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Dokument 62012CJ0531

Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 19. Juni 2014.
Commune de Millau und Société d’économie mixte d’équipement de l’Aveyron (SEMEA) gegen Europäische Kommission.
Rechtsmittel – Schiedsklausel – Subventionsvertrag über eine Maßnahme zur lokalen Entwicklung – Erstattung eines Teils der gezahlten Vorschüsse – Schuldübernahme – Zuständigkeit des Gerichts – Verjährung – Haftung der Kommission.
Rechtssache C‑531/12 P.

Sammlung der Rechtsprechung – allgemein

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2014:2008

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

19. Juni 2014 ( *1 )

„Rechtsmittel — Schiedsklausel — Subventionsvertrag über eine Maßnahme zur lokalen Entwicklung — Erstattung eines Teils der gezahlten Vorschüsse — Schuldübernahme — Zuständigkeit des Gerichts — Verjährung — Haftung der Kommission“

In der Rechtssache C‑531/12 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 19. November 2012,

Commune de Millau,

Société d’économie mixte d’équipement de l’Aveyron (SEMEA) mit Sitz in Millau (Frankreich),

Prozessbevollmächtigte: L. Hincker und F. Bleykasten, avocats,

Rechtsmittelführerinnen,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch S. Lejeune und D. Calciu als Bevollmächtigte im Beistand von E. Bouttier, avocat, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, des Richters E. Levits, der Richterin M. Berger sowie der Richter S. Rodin und F. Biltgen (Berichterstatter),

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 27. Februar 2014

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Commune de Millau und die Société d’économie mixte d’équipement de l’Aveyron (SEMEA) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union Kommission/SEMEA und Commune de Millau (T‑168/10 und T‑572/10, EU:T:2012:435, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht SEMEA und die Commune de Millau verurteilt hat, als Gesamtschuldner an die Europäische Kommission einen Betrag von 41012 Euro, den diese im Rahmen der SEMEA gewährten Finanzierungen gezahlt hatte, zuzüglich Verzugszinsen und Zinseszinsen zu zahlen.

Vorgeschichte des Rechtsstreits

2

Das Gericht hat die Vorgeschichte des Rechtsstreits in den Rn. 1 bis 31 des angefochtenen Urteils wie folgt zusammengefasst:

„1

Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, vertreten durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, schloss am 6. Juli 1990 mit der [SEMEA], an der die Commune de Millau (Frankreich) mit 50 % des Kapitals beteiligt war, einen Subventionsvertrag.

2

Der Vertrag betraf eine örtliche Entwicklungsmaßnahme, bestehend aus der Durchführung von Arbeiten zur Vorbereitung und Eröffnung eines Centre européen d’entreprise locale (Europäisches Zentrum für örtliche Unternehmen) in Millau (im Folgenden: Vertrag).

3

Art. 2 des Vertrags bestimmte:

‚Die Arbeiten sind innerhalb von 18 Monaten nach Unterzeichnung des Vertrags auszuführen.‘

4

Nach Art. 4 des Vertrags verpflichtete sich SEMEA, verschiedene Leistungen zu erbringen und gegenüber der Kommission durch die Vorlage von Berichten in regelmäßigen Abständen darüber Rechenschaft abzulegen, während sich die Kommission ihrerseits verpflichtete, zur Durchführung dieser Arbeiten einen finanziellen Beitrag bis zu einer Höhe von maximal 135000 ECU und bis zu 50 % der gerechtfertigten Kosten der Arbeiten zu leisten.

5

Art. 6 des Vertrags sah vor:

‚Der vorliegende Vertrag unterliegt französischem Recht.‘

6

Art. 10 des Vertrags lautete wie folgt:

‚Sind keine Mittel oder nur Mittel verfügbar, die für die Durchführung des vorliegenden Vertrags unzureichend sind, ist die Kommission berechtigt, von dem Vertrag ohne gerichtliches Verfahren zurückzutreten oder den Vertrag an die neue Finanzlage anzupassen.‘

7

Art. 9 Abs. 1 der allgemeinen Bedingungen des Vertrags lautete:

‚Kommt der Vertragspartner seinen Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht nach, kann die Kommission – unabhängig von den Folgen nach dem auf den Vertrag anwendbaren Recht – den Vertrag ohne Weiteres kündigen oder von ihm zurücktreten, nachdem sie den Vertragspartner durch Einschreiben zur Leistung aufgefordert hat und dieser der Aufforderung innerhalb eines Monats nicht nachgekommen ist.‘

8

Art. 10 der allgemeinen Bedingungen des Vertrags sah vor:

‚Für alle Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien, die den Vertrag betreffen und nicht gütlich beigelegt werden können, ist ausschließlich der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zuständig.‘

9

Mit Schreiben vom 16. Mai 1991 bat SEMEA die Kommission, den Vertrag durch eine andere Einrichtung, das Centre européen d’entreprise et d’innovation (im Folgenden: Verein CEI 12), durchführen zu können, was die Kommission mit Schreiben vom 2. Juli 1991 akzeptierte, wobei sie klarstellte, dass diese Vereinbarung SEMEA nicht von ihren Verpflichtungen entbinde. SEMEA bestätigte mit Schreiben vom 22. Oktober 1991, dass sie für die ordnungsgemäße Durchführung der im Vertrag vorgesehenen Leistungen hafte.

10

In den Monaten Juni und Juli 1992 führten die Dienststellen der Kommission eine Kontrolle durch, die den Fortschritt der Arbeiten zum Gegenstand hatte und die zum Ergebnis kam, dass sich die Summe der berücksichtigungsfähigen Ausgaben auf 187977 ECU belaufe und der Beitrag der Kommission daher auf 50 % dieses Betrags, also auf 93988 ECU, festzusetzen sei.

11

Da SEMEA aufgrund des Vertrags bereits 135000 ECU erhalten hatte, forderte die Kommission SEMEA mit Schreiben vom 27. April 1993 auf, den Betrag von 41012 ECU zurückzuzahlen (im Folgenden: streitige Forderung). SEMEA ist dieser Aufforderung nicht nachgekommen.

12

Am 17. Februar 1997 beschloss die außerordentliche Hauptversammlung der Aktionäre von SEMEA die vorzeitige einvernehmliche Auflösung von SEMEA zum 31. März 1997 und die Bestellung eines Liquidators.

13

Mit Einschreiben gegen Rückschein vom 18. November 2005 forderte die Kommission SEMEA erneut auf, die streitige Forderung zu begleichen.

14

Am 11. Januar 2006 richtete die Kommission eine Einziehungsanordnung über einen Betrag von 41012 Euro an SEMEA.

15

Mit Antwortschreiben vom 31. Januar 2006 teilte der Liquidator von SEMEA mit, dass die finanzielle Lage der Gesellschaft die Zahlung eines Betrags in dieser Höhe nicht zulasse, dass er sich gezwungen sehe, Insolvenz anzumelden, und dass die streitige Forderung nach französischem Recht als verjährt angesehen werden müsse, da das französische Recht die Beitreibung von Forderungen, die länger als vier Jahre nicht geltend gemacht worden seien, nicht zulasse und die letzte Geltendmachung der Kommission am 27. April 1993 erfolgt sei, also vor mehr als zwölf Jahren.

