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Document 52023DC0572

    BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT zur Überprüfung der Anwendung der Verordnung (EU) 2017/1938

    COM/2023/572 final

    Brüssel, den 5.10.2023

    COM(2023) 572 final

    BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT

    zur Überprüfung der Anwendung der Verordnung (EU) 2017/1938

    {SWD(2023) 323 final}


    Bericht über die Verordnung (EU) 2017/1938 über die Gasversorgungssicherheit

    1.Einführung

    Die Verordnung (EU) 2017/1938 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung (im Folgenden „Verordnung über die Gasversorgungssicherheit“) dient dazu, potenzielle Störungen der Gasversorgung zu verhindern bzw. darauf zu reagieren. In dieser Verordnung wird der Rahmen für die Vorbereitung der EU auf den Notfall und für die Resilienz der EU gegenüber Störungen der Gasversorgung festgelegt.

    In Artikel 17 der Verordnung über die Gasversorgungssicherheit wird die Kommission damit beauftragt, auf der Grundlage der Bewertungen der Präventions- und der Notfallpläne der Mitgliedstaaten bis zum 1. September 2023 Schlussfolgerungen zu möglichen Mitteln zur Verbesserung der Gasversorgungssicherheit auf Unionsebene zu ziehen und dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über die Anwendung dieser Verordnung und erforderlichenfalls auch Gesetzgebungsvorschläge zur Änderung dieser Verordnung vorzulegen.

    In den sechs Jahren seit Annahme der Verordnung über die Gasversorgungssicherheit hat sich die Gasversorgungslage grundlegend verändert, insbesondere im Jahr 2022 nach der russischen Invasion der Ukraine, die die Europäische Kommission dazu veranlasste, den REPowerEU-Plan 1 zu verabschieden, der darauf abzielt, Energie zu sparen, die Energiewende zu beschleunigen und die Energieversorgung der EU zu diversifizieren, um ihre Abhängigkeit von russischem Erdgas so bald wie möglich drastisch zu verringern.

    Infolgedessen wurden die russischen Gaseinfuhren weitgehend durch Lieferungen alternativer Lieferanten in Form zusätzlicher Pipeline-Importe von vertrauenswürdigen Partnern und vor allem durch einen erheblichen Anstieg der LNG-Importe im Jahr 2022 (plus 50 Mrd. m³ bzw. 73 % gegenüber dem Vorjahr) ersetzt. Während die Einfuhren aus Russland vor dem Krieg etwa 50 % der Pipeline-Importe der EU ausmachten, liegt ihr Anteil inzwischen bei unter 10 %, woran die außergewöhnliche Verlagerung deutlich wird, die das Gasnetz der EU im vergangenen Jahr erfahren hat.

    Im Rahmen des REPowerEU-Plans hat die EU auch die überarbeitete Verordnung (EU) 2023/435 angenommen, wodurch es den Mitgliedstaaten ermöglicht wird, für die in ihren jeweiligen REPowerEU-Kapiteln dargelegten Investitionen in die Gasinfrastruktur, die auf eine Diversifizierung weg von russischem Gas und die Deckung des für die Versorgungssicherheit erforderlichen unmittelbaren Bedarfs an Erdgas abzielen, unter strengen Bedingungen finanzielle Unterstützung zu erhalten.

    Zusätzlich zum REPowerEU-Plan hat die EU eine Reihe weiterer Verordnungen angenommen, etwa die Verordnung über die Gasspeicherung (Verordnung (EU) 2022/1032), in der ein Speicherbefüllungsziel von 90 % festgelegt wird, die Verordnung zur Senkung der Gasnachfrage (Verordnung (EU) 2022/1369) und ihre Verlängerung (Verordnung (EU) 2023/706), in denen ein Verbrauchssenkungsziel von 15 % festgelegt wird, sowie die Solidaritätsverordnung (Verordnung (EU) 2022/2576), mit der unter anderem die Rechtsgrundlage für die gemeinsame Beschaffung von Erdgas geschaffen wird und die Vorschriften über Solidaritätsmaßnahmen bei einem Notfall gestärkt werden. Diese Verordnungen wurden erlassen, um die Gasversorgungssicherheit zu gewährleisten und die bestehende Verordnung über die Gasversorgungssicherheit zu ergänzen.

    Für den schrittweisen Ausstieg der EU aus russischem Gas muss ein besonderer Schwerpunkt auf eine kontinuierliche Diversifizierung der Versorgung gelegt werden. Dies wird zu einer wachsenden Bedeutung von LNG und damit zu einer größeren Abhängigkeit vom globalen LNG-Markt in den kommenden Jahren führen.

