünfte Rechtsmittelgrund ins Leere.

Würdigung durch den Gerichtshof

58

Der fünfte Rechtsmittelgrund geht ins Leere. Denn, selbst wenn er begründet wäre, hätte er weder Auswirkungen auf Nr. 1 des Tenors des angefochtenen Beschlusses, in der festgestellt wird, dass das als Anhang der Klageschrift vorgelegte Gutachten des juristischen Diensts der Kommission sowie die sich auf den Inhalt dieses Gutachtens beziehenden Passagen der Klageschrift nicht zu berücksichtigen sind, noch auf Nr. 2 des Tenors, mit dem die Klage des Rechtsmittelführers als unzulässig abgewiesen wird.

59

Der fünfte Rechtsmittelgrund ist somit als ins Leere gehend zurückzuweisen.

Zum sechsten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Parteien

60

Mit seinem sechsten Rechtsmittelgrund macht der Rechtsmittelführer geltend, dass das Gericht dadurch, dass es ihm die Kosten auferlegt habe, obwohl deren Höhe in dem angefochtenen Beschluss nicht angegeben worden sei und die die Kosten betreffenden Art. 133 bis 141 der Verfahrensordnung des Gerichts keine materielle Regel enthielten, anhand deren die Kosten bestimmt werden könnten, gegen den Grundsatz der Vorhersehbarkeit des Gesetzes verstoßen habe.

61

Die Kommission hält diesen Rechtsmittelgrund für unzulässig.

Würdigung durch den Gerichtshof

62

Nach ständiger Rechtsprechung sind Anträge, die die angebliche Rechtswidrigkeit der Kostenentscheidung des Gerichts betreffen, gemäß Art. 58 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, wonach ein nur gegen die Kostenentscheidung oder gegen die Kostenfestsetzung gerichtetes Rechtsmittel unzulässig ist, als unzulässig zurückzuweisen, wenn alle anderen Rechtsmittelgründe zurückgewiesen worden sind (Beschlüsse vom 12. Januar 2017, Europäischer Tier- und Naturschutz und Giesen/Kommission, C‑343/16 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:10, Rn. 24, und vom 14. April 2021, Wagenknecht/Europäischer Rat, C‑504/20 P, EU:C:2021:305, Rn. 52).

63

Da die anderen Rechtsmittelgründe zurückgewiesen worden sind, ist der sechste Rechtsmittelgrund als unzulässig zurückzuweisen.

64

Nach alledem ist das Rechtsmittel in vollem Umfang zurückzuweisen

Kosten

65

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

66

Im vorliegenden Fall ist der Rechtsmittelführer mit seinen Rechtsmittelgründen unterlegen, so dass ihm gemäß dem Antrag der Kommission, was das Rechtsmittelverfahren angeht, neben seinen eigenen Kosten die der Kommission aufzuerlegen sind.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

 

2.

Herr Lukaš Wagenknecht trägt neben seinen eigenen Kosten die der Europäischen Kommission.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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