EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 15.10.2019
COM(2019) 479 final
BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT
über die Entwicklung, Validierung und rechtliche Anerkennung von Alternativmethoden für Tierversuche im Bereich kosmetischer Mittel (2018)
BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT
über die Entwicklung, Validierung und rechtliche Anerkennung von Alternativmethoden für Tierversuche im Bereich kosmetischer Mittel (2018)
1.Einleitung
Dies ist der dreizehnte Bericht der Kommission über die Entwicklung, Validierung und rechtliche Anerkennung von Alternativmethoden für Tierversuche im Bereich kosmetischer Mittel.
Nach Artikel 35 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (im Folgenden „Kosmetikverordnung“) muss jeder Bericht Informationen über Folgendes beinhalten:
-die Fortschritte bei der Entwicklung, Validierung und Anerkennung von Alternativmethoden für Tierversuche,
-die Fortschritte der Kommission bei ihren Bemühungen, die Anerkennung der auf EU-Ebene validierten alternativen Methoden durch die OECD zu erwirken,
-die Fortschritte bei den Bemühungen, die Anerkennung der Ergebnisse der in der EU mithilfe alternativer Methoden durchgeführten Sicherheitsprüfungen durch Drittstaaten zu erwirken und
-die besonderen Bedürfnisse der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU).
Mit diesem Bericht werden das Europäische Parlament und der Rat außerdem über die Einhaltung der Fristen für die in Artikel 18 Absatz 1 der Kosmetikverordnung festgelegten Verbote von Tierversuchen und gemäß Artikel 18 Absatz 2 über die damit verbundenen technischen Schwierigkeiten informiert.
In der EU sind seit dem 11. September 2004 Tierversuche für kosmetische Fertigerzeugnisse und seit dem 11. März 2009 solche Versuche für Kosmetikbestandteile verboten (Verbot von Tierversuchen). Seit dem 11. März 2009 ist es in der EU ebenfalls untersagt, kosmetische Mittel und deren Bestandteile, die für die Erfüllung der Anforderungen der Richtlinie 76/768/EWG mit Tierversuchen getestet wurden, in den Verkehr zu bringen (Verbot des Inverkehrbringens von 2009). Dieses Verbot galt für alle Versuche außer solchen zur Untersuchung der komplexesten Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit („Endpunkte“), die zum Nachweis der Unbedenklichkeit kosmetischer Mittel durchgeführt werden mussten und für die keine tierversuchsfreien Alternativmethoden existierten (Toxizität bei wiederholter Verabreichung, Reproduktionstoxizität und Toxikokinetik); das Europäische Parlament und der Rat beschlossen, dass das Verbot des Inverkehrbringens am 11. März 2013 in Kraft treten sollte (Verbot des Inverkehrbringens von 2013). Am 11. März 2013 nahm die Kommission eine Mitteilung über das Verbot von Tierversuchen und das Verbot des Inverkehrbringens sowie den Sachstand im Zusammenhang mit Alternativmethoden im Bereich kosmetischer Mittel an. In dieser Mitteilung wurde die Zusage der Kommission bestätigt, den Umsetzungstermin 2013 aufrechtzuerhalten. Aus diesem Grund trat das Verbot des Inverkehrbringens ohne Rücksicht auf die Verfügbarkeit tierversuchsfreier Alternativmethoden zum 11. März 2013 vollständig in Kraft.
Nach Artikel 18 Absatz 2 der Kosmetikverordnung sollen in dem Bericht auch alle Ausnahmen von Artikel 18 Absatz 1 behandelt werden, die gemäß Artikel 18 Absatz 2 der Kosmetikverordnung gewährt wurden. Bislang wurden jedoch im Rahmen dieser Bestimmung keine Ausnahmen gewährt.
Die Informationen in Abschnitt 2, der die Einhaltung des Verbots von Tierversuchen und des Verbots des Inverkehrbringens sowie die Auswirkungen dieser Verbote betrifft, basieren auf den Beiträgen, die von den Mitgliedstaaten hauptsächlich für den Zeitraum 2017–2018 übermittelt wurden. Die in Abschnitt 3 enthaltenen Informationen über die Fortschritte bei der Entwicklung, Validierung und rechtlichen Anerkennung von Alternativmethoden stützen sich weitgehend auf den Sachstandsbericht für 2018 des bei der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission angesiedelten Referenzlabors der Europäischen Union für alternative Methoden zu Tierversuchen (EURL ECVAM).
