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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62008CJ0344

    Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 16. Juli 2009.
    Strafverfahren gegen Tomasz Rubach.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Sąd Rejonowy w Kościanie - Polen.
    Schutz wildlebender Tier- und Pflanzenarten - In Anhang B der Verordnung (EG) Nr. 338/97 aufgeführte Arten - Nachweis der Rechtmäßigkeit des Erwerbs von Exemplaren dieser Arten - Beweislast - Unschuldsvermutung - Verteidigungsrechte.
    Rechtssache C-344/08.

    Sammlung der Rechtsprechung 2009 I-07033

    ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2009:482

    Parteien
    Entscheidungsgründe
    Tenor

    Parteien

    In der Rechtssache C‑344/08

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Sąd Rejonowy w Kościanie (Polen) mit Entscheidung vom 8. Juli 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Juli 2008, in dem Strafverfahren gegen

    Tomasz Rubach

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter J.‑C. Bonichot, K. Schiemann und J. Makarczyk sowie der Richterin C. Toader (Berichterstatterin),

    Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

    Kanzler: R. Grass,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    – der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz als Bevollmächtigten,

    – der spanischen Regierung, vertreten durch N. Díaz Abad als Bevollmächtigte,

    – der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Konstantinidis und M. Owsiany-Hornung als Bevollmächtigte,

    aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    Entscheidungsgründe

    1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels (ABl. 1997, L 61, S. 1).

    2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Herrn Rubach wegen Verstößen gegen das polnische Gesetz zum Schutz der Natur.

    Rechtlicher Rahmen

    Das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen

    3. Das am 3. März 1973 in Washington unterzeichnete Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen ( Recueil des traités des Nations unies , vol. 993, n° I‑14537, im Folgenden: CITES) soll sicherstellen, dass der internationale Handel mit den in seinen Anhängen aufgeführten Arten sowie mit Teilen von und Erzeugnissen aus ihnen nicht der Erhaltung der Biodiversität schadet und auf einer nachhaltigen Nutzung der freilebenden Arten beruht.

    4. Dieses Übereinkommen wird in der Europäischen Gemeinschaft seit 1. Januar 1984 aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 3626/82 des Rates vom 3. Dezember 1982 zur Anwendung des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen in der Gemeinschaft (ABl. L 384, S. 1) angewandt. Diese Verordnung wurde durch die Verordnung Nr. 338/97 aufgehoben, die nach ihrem Art. 1 Abs. 2 im Einklang mit den Zielen, Grundsätzen und Bestimmungen des CITES angewandt wird.

    Gemeinschaftsrecht

    5. Art. 8 der Verordnung Nr. 338/97 bestimmt:

    „Bestimmungen betreffend die Kontrolle des Handels

    (1) Kauf, Angebot zum Kauf, Erwerb zu kommerziellen Zwecken, Zurschaustellung und Verwendung zu kommerziellen Zwecken sowie Verkauf, Vorrätighalten, Anbieten oder Befördern zu Verkaufszwecken von Exemplaren der Arten des Anhangs A sind verboten.

    (5) Die in Absatz 1 genannten Verbote gelten auch für Exemplare der Arten des Anhangs B, es sei denn, der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats kann nachgewiesen werden, dass diese Exemplare gemäß den Rechtsvorschriften über die Erhaltung der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten erworben und – falls sie von außerhalb der Gemeinschaft stammen – in diese eingeführt wurden.

    …“

    6. In Art. 16 der Verordnung heißt es:

    „Sanktionen

    (1) Die Mitgliedstaaten sorgen durch geeignete Maßnahmen dafür, dass zumindest bei folgenden Verstößen gegen diese Verordnung Sanktionen verhängt werden:

    a) Einfuhr von Exemplaren in die Gemeinschaft oder Ausfuhr bzw. Wiederausfuhr von Exemplaren aus der Gemeinschaft ohne einschlägige Genehmigung oder Bescheinigung, mit falscher, gefälschter oder ungültiger Genehmigung oder Bescheinigung oder einer ohne die Erlaubnis der zuständigen Behörde geänderten Genehmigung oder Bescheinigung;

    b) Nichterfüllung der Auflagen für eine nach Maßgabe dieser Verordnung erteilte Genehmigung oder ausgestellte Bescheinigung;

    j) Kauf, Angebot zum Kauf, Erwerb zu kommerziellen Zwecken, Verwendung und Zurschaustellung zu kommerziellen Zwecken, Verkauf, Vorrätighalten, Anbieten oder Befördern zu Verkaufszwecken von Exemplaren unter Verstoß gegen Artikel 8;

    (2) Die in Absatz 1 genannten Maßnahmen müssen in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Schwere des Verstoßes stehen und Bestimmungen über eine Beschlagnahme und – gegebenenfalls – Einziehung vorsehen.

