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Document 62015CC0414

    Schlussanträge des Generalanwalts M. Szpunar vom 27. Oktober 2016.
    Stichting Woonlinie u. a. gegen Europäische Kommission.
    Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Bestehende Beihilfen – Art. 108 Abs. 1 AEUV – Beihilferegelungen für soziale Wohnungsbaugesellschaften – Verordnung (EG) Nr. 659/1999 – Art. 17, 18 und 19 – Beurteilung der Vereinbarkeit bestehender Beihilferegelungen mit dem Binnenmarkt durch die Kommission – Vorschlag zweckdienlicher Maßnahmen – Von nationalen Behörden eingegangene Verpflichtungen, um dem Unionsrecht nachzukommen – Vereinbarkeitsentscheidung – Umfang der gerichtlichen Kontrolle – Rechtswirkungen.
    Rechtssache C-414/15 P.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2016:827

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    MACIEJ SZPUNAR

    vom 27. Oktober 2016 ( 1 )

    Rechtssachen C‑414/15 P und C‑415/15 P

    Stichting Woonlinie,

    Woningstichting Volksbelang,

    Stichting Woonstede (C‑414/15 P),

    Stichting Woonpunt,

    Woningstichting Haag Wonen,

    Stichting Woonbedrijf (C‑415/15 P)

    gegen

    Europäische Kommission

    „Rechtsmittel — Staatliche Beihilfen — Art. 108 AEUV — Überprüfung bestehender Beihilferegelungen — Niederländische Beihilferegelung zugunsten von Gesellschaften des sozialen Wohnungsbaus — Verordnung (EG) Nr. 659/1999 — Art. 19 Abs. 1 — Beschluss der Kommission, durch den die Zusagen des Mitgliedstaats verbindlich werden — Umfang der gerichtlichen Nachprüfung“

    Einleitung

    1.

    Mit den vorliegenden Rechtsmitteln beantragen sechs Rechtsmittelführerinnen ( 2 ) die Aufhebung von zwei Beschlüssen des Gerichts der Europäischen Union vom 12. Mai 2015, Stichting Woonlinie u. a./Kommission ( 3 ), und vom 12. Mai 2015, Stichting Woonpunt u. a./Kommission ( 4 ) (im Folgenden: angefochtene Beschlüsse), mit denen das Gericht ihre Klagen auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2009) 9963 final der Kommission vom 15. Dezember 2009 über die staatlichen Beihilfen E 2/2005 und N 642/2009 – Niederlande – Bestehende Beihilfe und besondere Projektbeihilfe für Wohnungsbaugesellschaften (im Folgenden: streitiger Beschluss) abgewiesen hat.

    2.

    Die Rechtsmittel, die jeweils den gleichen Wortlaut haben und daher zusammen geprüft werden können, bieten dem Gerichtshof die Gelegenheit, die Umrisse der gerichtlichen Nachprüfung von Beschlüssen darzustellen, mit denen die Europäische Kommission die Zusagen eines Mitgliedstaats im Zusammenhang mit einer bestehenden Beihilferegelung billigt.

    Rechtlicher Rahmen

    3.

    Das Verfahren der Prüfung bestehender Beihilfen richtet sich nach den Art. 17 bis 19 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 ( 5 ).

    4.

    Art. 17 der Verordnung Nr. 659/1999 lautet:

    „(1)   Für die Überprüfung bestehender Beihilferegelungen in Zusammenarbeit mit dem betreffenden Mitgliedstaat holt die Kommission nach Artikel [108] Absatz 1 [AEUV] bei diesem alle erforderlichen Auskünfte ein.

    (2)   Gelangt die Kommission zur vorläufigen Auffassung, dass eine bestehende Beihilferegelung nicht oder nicht mehr mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, so setzt sie den betreffenden Mitgliedstaat hiervon in Kenntnis und gibt ihm Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von einem Monat. In ordnungsgemäß begründeten Fällen kann die Kommission diese Frist verlängern.“

    5.

    Art. 18 dieser Richtlinie bestimmt:

    „Gelangt die Kommission aufgrund der von dem betreffenden Mitgliedstaat nach Artikel 17 übermittelten Auskünfte zu dem Schluss, dass die bestehende Beihilferegelung mit dem Gemeinsamen Markt nicht oder nicht mehr vereinbar ist, so schlägt sie dem betreffenden Mitgliedstaat zweckdienliche Maßnahmen vor. Der Vorschlag kann insbesondere in Folgendem bestehen:

    a)

    inhaltliche Änderung der Beihilferegelung oder

    b)

    Einführung von Verfahrensvorschriften oder

    c)

    Abschaffung der Beihilferegelung.“

    6.

    Art. 19 der Verordnung Nr. 659/1999 sieht vor:

    „(1)   Wenn der betreffende Mitgliedstaat den vorgeschlagenen Maßnahmen zustimmt und die Kommission hiervon in Kenntnis setzt, hält die Kommission dies fest und unterrichtet den Mitgliedstaat hiervon. Der Mitgliedstaat ist aufgrund seiner Zustimmung verpflichtet, die zweckdienlichen Maßnahmen durchzuführen.

    (2)   Wenn der betreffende Mitgliedstaat den vorgeschlagenen Maßnahmen nicht zustimmt und die Kommission trotz der von dem Mitgliedstaat vorgebrachten Argumente weiterhin die Auffassung vertritt, dass diese Maßnahmen notwendig sind, so leitet sie das Verfahren nach Artikel 4 Absatz 4 ein. Artikel 6, 7 und 9 gelten entsprechend.“

    Vorgeschichte der Rechtsstreitigkeiten

    Streitiger Beschluss

    7.

    Die Umstände des Erlasses des streitigen Beschlusses, wie sie aus den Rn. 1 bis 12 sowie 39 und 40 der angefochtenen Beschlüsse hervorgehen, lassen sich wie folgt zusammenfassen.

    8.

    Die Rechtsmittelführerinnen sind in den Niederlanden ansässige Woningcorporaties (im Folgenden: Wocos). Wocos sind Einrichtungen ohne Gewinnerzielungsabsicht, deren Aufgabe der Erwerb, der Bau und die Vermietung von Wohnungen ist, die für benachteiligte Personen und sozial schwache Gruppen bestimmt sind. Die Wocos üben auch andere kommerzielle Tätigkeiten aus.