16

Mit Einschreiben gegen Rückschein vom 16. Februar 2006 beantragte die Kommission förmlich die Berücksichtigung der streitigen Forderung im Insolvenzverfahren und die Eintragung dieser Forderung in die Insolvenztabelle.

17

Mit Schreiben vom 20. September 2006 teilte SEMEA der Kommission mit, dass die außerordentliche Hauptversammlung der Gesellschaft beschlossen habe, die Stellung des Insolvenzantrags aufzuschieben; sie bezog sich auf ein Protokoll des Vereins CEI 12, aus dem sich ergebe, dass die Kommission auf die Geltendmachung der streitigen Forderung letztlich verzichtet habe.

18

Mit Schreiben vom 29. November 2006 forderte die Kommission durch ihren Anwalt SEMEA in Form einer Mahnung zur Begleichung der Forderung auf. Sie stellte in diesem Schreiben klar, dass sie nie die Absicht gehabt habe, auf diese Forderung zu verzichten.

19

Mit Mahnschreiben vom 30. Januar 2007 forderte der Anwalt der Kommission SEMEA erneut auf, die streitige Forderung zu bezahlen, und zog aus der Untätigkeit von SEMEA den Schluss, dass diese ihre Zahlungen eingestellt habe.

20

Mit Schreiben vom 5. Februar 2007 erklärte SEMEA, dass sie die Zahlungen nicht eingestellt habe.

21

Mit Schreiben vom 12. Februar 2007 übersandte SEMEA eine Kopie des Beschlusses des Vereins CEI 12, in dem festgestellt wurde, dass die Kommission auf die Geltendmachung der streitigen Forderung verzichtet habe.

22

Am 26. Oktober 2007 ließ die Kommission eine Zahlungsaufforderung durch den Gerichtsvollzieher am Wohnsitz des Liquidators von SEMEA zustellen.

23

Am 10. Dezember 2007 ließ die Kommission eine Zahlungsaufforderung am Sitz der Liquidationsgesellschaft durch den Gerichtsvollzieher zustellen.

24

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2007 an den Gerichtsvollzieher, der die Zahlungsaufforderung ausgehändigt hatte, bat der Liquidator von SEMEA erneut um Auskunft über die Entscheidung der Kommission, auf die Begleichung der streitigen Forderung zu verzichten. Er behauptete in seinem Schreiben, die neuen Aktionäre und der Liquidator seien über die Verbindlichkeiten, die SEMEA gegenüber dem Verein CEI 12 eingegangen sei, nicht informiert gewesen.

25

Mit Schreiben vom 7. Januar 2008 bestritt der Anwalt der Kommission die Behauptungen des Liquidators von SEMEA, forderte ihn erneut in Form einer Mahnung zur Bezahlung der streitigen Forderung auf und übersandte eine Kopie dieses Schreibens an den Staatsanwalt mit der Bitte, das Verhalten des Liquidators von SEMEA insbesondere im Hinblick auf den Straftatbestand des Betrugs zu überprüfen.

26

In Beantwortung dieses letztgenannten Mahnschreibens führte der Liquidator von SEMEA aus, dass die streitige Forderung möglicherweise verjährt sei. Er wies in diesem Schreiben darauf hin, dass er sich Anfang des Jahres 2007 in einem Gespräch mit dem Anwalt der Kommission verpflichtet habe, die streitige Forderung zu begleichen, sobald seine Fragen zur Verjährung der Forderung beantwortet seien.

27

Mit Schreiben vom 21. Februar 2008 forderte die Kommission SEMEA letztmalig zur Begleichung der streitigen Forderung auf.

28

Am 21. November 2008 nahm die außerordentliche Hauptversammlung von SEMEA die Entscheidung der Commune de Millau, ihrer Hauptaktionärin, die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu übernehmen, zur Kenntnis und beschloss, den Betrag von 82719,76 Euro, die verfügbaren Barmittel von SEMEA, an die Commune [de] Millau [zu] zahlen. Nach dem vom Liquidator vorgelegten Liquidationsbericht, der die streitige Forderung auswies, waren alle übernommenen Geschäfte abgewickelt.

29

Am 9. Dezember 2008 beendete der Liquidator von SEMEA die Liquidation und veranlasste die Löschung von SEMEA im Handelsregister.

30

Am 18. Dezember 2008 bestätigte der Gemeinderat der Commune de Millau die Übernahme des Gesellschaftsvermögens von SEMEA. Unter den Passiva der Gesellschaft war ausdrücklich der Rechtsstreit mit der Europäischen Kommission ausgewiesen.

31

Auf Antrag der Kommission bestellte das Tribunal de commerce Rodez am 12. Februar 2010 einen Ad-hoc-Bevollmächtigten als Vertreter von SEMEA.“

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

3

Mit Klageschrift, die am 15. April 2010 bei der Kanzlei des Gerichts einging, beantragte die Kommission, SEMEA zu verurteilen, an sie einen Betrag von 41012 Euro zuzüglich Zinseszinsen zurückzuzahlen und 5 000 Euro als Schadensersatz zu zahlen.

4

Da die Commune de Millau sämtliche Vermögenswerte und Verbindlichkeiten von SEMEA übernommen hatte, erhob die Kommission mit Klageschrift, die am 21. Dezember 2010 bei der Kanzlei des Gerichts einging, Klage gegen die Commune de Millau.

5

Wegen ihres Zusammenhangs wurden die beiden Rechtssachen verbunden.

6

Im ersten Teil des angefochtenen Urteils hat das Gericht die Klage der Kommission gegen SEMEA geprüft.

7

In Bezug auf die Zulässigkeit der Klage hat sich das Gericht in den Rn. 47 bis 49 des angefochtenen Urteils für gemäß Art. 272 AEUV und Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 10 der allgemeinen Vertragsbedingungen zuständig erklärt, um über den Antrag der Kommission zu entscheiden. Es hat die von SEMEA erhobene Unzulässigkeitseinrede zurückgewiesen, die darauf gestützt war, dass diese Gesellschaft aufgrund ihrer Löschung im Handelsregister bei Erhebung der Klage nicht rechts- und parteifähig gewesen sei.

8

Zur Begründetheit der Klage hat das Gericht zunächst in den Rn. 61 bis 68 des angefochtenen Urteils den in Rede stehenden Vertrag als öffentlich-rechtlichen Vertrag eingestuft.

9

Sodann hat das Gericht in den Rn. 69 bis 74 des Urteils festgestellt, dass SEMEA nach französischem Recht aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung verpflichtet gewesen sei, der Europäischen Union den ohne Rechtsgrund erhaltenen Betrag von 41012 Euro zurückzuzahlen.

