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Dokument 62019CC0872

Schlussanträge des Generalanwalts G. Hogan vom 20. Januar 2021.
Bolivarische Republik Venezuela gegen Rat der Europäischen Union.
Rechtsmittel – Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) – Restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Venezuela – Nichtigkeitsklage eines Drittstaats – Zulässigkeit – Art. 263 Abs. 4 AEUV – Klagebefugnis – Voraussetzung, dass der Kläger von der Maßnahme, die Gegenstand seiner Klage ist, unmittelbar betroffen ist – Begriff ‚juristische Person‘ – Rechtsschutzinteresse – Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht.
Rechtssache C-872/19 P.

Sammlung der Rechtsprechung – allgemein – Abschnitt „Informationen über nicht veröffentlichte Entscheidungen“

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2021:37

 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

GERARD HOGAN

vom 20. Januar 2021 ( 1 )

Rechtssache C‑872/19 P

Bolivarische Republik Venezuela

gegen

Rat der Europäischen Union

„Rechtsmittel – Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Verordnung (EU) 2017/2063 – Art. 2, 3, 6 und 7 – Restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Venezuela – Nichtigkeitsklage eines Drittstaats – Art. 263 Abs. 4 AEUV – Unmittelbare Betroffenheit – Gesichtspunkt zwingenden Rechts – Begriff ‚juristische Person‘ – Drittstaat – Unzulässigkeit“

I. Einleitung

1.

Infolge der sich verschlechternden politischen und wirtschaftlichen Lage in der Bolivarischen Republik Venezuela herrscht dort gegenwärtig ein Zustand offenbar erheblicher Beeinträchtigungen der üblichen demokratischen, rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Grundsätze. Vor diesem Hintergrund hat der Rat der Europäischen Union seit 2017 eine Reihe von restriktiven Maßnahmen (Sanktionen) erlassen. Mit diesen restriktiven Maßnahmen werden Ausfuhrverbote für den Verkauf, die Lieferung, die Verbringung oder die Ausfuhr bestimmter militärischer oder anderer Ausrüstung (wie beispielsweise zur Bekämpfung von Ausschreitungen und Unruhen bestimmter oder dem Transport von Strafgefangenen dienender Fahrzeuge) nach Venezuela verhängt. Aus den Erwägungsgründen der Beschlüsse und Verordnungen zur Umsetzung dieser restriktiven Maßnahmen geht hervor, dass der Rat befürchtete, dass diese Ausrüstung für Zwecke der internen Repression und allgemeinen Unterdrückung legitimer demokratischer Proteste in diesem Staat verwendet werden kann. Die Maßnahmen erstreckten sich auch auf die Erbringung von technischen Diensten, Vermittlungsdiensten und Finanzdienstleistungen im Zusammenhang mit der Lieferung solcher Ausrüstung. Die Maßnahmen sehen zudem die Möglichkeit der Verhängung von Reiseverboten für bestimmte namentlich bezeichnete natürliche Personen und das Einfrieren von Vermögenswerten gegen bestimmte namentlich bezeichnete natürliche oder juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen vor. Diese konkreten personalisierten Maßnahmen sind jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

2.

Das vorliegende Verfahren betrifft vielmehr das auf Anfechtung einiger dieser restriktiven Maßnahmen gerichtete Begehren der Bolivarischen Republik Venezuela. Dies wirft sofort die viel weiter gefasste Frage auf, ob ein Staat, der nicht Mitglied der Europäischen Union ist, bei den Unionsgerichten eine derartige Klage erheben kann. Mit diesen Fragen mögen wichtige und möglicherweise sensible Fragen des Völkerrechts aufgeworfen werden, auf der konkreteren Ebene des Rechts der Europäischen Union kann allerdings davon ausgegangen werden, dass die im vorliegenden Rechtsmittelverfahren zu klärenden Fragen lediglich die folgenden sind: i) Ist die Bolivarische Republik Venezuela eine „juristische Person“ im Sinne von Art. 263 AEUV und, ii) soweit die erste Frage zu bejahen ist, ist die Bolivarische Republik Venezuela von den verhängten Maßnahmen unmittelbar betroffen ( 2 ), so dass sie die nötige Klagebefugnis hätte, um die Gültigkeit der restriktiven Maßnahmen nach Art. 263 AEUV in Frage stellen zu können ( 3 )?

3.

Die vorliegende Rechtssache betrifft somit ein Rechtsmittel der Bolivarischen Republik Venezuela (im Folgenden: Rechtsmittelführerin) vom 28. November 2019 gegen das Urteil des Gerichts (Vierte erweiterte Kammer) vom 20. September 2019, Venezuela/Rat (T‑65/18, EU:T:2019:649, im Folgenden: angefochtenes Urteil). In diesem Urteil hat das Gericht entschieden, dass die Rechtsmittelführerin nicht nachgewiesen habe, dass sie von den Maßnahmen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV unmittelbar betroffen sei. Infolgedessen fehlte es der Klägerin an der nötigen Klagebefugnis für ihre Nichtigkeitsklage, so dass die Klage für unzulässig erklärt wurde.

4.

Die Rechtsmittelführerin macht im Wesentlichen geltend, das Gericht habe das in Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehene Kriterium der unmittelbaren Betroffenheit im Licht des Urteils vom 13. September 2018, Almaz-Antey Air and Space Defence/Rat (T‑515/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:545; im Folgenden: Urteil Almaz-Antey), fehlerhaft ausgelegt. Das vorliegende Rechtsmittel bietet dem Gerichtshof somit eine einmalige Gelegenheit, zur Anwendung der Voraussetzungen Stellung zu nehmen, die in Art. 263 Abs. 4 AEUV für die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage eines Drittstaats gegen restriktive Maßnahmen des Rates der Europäischen Union angesichts der Lage in diesem Staat vorgesehen sind. Was das Rechtsmittel angeht, ist somit, wie bereits ausgeführt, zu prüfen, ob die Rechtsmittelführerin im vorliegenden Verfahren eine „juristische Person“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV ist und, wenn ja, ob sie von den fraglichen restriktiven Maßnahmen auch unmittelbar betroffen ist.

II. Rechtlicher Rahmen und Hintergrund des Rechtsstreits

5.

Am 13. November 2017 erließ der Rat die Verordnung 2017/2063 auf der Grundlage von Art. 215 Abs. 2 AEUV und des Beschlusses (GASP) 2017/2074 des Rates vom 13. November 2017 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Venezuela ( 4 ).

6.

Nach Art. 2 der Verordnung 2017/2063 ist es untersagt, natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela oder zur Verwendung in Venezuela technische Hilfe, Vermittlungsdienste, Finanzmittel oder Finanzhilfen oder andere Dienste im Zusammenhang mit den in der vom Rat am 17. März 2014 erlassenen Gemeinsamen Militärgüterliste der Europäischen Union aufgeführten Gütern oder Technologien bereitzustellen ( 5 ).

7.

Gemäß Art. 3 und Anhang I der Verordnung 2017/2063 ist es außerdem untersagt, Ausrüstungen, die – wie Waffen, Munition, zur Bekämpfung von Ausschreitungen und Unruhen bestimmte oder dem Transport von Strafgefangenen dienende Fahrzeuge oder gar Explosivstoffe – zur internen Repression verwendet werden können, an natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela oder zur Verwendung in Venezuela zu verkaufen, zu liefern, weiterzugeben oder auszuführen und technische Hilfe, Vermittlungsdienste, Finanzmittel oder Finanzhilfen oder andere Dienste im Zusammenhang mit dieser Ausrüstung natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela oder zur Verwendung in Venezuela bereitzustellen.

8.

Nach Art. 4 der Verordnung 2017/2063 können die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten abweichend von den Art. 2 und 3 dieser Verordnung unter ihnen angemessen erscheinenden Bedingungen bestimmte Vorgänge genehmigen.

9.

Gemäß den Art. 6 und 7 sowie Anhang II der Verordnung 2017/2063 ist es untersagt, ohne vorherige Genehmigung durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten Ausrüstung, Technologie oder Software für die Paketinspektion, Netzüberwachung und ‑störung und Sprechererkennung zu verkaufen, zu liefern oder auszuführen sowie technische Hilfe oder Vermittlungsdienste, Finanzhilfe oder andere Dienste im Zusammenhang mit diesen Ausrüstungen, dieser Technologie oder Software für natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela oder zur Verwendung in diesem Land bereitzustellen.

10.

Nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung 2017/2063 dürfen die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten die Genehmigung, Ausrüstung, Technologie oder Software unmittelbar oder mittelbar an Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela oder zur Verwendung in Venezuela zu verkaufen, zu liefern, weiterzugeben oder auszuführen, nicht erteilen, wenn sie hinreichende Gründe für die Feststellung haben, dass die betreffende Ausrüstung, Technologie oder Software für die interne Repression in Venezuela durch die Regierung Venezuelas, seine öffentlichen Einrichtungen, Unternehmen und Agenturen oder Personen oder Organisationen, die in ihrem Namen oder auf ihre Weisung handeln, verwendet würde.

11.

Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/2063 ist es untersagt, ohne eine nach Art. 6 Abs. 2 erteilte vorherige Genehmigung durch die zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaats für die Regierung Venezuelas, dessen öffentliche Einrichtungen, Unternehmen und Agenturen oder Personen oder Organisationen, die in ihrem Namen oder auf ihre Weisung handeln, zu ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Nutzen Dienstleistungen zur Überwachung oder zum Abhören des Telefonverkehrs oder des Internets zu erbringen.

12.

Die Art. 8 bis 11 sowie die Anhänge IV und V der Verordnung 2017/2063 sehen vorbehaltlich von Ausnahmen auch das Einfrieren von finanziellen Vermögenswerten bestimmter natürlicher oder juristischer Personen, Organisationen oder Einrichtungen vor und untersagen, ihnen solche Vermögenswerte zur Verfügung zu stellen. Art. 17 Abs. 4 der Verordnung 2017/2063 bestimmt, dass „[d]ie Liste in den Anhängen IV und V … in regelmäßigen Abständen, mindestens aber alle 12 Monate überprüft“ wird ( 6 ).

13.

Nach Art. 20 der Verordnung 2017/2063 gelten die genannten Verbote

„a)

im Gebiet der Union, einschließlich ihres Luftraums,

b)

an Bord der Luftfahrzeuge und Schiffe, die der Hoheitsgewalt der Mitgliedstaaten unterstehen,

c)

für Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, innerhalb und außerhalb des Gebiets der Union,

d)

für nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründete oder eingetragene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen innerhalb und außerhalb des Gebiets der Union,

e)

für alle juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Bezug auf alle Geschäfte, die ganz oder teilweise in der Union getätigt werden“.

III. Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

14.

Mit am 6. Februar 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift erhob die Rechtsmittelführerin Nichtigkeitsklage gegen die Verordnung 2017/2063, soweit ihre Bestimmungen sie betreffen. Das Gericht ging davon aus, dass die Nichtigkeitsklage der Rechtsmittelführerin, soweit sie sich gegen die Verordnung 2017/2063 richte, nur deren Art. 2, 3, 6 und 7 (im Folgenden: angefochtene Bestimmungen) betreffe ( 7 ).

15.

Mit am 3. Mai 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem gesonderten Schriftsatz erhob der Rat nach Art. 130 der Verfahrensordnung des Gerichts eine Einrede der Unzulässigkeit. Der Rat machte drei Unzulässigkeitsgründe geltend, nämlich erstens, dass die Rechtsmittelführerin, die Klägerin in jener Rechtssache, nicht klagebefugt sei, zweitens, dass sie von den angefochtenen Bestimmungen nicht unmittelbar betroffen sei und drittens, dass sie keine „natürliche oder juristische Person“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV sei. Die Rechtsmittelführerin nahm am 27. Juni 2018 dazu Stellung. Mit am 17. Januar 2019 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem gesonderten Schriftsatz passte die Rechtsmittelführerin gemäß Art. 86 der Verfahrensordnung des Gerichts ihre Klage an, so dass sie sich auch auf den Beschluss 2018/1656 und die Durchführungsverordnung 2018/1653 bezog, soweit deren Bestimmungen sie betreffen. Der Rat antwortete am 5. Februar 2019 auf den Anpassungsschriftsatz.

16.

In der Sitzung vom 8. Februar 2019 verhandelten die Parteien mündlich und beantworteten Fragen des Gerichts zur Zulässigkeit. Nach Auffassung des Gerichts war bei der Entscheidung über die Zulässigkeit der bei ihm erhobenen Nichtigkeitsklage mit der Prüfung des zweiten Unzulässigkeitsgrundes des Rates zu beginnen, wonach die Rechtsmittelführerin von den angefochtenen Bestimmungen nicht unmittelbar betroffen sei.

17.

Im angefochtenen Urteil hat das Gericht daran erinnert, dass nach ständiger Rechtsprechung die in Art. 263 Abs. 4 AEUV genannte Voraussetzung, dass eine natürliche oder juristische Person von der klagegegenständlichen Entscheidung unmittelbar betroffen sein müsse, erfordere, dass zwei Kriterien kumulativ erfüllt seien, nämlich zum einen, dass sich die beanstandete Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin auswirke, und zum anderen, dass sie den Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut seien, keinerlei Ermessensspielraum lasse, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolge und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergebe. Ferner sei für die Feststellung, ob ein Rechtsakt Rechtswirkungen erzeuge, insbesondere auf seinen Gegenstand, seinen Inhalt, seine Tragweite, seinen Sachgehalt sowie auf den tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang, in dem er erlassen worden sei, abzustellen ( 8 ).

18.

Die angefochtenen Bestimmungen beinhalteten erstens ein Verbot, natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela Waffen, militärische oder andere Ausrüstung, die für Zwecke der internen Repression verwendet werden könne, sowie der Überwachung dienende Ausrüstung, Technologie oder Software zu verkaufen oder zu liefern. Zweitens sei es gemäß den angefochtenen Bestimmungen verboten, diesen natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela Dienste finanzieller, technischer oder anderer Art, die in Zusammenhang mit dieser Ausrüstung oder Technologie stünden, zu erbringen ( 9 ). Ferner begrenze Art. 20 der Verordnung 2017/2063 die Anwendung dieser Verbote auf das Gebiet der Europäischen Union, auf natürliche Personen aus einem Mitgliedstaat und auf juristische Personen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats errichtet worden seien, sowie auf alle juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Bezug auf alle Geschäfte, die ganz oder teilweise in der Union getätigt würden ( 10 ).

19.

Das Gericht hat festgestellt, dass die angefochtenen Bestimmungen keine an die Rechtsmittelführerin gerichteten Verbote vorsähen und allenfalls mittelbare Auswirkungen auf sie haben könnten, soweit die den natürlichen Personen aus einem Mitgliedstaat und den nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats errichteten juristischen Personen auferlegten Verbote zur Folge haben könnten, dass die Quellen, aus denen sich die Rechtsmittelführerin mit den in Rede stehenden Waren und Diensten versorgen könne, begrenzt würden ( 11 ).

20.

Zwar habe das Gericht im Urteil Almaz-Antey das Argument zurückgewiesen, wonach die Rechtsstellung einer außerhalb der Union ansässigen Einrichtung nicht unmittelbar von Maßnahmen betroffen sei, mit denen es Wirtschaftsbeteiligten der Union untersagt werden solle, bestimmte Arten von Geschäften mit ihr zu tätigen. Das Gericht habe in jener Rechtssache entschieden, dass das an Wirtschaftsbeteiligte der Union gerichtete Verbot, derartige Geschäfte zu tätigen, darauf hinauslaufe, dass es der Klägerin untersagt sei, die in Rede stehenden Geschäfte mit ihnen zu tätigen ( 12 ). Jedoch werde die Rechtsmittelführerin in den angefochtenen Bestimmungen nicht in einer mit der Klägerin in der dem Urteil Almaz-Antey zugrunde liegenden Rechtssache vergleichbaren Art und Weise ausdrücklich und spezifisch aufgeführt ( 13 ).

21.

Außerdem könne die Rechtsmittelführerin insoweit nicht einem Wirtschaftsbeteiligten wie der Klägerin in der dem Urteil Almaz-Antey zugrunde liegenden Rechtssache gleichgesetzt werden, als sich ihre Verhaltensweisen nicht auf rein gewerbliche Zwecke reduzieren ließen, da ein Staat seine Hoheitsbefugnisse insbesondere im Rahmen hoheitlicher Tätigkeiten wie Verteidigungs‑, Polizei- und Überwachungsaufgaben ausübe. Darüber hinaus verfüge die Rechtsmittelführerin im Gegensatz zu einem Wirtschaftsbeteiligten, dessen Handlungsfähigkeit auf seinen Tätigkeitsbereich beschränkt sei, als Staat über ein Betätigungsfeld, das sich durch extreme Vielfalt auszeichne und sich nicht auf eine bestimmte Tätigkeit reduzieren lasse. Durch dieses äußerst breite Handlungsspektrum unterscheide sie sich somit von einem Wirtschaftsteilnehmer, der üblicherweise eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit ausübe, die von einer restriktiven Maßnahme erfasst werde ( 14 ).

22.

Auch könnten sich Verbote, wie sie durch die angefochtenen Bestimmungen auferlegt würden, nicht unmittelbar auf die Stellung von Wirtschaftsteilnehmern auswirken, die nicht auf den betreffenden Märkten tätig seien. Das Gericht habe im Urteil Almaz-Antey ausdrücklich festgestellt, dass die Klägerin ein Unternehmen sei, das in dem von den maßgeblichen Bestimmungen des angefochtenen Rechtsakts erfassten Verteidigungsbereich tätig sei ( 15 ).

23.