2.Einhaltung und Auswirkungen des Verbots von Tierversuchen und des Verbots des Inverkehrbringens
Die Produktinformationsdatei des kosmetischen Mittels ist in der Praxis die wichtigste Grundlage, um die Einhaltung des Verbots von Tierversuchen und des Verbots des Inverkehrbringens zu überprüfen. Die für die Einhaltung der einschlägigen Verpflichtungen aus der Kosmetikverordnung „verantwortliche Person“ (in der Regel der Hersteller oder Einführer) muss für jedes kosmetische Mittel, das in der Union in Verkehr gebracht wird, eine Produktinformationsdatei führen. Die Produktinformationsdatei muss den Sicherheitsbericht für das kosmetische Mittel und Daten über jegliche im Zusammenhang mit der Entwicklung oder der Sicherheitsbewertung des kosmetischen Mittels oder seiner Bestandteile durchgeführten Tierversuche enthalten. Die Mitteilung der Kommission vom 11. März 2013 gibt überdies Aufschluss über die Informationen, die in die Produktinformationsdatei aufgenommen werden sollten.
2.1.Inspektionen und Einhaltung
Überwachungsmaßnahmen und Kontrollen zur Einhaltung des Verbots von Tierversuchen und des Verbots des Inverkehrbringens auf den nationalen Märkten wurden überwiegend im Zuge regelmäßiger Inspektionen kosmetischer Mittel oder bei regelmäßigen Inspektionen kosmetischer Mittel im Rahmen allgemeiner Kontrollmaßnahmen durchgeführt. Es gab keine eigenen Inspektionsprogramme zur Überwachung der Einhaltung des Verbots von Tierversuchen und des Verbots des Inverkehrbringens. Die Einhaltung wurde gewöhnlich im Wege von Kontrollen der Produktinformationsdateien durch die zuständigen nationalen Behörden geprüft.
Auf der Grundlage der von den Marktüberwachungsbehörden durchgeführten Inspektionen berichtete ein Mitgliedstaat, dass bei den Hunderten Kontrollfällen drei Verstöße gegen das Verbot des Inverkehrbringens festgestellt wurden, bei denen die Unternehmen jeweils zur Behebung des Verstoßes aufgefordert wurden. Andere Mitgliedstaaten meldeten einige wenige Fälle, bei denen der Verstoß im Endeffekt darin bestand, dass keine vollständigen Unterlagen zum Nachweis der Einhaltung der Verbote vorlagen, und nicht in der Nichteinhaltung des Verbots an sich (siehe Abschnitt 2.2.).
2.2.Schwierigkeiten bei der Überwachung des Verbots und Verbesserungsvorschläge
Von der überwiegenden Mehrheit der Mitgliedstaaten, die die Einhaltung des Verbots von Tierversuchen und des Verbots des Inverkehrbringens überwacht haben, wurden keinerlei Schwierigkeiten bei der Durchführung der Kontrollen gemeldet.
Wie in vorangegangenen Berichtszeiträumen wurde von einigen Mitgliedstaaten vor allem das Problem angesprochen, dass die Produktinformationsdateien keine vollständigen Daten zu Tierversuchen enthalten. Diese Informationen sind zur Überprüfung der Einhaltung der Verbote erforderlich. Sechs Mitgliedstaaten bestätigten, dass ein Problem mit einer sehr begrenzten Zahl unvollständiger Produktionsformationsdateien bestünde.
Die kontrollierten Produktinformationsdateien enthielten häufig nur in begrenztem Umfang toxikologische Daten zu den in den Fertigerzeugnissen verwendeten Bestandteilen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Lieferanten der Bestandteile den Herstellern keine ausreichenden toxikologischen Angaben übermitteln oder lediglich eine Erklärung, dass das betreffende Bestandteil für die Zwecke der Kosmetikverordnung nicht mit Tierversuchen getestet wurde. Mitunter können Hersteller nicht einmal auf diese Informationen zugreifen, weil sich die Lieferanten der Bestandteile weigern, ihnen diese zur Verfügung zu stellen. Werden kosmetische Mittel aus Nicht-EU-Ländern eingeführt, stellen die Hersteller der verantwortlichen Person eine Erklärung für die Bewertung ihrer Sicherheit nach der Kosmetikverordnung aus, in der sie angeben, dass weder die eingeführten kosmetischen Mittel noch ihre Bestandteile in Tierversuchen getestet wurden. Sie übermitteln den verantwortlichen Personen jedoch keine Angaben zu Tests, die nach anderen Rechtsvorschriften durchgeführt wurden.