    9.

    Das Königreich der Niederlande unterhält ein System zur Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus, das Beihilfen für die Wocos vorsieht.

    10.

    Am 14. Juli 2005 übermittelte die Kommission den niederländischen Behörden ein Schreiben gemäß Art. 17 der Verordnung Nr. 659/1999, in dem sie dieses System als eine bestehende Beihilferegelung einstufte und Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt äußerte.

    11.

    Nach der Übermittlung dieses Schreibens leiteten die Kommission und die niederländischen Behörden das Verfahren der Zusammenarbeit ein, um die fragliche Beihilferegelung in Einklang mit Art. 106 Abs. 2 AEUV zu bringen.

    12.

    Nach entsprechenden Verhandlungen schlug die Kommission gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 659/1999 folgende zweckdienlichen Maßnahmen vor, um die Vereinbarkeit der Beihilferegelung sicherzustellen: i) Vergabe von Sozialwohnungen nur an klar definierte Zielgruppen benachteiligter Personen oder sozial schwache Gruppen, ii) Durchführung der kommerziellen Tätigkeiten unter Marktbedingungen, wobei die gemeinwirtschaftlichen und die kommerziellen Tätigkeiten Gegenstand getrennter Buchführung und geeigneter Kontrollen sein müssen, iii) Anpassung des Angebots an Sozialwohnungen an die Nachfrage benachteiligter Personen oder sozial schwacher Gruppen.

    13.

    Mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 stimmten die niederländischen Behörden den von der Kommission vorgeschlagenen zweckdienlichen Maßnahmen zu, verpflichteten sich, das System der Finanzierung der Wocos zu ändern, und übermittelten der Kommission den Entwurf der betreffenden nationalen Bestimmungen.

    14.

    Am 15. Dezember 2009 erließ die Kommission gemäß Art. 19 der Verordnung Nr. 659/1999 den streitigen Beschluss.

    15.

    Dieser Beschluss betraf folgende Maßnahmen: a) staatliche Garantien für Darlehen, die für den sozialen Wohnungsbau gewährt werden, b) Beihilfen des Zentralen Fonds für das Wohnungswesen, projektbezogene Beihilfen oder Rationalisierungsbeihilfen in Form zinsgünstiger Darlehen oder direkter Zuschüsse, c) Verkauf von Grundstücken durch die Gemeinden unter dem Marktpreis, d) das Recht, Kredite bei der Bank Nederlandse Gemeenten (Bank der niederländischen Gemeinden) aufzunehmen.

    16.

    Im streitigen Beschluss stufte die Kommission alle diese Maßnahmen als staatliche Beihilfen ein ( 6 ) und vertrat den Standpunkt, dass das System zur Finanzierung der Wocos eine bestehende Beihilfe darstelle. Sie wies darauf hin, dass die niederländischen Behörden sich verpflichtet hätten, dieses System zu ändern und einen neuen Regelungsentwurf vorzulegen. Nach Prüfung dieses Entwurfs gelangte die Kommission zu dem Ergebnis, dass er mit Art. 106 Abs. 2 AEUV vereinbar sei, und hielt daher die Zusagen der niederländischen Behörden gemäß Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 fest.

    Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof

    17.

    Am 29. bzw. 30. April 2010 erhoben die Rechtsmittelführerinnen Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses.

    18.

    Mit zwei Beschlüssen, die am 16. Dezember 2011 in den Rechtssachen Stichting Woonlinie u. a./Kommission ( 7 ) bzw. Stichting Woonpunt u. a./Kommission ( 8 ) ergingen, wies das Gericht diese Klagen wegen fehlender individueller Betroffenheit der Klägerinnen als unzulässig ab.

    19.

    Gegen diese Beschlüsse legten die Rechtsmittelführerinnen Rechtsmittel ein.

    20.

    Mit zwei Urteilen, die am 27. Februar 2014 in den Rechtssachen Stichting Woonpunt u. a./Kommission ( 9 ) bzw. Stichting Woonlinie u. a./Kommission ( 10 ) ergingen, hob der Gerichtshof diese Beschlüsse auf.

    21.

    Der Gerichtshof vertrat die Ansicht, dass das Gericht mit seiner Feststellung, dass die Rechtsmittelführerinnen vom streitigen Beschluss nicht individuell betroffen seien, einen Rechtsfehler begangen hat (Rn. 44 bis 51 dieser Urteile).

    22.

    In seiner endgültigen Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage stellte der Gerichtshof fest, dass die Rechtsmittelführerinnen ein Rechtsschutzinteresse haben, weil die Änderung der Beihilferegelung die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeiten verschlechterte und die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses zur Folge hätte, dass die früheren Bedingungen fortgälten (Rn. 56 und 57 dieser Urteile). Der Gerichtshof stellte weiter fest, dass der streitige Beschluss unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerinnen hat, weil durch ihn die Vorschläge des Königreichs der Niederlande nach Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 verbindlich geworden sind (Rn. 59 bis 61 dieser Urteile).

    23.

    Nachdem der Gerichtshof somit festgestellt hatte, dass die Rechtsmittelführerinnen zum einen über ein Rechtsschutzinteresse für eine Klage gegen den streitigen Beschluss verfügen und zum anderen von diesem Beschluss individuell und unmittelbar betroffen sind, erklärte er die Klagen für zulässig und verwies die Rechtssachen zur Entscheidung über die Begründetheit an das Gericht zurück.

    24.

    Nach der Zurückverweisung entschied das Gericht über die Rechtsstreitigkeiten durch die angefochtenen Beschlüsse.

    25.

    Die Rechtsmittelführerinnen hatten ihre Klagen auf acht in beiden Rechtssachen identische Klagegründe gestützt.

    26.

    In den Rn. 43 bis 53 der angefochtenen Beschlüsse wies das Gericht den ersten Klagegrund zurück, mit dem die Rechtsmittelführerinnen im Wesentlichen rügten, die Einstufung der in Nr. 15 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Maßnahme c) betreffend den Verkauf von Grundstücken als staatliche Beihilfe sei unzutreffend, den sie aber in den Rechtsmittelschriften nicht wieder aufgegriffen haben.

