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Document 62022CJ0632

Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 11. Juli 2024.
AB Volvo gegen Transsaqui S.L.
Vorabentscheidungsersuchen der Tribunal Supremo.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen – Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 – Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke – Klage auf Ersatz des durch ein nach Art. 101 Abs. 1 AEUV und nach Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum verbotenes Verhalten verursachten Schadens – Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks am Sitz einer Tochtergesellschaft der Beklagten – Gültigkeit der Klageerhebung – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 47 – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz.
Rechtssache C-632/22.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2024:601

 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

11. Juli 2024 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen – Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 – Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke – Klage auf Ersatz des durch ein nach Art. 101 Abs. 1 AEUV und nach Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum verbotenes Verhalten verursachten Schadens – Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks am Sitz einer Tochtergesellschaft der Beklagten – Gültigkeit der Klageerhebung – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 47 – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz“

In der Rechtssache C‑632/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) mit Entscheidung vom 7. Oktober 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Oktober 2022, in dem Verfahren

Volvo AB

gegen

Transsaqui SL,

Beteiligter:

Ministerio Fiscal,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Fünften Kammer sowie der Richter M. Ilešič (Berichterstatter), I. Jarukaitis und D. Gratsias,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: N. Mundhenke, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2023,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Volvo AB, vertreten durch N. Gómez Bernardo, Abogada,

der Transsaqui SL, vertreten durch J. Bonet Martínez, J. Bonet Sánchez und A. Penalba Ferrer, Abogados, sowie durch F. Pérez Cruz, Procurador,

der spanischen Regierung, vertreten durch L. Aguilera Ruiz als Bevollmächtigten,

der tschechischen Regierung, vertreten durch A. Edelmannová, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Baches Opi, M. Domecq und S. Noë als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Januar 2024

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) in Verbindung mit Art. 101 AEUV sowie von Art. 53 der Charta.

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Volvo AB und der Transsaqui SL über den Schaden, der Letzterer infolge eines Verstoßes mehrerer Lkw-Hersteller, darunter Volvo, gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) entstanden sein soll.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung (EG) Nr. 1393/2007

3

In den Erwägungsgründen 2, 8, 11, 12, 16 und 17 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates (ABl. 2007, L 324, S. 79) hieß es:

„(2)

Für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts muss die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen, die in einem anderen Mitgliedstaat zugestellt werden sollen, zwischen den Mitgliedstaaten verbessert und beschleunigt werden.

(8)

Diese Verordnung sollte nicht für die Zustellung eines Schriftstücks an den Bevollmächtigten einer Partei in dem Mitgliedstaat gelten, in dem das Verfahren anhängig ist, unabhängig davon, wo die Partei ihren Wohnsitz hat.

(11)

Um die Übermittlung und Zustellung von Schriftstücken zwischen den Mitgliedstaaten zu erleichtern, sollten die in den Anhängen dieser Verordnung enthaltenen Formblätter verwendet werden.

(12)

Die Empfangsstelle sollte den Zustellungsempfänger schriftlich unter Verwendung des Formblatts darüber belehren, dass er die Annahme des Schriftstücks bei der Zustellung oder dadurch verweigern darf, dass er das Schriftstück binnen einer Woche an die Empfangsstelle zurücksendet, wenn es nicht in einer Sprache, die er versteht, oder in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Zustellungsortes abgefasst ist. …

(16)

Um den Zugang zum Recht zu erleichtern, sollten die Kosten, die dadurch entstehen, dass bei der Zustellung eine Amtsperson oder eine andere nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats zuständige Person mitwirkt, einer von diesem Mitgliedstaat nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung im Voraus festgesetzten einheitlichen Festgebühr entsprechen. Das Erfordernis einer einheitlichen Festgebühr sollte nicht die Möglichkeit ausschließen, dass die Mitgliedstaaten unterschiedliche Festgebühren für unterschiedliche Arten der Zustellung festlegen, sofern sie diese Grundsätze beachten.

(17)

Es sollte jedem Mitgliedstaat freistehen, Personen, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, Schriftstücke unmittelbar durch Postdienste per Einschreiben mit Rückschein oder gleichwertigem Beleg zustellen zu lassen.“

4

Art. 1 („Anwendungsbereich“) Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1393/2007 sah vor:

„(1)   Diese Verordnung ist in Zivil- oder Handelssachen anzuwenden, in denen ein gerichtliches oder außergerichtliches Schriftstück von einem in einen anderen Mitgliedstaat zum Zwecke der Zustellung zu übermitteln ist. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten sowie die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte (‚acta iure imperii‘).

(2)   Diese Verordnung findet keine Anwendung, wenn die Anschrift des Empfängers des Schriftstücks unbekannt ist.“

5

Art. 5 („Übersetzung der Schriftstücke“) der Verordnung Nr. 1393/2007 lautete:

„(1)   Der Antragsteller wird von der Übermittlungsstelle, der er das Schriftstück zum Zweck der Übermittlung übergibt, davon in Kenntnis gesetzt, dass der Empfänger die Annahme des Schriftstücks verweigern darf, wenn es nicht in einer der in Artikel 8 genannten Sprachen abgefasst ist.

