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Document 61975CC0105

Schlussanträge des Generalanwalts Warner vom 13. Juli 1976.
Franco Giuffrida gegen Rat der Europäischen Gemeinschaften.
Rechtssache 105-75.

Sammlung der Rechtsprechung 1976 -01395

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1976:109

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS JEAN-PIERRE WARNER

VOM 13. JULI 1976 ( 1 )

Herr Präsident,

weine Herren Richter!

Vom Ermessensmißbrauch ist gesagt worden, er werde oft behauptet, aber selten bewiesen. In vorliegender Rechtssache ist er nach meiner Auffassung erwiesen.

Am 18. Februar 1975 veröffentlichte das Generalsekretariat des Rates die interne Stellenausschreibung Rat/A/108. (Ich muß an dieser Stelle einschieben, daß die italienische Fassung dieser Stellenausschreibung der Klage als Anlage 2 beiliegt. Auf mein Verlangen hat der Rat dem Gerichtshof ein Exemplar der englischen Fassung vorgelegt, und an diese Fassung habe ich mich bei der Ausarbeitung meiner Schlußanträge gehalten. Die Verfahrenssprache ist aber Französisch. Entgegen Artikel 29 § 3 der Verfahrensordnung ist uns die französische Fassung der Stellenausschreibung nicht vorgelegt worden. Trotzdem hat der Vertreter des Klägers, so erstaunlich dies unter diesen Umständen ist, in der mündlichen Verhandlung Ausführungen gemacht, die er auf gewisse sprachliche Feinheiten der französischen Fassung gestützt hat. Ich will nicht auf sie eingehen, teils weil diese Feinheiten in der englischen Fassung keinen Niederschlag gefunden haben und teils weil die fraglichen Ausführungen nach meiner Auffassung am Ausgang des Rechtsstreits nichts andern. Meines Erachtens sollten aber die Parteivertreter in den Rechtssachen vor dem Gerichtshof die Verfahrensordnung beachten).

Um zum Sachverhalt zurückzukehren: Mit der erwähnten Stellenausschreibung wurde bekanntgemacht, daß das Generalsekretariat ein internes Auswahlverfahren durchführen würde, um eine freie Planstelle eines Hauptverwaltungsrats der Laufbahn A 5/A 4 zu besetzen, und daß die Einstellung in der Besoldungsgruppe A 4 erfolge. Es hieß darin, die Tätigkeiten des zu Ernennenden würden „im Bereich der Regionalpolitik“ liegen. Unter der Überschrift „Auswahlverfahren und Zulassungsbedingungen“ hieß es unter anderem, es handle sich um ein Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen, und

„im Hinblick auf die Art der auszuführenden Tätigkeit müssen folgende Bedingungen erfüllt werden:

a)

abgeschlossene Hochschulbildung, nachgewiesen durch ein Diplom oder Zeugnis, oder gleichwertige Berufserfahrung;

b)

mindestens sechsjährige Ausübung von Tätigkeiten der Laufbahngruppe A und mindestens vierjährige Ausübung der Sekretariatsgeschäfte für Sitzungen von Gruppen oder Ausschüssen im Rahmen des Rates“.

Diese Stellenausschreibung wurde in einer Atmosphäre veröffentlicht, die, gelinde gesagt, streitgeladen war.

Am 7. November 1974 hatte der Gewerkschaftsbund Europäischer Öffentlicher Dienst (wohl bekannter als „Union Syndicale“) ein Rundschreiben (Anlage 8 zur Klageschrift) veröffentlicht, in dem sie eine Reihe von Fällen schilderte, in denen nach ihrer Auffassung der Rat gegen Geist und Zweck des Beamtenstatuts verstoßen hatte oder zu verstoßen vorhatte. Einer dieser Fälle war unter der Überschrift „Passage d'un fonctionnaire de la catégorie ‚L/A‛ à la catégorie ‚A‛ (du grade L/A 4 au grade A 4)“ und mit der Fußnote „Il s'agit d'un fonctionnaire de nationalité italienne“ in den folgenden Worten geschildert:

„Il s'agit d'un autre cas flagrant de la théorie selon laquelle tout est possible pour ceux qui ont des, Saints au paradis', à savoir un piston efficace.

Nous ne connaissons pas encore à quelle ruse l'Autorité aura recours pour essayer de détourner le Statut et donner ainsi satisfaction à la demande de la délégation italienne.

Nous constatons seulement que, sous n'importe quelle forme, un tel passage de catégorie constitue une discrimination injustifiée à l'égard des autres fonctionnaires du cadre L/A qui se sont soumis dans le passé ou qui seront obligés de se soumettre à l'avenir à des concours généraux pour accéder au grade de base (A 7) de la catégorie A.