    Darüber hinaus dürfte die Gasnachfrage längerfristig in den einzelnen Sektoren und Mitgliedstaaten in unterschiedlichem Tempo zurückgehen, was zu einem veränderten Nachfrageprofil in der EU führen könnte. Bei der künftigen Architektur der Versorgungssicherheit müssen die derzeitigen Bemühungen um Dekarbonisierung berücksichtigt und unterstützt werden, wobei die fortschreitende Elektrifizierung und die zunehmend wichtigere Rolle von Biomethan und Wasserstoff zentrale Aspekte darstellen. Dies erfordert eine integrierte Strategie für die künftige Stilllegung und Umwidmung der Infrastruktur, um einen geordneten Übergang sicherzustellen, bei dem die Versorgungssicherheit in Bezug auf Erdgas, Biomethan und Wasserstoff gewährleistet ist.

    Die Architektur der Versorgungssicherheit der EU wird daher immer wieder an die Veränderungen der kommenden Jahre und Jahrzehnte angepasst werden müssen.

    Mit der Annahme dieses Berichts sollen die rechtlichen Anforderungen des Artikels 17 der Verordnung über die Gasversorgungssicherheit erfüllt werden. Der Zeitplan wurde leicht angepasst, um ihn mit parallel laufenden Arbeiten in verwandten Bereichen in Einklang zu bringen, insbesondere im Hinblick auf Artikel 30 der Solidaritätsverordnung, wonach die Solidaritätsverordnung bis zum 1. Oktober 2023 von der Europäischen Kommission überprüft werden muss. 2  

    Darüber hinaus werden derzeit mehrere Bestimmungen bezüglich der Versorgungssicherheit von den gesetzgebenden Organen im Rahmen des Pakets für den Wasserstoffmarkt und den dekarbonisierten Gasmarkt 3 erörtert.

    2.Bewertung der Präventionspläne und Notfallpläne der Mitgliedstaaten durch die Kommission

    Gemäß Artikel 17 der Verordnung über die Gasversorgungssicherheit muss die Kommission einen Bericht vorlegen, der auf den Bewertungen der aktualisierten Präventionspläne und Notfallpläne durch die Kommission beruht.

    2019 übermittelten die Mitgliedstaaten der Kommission ihre Präventionspläne und Notfallpläne. Die Kommission bewertete die Pläne und gab eine Reihe von Stellungnahmen 4 mit spezifischen Empfehlungen ab und nannte Punkte, in denen die Pläne verbessert werden sollten. Das gleiche Verfahren sollte 2023 stattfinden, da die Pläne gemäß Artikel 9 Absatz 11 und Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung über die Gasversorgungssicherheit regelmäßig alle vier Jahre aktualisiert werden müssen, sodass die Mitgliedstaaten verpflichtet waren, bis März 2023 aktualisierte Pläne vorzulegen. Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichts hatte die Kommission jedoch nur von sieben Mitgliedstaaten beide Pläne erhalten, wobei auch davon die meisten erst im Juni/Juli 2023 eingegangen waren. 5  Folglich wird sich die Bewertung der Kommission auf die 2019 vorgelegten Präventionspläne und Notfallpläne sowie auf die Erkenntnisse aus dem bzw. den vergangenen Jahr(en) stützen. Da die aktualisierten Pläne weitgehend fehlten, verteilte die Kommission außerdem einen Fragebogen, um die Mitglieder der Koordinierungsgruppe „Gas“ zu den Bestimmungen der Verordnung über die Gasversorgungssicherheit zu konsultieren.

    Eine ausführlichere Erläuterung des Hintergrunds und des Inhalts der Bestimmungen sowie weitere Einzelheiten zur Überprüfung der Bestimmungen der Verordnung über die Gasversorgungssicherheit durch die Kommission sind der Arbeitsunterlage SWD(2023) 323 der Kommissionsdienststellen zu entnehmen.