(2)   Der Antragsteller trägt etwaige vor der Übermittlung des Schriftstücks anfallende Übersetzungskosten unbeschadet einer etwaigen späteren Kostenentscheidung des zuständigen Gerichts oder der zuständigen Behörde.“

6

Art. 8 („Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1393/2007 bestimmte:

„Die Empfangsstelle setzt den Empfänger unter Verwendung des Formblatts in Anhang II davon in Kenntnis, dass er die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks bei der Zustellung verweigern oder das Schriftstück der Empfangsstelle binnen einer Woche zurücksenden darf, wenn das Schriftstück nicht in einer der folgenden Sprachen abgefasst oder keine Übersetzung in einer der folgenden Sprachen beigefügt ist:

a)

einer Sprache, die der Empfänger versteht,

oder

b)

der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats oder, wenn es im Empfangsmitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt, der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Ortes, an dem die Zustellung erfolgen soll.“

7

Art. 11 („Kosten der Zustellung“) Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1393/2007 sah vor:

„Auslagen, die dadurch entstehen, dass bei der Zustellung eine Amtsperson oder eine andere nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats zuständige Person mitwirkt, müssen einer von diesem Mitgliedstaat nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung im Voraus festgesetzten einheitlichen Festgebühr entsprechen. Die Mitgliedstaaten teilen der [Europäischen] Kommission die jeweiligen Festgebühren mit.“

8

Art. 14 der Verordnung Nr. 1393/2007 lautete:

„Jedem Mitgliedstaat steht es frei, Personen, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch Postdienste per Einschreiben mit Rückschein oder gleichwertigem Beleg zustellen zu lassen.“

9

Art. 19 („Nichteinlassung des Beklagten“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1393/2007 sah vor:

„War ein verfahrenseinleitendes Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nach dieser Verordnung zum Zweck der Zustellung in einen anderen Mitgliedstaat zu übermitteln und hat sich der Beklagte nicht auf das Verfahren eingelassen, so hat das Gericht das Verfahren auszusetzen, bis festgestellt ist,

a)

dass das Schriftstück in einem Verfahren zugestellt worden ist, das das Recht des Empfangsmitgliedstaats für die Zustellung der in seinem Hoheitsgebiet ausgestellten Schriftstücke an dort befindliche Personen vorschreibt, oder

b)

dass das Schriftstück tatsächlich entweder dem Beklagten persönlich ausgehändigt oder nach einem anderen in dieser Verordnung vorgesehenen Verfahren in seiner Wohnung abgegeben worden ist,

und dass in jedem dieser Fälle das Schriftstück so rechtzeitig zugestellt oder ausgehändigt bzw. abgegeben worden ist, dass der Beklagte sich hätte verteidigen können.“

Verordnung (EU) Nr. 1215/2012

10

Art. 7 („Besondere Zuständigkeiten“) der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1) sieht vor:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

2.

wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht;

…“

11

In Art. 28 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1215/2012 heißt es:

„(2)   Das Gericht hat das Verfahren so lange auszusetzen, bis festgestellt ist, dass es dem Beklagten möglich war, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück so rechtzeitig zu empfangen, dass er sich verteidigen konnte oder dass alle hierzu erforderlichen Maßnahmen getroffen worden sind.

(3)   An die Stelle von Absatz 2 tritt Artikel 19 der [Verordnung Nr. 1393/2007], wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nach der genannten Verordnung von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu übermitteln war.“

12

Art. 45 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 bestimmt:

„Die Anerkennung einer Entscheidung wird auf Antrag eines Berechtigten versagt, wenn

b)

dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte;

…“

13

Art. 63 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 lautet:

„Gesellschaften und juristische Personen haben für die Anwendung dieser Verordnung ihren Wohnsitz an dem Ort, an dem sich

a)

ihr satzungsmäßiger Sitz,

b)

ihre Hauptverwaltung oder

c)

ihre Hauptniederlassung befindet.“

Spanisches Recht

14

Art. 155 der Ley 1/2000, de Enjuiciamiento Civil (Gesetz 1/2000 über den Zivilprozess), vom 7. Januar 2000 (BOE Nr. 7 vom 8. Januar 2000) bestimmt:

„1.   Sind die Parteien nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten oder handelt es sich um die erste Ladung des Beklagten, ist die Mitteilung an den Wohnsitz bzw. den Sitz der Parteien zu senden. …

2.   Wohnsitz des Klägers ist der in der Klageschrift oder dem verfahrenseinleitenden Schriftstück oder Antrag angegebene Ort. Desgleichen hat der Kläger für die Zwecke der ersten Ladung des Beklagten einen oder mehrere der im folgenden Absatz dieses Artikels genannten Orte als Wohnsitz des Beklagten zu benennen. Benennt der Kläger als Zustellungsanschrift mehrere Orte, so gibt er die Reihenfolge an, in der seiner Ansicht nach die Zustellung erfolgreich durchgeführt werden kann.

3.   Für die Zwecke der Zustellung von Mitteilungen kann der Wohnsitz oder Sitz angegeben werden, der aus dem Einwohnermelderegister hervorgeht oder für andere Zwecke amtlich bekannt ist, oder derjenige, der in einem amtlichen Register oder in Veröffentlichungen von Berufskammern erscheint, wenn es sich um Unternehmen bzw. andere Einrichtungen oder Personen handelt, die einen Beruf ausüben, für den sie einer Kammer angehören müssen. Auch der Ort, an dem eine Erwerbstätigkeit nicht nur zeitweilig ausgeübt wird, kann für diese Zwecke als Wohnsitz oder Sitz angegeben werden.

Richtet sich die Klage gegen eine juristische Person, kann auch der Wohnsitz der Person angegeben werden, die Verwalter, Geschäftsführer oder Bevollmächtigter eines Handelsunternehmens bzw. Vorsitzender, Mitglied oder geschäftsführendes Mitglied des Vorstands eines in einem amtlichen Register eingetragenen Vereins ist.

…“

15

Art. 510 Abs. 1 des Gesetzes 1/2000 bestimmt:

„Ein rechtskräftiges Urteil ist zu überprüfen,

4.o)

wenn es durch Bestechung, Gewalt oder arglistiges Vorgehen unrechtmäßig erlangt worden ist.“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

16

Am 19. Juli 2016 erließ die Kommission den Beschluss C(2016) 4673 in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT.39824 – Lkw), von dem eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 6. April 2017 (ABl. 2017, C 108, S. 6) veröffentlicht wurde. Der Beschluss war u. a. an Volvo gerichtet.

