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Dokument 62010CJ0014

Urteil des Gerichtshofes (Vierte Kammer) vom 21. Juli 2011.
Nickel Institute gegen Secretary of State for Work and Pensions.
Ersuchen um Vorabentscheidung: High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Administrative Court) - Vereinigtes Königreich.
Umwelt und Schutz der menschlichen Gesundheit - Richtlinie 67/548/EWG - Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 - Einstufung von Nickelcarbonaten, Nickelhydroxiden und mehreren Gruppen von Nickelverbindungen als gefährliche Stoffe - Gültigkeit der Richtlinien 2008/58/EG und 2009/2/EG sowie der Verordnung (EG) Nr. 790/2009 - Anpassung dieser Einstufungen an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt - Gültigkeit - Methoden zur Bewertung der Eigenschaften dieser Stoffe - Offenkundiger Ermessensfehler - Rechtsgrundlage - Begründungspflicht.
Rechtssache C-14/10.

Sammlung der Rechtsprechung 2011 I-06609

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2011:503

Rechtssache C‑14/10

Nickel Institute

gegen

Secretary of State for Work and Pensions

(Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice [England & Wales], Queen’s Bench Division [Administrative Court])

„Umwelt und Schutz der menschlichen Gesundheit – Richtlinie 67/548/EWG – Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 – Einstufung von Nickelcarbonaten, Nickelhydroxiden und mehreren Gruppen von Nickelverbindungen als gefährliche Stoffe – Gültigkeit der Richtlinien 2008/58/EG und 2009/2/EG sowie der Verordnung (EG) Nr. 790/2009 – Anpassung dieser Einstufungen an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt – Gültigkeit – Methoden zur Bewertung der Eigenschaften dieser Stoffe – Offenkundiger Ermessensfehler – Rechtsgrundlage – Begründungspflicht“

Leitsätze des Urteils

Rechtsangleichung – Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe –Richtlinie 67/548 – Anpassung an den technischen Fortschritt – Einstufung bestimmter Nickelverbindungen als gefährliche Stoffe

(Art. 253 EG; Verordnungen Nr. 1907/2006 und Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates; Verordnung Nr. 790/2009 der Kommission; Richtlinie 67/548 des Rates; Richtlinien 2008/58 und 2009/2 der Kommission)

Die Richtlinie 67/548 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe belässt der Kommission in einem komplexen technischen und rechtlichen, sich ständig weiterentwickelnden Rahmen in der Sache ein weites Ermessen hinsichtlich des Umfangs der Maßnahmen, die zu ergreifen sind, um die Anhänge dieser Richtlinie an den technischen Fortschritt anzupassen. Da die Unionsbehörden über ein weites Ermessen insbesondere in Bezug auf die Beurteilung der hoch komplexen wissenschaftlichen und technischen tatsächlichen Umstände bei der Festlegung von Art und Umfang der von ihnen erlassenen Maßnahmen verfügen, muss sich die Kontrolle durch den Unionsrichter auf die Prüfung beschränken, ob die Ausübung dieses Ermessens nicht offensichtlich fehlerhaft ist, einen Ermessensmissbrauch darstellt oder diese Behörden die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich überschritten haben. In einem solchen Kontext darf der Unionsrichter nämlich nicht seine Beurteilung der tatsächlichen Umstände wissenschaftlicher und technischer Art an die Stelle derjenigen der Organe setzen, denen allein der EG‑Vertrag diese Aufgabe anvertraut hat.

Unter Berücksichtigung des Umfangs dieser Kontrolle und angesichts der Schlussfolgerungen, die nach Abschluss eines langen, die Jahre 2000 bis 2008 umfassenden Konsultationsprozesses und zahlreichen für die letzten Anpassungen der Richtlinie 67/548 beim Erlass der Richtlinien 2008/58 und 2009/2 zur 30. und der 31. Anpassung der Richtlinie 67/548 an den technischen Fortschritt durchgeführten Gutachten und Studien formuliert wurden, hat die Kommission offensichtlich nicht die Grenzen ihres Ermessens überschritten, als sie sich beim Erlass der Einstufungen bestimmter Nickelverbindungen in ein hohes Gefahrenniveau auf die Beurteilung durch fachkundige Personen stützte, die zur Beurteilung der Eigenschaften der fraglichen Nickelverbindungen u. a. auf das Analogiekonzept zurückgriffen. Die Kommission hat offenkundig auch nicht die Grenzen ihres Ermessens überschritten, als sie unter diesen Umständen davon ausging, dass aufgrund der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse ein ausreichender technischer Fortschritt vorliege, um eine Anpassung der Richtlinie 67/548 zu rechtfertigen. Folglich durften die Richtlinien 2008/58 und 2009/2 auf die Rechtsgrundlage des Art. 28 der Richtlinie 67/548 gestützt werden.

Die Gültigkeit der Einstufung dieser Stoffe aufgrund einer Bewertung der durch ihre Eigenschaften bedingten Gefahren wird auch nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass bestimmte Nickelcarbonate nur unter Laborbedingungen gehandhabt oder verwendet wurden. Auch wenn weder die Richtlinie 67/548 noch die Verordnung Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen oder die REACH‑Verordnung eine Definition für „gebräuchliche Handhabung oder Verwendung“ enthalten, umfasst dieser Begriff alle Handhabungen und Verwendungen, die unter normalen Umständen möglich sind, so dass u. a. auch realistische und vorhersagbare Unfälle zu berücksichtigen sind.

Außerdem leidet die Richtlinie 2008/58 nicht an einem gegen Art. 253 EG verstoßenden Begründungsmangel, da es sich zum einen um einen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung handelt, der in einen komplexen technischen und rechtlichen Rahmen einzuordnen ist, der eine detaillierte und individuelle Begründung der vorgenommenen Einstufungen erschwert, so dass die in dieser Richtlinie enthaltene Begründung angesichts der Natur dieses Rechtsakts ausreicht, und da zum anderen die Vertreter des betroffenen Wirtschaftszweigs am Prozess zur Ausarbeitung der Richtlinie beteiligt waren und die wissenschaftlichen Erwägungen und die Daten, die die streitigen Einstufungen rechtfertigten, in mehreren der Öffentlichkeit vor dem Erlass der Richtlinie bekannt gemachten Dokumenten und Protokollen der Sitzungen der Fachleute enthalten waren.

In Bezug auf die Aufnahme der streitigen Einstufungen in Tabelle 3.1 des Anhangs VI Teil 3 der Verordnung Nr. 1272/2008 hat die Kommission nicht dadurch einen Fehler begangen, dass sie die Umwandlungstabelle des Anhangs VII dieser Verordnung verwendet hat, statt die Kriterien des Anhangs I der Verordnung zu berücksichtigen. Die Wiederholung dieses Bewertungsverfahrens war nicht erforderlich, da mit der Verordnung Nr. 790/2009 zur Änderung der Verordnung Nr. 1272/2008 zwecks Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt lediglich die Einstufungen in die Verordnung Nr. 1272/2008 eingefügt wurden, die bereits nach dem komplexen Bewertungsverfahren der Richtlinie 67/548 vorgenommen wurden.

Folglich gibt es keine Umstände, die die Gültigkeit der Richtlinien 2008/58 und 2009/2 zum einen und der Verordnung Nr. 790/2009 zum anderen beeinträchtigen könnten, soweit in diesen Richtlinien und in dieser Verordnung Stoffe wie bestimmte Nickelcarbonate, Nickelhydroxide und andere Gruppen von Nickelverbindungen als für den Menschen krebserzeugend der Kategorie 1, erbgutverändernd der Kategorie 3 und fortpflanzungsgefährdend der Kategorie 2 eingestuft werden.

(vgl. Randnrn. 59-60, 77, 79, 82-83, 92-95, 102-105, 115, 117, 120 und Tenor)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

21. Juli 2011(*)

„Umwelt und Schutz der menschlichen Gesundheit – Richtlinie 67/548/EWG – Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 – Einstufung von Nickelcarbonaten, Nickelhydroxiden und mehreren Gruppen von Nickelverbindungen als gefährliche Stoffe – Gültigkeit der Richtlinien 2008/58/EG und 2009/2/EG sowie der Verordnung (EG) Nr. 790/2009 – Anpassung dieser Einstufungen an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt – Gültigkeit – Methoden zur Bewertung der Eigenschaften dieser Stoffe – Offenkundiger Ermessensfehler – Rechtsgrundlage – Begründungspflicht“

In der Rechtssache C‑14/10

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court) (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 10. Dezember 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Januar 2010, in dem Verfahren

Nickel Institute

gegen

Secretary of State for Work and Pensions

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, des Richters K. Schiemann, der Richterinnen C. Toader (Berichterstatterin) und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2011,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–      des Nickel Institute, vertreten durch D. Anderson, QC, K. Nordlander, advokat, und H. Pearson, Solicitor,

–      der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch H. Walker als Bevollmächtigte im Beistand von J. Coppel, Barrister,

–      der dänischen Regierung, vertreten durch V. Pasternak Jørgensen und C. Vang als Bevollmächtigte,

–      der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und B. Klein als Bevollmächtigte,

–      der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,

–      der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Oliver, D. Kukovec und E. Manhaeve als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. März 2011