    3.Überprüfung der Verordnung über die Gasversorgungssicherheit und mögliche Mittel zur Verbesserung der Gasversorgungssicherheit und Erkenntnisse aus der Gaskrise

    3.1 Koordinierungsgruppe „Gas“

    Die Koordinierungsgruppe „Gas“ stützt sich auf Artikel 4 der Verordnung über die Gasversorgungssicherheit, in dem festgelegt ist, dass die Kommission den Vorsitz in der Koordinierungsgruppe „Gas“ führt und sich die Gruppe aus Vertretern der Mitgliedstaaten, der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, des ENTSOG und der Interessenverbände der Erdgasindustrie und der Verbraucher zusammensetzt. Die Kommission kann, in Absprache mit den Mitgliedstaaten, über die Zusammensetzung der Koordinierungsgruppe „Gas“ entscheiden, um ihre uneingeschränkte Repräsentativität zu gewährleisten.

    2022 wurde die Koordinierungsgruppe „Gas“ 24 Mal einberufen, was einen Rekord darstellt. Insbesondere erörterte die Koordinierungsgruppe „Gas“ die jüngsten Entwicklungen bei der Gasversorgungssicherheit im Kontext der russischen Invasion der Ukraine und den anschließenden Störungen der Gasversorgung. Darüber hinaus wurde der Austausch über bewährte Verfahren für nationale Präventions- und Notfallmaßnahmen sowie über die nächsten Schritte für EU-weite Maßnahmen zur Verbesserung der Vorbereitung erleichtert, da er als Informationsgrundlage der Kommission bei der Ausarbeitung neuer Legislativvorschläge von zentraler Bedeutung ist. 

    Die Vertreter der Koordinierungsgruppe „Gas“ gaben in ihren Antworten in einem von der Kommission im Mai 2023 versandten Fragebogen an, dass sie die Arbeitsweise der Gruppe schätzen, und lobten vor allem deren anpassungsfähiges und flexibles Format.

    Darüber hinaus richtete die Kommission Ad-hoc-Einladungen an Drittländer zu einer Sitzung der Koordinierungsgruppe „Gas“, um Meinungen über die Sicherheit der Gasversorgung auszutauschen. Mehrere Mitgliedstaaten äußerten sich positiv dazu, die Liefer- oder Transitländer auch künftig häufiger einzuladen.

    3.2 Infrastrukturstandard

    Gemäß Artikel 5 der Verordnung über die Gasversorgungssicherheit gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass bei Ausfall der größten einzelnen Gasinfrastruktur (N – 1) die Gasmenge geliefert werden kann, die zur Deckung der Gesamtnachfrage nach Erdgas an einem Tag mit einer außerordentlich hohen Nachfrage benötigt wird. Dies schließt die Verpflichtung ein, auf Verbindungsleitungen zwischen Mitgliedstaaten permanente physische bidirektionale Kapazitäten zu ermöglichen, sofern keine Ausnahme von dieser Verpflichtung gewährt wurde.

    Manche der Befragten gaben in dem an die Koordinierungsgruppe „Gas“ übermittelten Fragebogen an, dass der Infrastrukturstandard ein guter Anreiz sei, angemessene Infrastrukturkapazitäten vorzuhalten, insbesondere um die umgekehrten Gasflüsse von Westen nach Osten zu erleichtern, die 2022 nach der russischen Invasion der Ukraine beobachtet wurden. Andere hoben hervor, dass dieser infrastrukturbasierte Ansatz durch eine stärkere Fokussierung auf die Angebotsseite ergänzt werden müsse, z. B. durch ergänzende Diversifizierungsstandards. Es können zusätzliche Bestimmungen in Betracht gezogen werden, um künftige Anfälligkeiten eines einzigen Lieferanten zu vermeiden. Denkbar wäre ein weiterer Informationsaustausch gemäß Artikel 14 oder ein zusätzlicher S – 1-Standard, wobei die Sicherheitsvorteile gegen potenzielle Kosten oder Ineffizienzen abzuwägen wären.

    Einige Befragte wiesen darauf hin, dass strengere Standards zwar zur Verbesserung der Versorgungssicherheit beitragen könnten, dass es aber ein vorrangiges Anliegen sein sollte, das Risiko der Entstehung gestrandeter Vermögenswerte zu vermeiden.

    3.3 Versorgungsstandard und geschützte Kunden

    In Artikel 6 der Verordnung über die Gasversorgungssicherheit ist der Versorgungsstandard geregelt, der vorsieht, dass die Mitgliedstaaten Erdgasunternehmen dazu verpflichten, Maßnahmen zu ergreifen, um die Gasversorgung geschützter Kunden unter bestimmten, vorab festgelegten Umständen sicherzustellen.