Die von der Rechtsmittelführerin vorgelegten Eurostat-Daten zeigten, dass der Gesamtwert der mit Venezuela getätigten gewerblichen Geschäfte betreffend die von den angefochtenen Bestimmungen erfassten Güter im Jahr 2016 bei 76 Mio. Euro, im Jahr 2017 bei 59 Mio. Euro und im Jahr 2018 bei null gelegen habe. Auch wenn sich anhand dieser Daten die Wirksamkeit der angefochtenen Bestimmungen nachweisen lasse, könnten sie nicht belegen, dass die Rechtsmittelführerin beim Erwerb der in Rede stehenden Waren und Dienste als eine Einrichtung, die mit einem auf den fraglichen Märkten agierenden Wirtschaftsbeteiligten vergleichbar sei, und nicht im Rahmen ihrer hoheitlichen Tätigkeiten gehandelt habe ( 16 ). Angesichts des Fehlens eines schriftlichen Dokuments, wie z. B. eines Vertrags, sei die Möglichkeit für die Rechtsmittelführerin, eine Rechtsbeziehung mit Wirtschaftsteilnehmern in der Union anzuknüpfen, als rein spekulativ anzusehen und könne sich nur aus künftigen und hypothetischen Verhandlungen ergeben. Somit könne nicht davon ausgegangen werden, dass die mit den angefochtenen Bestimmungen erlassenen Verbote als solche die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin berührten ( 17 ).

24.

Zum Vorbringen der Rechtsmittelführerin, dass nach ständiger Rechtsprechung der Umstand, dass ein Rechtsakt der Union eine juristische Person des öffentlichen Rechts daran hindere, die ihr zustehenden Befugnisse nach ihren Vorstellungen auszuüben, ihre Rechtsstellung unmittelbar berühre, so dass dieser Rechtsakt sie unmittelbar betreffe, hat das Gericht festgestellt, dass die angefochtenen Bestimmungen es der Rechtsmittelführerin nicht unmittelbar verböten, die fraglichen Ausrüstungen zu kaufen und einzuführen sowie die in Rede stehenden Dienste zu erlangen. Sie wirkten sich auch nicht auf ihre Fähigkeit zur Ausübung ihrer hoheitlichen Rechte über die ihrer Hoheitsgewalt unterliegenden Gebiete und Güter aus, und nichts in der Verordnung 2017/2063 lasse den Schluss zu, dass es die Absicht des Rates gewesen sei, ihre rechtlichen Befugnisse zu beschränken. In Anbetracht des Rechts eines jeden Staates – oder eines Zusammenschlusses von Staaten –, souverän darüber zu entscheiden, auf welche Weise er wirtschaftliche Beziehungen zu Drittstaaten unterhalten wolle, beschränkten die in Rede stehenden Maßnahmen die Handlungsmöglichkeiten der Rechtsmittelführerin allenfalls mittelbar ( 18 ).

25.

Das Gericht ist zu dem Schluss gelangt, dass die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin von den angefochtenen Bestimmungen nicht unmittelbar berührt sei und dass die Klage, soweit sie sich gegen diese Bestimmungen richte, als unzulässig abzuweisen sei ( 19 ).

IV. Anträge im vorliegenden Rechtsmittelverfahren

26.

Die Rechtsmittelführerin beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit darin die Klage als unzulässig abgewiesen wurde;

die Klage für zulässig zu erklären und die Rechtssache zur Sachentscheidung an das Gericht zurückzuverweisen und

dem Rat die Kosten dieses Verfahrens und die Kosten des Verfahrens vor dem Gericht aufzuerlegen.

27.

Der Rat beantragt,

das Rechtsmittel zurückzuweisen und

der Rechtsmittelführerin die Kosten des Verfahrens vor dem Gerichtshof aufzuerlegen.

V. Verfahren vor dem Gerichtshof

28.

Nach Art. 263 Abs. 4 AEUV kann „[j]ede natürliche oder juristische Person … unter den Bedingungen nach den Absätzen 1 und 2 gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben“. Die Bedingungen in Art. 263 Abs. 4 AEUV sind wesentliche Voraussetzungen für die erforderliche Klagebefugnis natürlicher oder juristischer Personen, die eine gerichtliche Überprüfung eines Rechtsakts der Union begehren. Sind diese wesentlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, ist eine solche Klage unzulässig. Die Unzulässigkeit stellt somit einen Gesichtspunkt des zwingenden Rechts dar, den die Unionsgerichte von Amts wegen prüfen können und auch müssen ( 20 ). Daher ergibt sich aus dem Nichtvorliegen der in Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehenen wesentlichen Voraussetzungen für eine Nichtigkeitsklage eine absolute Prozessvoraussetzung für Klagen natürlicher oder juristischer Personen, deren Vorliegen die Unionsgerichte jederzeit, auch von Amts wegen, zu prüfen haben ( 21 ).

29.

Auch wenn sich das vorliegende Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Gerichts im angefochtenen Urteil richtet, wonach die bei ihm erhobene Klage unzulässig sei, da die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin von den angefochtenen Bestimmungen nicht unmittelbar berührt sei, hat der Gerichtshof mit Beschluss vom 7. Juli 2020 die Rechtsmittelführerin, den Rat, die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten aufgefordert, bis zum 11. September 2020 schriftlich zu der Frage Stellung zu nehmen, ob ein Drittstaat als juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV anzusehen ist.

30.

Auf Antrag einiger Beteiligter wurde die Frist für die Einreichung dieser schriftlichen Stellungnahmen bis zum 25. September 2020 verlängert. Außerdem haben einige Beteiligte in der vorliegenden Rechtssache Akteneinsicht beantragt. Da von den Beteiligten keine Einwände erhoben wurden, wurde dem Antrag stattgegeben. Zu der Frage, ob die Rechtsmittelführerin eine juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV ist, haben die Rechtsmittelführerin, der Rat, das Königreich Belgien, die Republik Bulgarien, die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland, die Hellenische Republik, die Republik Litauen, das Königreich der Niederlande, die Republik Polen, die Republik Slowenien, die Slowakische Republik, das Königreich Schweden und die Kommission eine schriftliche Stellungnahme eingereicht.

31.

Meines Erachtens ist die Frage, ob die Rechtsmittelführerin eine „juristische Person“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV ist, vor der Frage der unmittelbaren Betroffenheit zu prüfen.

VI. Rechtsmittelverfahren

A. Begriff „juristische Person“

1.   Vorbringen der Beteiligten

32.

Die Rechtsmittelführerin trägt vor, der Rat habe in seiner Rechtsmittelbeantwortung eingeräumt, dass die Rechtsmittelführerin nach den einschlägigen Regeln des Völkerrechts und des innerstaatlichen Rechts völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit habe und eine juristische Person sei. Die Verpflichtung zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit verlange von der Union, sicherzustellen, dass jede natürliche oder juristische Person „effektiven gerichtlichen Schutz der Rechte in Anspruch nehmen können muss, die sie aus der Unionsrechtsordnung herleiten“. Darüber hinaus müsse eine solche Person die Möglichkeit haben, die sie beeinträchtigenden Maßnahmen der Unionsorgane vor den Unionsgerichten anzufechten, sofern die in Art. 263 AEUV festgelegten Voraussetzungen erfüllt seien. Dies sei Ausdruck des Grundsatzes ubi ius ibi remedium, der ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts sei und in Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie in Art. 19 Abs. 1 EUV zum Ausdruck komme.

33.

Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 263 Abs. 4 AEUV kein Anhaltspunkt dafür, sie – sei es auch nur mittelbar – vom Begriff der dort genannten „juristischen Person“ auszunehmen. Das Gericht habe im Übrigen in seinem Beschluss vom 10. September 2020, Kambodscha und CRF/Kommission (T‑246/19, EU:T:2020:415), u. a. entschieden, dass der Ausdruck „jede natürliche oder juristische Person“ in Art. 263 Abs. 4 AEUV dahin zu verstehen sei, dass er auch Staaten umfasse, die nicht Mitglieder der Union seien, wie das Königreich Kambodscha. Dies müsse entsprechend auch hier gelten. Außerdem zeige die Verwendung des Pronomens „jede“ [„any“] nicht nur in der englischen, sondern auch in anderen Sprachfassungen ( 22 ) in Bezug auf eine „natürliche oder juristische Person“ in Art. 263 Abs. 4 AEUV, dass „alle“ Einzelpersonen und Rechtssubjekte, die natürliche und/oder juristische Personen seien, unterschiedslos umfasst seien. Jede Auslegung des in Art. 263 Abs. 4 AEUV enthaltenen Ausdrucks „natürliche oder juristische Person“ dahin, dass er Rechtssubjekte mit völkerrechtlicher Rechtspersönlichkeit wie die Rechtsmittelführerin nicht umfasse, verstoße gegen den Wortlaut dieser Bestimmung und sei contra legem. Außerdem verstoße eine solche Auslegung contra legem auch gegen die Rechtsprechung, wonach „die Bestimmungen des Vertrages über das Klagerecht der Bürger nicht restriktiv ausgelegt werden dürfen [und] angesichts des Schweigens des Vertrages … eine solche Einschränkung [daher] nicht vermutet werden [kann]“ ( 23 ).

34.

Diese am Wortlaut orientierte Auslegung werde durch eine Auslegung von Art. 263 Abs. 4 AEUV im Licht seines Zwecks und Regelungszusammenhangs mehr als bestätigt. Das Ziel von Art. 263 Abs. 4 AEUV bestehe nach ständiger Rechtsprechung darin, „allen natürlichen und juristischen Personen, die von Handlungen der [Unions]organe unmittelbar und individuell betroffen sind, einen angemessenen Rechtsschutz zu gewähren“ ( 24 ). Das Recht auf Erhebung einer Nichtigkeitsklage sei ferner von wesentlicher Bedeutung für die Wahrung der sich aus rechtsstaatlichen Grundsätzen ergebenden Erfordernisse. Dementsprechend hätten die Unionsgerichte bereits anerkannt, dass beispielsweise auch Regionen und andere territoriale Einheiten eines Mitgliedstaats ( 25 ), territoriale Einheiten unterhalb von Regionen in Drittstaaten ( 26 ), in Drittstaaten ansässige Unternehmen ( 27 ), Drittstaaten ( 28 ), neue Mitgliedstaaten vor ihrem Beitritt zur Union ( 29 ) und sogar Organisationen ohne Rechtspersönlichkeit nach dem innerstaatlichen Recht, dem Unions- oder Völkerrecht ( 30 ) eine juristische Person im Sinne dieser Vorschrift darstellen könnten. Ein Ausschluss der Rechtsmittelführerin vom gerichtlichen Rechtsschutz nach Art. 263 Abs. 4 AEUV würde dieser Vorschrift widersprechen und der Rechtsmittelführerin jeden Rechtsbehelf gegen Maßnahmen nehmen, die unmittelbare und erhebliche Auswirkungen auf ihre Rechtsstellung hätten. Darüber hinaus enthalte das Primärrecht der Union keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Einrichtung mit völkerrechtlicher Rechtspersönlichkeit wie die Rechtsmittelführerin nicht unter den Begriff der juristischen Person im Sinne dieser Bestimmung fallen würde. Die Rechtsprechung zum Recht auf Streitbeitritt nach Art. 40 der Satzung des Gerichtshofs spreche vielmehr dafür, dass die Rechtsmittelführerin eine juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV sei.

35.

Der Rat ist der Ansicht, dass ein Drittstaat keine juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV sei, sofern ihm nicht in der Unionsrechtsordnung aufgrund eines mit der Union geschlossenen Abkommens konkrete Rechte verliehen seien. Diese Ausnahme sei hier nicht gegeben. Ziel der Vorschrift sei die Stärkung des Schutzes von Einzelpersonen, nicht von Staaten ( 31 ). Nach Art. 47 der Charta müsse für jedes sich aus dem Unionsrecht ergebende Recht wirksamer Rechtsschutz gewährt werden. Souveräne Staaten, die keinem solchen System unterlägen und keine ihnen durch das Unionsrecht übertragenen Rechte (bzw. Pflichten) hätten, könnten – grundsätzlich – keinen Anspruch auf Zugang zu den Unionsgerichten erheben. Einem souveränen Drittstaat über die oben genannten Grenzen hinaus Zugang zu den Unionsgerichten zu gewähren, wäre nicht nur mit der grammatischen und teleologischen Auslegung der fraglichen Vertragsbestimmung unvereinbar, sondern widerspräche auch dem unionsrechtlichen Rechtsbehelfssystem (und dem ihm zugrunde liegenden Geist), das auf den Schutz der nach dem Unionsrecht gewährten Rechte ausgelegt sei ( 32 ). Da „die Union über einen eigenen verfassungsrechtlichen Rahmen verfügt“ ( 33 ), könnten die in den Verträgen vorgesehenen Rechtsbehelfe nicht auf Drittstaaten erstreckt werden. Ein Drittstaat sei zwar völkerrechtlich eine juristische Person, unterliege jedoch nicht diesem verfassungsrechtlichen Rahmen, der auf die Mitgliedstaaten beschränkt sei. Die Union entwickele ihre Beziehungen zu souveränen Drittstaaten auf völkerrechtlicher Ebene, und diese Beziehungen unterlägen dem Völkerrecht, das wiederum auf Einvernehmen beruhe. Nach dem Völkerrecht stehe Völkerrechtssubjekten nicht automatisch ein Recht auf einen gerichtlichen Rechtsbehelf zu; vielmehr hätten sie das Recht, sich nicht ohne ihre Zustimmung der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates oder einem internationalen Gericht unterstellen zu müssen. Souveräne Drittstaaten hätten nach den Unionsverträgen keine konkreten Rechte, auch kein angebliches Recht auf Gleichbehandlung oder auf freien und unbedingten Handel mit Wirtschaftsteilnehmern in der Union. Dies stehe im Einklang mit der Lehre von der Immunität souveräner Staaten, nach der Völkerrechtssubjekte das Handeln anderer Völkerrechtssubjekte nicht durch ihre innerstaatlichen Bestimmungen regeln könnten.

36.

Die Rechtsprechung zum Grundsatz der Gleichheit von alten und neuen Mitgliedstaaten, mit der der Gerichtshof die von der Republik Polen vertretene Ansicht bestätigt habe, dass dieser Staat in seiner Eigenschaft als künftiger Mitgliedstaat ein Klagerecht habe ( 34 ), könne eine Klagebefugnis vor den Unionsgerichten für einen Drittstaat wie Venezuela, der kein Mitgliedstaat sei und auch nicht werden könne, nicht rechtfertigen. Zu betonen sei ferner, dass der Gerichtshof in seinem Beschluss vom 14. Juli 2005, Schweiz/Kommission (C‑70/04, nicht veröffentlicht, EU:C:2005:468), zwar implizit eine Klagebefugnis der Schweizerischen Eidgenossenschaft anerkannt habe, dies sei jedoch in einem völlig anderen Kontext geschehen, da das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Luftverkehr vorgesehen habe, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft für die Zwecke der Anwendung bestimmter unionsinterner Rechtsvorschriften wie ein Mitgliedstaat zu behandeln sei. Außerdem sei dem Gerichtshof nach Art. 20 dieses Abkommens für bestimmte Bereiche eine ausschließliche Zuständigkeit übertragen worden.

37.

Wenn, so der Rat weiter, einem Drittstaat, gegen den allgemeine restriktive Maßnahmen (Embargos) verhängt worden seien, gestattet werde, diese Maßnahmen gemäß den Voraussetzungen anzufechten, unter denen Personen, gegen die individuelle Maßnahmen verhängt worden seien, Zugang zu den Unionsgerichten hätten, stünde dies im Widerspruch zu der in den Verträgen vorgenommenen Unterscheidung zwischen allgemeinen und individuellen restriktiven Maßnahmen und würde außerdem dazu führen, dass die Zuständigkeit der Unionsgerichte für die Bestimmungen über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik oder für auf der Grundlage dieser Bestimmungen erlassene Rechtsakte in unzulässiger Weise ausgedehnt werde. Die notwendige Kohärenz des Rechtsschutzsystems nach den Verträgen schließe es daher aus, dass einem Drittstaat, der, wie in der vorliegenden Rechtssache, ein Embargo anfechte, d. h. restriktive Maßnahmen allgemeiner Art, die ihre Rechtsgrundlage in Art. 215 Abs. 1 AEUV hätten und die nach Art. 24 Abs. 1 EUV und Art. 275 AEUV nicht in die Zuständigkeit der Unionsgerichte fielen, ausnahmsweise Zugang zu diesen Gerichten gewährt werde. Dies stehe auch im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach verschiedenen, dem Staat zuzurechnenden Einrichtungen dann Zugang zu den Unionsgerichten gewährt werde, wenn sie in die Liste der von individuellen restriktiven Maßnahmen betroffenen Personen aufgenommen worden seien ( 35 ).

38.

Darüber hinaus würde die Anerkennung der Klagebefugnis eines Drittstaats zur Anfechtung von Rechtsakten der Unionsorgane unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache einen Rechtsweg schaffen, der die Union gegenüber ihren internationalen Partnern benachteiligen könnte, deren souveräne Entscheidungen in Bezug auf ihre internationalen Beziehungen und ihre Handels- oder Wirtschaftspolitik nicht vor ihren Gerichten angefochten werden könnten, und der die Union so in der Durchführung ihrer Politik und ihrer internationalen Beziehungen unangemessen beschränken könnte. Dies sei insbesondere im Kontext des vorliegenden Verfahrens von Bedeutung, in dem ein Drittstaat Bestimmungen eines unionsinternen Rechtsakts anfechte, mit dem eine politische Entscheidung des Rates zur Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen mit ihm umgesetzt werde.

39.