17

In ihrem Beschluss stellte die Kommission fest, dass 15 Lkw-Hersteller, darunter Volvo, an einem Kartell in Form einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 des EWR-Abkommens beteiligt waren, das Absprachen zum einen über die Festsetzung der Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen für mittelschwere und schwere Lkw im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und zum anderen über den Zeitplan und die Weitergabe der Kosten für die Einführung von Emissionstechnologien nach den Abgasnormen EURO 3 bis EURO 6 zum Gegenstand hatte.

18

In Bezug auf Volvo wurde festgestellt, dass sich die Zuwiderhandlung vom 17. Januar 1997 bis zum 18. Januar 2011 erstreckte.

19

Am 12. Juli 2018 erhob Transsaqui, die im Lauf des Jahres 2008 zwei Lkw der Marke Volvo erworben hatte, beim Juzgado de lo Mercantil no 1 de Valencia (Handelsgericht Nr. 1 Valencia, Spanien) Klage gegen Volvo auf Ersatz des Schadens, der ihr infolge des in dem oben in Rn. 16 erwähnten Beschluss vom 19. Juli 2016 festgestellten Kartells entstanden sein soll und Mehrkosten entspricht, die sie mit 24420,69 Euro beziffert.

20

In ihrer Klageschrift trug Transsaqui vor, dass sich der Gesellschaftssitz von Volvo in Göteborg (Schweden) befinde, wobei sie hinzufügte, dass die Ladung am Sitz der Tochtergesellschaft von Volvo in Spanien, der in Madrid (Spanien) ansässigen Volvo Group España SAU (im Folgenden: Volvo España), zugestellt werden solle.

21

Der Juzgado de lo Mercantil no 1 de Valencia (Handelsgericht Nr. 1 Valencia) erklärte die Klage für zulässig und ließ Volvo ein Einschreiben mit einer Kopie der Klageschrift und den ihr beigefügten Unterlagen an die Anschrift des Sitzes von Volvo España zustellen, um Volvo zu laden und zur Beantwortung der Klageschrift aufzufordern. Der Empfang dieses Einschreibens wurde verweigert und mit einem handschriftlichen Vermerk der Adresse von Volvo in Schweden versehen.

22

Bei einer Anhörung vor dem Juzgado de lo Mercantil no 1 de Valencia (Handelsgericht Nr. 1 Valencia) legte Transsaqui eine Stellungnahme vor, in der sie die Weigerung von Volvo España, die an Volvo gerichtete Ladung entgegenzunehmen, als bösgläubiges Verzögerungsmanöver einstufte, wobei sie geltend machte, da Volvo España zu 100 % von Volvo gehalten werde, bildeten beide ein und dasselbe Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts.

23

Am 22. Mai 2019 erließ der Juzgado de lo Mercantil no 1 de Valencia (Handelsgericht Nr. 1 Valencia) einen Beschluss, mit dem er die Ladung von Volvo am Sitz ihrer Tochtergesellschaft in Spanien auf der Grundlage des Grundsatzes der „Unternehmenseinheit“ billigte. Zur Vornahme dieser Ladung richtete er einen Antrag auf justizielle Zusammenarbeit an die Madrider Gerichte.

24

Am 5. September 2019 versuchten die Madrider Gerichte, Volvo die Ladung an der Adresse von Volvo España zuzustellen. Die Zustellung wurde jedoch von einem Rechtsanwalt, der als rechtlicher Vertreter von Volvo España auftrat, unter Hinweis darauf verweigert, dass sie am Sitz von Volvo in Schweden zu erfolgen habe.

25

Am 30. Oktober 2019 wurde bei einem erneuten Zustellungsversuch an der Adresse von Volvo España die Zustellung tatsächlich gegenüber einer Person vorgenommen, die angab, dass sie zur Rechtsabteilung von Volvo España gehöre.

26

Im Anschluss an jeden dieser Zustellungsversuche richtete Volvo España ein Schreiben an den Juzgado de lo Mercantil no 1 de Valencia (Handelsgericht Nr. 1 Valencia), in dem sie darlegte, weshalb Volvo España den Empfang der für Volvo bestimmten Zustellung ablehne.

27

Darin machte Volvo España u. a. geltend, dass

sie eine andere juristische Person als Volvo sei, nicht die Stellung eines Treuhänders von Volvo habe und auch nicht befugt sei, Zustellungen im Namen einer anderen Einheit entgegenzunehmen;

nach spanischem Verfahrensrecht Volvo an ihrem Gesellschaftssitz verklagt werden müsse;

die Zustellung gemäß der Verordnung Nr. 1393/2007 zu erfolgen habe, wenn die Beklagte in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässig sei;

die Klägerin keine alternative, in keinem Zusammenhang mit der Beklagten stehende Anschrift verwenden dürfe; ein solches Verhalten sei ein arglistiges Vorgehen, das gemäß Art. 45 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1215/2012 zudem zur Folge haben könne, dass ein gegen die Beklagte ergehendes Versäumnisurteil in einem anderen Mitgliedstaat nicht anerkannt werde.

28

Der Juzgado de lo Mercantil no 1 de Valencia (Handelsgericht Nr. 1 Valencia) befand, dass Volvo die Ladung rechtswirksam zugestellt worden sei und dass sich diese Gesellschaft in der ihr gesetzten Frist nicht auf das Verfahren eingelassen habe, weshalb er sie für säumig erklärte und die Parteien zu einer im spanischen Verfahrensrecht vorgesehenen vorbereitenden Anhörung lud, um den Streitgegenstand zu klären und Beweisangebote zu ermöglichen. Sein Versuch, diese Entscheidung Volvo an der Adresse von Volvo España zuzustellen, wurde von Volvo España jedoch erneut mit der Begründung verweigert, dass sich der Gesellschaftssitz von Volvo in Schweden befinde.