10

Das Gericht hat in den Rn. 75 bis 88 des angefochtenen Urteils die Einwände von SEMEA zurückgewiesen, mit denen diese erstens einen Verzicht seitens der Kommission auf die Rückzahlung der geschuldeten Summe, zweitens eine Befreiung von SEMEA von ihrer Verbindlichkeit infolge der Übernahme durch die Commune de Millau, drittens die Verjährung der streitigen Forderung und viertens das Erlöschen dieser Forderung geltend gemacht hatte.

11

Außerdem hat das Gericht SEMEA zur Zahlung von Verzugszinsen ab dem 27. April 1993 in Höhe des in Frankreich geltenden gesetzlichen Zinssatzes verurteilt, wobei die kapitalisierten, bis zum 15. April 2010 angefallenen und danach jährlich anfallenden Zinsen ihrerseits zu verzinsen waren.

12

Schließlich hat das Gericht den Antrag der Kommission auf Zahlung von Schadensersatz zurückgewiesen.

13

Die Widerklage von SEMEA hat das Gericht abgewiesen, nachdem es in den Rn. 108 und 109 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass zwischen dem Verhalten der Kommission und dem angeblichen Schaden kein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang bestehe.

14

Im zweiten Teil des angefochtenen Urteils hat das Gericht die Klage der Kommission gegen die Commune de Millau geprüft. Nach Auffassung der Commune de Millau war diese Klage abzuweisen, da sie vor einem unzuständigen Gericht erhoben worden sei.

15

Zur Frage, ob die Zuständigkeit des Gerichts auf die von SEMEA vereinbarte Schiedsklausel gestützt werden konnte, hat das Gericht in den Rn. 114 bis 119 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass Art. 272 AEUV eng auszulegen sei und dass sich seine Zuständigkeit für die Entscheidung eines Rechtsstreits über einen Vertrag grundsätzlich allein nach Art. 272 AEUV und der Schiedsklausel selbst beurteile.

16

Nachdem es die Auffassung der Kommission zurückgewiesen hatte, wonach die von SEMEA vereinbarte Schiedsklausel als vom Bestehen der fraglichen Verbindlichkeit abhängige Regelung auf die Commune de Millau übertragen worden sei, hat das Gericht in den Rn. 132 bis 149 des Urteils geprüft, ob die Commune de Millau der Schiedsklausel im Wege eines mit SEMEA geschlossenen Vertrags zugunsten Dritter unterworfen worden sein könnte.

17

Insoweit hat das Gericht zunächst in Rn. 134 des Urteils festgestellt, dass das Vorliegen einer Schiedsklausel unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze des Vertragsrechts der Mitgliedstaaten geprüft werde. Es hat näher ausgeführt, dass, „[s]elbst wenn … einer dieser Grundsätze besagt, dass ein Vertrag nur die Vertragsparteien bindet, … es dieser Grundsatz nicht [verwehrt], dass zwei Parteien einem Dritten durch einen Vertrag zugunsten Dritter ein Recht einräumen“.

18

Sodann hat das Gericht in Rn. 135 des angefochtenen Urteils entschieden, dass sich die Geltung der in Art. 10 der allgemeinen Vertragsbedingungen vorgesehene Schiedsklausel aus dem zwischen SEMEA und der Commune de Millau geschlossenen Vertrag ergeben könne. Zum einen nämlich bestimme Art. 272 AEUV, dass eine Schiedsklausel in einem von der Union oder für ihre Rechnung abgeschlossenen Vertrag enthalten sein müsse. Die Commune de Millau und die Kommission hätten aber keinen Vertrag geschlossen und daher auch keine Schiedsklausel vereinbart. Um zu dem Schluss zu gelangen, dass die Kommission sich gegenüber der Commune de Millau auf diese Schiedsklausel berufen könne, hat das Gericht angenommen, dass der zwischen SEMEA und der Commune de Millau geschlossene Vertrag zugunsten Dritter als ein für Rechnung der Union abgeschlossener Vertrag angesehen werden könne. Zum anderen hat es festgestellt, dass die Zuständigkeit des Gerichts für Rechtsstreitigkeiten, die einen Vertrag betreffen, nicht gegen den Willen der Union begründet werden könne, was jedoch bei einer allein zugunsten der Union vereinbarten Schiedsklausel nicht der Fall sei.

19

Schließlich hat das Gericht in Rn. 136 des angefochtenen Urteils hinzugefügt, dass die verfahrensrechtliche Natur einer Schiedsklausel nicht dagegen spreche, dass sie zugunsten Dritter vereinbart werde.

20

Nachdem es in Rn. 138 des Urteils ausgeführt hat, dass sich das Vorliegen eines Vertrags zugunsten Dritter aus einer ausdrücklichen Vereinbarung zwischen dem Versprechensempfänger und dem Versprechenden ergeben könne, mit der einem Dritten ein Recht eingeräumt werden solle, aber auch aus dem Zweck des Vertrags oder den Umständen des Falls abgeleitet werden könne, hat das Gericht in den Rn. 139 bis 141 des Urteils insbesondere im Hinblick auf die tatsächlichen und rechtlichen Angaben im Protokoll des Gemeinderats der Commune de Millau vom 18. Dezember 2010 festgestellt, dass die Rechtsmittelführerinnen eine Forderung der Union gegenüber der Commune de Millau hätten begründen wollen und dass diese sich der in Art. 10 der Allgemeinen Vertragsbedingungen vorgesehenen Schiedsklausel habe unterwerfen wollen.

21

Damit hat das Gericht in Rn. 142 des angefochtenen Urteils das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, wonach die Übertragung der Schuld von SEMEA auf die Commune de Millau befreiende Wirkung für SEMEA gehabt habe, zurückgewiesen, da eine solche Schuldübertragung eine Zustimmung der Union erfordert hätte, die im vorliegenden Fall fehle.

22

Ferner hat das Gericht in Rn. 148 des Urteils ausgeführt, dass, selbst wenn es einen Konflikt zwischen den Bestimmungen des französischen Rechts – Art. 2060 des Code civil und Art. 48 des Code de la procédure civile – und Art. 272 AEUV geben würde, die letztgenannte Vorschrift Vorrang vor jeder abweichenden innerstaatlichen Bestimmung haben müsse.

23

Das Gericht hat hieraus in Rn. 149 des Urteils geschlossen, dass es aufgrund der Schiedsklausel für die Entscheidung über die Klage der Kommission gegen die Commune de Millau zuständig sei.

24

In der Sache hat das Gericht sowohl den Antrag auf Erstattung des Betrags in Höhe von 41012 Euro als auch den Antrag auf Zahlung von Zinsen, die ihrerseits ab dem 15. April 2010, dem Tag der ersten jährlichen Fälligkeit, zu verzinsen sind, gegenüber der Commune de Millau für begründet erklärt.

25

Da die Kommission die Zahlung nur einmal verlangen kann, hat das Gericht SEMEA und die Commune de Millau als Gesamtschuldner zur Zahlung verurteilt.

26

Dagegen hat es den Antrag auf Schadensersatz der Kommission sowie den Widerklageantrag der Commune de Millau zurückgewiesen.

Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

27

Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Rechtsmittelführerinnen,

das angefochtene Urteil aufzuheben;

das Gericht für zur Entscheidung über die gegen die Commune de Millau erhobene Klage unzuständig zu erklären und die Klage gegen SEMEA für unzulässig zu erklären;

hilfsweise, den Antrag der Kommission zurückzuweisen;

die Kommission zur Zahlung von 41012 Euro zuzüglich Zinsen an die Commune de Millau und SEMEA zu verurteilen;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

28

Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und den Rechtsmittelführerinnen die Kosten aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

Zur formellen Ordungsmäßigkeit des Rechtsmittels

29

Das vorliegende Rechtsmittel wirft, wie die Generalanwältin in Nr. 32 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, die Frage auf, ob es im Namen von SEMEA wirksam eingelegt worden ist.

30

Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten geht hervor, dass zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels, d. h. am 19. November 2012, die für die Commune de Millau auftretenden Anwälte entgegen den Bestimmungen von Art. 119 Abs. 2 und Art. 168 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs keinen Nachweis einer durch einen befugten Vertreter von SEMEA erteilte Vollmacht vorgelegt hatten.

31

Zwar hat Herr Blanc in seiner Eigenschaft als Ad-hoc-Bevollmächtigter von SEMEA es in einem an Rechtsanwalt Bleykasten gerichteten Schreiben vom 12. November 2012 als zweckmäßig erachtet, dass SEMEA sich dem von der Commune de Millau eingelegten Rechtsmittel anschließe; er hat jedoch darauf hingewiesen, dass seine Amtszeit als Ad-hoc-Bevollmächtigter von SEMEA am 12. August 2012 geendet habe.

32

Gemäß Art. 119 Abs. 4 und Art. 168 Abs. 4 der Verfahrensordnung hat die Kanzlei des Gerichtshofs im Oktober 2013 die Anwälte von SEMEA zur Vorlage der Vollmacht aufgefordert, aus der hervorgehe, dass sie dazu ermächtigt waren, im Namen von SEMEA zu handeln. Mit Schreiben vom 25. November 2013 haben diese bei der Kanzlei des Gerichtshofs einen Beschluss des zuständigen Tribunal de commerce (Handelsgericht) vom 5. November 2013 eingereicht, in dem im Hinblick auf das beim Gerichtshof anhängige Verfahren Herr Blanc als Ad-hoc-Bevollmächtigter dieser Gesellschaft bestellt wurde.

33

Wie die Generalanwältin in den Nrn. 40 bis 44 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, sind Art. 119 Abs. 4 und Art. 168 Abs. 4 der Verfahrensordnung dahin auszulegen, dass eine fehlende Bevollmächtigung zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels durch die nachträgliche Vorlage eines das Bestehen dieser Bevollmächtigung bestätigenden Dokuments geheilt werden kann.

34

Obwohl die Anwälte von SEMEA zum Zeitpunkt der Einlegung des vorliegenden Rechtsmittels nicht über eine Vollmacht seitens dieser Gesellschaft verfügten, konnte folglich Herr Blanc nach seiner Bestellung als Ad-hoc-Bevollmächtigter rechtsgültig seinen Willen bestätigen, dass SEMEA sich dem von der Commune de Millau eingelegten Rechtsmittel anschließt (vgl. in diesem Sinne Urteil Maurissen und Union syndicale/Rechnungshof, 193/87 und 194/87, EU:C:1989:185, Rn. 33).

35

Folglich ist das Rechtsmittel ordnungsgemäß im Namen von SEMEA eingelegt worden.

Zur Begründetheit

36

Die Rechtsmittelführerinnen stützen ihr Rechtsmittel auf vier Gründe.

Zum ersten Rechtsmittelgrund

– Vorbringen der Parteien

37

Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund tragen die Rechtsmittelführerinnen vor, das Gericht habe sich rechtsfehlerhaft für zuständig erklärt, über die Klage gegen die Commune de Millau zu entscheiden. Es habe zu Unrecht angenommen, dass sich die Commune de Millau mit dem zwischen ihr und SEMEA geschlossenen Vertrag zugunsten Dritter der Schiedsklausel in Art. 10 der Allgemeinen Vertragsbedingungen des zwischen SEMEA und der Kommission geschlossenen Vertrags unterworfen habe.

38

Die Rechtsmittelführerinnen machen erstens geltend, dass das anwendbare nationale Recht, hier Art. 2060 des Code civil, es juristischen Personen des öffentlichen Rechts untersage, einen Rechtsstreit vor ein Schiedsgericht zu bringen. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die keine Schiedsklausel vereinbaren könne, könne eine solche Klausel erst recht nicht zugunsten eines Dritten vereinbaren, zumal Art. 272 AEUV die Möglichkeit einer solchen Vereinbarung nicht vorsehe.

39

Außerdem sei die Bezugnahme des Gerichts in Rn. 136 des angefochtenen Urteils auf das Urteil Gerling Konzern (201/82, EU:C:1983:217, Rn. 10 bis 20) für den vorliegenden Fall nicht relevant, da dieses Urteil im speziellen Kontext eines Versicherungsvertrags ergangen sei. Darüber hinaus liege, da die Kommission einer Übertragung der Forderung, die sie im Hinblick auf SEMEA gegen das Vermögen der Commune de Millau besitze, nie ausdrücklich zugestimmt habe, nach dem Grundsatz der Privatautonomie weder eine Übertragung dieser Forderung noch eine Übertragung der Schiedsklausel vor.

40

Zweitens beanstanden die Rechtsmittelführerinnen insbesondere die Rn. 137 bis 140 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht festgestellt hat, dass die Zahlungsverpflichtung zulasten der Commune de Millau ihren Grund in der Vereinbarung habe, die diese mit SEMEA geschlossen habe, aus der ein Vertrag zugunsten Dritter – der Union – abgeleitet werden könne. Eine solche Vereinbarung über die angebliche Verbindlichkeit gegenüber der Kommission sei nie abgeschlossen worden, da die Entscheidung der Commune de Millau in Bezug auf die Übernahme der Verbindlichkeiten von SEMEA eine einseitige Entscheidung dieser Gemeinde darstelle.

41

Drittens sind die Rechtsmittelführerinnen der Ansicht, dass das Gericht in Rn. 140 des angefochtenen Urteils den Beschluss vom 18. Dezember 2010 unrichtig aufgefasst habe, indem es angenommen habe, dass die Commune de Millau „in voller Kenntnis der Sachlage“ eine Schuld habe übernehmen wollen, die nach Art und Inhalt der Schuld von SEMEA entsprochen habe. Die Entscheidung des Gemeinderats der Commune de Millau über die Übernahme der Forderungen und Verbindlichkeiten von SEMEA „wie oben beschrieben“ enthalte aber eine detaillierte Beschreibung, in der es keinen Hinweis auf das Bestehen einer Schiedsklausel gebe.