Nach Ansicht der Republik Polen sind juristische Personen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV im Wesentlichen Einrichtungen mit Rechtspersönlichkeit nach dem Recht eines Mitgliedstaats oder eines Drittlands, nicht aber diese Länder selbst. Nach den „Berichten über die Arbeit des Europäischen Konvents am aktuellen Wortlaut von Art. 263 Abs. 4 AEUV“ sei die Absicht der Verfasser der Verträge gewesen, die Rechte des Einzelnen zu schützen. Der Begriff der juristischen Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV lasse sich auch anhand des Kontexts definieren, in dem er in der Rechtsprechung des Gerichtshofs verwendet werde. In dieser Rechtsprechung werde der Begriff „natürliche und juristische Person“ gleichbedeutend mit dem Begriff „Einzelner“ oder „Privatperson“ verwendet, der in einem gewissen Gegensatz zu Staaten stehe (und somit Staaten vom Anwendungsbereich des Begriffs ausnehme). Die Rechtsstellung von Staaten werde jedoch im Gegensatz zu derjenigen von Einzelpersonen durch das Völkerrecht bestimmt. Eines der Grundprinzipien des Völkerrechts sei Gegenseitigkeit. Würde Drittländern gestattet, bei den Gerichten der Europäischen Union gegen Unionsrechtsakte zu klagen, ergäbe sich hieraus, sowohl in materiell- als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht, ein Mangel an Gegenseitigkeit in den Beziehungen der Europäischen Union zu diesen Ländern, weil dann zwar Drittländer Unionsrechtsakte vor dem internen Gerichtshof der Europäischen Union (dem Gerichtshof) anfechten könnten, die Europäische Union jedoch nicht die nationalen Rechtsakte dieser Länder oder die von ihnen im Rahmen der verschiedenen Staatenverbände (internationale Organisationen), denen sie angehörten, erlassenen Rechtsakte (vor ihren nationalen Gerichten oder vor den Gerichten dieser internationalen Organisationen) anfechten könnte. Drittländer seien nicht Vertragsparteien der Verträge, auf die die Union gegründet sei (EU- und AEU-Vertrag), und hätten keine sich aus diesen Verträgen ergebenden Rechte und Pflichten. Zugleich seien in Anwendung der Verträge erlassene Rechtsakte des Unionsrechts nicht an Drittländer gerichtet. Diese Rechtsakte entfalteten keine Rechtswirkungen gegenüber Drittländern, seien in deren Hoheitsgebiet nicht verbindlich und übertrügen ihnen auch keine Rechte oder Pflichten. Dies gelte auch für restriktive Maßnahmen, die nach Art. 215 Abs. 2 AEUV gegen natürliche oder juristische Personen, Gruppierungen oder nichtstaatliche Einheiten verhängt werden könnten. Durch interne Rechtsvorschriften der Europäischen Union, die ein Völkerrechtssubjekt sei, könne die Lage anderer Völkerrechtssubjekte, wie etwa souveräner Staaten, nicht geregelt werden.

40.

Nach Ansicht der Republik Slowenien brächte eine Auslegung des Begriffs der juristischen Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV, nach der die Klagebefugnis vor dem Gerichtshof auch Drittländern gewährt werden sollte, ohne dass diese mit der Europäischen Union ein Abkommen geschlossen hätten, das die Rechtsbeziehungen zwischen den beteiligten Vertragsparteien regelte, die Gefahr mit sich, dass der Gerichtshof zu einem Forum für die Anfechtung der Unionspolitik würde. Auch wäre die Gegenseitigkeit in den internationalen Beziehungen nicht gewährleistet. Es dürfe den betroffenen Drittländern nicht gestattet sein, die Politik der Union durch Klagen beim Gerichtshof zu beeinflussen.

41.

Nach Ansicht des Königreichs Belgien ist beim gegenwärtigen Stand des Völkerrechts unbestreitbar, dass ein Drittstaat u. a. deshalb eine juristische Person sei, weil er Rechtspersönlichkeit besitze und Partei eines gerichtlichen Verfahrens sein könne. Diese völkerrechtliche Lage habe die Union zu keinem Zeitpunkt in Frage stellen wollen und könne dies auch nicht. Soweit bestritten werde, dass ein Drittstaat von einem Unionsrechtsakt betroffen sein könne, laufe dies darauf hinaus, die Fähigkeit der Union, die ihr durch Art. 3 Abs. 5 EUV übertragene Aufgabe wahrzunehmen, in Frage zu stellen. Soweit ferner bestritten werde, dass ein von einem Unionsrechtsakt betroffener Drittstaat das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz habe, laufe dies darauf hinaus, eine restriktive Ansicht zur Rechtsstaatlichkeit zu vertreten, einem Wert, auf den die Union nach Art. 2 EUV gegründet sei.

42.

Nach Ansicht der Republik Bulgarien und der Republik Litauen haben souveräne Staaten kraft des Völkerrechts Rechtspersönlichkeit. Ein Drittstaat sei grundsätzlich als juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV anzusehen. Damit ein Drittstaat jedoch eine Klage gegen einen Unionsrechtsakt erheben könne, müssten die weiteren Voraussetzungen nach Art. 263 Abs. 4 AEUV erfüllt sein. Die Rechtsmittelführerin sei von den angefochtenen Bestimmungen aber nicht unmittelbar betroffen.

43.

Nach Ansicht der Hellenischen Republik kann ein Drittstaat nicht als juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV angesehen werden. Werde ein Klagerecht von Drittländern gegen Unionsrechtsakte, mit denen Sanktionen verhängt würden, anerkannt, könne dies die in den Verträgen vorgesehenen Sanktionen in ihrer Integrität und Autonomie beeinträchtigen und außerdem die Union im Zusammenhang mit der Anwendung internationaler Übereinkünfte gegenüber Drittländern benachteiligen, die in ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung ein entsprechendes Klagerecht der Union nicht anerkennten ( 36 ).

44.

Nach Ansicht der Republik Estland ist weder Art. 263 Abs. 4 AEUV noch der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung genau zu entnehmen, wer unter den Begriff der juristischen Person falle, so dass nicht auszuschließen sei, dass auch ein Drittstaat als juristische Person im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden könne. Die in Art. 263 AEUV genannten natürlichen und juristischen Personen seien keine privilegierten Kläger wie die Mitgliedstaaten und die Unionsorgane und müssten daher weitere Anforderungen erfüllen, um Klage erheben zu können. Art. 263 Abs. 4 AEUV könne nicht so weit ausgedehnt werden, dass ein Drittstaat besser gestellt werde als ein Einzelner, der auf der Grundlage dieser Bestimmung Klage beim Gericht erhebe. Könnte ein Drittstaat nicht als juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV behandelt werden, wäre er nicht in der Lage, seine Interessen zu schützen, selbst wenn feststehe, dass seine Rechte verletzt worden seien und dass er rechtlich hinreichend nachweisen könne, dass er alle notwendigen Voraussetzungen für die Erhebung einer Klage erfülle ( 37 ).

45.

Nach Ansicht der Slowakischen Republik gibt es in den Verträgen keine Rechtsgrundlage, die es dem Gerichtshof ermöglichen würde, über Nichtigkeitsklagen souveräner Drittstaaten zu entscheiden, für die die Union noch nicht einmal über eine Regelungszuständigkeit verfüge. Eine Analogie lasse sich weder zur Rechtssache C‑70/04 ziehen, in der nicht auf die Frage eingegangen werde, ob die Schweizerische Eidgenossenschaft eine juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV sei, noch zur Rechtsprechung zu Regionen, die nach nationalem Recht Rechtspersönlichkeit hätten und deren Hoheitsgebiet in die Regelungszuständigkeit der Union falle, oder zu Streithelfern in Verfahren vor dem Gerichtshof. Nach Art. 129 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs „[kann d]ie Streithilfe … nur die völlige oder teilweise Unterstützung der Anträge einer Partei zum Gegenstand haben. Sie verleiht nicht die gleichen Verfahrensrechte, wie sie den Parteien zustehen“. Außerdem sei nach Art. 129 Abs. 2 der Verfahrensordnung „[d]ie Streithilfe … akzessorisch zum Rechtsstreit zwischen den Hauptparteien“. Ferner solle mit Art. 263 Abs. 4 AEUV Einzelpersonen die Befugnis zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage übertragen werden.

46.

Dass der Wortlaut des Art. 215 Abs. 1 AEUV, in dem von der „Aussetzung, Einschränkung oder vollständigen Einstellung der Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zu einem oder mehreren Drittländern“ die Rede sei, von dem des Art. 215 Abs. 2 AEUV abweiche, wonach „[wenn] ein nach Titel V Kapitel 2 des Vertrags über die Europäische Union erlassener Beschluss dies vor[sieht], … der Rat nach dem Verfahren des Absatzes 1 restriktive Maßnahmen gegen natürliche oder juristische Personen sowie Gruppierungen oder nichtstaatliche Einheiten erlassen [kann]“, belege, dass der Begriff „juristische Person“ im Sinne von Art. 215 Abs. 2 AEUV keine Staaten, sondern Standardbeispiele juristischer Personen wie Handelsgesellschaften, Vereinigungen, Gewerkschaften oder verschiedene andere Einrichtungen erfasse. So erlaube Art. 215 Abs. 2 AEUV den Erlass restriktiver Maßnahmen nur gegen natürliche Personen, juristische Personen, Gruppierungen oder nichtstaatliche Einheiten, nicht aber unmittelbar gegen Drittstaaten.

47.

Im Übrigen beschränke Art. 275 AEUV die Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Union (über die Kontrolle der Einhaltung von Art. 40 EUV hinaus) auf die Entscheidung über im Einklang mit den Voraussetzungen von Art. 263 Abs. 4 AEUV erhobene Klagen auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen, die restriktive Maßnahmen gegen natürliche oder juristische Personen vorsähen. Es gebe keine Gründe dafür, den Begriff der juristischen Person im Kontext der restriktiven Maßnahmen in Art. 215 Abs. 2 AEUV anders auszulegen als in Art. 275 Abs. 2 AEUV.

48.

Schließlich würde die Union, wenn souveräne Drittstaaten Rechtsakte der Unionsorgane mit einer Nichtigkeitsklage anfechten könnten, gegenüber ihren internationalen Partnern benachteiligt und damit in der Durchführung ihrer Politik und ihrer internationalen Beziehungen in unangemessener Weise eingeschränkt.

49.

Nach Ansicht des Königreichs der Niederlande kann die Rechtsmittelführerin als juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV angesehen werden. Drittstaaten, die bereits nach dem Völkerrecht Rechtspersönlichkeit besäßen, könnten als juristische Personen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV angesehen werden. Die Rechtsstellung eines Drittstaats wie der Rechtsmittelführerin könne jedoch niemals mit derjenigen der Unionsorgane oder der Mitgliedstaaten gleichgestellt werden. Das Klagerecht eines Drittstaats müsse sich daher nach Art. 263 Abs. 4 AEUV und den dort vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen beurteilen. Die Rechtsmittelführerin erfülle diese Voraussetzungen jedoch nicht, da die fraglichen restriktiven Maßnahmen zum einen nicht gegen die Rechtsmittelführerin, sondern gegen bestimmte, näher bezeichnete natürliche und juristische Personen aus Venezuela und der Europäischen Union gerichtet seien und zum anderen die Rechtsmittelführerin nicht unmittelbar beträfen.

50.

Nach Ansicht des Königreichs Schweden ist ein Drittstaat keine juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV. Nach Art. 275 AEUV sei der Gerichtshof weder für die Bestimmungen über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik noch für auf ihrer Grundlage erlassene Rechtsakte zuständig. Er sei jedoch zuständig für die Kontrolle der Einhaltung von Art. 40 EUV und für die unter den Voraussetzungen des Art. 263 Abs. 4 AEUV erhobenen Klagen auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen über restriktive Maßnahmen gegenüber natürlichen oder juristischen Personen, die der Rat auf der Grundlage von Titel V Kapitel 2 EUV erlassen habe. Dies komme auch in Art. 24 Abs. 1 EUV zum Ausdruck. Dass zwischen dem individuellen Charakter der restriktiven Maßnahmen und dem Zugang zu den Unionsgerichten, wie sich aus Art. 275 AEUV und Art. 263 Abs. 4 AEUV ergebe, ein Zusammenhang bestehe, zeige auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs ( 38 ). Nach Art. 215 Abs. 2 AEUV könne der Rat restriktive Maßnahmen gegen natürliche oder juristische Personen sowie Gruppierungen oder nichtstaatliche Einheiten erlassen, wenn ein nach Titel V Kapitel 2 EUV erlassener Beschluss dies vorsehe. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergebe sich somit, dass restriktive Maßnahmen nach Art. 215 Abs. 2 AEUV, die einer Überprüfung durch den Gerichtshof unterliegen könnten, nicht gegenüber Staaten erlassen werden dürften.

51.

Nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland ist ein Drittstaat eine juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV und kann nach dieser Vorschrift eine Klage erheben, sofern er von dem fraglichen Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffen sei. Für Drittstaaten könne dieser Status dem allgemeinen Völkerrecht entnommen werden, das jedem von der Staatengemeinschaft anerkannten Staat Rechtssubjektsqualität verleihe. Ein Drittstaat sei jedoch nur dann klagebefugt, wenn die weiteren Voraussetzungen des Art. 263 Abs. 4 AEUV vorlägen ( 39 ).

52.

Der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes, in dessen Licht die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 263 AEUV auszulegen seien, gebiete es, dass auch Drittstaaten ein effektiver Rechtsweg zur gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der in Art. 263 Abs. 1 AEUV genannten Handlungen der Unionsorgane zu eröffnen sei. Zwar handele es sich bei Drittstaaten grundsätzlich nicht um dem Unionsrecht unterworfene Rechtssubjekte. Allerdings könnten gerade restriktive Maßnahmen, wie sie dem Ausgangsverfahren zugrunde lägen, in besonderer Weise faktische Auswirkungen auf Drittstaaten haben. Eine Ablehnung der Einstufung von Drittstaaten als juristische Personen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV käme einer vollständigen Versagung effektiven Rechtsschutzes gleich. Darin läge ein gewisser Wertungswiderspruch zur Parteifähigkeit drittstaatlicher natürlicher und juristischer Personen des Privatrechts nach Art. 263 Abs. 4 AEUV, die der Gerichtshof auch solchen Personenvereinigungen zubillige, die im Drittstaat keine oder nur begrenzte rechtliche Anerkennung erführen. So erschiene es schon aus Gründen der prozessualen Waffengleichheit schwer hinnehmbar, dass zwar drittstaatsangehörige „Organisationen ohne rechtliche Anerkennung“ wie die Westsahara-Befreiungsfront „Polisario“ oder die sri-lankischen „Liberation Tigers of Tamil Eelam (Befreiungstiger von Tamil Eelam)“ nach Art. 263 Abs. 4 AEUV parteifähig seien, ihr jeweiliger staatlicher Gegenspieler indes nicht.

53.

Nach Ansicht der Kommission führt eine Auslegung des Begriffs der juristischen Person anhand des Wortlauts oder Kontexts von Art. 263 Abs. 4 AEUV nicht zu einem abschließenden Ergebnis.

54.

Bei einer teleologischen Auslegung von Art. 263 Abs. 4 AEUV auf der Grundlage des Grundsatzes der Gleichheit der Staaten fielen Klagen von Drittstaaten nicht in die Zuständigkeit der Union, soweit sie Beziehungen zur Union beträfen, die durch das Völkerrecht geregelt seien (acta iure imperii). Demzufolge könnten Drittstaaten nur dann als juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV angesehen werden, wenn sie nichthoheitlich (iure gestionis) handelten oder aufgrund eines völkerrechtlichen Abkommens mit der Union Zugang zu den Unionsgerichten hätten. In Anbetracht des Ziels von Art. 263 Abs. 4 AEUV stehe dieser Ansatz im Einklang mit dem Grundsatz des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes. So werde dem Drittstaat ein Rechtsbehelf nicht verweigert, sondern vielmehr bewirkt, dass der Rechtsbehelf im Rahmen der richtigen Gerichtsbarkeit gewährt werde. Soweit also der Drittstaat hoheitlich handele, sei der Rechtsbehelf nach dem Völkerrecht ( 40 ) und nicht nach dem Unionsrecht zu gewähren. Dieser Ansatz stehe auch mit Art. 47 der Charta im Einklang, da dem Drittstaat die Rechte nach der Charta nur dann zuerkannt würden, wenn er zur Gruppe derjenigen gehöre, „deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind“, d. h., wenn er als Privatpartei handele. Werde dieser Ansatz auf die vorliegende Rechtssache angewandt, könne die Rechtsmittelführerin nicht als juristische Person angesehen werden, da die restriktiven Maßnahmen, die von der Rechtsmittelführerin für den Antrag auf ihre Ungültigerklärung angeführten Gründe sowie das Verhältnis zwischen der Union und der Rechtsmittelführerin im Hinblick auf die Maßnahme sämtlich in den Bereich des iure imperii fielen und völkerrechtlich zu regeln seien.

55.

Bei einer teleologischen Auslegung von Art. 263 Abs. 4 AEUV, die sich an der Offenheit der Unionsrechtsordnung ausrichte, stehe einer Auslegung von Art. 263 Abs. 4 AEUV dahin, dass er mit dem Begriff der „juristischen Person“ auch Drittstaaten umfasse, nichts entgegen, wenn ein Drittstaat sich dafür entscheide, sich selbst der Zuständigkeit der Unionsgerichte zu unterstellen ( 41 ).

56.

Soweit die Union einen einseitigen Rechtsakt erlasse, der möglicherweise die Interessen eines Drittlands berühre, und dieses Drittland sich dafür entscheide, ihn vor den Unionsgerichten gerichtlich überprüfen zu lassen, anstatt ein völkerrechtliches Streitschlichtungsverfahren einzuleiten, gebe es für die Unionsgerichte keinen Grund, ein solches Verfahren grundsätzlich und ohne eine Prüfung, ob sämtliche einschlägigen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt seien, nicht zuzulassen. Auch die Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten dürften einer solchen offenen Auslegung nicht im Wege stehen: Zumindest in einigen Mitgliedstaaten könnten Drittstaaten vor den nationalen Gerichten Klage erheben, die dann wiederum in diesem Zusammenhang dem Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen, insbesondere auch zur Gültigkeit von Unionsrechtsakten, vorlegen könnten.

57.

Die Kommission betont jedoch, dass der Drittstaat die Voraussetzungen der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit erfüllen müsse.

2.   Würdigung

58.

Den von mir kurz zusammengefassten Stellungnahmen gegenüber dem Gerichtshof ist zu entnehmen, dass im vorliegenden Rechtsmittelverfahren die Frage der Klagebefugnis der Rechtsmittelführerin nicht nur die allgemeine Frage aufwirft, ob unter den Begriff „juristische Person“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV auch Drittstaaten fallen, sondern auch die engere – speziell die Verfahren über restriktive Maßnahmen betreffende – Frage, ob der Gerichtshof insbesondere nach Art. 275 AEUV für die Entscheidung über eine Nichtigkeitsklage gegen restriktive Maßnahmen eines Drittstaats zuständig ist. Zunächst zu erörtern ist meines Erachtens die Frage der Zuständigkeit des Gerichtshofs.

a)   Zuständigkeit des Gerichtshofs im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (im Folgenden: GASP)

59.