    27.

    In den Rn. 55 bis 88 der angefochtenen Beschlüsse wies das Gericht die Klagegründe 2 bis 7, mit denen geltend gemacht wurde, der Kommission seien im Rahmen der Kontrolle der fraglichen Beihilferegelung Beurteilungsfehler unterlaufen, als offensichtlich unbegründet zurück.

    28.

    Das Gericht verwies zunächst auf seine Rechtsprechung ( 11 ), nach der die Kommission auf diesem Gebiet über ein weites Ermessen verfüge, so dass es die Nachprüfung darauf beschränken müsse, ob die Kommission nicht dadurch einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, dass sie die Zusagen des Mitgliedstaats als geeignet angesehen habe, die mit der betreffenden Beihilferegelung verbundenen Wettbewerbsprobleme zu lösen.

    29.

    Zum einen wies das Gericht damit das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, die Kommission habe das vor den Zusagen der niederländischen Behörden bestehende Beihilfesystem unzulänglich gewürdigt, als irrelevant zurück. Das Gericht stellte fest, dass dieses Vorbringen sich nicht auf den streitigen Beschluss beziehe, sondern in Wirklichkeit die Prüfung dieses früheren Systems in Frage stelle, die die Kommission in dem Schreiben vom 14. Juli 2005 vorgenommen habe. Diese Prüfung sei somit nicht Inhalt des streitigen Beschlusses gewesen, so dass sie nicht der Nachprüfung durch das Gericht im vorliegenden Fall unterliege.

    30.

    Zum anderen wies das Gericht das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, die Kommission habe durch ihre Forderung nach bestimmten zweckdienlichen Maßnahmen ihre Befugnisse überschritten, als offensichtlich unbegründet zurück. Das Gericht stellte fest, dass die von der Kommission im Rahmen der Kontrolle der bestehenden Beihilferegelungen vorgeschlagenen zweckdienlichen Maßnahmen lediglich Vorschläge gewesen seien und erst mit ihrer Annahme durch die niederländischen Behörden verbindlich geworden seien.

    31.

    Schließlich wies das Gericht in den Rn. 89 bis 97 der angefochtenen Beschlüsse den achten, auf einen Verfahrensmissbrauch gestützten Klagegrund zurück. Folglich wies es die Klagen insgesamt als offensichtlich unbegründet ab.

    Anträge der Parteien

    32.

    Mit ihren in beiden Rechtsmittelverfahren identischen Anträgen beantragen die Rechtsmittelführerinnen, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben, die Sache zur erneuten Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

    33.

    Die Kommission beantragt in erster Linie, die Rechtsmittel zurückzuweisen und den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

    34.

    Für den Fall, dass der Gerichtshof den Rechtsmitteln stattgeben sollte, macht die Kommission hilfsweise geltend, zum einen seien die angefochtenen Beschlüsse nicht aufzuheben, soweit der erste Klagegrund in beiden Rechtssachen in erster Instanz zurückgewiesen und im Rechtsmittelverfahren nicht wieder aufgegriffen worden sei, und zum anderen sei es angebracht, die Sache an das Gericht zurückzuverweisen.

    Prüfung der Rechtsmittel

    35.

    Zur Stützung ihrer Rechtsmittel machen die Rechtsmittelführerinnen zwei Gründe geltend, die in beiden Rechtssachen identisch sind. Der erste ist gegen die Begründung der angefochtenen Beschlüsse gerichtet, wonach die Nachprüfung des Gerichts sich im vorliegenden Fall nicht auf die Beurteilungen der Kommission bezüglich der Unvereinbarkeit der Beihilferegelung vor deren Änderung erstrecke (Rn. 56 bis 60, 69 bis 74, 81 und 82 sowie 86 und 87 der angefochtenen Beschlüsse). Der zweite Grund betrifft die Begründung, die Nachprüfung erstrecke sich nicht auf die Beurteilungen bezüglich der zweckdienlichen Maßnahmen, die durch den streitigen Beschluss für verbindlich erklärt worden seien (Rn. 61 bis 66, 78 bis 80 und 90 bis 95 der angefochtenen Beschlüsse). Nach Auffassung der Rechtsmittelführerinnen weisen diese Begründungen einen Rechtsfehler, eine unzutreffende Beurteilung der Tatsachen und einen Begründungsmangel auf.

    36.

    Die beiden Rechtsmittelgründe wenden sich gegen den Ansatz, den das Gericht für die Nachprüfung eines von der Kommission nach Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 erlassenen Beschlusses gewählt hat, was dem Gerichtshof die Möglichkeit eröffnet, diese Problematik umfassend zu prüfen.

    Gerichtliche Kontrolle der gemäß Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 erlassenen Beschlüsse

    Vorbemerkungen

    37.

    Für die Kontrolle staatlicher Beihilfen gelten unterschiedliche Verfahrensvorschriften für bestehende und für neue Beihilfen. Art. 108 Abs. 1 AEUV verleiht der Kommission die Befugnis zur fortlaufenden Überprüfung bestehender Beihilferegelungen. Im Unterschied zur Kontrolle neuer Beihilfen erstreckt sich diese Prüfung nur auf die Beihilferegelungen und ist in die Zukunft gerichtet, da sie gegebenenfalls auf eine Änderung oder Aufhebung der betroffenen Regelung für die Zukunft abzielt.

    38.

    Gemäß den Art. 17 bis 19 der Verordnung Nr. 659/1999 verläuft diese Prüfung in mehreren Stufen. Erstens gibt die Kommission, wenn sie der Auffassung ist, dass eine bestehende Beihilferegelung nicht oder nicht mehr mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, dem Mitgliedstaat Gelegenheit zur Stellungnahme (Art. 17 Abs. 2 dieser Verordnung). Zweitens kann die Kommission im Licht dieser Stellungnahme dem Mitgliedstaat zweckdienliche Maßnahmen vorschlagen (Art. 18 dieser Verordnung) ( 12 ). Wenn der Mitgliedstaat den vorgeschlagenen Maßnahmen zustimmt, hält die Kommission dies fest und beendet das in den Art. 17 bis 19 der Verordnung Nr. 659/1999 geregelte Verfahren (Art. 19 Abs. 1 dieser Verordnung). Bleibt eine solche Zustimmung aus, leitet die Kommission das förmliche Prüfverfahren ein (Art. 19 Abs. 2 dieser Verordnung).