    Zu den geschützten Kunden im Sinne von Artikel 2 Absatz 5 gehören auch Haushalte. Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten unter bestimmten Bedingungen 1) KMU, 2) grundlegende soziale Dienste und 3) Fernwärme dazuzählen. In der Energiekrise 2022 wurde jedoch die Rolle der freiwilligen Nachfragesenkung in allen Sektoren immer wichtiger. Daher wurde den Mitgliedstaaten mit der Solidaritätsverordnung die Möglichkeit eingeräumt, Maßnahmen zu ergreifen, um den nicht wesentlichen Verbrauch geschützter Kunden zu senken.

    Viele Mitgliedstaaten gaben an, bei der Umsetzung des Versorgungsstandards keine größeren Herausforderungen bewältigen zu müssen. In Bezug auf geschützte Kunden wiesen einige Mitgliedstaaten darauf hin, dass es schwierig sei, deren Bedarf einzuschätzen. Einige der Befragten hielten es für sinnvoll, die Definition der geschützten Kunden auf EU-Ebene stärker zu harmonisieren, wenngleich nationale Besonderheiten berücksichtigt werden müssten.

    Auch waren einige Befragte der Ansicht, dass die Beschränkung des nicht wesentlichen Verbrauchs geschützter Kunden (die derzeit in der Solidaritätsverordnung vorgesehen ist) zu einer dauerhaften Regelung werden sollte, da sie zusätzliche Flexibilität biete, um die Ziele der Versorgungssicherheit zu erreichen.

    Da die Gasnachfrage der Haushalte in einigen Mitgliedstaaten früher auslaufen könnte als die in anderen Sektoren, könnte in Zukunft eine Überprüfung der Definition des Begriffs „geschützte Kunden“ erforderlich werden, um eine Anpassung an ein sich änderndes Nachfrageprofil vorzunehmen und gleichzeitig sicherzustellen, dass der Bedarf der Haushalte, insbesondere der Gasbedarf schutzbedürftiger Verbraucher, gedeckt wird.

    3.4 Risikobewertungen und regionale Risikogruppen

    Um auf mögliche Risiken für die Versorgungssicherheit vorbereitet zu sein, sieht die Verordnung über die Gasversorgungssicherheit eine Architektur aus Risikobewertungen und regionalen Risikogruppen vor, die in Artikel 7 und in den Anhängen I, IV und V der Verordnung dargelegt ist.

    Diese Architektur beginnt mit einer unionsweiten Simulation von Szenarien des Ausfalls von Gaslieferungen und Infrastrukturen durch das ENTSOG, woraufhin die Mitgliedstaaten eine nationale Risikobewertung und eine gemeinsame Risikobewertung in speziellen regionalen Risikogruppen vornehmen, die den wichtigsten Versorgungskorridoren entsprechen.

    Die erste gemeinsame Risikobewertung und die ersten nationalen Risikobewertungen wurden 2018 durchgeführt und sollten alle vier Jahre aktualisiert werden. Wegen der Herausforderungen während der Energiekrise des Jahres 2022 gaben mehrere Mitgliedstaaten an, dass ihnen Verwaltungskapazitäten fehlten, um die Risikogruppen zu leiten oder die Risikobewertungen termingerecht durchzuführen.

    Die Risikobewertungen und die damit zusammenhängenden Präventionspläne und Notfallpläne sind jedoch von immenser Bedeutung für die Risikovorsorge der EU für den nächsten Winter und die kommenden Jahre.

    Wegen der außergewöhnlichen Krise von 2022 hat die Kommission zunächst keine Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Doch da keine Fortschritte zu verzeichnen waren und es dringend geboten ist, auf den Winter 2023/24 vorbereitet zu sein, beschloss die Kommission Mitte Juni 2023, 26 EU-Pilotverfahren einzuleiten, um sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten die Risikobewertungen sowie die Präventionspläne und Notfallpläne erstellen und übermitteln.

    Aus den Erfahrungen mit der Aktualisierung der Risikobewertungen und der Funktionsweise der Risikogruppen sowie aus den Rückmeldungen von den Mitgliedern der Koordinierungsgruppe „Gas“ ergab sich eine Reihe von Fragen, die über den Mangel an Verwaltungskapazitäten in den Mitgliedstaaten hinausgehen:

    ·Das derzeitige regionale Konzept für die Risikogruppen scheint angesichts der veränderten geopolitischen Lage, der wachsenden Bedeutung von LNG und der geringeren Rolle einiger Pipeline-Versorgungskorridore nicht mehr zweckmäßig zu sein.