Mit ihrer Klage vor dem Gericht hat die Rechtsmittelführerin sich gegen mehrere Bestimmungen der Verordnung 2017/2063 gewandt. Die Rechtsgrundlage dieser Verordnung ist Art. 215 AEUV.

60.

Nach ständiger Rechtsprechung verleiht Art. 275 Abs. 2 AEUV dem Gerichtshof die Zuständigkeit für die unter den Voraussetzungen von Art. 263 Abs. 4 AEUV erhobenen Klagen im Zusammenhang mit der Überwachung der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen über restriktive Maßnahmen gegenüber natürlichen oder juristischen Personen, die der Rat auf der Grundlage der Bestimmungen über die GASP erlassen hat ( 42 ). Der Gerichtshof hat in Rn. 106 des Urteils vom 28. März 2017, Rosneft (C‑72/15, EU:C:2017:236), festgestellt, dass die „Zuständigkeit des Gerichtshofs bei einer auf der Grundlage von Art. 215 AEUV erlassenen Verordnung, mit der im Kontext der GASP festgelegte Standpunkte der Union umgesetzt werden, in keiner Weise eingeschränkt wird. Es handelt sich bei solchen Verordnungen nämlich um auf der Grundlage des AEU-Vertrags erlassene Unionsrechtsakte, bei denen die Unionsgerichte gemäß den ihnen durch die Verträge übertragenen Zuständigkeiten eine grundsätzlich umfassende Kontrolle der Rechtmäßigkeit vorzunehmen haben.“

61.

Es ist kein Grund ersichtlich, im vorliegenden Verfahren von dieser Entscheidung abzuweichen. Die Unionsgerichte sind somit für die Entscheidung über die Gültigkeit restriktiver Maßnahmen nach Art. 215 AEUV zuständig, sofern der Kläger die Voraussetzungen nach Art. 263 AEUV erfüllt. Insoweit ist zunächst zu prüfen, ob die Rechtsmittelführerin eine juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV ist.

62.

Zu dieser Frage komme ich jetzt.

b)   Art. 263 Abs. 4 AEUV – Juristische Person

1) Einschlägige völkerrechtliche Präzedenzfälle

63.

Auch wenn die Frage der Auslegung von Art. 263 AEUV selbstverständlich eine unionsrechtliche Frage ist, über die der Gerichtshof zu entscheiden hat, sind die im vorliegenden Rechtsmittelverfahren aufgeworfenen völkerrechtlichen Fragen gleichwohl wichtig und für diese Frage von einiger Bedeutung.

64.

Souveräne Staaten wie Venezuela, die von der Nationengemeinschaft anerkannt sind, besitzen Rechtspersönlichkeit und sind aus völkerrechtlicher Sicht juristische Personen. Mit dieser souveränen Rechtsstellung untrennbar verbunden ist daher, dass sie sowohl klagen als auch verklagt werden können. Dieser Grundsatz wird allerdings in gewisser Hinsicht dadurch eingeschränkt, dass es Umstände geben kann, unter denen sich ein souveräner Staat entweder mit dem umfassenden Einwand der Staatenimmunität verteidigen oder, alternativ, auf Lehren wie die Lehre vom „Act of State“ berufen kann, was die Gültigkeit in seinen eigenen Staatsgrenzen vorgenommener hoheitlicher Handlungen betrifft.

65.

Im Mittelpunkt des Vorbringens des Rates steht, dass der völkerrechtliche Grundsatz der Staatenimmunität (einschließlich damit zusammenhängender Lehren wie der Lehre vom „Act of State“) es letztlich ausschließe, dass Drittstaaten Klagen der vorliegenden Art vor den Unionsgerichten erheben könnten. Die gefestigte Staatspraxis ist meines Erachtens jedoch, dass diese Staaten nach den allen souveränen Staaten entgegengebrachten traditionellen Grundsätzen der Courtoisie („comity“), außer im Fall tatsächlicher Feindseligkeiten, vor den Gerichten eines anderen souveränen Staates klagen können.

66.

Auch wenn diese Frage vom Gerichtshof bislang noch nicht unmittelbar geprüft worden ist, so dass dabei schon fast auf die Grundprinzipien abzustellen ist, kann die folgende Aussage zur einschlägigen völkerrechtlichen Praxis im Urteil des Supreme Court (Oberster Gerichtshof) der Vereinigten Staaten in der Rechtssache Banco Nacional de Cuba/Sabbatino ( 43 ) gleichwohl als einschlägige Vorentscheidung betrachtet werden: „Nach den Grundsätzen der Courtoisie, die für die Beziehungen dieses Landes mit anderen Nationen gelten, können souveräne Staaten vor den Gerichten der Vereinigten Staaten klagen. … Auch wenn die Courtoisie häufig mit dem Bestehen freundschaftlicher Beziehungen zwischen Staaten in Verbindung gebracht wird, ist das Recht zur Klageerhebung nur solchen Regierungen verwehrt worden, die sich mit den Vereinigten Staaten im Krieg befanden … oder von diesem Land nicht anerkannt waren …“ ( 44 ).

67.

In jener Rechtssache entschied dieses Gericht, dass die Republik Kuba ungeachtet des angespannten Verhältnisses zwischen den beiden Ländern berechtigt war, vor den US-Bundesgerichten zu klagen.

68.

Grundsätzlich steht daher fest, dass Venezuela, selbst wenn man allein nach völkerrechtlichen Grundsätzen urteilt, eine juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV ist. Auch lässt sich meines Erachtens der Grundsatz der Staatenimmunität nicht dafür anführen, die Klagebefugnis der Rechtsmittelführerin vor den Unionsgerichten einzuschränken, da es nicht um eine gegen die Rechtsmittelführerin, sondern vielmehr um eine von ihr erhobene Klage geht. Die Lehre von der Staatenimmunität, die einen Schutz vor oder ein Hindernis für Klagen darstellt ( 45 ), wurde vom Internationalen Gerichtshof im Urteil Deutschland/Italien (Streithelfer: Griechenland) (Jurisdictional Immunities of the State [Befreiung der Staaten von der Gerichtsbarkeit]) übernommen ( 46 ). In seinem Urteil in jener Rechtssache entschied der Internationale Gerichtshof, dass das Völkergewohnheitsrecht weiterhin verlangt, dass ein Staat Immunität vor einem gerichtlichen Verfahren wegen unerlaubter Handlungen genießt, die im Hoheitsgebiet eines anderen Staates von seinen Streitkräften und anderen staatlichen Stellen im Rahmen eines bewaffneten Konflikts begangen worden sein sollen ( 47 ).

69.

Ferner bin ich der Auffassung, dass die kürzlich ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Demokratische Republik Kongo/Belgien (EGMR, 29. Oktober 2020, ECLI:CE:ECHR:2020:1006DEC001655419) im vorliegenden konkreten Fall kaum hilfreich ist. In jener Rechtssache erklärte der EGMR eine Beschwerde für unzulässig, die die Demokratische Republik Kongo bei ihm erhoben hatte. Diese Entscheidung beruhte jedoch auf dem spezifischen Wortlaut und Inhalt der Art. 33 ( 48 ) und 34 ( 49 ) der EMRK. Die EMRK-Regelung ist jedoch eindeutig eine spezielle und besondere Regelung, die die Erhebung von Beschwerden entweder durch Einzelne (einschließlich juristische Personen) gegen Vertragsstaaten oder durch einen Vertragsstaat gegen einen anderen Vertragsstaat ermöglichen soll. Vor diesem Hintergrund hat der EGMR also entschieden, dass nur die Hohen Vertragsparteien, Privatpersonen, Personengruppierungen oder Nichtregierungsorganisationen ein Verfahren bei ihm einleiten können. Da die Demokratische Republik Kongo in keine dieser Kategorien fiel, wurde die Beschwerde für unzulässig erklärt ( 50 ).

70.

Dies lässt sich jedoch mit der nach den Verträgen errichteten Unionsgerichtsbarkeit kaum vergleichen. Erstens hat Art. 263 AEUV nämlich einen anderen und weniger strengen Wortlaut und Kontext als die EMRK. Er sieht in Abs. 4 eindeutig vor, dass eine juristische Person nur unter der Voraussetzung Klage erheben kann, dass sie beispielsweise in der nach dieser Vorschrift erforderlichen Weise „unmittelbar und individuell betroffen“ ist. Entscheidend ist jedoch, dass in Art. 263 Abs. 4 AEUV nicht zwischen den verschiedenen Kategorien juristischer Personen unterschieden wird. Da die Rechtsmittelführerin aufgrund ihres Status als souveräner Staat Rechtspersönlichkeit besitzt, ist sie somit als juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV anzusehen.

71.

Zweitens spiegeln die restriktiven Maßnahmen, die im vorliegenden Verfahren angefochten werden, nicht nur den Umstand wider, dass die Mitgliedstaaten sich dafür entschieden haben, ihre Souveränität in diesem Aspekt der Außen- und Sicherheitspolitik über die Union zu bündeln, sondern auch, dass dem Rat nach den Verträgen eine ausdrückliche Befugnis zum Erlass derartiger Maßnahmen als kollektives, den Willen der Mitgliedstaaten repräsentierendes Instrument übertragen wurde. Der Gerichtshof hat vielfach erklärt, dass das Unionsrecht sich gegebenenfalls auch an den gefestigten Grundsätzen und der gefestigten Praxis des Völkerrechts orientiert ( 51 ). Dies alles führt meines Erachtens zumindest im vorliegenden Kontext dazu, dass bei der Auslegung von Art. 263 Abs. 4 AEUV, was den Begriff „juristische Person“ angeht, die völkerrechtliche Praxis berücksichtigt werden sollte, wobei selbstverständlich anzuerkennen ist, dass dieser Begriff auf der Ebene des Unionsrechts eine eigenständige Bedeutung hat, die letztlich vom Gerichtshof zu bestimmen ist.

72.

Unter diesen Umständen sollten die Unionsgerichte daher der gefestigten Praxis des Völkerrechts und dem damit verbundenen Grundsatz der gerichtlichen Courtoisie folgen, denen auch die einzelnen Gerichte der Mitgliedstaaten folgen würden, wenn diese eigene restriktive Maßnahmen dieser Art erlassen hätten. Diese Praxis und dieser Grundsatz verlangen demnach, dass die Unionsgerichte für Klagen anderer souveräner Staaten in ihrer Eigenschaft als juristische Personen zugänglich sind.

2) Einschlägige Entscheidungen der Unionsgerichte

73.

Nach Art. 19 Abs. 3 Buchst. a EUV entscheidet der Gerichtshof der Europäischen Union nach Maßgabe der Verträge über Klagen eines Mitgliedstaats, eines Organs oder natürlicher oder juristischer Personen. Die zur Erhebung einer Klage vor dem Gerichtshof klagebefugten Kläger sind somit in dieser Bestimmung aufgeführt ( 52 ). Im Hinblick auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit bestimmter Rechtsakte – sogenannte Nichtigkeitsklagen ( 53 ) – ist neben den in Art. 263 Abs. 2 und 3 AEUV genannten Klagen, die von Mitgliedstaaten und Unionsorganen ( 54 ) erhoben werden können, in Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehen, dass jede natürliche oder juristische Person unter bestimmten Bedingungen gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben kann.

74.

Weder Art. 19 Abs. 3 Buchst. a EUV noch Art. 263 Abs. 4 AEUV enthalten eine Definition des Begriffs „juristische Person“. Auch keine andere Bestimmung dieses Vertrags oder des Vertrags über die Europäische Union enthält eine solche Definition ( 55 ). Dieser Begriff, der keinen Verweis auf die nationalen Rechtsordnungen enthält, ist als eigenständiger Begriff des Unionsrechts anzusehen ( 56 ).

75.

Der Gerichtshof hat noch nicht ausdrücklich über die Frage entschieden, ob ein Drittstaat als „juristische Person“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV angesehen werden kann. Dagegen hat das Gericht in seinem Beschluss vom 10. September 2020, Kambodscha und CRF/Kommission (T‑246/19, EU:T:2020:415, Rn. 51), u. a. festgestellt, dass der Ausdruck „jede natürliche oder juristische Person“ in Art. 263 Abs. 4 AEUV dahin zu verstehen ist, dass er auch Staaten umfasst, die nicht Mitglieder der Union sind, wie in jenem Fall das Königreich Kambodscha ( 57 ). Zuvor hatte das Gericht schon in seinem Urteil vom 10. Juni 2009, Polen/Kommission (T‑257/04, EU:T:2009:182, Rn. 51 und 52) ( 58 ), die Auffassung vertreten, dass die Republik Polen, die zum maßgeblichen Zeitpunkt ( 59 ) kein Mitgliedstaat war, zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV befugt war ( 60 ).

76.

Auch wenn es insoweit keine unmittelbar einschlägige Entscheidung des Gerichtshofs gibt, deuten eine Reihe von Vorentscheidungen darauf hin, dass der betreffende Begriff so hinreichend weit gefasst ist, dass er auch Nichtigkeitsklagen von Drittstaaten umfasst.

77.

Die vielleicht wichtigste Vorentscheidung des Gerichtshofs zu dieser Frage ist der Beschluss vom 14. Juli 2005, Schweiz/Kommission (C‑70/04, nicht veröffentlicht, EU:C:2005:468), in dem der Gerichtshof prüfte, ob er oder das Gericht für eine Nichtigkeitsklage der Schweizerischen Eidgenossenschaft zuständig war ( 61 ). Er entschied, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft unabhängig davon zur Führung des Verfahrens befugt war, ob dies aufgrund des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Luftverkehr (für dessen Zwecke die Schweizerische Eidgenossenschaft der Rechtsstellung eines Mitgliedstaats im Sinne von Art. 263 Abs. 2 AEUV gleichgestellt ist ( 62 )) der Fall war oder weil die Schweizerische Eidgenossenschaft unabhängig davon eine juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV war ( 63 ). Damit ging der Gerichtshof, zumindest nach einer der möglichen Auslegungen dieses Beschlusses, implizit davon aus, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft – jedenfalls – eine juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV war.

78.

Zu dieser Auffassung gelangte der Gerichtshof jedoch insbesondere unter Hinweis auf den besonderen, durch das betreffende Abkommen gekennzeichneten Kontext. Dieser Kontext ist in der vorliegenden Rechtssache zweifellos nicht gegeben, in dem es um restriktive Maßnahmen und nicht um ein bilaterales Abkommen geht. Gleichwohl erkannte der Gerichtshof in seinem Urteil vom 18. Januar 2007, PKK und KNK/Rat (C‑229/05 P, EU:C:2007:32), an, dass die Kurdische Arbeiterpartei (im Folgenden: PKK), eine Organisation, die keine Rechtspersönlichkeit besaß, zur Anfechtung der gegen sie verhängten restriktiven Maßnahmen befugt sein muss. Der Gerichtshof stellte fest, dass angesichts dessen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Auffassung vertreten hat, dass die PKK in ausreichendem Maß fortbesteht, um den restriktiven Maßnahmen der Verordnung Nr. 2580/2001 unterworfen zu werden, es die Kohärenz und die Gerechtigkeit gebieten, festzustellen, dass diese Organisation in ausreichendem Maß fortbesteht, um die betreffenden Maßnahmen anzufechten. Andernfalls könnten solche Maßnahmen gegen eine Organisation verhängt werden, ohne dass diese dagegen Klage erheben könnte.

79.

Dieses Urteil ist insbesondere deshalb interessant, weil es nahelegen dürfte, dass das Erfordernis, dass es sich um eine „natürliche oder juristische Person“ handelt, im Hinblick darauf, einer Einrichtung die Klagebefugnis zur Anfechtung restriktiver Maßnahmen nach Art. 263 Abs. 4 AEUV zuzuerkennen, nicht streng eingehalten wird. Es ließe sich somit vertreten, dass eine Einheit wie die Rechtsmittelführerin, sofern sie u. a. nachweisen kann, dass sie unmittelbar und individuell von restriktiven Maßnahmen betroffen ist, unabhängig von ihrer rechtlichen Qualifizierung nach dem nationalen Recht, dem Völkerrecht oder vielleicht gar dem Unionsrecht zum Schutz ihrer Rechte Zugang zu den Unionsgerichten haben muss.

80.

Ferner können nach Art. 40 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union alle Personen einem bei den Gerichten der Europäischen Union anhängigen Rechtsstreit beitreten, sofern die betreffende Person ein berechtigtes Interesse am Ausgang eines bei einem dieser Gerichte anhängigen Rechtsstreits glaubhaft machen kann ( 64 ). Auch wenn in dieser Bestimmung nicht von einer „juristischen Person“ die Rede ist, schließt der Begriff „Person“ meines Erachtens zweifelsfrei eine „juristische Person“ ein. So entschied der Gerichtshof in seinem Beschluss vom 23. Februar 1983, Chris International Foods/Kommission (91/82 und 200/82, EU:C:1983:45), dass Dominica, ein Drittstaat, einem Verfahren über eine Nichtigkeitsklage beitreten konnte, da es ein genügendes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits dargetan hatte ( 65 ).

81.

Außerdem ist Art. 263 Abs. 4 AEUV meines Erachtens nicht auf Privatpersonen oder Einzelne beschränkt ( 66 ). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann nach Art. 263 Abs. 4 AEUV eine regionale oder lokale Einheit, soweit sie nach nationalem Recht Rechtspersönlichkeit hat, gegen die an sie ergangenen Entscheidungen und gegen diejenigen Entscheidungen Klage erheben, die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen ( 67 ).

82.