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft

–        die Gültigkeit der Einstufung von vier Stoffen, die Nickelcarbonate enthalten und mit der Richtlinie 2008/58/EG der Kommission vom 21. August 2008 zur 30. Anpassung der Richtlinie 67/548/EWG an den technischen Fortschritt (ABl. L 246, S. 1, im Folgenden: 30. ATF-Richtlinie) in Anhang I der Richtlinie 67/548/EWG des Rates vom 27. Juni 1967 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe (ABl. 196, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 2001/59/EG der Kommission vom 6. August 2001 (ABl. L 225, S. 1) (im Folgenden: Richtlinie 67/548) aufgenommen wurden;

–        die Gültigkeit der Einstufungen von Nickelhydroxiden und anderen Gruppen von Nickelverbindungen, die mit der Richtlinie 2009/2/EG der Kommission vom 15. Januar 2009 zur 31. Anpassung der Richtlinie 67/548 an den technischen Fortschritt (ABl. L 11, S. 6, im Folgenden: 31. ATF-Richtlinie) in Anhang I der Richtlinie 67/548 aufgenommen wurden, und

–        die Gültigkeit dieser Einstufungen, soweit sie mit der Verordnung (EG) Nr. 790/2009 der Kommission vom 10. August 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen zwecks Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt (ABl. L 235, S. 1, im Folgenden: 1. ATF-Verordnung) aus der 30. und der 31. ATF-Richtlinie in Anhang VI der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548 und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353, S. 1, im Folgenden: CLP‑Verordnung) übernommen wurden.

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Nickel Institute und dem Secretary of State for Work and Pensions wegen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit etwaiger Maßnahmen der Regierung des Vereinigten Königreichs zur Umsetzung der mit der 30. und der 31. ATF-Richtlinie sowie der 1. ATF-Verordnung vorgenommenen Einstufungen.

 Rechtlicher Rahmen

 Die Regelung der Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe und der Bewertung ihrer Risiken – die Richtlinien 67/548 und 93/67/EWG sowie die CLP-Verordnung

 Die Richtlinie 67/548 und ihre 30. und 31. Anpassung an den technischen Fortschritt durch die 30. und die 31. ATF‑Richtlinie

3        Die Richtlinie 67/548 war im Bereich der chemischen Erzeugnisse die erste Harmonisierungsrichtlinie, die Bestimmungen über das Inverkehrbringen bestimmter Stoffe und Zubereitungen festlegt. Anhang I dieser Richtlinie enthielt eine Liste zur Harmonisierung der Einstufung und Kennzeichnung von über 8 000 Stoffen und Stoffgruppen nach ihrer Gefährlichkeit.

4        Art. 2 Abs. 2 Buchst. l, m und n der Richtlinie 67/548 stuft als „gefährlich“ im Sinne dieser Richtlinie u. a. Stoffe ein, die „krebserzeugend“, „erbgutverändernd“ oder „fortpflanzungsgefährdend (reproduktionstoxisch)“ sind.

5        Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 67/548 werden die Stoffe aufgrund ihrer Eigenschaften eingestuft. Art. 4 Abs. 3 bestimmt, dass die Liste der eingestuften Stoffe in Anhang I der Richtlinie enthalten ist und dass der Beschluss zur Aufnahme eines Stoffes in diesen Anhang mit seiner harmonisierten Einstufung und Kennzeichnung nach dem in Art. 29 der Richtlinie 67/548 festgelegten Verfahren zu fassen ist.

6        Gemäß den Art. 28 und 29 der Richtlinie 67/548 können deren Anhänge nach dem in den Art. 5 und 7 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (ABl. L 184, S. 23) in der durch den Beschluss 2006/512/EG des Rates vom 17. Juli 2006 (ABl. L 200, S. 11) geänderten Fassung (im Folgenden: Beschluss 1999/468) vorgesehenen Regelungsverfahren an den technischen Fortschritt angepasst werden. Der Beschluss 1999/468 ist in Verbindung mit Abschnitt 1 des Anhangs III der Verordnung (EG) Nr. 807/2003 des Rates vom 14. April 2003 zur Anpassung der Bestimmungen über die Ausschüsse zur Unterstützung der Kommission bei der Ausübung von deren Durchführungsbefugnissen, die in nach dem Konsultationsverfahren (Einstimmigkeit) erlassenen Rechtsakten des Rates vorgesehen sind, an den Beschluss 1999/468 (ABl. L 122, S. 36) zu lesen.

7        Nach Abschnitt 1.1 des Anhangs VI der Richtlinie 67/548 ist Ziel der Einstufung die Bezeichnung aller physikalisch-chemischen, toxischen und ökotoxischen Eigenschaften von Stoffen, die bei gebräuchlicher Handhabung oder Verwendung eine Gefahr darstellen können.

8        Abschnitt 1.4 des Anhangs VI dieser Richtlinie bestimmt u. a., dass die Kennzeichnung alle potenziellen Gefahren berücksichtigt, die bei der gebräuchlichen Handhabung und Verwendung gefährlicher Stoffe und Zubereitungen auftreten können, wenn diese in einer Form vorliegen, in der sie in den Verkehr gebracht werden. Sie bezieht sich aber nicht unbedingt auf eine Form, in der diese Stoffe und Zubereitungen letztendlich verwendet werden können (z. B. verdünnt).

9        Nach Abschnitt 1.6.1 Buchst. b des Anhangs VI der Richtlinie 67/548 können die Daten, die für die Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen erforderlich sind, auf folgende Weise erhalten werden:

„… aus verschiedenen Quellen … beispielsweise:

–        den Ergebnissen früherer Prüfungen;

–        Informationen, die im Rahmen der internationalen Regelung der Beförderung gefährlicher Güter erforderlich sind,

–        Informationen aus Referenzarbeiten und aus der Literatur; oder

–        Informationen aufgrund praktischer Erfahrungen.

Gegebenenfalls kann auch den Ergebnissen validierter Struktur-Aktivitäts-Beziehungen und der Beurteilung durch eine fachkundige Person Rechnung getragen werden.“

10      Die Richtlinie 67/548 wurde zuletzt durch die 30. und die 31. ATF‑Richtlinie geändert, mit denen u. a. bestimmte im Ausgangsverfahren streitige Nickelcarbonate, Nickelhydroxide und andere Gruppen von im Ausgangsverfahren fraglichen Nickelverbindungen (im Folgenden zusammen: im Ausgangsverfahren fragliche Nickelverbindungen) in ein hohes Gefahrenniveau eingestuft wurden, was mit neuen Anforderungen an Kennzeichnung und Verpackung sowie weiteren legislativen und geschäftlichen Folgen verbunden war. Mit diesen ATF-Richtlinien wurden die im Ausgangsverfahren fraglichen Nickelverbindungen als krebserzeugend der Kategorie 1 und manche von ihnen auch als erbgutverändernd der Kategorie 3 und/oder fortpflanzungsgefährdend der Kategorie 2 eingestuft.

 Die Richtlinie 93/67/EWG zur Festlegung von Grundsätzen für die Bewertung der Risiken nach dem System der Richtlinie 67/548

11      Aus Art. 2 Buchst. a in Verbindung mit den Art. 3 bis 5 der Richtlinie 93/67/EWG der Kommission vom 20. Juli 1993 zur Festlegung von Grundsätzen für die Bewertung der Risiken für Mensch und Umwelt von gemäß der Richtlinie 67/548 notifizierten Stoffen (ABl. L 227, S. 9) geht hervor, dass die Bewertung der von einem Stoff ausgehenden Gefahren für seine Einstufung nach der Richtlinie 67/548 als ersten Schritt die Ermittlung der schädlichen Wirkungen beinhaltet, die als die Feststellung der schädlichen Wirkungen, die von einem Stoff ausgehen können, definiert ist.

12      Außerdem ergibt sich aus Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 93/67, dass die Risikobeschreibung in der Abschätzung der Häufigkeit und der Schwere schädlicher Wirkungen, die in einer Bevölkerungsgruppe oder in einem Umweltbereich infolge einer tatsächlichen oder vorhergesagten Exposition gegenüber einem Stoff wahrscheinlich auftreten, besteht und eine Risikoeinschätzung im Sinne einer Quantifizierung dieser Wahrscheinlichkeit einschließen kann.

 Die CLP-Verordnung und ihre erste Anpassung an den technischen Fortschritt durch die 1. ATF-Verordnung

13      Mit der CLP‑Verordnung wird die Richtlinie 67/548 in Bezug auf die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung chemischer Stoffe an das Global Harmonisierte System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (im Folgenden: GHS) angepasst. Das GHS besteht aus einer Reihe von Empfehlungen des Wirtschafts- und Sozialausschusses der Vereinten Nationen, die es ermöglichen sollen, gefährliche Chemikalien zu ermitteln und die Verbraucher durch Symbole und Standardsätze auf den Verpackungsetiketten über die von diesen Chemikalien ausgehenden Gefahren zu informieren.