42

Die Kommission macht zunächst geltend, dass Art. 10 der Allgemeinen Vertragsbedingungen nach französischem Recht als Klausel über die gerichtliche Zuständigkeit und nicht als Schiedsklausel zu qualifizieren sei. Von dem in Art. 2060 des Code civil betroffenen Verbot sei indes nur die Schiedsklausel erfasst.

43

Sodann habe das Gericht zu Recht angenommen, dass die Merkmale eines Vertrags zugunsten Dritter vorlägen. Die Tragweite des Urteils Gerling Konzern (EU:C:1983:217) sei nicht auf Versicherungsverträge beschränkt.

44

Schließlich sei das Argument in Bezug auf den Beschluss vom 18. Dezember 2010 als unzulässig zurückzuweisen, da es eine reine Tatsachenfrage zum Gegenstand habe.

– Würdigung durch den Gerichtshof

45

Mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes beanstanden die Rechtsmittelführerinnen die Auffassung, dass eine Schiedsklausel im Sinne von Art. 272 AEUV Gegenstand eines Vertrags zugunsten Dritter sein könne. Sie weisen insoweit auf ihr erstinstanzliches Vorbringen zu dem für juristische Personen des französischen öffentlichen Rechts geltenden Verbot, eine Schiedsklausel zu vereinbaren, hin und machen geltend, dass dieses Verbot erst recht für die Vereinbarung einer solchen Klausel zugunsten eines Dritten gelten müsse.

46

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass sich die Rechtsmittelführerinnen darauf beschränken, eine bereits vor dem Gericht vorgebrachte Argumentation weiterzuentwickeln, ohne zu der Begründung Stellung zu nehmen, mit der das Gericht diese zurückgewiesen hat.

47

Aus Art. 256 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 112 Abs. 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichtshofs folgt aber, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss (vgl. u. a. Urteile Bergaderm und Goupil/Kommission, C‑352/98 P, EU:C:2000:361, Rn. 34, Interporc/Kommission, C‑41/00 P, EU:C:2003:125, Rn. 15, sowie Reynolds Tobacco u. a./Kommission, C‑131/03 P, EU:C:2006:541, Rn. 49).

48

Ein Rechtsmittel, das nur die bereits vor dem Gericht geltend gemachten Klagegründe oder Argumente einschließlich derjenigen wiederholt oder wörtlich wiedergibt, die auf ein ausdrücklich vom Gericht zurückgewiesenes Tatsachenvorbringen gestützt waren, genügt somit nicht den Begründungserfordernissen, die sich aus diesen Vorschriften ergeben (vgl. u. a. Urteil Interporc/Kommission, EU:C:2003:125, Rn. 16). Ein solches Rechtsmittel zielt nämlich in Wirklichkeit nur auf eine erneute Prüfung der beim Gericht eingereichten Klage ab, was nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt (vgl. u. a. Urteil Reynolds Tobacco u. a./Kommission, EU:C:2006:541, Rn. 50).

49

Daher ist dieses Argument als unzulässig zurückzuweisen.

50

Was die Bezugnahme auf das Urteil Gerling Konzern (EU:C:1983:217) in Rn. 136 des angefochtenen Urteils betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht dieses Urteil zitiert hat, um hervorzuheben, dass „[d]ie verfahrensrechtliche Natur einer Schiedsklausel … nicht dagegen [spricht], dass sie zugunsten Dritter vereinbart wird“.

51

Es genügt aber, festzustellen, dass Rn. 136 des angefochtenen Urteils eine zusätzliche Begründung enthält, die die Schlussfolgerung stützt, zu der das Gericht in den Rn. 134 und 135 des Urteils gelangt war, nämlich dass eine Gerichtsstandsvereinbarung Gegenstand eines Vertrags zugunsten Dritter sein könne.

52

Da das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen in Bezug auf das Urteil Gerling Konzern (EU:C:1983:217) die Schlussfolgerung des Gerichts somit nicht zu entkräften vermag, ist es als ins Leere gehend zurückzuweisen.

53

Das auf den Grundsatz der Privatautonomie gestützte Vorbringen, dass es wegen des Fehlens einer ausdrücklichen Zustimmung der Kommission weder eine Übertragung der streitigen Forderung noch der darauf bezogenen Schiedsklausel gegeben habe, ist ebenfalls zurückzuweisen. Die Rechtsmittelführerinnen wiederholen nämlich nur ihre im ersten Rechtszug ausgeführte Argumentation, ohne näher darzulegen, inwiefern die Begründung des Gerichts, soweit es in den Rn. 142 und 143 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass die ausdrückliche Zustimmung der Kommission nicht erforderlich gewesen sei, da die Schiedsklausel zugunsten der Union vereinbart wurde, zu beanstanden sein soll.

54

Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes genügt die Feststellung, dass die Rechtsmittelführerinnen, indem sie auf bestimmte tatsächliche Gesichtspunkte hinweisen, im Wesentlichen die Würdigung der Umstände des Falles rügen, die das Gericht in den Rn. 137 bis 140 des angefochtenen Urteils vorgenommen hat, um zu bestimmen, ob das Vorliegen eines Vertrags zugunsten Dritter aus dem Zweck des in Rede stehenden Vertrags abgeleitet werden kann.

55

Nach den Art. 256 AEUV und 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs ist aber das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt und muss auf die Unzuständigkeit des Gerichts, auf einen Verfahrensfehler, durch den die Interessen des Rechtsmittelführers beeinträchtigt werden, oder auf eine Verletzung des Unionsrechts durch das Gericht gestützt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Brazzelli Lualdi u. a., C‑136/92 P, EU:C:1994:211, Rn. 47).

56

Daher ist allein das Gericht für die Feststellung des Sachverhalts – sofern sich nicht aus den Prozessakten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind – und für die Würdigung der Beweise zuständig. Die Feststellung des Sachverhalts und die Würdigung der Beweise stellen demnach, außer im Fall ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage dar, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile EIB/Hautem, C‑449/99 P, EU:C:2001:502, Rn. 44, sowie Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, C‑105/04 P, EU:C:2006:592, Rn. 69 und 70).

57

Die vom Gericht vorgenommene Tatsachenwürdigung, die zu dem Ergebnis geführt hat, dass eine Zahlungsverpflichtung der Commune de Millau bestand, stellt somit, soweit keine Verfälschung dieser Tatsachen vorliegt, die von den Rechtsmittelführerinnen jedoch nicht behauptet worden ist, keine Rechtsfrage dar, die der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt.

58

Der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes ist daher unzulässig.

59

Mit dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, das Gericht habe in Rn. 141 des angefochtenen Urteils bei der Bestimmung der Frage, welche Tragweite die Übernahme der Verbindlichkeit von SEMEA durch die Commune de Millau gegenüber der Kommission gehabt habe, den Beschluss vom 18. Dezember 2010 unrichtig aufgefasst.

60

Es ist jedoch festzustellen, dass sich die Rechtsmittelführerinnen darauf beschränken, die Würdigung, die das Gericht in Bezug auf den Umfang der von der Commune de Millau übernommenen Verbindlichkeiten von SEMEA vorgenommen hat, als solche zu beanstanden. Somit bezieht sich ihre Behauptung weder auf die tatsächliche Unrichtigkeit der Feststellungen des Gerichts noch auf eine Verfälschung der ihm vorgelegten Beweise.