29

Am 26. Februar 2020 gab der Juzgado de lo Mercantil no 1 de Valencia (Handelsgericht Nr. 1 Valencia) der Klage von Transsaqui statt und verurteilte Volvo, Transsaqui Schadensersatz in Höhe von 24420,69 Euro zuzüglich gesetzlicher Zinsen ab dem Zeitpunkt des Kaufs der Lkw zu zahlen sowie die Kosten zu tragen (im Folgenden: Urteil vom 26. Februar 2020).

30

Das Urteil vom 26. Februar 2020 wurde Volvo per Einschreiben mit Rückschein zugestellt, das an die Adresse von Volvo España geschickt wurde, die es am 10. März 2020 in Empfang nahm. Volvo España übersandte dem Juzgado de lo Mercantil no 1 de Valencia (Handelsgericht Nr. 1 Valencia) allerdings ein Schreiben, in dem sie bestritt, dass Volvo das Urteil damit rechtswirksam zugestellt worden sei, wobei sie ihre zuvor vorgetragenen Argumente wiederholte.

31

Transsaqui beantragte beim Juzgado de lo Mercantil no 1 de Valencia (Handelsgericht Nr. 1 Valencia) die Festsetzung der Kosten, zu deren Tragung Volvo verurteilt worden war. Dieses Gericht setzte die Kosten fest, da es sein Urteil vom 26. Februar 2020 als rechtskräftig betrachtete.

32

Per Einschreiben mit Empfangsbestätigung, das an die Adresse von Volvo España geschickt wurde, forderte der Juzgado de lo Mercantil no 1 de Valencia (Handelsgericht Nr. 1 Valencia) Volvo zur Teilnahme an einer Verhandlung zur Festsetzung der Kosten auf, um ihr die Möglichkeit zu geben, die festzusetzenden Kosten anzufechten. Dieses Schreiben wurde einer Person ausgehändigt, die an dieser Adresse anwesend war und die Empfangsbestätigung unterzeichnete.

33

Einige Tage später schickte Volvo España dem Juzgado de lo Mercantil no 1 de Valencia (Handelsgericht Nr. 1 Valencia) ein Schreiben, in dem sie aus den zuvor geltend gemachten Gründen bestritt, dass die Festsetzung der von Volvo zu tragenden Kosten rechtswirksam zugestellt worden sei.

34

Weil Volvo die Kosten nicht in der gesetzlich festgelegten Frist angefochten hatte, erließ der Juzgado de lo Mercantil no 1 de Valencia (Handelsgericht Nr. 1 Valencia) eine Entscheidung, mit der er die Festsetzung der Kosten auf 8310,64 Euro bestätigte. Diese Entscheidung wurde Volvo per Einschreiben mit Empfangsbestätigung zugestellt, das an die Adresse von Volvo España geschickt wurde, wo es von einer dort anwesenden Person in Empfang genommen wurde, die die Empfangsbestätigung unterzeichnete. In der Folge schickte Volvo España dem Juzgado de lo Mercantil no 1 de Valencia (Handelsgericht Nr. 1 Valencia) ein Schreiben, in dem sie bestritt, dass die genannte Entscheidung Volvo rechtswirksam zugestellt worden sei.

35

Der Juzgado de lo Mercantil no 1 de Valencia (Handelsgericht Nr. 1 Valencia) gab dem Antrag von Transsaqui auf Vollstreckung des Urteils vom 26. Februar 2020 statt und forderte Volvo auf, die in ihrem Eigentum stehenden Vermögensgegenstände und die ihr zustehenden Ansprüche binnen zehn Tagen anzugeben, um deren Pfändung zu ermöglichen. Die hierzu erlassenen Entscheidungen wurden am 17. März 2021 am Sitz von Volvo España zugestellt.

36

Am 15. Juni 2021 hat Volvo beim Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien), dem vorlegenden Gericht, auf der Grundlage von Art. 510 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes 1/2000 über den Zivilprozess die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt, das mit dem rechtskräftig gewordenen Urteil vom 26. Februar 2020 abgeschlossen worden war. Zur Stützung ihres Antrags hat Volvo geltend gemacht, dass Transsaqui das Urteil durch arglistiges Vorgehen erreicht habe. Ferner hat Volvo vorgetragen, von der Existenz des genannten Urteils nur indirekt Kenntnis erhalten zu haben, als die dessen Vollstreckung anordnenden Entscheidungen am 17. März 2021 an der Adresse von Volvo España zugestellt worden seien.

37

Transsaqui trägt vor, Volvo habe bösgläubig gehandelt und eine unlautere Verfahrensstrategie angewandt, mit der sie – wie zahlreiche andere Kläger in vergleichbarer Lage – zur Rücknahme ihrer Klage habe veranlasst werden sollen. Ferner habe der Juzgado de lo Mercantil no 1 de Valencia (Handelsgericht Nr. 1 Valencia) es aus Gründen der Verfahrensökonomie und im Einklang mit dem Grundsatz der „Unternehmenseinheit“ gebilligt, dass die Ladung und die Zustellungen an Volvo an der Adresse von Volvo España erfolgt seien. Zudem sei die auf das Argument, dass Volvo España und Volvo verschiedene juristische Personen seien, gestützte Weigerung von Volvo España nicht begründet, da beide Gesellschaften in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht ein und dasselbe Unternehmen bildeten.

38

Ausgehend von der Prämisse, dass das Bestehen einer wirtschaftlichen Einheit zwischen der Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft die Zustellung für die Muttergesellschaft bestimmter Rechtsakte an die Tochtergesellschaft rechtfertigen könnte, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 47 der Charta in Verbindung mit Art. 101 AEUV dahin auszulegen sei, dass er dem entgegenstehe, dass die für eine Muttergesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat bestimmte Ladung vor ein Gericht eines Mitgliedstaats am Sitz einer ihrer Tochtergesellschaften zugestellt werde, die im Mitgliedstaat der Klageerhebung ansässig sei, wenn Letztere keinen Umstand geltend mache, der das Bestehen einer wirtschaftlichen Einheit zwischen beiden Gesellschaften im Sinne des Wettbewerbsrechts ausschließe.