14      Nach dem 53. Erwägungsgrund der CLP-Verordnung sollten, damit die Arbeit und die Erfahrungen im Zusammenhang mit der Richtlinie 67/548, einschließlich der Einstufung und Kennzeichnung spezifischer in Anhang I dieser Richtlinie aufgeführter Stoffe, in vollem Umfang berücksichtigt werden, alle bestehenden harmonisierten Einstufungen unter Verwendung der neuen Kriterien in neue harmonisierte Einstufungen umgewandelt werden.

15      Die Art. 36 und 37 in Titel V Kapitel 1 („Schaffung einer harmonisierten Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen“) der CLP-Verordnung regeln das Verfahren der Einstufung und der harmonisierten Kennzeichnung der Stoffe, die den Kriterien nach Anhang I der Verordnung für Gefahren wie Karzinogenität, Mutagenität oder Reproduktionstoxizität entsprechen.

16      Nach Art. 37 können die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und, unter engeren Voraussetzungen, auch die Hersteller, Importeure und Händler von Stoffen der Europäischen Chemikalienagentur (im Folgenden: ECHA), die zum 1. Juni 2008 das Europäische Chemikalienbüro ersetzt hat, detaillierte Vorschläge zur harmonisierten Einstufung und Kennzeichnung unterbreiten.

17      Art. 53 („Anpassungen an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt“) der CLP-Verordnung ermächtigt die Europäische Kommission zum Erlass von Maßnahmen zur Anpassung der Anhänge I bis VII der Verordnung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt, wobei sie „gebührend die Weiterentwicklung des GHS [berücksichtigt]“, und sieht vor, dass diese Maßnahmen nach dem Regelungsverfahren mit Kontrolle erlassen werden, das in Art. 5a Abs. 1 bis 4 des Beschlusses 1999/468 geregelt ist.

18      Gemäß Art. 55 Nrn. 2 und 11 der CLP-Verordnung wird Anhang I der Richtlinie 67/548 gestrichen und zum 20. Januar 2009 durch Anhang VI Teil 3 der Verordnung ersetzt. Tabelle 3.1 dieses Anhangs VI enthält die sich daraus ergebende Einstufung und Tabelle 3.2 die alte Einstufung nach der Richtlinie 67/548 in der Fassung der Richtlinie 2004/73/EG der Kommission vom 29. April 2004 zur neunundzwanzigsten Anpassung der Richtlinie 67/548 an den technischen Fortschritt (ABl. L 152, S. 1, Berichtigung ABl. L 216, S. 3).

19      Bei Inkrafttreten der CLP-Verordnung am 20. Januar 2009 enthielt dieser Anhang VI also nicht die mit der 30. und der 31. ATF-Richtlinie in Anhang I der Richtlinie 67/548 eingefügten streitigen Einstufungen.

20      Nach Art. 60 der CLP-Verordnung wird die Richtlinie 67/548 mit Wirkung zum 1. Juni 2015 aufgehoben. Als Übergangsbestimmung sieht Art. 61 Abs. 3 der CLP‑Verordnung jedoch vor, dass Stoffe vom 1. Dezember 2010 bis zum 1. Juni 2015 sowohl gemäß der Richtlinie 67/548 als auch gemäß dieser Verordnung eingestuft werden.

21      Nach Abschnitt 1.1.1.3 des Anhangs I der CLP‑Verordnung werden alle verfügbaren Informationen, die für die Gefahrenbestimmung relevant sind, im Zusammenhang betrachtet, beispielsweise die Ergebnisse von geeigneten In-vitro-Tests, einschlägige Tierversuchsdaten, Informationen aus der Anwendung des Kategorienkonzepts (Gruppierung, Übertragung) oder die Ergebnisse von Struktur-Aktivitäts-Beziehungen ([Q]SAR-Verfahren).

22      Anhang VII der CLP‑Verordnung enthält eine Tabelle, die die Umwandlung der Einstufung eines Stoffes nach der Richtlinie 67/548 in die entsprechende Einstufung gemäß der CLP‑Verordnung erleichtern soll.

23      Auf der Grundlage des Art. 53 der CLP‑Verordnung wurden die durch die 30. und die 31. ATF-Richtlinie vorgenommenen Einstufungen mit der 1. ATF‑Verordnung in Anhang VI Teil 3 der CLP‑Verordnung in der Weise übernommen und umgewandelt, dass sie in Tabelle 3.2 dieses Anhangs unverändert aufgenommen, in Tabelle 3.1 des Anhangs VI dagegen unter Verwendung der Umwandlungstabelle des Anhangs VII der CLP‑Verordnung einfach in CLP‑Einstufungen umgewandelt wurden. Die 1. ATF‑Verordnung trat am 25. September 2009 in Kraft.

 Die Regelung der Bewertung und der Kontrolle der Umweltrisiken chemischer Altstoffe – die Verordnung (EWG) Nr. 793/93 und die REACH-Verordnung

24      Mit der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates vom 23. März 1993 zur Bewertung und Kontrolle der Umweltrisiken chemischer Altstoffe (ABl. L 84, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 (ABl. L 284, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 793/93) wurde das in der Richtlinie 67/548 vorgesehene Verfahren zur Anmeldung neuer Stoffe vervollständigt.

25      Diese Verordnung wurde mit dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 793/93, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. L 396, S. 1, und Berichtigung ABl. 2007, L 136, S. 3, im Folgenden: REACH‑Verordnung) am 1. Juni 2008 aufgehoben.

26      Gemäß den Art. 3 und 4 der Verordnung Nr. 793/93 waren Hersteller und Importeure verpflichtet, der Kommission bestimmte relevante Daten über die aufgrund der eingeführten oder hergestellten Menge zu bewertenden Stoffe mitzuteilen und sich in angemessener Weise um die Beschaffung dieser Daten zu bemühen. Lagen jedoch keine Informationen vor, waren sie nicht gehalten, im Hinblick auf die Vorlage dieser Daten zusätzliche Tierversuche durchzuführen.

27      Nach Art. 8 in Verbindung mit Art. 15 der Verordnung Nr. 793/93 waren auf der Grundlage der von den Herstellern und den Importeuren vorgelegten Informationen gemäß einem Ausschussverfahren mit Kontrolle Listen der mit Vorrang zu prüfenden Stoffe erstellt worden, die wegen ihrer möglichen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt besonderer Aufmerksamkeit bedürfen.

28      Gemäß Art. 9 („Daten, die zu den in den Prioritätenlisten aufgeführten Stoffen vorzulegen sind“) der Verordnung Nr. 793/93 waren die Hersteller und die Importeure verpflichtet, alle verfügbaren relevanten Informationen sowie die entsprechenden Untersuchungsberichte zur Bewertung des Risikos des betreffenden Stoffes vorzulegen sowie gegebenenfalls die erforderlichen Prüfungen zur Beschaffung der fehlenden Angabe vorzunehmen. Abweichend hiervon konnten sie bei der vom Mitgliedstaat als Berichterstatter benannten Stelle gemäß Art. 10 der Verordnung Nr. 793/93 beantragen, von den zusätzlichen Prüfungen ganz oder teilweise befreit zu werden, weil eine bestimmte Angabe zur Bewertung des Risikos nicht erforderlich oder nicht zu beschaffen war.

29      Aus den Erwägungsgründen der REACH‑Verordnung geht hervor, dass das von der ECHA verwaltete aktuelle System darauf abzielt, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sicherzustellen sowie die Wettbewerbsfähigkeit des Chemikaliensektors und die Innovation zu verbessern. Die REACH‑Verordnung verpflichtet Unternehmen, die chemische Stoffe herstellen und einführen, die sich bei deren Verwendung ergebenden Gefahren und Risiken zu bewerten und die erforderlichen Risikomanagementmaßnahmen zu ergreifen.

30      Gemäß Art. 13 der REACH-Verordnung sind Informationen über die Bewertung der chemischen Stoffe, insbesondere über deren Toxizität für den Menschen, sofern irgend möglich, durch andere Mittel als Versuche mit Wirbeltieren zu gewinnen, insbesondere durch die Verwendung von alternativen Methoden, z. B. von In-vitro-Verfahren oder von Modellen der qualitativen oder quantitativen Struktur-Aktivitäts-Beziehung oder von Daten über strukturell verwandte Stoffe (Gruppierung oder Analogie).

31      Abschnitt 1.5 des Anhangs XI der REACH‑Verordnung sieht für die Bewertung der chemischen Stoffe das Analogiekonzept vor. Insbesondere können danach Stoffe, deren physikalisch-chemische, toxikologische und ökotoxikologische Eigenschaften infolge struktureller Ähnlichkeit voraussichtlich ähnlich sind oder einem bestimmten Muster folgen, als Stoffgruppe betrachtet werden. Voraussetzung dafür ist, dass für einen Stoff die physikalisch-chemischen Eigenschaften, die Wirkung auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt oder der Verbleib in der Umwelt durch Interpolation aus den Daten für Bezugsstoffe abgeleitet werden können, die derselben Stoffgruppe angehören (Analogiekonzept).

 Verfahren, das zu den streitigen Einstufungen geführt hat

32      Mit der Verordnung (EG) Nr. 2364/2000 der Kommission vom 25. Oktober 2000 zur vierten Prioritätenliste gemäß der Verordnung Nr. 793/93 (ABl. L 273, S. 5) nahm die Kommission reines Nickelcarbonat in die in Art. 8 der Verordnung Nr. 793/93 vorgesehene Prioritätenliste auf und benannte das Königreich Dänemark als den für die Bewertung dieses Stoffes verantwortlichen Mitgliedstaat.