Nous croyons nécessaire de mettre en garde l'Autorité à ce sujet en lui rappellent que notre Organisation ne manquera pas d'avoir recours à tous les moyens qui pourraient s'avérer nécessaires pour l'empêcher de mener à bien cette opération.“

Am 14. November 1974 veröffentlichte der Generalsekretär des Rates eine Mitteilung an das Personal (Anlage 9 zur Klageschrift), die als eine Widerlegung des Rundschreibens der Union Syndicale gedacht war. Diese Mitteilung enthielt folgende Passage:

„—

la question du passage d'un fonctionnaire L/A 4 au grade A 4, suite à un concours, a été envisagée dans le souci de pallier les anomalies d'une situation de fait déjà ancienne, qui s'est créée grâce à une excessive mansuétude de l'Administration; la possibilité d'une telle situation ne se présentera plus. Les mesures seront prises pour que, très bientôt, chacun accomplisse les tâches qui sont celles de sa catégorie ou de son cadre.“

Den Schriftsätzen, einigen ihrer Anlagen (namentlich Anlage 1 zur Klagebeantwortung) und Geständnissen, die der Rat in der mündlichen Verhandlung hat machen lassen, ist zu entnehmen, daß diesem recht geheimnisvollen Austausch der Sachverhalt zugrunde lag, daß ein bestimmter Beamter der Besoldungsgruppe L/A 4, nämlich Herr Emilio Giovanni Martino, viele Jahre hindurch tatsächlich Aufgaben eines Beamten der Laufbahngruppe A wahrgenommen hatte, darunter die des Sekretärs verschiedener Arbeitsgruppen des Rates, insbesondere einer Arbeitsgruppe, die sich mit der Regionalpolitik befaßte. Er hatte auch Erfahrung in der Vertretung des Rates in anderen Sitzungen, die mit der Regionalpolitik zu tun hatten. Er war Italiener und die italienische Delegation beim Rat hatte sich an dessen Generalsekretariat gewandt, um zu erreichen, daß Herrn Martino die seiner Tätigkeit entsprechende Besoldungsgruppe A 4 gegeben werde. Dem Kläger zufolge übte die Delegation hierbei starken Druck aus, dem Rat zufolge äußerte sie lediglich einen Wunsch.

Meinerseits halte ich es nicht für rechtserheblich, wie stark der Druck war. Entscheidend ist meines Erachtens, daß der Rat das Auswahlverfahren eingestandenermaßen zu dem Zweck durchgeführt hat, die Neueinstufung des Herrn Martino in A 4 zu ermöglichen. Die Lage wäre in allen rechtserheblichen Hinsichten die gleiche gewesen, wenn sich der Rat von sich aus zu diesem Vorgehen entschlossen hätte, ohne daß die italienische Delegation einen Anstoß dazu gegeben hätte.

Der Hinweis auf „une discrimination injustifiée“ in dem Rundschreiben der Union Syndicale hatte seinen Grund darin, daß bis dahin allen Versetzungen von L/A-Beamten des Rates in die Laufbahngruppe A Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen vorausgegangen und die Ernennungen zunächst in der Besoldungsgruppe A 7 erfolgt waren, obwohl einige dieser Beamten vorher in L/A 6 oder sogar in L/A 5 eingestuft waren (vgl. Anlage 3 zur Erwiderung). Ich bin nicht sicher, ob die Union Syndicale diese Auswahlverfahren zu Recht als allgemeine („concours généraux“) bezeichnet hat. Andere Unterlagen legen meines Erachtens die Annahme nahe, daß es sich um interne Auswahlverfahren gehandelt habe. Aber hierauf kommt es wohl nicht an.

Zwei Personen bewarben sich in dem Auswahlverfahren Rat/A/108, nämlich Herr Martino und der Kläger, ein Beamter mit der Besoldungsgruppe A 5 im Juristischen Dienst des Rates. Zufällig ist er ebenfalls Italiener.

Der Bericht des Prüfungsausschusses (Anlage 7 zur Klagebeantwortung) trägt das Datum vom 30. April 1975. Der Prüfungsausschuß setzte sowohl den Namen Herrn Martinos als auch den des Klägers auf die Liste der geeigneten Bewerber, den Herr Martinos als ersten. Wie er erläuterte, tat er dies aus einer Reihe von Gründen. Herr Martino stand acht Jahre länger im Dienst des Rates als der Kläger. Er hatte zehn Jahre lang Tätigkeiten der Laufbahngruppe A ausgeübt, während der Kläger dies nur sieben Jahre lang getan hatte. Herr Martino hatte auch die größere Erfahrung auf dem Gebiet der Regionalpolitik und er erfüllte eindeutiger das Erfordernis der „mindestens vierjährigen Ausübung der Sektretariatsgeschäfte für Sitzungen von Gruppen oder Ausschüssen des Rates“. Für den Kläger sprach lediglich, daß er die besseren Hochschuldiplome besaß.