Ein Mitgliedstaat führte an, dass die Kontrolle der Produktinformationsdateien in den Diensträumen der verantwortlichen Person in Anbetracht des erforderlichen Umfangs, der speziellen Ausbildung der Prüfungsbeauftragten und des Erfordernisses, eine geeignete technische Ausrüstung vor Ort verfügbar zu haben (was höhere Kosten bedeutet), sehr schwierig und zeitaufwendig sei. Auch die Sicherstellung einer geeigneten Ausbildung für verantwortliche Personen und Sicherheitsbewerter stelle eine Herausforderung dar.
Die zuständigen Behörden bearbeiteten alle erwähnten Mängel ordnungsgemäß, wobei es sich nur um wenige Fälle handelte. Hersteller und verantwortliche Personen, deren Produktinformationsdateien keine vollständigen Angaben zu Tierversuchen enthielten, wurden zu Korrekturmaßnahmen aufgefordert. Sie mussten die fehlenden Angaben bereitstellen, indem sie beispielsweise diese Informationen bei ihren Lieferanten anforderten oder indem sie auf der Grundlage alternativer Methoden erhobene toxikologische Daten vorlegten. Die Konsequenz in Fällen, in denen die Angaben nicht bereitgestellt wurden, bestand darin, dass das oder die Mittel vom Markt genommen wurden.
2.3.Probleme, die im Zusammenhang mit den Verboten bei Herstellern, insbesondere bei KMU, aufgetreten sind und die Auswirkungen der Verbote auf die Innovationsfähigkeit der Kosmetikbranche
Die meisten Mitgliedstaaten meldeten keine Fälle, in denen ein Hersteller, insbesondere ein KMU, ein kosmetisches Mittel nicht in Verkehr bringen konnte, weil es keine Alternativen zu Tierversuchen gab und daher die Sicherheitsbewertung des Produkts oder des Bestandteils nicht beweiskräftig war. Zwei Mitgliedstaaten meldeten jedoch, dass es KMU an hinreichender Kenntnis des Verbots von Tierversuchen und des Verbots des Inverkehrbringens fehle und sie nicht über genügend finanzielle Ressourcen verfügten, um kostenintensive toxikologische Tests an neuen Bestandteilen durchzuführen. Darüber hinaus stellen ihnen die Lieferanten von Bestandteilen kosmetischer Mittel die erforderlichen Sicherheitsdaten nicht freiwillig zur Verfügung. Ein weiteres Problem betrifft die Sicherheitsbewerter, die nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Auf europäischer Ebene stehen keine Verzeichnisse zur Verfügung, aus denen verantwortliche Personen Sicherheitsbewerter auswählen und mit der Erstellung eines Sicherheitsberichts beauftragen könnten. Aus diesem Grund haben insbesondere KMU Schwierigkeiten, einen geeigneten Sicherheitsbewerter zu finden. Da sie häufig die besonderen Anforderungen nach Artikel 18 oder Artikel 11 der Kosmetikverordnung nicht verstehen, gehen sie davon aus, dass der Sicherheitsbericht, den ein Sicherheitsbewerter für sie erstellt, den Anforderungen von Anhang I der Kosmetikverordnung entspricht und hegen hinsichtlich seiner Richtigkeit keinerlei Zweifel.
Zur Frage, wie das Verbot von Tierversuchen und das Verbot des Inverkehrbringens die Innovationsfähigkeit des Kosmetikbereichs beeinflusst haben, nahmen die meisten Mitgliedstaaten nicht Stellung.
Zwei Mitgliedstaaten berichteten, dass einige KMU aufgrund des Fehlens alternativer Methoden Schwierigkeiten hätten, Tierversuche vollständig durch Alternativen zu ersetzen; daraus ergeben sich Schwierigkeiten bei der Zusammenstellung einer umfassenden Sicherheitsdatei für kosmetische Mittel, die neue kosmetische Bestandteile enthalten, wobei dies insbesondere die Sensibilisierung der Haut, die Toxizität bei wiederholter Verabreichung und die Reproduktionstoxizität betrifft. Ein anderer Mitgliedstaat berichtete, dass die Vertreter der Kosmetikindustrie zu bedenken gegeben hätten, dass eine vollständige Sicherheitsbewertung für kosmetische Bestandteile ohne Tierversuche nicht möglich sei und dass keine neuen Inhaltsstoffe für ausschließlich kosmetische Anwendungen wie beispielsweise neue UV-Filter oder Konservierungsstoffe entwickelt werden könnten.