    39.

    In der Rechtssache, in der das Urteil TF1/Kommission ( 13 ) erging, stellte das Gericht unter Zurückweisung der gegenteiligen Auffassung der Kommission fest, dass die Handlung, mit der die Kommission die Verpflichtungen des Mitgliedstaats gemäß Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 festhält, eine anfechtbare Entscheidung ist. Das Gericht führte aus, dass die Kommission und der Mitgliedstaat die vorgeschlagenen zweckdienlichen Maßnahmen zwar erörtern könnten; letztlich aber erst die Entscheidung der Kommission, den Zusagen des Mitgliedstaats als ihren Bedenken entsprechend zuzustimmen, diese Zusagen verbindlich macht und das Verfahren beendet.

    40.

    Diese Auffassung wurde in den Urteilen Stichting Woonpunt u. a./Kommission ( 14 ) und Stichting Woonlinie u. a./Kommission ( 15 ) bestätigt. Der Gerichtshof entschied nämlich, dass der auf der Grundlage von Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 erlassene streitige Beschluss unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Rechtsmittelführerinnen hat, indem er die von den niederländischen Behörden eingegangenen Verpflichtungen verbindlich macht.

    41.

    In den angefochtenen Beschlüssen, die nach der Zurückverweisung ergingen, folgte das Gericht der Beurteilung des Gerichtshofs bezüglich der Zulässigkeit der Klagen. Sodann vertrat es in der Sache die Ansicht, dass die meisten von den Rechtsmittelführerinnen vorgetragenen Klagegründe und Argumente entweder irrelevant oder ohne Weiteres zurückzuweisen seien, weil sie sich gegen Beurteilungen richteten, die nicht Inhalt des streitigen Beschlusses seien ( 16 ). Das Gericht entschied daher, dass die behaupteten Beurteilungen der Kommission bezüglich der Vereinbarkeit der Beihilferegelung mit dem Binnenmarkt vor deren Änderung sowie bezüglich des Umfangs der zweckdienlichen Maßnahmen im vorliegenden Fall nicht der gerichtlichen Nachprüfung unterlägen.

    42.

    In ihren Rechtsmittelschriften stellen die Rechtsmittelführerinnen die in den angefochtenen Beschlüssen festgelegten Grenzen richterlicher Kontrolle in Frage und machen geltend, der Erlass eines Beschlusses gemäß Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 bedeute, dass die frühere Situation mit dem Vertrag nicht vereinbar gewesen sei. Ein solcher Beschluss schließe daher notwendigerweise eine Beurteilung der Beihilferegelung vor deren Änderung ein, um feststellen zu können, ob Maßnahmen erforderlich seien, um diese Beihilferegelung mit dem Binnenmarkt in Einklang zu bringen und, wenn dies der Fall sei, die Art dieser Änderungsmaßnahmen zu bestimmen.

    43.

    Ungeachtet ihrer in den früheren Verfahren vertretenen Auffassung ( 17 ) beruft die Kommission sich nicht mehr auf das Fehlen eines anfechtbaren Rechtsakts. Sie macht jedoch geltend, in Anbetracht der besonderen Art des streitigen Beschlusses müsse sich die gerichtliche Kontrolle seines Inhalts auf die Einstufung der fraglichen Maßnahmen als Teil einer bestehenden Beihilferegelung sowie auf die Frage beschränken, ob die von dem betroffenen Mitgliedstaat eingegangenen Verpflichtungen ausreichten, um diese Regelung mit dem Binnenmarkt in Einklang zu bringen.

    44.

    Von dieser Kontrolle ausgenommen seien jedoch zum einen die Bedenken, die sie hinsichtlich der Unvereinbarkeit dieser Regelung vor deren Änderung geäußert habe, und zum anderen die Frage, ob es andere zweckdienliche Maßnahmen gegeben hätte, die für die von der Beihilferegelung Begünstigten weniger belastend seien. Die Kommission macht geltend, sie habe sich zu diesen beiden Gesichtspunkten nicht geäußert, sondern lediglich die vom Mitgliedstaat eingegangenen Verpflichtungen gebilligt, nachdem sie sich vergewissert habe, dass diese ausreichten, um die fragliche Regelung mit dem Binnenmarkt in Einklang zu bringen.

    45.

    Das Vorbringen der Parteien zeigt daher, dass sie darüber streiten, ob die gerichtliche Nachprüfung sich auf die Beurteilungen der Kommission erstreckt, die zum einen die Frage, ob die Beihilferegelung vor ihrer Änderung mit dem Binnenmarkt vereinbar war, und zum anderen die zweckdienlichen Maßnahmen betreffen, die durch den streitigen Beschluss verbindlich geworden sind.

    Prüfung der Beurteilungen der Kommission bezüglich der Vereinbarkeit der Beihilferegelung

    46.

    Ich weise darauf hin, dass das Verfahren nach den Art. 17 bis 19 der Verordnung Nr. 659/1999 dazu dient, eine bestehende Beihilferegelung gegebenenfalls zu ändern oder aufzuheben. Die Initiative zur Einleitung dieses Verfahrens liegt bei der Kommission, die hierbei über ein erhebliches Ermessen verfügt ( 18 ). Die Eröffnung des Verfahrens setzt allerdings nach Art. 17 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 voraus, dass die betroffene Regelung als nicht oder nicht mehr mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen wird.

    47.

    Meiner Ansicht nach wird diese Beurteilung, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des betreffenden Verfahrens noch vorläufig ist, endgültig bestätigt, wenn die Kommission dieses Verfahren durch einen Beschluss gemäß Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 beendet. Mit dem Erlass eines solchen Beschlusses trifft die Kommission nämlich eine Entscheidung darüber, ob die vom Mitgliedstaat eingegangenen Verpflichtungen ihren Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Beihilferegelung mit dem Binnenmarkt gerecht werden. Um diese Frage beantworten zu können, muss die Kommission aber zuvor bestimmen, welche Bedenken sie insoweit hat. Ein nach Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 ergangener Beschluss, der die vom Mitgliedstaat akzeptierten Änderungen der Beihilferegelung verbindlich macht, beruht daher notwendigerweise auf der Beurteilung der Kommission, dass die bisherige Regelung unvereinbar gewesen sei.

