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Dokument 62015CJ0417

Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 16. November 2016.
Wolfgang Schmidt gegen Christiane Schmidt.
Vorabentscheidungsersuchen des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 – Gerichtliche Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen – Anwendungsbereich – Art. 24 Nr. 1 Unterabs. 1 – Ausschließliche Zuständigkeiten für Verfahren, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben – Art. 7 Nr. 1 Buchst. a – Besondere Zuständigkeiten, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden – Klage auf Aufhebung eines Schenkungsvertrags über ein Grundstück und auf Löschung der Eintragung eines Eigentumsrechts aus dem Grundbuch.
Rechtssache C-417/15.

Sammlung der Rechtsprechung – allgemein

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2016:881

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

16. November 2016 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts — Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 — Gerichtliche Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen — Anwendungsbereich — Art. 24 Nr. 1 Unterabs. 1 — Ausschließliche Zuständigkeiten für Verfahren, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben — Art. 7 Nr. 1 Buchst. a — Besondere Zuständigkeiten, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden — Klage auf Aufhebung eines Schenkungsvertrags über ein Grundstück und auf Löschung der Eintragung eines Eigentumsrechts aus dem Grundbuch“

In der Rechtssache C‑417/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (Österreich) mit Entscheidung vom 23. Juli 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 29. Juli 2015, in dem Verfahren

Wolfgang Schmidt

gegen

Christiane Schmidt

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richterin A. Prechal, des Richters A. Rosas, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von Herrn Schmidt, vertreten durch Rechtsanwalt C. Beck,

von Frau Schmidt, vertreten durch Rechtsanwalt M. Bartlmä,

der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Eberhard als Bevollmächtigten,

der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch G. von Rintelen und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 7. Juli 2016

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 24 Nr. 1 Unterabs.1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Wolfgang Schmidt und Frau Christiane Schmidt wegen der Aufhebung eines Schenkungsvertrags über ein in Österreich belegenes Grundstück.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Die Erwägungsgründe 15, 16 und 34 der Verordnung Nr. 1215/2012 lauten:

„(15)

Die Zuständigkeitsvorschriften sollten in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten. Diese Zuständigkeit sollte stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. …

(16)

Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten sollte durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind. Das Erfordernis der engen Verbindung soll Rechtssicherheit schaffen und verhindern, dass die Gegenpartei vor einem Gericht eines Mitgliedstaats verklagt werden kann, mit dem sie vernünftigerweise nicht rechnen konnte. …

(34)

Um die Kontinuität zwischen dem ... Übereinkommen [vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32)] ..., der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 [des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12. S. 1)] und dieser Verordnung zu wahren, sollten Übergangsvorschriften vorgesehen werden. Dies gilt auch für die Auslegung des … Übereinkommens [vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen] … und der es ersetzenden Verordnungen durch den Gerichtshof der Europäischen Union.“

4

Art. 1 Abs. 1 und 2 Buchst. a in Kapitel I („Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen“) der Verordnung Nr. 1215/2012 sieht vor:

„(1)   Diese Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. …

(2)   Sie ist nicht anzuwenden auf:

a)

den Personenstand, die Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie die gesetzliche Vertretung von natürlichen Personen, die ehelichen Güterstände oder Güterstände aufgrund von Verhältnissen, die nach dem auf diese Verhältnisse anzuwendenden Recht mit der Ehe vergleichbare Wirkungen entfalten“.

5

Abschnitt 2 („Besondere Zuständigkeiten“) in Kapitel II dieser Verordnung enthält Art. 7, der Folgendes bestimmt:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

1.

a)

wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;

…“

6

Im selben Abschnitt der Verordnung heißt es in Art. 8:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann auch verklagt werden:

4.

wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden und die Klage mit einer Klage wegen dinglicher Rechte an unbeweglichen Sachen gegen denselben Beklagten verbunden werden kann, vor dem Gericht des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die unbewegliche Sache belegen ist.“

7

Art. 24 in Abschnitt 6 („Ausschließliche Zuständigkeiten“) des Kapitels II der Verordnung Nr. 1215/2012 bestimmt:

„Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz der Parteien sind folgende Gerichte eines Mitgliedstaats ausschließlich zuständig:

1.

für Verfahren, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist.

…“

Österreichisches Recht

8

Die einschlägigen Vorschriften des österreichischen Rechts finden sich im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (im Folgenden: ABGB) und im Grundbuchsgesetz (im Folgenden: GBG).