Ein Mitgliedstaat betonte, dass Alternativen für Tierversuche, insbesondere im Hinblick auf die Toxizität bei wiederholter Verabreichung, die Reproduktionstoxizität und die Toxikokinetik entwickelt werden müssten. In diesen Bereichen ist es noch nicht möglich, Tierversuche vollständig durch alternative Methoden zu ersetzen. Diese Mängel können eine vollständige Sicherheitsbewertung neuer kosmetischer Bestandteile möglicherweise erschweren.
Tatsächlich wird allgemein anerkannt, dass es keine vollwertigen Alternativmethoden für die komplexesten toxikologischen Bereiche gibt. Daher wird derzeit an der Entwicklung solcher Methoden geforscht. Bei den anderen toxikologischen Bereichen wurden Fortschritte bei der Validierung und rechtlichen Anerkennung von Alternativmethoden erzielt.
3.Fortschritte bei der Entwicklung, Validierung und rechtlichen Anerkennung von Alternativmethoden
Bei der Entwicklung, Validierung und rechtlichen Anerkennung alternativer Ansätze zu Tierversuchen wurden 2018 in verschiedener Hinsicht beachtliche Fortschritte erzielt. Auf Gebieten, in denen Lösungen für die Vermeidung, Verminderung und Verbesserung von Tierversuchen (replacement, reduction and refinement – 3R-Prinzip) schwieriger zu finden sind, wurden die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten fortgesetzt.
Auf dem Gebiet der vorgeschriebenen Toxizitätstests standen Tests von chemischen Gemischen und endokrinen Disruptoren auf Toxizität bei wiederholter Verabreichung und auf Reproduktionstoxizität im Mittelpunkt der Forschungsarbeit. Diese Forschungsprojekte stützen sich entweder auf Fallstudien nach dem Analogiekonzept (read across) oder sie haben die Entwicklung neuer In-Vitro-Methoden und die Integration von In-Vitro-Methoden und rechnergestützten In-Siliko-Technologien in ganzheitliche Bewertungs- und Teststrategien zum Ziel, mit deren Hilfe ein mechanistisches Verständnis von Toxizität in eine Risikobewertungsmethodik übersetzt werden soll.
Auf dem Gebiet der Karzinogenität erkundet das EURL ECVAM derzeit Möglichkeiten, wie sich mechanistische Daten mehrerer Toxizitätsendpunkte (in erster Linie auf der Basis bestehender OECD-Richtlinien für In-vivo- und In-vitro-Tests) am besten kombinieren ließen anstatt sie isoliert zu betrachten, damit auf Doppeltests verzichtet und letztendlich eine Verbesserung der Tests auf Karzinogenität erreicht werden kann.
Auf den Gebieten der topischen Toxizität, der Hautsensibilisierung und der Genotoxizität, auf denen bereits gute Fortschritte erzielt worden sind, erfolgten Ergänzungen durch weitere In-Vitro-Methoden oder kombinierte Ansätze (In-Siliko- und In-Vitro-Methoden), die entweder schon eingeführt worden sind oder derzeit in internationalen Foren geprüft und erörtert werden.
3.1.Fortschritte in der EU
3.1.1. Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen
In der Europäischen Union laufen derzeit großanlegte Maßnahmen zur Erforschung und Entwicklung von alternativen Methoden für Tierversuche.
EU-ToxRisk ist ein europäisches Zusammenarbeitsprojekt zur Förderung automatisierter toxikologischer Versuche und Risikobewertungen, das aus Mitteln des EU-Rahmenprogramms für Forschung und Innovation, Horizont 2020, finanziert wird. Das mit über 30 Mio. EUR ausgestattete Projekt wurde im Januar 2016 mit einer Laufzeit von sechs Jahren auf den Weg gebracht. Im Rahmen dieses Projekts, das auf den Ergebnissen von SEURAT-1 aufbaut, sind mehrere Fallstudien in den komplexen Bereichen der Tests auf Toxizität bei wiederholter Verabreichung sowie der Entwicklungs- und Reproduktionstoxizität, einschließlich Tests auf endokrine Disruptoren, erarbeitet worden. Mehrere Wirtschaftszweige, darunter auch Kosmetikunternehmen, bauen derzeit eine Zusammenarbeit im Rahmen des Projekts auf, das auch eng mit Regulierungsbehörden und EURL ECVAM interagiert.