    48.

    Auch wenn diese Beurteilung wegen ihres vorläufigen Charakters im Stadium der Einleitung des Verfahrens nicht der gerichtlichen Kontrolle unterliegen kann, muss sie dieser im Rahmen einer Klage gegen den Rechtsakt, der dieses Verfahren abschließt, unterworfen werden.

    49.

    Die Rechtsprechung des Gerichtshofs, die die Möglichkeit beschränkt, eine Zwischenmaßnahme anzufechten, beruht nämlich auf der Prämisse, dass die Rechtswidrigkeit dieser Handlung im Rahmen einer Klage gegen die endgültige Entscheidung, deren Vorbereitung sie dient, geltend gemacht werden kann und dass unter derartigen Umständen die Klage gegen die verfahrensabschließende Entscheidung einen ausreichenden gerichtlichen Rechtsschutz bietet ( 19 ).

    50.

    Entsprechend würde im vorliegenden Fall ein endgültiger Ausschluss der gerichtlichen Kontrolle der in einer Zwischenmaßnahme enthaltenen Beurteilung, mit der die Kommission in Übereinstimmung mit Art. 17 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 feststellt, dass die Beihilferegelung nicht oder nicht mehr mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, zu einer Lücke im effektiven gerichtlichen Schutz betroffener Dritter, nämlich der von dieser Regelung Begünstigten, führen.

    51.

    Im Übrigen ist es ohne Bedeutung, dass die fragliche Beurteilung in einem anderen Rechtsakt als dem verfahrensabschließenden Beschluss zum Ausdruck gebracht wird, nämlich in einem gemäß Art. 17 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 an den Mitgliedstaat gerichteten Schreiben. Soweit der endgültige Beschluss der Kommission schlicht und einfach den vorher zum Ausdruck gebrachten Standpunkt bestätigt, kann dieser Standpunkt nämlich bei der gerichtlichen Kontrolle dieses endgültigen Beschlusses berücksichtigt werden ( 20 ).

    52.

    Der von der Kommission angeführte Umstand, dass die fragliche Beurteilung nicht endgültig formuliert worden ist, schließt ihre Kontrolle durch einen Richter ebenfalls nicht aus ( 21 ).

    53.

    Diese Beurteilung hat dagegen Einfluss auf den Umfang der Begründungspflicht der Kommission sowie auf die Intensität der gerichtlichen Nachprüfung.

    54.

    Was die Begründungspflicht betrifft, braucht die Kommission, sofern der Mitgliedstaat die im Stadium der Einleitung des Verfahrens zum Ausdruck gebrachte Feststellung der Unvereinbarkeit einer bestehenden Beihilferegelung nicht bestreitet, auf die Gründe dieser Unvereinbarkeit in ihrem nach Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 erlassenen Beschluss nicht näher einzugehen und kann ihre vorläufige Beurteilung schlicht bestätigen. Es genügt nämlich, dass die betreffende Begründung es ermöglicht, die von der Kommission geäußerten Bedenken sowie die vorgeschlagenen Änderungsmaßnahmen nachzuvollziehen.

    55.

    Was die Intensität der gerichtlichen Nachprüfung betrifft, weise ich darauf hin, dass die Feststellung der Unvereinbarkeit der Beihilferegelung zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens nicht endgültig ist. In diesem Stadium reicht es aus, wenn die Kommission dartut, dass gegen die Vereinbarkeit der Beihilferegelung Bedenken bestehen, die die Vorschläge zur Änderung oder Aufhebung dieser Beihilferegelung rechtfertigen. In Anbetracht dessen muss die gerichtliche Nachprüfung dieser Beurteilungen im Rahmen einer Klage gegen einen nach Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 erlassenen Beschluss nach meiner Auffassung beschränkt sein ( 22 ).

    56.

    Ich bin daher der Auffassung, dass die Beurteilungen der Kommission bezüglich der Vereinbarkeit einer bestehenden Beihilferegelung im Rahmen einer Klage gegen einen nach Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 erlassenen Beschluss der gerichtlichen Nachprüfung unterliegen. Angesichts der Art des in Rede stehenden Verfahrens ist diese Prüfung aber auf die Kontrolle beschränkt, ob die Kommission, ohne einen offensichtlichen Fehler zu begehen, feststellen durfte, dass Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Beihilferegelung mit dem Binnenmarkt bestehen, die die vorgeschlagenen zweckdienlichen Maßnahmen rechtfertigen.

    Nachprüfung der Beurteilungen bezüglich der zweckdienlichen Maßnahmen

    57.

    Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, es sei Aufgabe der Kommission, darüber zu befinden, ob und gegebenenfalls welche zweckdienlichen Maßnahmen vorgeschlagen werden sollten, um die Vereinbarkeit der Beihilferegelung mit dem Binnenmarkt sicherzustellen. Daher sei die Beurteilung der Kommission hinsichtlich der Notwendigkeit und des Umfangs der zweckdienlichen Maßnahmen Teil des streitigen Beschlusses und müsse der gerichtlichen Nachprüfung unterliegen.

    58.

    Die Kommission trägt im Wesentlichen vor, sie habe sich zu vergewissern, dass die Zusagen des Mitgliedstaats ausreichten, um die Beihilferegelung mit dem Binnenmarkt in Einklang zu bringen. Akzeptiere dieser Mitgliedstaat die zweckdienlichen Maßnahmen, brauche sie nicht mehr zu prüfen, ob es andere geeignete Maßnahmen gebe, die für die von der Beihilferegelung Begünstigten weniger belastend seien.

    59.

    Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob die Kommission, bevor sie die vom Mitgliedstaat akzeptierten Verpflichtungen festhält, nicht nur feststellen muss, ob diese Verpflichtungen ausreichen, um die Vereinbarkeit der Beihilferegelung mit dem Binnenmarkt sicherzustellen, sondern sich auch vergewissern muss, ob diese Verpflichtungen unumgänglich sind und nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist. Zwischen den Parteien ist mit anderen Worten streitig, ob die Kommission verpflichtet ist, die Verhältnismäßigkeit der zweckdienlichen Maßnahmen zu prüfen, und zwar insbesondere im Hinblick auf die Situation der von der Beihilferegelung Begünstigten.