Am 20. Mai 1975 ernannte der Generalsekretär des Rates Herrn Martino für die „freie“ Planstelle. (Der italienische Wortlaut der diesbezüglichen Verfügung des Generalsekretärs liegt der Klagebeantwortung als Anlge 3 bei.)

Am 30. Mai 1975 erhob der Kläger gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Beamtenstatuts Beschwerde gegen Herrn Martinos Ernennung. Der Generalsekretär des Rates wies diese Beschwerde mit Schreiben vom 16. September 1975 zurück. Auf den Inhalt dieser Beschwerde und dieses Beschwerdebescheids (Anlagen 6 und 6b zur Klageschrift) kommt nichts an, soweit ich ihn nicht im folgenden erwähne.

Am 3. Oktober 1975 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, mit der er die Nichtigerklärung der Ernennung des Herrn Martino und ergänzenden Rechtsschutz begehrt.

Der Kläger stützt seinen Anspruch auf drei Klagegründe, die aber eigentlich vier sind, weil er die beiden letzten zu einem zusammenfaßt.

Der erste Klagegrund ist der, daß der Generalsekretär mit der Versetzung des Herrn Martino aus der Sonderlaufbahn L/A in die Laufbahngruppe A aufgrund eines Auswahlverfahrens lediglich aufgrund von Befähigungsnachweisen eine Vereinbarung verletzt habe, die er mit Vertretern des Personals des Rates (anscheinend der Union Syndicale und vielleicht anderen Gewerkschaften sowie dem Personalausschuß) getroffen hatte und die in einem Schreiben festgehalten war, das er am 21. März 1973 unterzeichnet hatte und dem eine darin so genannte „Weisung“ an das Direktorat der Verwaltung beigefügt war (Anlage 7 zur Klageschrift).

Teil III dieser „Weisung“ trug die Überschrift „Concours internes“ und lautete, von unerheblichen Stellen abgesehen, wie folgt:

„Des concours internes au Secrétariat Général seront organisés pour le passage vers les catégories A, B et C ainsi que, le cas échéant, vers le cadre L/A, afin de permettre aux membres du personnel qui en ont les capacités de passer à une catégorie ou cadre supérieur conformément aux dispositions du statut.

Ces concours auront lieu tous les trois ans pour le passage vers la catégorie A et le Cadre L/A et tous les deux ans pour le passage vers les autres catégories …

Afin d'assurer l'égalité de traitement entre tous les fonctionnaires, les concours internes auront lieu sur titres et épreuves donnant les mêmes garanties de sélection que les concours généraux tout en étant adaptés au caractère interne du concours et aux types d'emplois à pourvoir.

La liste d'aptitude établie par le jury suite à un concours sera publiée. Les emplois ouverts par ce concours seront pourvus par nomination de candidats inscrits sur cette liste. Celle-ci expirera lorsque les emplois mis à concours internes auront été pourvus. Toutefois, s'il reste des candidats sur la liste, l'autorité investie du pouvoir de nomination pourra, à titre exceptionnel et sans préjudice du recours à des concours généraux, pourvoir d'autres emplois rendus vacants pendant la période considérée. Lors de la détermination des emplois à pourvoir par concours internes au cours de la période ultérieure, il sera tenu compte des emplois éventuellement ainsi pourvus en excédant de ceux mis à concours pour la période considérée.

Si l'autorité investie du pouvoir de nomination envisage de demander la modification du classement catégoriel de certains emplois, elle prend l'avis d'une Commission ad hoc ayant la même composition que la Commission consultative d'avancement pour la catégorie A avant de saisir l'instance budgétaire. Si la modification est décidée, des concours internes sur titre pourront, à titre exceptionnel, être prévus après avis de la Commission paritaire.

Avant la fin de juillet 1973, une étude sera effectuée par la Commission paritaire pour déterminer:

les modalités générales d'application de ce système de concours internes périodiques et notamment le pourcentage d'emplois à mettre à concours pour chaque catégorie sur l'ensemble des emplois nouvellement créés dans cette catégorie, exception faite des emplois accordés dans le cadre de l'élargissement;

les critères généraux concernant, pour le passage vers les différentes catégories, les conditions d'accès aux concours et la nature des épreuves afin d'assurer l'adaptation de celle-ci aux types d'emplois à pourvoir.