Die Initiative Innovative Arzneimittel ist Bestandteil des Programms Horizont 2020 und fördert ebenfalls Projekte, deren Ziel die Entwicklung tierversuchsfreier Sicherheitsprüfverfahren, insbesondere für die Qualitätskontrolle bei Impfstoffen und die Sicherheitsbewertung von Arzneimitteln, ist. Diese Projekte erhalten 35 Mio. EUR von der Europäischen Kommission und Sachleistungen in gleicher Höhe von der pharmazeutischen Industrie.
Andere Horizont-2020-Programme unterstützen einschlägige Forschungstätigkeiten wie das Projekt Euromix, dessen Ziel die Entwicklung einer tierversuchsfreien Strategie für die Risikobewertung von Gemischen aus mehreren Chemikalien ist; andere geförderte Projekte betreffen die Sicherheit von Nanomaterialien und schließlich werden zahlreiche Projekte des Europäischen Forschungsrats sowie Marie-Skłodowska-Curie-Maßnahmen gefördert, die neue, in tierversuchsfreie Sicherheitsprüfungen integrierbare In-Vitro- und In-Siliko-Instrumente entwickeln.
3.1.2.Validierung und rechtliche Anerkennung alternativer Methoden
Das EURL ECVAM ist nach Artikel 48 und Anhang VII der Richtlinie 2010/63/EU für die Validierung alternativer Prüfmethoden auf EU-Ebene und die Förderung von deren rechtlicher Anerkennung zuständig.
Das Netzwerk der Laboratorien für die Validierung von Alternativmethoden zum Tierversuch (European Union Network of Laboratories for the Validation of Alternative Methods, EU-NETVAL) setzte die Unterstützung der Validierungsstudien des EURL ECVAM fort. Das Netzwerk leistete auch bei der Erarbeitung von Leitfäden und Schulungsunterlagen für bewährte Praktiken bei In-Vitro-Methoden Hilfestellung.
Die Validierung alternativer, für regulatorische Zwecke vorgesehener Methoden ist in mehreren Bereichen gut vorangekommen, unter anderem bei neuartigen Methoden für die Vorhersage des Hautsensibilisierungspotenzials von Chemikalien, die Bewertung des Auslaugens (Bio-Eluierung) von Chemikalien aus Metalllegierungen und bei Methoden für die Bestimmung der akuten Toxizität für Fische. Das EU-NETVAL ist an zwei Validierungsstudien des EURL ECVAM zur Identifizierung endokriner Disruptoren beteiligt. In verschiedenen Foren fanden Diskussionen über das Thema Validierung statt, an denen unterschiedliche Interessenträger teilnahmen und die ergaben, dass die bewährten Validierungsgrundsätze zwar auch heute noch relevant sind, dass aber der Vorgang der Validierung ständig angepasst werden muss, um mit dem Tempo des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts mithalten zu können.
Weitere Einzelheiten sind den EURL ECVAM-Sachstandsberichten für 2018 zu entnehmen.
Die Entwicklungsfortschritte einer Prüfmethode vom Antrag bis zu ihrer Annahme als anerkannte Prüfmethode für Anwendungen in verschiedenen Bereichen und bis zu ihrer endgültigen Aufnahme in einen Rechtsrahmen können mit dem System zur Nachverfolgung alternativer Testmethoden für die rechtliche Anerkennung (Tracking System for Alternative test methods towards Regulatory acceptance – TSAR) nachvollzogen werden.
3.1.3.Europäische Partnerschaft für Alternativen zu Tierversuchen
Die Europäische Partnerschaft für Alternativen zu Tierversuchen (European Partnership for Alternative Approaches to Animal Testing – EPAA) ist eine öffentlich-private Partnerschaft zwischen der Europäischen Kommission, acht europäischen Handelsverbänden und 36 einzelnen Unternehmen aus relevanten Wirtschaftszweigen.