33      Dieser Mitgliedstaat benannte die Danish Environmental Protection Agency (dänische Umweltschutzagentur, im Folgenden: DEPA) als Berichterstatter für die Bewertung dieses Stoffes und vier anderer Nickelverbindungen (Nickelmetall, Nickelsulfat, Nickelchlorid und Nickeldinitrat).

34      Im Rahmen des von der DEPA durchgeführten Bewertungsverfahrens stellten die drei Hersteller und der Importeur von Nickelcarbonaten, die Daten über diese Stoffe übermitteln mussten (im Folgenden: betroffene Unternehmen), vertreten durch OMG Harjavalta, am 27. Mai 2003 gemäß Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 793/93 einen Antrag auf Freistellung von der Pflicht zur Durchführung bestimmter Versuche (im Folgenden: Freistellungsantrag), da sie der Meinung waren, dass für Nickel-Hydroxycarbonat keine auf den Menschen bezogenen toxikologischen Daten vorlägen. Die betroffenen Unternehmen wiesen auch darauf hin, dass mangels solcher Daten bei der Einstufung dieses Stoffes anhand der Einstufungen für wasserlösliche Verbindungen vom ungünstigsten Fall ausgegangen werden müsse („worst case scenario“).

35      Die betroffenen Unternehmen geben an, Nickel-Hydroxycarbonat sei das einzige kommerziell genutzte Nickelcarbonat, während die drei anderen Nickelcarbonate nicht außerhalb von Laboren verwendet würden.

36      Nachdem die DEPA der Kommission die Ergebnisse ihrer Bewertung zugeleitet hatte, übermittelte diese dem Europäischen Chemikalienbüro und dem Technischen Ausschuss für die Einstufung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe (im Folgenden: TAEK) am 16. April 2004 einen förmlichen Vorschlag zur Neueinstufung der Nickelcarbonate gemäß der Richtlinie 67/548.

37      Die vorgeschlagenen Einstufungen wurden auch von der mit Fachleuten für Kanzerogenität und Mutagenität besetzten Arbeitsgruppe der Kommission zur Einstufung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe (im Folgenden: EK‑Arbeitsgruppe) auf ihrer Sitzung vom 20. und 21. April 2004 erörtert (Dokument ECBI/74/04 Rev. 2). Danach wurde der Vorschlag der DEPA vom TAEK auf seinen Sitzungen vom 12. bis 14. Mai 2004 (Dokument ECBI/147/04 Rev. 3) und vom 21. bis 24. September 2004 (Dokument ECBI/139/04 Rev. 2) weiter erörtert. Bei dieser letzten Sitzung erklärte sich der TAEK damit einverstanden, den Vorschlag zur Neueinstufung der Nickelcarbonate zu empfehlen und ihn in den Entwurf eines Vorschlags einer 30. ATF-Richtlinie aufzunehmen, der der Kommission vorzulegen war.

38      Aus dem Protokoll der Sitzung vom 20. und 21. April 2004 geht hervor, dass von den Fachleuten berücksichtigt wurde, dass bestimmte Daten fehlten, insbesondere zu Nickelcarbonat und seiner Bioverfügbarkeit, also zu dem Teil dieses Stoffes, der vom Stoffwechsel eines lebenden Organismus resorbiert und verwertet werden kann. Bei der Entscheidung über die endgültige Empfehlung beschlossen sie jedoch, nicht auf etwaige weiter reichende Daten zur Bioverfügbarkeit dieses Stoffes zu warten, da dadurch u. a. die Durchführung zusätzlicher Tierversuche erforderlich geworden wäre.

39      Bezüglich der Karzinogenität z. B. waren die Fachleute bei dieser Sitzung in einem ersten Schritt im Wesentlichen zu dem Ergebnis gelangt, dass Nickelsulfat und Nickelchlorid aufgrund der vorhandenen Daten als für den Menschen krebserzeugende Stoffe der Kategorie 1 einzustufen seien. In Anwendung des Analogiekonzepts und unter Zugrundelegung der Annahme, dass der Grad der Wasserlöslichkeit von Nickelnitrat dem von Nickelsulfat und dem von Nickelchlorid hinreichend entspreche, zogen die Fachleute sodann den Schluss, dass dieser Stoff ebenso einzustufen sei.

40      Nickelcarbonat war nach Ansicht der Fachleute ebenso einzustufen, weil es – wie Nickelsulfat – zwar kaum in Wasser, in biologischen Flüssigkeiten aber durchaus löslich sei. Dafür wurde auch angeführt, dass es in Anhang I der Richtlinie 67/548 bereits unlösliche anorganische Nickelverbindungen gebe, die als für den Menschen krebserzeugend eingestuft seien.

41      Das Kriterium des Grads der Wasserlöslichkeit wurde auf die Theorie gestützt, dass ein in Wasser gelöstes Nickelsalz wie Nickelcarbonat die gleichen toxischen Eigenschaften wie andere Nickelsalze mit einem ähnlichen Grad der Wasserlöslichkeit habe, da sich die Nickelatome und ‑ionen, deren toxische Eigenschaften bekannt seien, bei der Lösung im Wasser von den anderen Stoffen, aus denen das Nickelsalz bestehe, trennten, dabei aber dieselben Eigenschaften behielten.

42      Folglich wurden die Einstufungen der Nickelcarbonatverbindungen als für den Menschen krebserzeugende Stoffe der Kategorie 1, erbgutverändernd der Kategorie 3 und/oder fortpflanzungsgefährdend der Kategorie 2 auf die Anwendung des Analogiekonzepts und das Kriterium des Grads der Wasserlöslichkeit sowie auf die zu anderen, ähnlichen Nickelverbindungen vorhandenen Daten gestützt.

43      Nach der Empfehlung der EK‑Arbeitsgruppe und des TAEK gab der Ausschuss zur Anpassung an den technischen Fortschritt (im Folgenden: ATF-Ausschuss) am 16. Februar 2007 für den gesamten Vorschlag zur 30. ATF-Richtlinie eine befürwortende Stellungnahme ab (Dokument JM/30ATP/09/2006).

44      Nach Abschluss eines Verfahrens bei der Welthandelsorganisation (WTO), in dem bestimmte nickelerzeugende Drittländer dem Vorschlagsentwurf entgegengetreten waren, erließ die Kommission am 21. August 2008 die 30. ATF-Richtlinie, da sie der Auffassung war, dass dieses Verfahren keine neuen Erkenntnisse gebracht habe. Die Mitgliedstaaten hatten die 30. ATF‑Richtlinie bis zum 1. Juni 2009 in innerstaatliches Recht umzusetzen.

45      Nickelhydroxide und rund 100 andere Gruppen der im Ausgangsverfahren fraglichen Nickelverbindungen wurden mit der 31. ATF-Richtlinie eingestuft.

46      Aufgrund der Erkenntnisse, zu denen die Fachleute im Ausschussverfahren, das zum Erlass der 30. ATF‑Richtlinie führte, gelangt waren, bewertete die DEPA eine andere Serie von Nickelverbindungen und legte im Jahr 2005 ergänzende Vorschläge für die Einstufung dieser Stoffe vor. Die Bewertung erfolgte erneut anhand des Analogiekonzepts und stützte sich auf den Grad der Wasserlöslichkeit dieser Stoffe und die zu den toxischen Eigenschaften des freien Nickelions verfügbaren Daten, obwohl noch immer keine anderen Daten über ihre Bioverfügbarkeit vorlagen.

47      Nach Gesprächen innerhalb des TAEK empfahl dieser die Einstufung dieser chemischen Stoffe, und der ATF‑Ausschuss sprach sich am 19. November 2008 bei sechs Enthaltungen einstimmig für den Vorschlag aus. Die 31. ATF‑Richtlinie wurde am 15. Januar 2009 erlassen. Wie die 30. ATF-Richtlinie war auch die 31. ATF‑Richtlinie von den Mitgliedstaaten bis zum 1. Juni 2009 in innerstaatliches Recht umzusetzen.

48      Anhang I der Richtlinie 67/548 wurde mit dem Inkrafttreten der CLP‑Verordnung am 20. Januar 2009 aufgehoben und durch deren Anhang VI ersetzt, der zu diesem Zeitpunkt nur die Einstufungen des Anhangs I der Richtlinie 67/548 in der zuletzt durch die Richtlinie 2004/73 geänderten Fassung enthielt.

49      Anhang VI der CLP‑Verordnung wurde durch die 1. ATF‑Verordnung um den Inhalt der 30. und der 31. ATF‑Richtlinie ergänzt. Die ATF‑Verordnung wurde am 10. August 2009 auf der Grundlage von Art. 53 der CLP‑Verordnung erlassen, nachdem der ATF‑Ausschuss am 25. März 2009 einstimmig einen entsprechenden Vorschlag angenommen hatte, und trat am 25. September 2009 in Kraft. Der ATF‑Ausschuss stützte seine Befürwortung u. a. auf die Erkenntnisse einer aus 27 Fachleuten bestehenden Arbeitsgruppe, die vom 17. bis 24. März 2009 im Rahmen einer Sitzung der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) zusammengetreten war und die Einstufung der Nickelderivate als für den Menschen krebserzeugende Stoffe der Kategorie 1 gebilligt hatte.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

50      Der Kläger des Ausgangsverfahrens, das Nickel Institute, ist eine nicht auf Gewinnerzielung gerichtete Organisation, die die Interessen von 29 Unternehmen vertritt, die zusammen 90 % der Weltjahresproduktion von Nickel abdecken.