Le système de concours internes sera d'application pour pourvoir les emplois vacants à attribuer à des fonctionnaires déjà en service et qui ne pourraient être pourvus par voie de promotion ou de mutation.“

Der auf diese Vereinbarung (die ich im folgenden kurz „die Vereinbarung von 1973“ nennen will) gestützte Klagegrund hat zu Auseinandersetzungen der Parteien über zwei Fragen Anlaß gegeben:

1.

Ob die Vereinbarung von 1973 für den Rat rechtsverbindlich war und

2.

ob sie, wenn dies zutrifft, es ausschloß, daß der Generalsekretär in Fällen wie dem vorliegenden ein internes Auswahlverfahren lediglich aufgrund von Befähigungsnachweisen veranstaltete.

Natürlich sind diese Fragen nur von theoretischem Interesse, wenn meine Auffassung zutrifft, daß der Kläger in jedem Fall wegen Ermessensmißbrauchs mit seiner Klage durchdringen muß. Ich halte es aber doch für angebracht, meine Meinung dazu zu sagen.

Der Kläger behauptet nicht, daß der Generalsekretär die Vereinbarung von 1973 in Ausübung einer ihm durch Rechtsvorschrift verliehenen Befugnis eingegangen sei, und insbesondere nicht, daß diese Vereinbarung aufgrund von Artikel 110 des Statuts getroffen worden sei. Dies würde ein anderes Verfahren und insbesondere die Anhörung des Statutsbeirats erfordert haben. Daher ist der in der Rechtssache 81/72, Kommission/Rat, Slg. 1973/1, 575, aufgestellte Grundsatz die einzig mögliche Grundlage für die Annahme der Rechtsverbindlichkeit der Vereinbarung. Und auf ihn beruft sich der Kläger in der Tat.

Die Schwierigkeit, die er hierbei zu überwinden hat, scheint mir die folgende zu sein.

Wie im Urteil Kommission/Rat ausdrücklich hervorgehoben wurde, beruhte die Entscheidung des Gerichtshofes in jener Sache auf dem Umstand, daß die Vereinbarung, um die es sich dort handelte, einen Teil der Art und Weise ausmachte, „wie der Rat die ihm in Artikel 65 übertragene Aufgabe wahrzunehmen hatte“. Artikel 65 überläßt dem Rat „die Wahl der Mittel und Formen, die ihm zur Durchführung einer den Kriterien des Artikels 65 entsprechenden Besoldungspolitik am besten geeignet erscheinen“. Nach Auffassung des Gerichtshofes war der Rat „befugt, … seine Beschlußfassung in mehrere aufeinanderfolgende Abschnitte zu gliedern, also einige grundsätzliche Fragen vorweg zu klären, um die späteren Durchführungsmaßnahmen zu erleichtern“. Mit dem Abschluß dieser Vereinbarung hatte „der Rat das Stadium der vorbereitenden Prüfungen verlassen und [war] in den Abschnitt der Beschlußfassung eingetreten“. Somit habe sich der Rat mit der Vereinbarung „im Rahmen der ihm in Artikel 65 des Statuts auf dem Gebiet der Besoldung übertragenen Befugnisse“ gehalten (vgl. Randnrn. 6 bis 9 des Urteils). Dies waren die Umstände, unter denen nach Auffassung des Gerichtshofes das Personal in die Vereinbarung ein vom Gerichtshof zu schützendes berechtigtes Vertrauen setzen konnte.

Wenn der Kläger hier durchdringen soll, muß die Vereinbarung von 1973 so ausgelegt werden, daß sie nicht nur ausdrücklich das System regelmäßig (im Fall von Auswahlverfahren für den Ubergang in die Laufbahngruppe A alle drei Jahre) wiederkehrender interner Auswahlverfahren einführt, sondern es auch stillschweigend dem Generalsekretär untersagt, jemals irgendwelche anderen internen Auswahlverfahren zu veranstalten, es sei denn in dem Falle, den die Vereinbarung mit „la modification du classement catégoriel“ eines Dienstpostens umschreibt. Ganz gewiß kann die Vereinbarung nicht so ausgelegt werden, daß sie es dem Generalsekretär erlaubte, ein Auswahlverfahren ad hoc für einen bestimmten Dienstposten unter der einzigen Voraussetzung abzuhalten, daß es sich um ein Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen handelt. Nichts im Wortlaut der Vereinbarung kommt einer solchen Erlaubnis auch nur nahe.