9

§ 380 ABGB lautet:

„Ohne Titel und ohne rechtliche Erwerbungsart kann kein Eigentum erlangt werden.“

10

§ 425 ABGB sieht vor:

„Der bloße Titel gibt noch kein Eigentum. Das Eigentum und alle dingliche[n] Rechte überhaupt können, außer den in dem Gesetze bestimmten Fällen, nur durch die rechtliche Übergabe und Übernahme erworben werden.“

11

§ 431 ABGB lautet:

„Zur Übertragung des Eigentums unbeweglicher Sachen muss das Erwerbungsgeschäft in die dazu bestimmten öffentlichen Bücher eingetragen werden. Diese Eintragung nennt man Einverleibung (Intabulation).“

12

§ 444 ABGB bestimmt:

„Das Eigentum überhaupt kann durch den Willen des Eigentümers; durch das Gesetz; und durch richterlichen Ausspruch verloren gehen. Das Eigentum der unbeweglichen Sachen aber wird nur durch die Löschung aus den öffentlichen Büchern aufgehoben.“

13

§ 8 GBG unterscheidet folgende Eintragungen im Grundbuch:

„Die grundbücherlichen Eintragungen sind:

1.

Einverleibungen (unbedingte Rechtserwerbungen oder Löschungen – Intabulationen oder Extabulationen), die ohne weitere Rechtfertigung oder

2.

Vormerkungen (bedingte Rechtserwerbungen oder Löschungen – Pränotationen), die nur unter der Bedingung ihrer nachfolgenden Rechtfertigung die Erwerbung, Übertragung, Beschränkung oder Erlöschung bücherlicher Rechte bewirken, oder

3.

bloße Anmerkungen.“

14

Nach § 9 GBG können nur dingliche Rechte und Lasten, ferner das Wiederkaufs- und das Vorkaufsrecht sowie das Bestandrecht im Grundbuch eingetragen werden.

15

§ 61 GBG, der Streitanmerkungen im Grundbuch betrifft, lautet:

„(1)   Wenn jemand, der durch eine Einverleibung in seinem bücherlichen Rechte verletzt erscheint, die Einverleibung aus dem Grunde der Ungültigkeit im Prozesswege bestreitet und die Wiederherstellung des vorigen bücherlichen Standes begehrt, kann er die Anmerkung eines solchen Streites im Grundbuch entweder gleichzeitig mit der Klage oder später verlangen. Die Anmerkung des Streites kann sowohl bei dem Prozessgericht als auch bei dem Grundbuchsgericht angesucht werden.

(2)   Diese Streitanmerkung hat zur Folge, dass das über die Klage ergehende Urteil auch gegen die Personen, die erst nach dem Zeitpunkt, in dem das Gesuch um die Streitanmerkung an das Grundbuchsgericht gelangt ist, bücherliche Rechte erlangt haben, seine volle Wirksamkeit äußert.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

16

Herr Schmidt wohnt in Österreich und war Eigentümer einer im Grundbuch eingetragenen Liegenschaft in Wien (Österreich). Mit in Wien erstellter notarieller Urkunde vom 14. November 2013 schenkte er diese Liegenschaft seiner Tochter, Frau Schmidt, die seither als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen ist. Frau Schmidt wohnte zum Zeitpunkt der Schenkung in Deutschland, wo sie nach wie vor ihren Wohnsitz hat.

17

Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt sich, dass für Herrn Schmidt aufgrund eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens, wonach er seit Mai 2013 an einer schwerwiegenden Störung leidet, mit Beschluss vom 17. November 2014 ein Sachwalter bestellt wurde.

18

Mit am 24. März 2015 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien erhobener Klage beantragte Herr Schmidt, vertreten durch seinen Sachwalter, den Schenkungsvertrag vom 14. November 2013 aufzuheben und folglich die Eintragung des Eigentumsrechts von Frau Schmidt an der Liegenschaft im Grundbuch wegen Unwirksamkeit der Eintragung zu löschen. Auf Antrag des Klägers des Ausgangsverfahrens wurde mit Beschluss vom 25. März 2015 die Anmerkung der Löschungsklage im Grundbuch nach § 61 Abs. 1 GBG bewilligt.

19

Frau Schmidt macht geltend, dem vorlegenden Gericht fehle die Zuständigkeit für die Klage des Ausgangsverfahrens. Seine Zuständigkeit könne nicht auf Art. 24 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 gestützt werden, da die Klage kein dingliches Recht an einer unbeweglichen Sache im Sinne dieser Vorschrift betreffe.