    ·Viele Befragte regten ein unionsweites Konzept an, möglicherweise mit regionalen Sensitivitätsanalysen, bei dem der Gemeinsamen Forschungsstelle der Kommission eine tragende Rolle zukommen würde.

    3.5 Präventionspläne und Notfallpläne

    Die Präventionspläne sollen das Entstehen von Krisen verhindern und basieren auf den nationalen Risikobewertungen und der gemeinsamen Risikobewertung, während die Notfallpläne aufzeigen, welche Verfahren, Zuständigkeiten und Maßnahmen in einer Krise anzuwenden sind.

    Über die Ausführungen in Abschnitt 2 hinaus ist die Kommission der Auffassung, dass über die folgenden Punkte weiter nachgedacht werden müsste, auch wenn sie derzeit in der Verordnung über die Gasversorgungssicherheit nicht vorgeschrieben sind:

    ·Die Fortschritte beim Ausstieg aus russischem Erdgas und eine Beschreibung und Prognose der Bemühungen um Diversifizierung im Rahmen der Beschreibung des nationalen Gasnetzes. Dies könnte auch durch einen verstärkten Informationsaustausch auf der Grundlage von Artikel 14 erleichtert werden.

    ·Eine Einschätzung der sich ändernden Aufschlüsselung des Gasverbrauchs.

    ·Neben der Rolle der heimischen Produktion (einschließlich Biomethan) sollte erwogen werden, ob es sinnvoll wäre, nationale Wasserstoffstrategien einzubeziehen. Dies ist von besonderer Bedeutung, wenn diese sich auf die Gasversorgungssicherheit oder die Ersetzung der Gasnachfrage im Kontext der Entwicklung eines sicheren europäischen Wasserstoffmarktes auswirkt.

    Während die Notfallpläne, die seit dem Inkrafttreten der Verordnung eingegangen sind, entsprechend den Empfehlungen in den Stellungnahmen der Kommission grundsätzlich verbessert werden könnten, bestätigte der gemeinsam von der Kommission, den Mitgliedstaaten und dem ENTSOG im Dezember 2022 durchgeführte Solidaritätstest („Trockenübung“), wie wichtig die Notfallpläne sind, um bei einer Notlage eine rasche und effiziente Reaktion sicherzustellen. Die Mitgliedstaaten bestätigten, dass es für die Kommission unerlässlich ist, die Notfallpläne auf Maßnahmen zu überprüfen, die grenzüberschreitende Auswirkungen haben könnten, wie etwa Maßnahmen, die grenzüberschreitende Gasflüsse oder Kapazitäten einschränken.

    Wie in der begleitenden Arbeitsunterlage SWD(2023) 323 der Kommissionsdienststellen eingehender ausgeführt wird, waren die wichtigsten Punkte, die in den Präventionsplänen fehlten, folgende:

    (1)Einzelheiten zur Konsultation der Interessenträger

    (2)Informationen über den Versorgungsstandard bzw. dessen Durchsetzung und Informationen zum Infrastrukturstandard

    (3)ungenaue Angaben zu (durch Solidarität) geschützten Kunden

    (4)Einzelheiten zu den regionalen und nationalen Gasnetzen

    (5)unzureichende Bewertungen der Auswirkungen von Präventionsmaßnahmen auf die Wirtschaft, den Binnenmarkt, die Verbraucher und die Umwelt

    Bei den Notfallplänen hingegen war das wesentliche Manko ein unvollständiges regionales Kapitel, u. a. fehlten Solidaritätsregelungen und eine Quantifizierung der Auswirkungen der Maßnahmen. Die Kommission ist der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten die genannten Punkte verbessern müssten, worauf bereits in den Stellungnahmen von 2019 hingewiesen wurde.

    3.6 Zuständigkeiten auf verschiedenen Krisenstufen

    Eine der zentralen Bestimmungen der Verordnung über die Gasversorgungssicherheit ist die Festlegung verschiedener nationaler und unionsweiter Krisenstufen; in Artikel 11 werden folgende drei nationalen Krisenstufen definiert: 1) Frühwarnung, 2) Alarm und 3) Notfall.

    Darüber hinaus kann die Kommission einen regionalen oder einen unionsweiten Notfall ausrufen, bei dem sie selbst für die Koordinierung verantwortlich ist. Mit der Verordnung (EU) 2022/1369 zur Senkung der Gasnachfrage wurde auch temporär die Stufe eines Unionsalarms festgelegt.