51      Der Beklagte, der Secretary of State for Work and Pensions, ist der für die Einstufung von chemischen Stoffen zuständige Minister des Vereinigten Königreichs.

52      Das Nickel Institute erhob am 2. Dezember 2008 und am 9. April 2009 beim High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court), zwei Klagen gegen den Secretary of State for Work and Pensions auf gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der „Absicht und/oder Verpflichtung“ der Regierung des Vereinigten Königreichs, die mit der 30. und der 31. ATF-Richtlinie sowie der 1. ATF‑Verordnung vorgenommenen Einstufungen umzusetzen.

53      Zum einen bestreitet das Nickel Institute die Gültigkeit der Einstufung von vier ursprünglich unter dem Eintrag 028‑010‑00‑0 des Anhangs 1F der 30. ATF‑Richtlinie eingestuften Nickelcarbonatverbindungen durch die 1. ATF‑Verordnung. Zum anderen bestreitet es die Gültigkeit der Einstufung der zunächst unter dem Eintrag 028‑008‑00‑X in Anhang 1A der 31. ATF‑Richtlinie eingestuften Nickelhydroxide sowie der Einstufung von mehr als 100 Gruppen von Nickelverbindungen, die zunächst unter den Einträgen 028‑013‑00‑7 bis 028‑052‑00‑2 des Anhangs 1B der 31. ATF‑Richtlinie eingestuft waren, durch die 1. ATF‑Verordnung (im Folgenden zusammen: streitige Einstufungen).

54      Der High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court), hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Sind die 30. ATF‑Richtlinie und/oder die 1. ATF‑Verordnung insoweit, als damit eine Einstufung oder Neueinstufung der Nickelcarbonate für die betreffenden Wirkungen erfolgt, deshalb unwirksam, weil

a)      die Einstufungen nicht unter angemessener Bewertung der inhärenten Eigenschaften der Nickelcarbonate nach den Kriterien und anhand der erforderlichen Daten gemäß Anhang VI der Richtlinie 67/548 zustande gekommen sind,

b)      nicht angemessen berücksichtigt wurde, ob die inhärenten Eigenschaften der Nickelcarbonate bei gebräuchlicher Handhabung oder Verwendung eine Gefahr im Sinne der Abschnitte 1.1 und 1.4 des Anhangs VI der Richtlinie 67/548 darstellen können,

c)      die Voraussetzungen für die Anwendung des Verfahrens nach Art. 28 der Richtlinie 67/548 nicht gegeben waren,

d)      die Einstufungen unzulässigerweise auf einen Freistellungsantrag gestützt wurden, der im Rahmen einer von einer zuständigen Behörde nach der Verordnung Nr. 793/93 durchgeführten Risikobewertung erarbeitet wurde, und/oder

e)      keine den Anforderungen des Art. 253 EG genügende Begründung für die Vornahme der Einstufungen gegeben wurde?

2.      Sind die 31. ATF‑Richtlinie und/oder die 1. ATF‑Verordnung insoweit, als damit aus den genannten Gründen eine Einstufung oder Neueinstufung der Nickelhydroxide und der streitigen Gruppe der Nickelverbindungen erfolgt, deshalb unwirksam, weil

a)      die Einstufungen nicht unter angemessener Bewertung der inhärenten Eigenschaften der streitigen Nickelverbindungen nach den Kriterien und anhand der erforderlichen Daten gemäß Anhang VI der Richtlinie 67/548, sondern aufgrund bestimmter Analogiekonzepte („Read-across“-Verfahren) zustande gekommen sind,

b)      nicht angemessen berücksichtigt wurde, ob die inhärenten Eigenschaften der streitigen Nickelverbindungen bei gebräuchlicher Handhabung oder Verwendung eine Gefahr im Sinne der Abschnitte 1.1 und 1.4 des Anhangs VI der Richtlinie 67/548 darstellen können, und/oder

c)      die Voraussetzungen für die Anwendung des Verfahrens nach Art. 28 der Richtlinie 67/548 nicht gegeben waren?

3.      Ist die 1. ATF‑Verordnung insoweit, als sie die Nickelcarbonate und die streitigen Nickelverbindungen betrifft, deshalb unwirksam, weil

a)      die Voraussetzungen für die Anwendung des Verfahrens nach Art. 53 der Verordnung Nr. 1272/2008 nicht gegeben waren und/oder

b)      die Einstufungen für Tabelle 3.1 in Anhang VI der Verordnung Nr. 1272/2008 nicht unter angemessener Bewertung der inhärenten Eigenschaften der Nickelcarbonate und der streitigen Nickelverbindungen nach den Kriterien und anhand der erforderlichen Daten gemäß Anhang I dieser Verordnung, sondern stattdessen durch Anwendung von Anhang VII der Verordnung zustande gekommen sind?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur Zulässigkeit der ersten und der zweiten Frage

55      In ihren schriftlichen Erklärungen hat die Kommission beantragt, die ersten beiden Vorlagefragen für unzulässig zu erklären, soweit sie die Gültigkeit der 30. und der 31. ATF-Richtlinie betreffen, die mit Inkrafttreten der CLP‑Verordnung am 20. Januar 2009 aufgehoben worden seien. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission diese Einrede der Unzulässigkeit jedoch wieder zurückgezogen, da sie der Auffassung war, dass die mit der 1. ATF‑Verordnung in Anhang VI der CLP‑Verordnung eingefügten Einstufungen jedenfalls nur diejenigen Einstufungen wiedergäben, die bereits in der 30. und der 31. ATF‑Richtlinie auf der Grundlage wissenschaftlicher Empfehlungen vorgenommen worden seien, die von mehreren Gremien im Rahmen der Richtlinie 67/548 abgegeben worden seien.

56      Da der Gerichtshof keine anderen Unzulässigkeitsgründe sieht, hat er über die Vorlagefragen zu entscheiden.

 Zur ersten und zur zweiten Frage

57      Mit seinen ersten beiden Fragen, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die 30. und die 31. ATF‑Richtlinie gültig sind, soweit mit ihnen die streitigen Einstufungen in Anhang I der Richtlinie 67/548 eingefügt werden, und ob demnach auch die 1. ATF‑Verordnung gültig ist, soweit mit ihr die in der 30. und der 31. ATF-Richtlinie enthaltenen Einstufungen in die CLP‑Verordnung eingefügt werden.

58      Das vorlegende Gericht möchte im Einzelnen erstens wissen, ob die von der Kommission bei diesen Einstufungen gewählten Methoden, insbesondere das Analogiekonzept, das Fehlen einer Prüfung der mit einer gebräuchlichen Handhabung und Verwendung der im Ausgangsverfahren fraglichen Nickelverbindungen verbundenen Gefahren sowie der Rückgriff auf den Freistellungsantrag dem Erfordernis einer angemessenen Bewertung der Eigenschaften dieser Stoffe nach den Kriterien des Anhangs VI der Richtlinie 67/548 entsprechen. Zweitens fragt das vorlegende Gericht, ob die für den Erlass der beiden fraglichen Richtlinien gewählte Rechtsgrundlage, also Art. 28 der Richtlinie 67/548, zur Erreichung dieses Ziels geeignet war. Drittens möchte es vom Gerichtshof wissen, ob der Gültigkeit der 30. ATF‑Richtlinie eine Verletzung von Art. 253 EG in Form eines Begründungsmangels entgegensteht.

 Vorbemerkungen

59      Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 67/548 in diesem komplexen technischen und rechtlichen, sich ständig weiterentwickelnden Rahmen der Kommission in der Sache ein weites Ermessen hinsichtlich des Umfangs der Maßnahmen belässt, die zu ergreifen sind, um die Anhänge dieser Richtlinie an den technischen Fortschritt anzupassen (Urteil vom 15. Oktober 2009, Enviro Tech [Europe], C‑425/08, Slg. 2009, I‑10035, Randnr. 46).

60      Nach ständiger Rechtsprechung muss sich, da die Unionsbehörden über ein weites Ermessen insbesondere in Bezug auf die Beurteilung der hoch komplexen wissenschaftlichen und technischen tatsächlichen Umstände bei der Festlegung von Art und Umfang der von ihnen erlassenen Maßnahmen verfügen, die Kontrolle durch den Unionsrichter auf die Prüfung beschränken, ob die Ausübung dieses Ermessens nicht offensichtlich fehlerhaft ist, einen Ermessensmissbrauch darstellt oder diese Behörden die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich überschritten haben. In einem solchen Kontext darf der Unionsrichter nämlich nicht seine Beurteilung der tatsächlichen Umstände wissenschaftlicher und technischer Art an die Stelle derjenigen der Organe setzen, denen allein der EG‑Vertrag diese Aufgabe anvertraut hat (Urteil Enviro Tech [Europe], Randnr. 47).