    60.

    Als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein Rechtmäßigkeitskriterium für alle Handlungen der Unionsorgane ( 23 ). Die Kommission muss sich daher vergewissern, dass die Rechtswirkungen ihres nach Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 erlassenen Beschlusses nicht gegen diesen Grundsatz verstoßen.

    61.

    Um den genauen Inhalt dieser Verpflichtung der Kommission zu bestimmen, ist jedoch die Art des betreffenden Verfahrens zu berücksichtigen.

    62.

    Im Zusammenhang mit der Durchführung der Art. 101 AEUV und 102 AEUV hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Pflichten der Kommission, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, im Rahmen von Beschlüssen über die Feststellung einer Zuwiderhandlung nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 ( 24 ) und im Rahmen von Beschlüssen über Verpflichtungszusagen nach Art. 9 dieser Verordnung einen unterschiedlichen Umfang und Inhalt haben.

    63.

    Handelt es sich um Beschlüsse über Verpflichtungszusagen, beschränkt sich die Rolle der Kommission auf die Prüfung, ob die von den betroffenen Unternehmen vorgeschlagenen Zusagen ihre wettbewerbsrechtlichen Bedenken ausräumen und diese Unternehmen keine weniger belastenden, aber ebenso geeigneten Verpflichtungszusagen angeboten haben. Die Kommission muss zwar die Interessen von Dritten berücksichtigen, aber die gerichtliche Nachprüfung beschränkt sich auf die Prüfung, ob die Beurteilung, zu der die Kommission gelangt ist, offensichtlich fehlerhaft ist ( 25 ).

    64.

    Ebenso muss im vorliegenden Fall der Umfang der Verpflichtung zur Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes anhand der Aufgabe bestimmt werden, die der Kommission übertragen ist.

    65.

    Meiner Ansicht nach besteht die Hauptaufgabe der Kommission beim Erlass eines Beschlusses gemäß Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 darin, zu prüfen, ob die vom Mitgliedstaat eingegangenen Verpflichtungen die Vereinbarkeit der Beihilferegelung mit dem Binnenmarkt gewährleisten. Dabei muss die Kommission sich auch vergewissern, dass die Wettbewerbsbeschränkungen, die sich aus der geänderten Beihilferegelung ergeben, im Hinblick auf die verfolgten Ziele verhältnismäßig sind. Hingegen braucht sie nicht zu prüfen, ob es andere zweckdienliche Maßnahmen gibt, die für den betroffenen Mitgliedstaat und für die durch die Beihilferegelung Begünstigten weniger belastend wären.

    66.

    Diese Aufgabenverteilung ergibt sich aus der besonderen Art des Verfahrens nach den Art. 17 bis 19 der Verordnung Nr. 659/1999, das auf einer Konsultation zwischen der Kommission und dem betroffenen Mitgliedstaat beruht und mit dessen Annahme der Verpflichtungen endet.

    67.

    Im Gegensatz zu einem Beschluss, den die Kommission zum Abschluss eines förmlichen Verfahrens zur Untersuchung staatlicher Beihilfen erlässt, ist der Inhalt der spezifischen Maßnahmen, die in einem Beschluss gemäß Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 festgehalten werden, das Ergebnis eines zwischen der Kommission und dem betroffenen Mitgliedstaat erzielten Einvernehmens.

    68.

    Im Rahmen der Konsultationen, die dieses Einvernehmen herbeiführen sollen, muss die Kommission darauf achten, dass ihren wettbewerbsrechtlichen Bedenken hinreichend Rechnung getragen wird. Es ist Sache des betroffenen Mitgliedstaats, sich zu vergewissern, dass seine Zusagen nicht über das hinausgehen, was sowohl im Hinblick auf seine eigenen Interessen als auch mit Rücksicht auf etwaige berechtigte Interessen der von der Beihilferegelung Begünstigten erforderlich ist.

    69.

    Wenn die Kommission im Rahmen der Konsultationen mit dem Mitgliedstaat verpflichtet wäre, sich sowohl zu vergewissern, dass die eingegangenen Verpflichtungen ihren wettbewerbsrechtlichen Bedenken hinreichend Rechnung tragen, als auch, dass sie über das hierfür Erforderliche nicht hinausgehen, wäre ihre Rolle bei diesen Konsultationen der Rolle vergleichbar, die sie im üblichen Beschlussfassungsverfahren hat, was den einvernehmlichen Charakter des hier in Rede stehenden Verfahrens in Frage stellen würde.

    70.

    Ich bin daher der Auffassung, dass die Kommission, bevor sie die Zusagen eines Mitgliedstaats durch den Erlass eines Beschlusses gemäß Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 verbindlich macht, sich nicht über die Erforderlichkeit der zugesagten Maßnahmen zu vergewissern braucht, indem sie prüft, ob es andere zweckdienliche Maßnahmen gibt, die für den betroffenen Mitgliedstaat und für die durch die Beihilferegelung Begünstigten weniger belastend wären. Die gerichtliche Kontrolle dieses Beschlusses erstreckt sich daher nicht auf diesen Aspekt.

    Würdigung der Rechtsmittelgründe im Licht der vorstehenden Erwägungen

    Erster Rechtsmittelgrund

    71.

    Mit dem ersten Rechtsmittelgrund, der in beiden Rechtssachen identisch ist, wenden die Rechtsmittelführerinnen sich gegen die Rn. 56 bis 60, 69 bis 74, 81 und 82 sowie 86 und 87 der angefochtenen Beschlüsse, indem sie u. a. einen Rechtsfehler geltend machen.

    72.