    Während der Energiekrise des Jahres 2022 und insbesondere während der im Dezember 2022 durchgeführten Solidaritäts-“Trockenübung“ gelangte man zu der Auffassung, dass die EU-Notfallstufe genauer definiert werden müsse und dass die Kriterien dafür, wann ein regionaler und wann ein unionsweiter Notfall ausgerufen werden müsste, unklar seien. Einige Mitgliedstaaten äußerten in dem Fragebogen, der an die Koordinierungsgruppe „Gas“ übermittelt wurde, dass die Erstellung eines EU-Notfallplans nützlich sein könne, insbesondere um die Aufgaben und Zuständigkeiten der verschiedenen EU-Stellen und nationalen Behörden in einem Notfall zu klären.

    Darüber hinaus wurde in der Verordnung (EU) 2022/1369 zur Senkung der Gasnachfrage als Reaktion auf die russische Invasion der Ukraine der Unionsalarm definiert, bei dessen Ausrufung die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet wären, ihre Gasnachfrage um 15 % zu senken. Da diese Verordnung Ende März 2024 ausläuft, sollte darüber nachgedacht werden, ob der Unionsalarm langfristig sinnvoll wäre. Die Koordinierungsgruppe „Gas“ gab in ihren Rückmeldungen zum Fragebogen an, für die Beibehaltung dieses Mechanismus offen zu sein, allerdings je nachdem, welche Maßnahmen er auslösen würde. Einige der Befragten meinten, dass sich sowohl die Auslösung des Alarms als auch die nachfolgenden Maßnahmen auf die Einspeicherung von Gas beziehen könnten. Andere waren der Auffassung, dass die Maßnahme bei einem Unionsalarm eine prozentuale Nachfragesenkung sein sollte, wie dies bereits 2022 der Fall war, wobei der Prozentsatz an der jeweiligen Krise ausgerichtet werden müsste.

    Darüber hinaus sieht Artikel 12 Absatz 5 Buchstabe a der Verordnung über die Gasversorgungssicherheit vor, dass die Mitgliedstaaten grenzüberschreitende Gasflüsse nicht unangemessen einschränken dürfen, doch mitten in einer Krise könnte die Entscheidung über das Verfahren, das folgen würde, bis zu einer Woche dauern. Daher wurden mit Artikel 25 der Solidaritätsverordnung Schutzvorkehrungen zur Gewährleistung grenzüberschreitender Gasflüsse eingeführt, wonach die Kommission den betreffenden Mitgliedstaat verpflichten kann, seine Maßnahmen mit sofortiger Wirkung zu ändern. Die meisten Befragten der Koordinierungsgruppe „Gas“ halten Schutzvorkehrungen für grenzüberschreitende Gasflüsse über das Auslaufen der befristeten Verordnung (EU) 2022/2576 hinaus für sinnvoll, entweder weil sie die neuen Bestimmungen des Artikels 25 begrüßen oder weil sie der Meinung sind, dass bereits die Bestimmungen des Artikels 12 Absatz 5 jederzeit eingehalten werden müssten.

    3.7 Solidarität

    In Artikel 13 der Verordnung über die Gasversorgungssicherheit sind die Anforderungen des Solidaritätsmechanismus festgelegt, der bei einem schweren Gasnotstand ein letztes Mittel ist, wenn die Gasversorgung der „durch Solidarität geschützten Kunden“ gefährdet ist und der Markt die erforderlichen Mengen nicht mehr bereitstellen kann.

    Gemäß Artikel 13 Absatz 10 müssen die Mitgliedstaaten bis zum 1. Dezember 2018 bilaterale Solidaritätsvereinbarungen schließen, die die technischen, rechtlichen und finanziellen Regelungen zur Sicherstellung von Solidarität in der Praxis enthalten. In diesen Solidaritätsvereinbarungen wird konkretisiert, wie die Solidarität praktisch umgesetzt wird, doch auch wenn sie nicht vorliegen, ändert dies nichts an der rechtlichen Verpflichtung. Um die bilateralen Solidaritätsvereinbarungen zu erleichtern, hat die Kommission die Empfehlung (EU) 2018/177 veröffentlicht, in denen sie die technischen, rechtlichen und finanziellen Elemente nennt, die in die bilateralen Solidaritätsvereinbarungen aufzunehmen sind.

    Zum Zeitpunkt der Abfassung des vorliegenden Berichts waren nur acht von 40 Solidaritätsvereinbarungen unterzeichnet, und zwar zwischen Österreich und Deutschland, zwischen Dänemark und Deutschland, zwischen Estland und Lettland, zwischen Lettland und Litauen, zwischen Italien und Slowenien, zwischen Estland und Finnland, zwischen Dänemark und Schweden sowie zwischen Slowenien und Kroatien.