Meines Erachtens würde aber die Vereinbarung, wenn sie ausschlösse, daß der Generalsekretär für einen Dienstposten der Laufbahngruppe A jemals außerhalb der in der Vereinbarung selbst vorgesehenen dreijährlichen Auswahlverfahren ein internes Auswahlverfahren veranstalten könnte, weit mehr sein als ein Teil einer „Beschlußfassung“ des Generalsekretärs, „im Rahmen“ irgendwelcher ihm vom Statut verliehener Befugnisse. Sie würde dann seine Verpflichtung einschließen, eine ausdrückliche Statutsvorschrift, nämlich Artikel 29 Absatz 1 Buchstabe b, unbeachtet zu lassen.

Sie erinnern sich, daß Artikel 29 Absatz I (ohne den hier nicht einschlägigen Unterabsatz 2) folgendes vorsieht:

„Bei der Besetzung von Planstellen eines Organs prüft die Anstellungsbehörde zunächst

a)

die Möglichkeiten einer Beförderung oder Versetzung innerhalb des Organs,

b)

die Möglichkeiten der Durchführung eines Auswahlverfahrens innerhalb des Organs,

c)

die Ubernahmeanträge von Beamten anderer Organe der drei Europäischen Gemeinschaften

und eröffnet sodann das Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen oder Prüfungen oder aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen. Das Auswahlverfahren ist in Anhang III geregelt.“

In vorliegender Sache gab es (in einem anderen Zusammenhang, zu dem ich noch komme) eine lebhafte Auseinandersetzung über die Auslegung dieser Vorschrift, die, wie der Rat bemerkte, mit Artikel 4 des Statuts in engem Zusammenhang steht und in Verbindung mit ihm ausgelegt werden muß.

Letzterer Artikel lautet bekanntlich wie folgt:

„Ernennungen oder Beförderungen dürfen nur zur Besetzung einer freien Planstelle und nur nach den Vorschriften des Statuts vorgenommen werden.

Jede freie Planstelle eines Organs wird dem Personal dieses Organs bekanntgegeben, sobald die Anstellungsbehörde beschlossen hat, die genannte Planstelle zu besetzen.

Kann diese Planstelle nicht im Wege einer Versetzung, einer Beförderung oder eines internen Auswahlverfahrens besetzt werden, so wird die freie Planstelle dem Personal der drei Europäischen Gemeinschaften bekanntgegeben.“

Das Vorbringen der Parteien legte geradezu die Annahme nahe, daß hinsichtlich der Auslegung der Artikel 4 und 29 Absatz 1 ein Widerspruch bestehe zwischen einerseits den Urteilen des Gerichtshofes in den Rechtssachen 21/70, Rittweger/Kommission (Slg. 1971/1, 7 ff., 15), und 55/70, Reinarz/Kommission (a.a.O., 379 ff., 384), auf die sich der Rat stützte, und andererseits seinem Urteil in der Rechtssache 176/73, Van Belle/Rat (Slg. 1974, 1361 ff., 1370) und meinen Schlußanträgen sowie dem Urteil in der Rechtssache 90/74, Deboeck/Kommission (Slg. 1975, 1123 ff., 1140 bzw. 1133), die der Kläger heranzog. Ich glaube nicht, daß ein solcher Widerspruch besteht.

Meines Erachtens sind die Artikel 4 und 29 Absatz 1 in ihrem Zusammenwirken gemäß diesen Urteilen und Schlußanträgen wie folgt auszulegen. Wenn bei einem Organ ein freier Dienstposten zu besetzen ist, muß die Anstellungsbehörde dies zunächst dem Personal des Organs bekanntgeben. Dies gibt den Personalangehörigen, die sich um die Beförderung oder Versetzung auf den Dienstposten bewerben wollen, die Möglichkeit, dies zu tun. Anhand etwaiger Bewerbungen hat die Anstellungsbehörde sodann zu prüfen, ob der freie Dienstposten durch Beförderung oder Versetzung besetzt werden kann. Sie ist aber nicht gehalten, ihn auf diesem Wege zu besetzen, nur weil für eine Beförderung oder Versetzung geeignete Bewerber vorhanden sind. Sie ist berechtigt zu versuchen, auf anderem Wege bessere Bewerber zu finden. Der erste andere Weg, den sie in Erwägung ziehen muß, ist das Auswahlverfahren innerhalb des Organs. Wenn die Anstellungsbehörde die Möglichkeit einer Beförderung, einer Versetzung oder eines internen Auswahlverfahrens verwirft — und nur dann —, muß sie die freie Stelle dem Personal der übrigen Gemeinschaftsorgane bekanntgeben und die eingegangenen Bewerbungen von Bediensteten dieser Organe prüfen. Erst danach kommen die Möglichkeiten eines Auswahlverfahrens innerhalb der Organe oder eines allgemeinen Auswahlverfahrens im Sinne des Anhangs III zum Zuge.