Ein Beispiel findet sich hier im Urteil vom 22. November 2001, Nederlandse Antillen/Rat (C‑452/98, EU:C:2001:623). In jenem Verfahren machten die Niederländischen Antillen geltend, dass sie, da sie nach dem Statut für das Königreich der Niederlande ihre eigenen Interessen unabhängig vertreten könnten, dementsprechend nach Art. 263 Abs. 2 AEUV oder Art. 263 Abs. 3 AEUV zum Schutz ihrer Vorrechte auch selbst klagebefugt sein müssten, ohne somit dartun zu müssen, dass sie von der Maßnahme unmittelbar und individuell betroffen seien. Der Gerichtshof lehnte dies ab und entschied, dass das Rechtsschutzinteresse der Niederländischen Antillen nur nach Art. 263 Abs. 4 AEUV beurteilt werden konnte, sofern sie nach niederländischem Recht rechtsfähig waren.

3) Vorliegendes Verfahren

83.

Es ist unstreitig, dass die Rechtsmittelführerin Rechtspersönlichkeit besitzt und zweifelsfrei eine juristische Person im Sinne des Völkerrechts ist. Sie war schließlich 1945 Gründungsmitglied der Vereinten Nationen.

84.

Auch wenn der Gerichtshof, wie bereits erwähnt, hierzu bislang noch nicht unmittelbar Stellung genommen hat, spricht die bisherige Rechtsprechung des Gerichts und des Gerichtshofs zur Klagebefugnis gleichwohl in ihrer Gesamtheit dafür, dass die Rechtsmittelführerin eine juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV ist. Wie vom Gericht in seinem Beschluss vom 10. September 2020, Kambodscha und CRF/Kommission (T‑246/19, EU:T:2020:415, Rn. 46), festgestellt, ist Art. 263 Abs. 4 AEUV teleologisch auszulegen ( 68 ), so dass es dem Ziel dieses Artikels zuwiderlaufen würde, Drittstaaten von dem nach diesem Artikel gewährten gerichtlichen Rechtsschutz auszuschließen.

85.

Außerdem spricht auch die Achtung der Rechtsstaatlichkeit und des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes ( 69 ) für die Entscheidung, dass die Rechtsmittelführerin eine juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV ist. Wie u. a. aus Art. 2 EUV hervorgeht, ist die Rechtsstaatlichkeit einer der Werte, auf die sich die Union gründet. Ferner kann Art. 47 der Charta dem Gerichtshof zwar keine Zuständigkeit übertragen, nach Abs. 1 dieser Bestimmung, die den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes bekräftigt, hat jedoch jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Schon das Vorhandensein einer wirksamen, zur Gewährleistung der Einhaltung des Unionsrechts dienenden gerichtlichen Kontrolle ist dem Wesen eines Rechtsstaats inhärent ( 70 ).

86.

Entgegen dem Vorbringen einiger Beteiligter, insbesondere des Rates, würde die Union bei Anerkennung eines Drittstaats als juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV meines Erachtens nicht gegenüber ihren internationalen Partnern benachteiligt und damit in der Durchführung ihrer internen Politik und ihrer internationalen Beziehungen eingeschränkt. Der Rat betont insoweit, dass es ihm dabei um das Fehlen eines entsprechenden gegenseitigen Zugangs zu den Gerichten von Drittstaaten gehe, die es nicht erlaubten, dass im Rahmen ihrer eigenen Politik der internationalen Beziehungen, des Handels oder der Wirtschaft getroffene souveräne Entscheidungen angefochten würden.

87.

Die Frage der völkerrechtlichen Staatspraxis habe ich bereits erörtert; die Befürchtungen des Rates in Bezug auf die mangelnde Gegenseitigkeit führen meines Erachtens insoweit nicht weiter. Jedenfalls sind Gerichtsbarkeit, Fairness und effektiver gerichtlicher Rechtsschutz Kennzeichen der demokratischen Tradition, die ein grundlegendes und wesentliches Merkmal sowohl der 27 Mitgliedstaaten als auch der Union ist. Selbst wenn es zuträfe, dass die Union oder die einzelnen Mitgliedstaaten tatsächlich keine Klagen bei den venezolanischen Gerichten (bzw. den Gerichten eines anderen Drittstaats) erheben könnten, wäre dies Sache dieses Staates. Dies würde indes nichts an den Verpflichtungen der Union ändern, höchste demokratische Standards, die Achtung der Rechtsstaatlichkeit und eine Rechtsprechung durch eine unabhängige Justiz zu gewährleisten. Die Achtung der Rechtsstaatlichkeit und des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes beruht somit nicht auf dem Gedanken der Gegenseitigkeit, und sie können weder in einem diplomatischen Austausch verhandelt oder eingeschränkt noch zum Gegenstand gegenseitiger Vertragsverpflichtungen gemacht werden.

88.

Hinzugefügt sei lediglich, dass entgegen dem Vorbringen des Rates die Tatsache, dass ein Drittstaat „Bestimmungen eines unionsinternen Rechtsakts anficht, mit dem eine politische Entscheidung des Rates zur Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen mit ihm umgesetzt wird“, lediglich als Tatsachenfeststellung anzusehen ist. Für die Rechtsfrage, ob Venezuela berechtigt ist, das vorliegende Verfahren zu führen, ist sie jedoch unerheblich.

89.

Im Übrigen befreit die Anerkennung eines Drittstaats als juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV diesen Staat nicht von dem Erfordernis, dass die übrigen für die Frage der Klagebefugnis maßgeblichen Voraussetzungen gegeben sein müssen. Es würde keineswegs dazu führen, dass der Union, intern oder extern, Nachteile entstünden, sondern letztlich vor allem sicherstellen, dass die Rechtsstaatlichkeit gewahrt wird, wenn einem Drittstaat nach diesen Voraussetzungen Zugang zu den Unionsgerichten gewährt würde.

90.

Aus all diesen Gründen bin ich der Ansicht, dass die Rechtsmittelführerin, ungeachtet ihres Status als Drittstaat, als juristische Person im Sinne von Art. 263 AEUV anzusehen ist.

B. Unmittelbare Betroffenheit

1.   Vorbringen der Beteiligten

91.

Die Rechtsmittelführerin stützt ihr Rechtsmittel auf einen einzigen Rechtsmittelgrund, mit dem sie rügt, dass das Gericht die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit nach Art. 263 Abs. 4 AEUV im Licht des Urteils Almaz-Antey fehlerhaft ausgelegt habe.

92.

Sie trägt vor, das Gericht habe sich bei der Beurteilung, ob sie von den angefochtenen Bestimmungen unmittelbar betroffen sei, zu Unrecht auf das Urteil Almaz-Antey gestützt, dessen Relevanz für die vorliegende Rechtssache schwer ersichtlich sei. Die vorliegende Rechtssache, die die erste ihrer Art in der Unionsrechtsprechung sei, betreffe vielmehr eine Klage der Regierung eines Drittlands, gegen das die restriktiven Maßnahmen ausdrücklich gerichtet seien. Diese wichtige Besonderheit der vorliegenden Rechtssache, durch die sich die vorliegende Rechtssache von der bisherigen Rechtsprechung der Unionsgerichte unterscheide, sei vom Gericht völlig außer Acht gelassen worden. Der Gerichtshof habe betont, wie wichtig es sei, bei der Prüfung neuer Fragestellungen zur Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage „einen übertriebenen Formalismus zu vermeiden, der darauf hinausliefe, dass jede Möglichkeit einer Nichtigkeitsklage ausgeschlossen wäre, auch wenn die betreffende Körperschaft Gegenstand restriktiver Gemeinschaftsmaßnahmen war“ ( 71 ). Die Frage, ob die Rechtsmittelführerin als auf den fraglichen Märkten agierender Wirtschaftsbeteiligter gehandelt habe, könne nicht als maßgebendes Kriterium für die Entscheidung darüber angesehen werden, ob sie von den angefochtenen Bestimmungen unmittelbar betroffen sei, da dies nach Art. 263 Abs. 4 AEUV nicht erforderlich sei. Die angefochtenen Bestimmungen zielten darauf ab, sie am Erwerb von Waren und Dienstleistungen zu hindern. Wegen Art und Inhalt dieser Bestimmungen sei sie daher von ihnen sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht unmittelbar betroffen.

93.

Dass sie als solche nicht, etwa wie die Klägerin in der dem Urteil Almaz-Antey zugrunde liegenden Rechtssache, in einem einschlägigen Anhang der Verordnung 2017/2063 aufgeführt sei, sei unerheblich, da sie in den angefochtenen Bestimmungen konkret genannt werde. Durch das Verbot von Ausfuhren bestimmter Waren und Dienstleistungen nach Venezuela hätten die angefochtenen Bestimmungen schon ihrem Inhalt nach erhebliche unmittelbare tatsächliche und rechtliche Auswirkungen auf die Rechtsmittelführerin. Dass die Tätigkeit der Regierung eines Drittlands keine rein gewerbliche Tätigkeit sei, sei unbestreitbar. Dies schließe jedoch nicht aus, dass die Rechtsmittelführerin auch als Wirtschaftsbeteiligte auf einem bestimmten Markt tätig werden könne. Der in Rn. 37 des angefochtenen Urteils angeführte Umstand reiche daher nicht aus, um den Schluss zu rechtfertigen, dass eine solche Einheit von den angefochtenen Bestimmungen nicht unmittelbar betroffen sei. Sie habe mit dem Erwerb der von den angefochtenen Bestimmungen erfassten Waren und Ausrüstung eine rein gewerbliche Tätigkeit ausgeübt, da sie auf dem betreffenden Markt wie ein privater Akteur gehandelt habe. Demzufolge habe sie entgegen den Feststellungen im angefochtenen Urteil als Wirtschaftsbeteiligte gehandelt.

94.

Durch die angefochtenen Bestimmungen werde sie daran gehindert, i) Waffen, militärische oder andere Ausrüstung, die für Zwecke der internen Repression verwendet werden könne, sowie der Überwachung dienende Ausrüstung, Technologie oder Software zu erwerben und ii) Dienste finanzieller, technischer oder anderer Art, die in Zusammenhang mit dieser Ausrüstung oder Technologie stünden, in Anspruch zu nehmen. Die angefochtenen Bestimmungen hätten daher durch ihre Auswirkungen auf die bestehenden Wirtschaftsbeziehungen der Rechtsmittelführerin zu allen relevanten Wirtschaftsbeteiligten in der Union eindeutig erhebliche tatsächliche Auswirkungen auf sie. Diese Auswirkungen seien auch nicht nur mittelbar. Das Gericht habe die in Rn. 46 des angefochtenen Urteils angeführte Rechtsprechung fehlerhaft ausgelegt und daher den völlig eindeutigen Umstand außer Acht gelassen, dass die angefochtenen Bestimmungen unmittelbare tatsächliche Auswirkungen auf die Situation der Rechtsmittelführerin hätten.

95.

Der Rat trägt vor, dass das Vorbringen der Rechtsmittelführerin zu den drei Teilen ihres einzigen Grundes sich in gewissem Umfang überschneide. In den drei Teilen gehe es im Wesentlichen um dieselbe Frage, nämlich darum, ob das Gericht rechtsfehlerhaft zu dem Schluss gelangt sei, dass die angefochtenen Bestimmungen der Verordnung 2017/2063 die Rechtsmittelführerin nicht im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV unmittelbar beträfen. Ein Verstoß gegen andere konkrete Bestimmungen oder Grundsätze des Unionsrechts werde nicht vorgetragen. Soweit die Rechtsmittelführerin lediglich eine erneute Würdigung der dem Gericht vorgelegten Beweise begehre, sei das Rechtsmittel zurückzuweisen, da dies über den Gegenstand eines Rechtsmittels hinausgehe, das nach Art. 58 der Satzung des Gerichtshofs auf Rechtsfragen zu beschränken sei.

96.

Das vorliegende Rechtsmittel sei teilweise unzulässig, ferner auch unbegründet und daher zurückzuweisen.

97.

Die Rechtsmittelführerin trage keine konkrete Bestimmung und keinen konkreten Grundsatz des Unionsrechts vor, auf deren Grundlage das Gericht den Begriff der unmittelbaren Betroffenheit über den derzeit in der Rechtsprechung der Unionsgerichte anerkannten Begriff hinaus hätte ausdehnen müssen. Das Urteil vom 18. Januar 2007, PKK und KNK/Rat ( 72 ), sei für die vorliegende Rechtssache völlig unerheblich. In jenem Urteil habe der Gerichtshof entschieden, die Verfahrensvorschriften für die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage dahin zu modifizieren, dass auch Organisationen ohne Rechtspersönlichkeit klagebefugt seien. Nach Ansicht des Rates „steht in der vorliegenden Rechtssache die Rechtspersönlichkeit nicht in Frage; es ist indes unstreitig, dass die Rechtsmittelführerin eine juristische Person ist und daher grundsätzlich Zugang zu den Unionsgerichten hat, sofern die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben sind, was nach Ansicht des Rates nicht der Fall ist“ ( 73 ).

98.

Die Frage, ob die angefochtenen Bestimmungen die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin unmittelbar beträfen, sei vom Gericht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung, d. h. „in jedem Einzelfall mit Blick auf den Regelungsgehalt des jeweils in Frage stehenden Unionsrechtsakts konkret“ ( 74 ) entschieden worden. Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin habe das Gericht somit nach dem Unionsrecht nicht das übergeordnete Ziel der fraglichen restriktiven Maßnahmen in Betracht ziehen müssen, um zu beurteilen, ob die Rechtsmittelführerin von den angefochtenen Bestimmungen unmittelbar betroffen gewesen sei. Würde das Ziel der Maßnahme als Kriterium für die Beurteilung herangezogen, ob ein Unionsrechtsakt die rechtliche oder tatsächliche Stellung eines Drittstaats unmittelbar berühre, widerspräche dies der ständigen Rechtsprechung der Unionsgerichte. Damit würde ferner der Kreis möglicher Kläger auf jeden Drittstaat erweitert, gegenüber dem die Union im Rahmen ihrer Außenpolitik beschließe, die Wirtschafts- und Finanzbeziehungen teilweise oder vollständig auszusetzen oder einzuschränken. Außerdem mögen zwar Personen, Organisationen oder Einrichtungen in solchen Drittländern, einschließlich solcher, die als dem Staat zuzurechnende Einrichtungen betrachtet werden könnten, am Erwerb Ausfuhrbeschränkungen unterliegender Ausrüstung am Unionsmarkt gehindert sein, diese für sie geltenden Beschränkungen hätten jedoch eindeutig keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Rechtsstellung eines Drittlands als Staat in seiner hoheitlichen Eigenschaft (iure imperii), also in der Eigenschaft, in der ihm nach Ansicht der Rechtsmittelführerin die Klagebefugnis hätte zuerkannt werden müssen.

99.

Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin sei das Gericht nicht allein deshalb zu dem Schluss gekommen, dass die Rechtsmittelführerin nicht unmittelbar betroffen sei, weil sie in den angefochtenen Bestimmungen nicht in hinreichender Weise aufgeführt sei. Zu dieser Schlussfolgerung sei das Gericht vielmehr auf der Grundlage einer Reihe relevanter, ordnungsgemäß begründeter und durch die einschlägige Rechtsprechung in den Rn. 35 bis 48 des angefochtenen Urteils untermauerter Gesichtspunkte in ihrer Gesamtheit gelangt. Was konkret die Benennung der Rechtsmittelführerin in den angefochtenen Bestimmungen angehe, richteten sich diese Bestimmungen eindeutig nicht unmittelbar an die Rechtsmittelführerin. Es handele sich lediglich um ein Verbot für Wirtschaftsbeteiligte aus der Union, Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zu natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen (mit Sitz oder Geschäftstätigkeit) im Hoheitsgebiet Venezuelas zu unterhalten. Unmittelbar gerichtet seien diese Bestimmungen vielmehr gegen spezifische Verwendungen bestimmter Ausrüstung durch diese Personen oder Organisationen im Hoheitsgebiet Venezuelas, und zwar „in Anbetracht der Gefahr weiterer Gewalttätigkeiten, übermäßiger Gewaltanwendung und Menschenrechtsverletzungen oder ‑verstöße“.

100.

Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin (im Rahmen des ersten Klagegrundes) habe das Gericht die besondere Situation des Staates umfassend berücksichtigt und geprüft, ob er im Sinne der Rechtsprechung der Unionsgerichte mit einem auf einem bestimmten Markt agierenden Wirtschaftsbeteiligten vergleichbar sei. Es sei zu dem Schluss gekommen, dass dies nicht möglich sei, weil ein Staat, der in seiner hoheitlichen Eigenschaft (iure imperii) handele, nicht mit einer privaten oder öffentlichen Einrichtung vergleichbar sei, deren Bestehen durch ihren Zweck (die betreffende Geschäftstätigkeit) eingegrenzt werde. Die Rechtsmittelführerin erläutere nicht, aus welchen Gründen sie diese Schlussfolgerung des Gerichts für rechtsfehlerhaft halte. Ihr Vorbringen, ein Staat könne als Wirtschaftsbeteiligter auf einem bestimmten Markt tätig sein, gehe an den wesentlichen Erwägungen der Würdigung des Gerichts vorbei. Der Grund dafür, dass bei anderen Einheiten als Staaten die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit festgestellt werden müsse, liege in den Auswirkungen, die die Anwendung restriktiver Maßnahmen auf ihre wirtschaftliche Tätigkeit haben könne. Solche Auswirkungen könnten bei einem Staat angesichts des „äußerst breiten Handlungsspektrums“ und der verschiedenen Tätigkeitsbereiche, die für einen Staat charakteristisch seien, nicht festgestellt werden.

101.