    (4) Wird ein lebendes Exemplar der in Anhang B oder C aufgeführten Arten an einer Einfuhrstelle ohne gültige Genehmigung oder Bescheinigung in die Gemeinschaft eingeführt, so muss es beschlagnahmt und kann eingezogen werden, oder wenn der Empfänger seine Annahme verweigert, können die zuständigen Behörden des für den Ort der Einfuhr zuständigen Mitgliedstaats gegebenenfalls die Annahme der Sendung verweigern und vom Transporteur die Rücksendung des Exemplars an seinen Herkunftsort fordern.“

    7. Anhang B der Verordnung Nr. 338/97 erwähnt in der Klasse Arachnida , Ordnung Araneae , Spinnen der Gattung Brachypelma (Vogelspinne).

    Nationales Recht

    8. Die auf das Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen Vorschriften ergeben sich in erster Linie aus dem Gesetz vom 16. April 2004 über den Schutz der Natur (Dz. U. Nr. 92, Pos. 880, im Folgenden: Naturschutzgesetz), das die Bestimmungen des CITES und der einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften übernimmt.

    9. Art. 61 Abs. 1 des Naturschutzgesetzes bestimmt:

    „Die Beförderung von Pflanzen und Tieren, die zu Arten gehören, die aufgrund der Vorschriften des Rechts der Europäischen Union Beschränkungen unterliegen, sowie von erkennbaren Teilen von und Erzeugnissen aus ihnen über die Staatsgrenze bedarf, vorbehaltlich des Abs. 2, der Genehmigung durch den für Umweltangelegenheiten zuständigen Minister.“

    10. Art. 64 dieses Gesetzes sieht vor:

    „(1) Der Besitzer und der Züchter von Tieren im Sinne von Art. 61 Abs. 1, die zu den Amphibien, Reptilien, Vögeln oder Säugetieren gehören, sind verpflichtet, sie schriftlich zum Register anzumelden.

    (2) Die Verpflichtung zur Registeranmeldung nach Abs. 1 betrifft nicht:

    1. zoologische Gärten;

    2. Personen, die eine gewerbliche Tätigkeit im Bereich des Handels mit Tieren im Sinne von Art. 61 Abs. 1 ausüben;

    3. das vorübergehende Halten von Tieren zu ihrer Heilung oder Rehabilitation.

    (3) Das Register nach Abs. 1 wird vom nach dem Ort der Haltung oder der Zucht der Tiere zuständigen Starosta [Bezirkspräsidenten] geführt.

    (5) Die Verpflichtung zur Registeranmeldung oder ‑streichung entsteht mit dem Tag des Erwerbs oder der Veräußerung, der Einfuhr in das Inland oder der Ausfuhr über die Staatsgrenze, der Inbesitznahme des Tieres, seines Verlusts oder Todes. Der Antrag auf Vornahme der Eintragung oder der Streichung ist beim zuständigen Starosta innerhalb von 14 Tagen ab dem Tag der Entstehung dieser Verpflichtung zu stellen.

    (8) Der Starosta bestätigt die Registereintragung mit der Ausstellung einer Bescheinigung.

    (9) Personen im Sinne von Abs. 2 Nr. 2 sind verpflichtet, das Original oder eine Kopie des Dokuments nach Abs. 4 Nr. 11 zu besitzen und mit dem verkauften Tier zu übergeben. Auf einer entsprechenden Kopie hat der Verkäufer des Tieres eine Nummer nach fortlaufender Nummerierung, das Datum der Ausstellung, den Stempel und seine Unterschrift anzubringen und Angaben zur Zahl der Tiere, für die sie ausgestellt wurde, und darüber zu machen, zu welcher Art sie gehören, sofern das kopierte Dokument mehr als eine Art betrifft.

    …“

    11. Art. 128 des Gesetzes bestimmt:

    „Wer

    (2) mit einer der folgenden Handlungen gegen die Vorschriften des Rechts der Europäischen Union über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels verstößt:

    d) Anbieten der Veräußerung oder des Erwerbs, Erwerb oder Beschaffung, Nutzung oder öffentliche Zurschaustellung zu Erwerbszwecken, Veräußerung, Haltung oder Beförderung zu Verkaufszwecken von Exemplaren der festgelegten Pflanzen‑ und Tierarten,

    wird mit Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren bestraft.“

    Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

    12. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass Herr Rubach auf Terrariumsbörsen exotische Spinnen der Gattung Brachypelma Albopilosum und damit Exemplare, die zu den in Anhang B der Verordnung Nr. 338/97 aufgeführten geschützten Tierarten gehören, erwarb, mit der Vermehrung dieser Spinnentiere in der Zucht begann und sie von Februar bis Oktober 2006 im Internet versteigerte.