39

Das vorlegende Gericht vertritt zum einen die Ansicht, unter solchen Umständen brächte eine Verpflichtung zur Zustellung am Sitz der Muttergesellschaft hohe Übersetzungskosten mit sich, was die Ausübung des Rechts der durch die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht geschädigten Personen auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf erschweren oder ganz verhindern und die praktische Wirksamkeit von Art. 101 AEUV erheblich beeinträchtigen könnte, da eine solche Verpflichtung zahlreiche Personen davon abhalten könnte, Schadensersatz zu beanspruchen.

40

Gehe es bei dem beanspruchten Schadensersatz um einen kleinen Betrag und sei die Anspruchstellerin ein kleines oder mittleres Unternehmen, könnten solche Kosten ein ernsthaftes Hindernis für das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf darstellen. Dies gelte umso mehr, wenn – wie es in Spanien der Fall sei – das Verfahrensrecht des betreffenden Mitgliedstaats vorsehe, dass jede Partei ihre eigenen Kosten sowie die Hälfte der gemeinsamen Kosten trage, wenn dem Antrag teilweise stattgegeben werde.

41

Zum anderen führe die Verpflichtung zur Zustellung gerichtlicher Schriftstücke in einem anderen Mitgliedstaat zu einer Verlängerung der Verfahrensdauer, die nur dann gerechtfertigt wäre, wenn die Zustellung an eine Adresse in dem Mitgliedstaat, in dem das Gerichtsverfahren ablaufe, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die Gegenpartei daran hindern würde, von dem Rechtsstreit tatsächlich Kenntnis zu erlangen.

42

Ferner sei es widersinnig, wenn die durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht geschädigte Person gegen eine Tochtergesellschaft vorgehen und diese wegen des Verhaltens der Muttergesellschaft verurteilt werden könnte, während der Tochtergesellschaft die Ladung oder sonstige gerichtliche Schriftstücke, die unmittelbar die Muttergesellschaft beträfen, mit der sie im Sinne des Wettbewerbsrechts ein und dasselbe Unternehmen bilde, nicht zugestellt werden könnten.

43

Selbst wenn den Anforderungen des Rechts auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf, das in Art. 47 der Charta verbürgt sei und auch der Gegenpartei zustehe, dadurch Genüge getan würde, dass die an eine Muttergesellschaft gerichtete Ladung an der Adresse ihrer Tochtergesellschaft in dem Mitgliedstaat zugestellt werde, in dem der Rechtsstreit entschieden werde, sei nach Art. 53 der Charta keine ihrer Bestimmungen als eine Einschränkung oder Verletzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten auszulegen, die in dem jeweiligen Anwendungsbereich durch die Verfassungen der Mitgliedstaaten anerkannt würden. Im Rahmen anderer Schadensersatzklagen von Lkw-Käufern, die ebenfalls durch das oben in Rn. 17 genannte Kartell geschädigt worden seien, habe das Tribunal Constitucional (Verfassungsgerichtshof, Spanien) in einem Fall, in dem es einer Muttergesellschaft nicht gelungen sei, die Annullierung des Verfahrens zu erreichen, in dem an sie gerichtete gerichtliche Schriftstücke an der Adresse ihrer Tochtergesellschaft zugestellt worden seien, eine Verletzung der von der spanischen Verfassung anerkannten Grundrechte und ‑freiheiten bejaht.

44

Daher könnte Art. 53 der Charta dem entgegenstehen, dass auch dann, wenn zwischen einer Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft eine wirtschaftliche Einheit bestehe, eine an die Muttergesellschaft gerichtete, aber an der Adresse ihrer Tochtergesellschaft übergebene Ladung gerade wegen des Bestehens dieser Einheit als ihr rechtswirksam zugestellt anzusehen sei. Das vorlegende Gericht möchte jedoch wissen, ob durch diese Auslegung von Art. 53 der Charta nicht ein ernsthaftes Hindernis für das Recht der durch das Kartell geschädigten Person auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf und für die praktische Wirksamkeit von Art. 101 AEUV entstünde.

45

Unter diesen Umständen hat das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Kann unter den Umständen der Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem Lkw-Kartell, wie sie in der vorliegenden Entscheidung beschrieben sind, Art. 47 der Charta in Verbindung mit Art. 101 AEUV dahin ausgelegt werden, dass die an eine Muttergesellschaft – gegen die eine Klage auf Ersatz des durch eine den Wettbewerb beschränkende Praxis entstandenen Schadens erhoben worden ist – gerichtete Aufforderung zur Einlassung als ordnungsgemäß erfolgt anzusehen ist, wenn sie am Sitz der im Mitgliedstaat des gerichtlichen Verfahrens niedergelassenen Tochtergesellschaft zugestellt wurde (oder versucht wurde, sie dort zuzustellen) und die Muttergesellschaft, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, im Verfahren nicht aufgetreten ist und säumig wurde?

2.

Falls die erste Frage bejaht wird: Ist diese Auslegung von Art. 47 der Charta in Anbetracht der Rechtsprechung des spanischen Tribunal Constitucional (Verfassungsgerichtshof) zu der an in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaften gerichteten Aufforderung zur Einlassung in Rechtsstreitigkeiten betreffend das Lkw-Kartell mit Art. 53 der Charta vereinbar?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

46

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 47 der Charta in Verbindung mit Art. 101 AEUV dahin auszulegen ist, dass eine Muttergesellschaft, gegen die eine Klage auf Ersatz des durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schadens erhoben wurde, rechtswirksam geladen wurde, wenn die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks an der Adresse ihrer im Mitgliedstaat der Klageerhebung ansässigen Tochtergesellschaft erfolgte, mit der sie eine wirtschaftliche Einheit bildet.