Die Partner haben sich verpflichtet, zur Beschleunigung der Entwicklung, Validierung und Anerkennung alternativer Ansätze zu Tierversuchen in vorgeschriebenen Prüfungen Wissen und Ressourcen zu bündeln. Übergeordnetes Ziel ist die Vermeidung, Verminderung und Verbesserung (3R-Prinzip) des Einsatzes von Tieren bei vorgeschriebenen Prüfungen.
Die Arbeit der EPAA umfasste 2018 sieben Projekte, mit denen die Förderung, Validierung, Anerkennung und Umsetzung von Alternativen zu Tierversuchen (3R-Prinzip) bei vorgeschriebenen Prüfungen in Europa und ganz allgemein der Willensbildung vorangebracht und die internationale Harmonisierung solcher Prüfungen gefördert werden sollten. Bei jedem dieser Projekte bestand das übergreifende Ziel darin, das 3R-Prinzip ohne Beeinträchtigung der Sicherheit umzusetzen; tatsächlich wurde in einigen dieser Projekte untersucht, wie die human- (oder tiermedizinische) Sicherheit und die Produktqualität durch den Einsatz neuer, ganzheitlicher, primär auf In-Vitro-Methoden basierender Ansätze sichergestellt und mitunter sogar verbessert werden können.
Im Jahr 2018 begann ein neues Projekt und sechs laufende Projekte kamen gut voran. Es wurde ein neues Projekt zum Thema „Anwendung tierversuchsfreier Strategien zur Beurteilung der Hautsensibilisierung“ auf den Weg gebracht, das in erster Linie auf die Organisation und Durchführung eines Workshops zum Wissensaustausch ausgerichtet ist. Dieses neue Projekt baut auf dem weiterhin erfolgreichen Fortschritt des Projekts zu optimierten Strategien für die Beurteilung der Hautsensibilisierung auf. EPAA-Projekte sind gute Beispiele für die einzigartigen Synergien, die die EPAA und ihre Partner bei dem Vorhaben, alternative Methoden voranzubringen, erzielen, indem sie die maßgeblichen Wirtschaftszweige, Regulierungsbehörden, Vertreter der Wissenschaft sowie Vertreter des öffentlichen Interesses an einen Tisch bringen; auch bei der Förderung des 3R-Prinzipss im regulatorischen Umfeld in Europa werden damit Erfolge erzielt. Die EPAA setzt ihre Suche nach neuen Möglichkeiten für Alternativen nach dem 3R-Prinzip fort; nach dem großen Erfolg des ersten, 2017 abgehaltenen Partnerforums zum Thema Toxikokinetik und Analogiekonzepte fand im November 2018 ein zweites Forum statt, diesmal zur Toxizität bei wiederholter Verabreichung. Die Resultate dieser Foren sowie Informationen über die Projekte und sonstigen Aktivitäten der EPAA werden auf der Website der EPAA veröffentlicht. Diese Aktivitäten bauen auf bestehenden Forschungsinitiativen auf, ermitteln Synergien zwischen verschiedenen Wirtschaftszweigen und streben an, die Kluft zwischen Wissenschaft, Innovation und Rechtsvorschriften zu überbrücken.
3.1.4.Verbreitung von Informationen über Alternativen
Die Verbreitung von Informationen über alternative Ansätze (z. B. In-Vitro-Techniken und In-Siliko-Modelle) und von chemischen Datensätzen trägt dazu bei, Kenntnisse im Bereich des 3R-Prinzips voranzubringen und zu fördern. Öffentlich zugängliche Informationssysteme können in diesem Zusammenhang nicht nur das Engagement der Wissenschaft fördern, indem bestehende Daten und Informationen geteilt und genutzt werden, sondern auch Regulierungsbehörden mit Informationen versorgen und Hilfestellung für Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen leisten.
Die vom EURL ECVAM bereitgestellten und koordinierten Informationssysteme und Dienste dienen diesem Zweck und schließen unter anderem das bereits erwähnte System zur Nachverfolgung alternativer Testmethoden für die rechtliche Anerkennung (TSAR), die Sammlung von In-Vitro-Methoden in der Datenbank für alternative Methoden (DB-ALM) und die In-Siliko-Methoden in der Datenbank für Modelle der quantitativen Struktur-Wirkungs-Beziehung (QSAR) ein. Nach dem Beschluss der Kommission über die Weiterverwendung von Kommissionsdokumenten (2011/833/EU) veröffentlichte das EURL ECVAM die Ergebnisse der von ihr durchgeführten Bewertungen der verfügbaren Wissensquellen zum 3R-Prinzip sowie entsprechenden Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen.