Deshalb hätte meines Erachtens der Generalsekretär des Rates nicht rechtens im voraus mit den Personalvertretern dieses Organs vereinbaren können, daß er die Möglichkeit der Stellenbesetzung durch internes Auswahlverfahren nicht in Betracht ziehen und von der Prüfung der Beförderungs- und Versetzungsmöglichkeiten innerhalb des Organs sogleich zur Bekanntgabe der freien Stelle an das Personal der übrigen Gemeinschaftsorgane übergehen werde, wenn in der Laufbahngruppe A zwischen den beiden dreijährlichen Auswahlverfahren, die die Vereinbarung von 1973 vorsah, ein Dienstposten frei werden sollte. Es wäre auch keine Lösung zu sagen (es ist anzuerkennen, daß der Kläger dies nicht getan hat), es könnten noch Namen auf der im letzten dreijährlichen Auswahlverfahren aufgestellten Eignungsliste verfügbar sein oder die Stelle müsse nicht sofort, sondern erst beim nächsten dreijährlichen Auswahlverfahren besetzt werden.

Ich brauche daher nicht auf anderes Vorbringen einzugehen, mit dem der Rat dem ersten Klagegrund entgegentritt, wie zum Beispiel das Vorbringen, man brauche nur einen Blick auf die Artikel 5 Absatz 2 und 66 des Beamtenstatuts zu werfen, um zu sehen, daß die Laufbahngruppe A nicht „höher“ sei als die Sonderlaufbahn L/A, die Vereinbarung von 1973 also den Übergang aus dieser in jene nicht betreffen könne, oder das weitere Vorbringen, die Vereinbarung verlange ausdrücklich, daß der Paritätische Ausschuß untersuche, welche Maßnahmen zu ihrer Durchführung erforderlich seien, was aber ein frommer Wunsch geblieben sei. Ich brauche Ihre Zeit nicht damit zu verschwenden, meine Herren Richter, daß ich auf die ziemlich unfruchtbare Auseinandersetzung der Parteivertreter darüber eingehe, ob die Vereinbarung von 1973 eine „Entscheidung“ war oder nicht. Es genügt zu sagen, daß sie rechtswidrig war, wenn sie so auszulegen sein sollte, wie der Kläger sie auslegen will.

Damit komme ich zum zweiten und dritten Klagegrund, zu denen ich mich kürzer fassen will.

Als zweiten Klagegrund macht der Kläger geltend, der Generalsekretär habe damit, daß er Herrn Martino im Anschluß an ein Auswahlverfahren lediglich aufgrund von Befähigungsnachweisen sogleich in A 4 ernannt hat, während alle früheren Ernennungen aus der Sonderlaufbahn L/A in die Laufbahngruppe A im Anschluß an Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen in der Besoldungsgruppe A 7 erfolgt sind, gegen den Grundsatz der „Gleichbehandlung“ der Personalangehörigen — der in Urteilen des Gerichtshofes wie dem in der Rechtssache 48/70, Bernardi/Parlament (Slg. 1971/1, 175 ff, 185) anerkannt sei — verstoßen und Artikel 5 Absatz 3 des Beamtenstatuts verletzt, der bestimmt:

„Für Einstellung und dienstliche Laufbahn der Beamten der gleichen Laufbahngruppe oder der gleichen Sonderlaufbahn gelten jeweils die gleichen Voraussetzungen.“

Nach meiner Auffassung ist aber die ungerechte oder „ungleiche“ Behandlung des Personals, die hierin liegt, mit dem Ermessensmißbrauch verbunden, dessen sich der Generalsekretär schuldig gemacht hat. Hätte der Generalsekretär mit der Durchführung des Auswahlverfahrens Rat/A/108 lediglich das Ziel verfolgt, objektiv zu ermitteln, welche geeigneten Bewerber unter dem Personal des Rates zu finden seien, um den geeignetsten von ihnen für den Dienstposten zu ernennen, so wäre sein Vorgehen unangreifbar gewesen. Hätte sich unter diesen Umständen ein Angehöriger der Sonderlaufbahn L/A als der geeignetste Bewerber erwiesen, so hätte es kein Hindernis für seine Ernennung bedeuten können, daß bis dahin kein Angehöriger dieser Sonderlaufbahn die Möglichkeit gehabt hatte, sich um einen Dienstposten der Laufbahngruppe A mit höherer Einstufung als A 7 zu bewerben, oder jedenfalls mit Erfolg zu bewerben, und daß frühere Auswahlverfahren, an denen Angehörige der Sonderlaufbahn L/A teilgenommen hatten, solche aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen gewesen waren.