61

Gemäß der in den Rn. 55 und 56 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist auch dieser dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als unzulässig zurückzuweisen.

62

Nach alledem ist der erste Rechtsmittelgrund als teilweise ins Leere gehend und teilweise unzulässig zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund

– Vorbringen der Parteien

63

Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass das Gericht mit seiner Entscheidung, dass die Klage der Kommission gegen SEMEA zulässig sei, einen Rechtsfehler begangen habe. Das Gericht habe zu Unrecht zum einen festgestellt, dass die gesellschaftsrechtlichen Rechte und Verbindlichkeiten von SEMEA nicht erloschen seien, und zum anderen, dass SEMEA von ihren Verbindlichkeiten gegenüber der Kommission nicht infolge der Übertragung ihres Vermögens an die Commune de Millau befreit worden sei, da die Kommission der Übernahme der streitigen Forderung durch diese Gemeinde nicht zugestimmt habe.

64

Da die Commune de Millau vollständig an die Stelle von SEMEA getreten sei, habe diese nach Auffassung der Rechtsmittelführerinnen ihre Abwicklung beenden können. SEMEA sei rechtsgültig von ihren Verbindlichkeiten gegenüber der Kommission befreit worden, deren Zustimmung nicht erforderlich sei, da ihre Ersetzung durch eine zahlungsfähige juristische Person für die Kommission vorteilhaft sei.

65

Die Kommission hält den Rechtsmittelgrund für unzulässig, weil er nicht klar sei. Hilfsweise sei der Rechtsmittelgrund als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

– Würdigung durch den Gerichtshof

66

Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass die Commune de Millau an die Stelle von SEMEA getreten sei. Damit billigen sie in Wirklichkeit die Begründung, die das Gericht in den Rn. 138 bis 140 des angefochtenen Urteils angeführt hat, wonach aus den Umständen des Falles hervorgehe, dass die tatsächlichen oder potenziellen Gläubiger von SEMEA, zu denen insbesondere die Kommission gehört, durch einen Vertrag zugunsten Dritter in der Commune de Millau einen neuen Schuldner erhalten hätten.

67

Es ist jedoch festzustellen, dass sich die von den Rechtsmittelführerinnen gegenüber dem angefochtenen Urteil erhobenen Rügen auf die vom Gericht vorgenommene Sachverhaltswürdigung beschränken, ohne genau anzugeben, welche Rechtsfehler das Gericht insoweit begangen haben soll, oder die rechtlichen Argumente vorzubringen, die für diesen zweiten Rechtsmittelgrund geltend gemacht werden. Nach der in den Rn. 47 und 48 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist dieser zweite Rechtsmittelgrund unzulässig.

68

Darüber hinaus ist festzustellen, dass dieser zweite Rechtsmittelgrund im Wesentlichen die Ausführungen aufgreift, die die Rechtsmittelführerinnen im Rahmen ihres ersten Rechtsmittelgrundes gemacht haben, der jedoch darauf hinauslief, das Vorliegen jeder Vereinbarung zwischen SEMEA und der Commune de Millau über die behauptete Verbindlichkeit gegenüber der Kommission zu verneinen.

69

Deshalb, und da die Rechtsmittelführerinnen somit ihrer eigenen rechtlichen Argumentation widersprechen, ist dieser zweite Rechtsmittelgrund als unzulässig zurückzuweisen (vgl. in diesem Sinne Beschluss Nijs/Rechnungshof, C‑495/06 P, EU:C:2007:644, Rn. 52 bis 56).

Zum dritten Rechtsmittelgrund

– Vorbringen der Parteien

70

Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht vor, einen Rechtsfehler begangen zu haben, indem es entschieden habe, dass die 30-jährige Verjährungsfrist des allgemeinen Rechts anwendbar und die streitige Forderung damit nicht verjährt sei.

71

Die Rechtsmittelführerinnen weisen zum einen darauf hin, dass die Commune de Millau, da sie das Vermögen von SEMEA übernommen habe, berechtigt sei, der Kommission gegenüber dieselben rechtlichen Argumente geltend zu machen, auf die sich SEMEA hätte berufen können, einschließlich des Arguments betreffend die zehnjährige Verjährung von Verbindlichkeiten gemäß dem Code de commerce in seiner vorliegend maßgeblichen Fassung (im Folgenden: Code de commerce). Zum anderen sei, da SEMEA eine gemischtwirtschaftliche Gesellschaft mit Handelscharakter sei, die streitige Forderung im Rahmen einer Handelsbeziehung zwischen SEMEA, die Kaufmannseigenschaft habe, und der Kommission, die keine Kaufmannseigenschaft habe, entstanden.

72

Erstens machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass die Verjährung der Verbindlichkeiten nicht vom verwaltungsrechtlichen Charakter des Vertrags abhänge. Da es an einer besonderen verwaltungsrechtlichen Regelung fehle, seien nämlich die Verjährungsregeln des allgemeinen Rechts anwendbar. Die im Code de commerce vorgesehene zehnjährige Verjährungsfrist sei eine spezielle Rechtsvorschrift, die Vorrang vor den Vorschriften des bürgerlichen Rechts habe; sie müsse daher auf die im vorliegenden Fall in Rede stehende handelsrechtliche Beziehung angewandt werden.

73

Zum Urteil des Conseil d’État vom 31. Juli 1992 (Nr. 69661) weisen die Rechtsmittelführerinnen darauf hin, dass der Verwaltungsrichter die Anwendung der im Code de commerce vorgesehenen zehnjährigen Verjährungsfrist nicht aus dem Grund abgelehnt habe, dass sie nicht zwischen einer Person des öffentlichen Rechts und einem Kaufmann anwendbar wäre, sondern, weil die streitigen Verbindlichkeiten nicht in einer Handelsbeziehung zwischen den betroffenen Personen entstanden seien. Folglich könne die Rechtsnatur des fraglichen Vertrags der Anwendung der im Code de commerce vorgesehenen zehnjährigen Verjährungsfrist nicht entgegenstehen.

74

Zweitens werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht vor, die Bestimmungen des Vertrags und die Umstände des vorliegenden Falles unzutreffend dahin gehend gewürdigt zu haben, dass die streitige Forderung nicht als im Rahmen der Handelsbeziehung zwischen SEMEA und der Kommission entstanden anzusehen sei.

75

In diesem Zusammenhang betonen sie, dass das Urteil des Conseil d’ État vom 31. Juli 1992 in dem völlig anderen Kontext der im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik eingeführten landwirtschaftlichen Erstattungen ergangen sei und nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden könne. In Anbetracht der vertraglichen Bestimmungen sei die Kommission nämlich unmittelbar in das fragliche Vorhaben einbezogen und verfüge über einen beherrschenden Einfluss auf das Werk, so dass das Vorliegen einer Handelsbeziehung zwischen SEMEA und der Kommission festzustellen sei.