Das EURL ECVAM hat auch mit einer Reihe von Maßnahmen, unter anderem durch einen Informationsaustausch und mit Schulungen, zur Sensibilisierung für Alternativen zu Tierversuchen beigetragen.
Auch die EPAA leistete durch ihre Jahreskonferenz, die Vorstellung ihrer Projekte bei verschiedenen Veranstaltungen und Foren sowie durch Veröffentlichungen einen Beitrag dazu, Kenntnisse über das 3R-Prinzip mit anderen zu teilen und allgemein zu verbreiten.
3.2.Fortschritte auf internationaler Ebene
3.2.1. Maßnahmen auf OECD-Ebene
Die Kommission setzt über das EURL ECVAM auf OECD-Ebene aktiv dafür ein, dass alternative Methoden rechtlich anerkannt und auf internationaler Ebene angenommen werden. Mit mehreren Initiativen bei der OECD werden neue Wege eingeschlagen und Wirkung erzielt. Neben neuen Prüfleitlinien und Orientierungshilfen zur Förderung tierversuchsfreier Ansätze bei der Beurteilung der chemischen Toxizität bei Fischen veröffentlichte die OECD Leitlinien zu bewährten Verfahren bei In-Vitro-Methoden (Good In Vitro Method Practices - GIVIMP); mit ihnen soll die Zuverlässigkeit und Integrität von In-Vitro-Daten für regulatorische Zwecke sichergestellt werden. Stetige Fortschritte wurden auch bei dem OECD-Projekt zur Erarbeitung einer Leitlinie für „definierte Ansätze“ bei der Beurteilung der Hautsensibilisierung erzielt; in dieser Leitlinie werden In-Vitro- und rechnergestützte Methoden miteinander kombiniert. Ein Entwurf durchlief kürzlich das Stellungnahmeverfahren durch Experten der OECD-Mitgliedsländer. Das Programm „Adverse Outcome Pathway“ (AOP) (Schema nachteiliger Endpunkte) wächst und erlebte 2018 die Veröffentlichung eines zweiten, inzwischen von den OECD-Expertengruppen gebilligten Satzes von AOP für komplexe Endpunkte. Zu den weiteren Initiativen auf dem Gebiet ganzheitlicher Ansätze für Versuche und Bewertungen (Integrated Approaches to Testing and Assessment – IATA) zählte ein neuer Zyklus von IATA-Fallstudien und der Start eines Programms zur Erfassung relevanter Orientierungshilfen. Andere internationale Gremien wie die International Cooperation on Cosmetics Regulation (ICCR) und der Unterausschuss der Vereinten Nationen für das Global Harmonisierte System (GHS) zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien befassten sich ebenfalls mit der Einbeziehung alternativer Ansätze in Rechtsrahmen.
3.2.2.Sonstige internationale Zusammenarbeit
Die Kommission hat über das EURL ECVAM ihre Kooperation mit anderen Mitgliedern der Internationalen Zusammenarbeit bei alternativen Prüfmethoden (International Cooperation on Alternative Test Methods – ICATM) fortgesetzt. Eine Übersicht über den Stand der Validierung und rechtlichen Anerkennung von alternativen Prüfmethoden, die von ICATM-Partnern validiert oder im Peer-Review-Verfahren begutachtet wurden, findet sich in Anhang 2 der EURL-ECVAM-Sachstandsberichte 2018. Im Nachgang zu dem erfolgreichen Workshop im Oktober 2016 veranstaltete das EURL ECVAM gemeinsam mit seinen ICATM-Partnern im Oktober 2018 einen weiteren zweitätigen ICATM-Workshop, dieses Mal zum Thema der Validierung alternativer Methoden über international anerkannte Standards für die regulatorische Anwendung.
Im Mittelpunkt der Arbeit der ICCR stand seit ihrer Gründung die weltweite Förderung der Arbeit im Zusammenhang mit Alternativen zu Tierversuchen. Auf der zwölften Jahrestagung der ICCR, die vom 10. bis zum 12. Juli 2018 in Tokio stattfand, stellte die Gemeinsame Arbeitsgruppe von Regulierungsbehörden und Industrie (Joint Regulators-Industry Working Group – JWG) zur Frage ganzheitlicher Strategien für die Sicherheitsbewertung kosmetischer Bestandteile den Teil II des Berichts über ganzheitliche Strategien für die Sicherheitsbewertung kosmetischer Bestandteile vor.