    Wie mehrere Mitgliedstaaten angaben, sind die Gründe für die mangelnden Fortschritte die technische Komplexität, der Mangel an Fachwissen bei den nationalen Verwaltungen sowie politische Schwierigkeiten, eine Vereinbarung zu erzielen, insbesondere in Bezug auf die finanzielle Entschädigung.

    Angesichts der unzureichenden Fortschritte hat die Kommission im Mai 2020 an 25 Mitgliedstaaten wegen Nichteinhaltung der Solidaritätsbestimmungen ein Aufforderungsschreiben gerichtet. Die Kommission führt mit den Mitgliedstaaten Paketsitzungen wegen Vertragsverletzungen durch, in denen die Verstöße gegen die Solidaritätsverpflichtungen diskutiert werden. Darüber hinaus hat die Kommission Unterstützung angeboten, um Diskussionen zwischen betroffenen Mitgliedstaaten zu erleichtern und bestehende Schwierigkeiten überwinden zu helfen.

    Rechtliche Entwicklung

    Um sicherzustellen, dass die Solidaritätsregelungen wirksam und operativ sind, und um die fehlenden bilateralen Vereinbarungen zu kompensieren, schlug die Kommission im Dezember 2021 vor, die Verordnung über die Gasversorgungssicherheit über das Paket für den Wasserstoffmarkt und den dekarbonisierten Gasmarkt zu ändern und gemeinsame Solidaritätsregeln einzuführen, die gelten, wenn keine bilateralen Vereinbarungen vorliegen.

    Da die interinstitutionellen Verhandlungen über dieses Paket während der Krise 2022 noch nicht unmittelbar vor ihrem Abschluss standen, verabschiedeten die EU-Minister am 19. Dezember 2022 die Solidaritätsverordnung, in der Standardsolidaritätsvorschriften für den Fall festgelegt werden, dass keine bilateralen Vereinbarungen vorliegen, und in der eine Begrenzung der Entschädigung, die für Solidaritätsmaßnahmen zu zahlen ist, vorgesehen ist. Mit der Solidaritätsverordnung wurde der solidarische Schutz vorübergehend auch auf für die Stromversorgungssicherheit kritische Gasmengen ausgeweitet, und die Solidaritätsverpflichtungen wurden vorübergehend auf Mitgliedstaaten mit LNG-Anlagen ausgeweitet.

    Die Solidaritätsverordnung wurde auf der Grundlage von Artikel 122 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) angenommen, weshalb es sich um eine befristete Sofortmaßnahme handelt, die Ende 2023 ausläuft. Sollte das Paket für den Wasserstoffmarkt und den dekarbonisierten Gasmarkt nicht vor dieser Frist angenommen werden, wird die Situation diesbezüglich wieder so sein wie vor der Krise, wie vorstehend beschrieben.

    Solidaritätstest („Trockenübung“)

    Um die Solidaritätsbestimmungen der Verordnung über die Gasversorgungssicherheit und der Solidaritätsverordnung zu testen, führte die Kommission im Dezember 2022 gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und dem ENTSOG eine sogenannte „Trockenübung“ durch.

    Es wurden verschiedene Punkte ermittelt, zu denen Folgemaßnahmen erforderlich sind:

    ·Die meisten Teilnehmer waren sich darüber einig, dass LNG in Krisensituationen zusätzliche Flexibilität bieten kann. Die LNG-Solidaritätsleistung würde jedoch Marktmechanismen und ein Eingreifen der zuständigen Behörde erfordern, sofern alle marktbasierten Maßnahmen ausgeschöpft sind, was weiter präzisiert werden sollte.

    ·Es wurde festgestellt, dass es keine Rechtsgrundlage für ein Ersuchen um Solidarität über eine Gasfernleitung an einen benachbarten Mitgliedstaat gibt, wenn keine direkte Verbindung zu diesem Mitgliedstaat besteht.

    ·Für den Fall, dass ein Mitgliedstaat zwei Solidaritätsersuchen erhält, wurde das Verfahren als unklar angesehen.

    ·Die Teilnehmer äußerten, dass für Solidaritätsleistungen mit Pipelinegas ein Zeitraum von 24 Stunden geeignet wäre, während für Solidarität mittels LNG 72 Stunden noch relevant sein könnten.