 Zur Anwendung des Analogiekonzepts im Rahmen der Bewertung der Eigenschaften der im Ausgangsverfahren fraglichen Nickelverbindungen

61      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die Kommission ihr Ermessen überschritten hat, als sie das Analogiekonzept anwandte, anstatt die Eigenschaften der im Ausgangsverfahren fraglichen Nickelverbindungen nach den Kriterien und Vorgaben bezüglich der Daten in Anhang VI der Richtlinie 67/548 zu bewerten.

62      Das Nickel Institute wirft der Kommission vor, die Eigenschaften der im Ausgangsverfahren fraglichen Nickelverbindungen nicht so untersucht zu haben, wie dies nach Art. 4 und Abschnitt 1.1 des Anhangs VI der Richtlinie 67/548 erforderlich sei. Außerdem habe die Kommission zur Einstufung dieser Stoffe das Analogiekonzept angewandt, obwohl zu diesen Stoffen keine Daten vorgelegen hätten.

63      Insofern ist zu beachten, dass das Analogiekonzept eine der in Abschnitt 1.1.1.3 des Anhangs I der CLP‑Verordnung anerkannten Methoden ist. Auch in Abschnitt 1.5 des Anhangs XI der REACH‑Verordnung wird es als eine Methode beschrieben, nach der die Eigenschaften bestimmter Stoffe aus den zu anderen, strukturell ähnlichen Bezugsstoffen vorliegenden Daten abgeleitet werden können. Es ist dann nicht notwendig, jeden Stoff für jede Wirkung zu prüfen, so dass diese Methode angewandt werden kann, wenn keine Daten zu den zur Risikobewertung vorgelegten Stoffen vorliegen.

64      Diese Methode ist in der REACH‑Verordnung und in der CLP-Verordnung ausdrücklich vorgesehen, wird in Anhang VI der Richtlinie 67/548 aber als solche nicht erwähnt.

65      Die in Abschnitt 1.6.1 Buchst. b des Anhangs VI der Richtlinie 67/548 enthaltene Liste der Quellen, denen die für die Bewertung der im Ausgangsverfahren fraglichen Nickelverbindungen erforderlichen Daten entnommen werden können, ist, wie das Wort „beispielsweise“ zeigt, nicht abschließend.

66      Dieser Abschnitt 1.6.1 Buchst. b sieht jedoch die Möglichkeit vor, bei der Bewertung der Chemikalien die Ergebnisse validierter Struktur-Aktivitäts-Beziehungen und die Beurteilung durch eine fachkundige Person zu berücksichtigen.

67      Die Bewertung von Stoffen anhand von Struktur‑Aktivitäts-Beziehungen gehört ebenso wie das Analogiekonzept zu den auf dem Kategoriekonzept beruhenden Bewertungsmethoden und stellt ein Verfahren zur Vorhersage der Aktivität eines Stoffes dar, bei dem seine Molekularstruktur, die derjenigen eines anderen Stoffes oder einer anderen Stoffgruppe, deren Wirkungen bekannt sind, entspricht, in quantitativer Hinsicht beurteilt wird.

68      Anhang VI der Richtlinie 67/548 verweist ausdrücklich auf die Richtlinie 86/609/EWG des Rates vom 24. November 1986 zur Annäherung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere (ABl. L 358, S. 1), die die Anwendung des Analogiekonzepts und der auf der Struktur-Aktivitäts-Beziehung beruhenden Methode fördert.

69      Darüber hinaus hat die Gemeinsame Forschungsstelle der Kommission im Jahr 2007 eine umfangreiche Studie zur Anwendung des Analogiekonzepts im Rahmen der Richtlinie 67/548 („A Compendium of Case Studies that helped to shape the REACH Guidance on Chemical Categories and Read Across“) veröffentlicht. Zu den in dieser Studie untersuchten Beispielen gehört auch die Einstufung der im Ausgangsverfahren fraglichen Nickelverbindungen.

70      Auch wenn also, wie der Generalanwalt in den Nrn. 64 und 65 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die auf der Struktur-Aktivitäts-Beziehung beruhende Methode gewisse Unterschiede zum Analogiekonzept aufweist, so dürfen diese zwei Methoden doch nicht als voneinander unabhängig angesehen werden, da sie beide auf dem Prinzip beruhen, dass die zu bestimmten Stoffen vorliegenden Daten extrapoliert werden, um andere Stoffe mit ähnlicher Struktur, zu denen sehr wenige oder gar keine Daten vorliegen, zu bewerten und einzustufen.

71      Wie überdies aus der Begründung zur 31. ATF-Richtlinie hervorgeht, ist das Analogiekonzept als eine in der Wissenschaft weitgehend anerkannte Bewertungsmethode für Stoffe mehrfach zur Einstufung von Stoffen in Anhang I der Richtlinie 67/548 angewandt worden, wenn auch erst seit dem Inkrafttreten der Richtlinie 91/632/EWG der Kommission vom 28. Oktober 1991 zur fünfzehnten Anpassung an den technischen Fortschritt der Richtlinie 67/548 (ABl. L 338, S. 23).

72      Hinsichtlich der wissenschaftlichen Argumente, die den streitigen Einstufungen zugrunde liegen, ergibt sich aus den Sitzungsprotokollen der EK-Arbeitsgruppe, des TAEK und des ATF‑Ausschusses, dass, selbst wenn sich die Fachleute einig waren, dass insbesondere zu den toxischen Eigenschaften der im Ausgangsverfahren fraglichen Nickelverbindungen wenige Daten vorlagen, die Bioverfügbarkeit dieser Stoffe im Wesentlichen anhand des Grads der Wasserlöslichkeit unter Berücksichtigung der bekannten toxischen Eigenschaften des in ihnen enthaltenen Nickelions beurteilt wurde. Die derzeitige Einstufung der im Ausgangsverfahren fraglichen Stoffe wurde somit auf der Grundlage der Daten beschlossen, die von anderen Nickelverbindungen, die eine ähnliche Struktur und einen ähnlichen Grad der Wasserlöslichkeit aufweisen, bekannt waren.

73      Diese Schlussfolgerungen wurden auch durch das Protokoll der Sitzung des Wissenschaftlichen Ausschusses „Gesundheits- und Umweltrisiken“ der Kommission (Scientific Committee on Health and Environmental Risks – SCHER) vom 4. Mai 2006 untermauert.

74      Ferner wird in Art. 13 der REACH-Verordnung die Bedeutung der Verwendung alternativer Methoden wie des Analogiekonzepts für die Beurteilung der Toxizität chemischer Stoffe für den Menschen durch andere Mittel als Versuche mit Wirbeltieren anerkannt.

75      Schließlich ist hervorzuheben, dass die Anwendung des Analogiekonzepts und die Beurteilung der physikalisch-chemischen Eigenschaften der im Ausgangsverfahren fraglichen Nickelverbindungen das Ergebnis eines Konsenses waren, der von zahlreichen Fachleuten in mehreren wissenschaftlichen Ausschüssen in Anwesenheit von Vertretern des betreffenden Wirtschaftszweigs nach einem mehrjährigen Verfahren erzielt worden ist.

76      Hilfsweise macht das Nickel Institute geltend, dass diese Methode, selbst wenn ihre Verwendung grundsätzlich zulässig wäre, im vorliegenden Fall u. a. deshalb offensichtlich fehlerhaft angewandt worden sei, weil die streitigen Einstufungen nicht allein auf das Kriterium der Wasserlöslichkeit hätten gestützt werden dürfen, der Beweis der grundlegenden wissenschaftlichen These, dass das Nickelion für die zu beurteilenden biologischen Wirkungen verantwortlich sei, nicht erbracht worden sei und generell die Tatsache, dass bestimmte Bewertungen sich aus der „Beurteilung durch fachkundige Personen“ ergäben, keine sachdienliche Antwort seien.

77      Unter Berücksichtigung des Umfangs der vom Gerichtshof gemäß den Ausführungen in den Randnrn. 59 und 60 des vorliegenden Urteils auf diesem Gebiet auszuübenden Kontrolle erlaubt dieses Vorbringen des Klägers des Ausgangsverfahrens für sich allein nicht die Annahme, dass die Kommission angesichts der von mehreren wissenschaftlichen Ausschüssen nach Abschluss ihrer Arbeiten formulierten Schlussfolgerungen die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich überschritten hätte, als sie sich beim Erlass der streitigen Einstufungen auf die Beurteilung durch fachkundige Personen stützte, die zur Beurteilung der Eigenschaften der im Ausgangsverfahren fraglichen Nickelverbindungen u. a. auf das Analogiekonzept zurückgriffen.

 Zur Bewertung der mit einer gebräuchlichen Handhabung oder Verwendung der fraglichen Stoffe verbundenen Gefahren

78      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die Gültigkeit der 30. und der 31. ATF‑Richtlinie sowie der 1. ATF‑Verordnung dadurch beeinträchtigt wird, dass die Kommission nicht berücksichtigt hat, dass drei der vier Nickelcarbonate nicht außerhalb von Laboren gehandhabt oder verwendet werden und andere Nickelverbindungen nicht in industriellen Anwendungen verwendet werden. Bei der Bewertung seien also die mit einer gebräuchlichen Handhabung oder Verwendung der im Ausgangsverfahren fraglichen Nickelverbindungen verbundenen Gefahren nicht berücksichtigt worden.