47

Das vorlegende Gericht möchte insbesondere wissen, ob angesichts des in Art. 47 der Charta verbürgten Rechts auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf der Umstand, dass im Rahmen der Auslegung von Art. 101 Abs. 1 AEUV festgestellt worden ist, dass eine Muttergesellschaft und eine ihrer Tochtergesellschaften, deren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat liegt, zur maßgebenden Zeit ein und dieselbe wirtschaftliche Einheit bildeten, es rechtfertigen könnte, dass für die Muttergesellschaft bestimmte Schriftstücke an der Adresse des Sitzes der Tochtergesellschaft zugestellt werden, damit die Kosten für die Übersetzung und Zustellung der von der Klägerin verfassten gerichtlichen Schriftstücke geringer ausfallen und eine Verlängerung der Verfahrensdauer verhindert wird.

48

Insoweit hat der Gerichtshof zwar entschieden, dass im Rahmen einer Schadensersatzklage, die auf das Vorliegen einer von der Kommission in einem Beschluss festgestellten Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV gestützt wird, eine juristische Person, die in diesem Beschluss nicht als Beteiligte an einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht bezeichnet wird, auf dieser Grundlage gleichwohl wegen der Zuwiderhandlung einer anderen rechtlichen Einheit haftbar gemacht werden kann, sofern beide Personen Teil ein und derselben wirtschaftlichen Einheit sind und somit ein Unternehmen bilden, das der Urheber der Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 101 AEUV ist (Urteil vom 6. Oktober 2021, Sumal, C‑882/19, EU:C:2021:800, Rn. 48).

49

Hierzu ist jedoch zunächst festzustellen, dass der Begriff „Unternehmen“ und damit der Begriff „wirtschaftliche Einheit“ zwar von Rechts wegen zu einer gesamtschuldnerischen Haftung der Einheiten führen, die zum Zeitpunkt der Begehung der Zuwiderhandlung die wirtschaftliche Einheit bilden, doch verfügt ein solches Unternehmen gleichwohl nicht über eigene, gegenüber den rechtlichen Einheiten, aus denen es besteht, autonome Rechtspersönlichkeit, so dass der durch die betreffende wettbewerbswidrige Verhaltensweise Geschädigte eine Schadensersatzklage nicht gegen das Unternehmen als solches erheben kann, sondern sie zwingend gegen eine der rechtlichen Einheiten, aus denen es besteht, richten muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2021, Sumal, C‑882/19, EU:C:2021:800, Rn. 44 und 51).

50

Ferner lässt sich aus dem Umstand, dass eine Tochtergesellschaft im Hinblick auf das materielle Wettbewerbsrecht mit ihrer Muttergesellschaft ein und dieselbe wirtschaftliche Einheit bildet, nicht ableiten, dass die Tochtergesellschaft von der Muttergesellschaft ausdrücklich als eine Person mandatiert oder bestimmt wurde, die ermächtigt ist, in ihrem Namen an sie gerichtete gerichtliche Schriftstücke in Empfang zu nehmen. Eine solche Ermächtigung kann nämlich nicht vermutet werden, denn sonst bestünde die Gefahr einer Verletzung der Verteidigungsrechte der Muttergesellschaft.

51

Insoweit ist festzustellen, dass die Gewährleistung eines tatsächlichen und wirksamen Zugangs der Schriftstücke, d. h. ihre Zustellung an den Beklagten, sowie genügend Zeit für die Vorbereitung seiner Verteidigung erforderlich sind, um das in Art. 47 der Charta verbürgte Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu wahren (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 2. März 2017, Henderson, C‑354/15, EU:C:2017:157, Rn. 72, und vom 5. Dezember 2019, Centraal Justitieel Incassobureau [Anerkennung und Vollstreckung von Geldstrafen oder Geldbußen], C‑671/18, EU:C:2019:1054, Rn. 39).

52

Wenn – wie im Ausgangsverfahren – der durch ein Kartell, an dem eine wirtschaftliche Einheit beteiligt ist, die aus einer Muttergesellschaft und einer oder mehreren ihrer Tochtergesellschaften besteht, mutmaßlich Geschädigte seine Schadensersatzklage gegen die Muttergesellschaft richtet und nicht, wie es ihm grundsätzlich freistand, gegen ihre Tochtergesellschaft, die im Mitgliedstaat seines Wohnsitzes ansässig ist, kann er daher im Anschluss daran die Zustellung an die Muttergesellschaft gerichteter gerichtlicher Schriftstücke an der Adresse der Tochtergesellschaft nicht mit dem Bestehen einer solchen Einheit rechtfertigen.

53

Ungeachtet der vom vorlegenden Gericht geäußerten Zweifel kann weder Art. 47 der Charta, der das Recht des durch ein Kartell mutmaßlich Geschädigten auf ein faires Verfahren verbürgt, noch die praktische Wirksamkeit von Art. 101 Abs. 1 AEUV eine andere Lösung rechtfertigen, und zwar auch dann nicht, wenn durch die Pflicht zur Zustellung gerichtlicher Schriftstücke in einem anderen Mitgliedstaat den mutmaßlich Geschädigten zusätzliche Belastungen auferlegt werden.

54

Insoweit ist erstens hervorzuheben, dass sich die durch einen Verstoß gegen das Unionsrecht mutmaßlich Geschädigten zwar auf das in Art. 47 der Charta verbürgte Recht auf ein faires Verfahren berufen können, doch schützt dieses Recht gleichermaßen den Beklagten, auch wenn zuvor festgestellt wurde, dass er Art. 101 Abs. 1 AEUV verletzt hatte. Denn anders als die letztgenannte Bestimmung, die Unternehmen betrifft, schützt das in Art. 47 der Charta verbürgte Recht auf ein faires Verfahren jede juristische Person individuell. Daher gelten auch in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten die sich aus Art. 47 der Charta ergebenden Verfahrensgarantien, die verlangen, dass gerichtliche Schriftstücke, die an eine Person gerichtet sind, ihr tatsächlich und wirksam übergeben werden.