    Mit den beanstandeten Gründen wies das Gericht die im Rahmen der Klagegründe 2 bis 7 in der Klageschrift vorgetragenen Argumente der Rechtsmittelführerinnen, denen zufolge die Kommission die Frage der Unvereinbarkeit der betroffenen Beihilferegelung vor deren Änderung unvollständig und unzutreffend beurteilt habe, als irrelevant zurück. Es stellte fest, dass die gerichtliche Nachprüfung im vorliegenden Fall sich nicht auf die von der Kommission vorgenommene Prüfung der vor den Verpflichtungszusagen anwendbaren Beihilferegelung erstrecke (Rn. 59, 73, 82 und 87 der angefochtenen Beschlüsse).

    73.

    Wie sich aus Nr. 56 der vorliegenden Schlussanträge ergibt, ist diese Begründung rechtsfehlerhaft. Das Gericht hätte nämlich die Stichhaltigkeit des Vorbringens der Rechtsmittelführerinnen prüfen und der Frage nachgehen müssen, ob die Kommission, ohne einen offensichtlichen Fehler zu begehen, feststellen konnte, dass Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Beihilferegelung mit dem Binnenmarkt bestanden, die die vorgeschlagenen zweckdienlichen Maßnahmen rechtfertigten.

    74.

    Daraus folgt, dass der erste Rechtsmittelgrund begründet ist.

    Zweiter Rechtsmittelgrund

    75.

    Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund wenden die Rechtsmittelführerinnen sich gegen die in den Rn. 61 bis 66, 78 bis 80 und 90 bis 95 der angefochtenen Beschlüsse angeführten Gründe, indem sie u. a. einen Rechtsfehler und eine unzureichende Begründung rügen.

    76.

    Mit diesen Gründen wies das Gericht im Rahmen der Prüfung des zweiten, des vierten, des sechsten und des achten Klagegrundes in der Klageschrift die Argumente, die die Rechtsmittelführerinnen gegen die Beurteilungen der Kommission hinsichtlich der durch den streitigen Beschluss verbindlich gewordenen Maßnahmen vorgetragen hatten, als offensichtlich unbegründet zurück.

    77.

    Dazu hat das Gericht festgestellt, dass der Mitgliedstaat die von der Kommission vorgeschlagenen zweckdienlichen Maßnahmen habe akzeptieren oder ablehnen können und es folglich die Zustimmung der niederländischen Behörden zu diesen Maßnahmen gewesen sei, durch die diese verbindlich geworden seien (Rn. 65 und 79 der angefochtenen Beschlüsse). Außerdem stellte das Gericht im Rahmen der Prüfung des achten Klagegrundes in der Klageschrift fest, dass der Umfang der betroffenen Maßnahmen nicht von der Kommission, sondern von den niederländischen Behörden in ihren Verpflichtungszusagen festgelegt worden sei (Rn. 95 der angefochtenen Beschlüsse).

    78.

    Diese Begründung erscheint mir bedenklich, weil sie den Eindruck erweckt, dass die Kommission bei der Festlegung der in den Verpflichtungszusagen des Mitgliedstaats angeführten Maßnahmen keine Rolle spiele und diese Maßnahmen durch die Zustimmung dieses Mitgliedstaats verbindlich würden. Ich weise darauf hin, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass erst der Beschluss der Kommission, mit dem sie die Verpflichtungen des Mitgliedstaats festhält, insoweit verbindliche Rechtswirkungen entfaltet ( 26 ).

    79.

    Aber selbst wenn die in den Rn. 65, 79 und 95 der angefochtenen Beschlüsse dargelegten Gründe als rechtsfehlerhaft anzusehen wären, müsste jedenfalls die Feststellung des Gerichts bestätigt werden, dass das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zurückzuweisen ist, soweit sie die Erforderlichkeit und die Angemessenheit der im streitigen Beschluss aufgeführten Maßnahmen bestreiten.

    80.

    Wie sich nämlich aus den Nrn. 65 bis 70 der vorliegenden Schlussanträge ergibt, bestand die Aufgabe der Kommission im vorliegenden Fall in der Prüfung, ob die Verpflichtungszusagen des Königreichs der Niederlande die Vereinbarkeit der Beihilferegelung mit dem Binnenmarkt gewährleisteten. Dagegen brauchte die Kommission nicht zu prüfen, ob es andere zweckdienliche Maßnahmen gab, die für diesen Mitgliedstaat und für die durch die Beihilferegelung Begünstigten weniger belastend gewesen wären.

    81.

    Daraus folgt, dass der zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen ist.

    82.

    Nach alledem schlage ich vor, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben, soweit das Gericht die in den Klagegründen 2 bis 7 in den Klageschriften vorgetragenen Argumente, die die Beurteilungen der Kommission hinsichtlich der Frage der Unvereinbarkeit der bestehenden Beihilferegelung vor deren Änderung betreffen, als irrelevant zurückgewiesen hat.

    Folgen der Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse

    83.

    Nach Art. 61 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf, wenn das Rechtsmittel begründet ist. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen.

    84.

    Meines Erachtens ist der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif. Die Prüfung der Begründetheit des Vorbringens der Rechtsmittelführerinnen würde nämlich dazu führen, dass der Gerichtshof über Tatsachenfragen auf der Grundlage von Aussagen entscheidet, die das Gericht in den angefochtenen Beschlüssen nicht gewürdigt hat, weil es sie als irrelevant zurückgewiesen hat. Außerdem sind die Tatsachenbehauptungen, die den Rechtsstreit in der Sache betreffen, vor dem Gerichtshof nicht erörtert worden.

    Ergebnis

    85.

    Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben, die Rechtssachen an das Gericht zurückzuverweisen und die Kostenentscheidung vorzubehalten.


    ( 1 ) Originalsprache: Französisch.

    ( 2 ) Drei Rechtsmittelführerinnen, Stichting Allee Wonen, Stichting WoonInvest (Rechtssache C‑414/15 P) und Stichting Havensteder (Rechtssache C‑415/15 P), haben ihr Rechtsmittel zurückgenommen.

    ( 3 ) T‑202/10 RENV, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:287.

    ( 4 ) T‑203/10 RENV, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:286.

    ( 5 ) Verordnung des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [87 EG] (ABl. 1999, L 83, S. 1). Die neue Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 108 [AEUV] (ABl. 2015, L 248, S. 9), die auf den vorliegenden Fall aus zeitlichen Gründen nicht anzuwenden ist, enthält entsprechende Bestimmungen (Art. 21 bis 23).