Als dritten Klagegrund macht der Kläger geltend, der Generalsekretär habe gegen Artikel 29 Absatz 1 des Beamtenstatuts verstoßen, indem er nicht geprüft habe, ob der Dienstposten im Wege der Beförderung oder Versetzung besetzt werden könne, bevor er das Auswahlverfahren beschloß. In diesem Zusammenhang entstand die Auseinandersetzung über die Auslegung der Artikel 4 und 29 Absatz 1, die ich oben erwähnt habe. Aber hier scheint mir der Sachverhalt streitig zu sein.

In seinem Schreiben vom 16. September 1975, mit dem er die nach Artikel 90 Absatz 2 erhobene Beschwerde des Klägers zurückwies, behauptete der Generalsekretär, er habe die Möglichkeit erwogen, den Dienstposten im Wege der Beförderung oder Versetzung zu besetzen. In der Klagebeantwortung schien der Rat einzuräumen, daß er es nicht getan habe, und nur geltend zu machen, er sei rechtlich nicht verpflichtet gewesen, es zu tun. In der Gegenerwiderung und erneut in der mündlichen Verhandlung hat er jedoch vorgetragen, die Beförderungs- und Versetzungsmöglichkeiten seien erwogen worden.

Ich gestehe, daß ich angesichts anderer, bereits erwähnter Eingeständnisse des Rates dem Verdacht zuneige, daß der Generalsekretär die Möglichkeit, den Dienstposten durch eine Beförderung oder Versetzung zu besetzen, nur in dem Sinne erwogen hat, daß er geprüft hat, ob es für ihn möglich war, Herrn Martino auf dem einen oder anderen Wege für den Dienstposten zu ernennen. Aber wir dürfen keine Partei aufgrund bloßer Verdachtsgründe verurteilen. Wäre ich der Meinung, daß der Ausgang des Rechtsstreits von der Entscheidung dieser Frage abhänge, würde ich Sie bitten, meine Herren Richter, eine Beweisaufnahme über die erheblichen Tatsachen zu beschließen.

Es bleibt der vierte Klagegrund übrig, mit dem der Kläger wie ich schon überdeutlich habe erkennen lassen, meines Erachtens durchdringen muß.

Der Kläger stützt seinen vierten Klagegrund auf die nicht ernstlich bestrittene Tatsache, daß der Generalsekretär das Auswahlverfahren Rat/A/108 zu dem Zwecke veranstaltet hat, die Ernennung des Herrn Martino für den freien Dienstposten zu ermöglichen. Der Kläger sagt natürlich, daß hierin ein Ermessensmißbrauch liege. Er trägt auch vor, dieses Verhalten verletze die Artikel 7 und 27 des Beamtenstatuts insofern, als diese Artikel, welche es verbieten, einen Dienstposten den Angehörigen eines bestimmten Mitgliedstaates vorzubehalten, es a fortiori untersagen müßten, ihn einer bestimmten Person vorzubehalten.

Meines Erachtens ist die Erheblichkeit der Artikel 7 und 27 hier wohl weiter und positiver. Sie liegt darin, daß diese Artikel die Merkmale angeben, an die sich eine Anstellungsbehörde bei der Einstellung und Ernennung von Beamten halten muß.

Hier mag eingeschoben werden, daß der Rat damit, daß er zehn Jahre lang einen Beamten der Sonderlaufbahn Sprachendienst mit Aufgaben der Laufbahngruppe A beschäftigt hat, gegen Artikel 7 verstoßen hat, laut dem die Anstellungsbehörde „den Beamten … in eine seiner Besoldungsgruppe entsprechende Planstelle seiner Laufbahngruppe oder Sonderlaufbahn“ einzuweisen hat. Es scheint, daß der Generalsekretär das hier streitige Auswahlverfahren veranstaltet hat, um den Rat aus dieser schiefen Stellung zu befreien, ohne daß daraus Härten für den betroffenen Beamten entstehen konnten.