79      Auch wenn weder die Richtlinie 67/548 noch die CLP‑Verordnung oder die REACH‑Verordnung eine Definition von „gebräuchliche Handhabung oder Verwendung“ enthalten, umfasst dieser Begriff, wie die Kommission vorgetragen hat, doch alle Handhabungen und Verwendungen, die unter normalen Umständen möglich sind, so dass auch realistische und vorhersagbare Unfälle zu berücksichtigen sind.

80      Vorab ist festzustellen, dass – wie der Generalanwalt in den Nrn. 80 ff. seiner Schlussanträge ausgeführt hat – die vom Kläger des Ausgangsverfahrens vorgebrachte Rüge im Wesentlichen auf einer Verwechslung der Bewertung der von einem Stoff ausgehenden Gefahren mit der Bewertung der mit diesem Stoff verbundenen Risiken beruht.

81      Wie insbesondere aus Art. 4 der Richtlinie 67/548 in Verbindung mit den Art. 2 bis 5 der Richtlinie 93/67 hervorgeht, beruhen die Einstufung und die Kennzeichnung der in der Richtlinie 67/548 angeführten Stoffe auf der Übermittlung von Informationen über die durch die Eigenschaften der Stoffe bedingten Gefahren. Die Bewertung der Gefahren ist die erste Phase des Verfahrens zur Risikobewertung, die ein genaueres Konzept darstellt. Diese Unterscheidung zwischen den Gefahren und den Risiken wurde übrigens in der CLP‑Verordnung und in der REACH‑Verordnung beibehalten.

82      Eine Bewertung der durch die Eigenschaften der Stoffe bedingten Gefahren darf – anders als eine Risikobewertung – nicht auf bestimmte Verwendungen beschränkt werden und kann unabhängig vom Ort der Verwendung des Stoffes (innerhalb oder außerhalb eines Labors), vom Expositionsweg und vom Grad der Exposition wirksam erfolgen.

83      In Anbetracht dieser Erwägungen ist festzustellen, dass die Kommission nicht verpflichtet war, im Rahmen einer gültigen Einstufung der im Ausgangsverfahren fraglichen Stoffe aufgrund einer Bewertung der durch ihre Eigenschaften bedingten Gefahren, den Umstand zu berücksichtigen, dass bestimmte Nickelcarbonate nur unter Laborbedingungen gehandhabt oder verwendet werden.

 Zum Freistellungsantrag

84      Das vorlegende Gericht fragt den Gerichtshof, ob der Umstand, dass sich die Kommission bei den streitigen Einstufungen auf die im Rahmen der Verordnung Nr. 793/93 erteilte Freistellung gestützt hat, die Gültigkeit der 30. ATF‑Richtlinie und der 1. ATF‑Verordnung berühren kann.

85      Das Nickel Institute führt dazu aus, dass die Kommission ihre Befugnisse überschritten habe, als sie die angefochtenen Einstufungen auf den von mehreren Nickelherstellern im Mai 2003 nach Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 793/93 bei der DEPA eingereichten Freistellungsantrag gestützt habe und damit von den Einstufungskriterien des Anhangs VI der Richtlinie 67/548 abgewichen sei.

86      Zum einen hat die Kommission aber, anders als der Kläger des Ausgangsverfahrens vorträgt, ihre Einstufungsentscheidung nicht auf den Freistellungsantrag gestützt. Wie in Randnr. 75 des vorliegenden Urteils festgestellt, erfolgten die streitigen Einstufungen im Rahmen des Ausschussverfahrens auf der Grundlage von Empfehlungen eines breiten Spektrums von Fachleuten, die die Anwendung des Analogiekonzepts gebilligt und bewusst darauf verzichtet hatten, die Durchführung von Tierversuchen abzuwarten, da sie der Meinung waren, dass die aus dem Grad der Wasserlöslichkeit der im Ausgangsverfahren fraglichen Nickelverbindungen gewonnenen Hinweise auf deren Bioverfügbarkeit und die vorliegenden Daten zu Nickelverbindungen mit ähnlicher Struktur ausreichten, um diese Einstufungen vorzunehmen. Demnach erfolgten die angefochtenen Einstufungen unabhängig von dem vom betreffenden Wirtschaftszweig gestellten Antrag, von zusätzlichen Tierversuchen befreit zu werden, auf einer wissenschaftlichen Grundlage.

87      Zum anderen geht zwar aus den Abschnitten 4.1.3.1.2.6 zur Mutagenität und 4.1.2.7.2.1 zur Kanzerogenität des von der DEPA im März 2008 vorgelegten Berichts über die Risikobewertung hervor, dass die Fachleute in einer Sitzung vom April 2004 unter Berücksichtigung des von diesem Wirtschaftszweig gestellten Freistellungsantrags übereingekommen seien, dass Nickelcarbonat als erbgutverändernd der Kategorie 3 und als krebserzeugend der Kategorie 1 einzustufen sei.

88      Doch wird dieser Freistellungsantrag u. a. im zusammenfassenden Bericht über die Sitzung der technischen Fachleute im ATF‑Ausschuss vom 29. September 2008 (Dokument SB/31ATP/08/2008) und in der Begründung zur 31. ATF‑Richtlinie, in denen vom Vorschlag der DEPA die Rede ist, für die Bewertung der Nickelcarbonate, zu denen wenige Daten vorlägen, das Kategorienkonzept, insbesondere das Analogiekonzept, anzuwenden, nicht mehr erwähnt.

89      Folglich kann dem Vorbringen des Klägers des Ausgangsverfahrens, dass die Kommission offensichtlich ihr Ermessen überschritten habe, als sie die streitigen Einstufungen allein auf den Freistellungsantrag gestützt habe, nicht gefolgt werden.

 Zur Wahl der Rechtsgrundlage für die 30. und die 31. ATF‑Richtlinie

90      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob mit Art. 28 der Richtlinie 67/548 die richtige Rechtsgrundlage für den Erlass der 30. und der 31. ATF‑Richtlinie gewählt worden ist.

91      Hierzu macht das Nickel Institute geltend, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des Verfahrens nach Art. 28 der Richtlinie 67/548 in Bezug auf die angefochtenen Einstufungen nicht vorgelegen hätten, weil es keinen hinreichenden technischen oder wissenschaftlichen Fortschritt zur Rechtfertigung einer Anpassung gegeben habe.

92      Wie jedoch aus den Protokollen der Sitzungen der Fachleute hervorgeht, die an einem langen, die Jahre 2000 bis 2008 umfassenden Konsultationsprozess beteiligt waren, wurden für die letzten Anpassungen der Richtlinie 67/548 im Zuge des Erlasses der 30. und der 31. ATF‑Richtlinie zahlreiche Gutachten und Studien durchgeführt.

93      Unter Berücksichtigung des Umfangs der vom Gerichtshof gemäß den Ausführungen in den Randnrn. 59 und 60 des vorliegenden Urteils auf diesem Gebiet auszuübenden Kontrolle ist nicht ersichtlich, dass die Kommission angesichts der nach Abschluss dieser Gutachten und Studien formulierten Schlussfolgerungen die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich überschritten hätte, als sie davon ausging, dass aufgrund der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse ein ausreichender technischer Fortschritt vorliege, um eine Anpassung der Richtlinie 67/548 zu rechtfertigen.

94      Folglich durften die 30. und die 31. ATF‑Richtlinie auf die Rechtsgrundlage des Art. 28 der Richtlinie 67/548 gestützt werden.

 Zur unzureichenden Begründung der 30. ATF‑Richtlinie

95      Das vorlegende Gericht fragt den Gerichtshof, ob die Gültigkeit der 30. Anpassungsrichtlinie durch einen gegen Art. 253 EG verstoßenden Begründungsmangel beeinträchtigt ist.

96      Das Nickel Institute ist der Auffassung, die Kommission habe gegen ihre Begründungspflicht aus Art. 253 EG verstoßen, da die Tatsachen und rechtlichen Erwägungen, die die Annahme der streitigen Einstufungen rechtfertigten, nicht aus dem erlassenen Rechtsakt selbst hervorgingen und die später veröffentlichten Protokolle der Sitzungen der Fachleute insoweit nicht ausreichten.

97      In diesem Zusammenhang trifft es zwar zu, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass die Begründung eines Unionsrechtsakts in diesem selbst enthalten sein und vom Urheber des Rechtsakts stammen muss (vgl. Urteil vom 21. Januar 2003, Kommission/Parlament und Rat, C‑378/00, Slg. 2003, I‑937, Randnr. 66 sowie die dort angeführte Rechtsprechung), doch ist der erforderliche Begründungsumfang unterschiedlich.