Das Gericht sei zu Recht zu dem Schluss gelangt, dass die Rechtsmittelführerin, die in den Maßnahmen nicht konkret namentlich genannt sei und die nicht dargetan habe, dass sie auf dem von den Ausfuhrbeschränkungen betroffenen Markt tätig gewesen sei, aus den in den Rn. 37 bis 40 des angefochtenen Urteils dargelegten Gründen den sich aus der Rechtsprechung ergebenden Anforderungen nicht genügt habe und ihr daher die Klagebefugnis abzusprechen sei. Soweit die Rechtsmittelführerin vorbringe, das Gericht hätte die tatsächlichen Auswirkungen der Maßnahmen unabhängig davon anerkennen müssen, unter welchen Umständen diese Auswirkungen nach ständiger Rechtsprechung als für die Klagebefugnis ausreichend angesehen würden, verlange sie vom Gerichtshof in Wirklichkeit, eine neue Regel aufzustellen, nach der Drittstaaten, die wirtschaftliche Maßnahmen der Union im Rahmen ihrer Außenpolitik anfechten wollten, automatisch eine Klagebefugnis zuzuerkennen sei. Mit anderen Worten beharre die Rechtsmittelführerin offenbar auf der Aufstellung einer neuen Regel, die Drittstaaten automatisch eine Klagebefugnis zuerkennen würde, indem sie es ihnen erlauben würde, Maßnahmen anzufechten, durch die Entscheidungen umgesetzt würden, mit denen legitime Ziele des auswärtigen Handelns der Union nach Art. 21 EUV verfolgt würden, einschließlich der Aussetzung, Einschränkung oder vollständigen Einstellung der Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zu einem oder mehreren Drittländern (Art. 215 Abs. 1 AEUV).

102.

Dies verstoße gegen das in den Verträgen vorgesehene Rechtsschutzsystem, das den Schutz der nach dem Unionsrecht gewährten Rechte gewährleisten solle. Souveräne Drittländer hätten nach den Unionsverträgen keine spezifischen Rechte, weder auf Gleichbehandlung noch auf freien und unbedingten Handel mit Wirtschaftsbeteiligten in der Union. Daher könnten sie von vornherein nicht erfolgreich geltend machen, durch eine Unionsmaßnahme, die sie möglicherweise einer (typischerweise nur innerhalb begrenzter Sektoren ihrer Tätigkeit) etwa auch gegenüber anderen Drittstaaten, gegenüber denen die Union keine Einschränkung oder Aussetzung ihrer Wirtschaftsbeziehungen beschließt, differenzierenden Regelung unterstellen würde, in ihrer Rechtsstellung berührt zu sein. Außerdem würde die Schaffung eines solchen Rechtswegs ab novo die Union gegenüber ihren internationalen Partnern, deren souveräne wirtschaftspolitische Entscheidungen nicht vor ihren Gerichten angefochten werden könnten, benachteiligen und damit in der Durchführung ihrer Politik und ihrer internationalen Beziehungen unangemessen einschränken. Dies sei insbesondere im Kontext des vorliegenden Verfahrens von Bedeutung, in dem ein Drittstaat Bestimmungen eines internen Unionsrechtsakts anfechte, mit dem eine politische Entscheidung des Rates zur Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen zu diesem Staat umgesetzt werde.

2.   Würdigung

103.

Die in Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehene Voraussetzung, wonach eine natürliche oder juristische Person von der klagegegenständlichen Entscheidung unmittelbar betroffen sein muss, setzt voraus, dass zwei kumulative Kriterien erfüllt sind, nämlich erstens, dass die beanstandete Maßnahme sich unmittelbar auf die Rechtsstellung des Einzelnen auswirkt, und zweitens, dass sie ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergibt ( 75 ).

104.

Daher ist zu prüfen, ob das Gericht die in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Kriterien richtig angewandt hat.

105.

Dem angefochtenen Urteil ist eindeutig zu entnehmen, dass das Gericht nur die erste der beiden kumulativen Voraussetzungen geprüft und festgestellt hat, dass die angefochtenen Bestimmungen die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin nicht unmittelbar berührten. Das Gericht hat in Rn. 30 des angefochtenen Urteils – meines Erachtens zutreffend – ausgeführt, dass für die Feststellung, ob ein Rechtsakt Rechtswirkungen erzeuge, insbesondere auf seinen Gegenstand, seinen Inhalt, seine Tragweite, seinen Sachgehalt sowie auf den tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang, in dem er erlassen worden sei, abzustellen sei ( 76 ). Diese Rechtsauffassung, die einem ganzheitlichen und pragmatischen Ansatz zur Beurteilung der Auswirkungen einer Maßnahme folgt und dem Inhalt den Vorrang gegenüber der Form einräumt, ist der Beurteilung der Auswirkungen einer Maßnahme auf die Rechtsstellung einer natürlichen oder juristischen Person zugrunde zu legen. Dieser Ansatz ist insbesondere angesichts der Neuartigkeit der vorliegenden Rechtssache gerechtfertigt, in der erstmals ein Drittstaat die Nichtigerklärung restriktiver Maßnahmen beantragt, und steht im Einklang mit der Ratio der Rn. 114 des Urteils PKK und KNK/Rat (C‑229/05 P, EU:C:2007:32), in der der Gerichtshof festgestellt hat, dass es gilt, „einen übertriebenen Formalismus zu vermeiden, der darauf hinausliefe, dass jede Möglichkeit einer Nichtigkeitsklage ausgeschlossen wäre, auch wenn die betreffende Körperschaft Gegenstand restriktiver Gemeinschaftsmaßnahmen war“ ( 77 ).

106.

Die wesentlichen Erwägungen des Gerichts zur unmittelbaren Betroffenheit im angefochtenen Urteil finden sich in den Rn. 31 bis 33 des Urteils ( 78 ).

107.

In Rn. 31 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, dass mit den angefochtenen Bestimmungen verboten werde, erstens, natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela Waffen, militärische oder andere Ausrüstung, die für Zwecke der internen Repression verwendet werden könne, sowie der Überwachung dienende Ausrüstung, Technologie oder Software zu verkaufen oder zu liefern, und zweitens, natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela Dienste finanzieller, technischer oder anderer Art, die in Zusammenhang mit dieser Ausrüstung oder Technologie stünden, zu erbringen.

108.

Sodann hat das Gericht festgestellt, dass Art. 20 der Verordnung 2017/2063 die Anwendung der in den angefochtenen Bestimmungen enthaltenen Verbote auf das Gebiet der Europäischen Union, auf natürliche Personen aus einem Mitgliedstaat und auf juristische Personen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats errichtet worden seien, sowie auf alle juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Bezug auf alle Geschäfte, die ganz oder teilweise in der Union getätigt würden, begrenze, und dass die angefochtenen Bestimmungen keine an die Rechtsmittelführerin gerichteten Verbote vorsähen. Sie könnten daher allenfalls mittelbare Auswirkungen auf die Rechtsmittelführerin haben, soweit die den natürlichen Personen aus einem Mitgliedstaat und den nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats errichteten juristischen Personen auferlegten Verbote zur Folge haben könnten, dass die Quellen, aus denen sich die Rechtsmittelführerin mit den den Verboten unterliegenden Waren und Diensten versorgen könne, begrenzt würden ( 79 ).

109.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die vom Gericht vorgenommene Beurteilung der Auswirkungen der angefochtenen Bestimmungen auf die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin, bei allem Respekt, äußerst künstlich und übermäßig formalistisch ist. Festzuhalten ist meines Erachtens ebenso, dass die Würdigung des Gerichts schlicht und einfach im Widerspruch zur Realität der in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen steht. Diese Maßnahmen zielten konkret darauf ab und waren dazu bestimmt, sich auf die Rechtsmittelführerin auszuwirken. Zu dieser Aussage komme ich aus folgenden Gründen.

110.

Zum einen ergibt sich insbesondere aus den Art. 6 und 7 der Verordnung 2017/2063, dass die in den angefochtenen Bestimmungen enthaltene Formulierung „an natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela oder zur Verwendung in Venezuela“ die Regierung Venezuelas, seine öffentlichen Einrichtungen, Unternehmen und Agenturen oder Personen oder Organisationen, die in ihrem Namen oder auf ihre Weisung handeln, mit einschließt. Dass die angefochtenen Bestimmungen die Rechtsmittelführerin konkret benennen und sich gegen sie richten, wird daran deutlich, dass andernfalls keine Notwendigkeit bestanden hätte, „die Regierung Venezuelas, seine öffentlichen Einrichtungen, Unternehmen und Agenturen oder Personen oder Organisationen, die in ihrem Namen oder auf ihre Weisung handeln“, in Art. 6 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/2063 ausdrücklich auszunehmen oder aufzuführen ( 80 ). Die in den angefochtenen Bestimmungen enthaltenen Verbote benennen die Rechtsmittelführerin und die verschiedenen ihr zuzurechnenden Einrichtungen daher konkret und richten sich gegen sie ( 81 ). Sie sollen u. a. sicherstellen, dass die Rechtsmittelführerin selbst (und die verschiedenen diesem Staat zuzurechnenden Einrichtungen ( 82 )) bestimmte konkret aufgeführte Waren und Dienstleistungen von den in Art. 20 der Verordnung 2017/2063 genannten Personen nicht erhält ( 83 ).

111.

Da die in den angefochtenen Bestimmungen enthaltenen Verbote die Rechtsmittelführerin daran hindern, die in Art. 20 der Verordnung 2017/2063 aufgeführten Waren und Dienstleistungen von einer der in Art. 20 der Verordnung 2017/2063 genannten Person zu erwerben, ist es, bei allem Respekt, ganz einfach künstlich und formalistisch, die Ansicht zu vertreten, dass ein Verbot des Verkaufs und der Lieferung von Waren und Dienstleistungen an die Rechtsmittelführerin, die konkret benannt ist und gegen die sich das Verbot konkret richtet, die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin nicht unmittelbar und auch individuell berühre ( 84 ). Insoweit ließe sich auch darauf hinweisen, dass sich diese Maßnahmen eindeutig auf den Ruf Venezuelas als Mitglied der Nationengemeinschaft auswirken: Sie legen nahe und sollen – vielleicht aus sehr gutem Grund – nahelegen, dass das Bekenntnis Venezuelas zu demokratischen Werten und Traditionen eine hohle Verpflichtung ist und dieser Staat sehr viel mehr tun muss, bevor er in den Genuss des vollen Vertrauens der Union und ihrer Mitgliedstaaten in Bezug auf die Wahrung dieser Werte kommen kann.

112.

Zum anderen hat das Gericht zwar den räumlichen und persönlichen Anwendungsbereich der in den angefochtenen Bestimmungen gemäß Art. 20 der Verordnung 2017/2063 enthaltenen Verbote zutreffend umrissen; dass diese Verbote auf das Gebiet der Europäischen Union begrenzt sind und dass die angefochtenen Bestimmungen keine an die Rechtsmittelführerin an sich gerichteten Verbote vorsehen, bedeutet jedoch nicht, dass diese Bestimmungen die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin nicht unmittelbar berühren würden.

113.

In Art. 20 der Verordnung 2017/2063 ist nämlich lediglich der Umfang der Befugnisse bzw. Zuständigkeit des Unionsgesetzgebers – in räumlicher und persönlicher Hinsicht – für die aufgrund dieser Verordnung erlassenen restriktiven Maßnahmen geregelt. Dass die Verordnung 2017/2063 somit für die Rechtsmittelführerin nicht „gilt“ ( 85 ), da der Unionsgesetzgeber für sie eindeutig keine unmittelbare Zuständigkeit hat, bedeutet somit nicht zwangsläufig, dass restriktive Maßnahmen, die beispielsweise nur im Gebiet der Union gelten und nur für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten verbindlich sind, die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin nicht unmittelbar berühren ( 86 ). Jeder andere Schluss liefe darauf hinaus, dass keine natürliche oder juristische Person außerhalb des Gebiets der Union, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt oder nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet oder eingetragen ist und z. B. in den Anhängen IV und V der Verordnung 2017/2063 aufgeführt ist und deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen nach Art. 8 dieser Verordnung oder gleichartigen restriktiven Maßnahmen eingefroren wurden, zur Anfechtung dieser Maßnahmen befugt wäre ( 87 ).

114.

Der Gerichtshof hat jedoch wiederholt klargestellt, dass angesichts ihrer beträchtlichen negativen Auswirkung auf die Freiheiten und Grundrechte der betroffenen Person oder Einrichtung jede Aufnahme in eine Liste von Personen oder Einrichtungen, gegen die restriktive Maßnahmen verhängt werden – sei es auf der Grundlage von Art. 215 AEUV oder von Art. 291 Abs. 2 AEUV –, dieser Person oder Einrichtung, sofern sie ihr gegenüber einer Einzelfallentscheidung gleichkommt, den Zugang zum Unionsrichter gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV eröffnet ( 88 ).

115.

Betont sei insoweit, dass die Aufnahme von Personen oder Einrichtungen, gegen die restriktive Maßnahmen verhängt werden, in eine Liste dazu führt, dass die Personen oder Einrichtungen von den Maßnahmen sowohl unmittelbar als auch individuell betroffen sind ( 89 ). Auch wenn ferner das Einfrieren der Gelder oder wirtschaftlichen Ressourcen einer Person vielleicht (anders als im vorliegenden Fall) größere Auswirkungen auf die Rechtsstellung dieser Person haben kann als ein Verbot des Verkaufs bestimmter Waren an sie oder der Erbringung bestimmter Dienstleistungen für sie ( 90 ), fällt gleichwohl ins Auge, dass das Gericht im Urteil Almaz-Antey davon ausging, dass ein solches Verbot unmittelbare Auswirkungen ( 91 ) auf die Rechtsstellung der Klägerin in jener Rechtssache hatte ( 92 ). Das Gericht entschied daher im Urteil Almaz-Antey, dass aufgrund des mit den in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen aufgestellten Verbots erstens des unmittelbaren oder mittelbaren Verkaufs, der unmittelbaren oder mittelbaren Lieferung, Verbringung oder Ausfuhr von Gütern oder Technologien mit doppeltem Verwendungszweck an jegliche in Anhang IV dieses Beschlusses aufgeführte Person, Organisation oder Einrichtung in Russland durch Staatsangehörige der Mitgliedstaaten oder vom Hoheitsgebiet von Mitgliedstaaten aus und zweitens der Bereitstellung von technischer Hilfe, Vermittlungsdiensten oder Finanzmitteln oder Finanzhilfen im Zusammenhang mit den genannten Gütern oder Technologien an jegliche in Anhang IV aufgeführte Person, Organisation oder Einrichtung in Russland die einschlägigen Bestimmungen dieses Beschlusses unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Klägerin hätten, die in Anhang IV des betreffenden Beschlusses namentlich genannt war ( 93 ).

116.

Das Gericht wies somit im Urteil Almaz-Antey die Ansicht des Rates zurück, wonach die Rechtsstellung der Klägerin in jener Rechtssache nicht berührt sei, da die fragliche Bestimmung den aufgeführten Einrichtungen nicht die Ausübung bestimmter Tätigkeiten verbiete, sondern vielmehr natürlichen und juristischen Personen, die der Zuständigkeit der Union unterständen, den Verkauf von Gütern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck an diese Einrichtungen verbiete ( 94 ).

117.

Meines Erachtens sind die Entscheidung und die Begründung im Urteil Almaz-Antey zutreffend und sollten in der vorliegenden Rechtssache entsprechend herangezogen werden. Die angefochtenen Bestimmungen hindern die Rechtsmittelführerin meines Erachtens daran, bestimmte konkret aufgeführte Waren und Dienstleistungen von bestimmten näher bezeichneten Wirtschaftsbeteiligten aus der Union zu erwerben, und wirken sich somit unmittelbar auf ihre Rechte und Interessen aus. Der Vollständigkeit halber werde ich jedoch in Anbetracht der Neuartigkeit der vorliegenden Rechtssache noch auf einige weitere Argumente der Beteiligten und die Begründung des Gerichts eingehen.

118.

Das Gericht hat in den Rn. 34 bis 37 des angefochtenen Urteils zwischen dem Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache und dem Sachverhalt, der dem Urteil Almaz-Antey zugrunde liegt, differenziert. Insoweit hat es festgestellt, dass in jener Rechtssache die Klägerin im Anhang des angefochtenen Beschlusses namentlich als Unternehmen aufgeführt gewesen sei, an das die streitgegenständlichen Waren und Dienste weder hätten verkauft noch geliefert werden dürfen. Außerdem könne die Rechtsmittelführerin nicht einem Wirtschaftsbeteiligten wie der Klägerin im Urteil Almaz-Antey gleichgesetzt werden, da ihre Verhaltensweisen nicht auf rein gewerbliche Zwecke reduziert werden könnten.

119.

Meines Erachtens ist es völlig unerheblich, ob die Rechtsmittelführerin im Text statt im Anhang der Verordnung 2017/2063 namentlich aufgeführt oder bezeichnet wird. Andernfalls würde dies bedeuten, dass das Recht eines Klägers auf Erhebung einer Klage nach Art. 263 AEUV ganz einfach dadurch ausgeräumt werden könnte, dass diese Partei im Haupttext der Verordnung selbst und nicht in einem Anhang namentlich aufgeführt oder bezeichnet würde.

120.

Entscheidend ist vielmehr die Wirkung oder Auswirkung der angefochtenen Bestimmungen und der darin enthaltenen Verbote auf die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin und nicht die genaue Form, in der diese Verbote aufgestellt werden. Das Gericht hat daher meines Erachtens in Rn. 36 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft festgestellt, dass die Rechtsmittelführerin in den angefochtenen Bestimmungen nicht in einer mit der Klägerin in der Rechtssache, in der das Urteil Almaz-Antey ergangen sei, vergleichbaren Art und Weise ausdrücklich und konkret aufgeführt werde.

121.

Außerdem ist es meines Erachtens für die Frage der unmittelbaren Betroffenheit in der vorliegenden Rechtssache unerheblich, dass die Rechtsstellung oder die Tätigkeit der Rechtsmittelführerin sich nicht auf die eines auf bestimmten Märkten tätigen Wirtschaftsbeteiligten beschränkt. Durch den Umstand, dass die Rechtsmittelführerin als Staat über ein vielfältiges Handlungsspektrum verfügt, das nicht allein gewerblicher Art ist, können die Auswirkungen der angefochtenen Bestimmungen auf ihre Rechtsstellung an sich keineswegs beseitigt oder gemindert oder zu mittelbaren Auswirkungen werden ( 95 ). Hingewiesen sei insoweit darauf, dass in Art. 263 Abs. 4 AEUV abgesehen von dem Erfordernis, dass eine Klage von einer natürlichen oder juristischen Person erhoben werden muss, keine weiteren Anforderungen an die Rechtsstellung oder ‑fähigkeit dieser Person gestellt werden ( 96 ).