    13. Aus diesem Grund wurde Herr Rubach einer Straftat nach Art. 128 Abs. 2 Buchst. d des Naturschutzgesetzes in 46 Fällen angeklagt.

    14. Mit Urteil vom 26. Oktober 2007 sprach der Sąd Rejonowy w Kościanie den Angeklagten mit der Begründung von sämtlichen Tatvorwürfen frei, dass das Verhalten des Angeklagten nicht den Tatbestand der ihm vorgeworfenen Straftat erfülle.

    15. Auf Berufung des Prokurator Rejonowy w Kościanie hob der Sąd Okręgowy w Poznaniu dieses Urteil am 2. April 2008 auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück.

    16. Im Rahmen der erneuten Prüfung der Sache führte der Sąd Rejonowy w Kościanie aus, die vom Berufungsgericht vertretene, für das mit der erneuten Prüfung befasste Gericht bindende Auslegung des nationalen Rechts hätte zur Folge, dass der Angeklagte einer strafrechtlichen Verurteilung nur durch den Nachweis der Herkunft der Tiere entgehen könnte, sei es durch Vorlage einer Bescheinigung über die Anmeldung zu dem nach Art. 64 Abs. 1 des Naturschutzgesetzes geführten Register in Bezug auf die verkauften Tiere, sei es durch Vorlage von Informationen, die es ermöglichten, die Herkunft dieser Tiere zu rekonstruieren und die Person oder Personen, die sie zuvor besessen oder gezüchtet habe bzw. hätten, eindeutig zu ermitteln.

    17. Zur ersten Variante hat der Sąd Rejonowy w Kościanie das Starostwo Powiatowe w Kościanie (Bezirksverwaltung Kościan) befragt. Der Standpunkt dieser Behörde zeige, dass der Angeklagte die fraglichen Exemplare nicht in das betreffende Register habe eintragen lassen können, weil sie als Spinnentiere nicht der Eintragung unterlegen hätten. Dies bestätigt auch die polnische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen.

    18. Wenn aber der Angeklagte verpflichtet wäre, ein Dokument vorzulegen, das zu erlangen ihm das nationale Recht nicht vorschreibe, und zugleich keine genauen Kenntnisse über die Herkunft der fraglichen Tiere von ihm verlangt würden, könnte er einer strafrechtlichen Verurteilung nach Ansicht des Sąd Rejonowy w Kościanie nicht entgehen.

    19. Der Sąd Rejonowy w Kościanie hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    Auf welche Weise kann der Besitzer von in Anhang B der Verordnung Nr. 338/97 aufgeführten Tieren (die keine Amphibien, Reptilien, Vögel oder Säugetiere sind) im Sinne von Art. 8 Abs. 5 dieser Verordnung und im Licht der Unschuldsvermutung nachweisen, dass seine Exemplare gemäß den Rechtsvorschriften über die Erhaltung der wildlebenden Tier‑ und Pflanzenarten erworben wurden?

    Zur Vorlagefrage

    Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

    20. Die polnische Regierung schlägt vor, dem vorlegenden Gericht zu antworten, dass Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 338/97, der die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit im Sinne von Art. 8 Abs. 1 dieser Verordnung an den Nachweis knüpft, dass die Exemplare der in Anhang B der Verordnung aufgeführten Arten rechtmäßig erworben wurden, auf die Beweisregeln verweist, die vor der zuständigen nationalen Behörde gelten. Handelt es sich um ein Strafgericht, ist dieser Nachweis nach den Grundsätzen des Strafprozesses zu führen, wonach der Sachverhalt mit allen verfügbaren Beweismitteln ermittelt werden muss und im Zweifel zugunsten des Angeklagten zu entscheiden ist.

    21. Die spanische Regierung schlägt dem Gerichtshof vor, die Frage dahin zu beantworten, dass für alle in Anhang B aufgeführten Exemplare der Nachweis verlangt werden muss, dass sie rechtmäßiger Herkunft sind, wobei es den aufgrund des CITES zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten überlassen bleibt, diese Nachweise, die in jedem Fall die Gewähr für die Rückverfolgbarkeit der rechtmäßigen Herkunft der fraglichen Exemplare bieten müssen, zu beurteilen.