76

Die Kommission macht geltend, dass der erste Teil des dritten Rechtsmittelgrundes als unzulässig oder zumindest als unbegründet zurückzuweisen sei, da er auf einem fehlerhaften Verständnis des angefochtenen Urteils beruhe. Das Gericht habe seine Begründung in Bezug auf die Verjährung der streitigen Forderung in keiner Weise auf den verwaltungsrechtlichen Charakter des in Rede stehenden Vertrags gestützt.

77

Was den zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes anbelangt, habe sich das Gericht zutreffend auf das Urteil des Conseil d’État vom 31. Juli 1992 bezogen, um den Grundsatz zu veranschaulichen, dass ein Vertrag, der auf die Zahlung einer finanziellen Beihilfe im Rahmen der Erbringung einer öffentlichen Dienstleistung ohne Gewinn oder Gegenleistung abziele, nicht als ein Handelsgeschäft angesehen werden könne, so dass für ihn nicht die in Art. 110-4 des Code de commerce vorgesehene zehnjährige Verjährungsfrist gelte.

– Würdigung durch den Gerichtshof

78

Was erstens das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen betrifft, dass der öffentlich-rechtliche Charakter des Vertrags für die Bestimmung der auf die streitige Forderung anwendbaren Verjährungsfrist ohne Bedeutung sei, ist festzustellen, dass das Gericht in den Rn. 61 bis 68 des angefochtenen Urteils geprüft hat, welche Regelung auf diesen Vertrag anzuwenden ist, und zu dem Ergebnis gelangt ist, dass es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handele.

79

Bei seiner Prüfung der Frage, welche Verjährungsfrist für die streitige Forderung gilt, hat das Gericht in den Rn. 82 bis 88 des angefochtenen Urteils aber keinen Bezug auf den öffentlich-rechtlichen Charakter des in Rede stehenden Vertrags genommen.

80

Da der öffentlich-rechtliche Charakter dieses Vertrags keine Auswirkungen auf die Bestimmung der für die streitige Forderung geltenden Verjährungsfrist hatte, ist das hierzu vorgebrachte Argument als ins Leere gehend zurückzuweisen.

81

Zweitens ist zu dem Vorwurf, das Gericht habe die Bestimmungen des Vertrags und die Umstände des vorliegenden Falles unzutreffend gewürdigt, festzustellen, dass das Gericht in Rn. 83 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, dass der in Rede stehende Vertrag die Zahlung einer Subvention durch die Kommission betroffen habe, deren Zweck die Erfüllung eines im Rahmen der Regionalpolitik der Union geschlossenen Vertrags gewesen sei.

82

Es hat hieraus, gestützt auf das Urteil des Conseil d’État vom 31. Juli 1992, gefolgert, dass „nicht davon ausgegangen werden [kann], dass die sich insoweit ergebenden Verbindlichkeiten, zu denen die streitige Forderung zählt, im Handelsverkehr zwischen der Kommission und SEMEA entstanden sind“.

83

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass sich das Gericht für den Ausschluss der Anwendung der im Code de commerce vorgesehenen Verjährungsfrist entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen nicht darauf gestützt hat, dass der Vertrag zwischen einer öffentlich-rechtlichen Person und einem Kaufmann geschlossen wurde, sondern darauf, dass der in Rede stehende Vertrag die Zahlung einer Subvention durch die Kommission für die Zwecke der Erfüllung eines im Rahmen der Regionalpolitik der Union geschlossenen Vertrags betroffen habe.

84

Ferner kann das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, wonach der Kontext des vorliegenden Falles ein völlig anderer sei als der, um den es im Urteil des Conseil d’État vom 31. Juli 1992 gegangen sei, keinen Erfolg haben. Die streitige Rückzahlungsaufforderung bezog sich nämlich auf Beträge, die die Kommission im Rahmen einer Regionalpolitik gezahlt hatte und von denen nicht angenommen werden konnte, dass sie sich aus Verbindlichkeiten ergäben, die zwischen den Rechtsmittelführerinnen und der Kommission im Rahmen ihrer Handelstätigkeit entstanden wären.

85

Demnach ist der dritte Rechtsmittelgrund als teilweise ins Leere gehend und teilweise unbegründet zurückzuweisen.

Zum vierten Rechtsmittelgrund

– Vorbringen der Parteien

86

Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht vor, ihre Widerklage mit der Feststellung abgewiesen zu haben, dass zwischen dem Verhalten der Kommission und dem von ihnen behaupteten Schaden kein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang bestehe.

87

Die Kommission habe zwischen dem 27. April 1993 und dem 18. November 2005 nichts unternommen, um die ihrer Ansicht nach geschuldeten Beträge beizutreiben. Wäre sie früher bei SEMEA vorstellig geworden, hätte diese Prüfungen vornehmen und gegebenenfalls der Rückzahlungsforderung angemessen nachkommen können.

88

Die Untätigkeit der Kommission während zwölf Jahren habe SEMEA annehmen lassen, dass die Kommission auf die Rückzahlung der gezahlten Beträge verzichtet habe.

89

Nach Auffassung der Rechtsmittelführerinnen stellt eine solche Untätigkeit der Kommission einen Verstoß gegen ihre Verpflichtung zu ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne von Art. 41 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dar, den das Gericht hätte ahnden müssen.

90

Die Kommission hält den vierten Rechtsmittelgrund für unzulässig, da er darauf abziele, die vom Gericht vorgenommene Tatsachenwürdigung in Frage zu stellen.

– Würdigung durch den Gerichtshof

91

Zum Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen in Bezug auf den angeblichen Verzicht der Kommission auf die Rückzahlung der gezahlten Beträge ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in Rn. 77 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass nach den Prozessakten das Vorliegen eines Verzichts nicht habe festgestellt werden können.

92

Daher rügen die Rechtsmittelführerinnen mit diesem Vorbringen in Wirklichkeit die Würdigung des Akteninhalts durch das Gericht. Nach der in den Rn. 55 und 56 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist das Vorbringen infolgedessen als unzulässig zurückzuweisen.

93

Soweit die Rechtsmittelführerinnen der Kommission einen Verstoß gegen ihre Verpflichtung zu ordnungsgemäßer Verwaltung vorwerfen, ist unbestritten, dass die Kommission zwar mit Schreiben vom 27. April 1993 die Rückzahlung der streitigen Forderung verlangt hat und SEMEA dieser Aufforderung nicht nachgekommen ist. Sie hat sich allerdings erst mit Einschreiben vom 18. November 2005 erneut an SEMEA gewandt, und die Versendung der Einziehungsanordnung erfolgte erst mit dem Schreiben vom 11. Januar 2006.

94

Dieser Umstand ist jedoch nicht geeignet, die Beurteilungen in den Rn. 108 und 109 des angefochtenen Urteils in Frage zu stellen, wonach kein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Kommission und dem von den Rechtsmittelführerinnen behaupteten Schaden, was den Betrag von 41012 Euro betrifft, bestanden habe.