122.

Hinzugefügt sei auch, dass der von mir in den vorliegenden Schlussanträgen vertretene Ansatz zur unmittelbaren Betroffenheit in Bezug auf die Rechtsmittelführerin entgegen dem Vorbringen des Rates weder eine neue Regel aufstellt noch einen neuen „Rechtsweg“ ( 97 ) schafft, die bzw. der Drittstaaten automatisch eine Klagebefugnis für Nichtigkeitsklagen nach Art. 263 AEUV gegen restriktive Maßnahmen zuerkennen würde. Was ich dem Gerichtshof vorschlage, ist vielmehr lediglich, seiner bisherigen Rechtsprechung zu folgen und sie an diese neuartige Klage anzupassen. Darüber hinaus und wiederum entgegen dem Vorbringen des Rates beruhen die Bestimmungen über die Klagebefugnis nach Art. 263 AEUV, insbesondere nach dessen Abs. 4, auf den objektiven, in diesem Vertrag festgelegten und von den Unionsgerichten ausgelegten Kriterien und nicht darauf, dass es Gegenseitigkeitsvereinbarungen zwischen der Union und Drittländern über die Klagebefugnis gibt oder nicht.

VII. Ergebnis

123.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, darauf zu erkennen, dass das Gericht rechtsfehlerhaft entschieden hat, dass die Klage unzulässig sei, weil die Rechtsmittelführerin nicht klagebefugt im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV sei. Ich schlage daher vor, die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen, damit es über alle übrigen Fragen im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der von der Rechtsmittelführerin erhobenen Nichtigkeitsklage sowie über deren Begründetheit entscheiden kann.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Die Frage der individuellen Betroffenheit wurde, was die vorliegende Rechtssache angeht, im angefochtenen Urteil nicht angesprochen. Der Rat hat im Rahmen seiner Einrede der Unzulässigkeit die Ansicht vertreten, dass diese Frage mangels Vorliegens einer unmittelbaren Betroffenheit Venezuelas keiner Erörterung bedürfe. Demgegenüber hat Venezuela in seiner Erwiderung auf die Unzulässigkeitseinrede des Rates die Ansicht vertreten, dass die auf der Grundlage von Art. 215 AEUV erlassene Verordnung (EU) 2017/2063 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Venezuela (ABl. 2017, L 295, S. 21) ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter sei und daher lediglich dargetan werden müsse, dass es von dieser Maßnahme unmittelbar betroffen sei.

( 3 ) Sofern auch festgestellt wird, dass Venezuela von diesen Maßnahmen individuell betroffen ist.

( 4 ) ABl. 2017, L 295, S. 60. Nach Rn. 1 des angefochtenen Urteils „enthält [der Beschluss 2017/2074] erstens ein Verbot, nach Venezuela Waffen, militärische oder andere Ausrüstung, die für Zwecke der internen Repression verwendet werden kann, sowie der Überwachung dienende Ausrüstung, Technologie oder Software auszuführen. Er sieht zweitens ein Verbot vor, finanzielle, technische oder sonstige Leistungen im Zusammenhang mit dieser Ausrüstung bzw. Technologie an Venezuela zu liefern. Drittens enthält er Bestimmungen über das Einfrieren der Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen von Personen, Organisationen und Einrichtungen. Nach seinem ersten Erwägungsgrund wird mit dem Beschluss 2017/2074 auf die anhaltende Beeinträchtigung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte in Venezuela reagiert.“ In seiner ursprünglichen Fassung sah Art. 13 Abs. 1 des Beschlusses 2017/2074 vor, dass dieser bis zum 14. November 2018 gelten sollte. Mit dem Beschluss (GASP) 2018/1656 des Rates zur Änderung des Beschlusses 2017/2074 (ABl. 2018, L 276, S. 10) wurde seine Gültigkeit am 6. November 2018 bis zum 14. November 2019 verlängert und Nr. 7 seines Anhangs I geändert, die eine der vom Einfrieren finanzieller Vermögenswerte betroffenen Personen betrifft.

( 5 ) ABl. 2014, C 107, S. 1.

( 6 ) Anhang IV Nr. 7 der Verordnung wurde am 6. November 2018 mit der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1653 des Rates zur Durchführung der Verordnung 2017/2063 (ABl. 2018, L 276, S. 1) in Bezug auf eine der Personen, die von dem Einfrieren finanzieller Vermögenswerte betroffen sind, geändert.

( 7 ) Vgl. Rn. 22 des angefochtenen Urteils. Diese Feststellung wird im vorliegenden Rechtsmittelverfahren nicht in Frage gestellt. Vgl. Rn. 14 der Rechtsmittelschrift.

( 8 ) Vgl. Rn. 29 und 30 des angefochtenen Urteils sowie die dort angeführte Rechtsprechung.

( 9 ) Vgl. Rn. 31 des angefochtenen Urteils.

( 10 ) Vgl. Rn. 32 des angefochtenen Urteils.

( 11 ) Vgl. Rn. 33 des angefochtenen Urteils.

( 12 ) Vgl. Rn. 34 des angefochtenen Urteils.

( 13 ) Das Gericht hat in Rn. 35 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, dass in der dem Urteil Almaz-Antey zugrunde liegenden Rechtssache die Klägerin im Anhang des angefochtenen Beschlusses namentlich als Unternehmen aufgeführt gewesen sei, an das die streitgegenständlichen Waren und Dienste weder hätten verkauft noch geliefert werden dürfen.

( 14 ) Vgl. Rn. 37 des angefochtenen Urteils.

( 15 ) Vgl. Rn. 38 des angefochtenen Urteils.

( 16 ) Vgl. Rn. 39 und 40 des angefochtenen Urteils.

( 17 ) Vgl. Rn. 41 des angefochtenen Urteils.

( 18 ) Vgl. Rn. 42 und 43 des angefochtenen Urteils.

( 19 ) Vgl. Rn. 51 des angefochtenen Urteils.

( 20 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 29. April 2004, Italien/Kommission (C‑298/00 P, EU:C:2004:240, Rn. 35).

( 21 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2014, Stichting Woonpunt u. a./Kommission (C‑132/12 P, EU:C:2014:100, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 22 ) „Jede Person“ im Deutschen, „[t]oda persona“ im Spanischen, „[t]oute personne“ im Französischen und „[q]ualsiasi persona“ im Italienischen.

( 23 ) Urteil vom 11. Juli 1996, Métropole télévision u. a./Kommission (T‑528/93, T‑542/93, T‑543/93 und T‑546/93, EU:T:1996:99, Rn. 60). Vgl. hierzu auch Urteil vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission (25/62, EU:C:1963:17, S. 237).

( 24 ) Urteil vom 10. Juni 2009, Polen/Kommission (T‑257/04, EU:T:2009:182, Rn. 53), und Beschluss vom 10. Juni 2009, Polen/Kommission (T‑258/04, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:183, Rn. 61).

( 25 ) Beschluss vom 8. Februar 2007, Landtag Schleswig-Holstein/Kommission (C‑406/06, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:90, Rn. 9).

( 26 ) Beschluss vom 3. Juli 2007, Commune de Champagne u. a./Rat und Kommission (T‑212/02, EU:T:2007:194, Rn. 178).

( 27 ) Beschluss vom 13. Mai 2019, Giant (China)/Rat (T‑425/13 DEP, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:340).

( 28 ) Beschluss vom 10. September 2020, Kambodscha und CRF/Kommission (T‑246/19, EU:T:2020:415).

( 29 ) Urteil vom 10. Juni 2009, Polen/Kommission (T‑257/04, EU:T:2009:182, Rn. 53), und Beschluss vom 10. Juni 2009, Polen/Kommission (T‑258/04, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:183, Rn. 61).

( 30 ) Urteil vom 18. Januar 2007, PKK und KNK/Rat (C‑229/05 P, EU:C:2007:32).

( 31 ) Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat (C‑583/11 P, EU:C:2013:21, Nr. 90).

( 32 ) Der Rat führt hierzu das Gutachten 1/17 vom 30. April 2019 (EU:C:2019:341, Rn. 109) an.

( 33 ) Vgl. Gutachten 1/17 vom 30. April 2019 (EU:C:2019:341, Rn. 110).

( 34 ) Urteile vom 26. Juni 2012, Polen/Kommission (C‑335/09 P, EU:C:2012:385, Rn. 45), und vom 26. Juni 2012, Polen/Kommission (C‑336/09 P, EU:C:2012:386, Rn. 38).

( 35 ) Urteil vom 1. März 2016, National Iranian Oil Company/Rat (C‑440/14 P, EU:C:2016:128).

( 36 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juli 2015, Kommission/Rusal Armenal (C‑21/14 P, EU:C:2015:494, Rn. 39).

( 37 ) Hierdurch könnte sich der Drittstaat veranlasst sehen, auf anderem Wege Zugang zum Gerichtshof der Europäischen Union zu suchen, z. B. mittels einer juristischen Person des Privatrechts, oder stattdessen auf Streitbeilegungsverfahren außerhalb der Union, z. B. Schiedsverfahren, zurückzugreifen.

( 38 ) Vgl. z. B. Urteil des Gerichts vom 16. Juli 2014, National Iranian Oil Company/Rat (T‑578/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:678, Rn. 36), und Urteile des Gerichtshofs vom 28. November 2013, Rat/Manufacturing Support & Procurement Kala Naft (C‑348/12 P, EU:C:2013:776, Rn. 50), vom 1. März 2016, National Iranian Oil Company/Rat (C‑440/14 P, EU:C:2016:128, Rn. 44), und vom 28. März 2017, Rosneft (C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 103).

( 39 ) Dieses Verständnis stehe im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung der Unionsgerichte, die insbesondere den Gebietskörperschaften der Mitgliedstaaten Parteifähigkeit nach Art. 263 Abs. 4 AEUV zugestehe. Vgl. Urteil vom 15. Juni 1999, Regione autonoma Friuli-Venezia Giulia/Kommission (T‑288/97, EU:T:1999:125, Rn. 41 ff.).

( 40 ) Vgl. Art. 65 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (United Nations Treaty Series, Bd. 1155, S. 331), der auf Art. 33 der UN-Charta Bezug nimmt.

( 41 ) Dieser zweiten teleologischen Auslegung gibt die Kommission den Vorzug.

( 42 ) Vgl. jüngst Urteil vom 6. Oktober 2020, Bank Refah Kargaran/Rat (C‑134/19 P, EU:C:2020:793, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 43 ) 376 US 398 (1964).

( 44 ) 368 US 398 (1964), S. 409 f. (Richter Harlan) (Fußnoten nicht wiedergegeben).

( 45 ) Und die somit Verteidigungscharakter hat. Zu einem Überblick über die Unterscheidung zwischen Handlungen im Bereich iure imperii und im Bereich iure gestionis vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe in der Rechtssache Supreme Site Services u. a. (C‑186/19, EU:C:2020:252, Nrn. 59 bis 63).

( 46 ) I.C.J. Reports 2012, 99.

( 47 ) In jener Rechtssache galt nach Auffassung des Internationalen Gerichtshofs die Staatenimmunität für acta iure imperii auch für einen Zivilprozess wegen der in Rede stehenden Handlungen.

( 48 ) Nach Art. 33 („Staatenbeschwerden“) der Europäischen Menschenrechtskonvention (im Folgenden: EMRK) „[kann j]ede Hohe Vertragspartei … den Gerichtshof wegen jeder behaupteten Verletzung dieser Konvention und der Protokolle dazu durch eine andere Hohe Vertragspartei anrufen“.

( 49 ) Nach Art. 34 EMRK („Individualbeschwerden“) „[kann d]er Gerichtshof … von jeder natürlichen Person, nichtstaatlichen Organisation oder Personengruppe, die behauptet, durch eine der Hohen Vertragsparteien in einem der in dieser Konvention oder den Protokollen dazu anerkannten Rechte verletzt zu sein, mit einer Beschwerde befasst werden“.

( 50 ) Hingewiesen sei darauf, dass die Regelungen über die Klagebefugnis nach der EMRK eher weniger „großzügig“ sind als diejenigen des AEU-Vertrags. Während örtliche oder regionale öffentliche Stellen, die nach innerstaatlichem Recht Rechtspersönlichkeit besitzen, nach Art. 263 Abs. 4 AEUV Verfahren einleiten können, sofern sie die Voraussetzungen u. a. der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit erfüllen, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung Republik Kongo/Belgien (EGMR, 29. Oktober 2020, CE:ECHR:2020:1006DEC001655419) bestätigt, dass nationale öffentliche Stellen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, nicht befugt sind, den Gerichtshof nach Art. 34 der Konvention anzurufen.

( 51 ) Vgl. z. B. Urteile vom 27. Februar 2018, Western Sahara Campaign UK (C‑266/16, EU:C:2018:118, Rn. 47), und vom 12. November 2019, Organisation juive européenne und Vignoble Psagot (C‑363/18, EU:C:2019:954, Rn. 48). Vgl. hierzu auch Masson, A., Sterck, J., „The Influence of International Law on the Court of Justice“, Petrlík, D., Bobek, M., Passer, J. M., Masson, A. (Hrsg.), Évolution des rapports entre les ordres juridiques de l’Union européenne, international et nationaux: Liber amicorum Jiří Malenovský, Bruylant, Brüssel, 2020.

( 52 ) Neben den in Art. 19 Abs. 3 Buchst. a EUV genannten Vorabentscheidungsverfahren kann der Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 19 Abs. 3 Buchst. c EUV auch in allen anderen in den Verträgen vorgesehenen Fällen entscheiden.

( 53 ) Vgl. Art. 264 AEUV, wonach die Handlung, wenn die Klage begründet ist, für nichtig erklärt wird.

( 54 ) Die Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission werden gelegentlich als „privilegierte“ Kläger bezeichnet, da sie kein Rechtsschutzinteresse nachweisen müssen, um klagebefugt zu sein, vgl. Art. 263 Abs. 2 AEUV. Der Rechnungshof, die Europäische Zentralbank und der Ausschuss der Regionen sind „halb privilegierte“ Kläger, da sie zur Wahrung ihrer eigenen Rechte klagebefugt sind, vgl. Art. 263 Abs. 3 AEUV.

( 55 ) Vgl. z. B. die Art. 7, 40 und 42 EUV sowie Art. 75, Art. 215 Abs. 2 und Art. 275 AEUV. Vgl. z. B. auch Art. 15 Abs. 3 AEUV, wo von einer „juristischen Person mit Wohnsitz oder satzungsgemäßem Sitz in einem Mitgliedstaat“ die Rede ist (Hervorhebung nur hier). Die weitere Klarstellung oder Einschränkung in dieser Bestimmung, die in Art. 267 AEUV nicht enthalten ist, deutet darauf hin, dass der Begriff „juristische Person“ sehr weiter Natur ist.

( 56 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 3. September 2014, Deckmyn und Vrijheidsfonds (C‑201/13, EU:C:2014:2132, Rn. 14 und 15). So hat der Gerichtshof in Rn. 10 des Urteils vom 28. Oktober 1982, Groupement des Agences de voyages/Kommission (135/81, EU:C:1982:371), klargestellt, dass der Begriff „juristische Person“ in Art. 263 AEUV nicht notwendigerweise mit den Begriffen übereinstimmt, die in den verschiedenen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten verwendet werden.

( 57 ) In jener Rechtssache erinnerte das Gericht daran, dass der Zweck des Art. 263 Abs. 4 AEUV darin besteht, allen natürlichen und juristischen Personen, die von Handlungen der Unionsorgane unmittelbar und individuell betroffen sind, einen angemessenen gerichtlichen Rechtsschutz zu gewähren. Das Gericht stellte fest, dass sich Drittstaaten zwar nicht auf den Status berufen können, der den Mitgliedstaaten durch das Unionssystem in Bezug auf Rechtsstreitigkeiten verliehen wird, dass sie jedoch zumindest die gleichen Klagemöglichkeiten haben, wie sie juristischen Personen in diesem System zuerkannt werden. Demgemäß kann eine Organisation, die Rechtspersönlichkeit besitzt, grundsätzlich eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV erheben.

( 58 ) Das Gericht verwies auf die Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro in der Rechtssache Polen/Rat (C‑273/04, EU:C:2007:361, Nr. 41). Dort führte Generalanwalt Poiares Maduro aus, dass die Republik Polen, da sie nach ihrem nationalen Recht Rechtspersönlichkeit besitze und das Völkerrecht ihr, wie jedem Staat, internationale Rechtspersönlichkeit zuerkenne, befugt sei, gegen einen Rechtsakt, der sie beschwere, nach Art. 263 Abs. 4 AEUV Klage vor dem Gerichtshof zu erheben, sofern die Voraussetzungen der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit erfüllt seien und um eine Umwandlung der Klagebefugnis natürlicher oder juristischer Personen in eine Form von Popularklage zu verhindern. Letztlich ist den Schlussanträgen des Generalanwalts Poiares Maduro zu entnehmen, dass die Republik Polen vor dem Hintergrund, dass die Frist für die Anfechtung des betreffenden Rechtsakts nach Ansicht des Generalanwalts ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beitrittsvertrags lief, als Mitgliedstaat und somit als privilegierte Klägerin nach Art. 263 Abs. 2 AEUV klagebefugt war. In seinem Urteil vom 23. Oktober 2007, Polen/Rat (C‑273/04, EU:C:2007:622), prüfte der Gerichtshof trotz einer vom Rat erhobenen Einrede der Unzulässigkeit die Klagebefugnis der Republik Polen nicht, sondern entschied über die Klage lediglich in der Sache.

( 59 ) Der dem Gericht zufolge vor dem Beitritt der Republik Polen zur Union im Mai 2004 lag.