    22. Nach Ansicht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, dass das nationale Gericht während des Strafverfahrens zur Ahndung eines möglichen Verstoßes gegen Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 338/97 im Hinblick auf das Fehlen von Gemeinschaftsvorschriften, die solche Strafverfahren regeln, in der Regel nationales Recht anwendet, wobei es dieses gemeinschaftsrechtskonform auslegt und darauf achtet, dass die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts gewährleistet ist. Zur Verteilung der Beweislast vertritt die Kommission die Auffassung, im Hinblick darauf, dass in der Regel das Verbot, Exemplare der in Anhang B der Verordnung Nr. 338/97 aufgeführten Arten zu kommerziellen Zwecken zu verwenden, zur Anwendung komme, obliege es im Rahmen des Strafverfahrens der Staatsanwaltschaft, zu beweisen, dass Herr Rubach Exemplare geschützter Arten zu kommerziellen Zwecken verwendet habe. Demgegenüber hätte Herr Rubach zu beweisen, dass er rechtmäßig in den Besitz dieser Exemplare gelangt sei, um einer strafrechtlichen Verurteilung zu entgehen.

    Antwort des Gerichtshofs

    23. Wie sich aus dem Vorabentscheidungsersuchen in seiner Gesamtheit ergibt, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, welche Beweismittel im Licht von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 338/97 im Rahmen eines Strafverfahrens zugelassen sind, in dem es um Tätigkeiten im Zusammenhang mit Exemplaren von in Anhang B dieser Verordnung aufgeführten Tierarten geht, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen, und wer in Bezug auf die Frage der Rechtmäßigkeit des Erwerbs der betreffenden Exemplare die Beweislast zu tragen hat.

    24. Die für Exemplare der in den Anhängen A und B dieser Verordnung aufgeführten Arten eingeführte Schutzregelung soll einen möglichst umfassenden Schutz wildlebender Tier‑ und Pflanzenarten sicherstellen, indem im Einklang mit den Zielen, Grundsätzen und Bestimmungen des CITES der Handel mit ihnen kontrolliert wird.

    25. Es ist unstreitig, dass die Verordnung Nr. 338/97 kein allgemeines Verbot der Einfuhr von und des Handels mit Arten, die nicht in ihrem Anhang A genannt sind, enthält (Urteil vom 19. Juni 2008, Nationale Raad van Dierenkwekers en Liefhebbers und Andibel, C‑219/07, Slg. 2008, I‑4475, Randnr. 18).

    26. Wie der Gerichtshof entschieden hat, ist die kommerzielle Verwendung von Exemplaren der in Anhang B der Verordnung Nr. 338/97 aufgeführten Arten erlaubt, wenn die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 5 dieser Verordnung vorliegen (Urteil vom 23. Oktober 2001, Tridon, C‑510/99, Slg. 2001, I‑7777, Randnr. 44). So gilt das in Art. 8 der Verordnung vorgesehene Handelsverbot nicht, wenn der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats nachgewiesen werden kann, dass diese Exemplare gemäß den Rechtsvorschriften über die Erhaltung der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten erworben und – falls sie von außerhalb der Gemeinschaft stammen – in diese eingeführt wurden.

    27. Im Licht dieser Bestimmungen ist festzustellen, dass die Verordnung Nr. 338/97 nicht festlegt, mit welchen Beweismitteln der Nachweis erbracht werden kann, dass Exemplare von in Anhang B dieser Verordnung aufgeführten Arten nach den Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 5 der Verordnung rechtmäßig erworben wurden; dies gilt insbesondere, wenn sie im Gemeinschaftsgebiet in Gefangenschaft geboren wurden. Somit bleibt es den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten überlassen, festzulegen, mit welchen Beweismitteln nachgewiesen werden kann, dass die betreffenden Voraussetzungen erfüllt sind. Zu diesen Beweismitteln gehören die in der Verordnung Nr. 338/97 vorgesehenen Genehmigungen und Bescheinigungen oder jedes andere geeignete Dokument, das die zuständigen nationalen Behörden gegebenenfalls für sachdienlich erachten.

    28. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass, da der Begriff des Nachweises gemeinschaftsrechtlich nicht geregelt ist, grundsätzlich alle Beweismittel zulässig sind, die die Verfahrensrechte der Mitgliedstaaten in vergleichbaren Verfahren zulassen. Daher haben die nationalen Behörden in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens nach ihrem nationalen Beweisrecht zu bestimmen, ob im konkret zu beurteilenden Fall der Nachweis erbracht ist, dass die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 338/97 erfüllt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. März 2000, Met-Trans und Sagpol, C‑310/98 und C‑406/98, Slg. 2000, I‑1797, Randnrn. 29 und 30).