98      So hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass das Begründungserfordernis nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse zu beurteilen ist, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können (Urteil vom 22. Dezember 2008, Régie Networks, C‑333/07, Slg. 2008, I‑10807, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

99      Ferner hängt nach ständiger Rechtsprechung der Umfang der Begründungspflicht von der Rechtsnatur der betreffenden Maßnahme ab; bei generellen Rechtsakten kann sich die Begründung darauf beschränken, die Gesamtlage anzugeben, die zum Erlass der Maßnahme geführt hat, und die allgemeinen Ziele zu bezeichnen, die mit ihr erreicht werden sollen. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof wiederholt festgestellt, dass es, wenn der angefochtene Rechtsakt den von dem Gemeinschaftsorgan verfolgten Zweck in seinen wesentlichen Zügen erkennen lässt, zu weit ginge, eine besondere Begründung für die einzelnen technischen Entscheidungen zu verlangen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. März 2011, AJD Tuna, C‑221/09, Slg. 2011, I‑0000, Randnr. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

100    Darüber hinaus kann, wie der Generalanwalt in Nr. 107 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Beteiligung der Betroffenen am Entstehungsprozess des Rechtsakts die Begründungserfordernisse herabsetzen, da sie zu ihrer Information beiträgt.

101    Der angefochtene Rechtsakt genügt diesen Regeln.

102    So ist die 30. ATF‑Richtlinie ein genereller Rechtsakt, in dessen Erwägungsgründen ausgeführt ist, dass die von dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen mit der Stellungnahme des ATF‑Ausschusses vereinbar sind und dass die entsprechende Liste von Stoffen aktualisiert werden muss, damit weitere angemeldete neue Stoffe und weitere bereits vorhandene Stoffe aufgenommen und bestimmte Einträge an den technischen Fortschritt angepasst werden können. In diesem Zusammenhang ist u. a. vorgesehen, den Ergebnissen der Erörterungen des Internationalen Zentrums für Krebsforschung (ICRC) über die Einstufung von Nickelverbindungen besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

103    Sodann steht fest, dass die 30. ATF‑Richtlinie in einen komplexen technischen und rechtlichen, sich ständig weiterentwickelnden Rahmen einzuordnen ist, der eine detaillierte und individuelle Begründung der vorgenommenen Einstufungen erschwert, so dass die in dieser Richtlinie enthaltene Begründung angesichts der Natur dieses Rechtsakts ausreicht.

104    Schließlich ist unbestritten, dass die Vertreter des betroffenen Wirtschaftszweigs am Prozess der Ausarbeitung der Richtlinie beteiligt waren. Darüber hinaus waren die wissenschaftlichen Erwägungen und die Daten, die die streitigen Einstufungen rechtfertigten, in mehreren der Öffentlichkeit vor dem Erlass der 30. ATF‑Richtlinie bekannt gemachten Dokumenten und Protokollen der Sitzungen der Fachleute enthalten.

105    Somit leidet die 30. ATF‑Richtlinie nicht an einem gegen Art. 253 EG verstoßenden Begründungsmangel.

106    Nach alledem ist festzustellen, dass die Prüfung der ersten und der zweiten Vorlagefrage nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der 30. und der 31. ATF‑Richtlinie und damit der 1. ATF‑Verordnung berühren könnte, soweit darin die im Ausgangsverfahren fraglichen Nickelverbindungen als für den Menschen krebserzeugend der Kategorie 1, erbgutverändernd der Kategorie 3 und fortpflanzungsgefährdend der Kategorie 2 eingestuft werden.

 Zur dritten Frage

107    Mit seiner dritten Frage fragt das vorlegende Gericht nach der Gültigkeit der 1. ATF‑Verordnung, mit der Änderungen, die mit der 30. und der 31. ATF‑Richtlinie an Anhang I der Richtlinie 67/548 vorgenommen worden waren, in die Tabellen 3.1 und 3.2 des Anhangs VI Teil 3 der CLP‑Verordnung eingefügt wurden.

108    Das vorlegende Gericht möchte im Einzelnen wissen, ob die 1. ATF‑Verordnung auf die richtige Rechtsgrundlage gestützt wurde und ob die Einstufungen in Tabelle 3.1 des Anhangs VI Teil 3 der CLP‑Verordnung rechtmäßig sind.

 Zur Wahl der Rechtsgrundlage für die 1. ATF‑Verordnung

109    Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die Gültigkeit der 1. ATF‑Verordnung dadurch berührt wird, dass die Kommission bei ihrem Erlass auf Art. 53 statt auf Art. 37 der CLP-Verordnung als Rechtsgrundlage abgestellt hat.

110    Der Kläger des Ausgangsverfahrens wirft der Kommission vor, sie habe das in Art. 53 der CLP‑Verordnung vorgesehene Verfahren zur Anpassung an den technischen Fortschritt angewandt, indem sie eine fast automatische Methode zur Anpassung der Verordnung an den technischen Fortschritt gewählt habe, und nicht das in Art. 37 der Verordnung vorgesehene komplexe und detaillierte Verfahren zur Bewertung der Eigenschaften der im Ausgangsverfahren fraglichen Stoffe durchgeführt.

111    Zu dieser ersten Rüge ist festzustellen, dass Art. 37 der CLP‑Verordnung zu deren Titel V Kapitel 1 – „Schaffung einer harmonisierten Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen“ – gehört.

112    Die Verwendung des Wortes „Schaffung“ in diesem Kontext weist darauf hin, dass das Verfahren des Art. 37 nur beim Erlass neuer Einstufungen verwendet werden darf. Dagegen kann die Kommission nach Art. 53 der CLP‑Verordnung „die Anhänge I bis VII [der Verordnung] an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt anpassen“.

113    Im vorliegenden Fall werden mit der 1. ATF‑Verordnung nur die bereits anhand der Kriterien und Grundsätze der Richtlinie 67/548 vorgenommenen streitigen Einstufungen in die CLP‑Verordnung eingefügt.

114    Folglich durfte die 1. ATF‑Verordnung auf die Rechtsgrundlage des Art. 53 der CLP‑Verordnung gestützt werden.

 Zur Rechtmäßigkeit der Einstufungen in Tabelle 3.1 des Anhangs VI Teil 3 der CLP‑Verordnung

115    Das vorlegende Gericht fragt, ob die Kommission einen Fehler begangen hat, als sie bei der Aufnahme der streitigen Einstufungen in Tabelle 3.1 des Anhangs VI Teil 3 der CLP‑Verordnung die Umwandlungstabelle des Anhangs VII der CLP‑Verordnung verwendet hat, statt die Kriterien des Anhangs I der Verordnung zu berücksichtigen.

116    Nach Ansicht des Klägers des Ausgangsverfahrens hätte die Kommission somit das Verfahren zur Bewertung der Eigenschaften der im Ausgangsverfahren fraglichen Nickelverbindungen unter Anwendung der Kriterien des Anhangs I der CLP‑Verordnung erneut durchführen müssen.

117    Wie in Randnr. 113 des vorliegenden Urteils ausgeführt, war die Wiederholung dieses Bewertungsverfahrens aber nicht erforderlich, da mit der 1. ATF‑Verordnung lediglich die Einstufungen in die CLP‑Verordnung einfügt wurden, die bereits nach dem komplexen und detaillierten Verfahren der Richtlinie 67/548 vorgenommen wurden.

118    Bezüglich der Umwandlungstabelle des Anhangs VII der CLP‑Verordnung ist zu beachten, dass nach Art. 61 Abs. 3 der Verordnung alle Stoffe bis zum 1. Juni 2015 sowohl gemäß dem alten System als auch gemäß dem neuen System eingestuft werden. Folglich sind alle nach der Richtlinie 67/548 vorgenommenen Einstufungen mit Hilfe der Umwandlungstabelle des Anhangs VII der CLP‑Verordnung in Einstufungen gemäß der CLP‑Verordnung umzuwandeln.

119    Somit hat die Kommission zu Recht entschieden, die streitigen Einstufungen unter Verwendung der Umrechnungstabelle des Anhangs VII in Tabelle 3.1 des Anhangs VI Teil 3 der CLP‑Verordnung aufzunehmen.

120    Nach alledem ist festzustellen, dass die Prüfung der dritten Vorlagefrage nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der 1. ATF‑Verordnung berühren könnte, soweit darin die im Ausgangsverfahren fraglichen Nickelverbindungen als für den Menschen krebserzeugend der Kategorie 1, erbgutverändernd der Kategorie 3 und fortpflanzungsgefährdend der Kategorie 2 eingestuft werden.

 Kosten

121    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

Die Prüfung der Vorlagefragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit zum einen der Richtlinie 2008/58/EG der Kommission vom 21. August 2008 zur 30. Anpassung der Richtlinie 67/548/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe an den technischen Fortschritt und der Richtlinie 2009/2/EG der Kommission vom 15. Januar 2009 zur 31. Anpassung der Richtlinie 67/548/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe an den technischen Fortschritt und zum anderen der Verordnung (EG) Nr. 790/2009 der Kommission vom 10. August 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen zwecks Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt berühren könnte, soweit darin Stoffe wie bestimmte Nickelcarbonate, Nickelhydroxide und andere Gruppen von im Ausgangsverfahren fraglichen Nickelverbindungen als für den Menschen krebserzeugend der Kategorie 1, erbgutverändernd der Kategorie 3 und fortpflanzungsgefährdend der Kategorie 2 eingestuft werden.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.

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