20

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat Zweifel bezüglich der Auslegung von Art. 24 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012. Es verweist zum einen auf den Beschluss des Gerichtshofs vom 5. April 2001, Gaillard (C‑518/99, EU:C:2001:209), in dem die Anwendbarkeit der Regel der ausschließlichen Zuständigkeit für dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen hinsichtlich einer Klage auf Auflösung eines Kaufvertrags über eine unbewegliche Sache verneint wurde, und zum anderen auf das Urteil vom 3. April 2014, Weber (C‑438/12, EU:C:2014:212), wonach eine Klage auf Feststellung der Ungültigkeit der Ausübung eines dinglichen Vorkaufsrechts unter diese ausschließliche Zuständigkeit fällt.

21

Das vorlegende Gericht führt weiter aus, dass ein einer Löschungsklage stattgebendes Urteil nach § 61 Abs. 1 GBG sowohl gegen Frau Schmidt als auch – infolge der Streitanmerkung im Grundbuch – gegen Dritte, die während des Verfahrens dingliche Rechte an der betreffenden Liegenschaft erworben hätten, vollstreckt werden könne.

22

Unter diesen Umständen hat das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Fällt ein Prozess über die Aufhebung eines Schenkungsvertrags wegen Geschäftsunfähigkeit des Geschenkgebers und Einverleibung der Löschung des Eigentumsrechts für den Geschenknehmer unter die Bestimmung des Art. 24 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012, der eine ausschließliche Zuständigkeit für dingliche Rechte an einer unbeweglichen Sache vorsieht?

Zur Vorlagefrage

23

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 24 Nr. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 dahin auszulegen ist, dass es sich bei einer Klage auf Aufhebung eines Schenkungsvertrags über ein Grundstück wegen Geschäftsunfähigkeit des Schenkenden und auf Löschung der das Eigentumsrecht des Beschenkten betreffenden Eintragungen aus dem Grundbuch um eine Klage in Bezug auf „dingliche Rechte an einer unbeweglichen Sache“ handelt.

24

Vorab ist festzustellen, dass eine solche Klage in den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1215/2012 fällt.

25

Zwar ist diese Verordnung gemäß ihrem Art. 1 Abs. 2 Buchst. a auf die Rechts- und Handlungsfähigkeit natürlicher Personen nicht anzuwenden, doch stellt die Ermittlung der Geschäftsfähigkeit des Schenkenden im Rahmen einer Klage wie der des Ausgangsverfahrens entsprechend den Ausführungen der Generalanwältin in den Nrn. 27 bis 31 ihrer Schlussanträge nicht den Hauptgegenstand dieser Klage, der die Rechtsbeständigkeit einer Schenkung betrifft, sondern eine Vorfrage dar.

26

Aus dem Wortlaut von Art. 24 Nr. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 geht hervor, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, ohne Rücksicht auf den Wohnsitz der Parteien für Klagen, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, ausschließlich zuständig sind (forum rei sitae). Da diese Vorschrift im Wesentlichen den Inhalt von Art. 22 Nr. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 übernimmt, ist festzustellen, dass die Verordnung Nr. 1215/2012 die Verordnung Nr. 44/2001 ersetzt und deshalb die Auslegung der Bestimmungen der früheren Verordnung durch den Gerichtshof auch für die Verordnung Nr. 1215/2012 gilt, soweit die Bestimmungen dieser beiden Rechtsakte der Union als gleichwertig angesehen werden können (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juni 2016, Universal Music International Holding, C‑12/15, EU:C:2016:449, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 22 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 ist der Ausdruck „welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen … zum Gegenstand haben“ im Unionsrecht autonom zu definieren, um sicherzustellen, dass sich aus diesem Übereinkommen für die Mitgliedstaaten und die Betroffenen so weit wie möglich gleiche und einheitliche Rechte und Pflichten ergeben (Urteile vom 3. April 2014, Weber, C‑438/12, EU:C:2014:212, Rn. 40, und vom 17. Dezember 2015, Komu u. a., C‑605/14, EU:C:2015:833, Rn. 23).

28

Außerdem dürfen die Bestimmungen des Art. 22 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs als Ausnahme von den in dieser Verordnung vorgesehenen allgemeinen Zuständigkeitsregeln und insbesondere von der in Art. 2 Abs. 1 der Verordnung aufgestellten Regel, dass vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen sind, nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Ziel erfordert. Diese Bestimmungen bewirken nämlich, dass den Parteien die ihnen sonst mögliche Wahl des Gerichtsstands genommen wird und sie in gewissen Fällen vor einem Gericht zu verklagen sind, das für keine von beiden das Gericht des Wohnsitzes ist (Urteil vom 17. Dezember 2015, Komu u. a., C‑605/14, EU:C:2015:833, Rn. 24).