    Weitere Einzelheiten zum Solidaritätstest sind in der Arbeitsunterlage SWD(2023) 323 der Kommissionsdienststellen enthalten.



    4.Schlussfolgerung

    Die Gasversorgungssicherheit in Europa hat sich seit dem letzten Jahr dank der erfolgreichen Umsetzung zusätzlicher Maßnahmen durch die EU und ihre Mitgliedstaaten in allen wichtigen energiepolitischen Bereichen verbessert. Angesichts des Einsatzes von Energie als politische und wirtschaftliche Waffe durch Russland hat die EU im Geiste der Solidarität geschlossen gehandelt, um die Abhängigkeit der EU von fossilen Brennstoffen aus Russland zu verringern und gleichzeitig weiter gegen die Klimakrise vorzugehen, wobei sie ihre Bemühungen beschleunigt hat, die Resilienz der kritischen Infrastruktur und der kritischen Einrichtungen der EU zu stärken. Die Produktionssteigerung und Einführung von in Europa erzeugten erneuerbaren Energien wurden erheblich beschleunigt. Die EU hat ihre Beziehungen zu internationalen Partnern verstärkt, um Energielieferungen zu diversifizieren, und sie hat koordinierte Maßnahmen ergriffen, um besser vorbereitet zu sein, unter anderem Maßnahmen bezüglich Gasspeicherung und Nachfragesenkung.

    Dennoch bestehen nach wie vor Risiken für die Sicherheit der Gasversorgung der Union, wie z. B. die vollständige Einstellung russischer Einfuhren, Störfälle an der Infrastruktur, ungünstige Witterungsbedingungen, eine steigende Gasnachfrage in Europa oder Lieferengpässe bei der Versorgung mit LNG.

    Darüber hinaus befindet sich das Energiesystem aufgrund einer zunehmenden Integration erneuerbarer und CO2-armer Gase sowie einer zunehmenden Elektrifizierung im Übergang zur Dekarbonisierung. Durch diesen Umbau des Energiesystems wird die Gasversorgungssicherheit verbessert, indem die Abhängigkeit der EU von fossilen Brennstoffen und insbesondere von Erdgas verringert wird. Die Architektur der Gasversorgungssicherheit der Zukunft muss angepasst werden, um erneuerbare und CO2-arme Gase, einschließlich Biomethan und Wasserstoff, sowie die weitere Elektrifizierung und sektorale Integration des Energiesystems zu integrieren. 

    Der neue Rahmen sollte nach der Verabschiedung des Pakets für den Wasserstoffmarkt und den dekarbonisierten Gasmarkt auf diesem aufbauen und es unterstützen. Die zunehmende Entwicklung von erneuerbaren und CO2-armen Gasen, einschließlich Biomethan und Wasserstoff, sowie die zunehmende Elektrifizierung des Energiesystems sind wesentliche Elemente, die bei jeder Weiterentwicklung des Rechtsrahmens für die Versorgungssicherheit berücksichtigt werden müssen, um die Gasversorgungssicherheit zu gewährleisten und die Dekarbonisierungsziele der EU zu unterstützen.

    In diesem Bericht wird auf eine Reihe möglicher Verbesserungen der EU-Architektur für die Gasversorgungssicherheit hingewiesen. Insbesondere bildet der Bericht, wie in Artikel 17 der Verordnung über die Gasversorgungssicherheit festgelegt, die Grundlage für weitere Überlegungen im Hinblick auf einen möglichen künftigen Vorschlag der Kommission zur Änderung dieser Verordnung.

    (1)

      https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=COM%3A2022%3A230%3AFIN&qid=1653033742483  

    (2)

    Kapitel IV der Solidaritätsverordnung betrifft befristete Maßnahmen im Falle eines Gasnotstands. Es ergänzt die Verordnung über die Gasversorgungssicherheit.

    (3)

    https://energy.ec.europa.eu/topics/markets-and-consumers/market-legislation/hydrogen-and-decarbonised-gas-market-package_en . Weitere Einzelheiten sind in Abschnitt 3.7 enthalten.

    (4)

      https://energy.ec.europa.eu/topics/energy-security/commissions-opinions-preventive-action-plans-and-emergency-plans_en

    (5)

     Anfang Juni 2023 wurden EU-Pilotverfahren gegen die Mitgliedstaaten eingeleitet, deren Präventionspläne, Notfallpläne und Risikobewertungen fehlten. Ausführlichere Informationen sind in den Abschnitten 3.4.1 und 3.5 der beigefügten Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen enthalten.

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