    ( 6 ) Am 30. August 2010 erließ die Kommission den Beschluss C(2010) 5841 final über die staatliche Beihilfe E 2/2005, mit dem sie die Nrn. 22 bis 24 des streitigen Beschlusses dahin abänderte, dass sie ihren Standpunkt aufgab, die Maßnahme bezüglich des Rechts zur Aufnahme von Krediten bei der Bank der niederländischen Gemeinden erfülle alle Kriterien einer staatlichen Beihilfe.

    ( 7 ) T‑202/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:765.

    ( 8 ) T‑203/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:766.

    ( 9 ) C‑132/12 P, EU:C:2014:100.

    ( 10 ) C‑133/12 P, EU:C:2014:105.

    ( 11 ) Urteil vom 11. März 2009, TF1/Kommission (T‑354/05, EU:T:2009:66, Rn. 188 und 189).

    ( 12 ) Das Gericht hat festgestellt, dass ein solcher Vorschlag nicht anfechtbar ist. Vgl. Urteil vom 22. Oktober 1996, Salt Union/Kommission (T‑330/94, EU:T:1996:154, Rn. 35), und Beschluss vom 14. Mai 2009, US Steel Košice/Kommission (T‑22/07, nicht veröffentlicht, Rn. 55).

    ( 13 ) Urteil vom 11. März 2009 (T‑354/05, EU:T:2009:66, Rn. 60 bis 81, insbesondere Rn. 69 und 70).

    ( 14 ) Urteil vom 27. Februar 2014 (C‑132/12 P, EU:C:2014:100, Rn. 72 bis 74).

    ( 15 ) Urteil vom 27. Februar 2014 (C‑133/12 P, EU:C:2014:105, Rn. 59 bis 61).

    ( 16 ) Vgl. Nrn. 28 bis 30 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 17 ) Im Rahmen der Rechtssachen C‑132/12 P und C‑133/12 P.

    ( 18 ) Nach der Rechtsprechung des Gerichts, die dem Erlass der Verordnung Nr. 659/1999 vorausging, steht die Initiative insoweit der Kommission zu, so dass ein Konkurrent des durch eine bestehende Beihilferegelung Begünstigten die Weigerung der Kommission, ein solches Verfahren zu eröffnen, nicht anfechten kann. Vgl. Urteil vom 22. Oktober 1996, Salt Union/Kommission (T‑330/94, EU:T:1996:154, Rn. 35 und 37).

    ( 19 ) Vgl. Urteile vom 11. November 1981, IBM/Kommission (60/81, EU:C:1981:264, Rn. 12), vom 13. Oktober 2011, Deutsche Post und Deutschland/Kommission (C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:656), sowie die Schlussanträge des Generalanwalts Bot in diesen verbundenen Rechtssachen (C‑463/10 P und C‑475/10 P, EU:C:2011:445, Nr. 76).

    ( 20 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. November 2014, Italien/Kommission (C‑385/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2350, Rn. 116), und vom 11. Juni 2015, Laboratoires CTRS/Kommission (T‑452/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:373, Rn. 60). Vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Evonik Degussa/Kommission (C‑162/15 P, EU:C:2016:587, Nr. 79).

    ( 21 ) Ich weise darauf hin, dass die Entscheidung, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten, eine Handlung sein kann, gegen die gemäß Art. 263 AEUV Klage erhoben werden kann, weil sie eigenständige Rechtswirkungen erzeugt, selbst wenn die darin wiedergegebenen Beurteilungen nicht endgültig sind. Vgl. Urteile vom 9. Oktober 2001, Italien/Kommission (C‑400/99, EU:C:2001:528, Rn. 62 und 69), und vom 23. Oktober 2002, Diputación Foral de Guipúzcoa u. a./Kommission (T‑269/99, T‑271/99 und T‑272/99, EU:T:2002:258, Rn. 38 bis 40).

    ( 22 ) Ich weise darauf hin, dass der Unionsrichter, wenn er eine umfassende Kontrolle vornähme, über Fragen entscheiden würde, die die Kommission lediglich einer vorläufigen Prüfung unterzogen hat und zu denen sie sich mit Rücksicht darauf, dass sie außer Streit standen, nicht endgültig zu äußern brauchte. Vgl. im Kontext einer Klage gegen einen Beschluss über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens Urteil vom 23. Oktober 2002, Diputación Foral de Guipúzcoa u. a./Kommission (T‑269/99, T‑271/99 und T‑272/99, EU:T:2002:258, Rn. 48 und 49). Vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 9. Oktober 2001, Italien/Kommission (C‑400/99, EU:C:2001:528, Rn. 48 und 54).

    ( 23 ) Vgl. u. a. Urteil vom 24. Mai 2007, Maatschap Schonewille-Prins (C‑45/05, EU:C:2007:296, Rn. 45).

    ( 24 ) Verordnung des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1).

    ( 25 ) Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Alrosa (C-441/07 P, EU:C:2010:377, Rn. 38 bis 42). Aufgrund ähnlicher Erwägungen hat das Gericht festgestellt, dass die Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Beschlüssen, die eine Beihilfe unter Bedingungen für vereinbar erklären, unterschiedlich ausfällt, je nachdem, ob die Bedingungen von der Kommission auferlegt wurden oder sich aus freiwilligen Verpflichtungszusagen des Mitgliedstaats ergeben. Vgl. Urteile vom 8. April 2014, ABN Amro Group/Kommission (T‑319/11, EU:T:2014:186, Rn. 72 bis 82), vom 17. Juli 2014, Westfälisch-Lippischer Sparkassen- und Giroverband/Kommission (T‑457/09, EU:T:2014:683, Rn. 347 bis 351), sowie vom 12. November 2015, HSH Investment Holdings Coinvest‑C und HSH Investment Holdings FSO/Kommission (T‑499/12, EU:T:2015:840, Rn. 108 bis 113).

    ( 26 ) Urteile vom 27. Februar 2014, Stichting Woonpunt u. a./Kommission (C‑132/12 P, EU:C:2014:100, Rn. 72), und vom 27. Februar 2014, Stichting Woonlinie u. a./Kommission (C‑133/12 P, EU:C:2014:105, Rn. 59).

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