29

Hinsichtlich des mit den angeführten Bestimmungen verfolgten Ziels ist sowohl dem Bericht zu dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1979, C 59, S. 1) als auch der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 22 Nr. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 zu entnehmen, dass der Hauptgrund für die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Belegenheitsstaats der unbeweglichen Sache darin besteht, dass das Gericht des Belegenheitsorts wegen der räumlichen Nähe am besten in der Lage ist, sich eine gute Kenntnis der Sachverhalte zu verschaffen und die insoweit geltenden Regeln und Gebräuche anzuwenden, die im Allgemeinen die des Belegenheitsstaats sind (Urteil vom 17. Dezember 2015, Komu u. a., C‑605/14, EU:C:2015:833, Rn. 25).

30

Zudem hat der Gerichtshof klargestellt, dass die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Belegenheitsstaats nicht alle Klagen umfasst, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, sondern nur solche, die sowohl in den Anwendungsbereich dieses Übereinkommens bzw. dieser Verordnung fallen als auch darauf gerichtet sind, zum einen den Umfang oder den Bestand einer

unbeweglichen Sache oder das Eigentum, den Besitz oder das Bestehen anderer dinglicher Rechte an ihr zu bestimmen und zum anderen den Inhabern dieser Rechte den Schutz der mit ihrer Rechtsstellung verbundenen Vorrechte zu sichern (Urteil vom 17. Dezember 2015, Komu u. a.,, C‑605/14, EU:C:2015:833, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31

Es ist auch ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass der Unterschied zwischen einem dinglichen Recht und einem persönlichen Anspruch darin besteht, dass das dingliche Recht an einer Sache gegenüber jedermann wirkt, während der persönliche Anspruch nur gegen den Schuldner geltend gemacht werden kann (Urteil vom 17. Dezember 2015, Komu u. a., C‑605/14, EU:C:2015:833, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32

Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass nach österreichischem Zivilrecht die Feststellung der Nichtigkeit eines Schenkungsvertrags wegen Geschäftsunfähigkeit des Schenkenden ex tunc wirkt und die Rückgabe der erworbenen Sache zur Folge hat. Bei Verträgen über eine Immobilie erfolgt die Rückgabe dadurch, dass jede Eintragung im Grundbuch, die sich auf das Eigentumsrecht der dort als Eigentümer eingetragenen Person bezieht, gelöscht wird.

33

Da die Klage von Herrn Schmidt zum einen auf Aufhebung des Schenkungsvertrags wegen seiner Geschäftsunfähigkeit und zum anderen auf die Löschung der Eintragung in Bezug auf das Eigentumsrecht seiner Tochter aus dem Grundbuch gerichtet ist, ist die Art der Klage für jeden dieser beiden Anträge zu beurteilen.

34

Erstens geht bezüglich des Antrags auf Aufhebung des Schenkungsvertrags über das Grundstück aus der Vorlageentscheidung hervor, dass dieser Antrag auf die angebliche Nichtigkeit des Vertrags wegen der Geschäftsunfähigkeit des Klägers des Ausgangsverfahrens gestützt ist. Nach ständiger Rechtsprechung reicht es für die Zuständigkeit des Gerichts des Mitgliedstaats, in dem die Immobilie belegen ist, nicht aus, dass ein dingliches Recht an einer unbeweglichen Sache von der Klage berührt wird oder dass die Klage in einem Zusammenhang mit einer unbeweglichen Sache steht. Die Klage muss vielmehr auf ein dingliches und nicht auf ein persönliches Recht an einer unbeweglichen Sache gestützt sein (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 5. April 2001, Gaillard, C‑518/99, EU:C:2001:209, Rn. 16).

35

Diese Auslegung wird im Übrigen auch durch den Bericht von P. Schlosser über das Übereinkommen über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die

Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof (ABl. 1979, C 59, S. 71, Nrn. 170 bis 172) bestätigt, nach dem bei gemischten Klagen, die auf einen persönlichen Anspruch gestützt sind und auf die Zuerkennung eines dinglichen Rechts abzielen, sehr viel dafür spricht, dass der persönliche Charakter solcher Klagen überwiegt und daher die Regel der ausschließlichen Zuständigkeit bei unbeweglichen Sachen unanwendbar ist (vgl. entsprechend Beschluss vom 5. April 2001, Gaillard, C‑518/99, EU:C:2001:209, Rn. 21).

36

Wie die Generalanwältin in Nr. 40 ihrer Schlussanträge ausführt, spielt es für die Beurteilung der Gültigkeit des Vertrags, dessen Nichtigkeit geltend gemacht wird, keine Rolle, dass er sich auf eine unbewegliche Sache bezieht, da es in diesem Zusammenhang nur von inzidenter Bedeutung ist, dass es sich bei dem materiellen Gegenstand des Vertrags um eine Immobilie handelt (vgl. entsprechend Urteil vom 18. Mai 2006, ČEZ, C‑343/04, EU:C:2006:330, Rn. 34).