55

Zweitens hat der Unionsgesetzgeber mehrere Rechtsakte erlassen, die für grenzüberschreitende Rechtsstreitigkeiten in Zivil- und Handelssachen gelten, insbesondere die Verordnungen Nrn. 1215/2012 und 1393/2007, die den freien Verkehr gerichtlicher Entscheidungen vereinfachen und die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke zwischen den Mitgliedstaaten zu Zustellungszwecken verbessern sollen, um dadurch den Zugang zu den Gerichten zu erleichtern.

56

Zum einen sieht Art. 4 der Verordnung Nr. 1215/2012 als Grundregel vor, dass Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen sind. Abweichend von dieser Regel sieht Art. 7 Nr. 2 der Verordnung vor, dass eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden kann, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Art. 63 der Verordnung bestimmt, dass Gesellschaften und juristische Personen für die Anwendung dieser Verordnung ihren Wohnsitz an dem Ort haben, an dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet.

57

Im vorliegenden Fall steht fest, dass sich die Klägerin des ersten Verfahrens, d. h. die durch das wettbewerbswidrige Verhalten mutmaßlich Geschädigte, auf Art. 7 Nr. 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 berufen und ihre Schadensersatzklage beim Gericht des Ortes erhoben hat, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, d. h. einem spanischen Gericht, während sich der satzungsmäßige Sitz der Beklagten im Sinne von Art. 63 der Verordnung in Schweden befindet. Die Klägerin konnte somit in Anwendung der Verordnung einen erleichterten Zugang zu den Gerichten erhalten.

58

Zum anderen enthält die Verordnung Nr. 1393/2007 eine Reihe von Regeln für die Modalitäten der Übermittlung und Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen. Nach ihrem Art. 1 Abs. 1 findet sie Anwendung, wenn ein gerichtliches oder außergerichtliches Schriftstück zum Zweck der Zustellung von einem in einen anderen Mitgliedstaat zu übermitteln ist, mit dem in ihren Erwägungsgründen 2 und 11 genannten Ziel, die Übermittlung zu erleichtern und dadurch das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten.

59

Insbesondere ergibt sich aus Art. 1 Abs. 2 in Verbindung mit dem achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1393/2007, dass der Unionsgesetzgeber nur zwei Umstände vorgesehen hat, unter denen die Zustellung eines gerichtlichen Schriftstücks von einem Mitgliedstaat in einen anderen ihrem Anwendungsbereich entzogen ist: wenn der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt des Empfängers unbekannt ist und wenn der Empfänger einen Bevollmächtigten in dem Mitgliedstaat benannt hat, in dem das Gerichtsverfahren stattfindet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2012, Alder, C‑325/11, EU:C:2012:824, Rn. 24).

60

Abgesehen von diesen beiden Fällen fällt, sofern der Empfänger eines gerichtlichen Schriftstücks im Ausland ansässig ist, dessen Zustellung zwangsläufig in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1393/2007 und muss somit – wie ihr Art. 1 Abs. 1 vorsieht – im Einklang mit den in der Verordnung vorgesehenen Modalitäten bewirkt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2012, Alder, C‑325/11, EU:C:2012:824, Rn. 25).

61

Da sich im vorliegenden Fall – wie oben in Rn. 57 dargelegt – der Sitz des Empfängers der gerichtlichen Schriftstücke in Schweden befindet, während das Gerichtsverfahren in Spanien abläuft, hätten diese Schriftstücke im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1393/2007 von einem in einen anderen Mitgliedstaat übermittelt werden müssen. Ferner gehört – vorbehaltlich einer Prüfung durch das vorlegende Gericht – der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens nicht zu einem der oben in Rn. 59 genannten Fälle, so dass die in der Verordnung Nr. 1393/2007 vorgesehenen Modalitäten der Zustellung gerichtlicher Schriftstücke zwischen Mitgliedstaaten Anwendung finden.

62

Mehrere Bestimmungen der Verordnung Nr. 1393/2007 bezwecken ausdrücklich einen Ausgleich zwischen der Effizienz und Schnelligkeit der Übermittlung gerichtlicher Schriftstücke und dem Erfordernis der Gewährleistung eines angemessenen Schutzes der Verteidigungsrechte der Empfänger, und zwar namentlich mittels der Sicherstellung eines tatsächlichen und wirksamen Empfangs der Schriftstücke (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2012, Alder, C‑325/11, EU:C:2012:824, Rn. 36).

63

In Bezug auf die durch die Zustellung des gerichtlichen Schriftstücks im Empfangsmitgliedstaat entstehenden Kosten ist daher festzustellen, dass diese Kosten in Einklang mit dem 16. Erwägungsgrund und mit Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1393/2007 einer von diesem Mitgliedstaat nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung im Voraus festgesetzten einheitlichen Festgebühr entsprechen sollten, um den Zugang zum Recht zu erleichtern.

64

Hinsichtlich etwaiger Übersetzungskosten vor der Übermittlung des Schriftstücks ergibt sich aus Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1393/2007 zwar, dass der Antragsteller sie trägt. Ferner gestatten die Art. 5 und 8 der Verordnung in Verbindung mit deren 12. Erwägungsgrund es dem Empfänger, die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks zu verweigern, wenn es nicht in einer Sprache, die er versteht, oder in einer der Amtssprachen des Ortes, an dem die Zustellung erfolgen soll, abgefasst ist.