95

Das Gericht hat somit zutreffend entschieden, dass die Zahlungsaufforderung über die Forderung von 41012 Euro auf die Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Beträge gerichtet war und dass, da diese Forderung nicht verjährt war, SEMEA jedenfalls zur Zahlung verpflichtet war. Da die beiden Klagen auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen, war der Betrag der streitigen Forderung selbst dann fällig, wenn unterstellt wird, dass die Kommission aufgrund des Verstoßes gegen ihre Verpflichtung zu ordnungsgemäßer Verwaltung außervertraglich haftet.

96

Was dagegen die Verzugszinsen betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die außervertragliche Haftung der Union und der Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 340 AEUV davon abhängen, dass eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt ist, die sich auf die Rechtswidrigkeit des den Organen vorgeworfenen Verhaltens, das tatsächliche Vorliegen des Schadens und das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen diesem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden beziehen (vgl. u. a. Urteile Oleifici Mediterranei/EWG, 26/81, EU:C:1982:318, Rn. 16, Birra Wührer u. a./Rat und Kommission, 256/80, 257/80, 265/80, 267/80, 5/81, 51/81 und 282/82, EU:C:1984:341, Rn. 9, und Inalca und Cremonini/Kommission, C‑460/09 P, EU:C:2013:111, Rn. 46).

97

In Bezug auf das der Kommission vorgeworfene rechtswidrige Verhalten ist darauf hinzuweisen, dass gemäß dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, der zu den Garantien gehört, die die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt, und der gegenwärtig in Art. 41 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist, die Unionsorgane Beitreibungsverfahren mit Sorgfalt durchzuführen und so zu handeln haben, dass jede Verfolgungsmaßnahme innerhalb einer angemessenen Frist nach der vorausgegangenen Maßnahme erfolgt.

98

Es steht jedoch fest, dass die Kommission, nachdem sie mit Schreiben vom 27. April 1993 die Rückzahlung der streitigen Forderung verlangt hatte, über zwölf Jahre untätig geblieben ist und erst mit Einschreiben vom 18. November 2005 wieder vorstellig geworden ist.

99

Darüber hinaus kann eine solche Untätigkeit weder mit der Komplexität des Rechtsstreits noch mit einem anderen besonderen, den festgestellten Verzug rechtfertigenden Umstand gerechtfertigt werden.

100

Unter diesen Umständen hat das Gericht in Rn. 108 des angefochtenen Urteils zu Unrecht entschieden, dass kein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Kommission und dem angeblichen Schaden bestehe.

101

Was das Vorliegen des Schadens angeht, trifft es zu, dass die Zinsen angefallen sind, weil SEMEA der Rückzahlungsaufforderung der Kommission vom 27. April 1993 nicht unverzüglich nachgekommen ist.

102

Die über zwölf Jahre andauernde Untätigkeit der Kommission hatte allerdings, wie aus Nr. 89 der Schlussanträge der Generalanwältin hervorgeht, zur Folge, dass die geforderten Verzugszinsen den Betrag der streitigen Forderung mittlerweile übersteigen.

103

Gemäß Nr. 90 der genannten Schlussanträge ist festzustellen, dass der Betrag der in dem über zwölf Jahre dauernden Zeitraum der Untätigkeit der Kommission angefallenen Verzugszinsen unmittelbar dem Verhalten dieses Organs anzulasten ist.

104

Daher ist das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit darin im Rahmen der Prüfung der von den Rechtsmittelführerinnen erhobenen Widerklage festgestellt worden ist, dass kein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Kommission und dem angeblich durch die Verurteilung zur Zahlung von Verzugszinsen erlittenen Schaden besteht.

Zur Klage

105

Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs kann der Gerichtshof, wenn er die Entscheidung des Gerichts aufhebt, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist. Das ist hier der Fall.

106

Vorliegend ist in Anbetracht der spezifischen Merkmale des Falles über die Widerklage der Rechtsmittelführerinnen wegen der Verurteilung zur Zahlung von Verzugszinsen zu entscheiden.

107

Aus den Rn. 97 bis 104 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass der Schaden, der aus den Verzugszinsen besteht, die während der mehr als zwölf Jahre andauernden Untätigkeit der Kommission angefallen sind, unmittelbar dem schuldhaften Verhalten dieses Organs anzulasten ist.

108

Außerdem ist jedoch davon auszugehen, dass die Forderung von 41012 Euro, die SEMEA der Kommission hätte erstatten müssen, am 18. November 2005, d. h. an dem Tag, an dem das Organ die Rückzahlung dieses Betrags verlangt hat, nicht verjährt war.

109

Daher ist der Widerklage der Rechtsmittelführerinnen teilweise stattzugeben und die Kommission zu verurteilen, drei Viertel des Betrags der Verzugszinsen zu tragen, die zu dem in Frankreich geltenden gesetzlichen jährlichen Zinssatz zwischen dem 27. April 1993 und dem 18. November 2005 angefallen sind.

Kosten

110

Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet.

111

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der gemäß deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Für den Fall, dass jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, bestimmt Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt. Der Gerichtshof kann jedoch nach derselben Bestimmung entscheiden, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt, wenn dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheint.

112

Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof der Auffassung, dass der Kommission neben ihren eigenen Kosten in beiden Rechtszügen ein Viertel der Kosten der Commune de Millau und von SEMEA aufzuerlegen ist. Diese tragen drei Viertel ihrer eigenen Kosten in beiden Rechtszügen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union Kommission/SEMEA und Commune de Millau (T‑168/10 und T‑572/10) wird aufgehoben, soweit darin im Rahmen der von der Commune de Millau und der Société d’économie mixte d’équipement de l’Aveyron (SEMEA) erhobenen Widerklage festgestellt worden ist, dass kein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten der Europäischen Kommission und dem angeblich durch die Verurteilung zur Zahlung von Verzugszinsen erlittenen Schaden besteht.

 

2.

Der Widerklage der Commune de Millau und der Société d’économie mixte d’équipement de l’Aveyron (SEMEA) wird insoweit teilweise stattgegeben, als die Europäische Kommission verurteilt wird, drei Viertel des Betrags zu tragen, der den Verzugszinsen zum in Frankreich geltenden gesetzlichen jährlichen Zinssatz entspricht, die zwischen dem 27. April 1993 und dem 18. November 2005 angefallen sind.

 

3.

Im Übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen.

 

4.

Die Europäische Kommission wird verurteilt, sowohl im Verfahren des ersten Rechtszugs als auch im Rechtsmittelverfahren neben ihren eigenen Kosten ein Viertel der Kosten zu tragen, die der Commune de Millau und der Société d’économie mixte d’équipement de l’Aveyron (SEMEA) in diesen beiden Rechtszügen entstanden sind.

 

5.

Die Commune de Millau und die Société d’économie mixte d’équipement de l’Aveyron (SEMEA) tragen drei Viertel ihrer eigenen Kosten im Verfahren des ersten Rechtszugs und im Rechtsmittelverfahren.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

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