37

Durch eine solche Auslegung wird auch nicht das Erfordernis der geordneten Rechtspflege beeinträchtigt, das – wie aus Rn. 29 des vorliegenden Urteils hervorgeht – Art. 24 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 zugrunde liegt. Denn für das angerufene Gericht besteht bei der Entscheidung über einen Antrag auf Aufhebung einer Schenkung wegen Geschäftsunfähigkeit kein Anlass, eng mit der betroffenen Immobilie verbundene Überprüfungen durchzuführen, die eine Anwendung der in dieser Vorschrift vorgesehenen Regel der ausschließlichen Zuständigkeit rechtfertigen würden.

38

Wie jedoch die Generalanwältin in Nr. 50 ihrer Schlussanträge ausgeführt und die tschechische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen geltend gemacht hat, kann das vorlegende Gericht für den Antrag auf Aufhebung des Schenkungsvertrags über das Grundstück eine Zuständigkeit auf Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1215/2012 stützen.

39

Gemäß dieser Bestimmung können Streitigkeiten, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, von dem Gericht des Ortes geprüft werden, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, d. h. die Verpflichtung, die dem vertraglichen Anspruch, auf den der Kläger seine Klage stützt, entspricht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 1976, De Bloos, 14/76, EU:C:1976:134, Rn. 10 bis 14). Im vorliegenden Fall ist die Klage im Ausgangsverfahren auf die angebliche Nichtigkeit der vertraglichen Verpflichtung gestützt, die in der Übertragung des Eigentums an dem Grundstück besteht. Diese hat, sofern der Vertrag rechtsgültig ist, in Österreich zu erfolgen und ist dort zunächst auch erfolgt.

40

Zweitens ist zum Antrag auf Löschung des Eigentumsrechts der Beschenkten aus dem Grundbuch festzustellen, dass dieser Antrag auf die Nichtigkeit der Eigentumsübertragung und damit auf ein dingliches Recht an dem betreffenden Grundstück gestützt ist, auf das sich der Kläger des Ausgangsverfahrens beruft.

41

Ein solcher Antrag, der auf die Wahrung der sich aus einem dinglichen Recht ergebenden Rechte abzielt, fällt nach Art. 24 Nr. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 in die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, in dem das Grundstück belegen ist.

42

Da die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem das Grundstück belegen ist, diese ausschließliche Zuständigkeit für den Antrag auf Löschung des Eigentumsrechts der Beschenkten aus dem Grundbuch besitzen, sind sie, wie die Generalanwältin in den Nrn. 51 bis 58 ihrer Schlussanträge ausführt, kraft Sachzusammenhangs nach Art. 8 Nr. 4 der Verordnung Nr. 1215/2012 auch für den Antrag auf Aufhebung des Schenkungsvertrags über das Grundstück zuständig, denn beide Anträge richten sich gegen dieselbe Beklagte und können – wie aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervorgeht – verbunden werden.

43

Nach alledem ist die Vorlagefrage wie folgt zu beantworten:

Die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1215/2012 sind dahin auszulegen, dass eine Klage auf Aufhebung eines Schenkungsvertrags über ein Grundstück wegen Geschäftsunfähigkeit des Schenkenden nicht nach Art. 24 Nr. 1 dieser Verordnung in die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats fällt, in dem das Grundstück belegen ist, sondern in die besondere Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung.

Eine Klage auf Löschung der das Eigentumsrecht des Beschenkten betreffenden Eintragungen aus dem Grundbuch fällt in die ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 24 Nr. 1 der Verordnung.

Kosten

44

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sind dahin auszulegen, dass eine Klage auf Aufhebung eines Schenkungsvertrags über ein Grundstück wegen Geschäftsunfähigkeit des Schenkenden nicht nach Art. 24 Nr. 1 dieser Verordnung in die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats fällt, in dem das Grundstück belegen ist, sondern in die besondere Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung.

 

Eine Klage auf Löschung der das Eigentumsrecht des Beschenkten betreffenden Eintragungen aus dem Grundbuch fällt in die ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 24 Nr. 1 der Verordnung.

 

Ilešič

Prechal

Rosas

Toader

Jarašiūnas

Verkündet in Luxemburg in öffentlicher Sitzung am 16. November 2016.

Der Kanzler

A. Calot Escobar

Der Präsident der Zweiten Kammer

M. Ilešič


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

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