Ich brauche Ihnen, meine Herren Richter, nicht viel Zeit zu stehlen, um den Begriff des Ermessensmißbrauchs zu erörtern. Es genügt der Hinweis auf die aufschlußreichen Schlußanträge des Generalanwalts Lagrange in der Rechtssache 3/54, ASSIDER/Hohe Behörde (Slg. 1954/55, 157 ff.), wo er den Begriff anhand der Rechtsordnungen der sechs ursprünglichen Mitgliedstaaten untersucht, und auf die ergänzenden Ausführungen, die er hierzu in der Rechtssache 8/55 Fédération Charbonnière de Belgique/Hobe Behörde (Slg. 1955/56, 253 ff.) macht. Generalanwalt Lagrange definiert den Ermessensmißbrauch als den Gebrauch der Befugnisse einer Behörde zu einem anderen Zweck als demjenigen, zu dem sie ihr verliehen wurden (vgl. insbesondere Slg. 1955/56, 255 f.). Diese Begriffsbestimmung ist klassisch. Ich will nur hinzufügen, daß der Grundsatz, den sie enthält, auch dem englischen Recht wohlbekannt ist. Die maßgebende Autorität ist hierfür die Entscheidung des House of Lords in der Sache Westminster Corporation/London and North Western Railway (1905) A.C. 426 (vgl. insbesondere die Bemerkungen von Lord Macnaghten auf S. 432 und die von Lord Lindley auf S. 439).

Die Hauptverteidigungslinie des Rates gegen den Vorwurf des Ermessensmißbrauchs war die, daß in jedem Abschnitt des der Ernennung von Herrn Martino vorausgegangenen Verfahrens das korrekte Verfahren aufs genaueste eingehalten worden sei. Meine Herren, dies mag zutreffen oder nicht. Zum Beispiel bestehen Zweifel, ob der Generalsekretär die Möglichkeiten erwogen hat, den Dienstposten im Wege der Beförderung oder Versetzung zu besetzen. Aber es ist unerheblich, ob dem so war oder nicht. Der Ermessensmißbrauch hat seinem Wesen nach mit der Einhaltung oder Nichteinhaltung von verfahrensrechtlichen Erfordernissen nichts zu tun. Der Makel, mit dem der ermessensmißbräuchliche Akt behaftet ist, liegt nicht in der Art und Weise, in der die in Frage stehenden Befugnisse ausgeübt worden sind, sondern in dem Zweck, zu dem von ihnen Gebrauch gemacht worden ist. Er liegt darin, daß die Befugnisse, wie Lord Lindley es in der Sache Westminster Corporation ausdrückt, als ein Mantel benutzt werden, der einen rechtswidrigen Akt verhüllen soll.

Ein weiteres Argument des Rates beruhte auf der Behauptung, Herr Martino hätte im Wege der Versetzung ohne Auswahlverfahren für den fraglichen Dienstposten ernannt werden können, da die Besoldungsgruppen A 4 und L/A 4 das gleiche Niveau hätten. Ob diese Behauptung zutrifft, hängt davon ab, wie Artikel 45 Absatz 2 des Statuts auszulegen ist, der vorsieht:

„Der Ubergang eines Beamten von einer Sonderlaufbahn oder einer Laufbahngruppe in eine andere Sonderlaufbahn oder eine höhere Laufbahngruppe ist nur aufgrund eines Auswahlverfahrens zulässig.“

Meines Erachtens ist diese Vorschrift in der Praxis allgemein in dem Sinne ausgelegt worden, daß für die Versetzung aus der Sonderlaufbahn Sprachendienst in die Laufbahngruppe A ein Auswahlverfahren nötig ist. Ob dies zutrifft oder nicht, braucht meines Erachtens in vorliegender Rechtssache nicht entschieden zu werden. Nehmen wir zugunsten des Rates an, daß er Herrn Martino ohne Auswahlverfahren auf den fraglichen Dienstposten versetzen konnte, so bleibt doch die Tatsache bestehen, daß er dies nicht getan hat. Wenn er ferner von der angenommenen Befugnis statt zu dem Zweck, die geeignetste Person für den Dienstposten zu ernennen, in der Absicht Gebrauch gemacht hätte, die Unregelmäßigkeit in Herrn Martinos Dienststellung zu heilen, wäre er ebenso eines Ermessensmißbrauchs schuldig wie er es deswegen ist, weil er dieses Ziel mit einem Auswahlverfahren verfolgt hat.

Im Ergebnis sollten Sie nach meiner Auffassung

1.

das Auswahlverfahren Rat/A/108 samt der im Anschluß daran ergangenen Verfügung vom 20. Mai 1975, mit der der Generalsekretär des Rates Herrn Martino für einen Dienstposten eines Hauptverwaltungsrates der Besoldungsgruppe A 4 ernannt hat, aufheben und

2.

dem Rat die Kosten des Rechtsstreits auferlegen.


( 1 ) Aus dem Englischen übersetzt.

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