Der auf der elften Jahrestagung der ICCR im Juli 2017 in Brasilien angenommene Teil I des JWG-Berichts fasst die wichtigsten übergeordneten Grundsätze für die Einbeziehung neuer Ansatzmethoden in eine ganzheitliche Strategie für die Sicherheitsbewertung kosmetischer Bestandteile (oder die „nächste Generation von Risikobewertungen“) zusammen und enthält Beispiele, die deren Nutzen für die Sicherheitsbewertung zeigen.
Teil II des Berichts der Gemeinsamen Arbeitsgruppe zur Frage ganzheitlicher Strategien für die Sicherheitsbewertung kosmetischer Bestandteile soll Sicherheitsbewertern zusätzliche Orientierungshilfen zu den Arten neuer Ansatzmethoden geben, die in Risikobewertungen der nächsten Generation angewendet werden können. Der Bericht wurde auf der Website der ICCR veröffentlicht. Der ständige Ausschuss der ICCR kam überein, dass die derzeitige Gemeinsame Arbeitsgruppe ihre Arbeit an Fallstudien als Teil III ihrer Tätigkeit fortsetzen solle.
4.Schlussfolgerung
Von den Beiträgen der Mitgliedstaaten ausgehend meldete ein Mitgliedstaat für das Jahr 2018 drei Fälle von Nichteinhaltung des Verbots von Tierversuchen und des Verbots des Inverkehrbringens. Produktinformationsdateien mit unvollständigen Angaben über Tierversuche stellen das Hauptproblem dar, mit dem einige wenige Mitgliedstaaten bei der Marktüberwachung im Zusammenhang mit den Verboten konfrontiert waren. In allen gemeldeten Fällen wurde den Wirtschaftsteilnehmern auferlegt, sofort Korrekturmaßnahmen durchzuführen.
Obwohl bei der Entwicklung, Validierung und rechtlichen Anerkennung von Alternativmethoden für Tierversuche beträchtliche Fortschritte erzielt wurden, werden auf internationaler Ebene bei den Regulierungsbehörden alternative Methoden für die Bewertung von Inhaltsstoffen im Hinblick auf einige der komplexesten Endpunkte wie beispielsweise die Toxizität bei wiederholter Verabreichung, die Reproduktionstoxizität oder die Karzinogenität noch nicht akzeptiert. Solange noch nicht alle toxikologischen Endpunkte durch Alternativen abgedeckt werden können, bleiben die Möglichkeiten der europäischen Kosmetikindustrie zur Einführung neuer Inhaltsstoffe, Beantragung neuer Anwendungen für bestehende Inhaltsstoffe oder Beantwortung neu auftretender Fragen hinsichtlich der Sicherheit bestehender Inhaltsstoffe weiterhin begrenzt. Es gibt jedoch wichtige Vorhaben wie EU-ToxRisk, deren Ziel die Bewältigung dieser Herausforderungen ist.
Seit mehr als 25 Jahren setzt sich die Kommission in allen Stadien des Verfahrens umfassend dafür ein, mittels alternativer Prüfmethoden Ersatz für Tierversuche zu finden. Die Arbeit konzentriert sich zunehmend auf die Entwicklung definierter und ganzheitlicher Ansätze für Versuche und Bewertungen, die bei der Bewertung eines chemischen Bestandteils sämtliche vorhandenen Sicherheitsdaten betrachten.
Die Kommission ist und bleibt ihrer Verpflichtung treu, die rechtliche Anerkennung alternativer, auf OECD-Ebene genehmigter Methoden zu fördern und das EU-Verbot von Tierversuchen in der Kosmetik in den maßgeblichen Foren und durch eine entsprechende bi- und multilaterale Zusammenarbeit auf internationaler Ebene voranzubringen. Das Ziel dieser Aktivitäten besteht nicht nur in der Anerkennung einzelner alternativer Methoden, sondern auch in der Förderung des Tierwohls; ein weiteres Ziel ist die Konvergenz von Sicherheitsbewertungsmethoden auf internationaler Ebene.