    29. Daher ist dem vorlegenden Gericht zu diesem ersten Aspekt zu antworten, dass die Verordnung Nr. 338/97 nicht die Beweismittel begrenzt, die in Bezug auf die Frage der Rechtmäßigkeit des Erwerbs von Exemplaren der in Anhang B dieser Verordnung aufgeführten Arten zulässig sind, und dass grundsätzlich alle Beweismittel, die das Verfahrensrecht des betreffenden Mitgliedstaats in vergleichbaren Verfahren zulässt, für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Erwerbs der fraglichen Exemplare herangezogen werden können.

    30. Was zweitens die Verteilung der Beweislast in Bezug auf die Frage der Rechtmäßigkeit des Erwerbs von Exemplaren der in Anhang B der Verordnung Nr. 338/97 aufgeführten Tierarten im Licht der Unschuldsvermutung betrifft, ist zu beachten, dass die Unschuldsvermutung, wie sie sich u. a. aus Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, unterzeichnet in Rom am 4. November 1950, ergibt, zu den Grundrechten gehört, die nach der im Übrigen in der Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte und durch Art. 6 Abs. 2 EU bestätigten ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs in der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützt werden (vgl. u. a. Urteile vom 8. Juli 1999, Hüls/Kommission, C‑199/92 P, Slg. 1999, I‑4287, Randnr. 149, und Montecatini/Kommission, C‑235/92 P, Slg. 1999, I‑4539, Randnr. 175).

    31. Die Unschuldsvermutung soll jedermann gewährleisten, nicht als Straftäter bezeichnet oder behandelt zu werden, bevor nicht seine Schuld rechtsförmlich nachgewiesen ist (vgl. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil Y. B. u. a./Türkei vom 28. Oktober 2004, Nrn. 48173/99 und 48319/99, § 43 V).

    32. Die Einführung einer Schutzregelung, die für Exemplare der in den Anhängen A und B der Verordnung Nr. 338/97 aufgeführten Arten geschaffen wurde, berührt nicht die generelle Pflicht, wonach im Rahmen eines Strafverfahrens die Anklage zu beweisen hat, dass der Angeklagte durch die geltenden Rechtsvorschriften geschützte Exemplare der in Anhang B der Verordnung Nr. 338/97 aufgeführten Arten zu kommerziellen Zwecken verwendet hat.

    33. Der Angeklagte hat in jedem Fall das Recht, sich gegen seine strafrechtliche Verfolgung zu verteidigen, indem er nach Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 338/97 nachweist, dass er gemäß den dort vorgesehenen Voraussetzungen rechtmäßig in den Besitz der betreffenden Exemplare gelangt ist, und zu diesem Zweck von allen im anwendbaren Verfahrensrecht zugelassenen Beweismitteln Gebrauch zu machen.

    34. Daher ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 338/97 dahin auszulegen ist, dass im Rahmen eines Strafverfahrens gegen eine Person, der ein Verstoß gegen diese Vorschrift zur Last gelegt wird, grundsätzlich alle Beweismittel, die das Verfahrensrecht des betreffenden Mitgliedstaats in vergleichbaren Verfahren zulässt, für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Erwerbs von Exemplaren der in Anhang B dieser Verordnung aufgeführten Tierarten herangezogen werden können. Auch in Anbetracht der Unschuldsvermutung stehen der betreffenden Person alle diese Beweismittel für den Nachweis zur Verfügung, dass sie nach den Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 5 rechtmäßig in den Besitz der fraglichen Exemplare gelangt ist.

    Kosten

    35. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

    Tenor

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

    Art. 8 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels ist dahin auszulegen, dass im Rahmen eines Strafverfahrens gegen eine Person, der ein Verstoß gegen diese Vorschrift zur Last gelegt wird, grundsätzlich alle Beweismittel, die das Verfahrensrecht des betreffenden Mitgliedstaats in vergleichbaren Verfahren zulässt, für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Erwerbs von Exemplaren der in Anhang B dieser Verordnung aufgeführten Tierarten herangezogen werden können. Auch in Anbetracht der Unschuldsvermutung stehen der betreffenden Person alle diese Beweismittel für den Nachweis zur Verfügung, dass sie nach den Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 5 rechtmäßig in den Besitz der fraglichen Exemplare gelangt ist.

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