( 60 ) Vgl. auch Beschluss vom 10. Juni 2009, Polen/Kommission (T‑258/04, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:183, Rn. 60 und 61). In jenem Beschluss gelangte das Gericht zu dem Schluss, dass die Republik Polen, bevor sie Mitgliedstaat wurde, nach Art. 263 Abs. 4 AEUV zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen einen Rechtsakt befugt war, der sie unmittelbar und individuell betraf. Es stellte jedoch fest, dass die Klage verspätet war. Im Rechtsmittelverfahren hob der Gerichtshof den Unzulässigkeitsbeschluss des Gerichts mit Urteil vom 26. Juni 2012, Polen/Kommission (C‑336/09 P, EU:C:2012:386), auf und entschied vielmehr, dass die Republik Polen in der betreffenden Rechtssache ein Klagerecht in ihrer Eigenschaft als Mitgliedstaat hatte.

( 61 ) Diese Klage richtete sich gegen die Entscheidung 2004/12/EG der Kommission vom 5. Dezember 2003 zu einem Verfahren bezüglich der Anwendung von Artikel 18 (2), erster Satz, des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Luftverkehr und der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates (Sache TREN/AMA/11/03 – Deutsche Maßnahmen bezüglich An‑/Abflügen zum/vom Flughafen Zürich) (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K[2003] 4472) (ABl. 2004, L 4, S. 13).

( 62 ) Auch wenn dies im Beschluss nicht ausdrücklich erwähnt wird, ergibt sich diese Gleichstellung aus dem Wortlaut des Abkommens.

( 63 ) Vgl. Beschluss vom 14. Juli 2005, Schweiz/Kommission (C‑70/04, nicht veröffentlicht, EU:C:2005:468, Rn. 22).

( 64 ) Jedwede Analogie zu Art. 263 AEUV sollte nicht überbewertet werden, da mit einem Antrag auf Zulassung als Streithelfer lediglich die Anträge einer der Parteien unterstützt werden können und keine eigenständige Klage erhoben wird.

( 65 ) Vgl. hingegen Beschluss der Vizepräsidentin des Gerichtshofs vom 17. Mai 2018, Vereinigte Staaten von Amerika/Apple Sales International u. a. (C‑12/18 P[I], nicht veröffentlicht, EU:C:2018:330), mit dem der Gerichtshof das Rechtsmittel der Vereinigten Staaten von Amerika gegen den Beschluss des Gerichts vom 15. Dezember 2017, Apple Sales International und Apple Operations Europe/Kommission (T‑892/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:925), zurückwies. Mit diesem Beschluss hatte das Gericht den Antrag der Vereinigten Staaten auf Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge von Apple Sales International und Apple Operations Europe in der Rechtssache T‑892/16 allein deshalb zurückgewiesen, weil kein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits glaubhaft gemacht worden war. Vgl. auch Rn. 14 des Beschlusses vom 4. Juni 2012, Attey u. a./Rat (T‑118/11, T‑123/11 und T‑124/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:270), in dem das Gericht feststellte, dass die Republik Côte d’Ivoire als Streithelferin in diesem Verfahren zugelassen worden war.

( 66 ) Zur Stützung der Ansicht, dass Art. 263 Abs. 4 AEUV auf Privatpersonen oder Einzelne beschränkt sei, haben einige Beteiligte im vorliegenden Verfahren darauf verwiesen, dass Generalanwalt Wathelet in Nr. 25 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Stichting Woonlinie u. a./Kommission (C‑133/12 P, EU:C:2013:336) ausgeführt habe, dass nach den mit dem Vertrag von Lissabon an Art. 230 EG vorgenommenen und jetzt in Art. 263 Abs. 4 AEUV zum Ausdruck kommenden Änderungen ein „Einzelner [eine] Nichtigkeitsklage erheben [kann], ohne nachweisen zu müssen, dass er individuell betroffen ist, jedoch unter der Voraussetzung, dass es sich bei der betreffenden Handlung um einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter handelt, der ihn unmittelbar betrifft und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht“ (Hervorhebung nur hier). Dies bedeutet meines Erachtens nicht, dass Art. 263 Abs. 4 AEUV lediglich Privatpersonen eine Klagebefugnis gewährt. Diese Passage darf nicht außerhalb des Zusammenhangs und isoliert betrachtet werden. Bei den Rechtsmittelführerinnen jener Rechtssache handelte es sich um Wohnungsunternehmen und somit Privatpersonen, wenngleich mit einer gemeinnützigen Aufgabe. Vgl. auch Nr. 90 der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat (C‑583/11 P, EU:C:2013:21), in der es heißt, dass „[d]er Vertragsgesetzgeber … sich nämlich nach intensiver Erörterung der gesamten Problematik im Europäischen Konvent dafür entschieden [hat], zur Stärkung des Rechtsschutzes Einzelner gegen Unionsrechtsakte mit allgemeiner Geltung nicht das Kriterium der individuellen Betroffenheit zu reformieren, sondern statt dessen in Art. 263 Abs. 4 AEUV eine gänzlich neue, dritte Klagemöglichkeit einzuführen: die … Klagemöglichkeit natürlicher und juristischer Personen gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen“ (Hervorhebung nur hier). Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Generalanwältin Kokott in Nr. 22 dieser Schlussanträge ausführte, dass „[a]lle Beteiligten des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens … darüber einig [sind], dass mit Art. 263 Abs. 4 AEUV die Klageberechtigung natürlicher und juristischer Personen ausgeweitet wurde“. Gegenstand der Prüfung war der Umfang dieser Ausweitung. Auch die Rechtsmittelführer jener Rechtssache waren Privatpersonen, nämlich Inuit Tapiriit Kanatami, die Interessenvertretung der kanadischen Inuit, sowie eine Reihe weiterer Beteiligter, bei denen es sich vor allem um Hersteller oder Händler von Robbenerzeugnissen handelte. Jedenfalls kann ich nicht erkennen, welche Relevanz die mit dem Vertrag von Lissabon eingeführten Änderungen für das vorliegende Verfahren haben sollten, da der Begriff „juristische Person“ in Art. 263 AEUV schon seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Rom im Jahr 1953 verwendet wird – und unverändert geblieben sein dürfte (vgl. Art. 173 EWG).

( 67 ) Urteil vom 22. März 2007, Regione Siciliana/Kommission (C‑15/06 P, EU:C:2007:183, Rn. 29). Vgl. auch Urteil vom 10. April 2003, Kommission/Nederlandse Antillen (C‑142/00 P, EU:C:2003:217, Rn. 59).

( 68 ) Das Gericht verwies insoweit auf das Urteil vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission (25/62, EU:C:1963:17, S. 237).

( 69 ) Der Grundsatz des wirksamen gerichtlichen Schutzes der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte, auf den sich auch Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV bezieht, ist ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt (Urteil vom 5. November 2019, EZB u. a./Trasta Komercbanka u. a., C‑663/17 P, C‑665/17 P und C‑669/17 P, EU:C:2019:923, Rn. 55). Dieser Schutz wird für nicht privilegierte Rechtsuchende durch Art. 263 Abs. 4 AEUV gewährleistet.

( 70 ) Urteil vom 28. März 2017, Rosneft (C‑72/15, EU:C:2017:236, Rn. 72 und 73).

( 71 ) Urteil vom 18. Januar 2007, PKK und KNK/Rat (C‑229/05 P, EU:C:2007:32, Rn. 114).

( 72 ) C‑229/05 P, EU:C:2007:32.

( 73 ) Hingewiesen sei darauf, dass diese Aussage des Rates in einem gewissen Widerspruch zu seiner nachfolgenden Antwort auf die Frage des Gerichtshofs steht. Seine im Verfahren vor dem Gericht erhobene Einrede der Unzulässigkeit hat der Rat darauf gestützt, dass die Rechtsmittelführerin keine natürliche oder juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV sei.

( 74 ) Urteil vom 13. September 2018, Gazprom Neft/Rat (T‑735/14 und T‑799/14, EU:T:2018:548, Rn. 97).

( 75 ) Beschluss vom 10. März 2016, SolarWorld/Kommission (C‑142/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:163, Rn. 22). Vgl. auch Urteil vom 10. September 2009, Kommission/Ente per le Ville vesuviane und Ente per le Ville vesuviane/Kommission (C‑445/07 P und C‑455/07 P, EU:C:2009:529, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 76 ) Die vom Gericht in Rn. 30 des angefochtenen Urteils angeführte Rechtsprechung betrifft zwar die Frage, ob eine Maßnahme anfechtbar ist und somit (abstrakte) Rechtswirkungen erzeugt, der vertretene pragmatische Ansatz kann jedoch meines Erachtens auch für die Beurteilung der Frage herangezogen werden, ob eine Maßnahme sich auf die Rechtsstellung einer natürlichen oder juristischen Person unmittelbar auswirkt. Als Beispiel für einen solchen pragmatischen Ansatz zur Beurteilung der Frage der unmittelbaren Betroffenheit vgl. Urteil vom 5. Mai 1998, Glencore Grain/Kommission (C‑404/96 P, EU:C:1998:196, Rn. 38 bis 54), in dem der Gerichtshof rein theoretische gegen die Bejahung der unmittelbaren Betroffenheit sprechende Annahmen oder Argumente zurückgewiesen hat.

( 77 ) Hervorhebung nur hier. Dass, wie vom Rat vorgetragen, das Urteil vom 18. Januar 2007, PKK und KNK/Rat (C‑229/05 P, EU:C:2007:32), konkret die Frage der Klagebefugnis einer Organisation ohne Rechtspersönlichkeit betraf, ändert nichts an der Notwendigkeit, auch in anderen Fällen einen übertriebenen Formalismus zu vermeiden.

( 78 ) Die sonstigen, nachfolgenden Randnummern stellen meines Erachtens nur zusätzliche Gründe für die Schlussfolgerung des Gerichts dar, dass die Rechtsmittelführerin von den angefochtenen Bestimmungen nicht unmittelbar betroffen sei.

( 79 ) Die Unterscheidung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen auf die Rechtsstellung einer Person wurde z. B. auch in der dem Urteil vom 13. März 2008, Kommission/Infront WM (C‑125/06 P, EU:C:2008:159), zugrunde liegenden Rechtssache aufgeworfen. Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Kommission/Infront WM (C‑125/06 P, EU:C:2007:611). In jener Rechtssache entschied der Gerichtshof, dass eine Entscheidung, mit der Rechte einer Person neuen Beschränkungen unterworfen werden, die noch nicht existierten, als diese Person die betreffenden Rechte erwarb, und die deren Ausübung erschweren, sich unmittelbar auf die Rechtsstellung der Person auswirken.

( 80 ) Dass die angefochtenen Bestimmungen sich nicht nur auf natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela beziehen, sondern sich auch konkret gegen die Rechtsmittelführerin selbst und die ihr zuzurechnenden Einrichtungen richten und sie benennen, kann kaum überraschen, da sich aus den Erwägungsgründen 1, 2 und 3 der Verordnung 2017/2063 eindeutig ergibt, dass diese Verordnung angesichts der anhaltenden Beeinträchtigung der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in Venezuela sowie der Notwendigkeit, u. a. interne Repression, schwere Menschenrechtsverletzungen oder ‑verstöße und Repressionen gegen die Zivilgesellschaft oder die demokratische Opposition zu bekämpfen, erlassen wurde. Insoweit würde, wie vom Rat vorgetragen, das Ziel einer Maßnahme an sich nicht ausreichen, um zu beurteilen, ob ein Unionsrechtsakt die Rechtsstellung eines Drittstaats unmittelbar berührt. Von besonderer Bedeutung sind meines Erachtens der Wortlaut und Inhalt der in Rede stehenden Maßnahmen, die die Rechtsmittelführerin im vorliegenden Fall ausdrücklich benennen und sich gegen sie richten.

( 81 ) Der Rat räumt nämlich selbst ein, dass der Rechtsmittelführerin zuzurechnende Einrichtungen als Staat am Erwerb von Ausrüstung, die den in Rede stehenden Restriktionen unterliege, gehindert sein könnten.

( 82 ) Ebenso wie allgemeiner alle anderen natürlichen und juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen in Venezuela. Meines Erachtens haben die angefochtenen Bestimmungen auch mittelbare Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerin, soweit sie die Möglichkeit aller anderen natürlichen oder juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen als der Rechtsmittelführerin in Venezuela einschränken, bestimmte Waren und Dienstleistungen zu erwerben.

( 83 ) Daher hat das Gericht meines Erachtens in Rn. 43 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft entschieden, dass die in Rede stehenden Maßnahmen die Handlungsmöglichkeiten der Rechtsmittelführerin allenfalls mittelbar beschränkten.

( 84 ) Ein solch künstlicher Ansatz, der sich auch in Rn. 43 des angefochtenen Urteils findet, in der das Gericht ausführt, dass die angefochtenen Bestimmungen es der Rechtsmittelführerin nicht unmittelbar verböten, die fraglichen Ausrüstungen zu kaufen und einzuführen sowie die in Rede stehenden Dienste zu erlangen, würde sich z. B. darüber hinwegsetzen, dass das Recht, Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, das Gegenstück zum Recht, Dienstleistungen zu erbringen, ist und beide Rechte nebeneinander bestehen. Vgl. z. B. Urteile vom 31. Januar 1984, Luisi und Carbone (286/82 und 26/83, EU:C:1984:35, Rn. 16), sowie vom 1. Juli 2010, Dijkman und Dijkman-Lavaleije (C‑233/09, EU:C:2010:397, Rn. 24).

( 85 ) Hervorhebung nur hier. Vgl. die in Art. 20 der Verordnung 2017/2063 verwendete Formulierung.

( 86 ) Vgl. entsprechend Urteile vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 241 bis 247), und vom 13. September 2018, Rosneft u. a./Rat (T‑715/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:544, Rn. 68). Obwohl restriktive Maßnahmen allgemeine Geltung haben können und Personen und Einrichtungen, die abstrakt umschrieben sind, Verpflichtungen auferlegen können, schließt dies somit nicht aus, dass diese Maßnahmen die in diesen Rechtsakten namentlich bezeichneten natürlichen und juristischen Personen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV unmittelbar und individuell betreffen können.

( 87 ) Hingewiesen sei auch darauf, dass der Rat im Rahmen seiner Unzulässigkeitseinrede im Verfahren vor dem Gericht vorgebracht hat, dass die Verordnung 2017/2063 angesichts des Wortlauts ihres Art. 20 für Venezuela und sein Hoheitsgebiet keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeuge und auf das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und die ihrer Zuständigkeit unterstehenden Personen begrenzt sei. Diese gesonderte Unzulässigkeitseinrede ist meines Erachtens untrennbar mit der Frage der unmittelbaren Betroffenheit verbunden.

( 88 ) Urteil vom 1. März 2016, National Iranian Oil Company/Rat (C‑440/14 P, EU:C:2016:128, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 89 ) Vgl. hierzu Urteil vom 21. September 2005, Yusuf und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (T‑306/01, EU:T:2005:331, Rn. 184 bis 188), bestätigt vom Gerichtshof im Urteil vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 241).

( 90 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. Mai 2013, Abdulrahim/Rat und Kommission (C‑239/12 P, EU:C:2013:331, Rn. 70), und vom 6. Juni 2013, Ayadi/Kommission (C‑183/12 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:369, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 91 ) Zur Frage der ebenfalls festgestellten individuellen Betroffenheit vgl. Rn. 68 bis 72 des Urteils Almaz-Antey.

( 92 ) Insoweit kann für die Beurteilung der Klagebefugnis und insbesondere des Vorliegens einer unmittelbaren Betroffenheit nicht sinnvoll allein nach der Intensität der Auswirkungen einer Maßnahme auf die Rechtsstellung einer Person unterschieden werden. Es ist meines Erachtens ausreichend, dass eine solche Auswirkung unmittelbar und tatsächlich feststellbar ist.

( 93 ) Vgl. Rn. 63 und 64 des Urteils Almaz-Antey, die sich speziell auf die Frage der unmittelbaren Betroffenheit beziehen.

( 94 ) Vgl. Rn. 65 des Urteils Almaz-Antey, wo das Gericht ausführte, dass „es selbstverständlich Sache der in der Union ansässigen Einrichtungen ist, diese Maßnahmen anzuwenden, da die von den Unionsorganen erlassenen Rechtsakte in der Regel nicht dazu bestimmt sind, außerhalb des Gebiets der Union Anwendung zu finden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die von den einschlägigen Bestimmungen des Beschlusses [2014/512/GASP des Rates vom 31. Juli 2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABl. 2014, L 229, S. 13)] betroffenen Organisationen von den auf sie angewendeten restriktiven Maßnahmen nicht unmittelbar betroffen sind. Dass es Wirtschaftsbeteiligten aus der Union verboten ist, bestimmte Arten von Geschäften mit außerhalb der Union ansässigen Organisationen durchzuführen, läuft nämlich darauf hinaus, es diesen Organisationen zu verbieten, die fraglichen Geschäfte mit Wirtschaftsbeteiligten aus der Union durchzuführen. Würde dem Vorbringen des Rates hierzu gefolgt, liefe dies im Übrigen darauf hinaus, die Ansicht zu vertreten, dass selbst in Fällen des Einfrierens individueller Gelder die in die Liste aufgenommenen und den restriktiven Maßnahmen unterliegenden Personen von diesen Maßnahmen nicht unmittelbar betroffen wären, da es vorrangig Sache der Mitgliedstaaten der Union und der ihrer Zuständigkeit unterstehenden natürlichen oder juristischen Personen sei, sie anzuwenden“.

( 95 ) Auch wenn die Klägerin im Urteil Almaz-Antey eine Joint-Stock-Company war, die im Verteidigungssektor tätig war, und nicht ein Staat, ist meines Erachtens in Anbetracht dessen, dass die Rechtsmittelführerin als juristische Person im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV einzustufen ist, kein Grund dafür ersichtlich, für die Rechtsmittelführerin des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens von der Begründung des Gerichts zur unmittelbaren Betroffenheit in jenem Urteil abzuweichen.

( 96 ) Das vielleicht einzige weitere einschlägige Erfordernis ist, dass die Rechtsmittelführerin ein Interesse am Ausgang ihrer Klage (Rechtsschutzinteresse) haben muss; dies wird im Rahmen des vorliegenden Verfahrens jedoch nicht bestritten.

( 97 ) Um die Formulierung des Rates zu verwenden.

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