65

Die Verordnung Nr. 1393/2007 verlangt jedoch nicht, dass unter allen Umständen eine Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks angefertigt wird, da gemäß ihrem Art. 8 der Empfänger des Schriftstücks dessen Annahme nur verweigern darf, wenn es nicht in einer Sprache, die er versteht, oder in der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats abgefasst oder keine Übersetzung beigefügt ist. Hierzu hat der Gerichtshof ausgeführt, dass der Empfänger, wenn dem betreffenden Schriftstück Anlagen in Form von Unterlagen beigefügt sind, die nicht in der Sprache des Empfangsmitgliedstaats oder einer Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats, die der Empfänger versteht, abgefasst sind, nicht berechtigt ist, die Annahme des Schriftstücks zu verweigern, sofern es ihn in die Lage versetzt, im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens im Übermittlungsmitgliedstaat seine Rechte geltend zu machen, und sofern diese Anlagen lediglich Beweisfunktion haben und für das Verständnis von Gegenstand und Grund des Antrags nicht unerlässlich sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2008, Weiss und Partner, C‑14/07, EU:C:2008:264, Rn. 78).

66

Zudem lässt die Übernahme der Übersetzungskosten durch den Antragsteller eine etwaige spätere Entscheidung des Gerichts oder der zuständigen Behörde über die Modalitäten der Verteilung der durch das Verfahren verursachten Kosten unberührt.

67

Das vorlegende Gericht hat Zweifel, ob der Umstand, dass es dem durch eine wettbewerbswidrige Verhaltensweise mutmaßlich Geschädigten nicht möglich ist, die für die Muttergesellschaft bestimmten gerichtlichen Schriftstücke an der Adresse ihrer Tochtergesellschaft mit Sitz im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats seines Wohnsitzes zuzustellen, wegen der Kosten für die Übersetzung sowie die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke das in Art. 47 der Charta verbürgte Recht auf ein faires Verfahren oder die praktische Wirksamkeit von Art. 101 AEUV beeinträchtigt. Soweit diese Zweifel damit zusammenhängen, dass nach den nationalen Regeln über die Kostentragung die einem Kläger durch die Erhebung seiner Klage entstandenen Verfahrenskosten nur dann erstattet werden können, wenn seiner Klage in vollem Umfang stattgegeben wird, ist hervorzuheben, dass eine etwaige Unvereinbarkeit dieser allein die Kosten betreffenden nationalen Regeln mit dem Unionsrecht als solche nicht zur Unanwendbarkeit der Vorschriften über die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke führen kann.

68

Desgleichen ist in Bezug auf die Verlängerung der Verfahrensdauer festzustellen, dass in Art. 47 Abs. 2 der Charta zwar das Recht jeder Person verbürgt ist, dass ihre Sache in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Aber selbst wenn die Verpflichtung, gerichtliche Schriftstücke in einem anderen Mitgliedstaat zuzustellen, trotz der Verordnung Nr. 1393/2007 zu einer erheblichen Verlängerung der Verfahrensdauer führen sollte, würde eine derartige Verlängerung als solche keinen Verstoß gegen diese Bestimmung bedeuten, da die Angemessenheit der Entscheidungsfrist anhand der Umstände jeder einzelnen Rechtssache zu beurteilen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2009, Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland/Kommission, C‑385/07 P, EU:C:2009:456, Rn. 181), mithin gegebenenfalls unter Berücksichtigung des grenzüberschreitenden Charakters des Rechtsstreits.

69

Drittens hat der Gerichtshof Art. 101 Abs. 1 AEUV dahin ausgelegt, dass der durch eine wettbewerbswidrige Verhaltensweise eines Unternehmens, dessen Mutter- und Tochtergesellschaft eine wirtschaftliche Einheit bilden, Geschädigte eine Schadensersatzklage sowohl gegen die Muttergesellschaft, die von der Kommission wegen dieser Verhaltensweise mit einer Sanktion belegt wurde, als auch gegen die Tochtergesellschaft erheben kann, auch wenn diese von dem Beschluss der Kommission nicht betroffen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2021, Sumal, C‑882/19, EU:C:2021:800, Rn. 51). Folglich stünde es dem durch eine solche Verhaltensweise mutmaßlich Geschädigten, der seine Rechte aus Art. 101 Abs. 1 AEUV geltend machen möchte, grundsätzlich frei, seine Schadensersatzklage gegen die Tochtergesellschaft zu erheben, die ihren Sitz im Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts hat; dadurch könnte er verhindern, etwaige Kosten für die Übersetzung oder Zustellung gerichtlicher Schriftstücke in einem anderen Mitgliedstaat tragen zu müssen.

70

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 47 der Charta und Art. 101 AEUV in Verbindung mit der Verordnung Nr. 1393/2007 dahin auszulegen sind, dass eine Muttergesellschaft, gegen die eine Klage auf Ersatz des durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schadens erhoben wurde, nicht rechtswirksam geladen wurde, wenn die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks an der Adresse ihrer im Mitgliedstaat der Klageerhebung ansässigen Tochtergesellschaft erfolgte; dies gilt auch dann, wenn die Muttergesellschaft mit dieser Tochtergesellschaft eine wirtschaftliche Einheit bildet.

Zur zweiten Frage

71

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob im Fall der Bejahung der ersten Frage Art. 53 der Charta dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat gestattet, zu verlangen, dass die Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks am Sitz der Gesellschaft erfolgt, an die dieses Schriftstück gerichtet ist, und nicht an der Adresse einer ihrer Tochtergesellschaften.

72

Wie aus dem Wortlaut der zweiten Frage hervorgeht, wird sie nur für den Fall gestellt, dass der Gerichtshof die erste Frage bejaht.

73

Wie oben in Rn. 70 dargelegt, ist die erste Frage jedoch zu verneinen.

74

Aufgrund der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage daher nicht zu beantworten.

Kosten

75

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 101 AEUV sind in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates dahin auszulegen, dass eine Muttergesellschaft, gegen die eine Klage auf Ersatz des durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schadens erhoben wurde, nicht rechtswirksam geladen wurde, wenn die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks an der Adresse ihrer im Mitgliedstaat der Klageerhebung ansässigen Tochtergesellschaft erfolgte; dies gilt auch dann, wenn die Muttergesellschaft mit dieser Tochtergesellschaft eine wirtschaftliche Einheit bildet.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Spanisch.

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