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Document 52018AE4011

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Bericht über die Wettbewerbspolitik 2017“ (COM(2018) 482 final)

    EESC 2018/04011

    ABl. C 110 vom 22.3.2019, p. 46–51 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    22.3.2019   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 110/46


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Bericht über die Wettbewerbspolitik 2017“

    (COM(2018) 482 final)

    (2019/C 110/08)

    Berichterstatterin:

    Baiba MILTOVIČA

    Befassung

    Europäische Kommission, 5.9.2018

    Rechtsgrundlage

    Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständige Fachgruppe

    Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

    Annahme in der Fachgruppe

    21.11.2018

    Verabschiedung auf der Plenartagung

    12.12.2018

    Plenartagung Nr.

    539

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    188/1/9

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den prägnanten Stil und den Schwerpunkt des Berichts 2017, dem eine umfangreiche Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen beiliegt. Eine wirksam durchgesetzte Wettbewerbspolitik ist die Grundlage für eine nachhaltige Marktwirtschaft. Sie kann für gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Produzenten von Waren und Dienstleistungen sorgen, das Vertrauen der Verbraucher stärken, den Wettbewerb anregen und grundlegende gesellschaftliche Zielsetzungen, wie z. B. die Wahlfreiheit der Verbraucher, sowie politische Ziele, wie z. B. das Wohlergehen der europäischen Bürgerinnen und Bürger und die Förderung der europäischen Marktintegration, umsetzen. In den Beziehungen zu Drittstaaten spielt sie auch eine wichtige Rolle durch die Unterstützung positiver unternehmerischer, ökologischer und sozialer Entwicklungen im internationalen Handel.

    1.2.

    In dem Bericht 2017 wird nachdrücklich die Einhaltung und Durchsetzung dieser Politik betont, und es werden Beispiele für entschlossene, von der Kommission ergriffene Maßnahmen angeführt. Verbraucher und kleine und mittlere Unternehmen (KMU) werden häufig von Großunternehmen, die ihre marktbeherrschende Stellung eventuell ausnutzen, benachteiligt. Deshalb werden die Maßnahmen zur Bekämpfung wettbewerbswidriger Praktiken besonders begrüßt.

    1.3.

    Die Zunahme wettbewerbswidriger Aktivitäten auf den Märkten ging mit der stetigen Entwicklung der nationalen Wettbewerbsbehörden (NWB) als wichtige Durchsetzungsorgane des Wettbewerbsrechts einher. Mit der Richtlinie zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten (ECN+) werden die NWB auf eine wirksamere Rolle ausgerichtet und die nationalen Befugnisse in diesem Bereich gestärkt.

    1.4.

    Daher ist die Stärkung der Selbstständigkeit der NWB und die Bereitstellung angemessener Mittel von entscheidender Bedeutung. Echte Unabhängigkeit, Fachkenntnis und Ausbildung sind die Voraussetzung für eine effektive Arbeit, und die ECN+-Richtlinie sollte genau überwacht werden, um zu gewährleisten, dass dies auch erreicht wird. Es sollten vorbeugende Maßnahmen zur Verhinderung wettbewerbswidrigen Verhaltens gefördert und die Sanktionen verschärft werden, um eine wirksame Abschreckung zu gewährleisten.

    1.5.

    Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission im Bereich der privatrechtlichen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts und ist der Auffassung, dass Sammelklagen in den Rechtssystemen aller Mitgliedstaaten erleichtert werden sollten. Die Kommission sollte weiterhin die Wirksamkeit der kollektiven Rechtsdurchsetzungsverfahren bei Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht in den verschiedenen Mitgliedstaaten überwachen und bei Bedarf weitere Maßnahmen ergreifen. Diesbezüglich ist der Vorschlag der Kommission zu Verbandsklagen im Rahmen des Vorschlags zur Neugestaltung der Rahmenbedingungen für die Verbraucher enttäuschend.

    1.6.

    Es sollten weitere Vorschläge zum Franchising geprüft werden, die in die Gruppenfreistellungsverordnung (1) aufgenommen werden sollen, um das wirtschaftliche und vertragliche Gleichgewicht zwischen Franchisenehmern und dem Franchisegeber wiederherzustellen.

    1.7.

    Von lokalen Behörden betriebene nennenswerte geschäftsähnliche Tätigkeiten, die öffentlich subventioniert sind und unlauterer Wettbewerb sein können, sollten untersucht werden, um herauszufinden, ob eine Anpassung der Vorschriften für staatliche Beihilfen oder sonstiger Instrumente erforderlich ist.

    1.8.

    Bezüglich der Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern (Whistleblower) wird bezüglich ihrer Umsetzung und Anwendung empfohlen, in innerstaatlichem Recht zu verankern, dass Hinweisgeber stets mit Gewerkschaftsvertretern in Kontakt treten können und der Hinweisgeber unter allen Umständen uneingeschränkt geschützt ist.

    1.9.

    Bei der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts wird empfohlen, dass die Kommission bei anhaltenden wettbewerbsbeschränken Praktiken zum Nachteil der Verbraucher die Möglichkeit hat, im Zuge einer ausführlichen Analyse der Praktiken der Energieregulierungsbehörden in allen Mitgliedstaaten in Zusammenarbeit mit CEER und ACER Maßnahmen zur Beseitigung dieser Praktiken zu ermitteln.

    1.10.

    Mit erneuten Überprüfung der Funktionsweise der Nahrungsmittelvertriebskette in künftigen Wettbewerbsberichten könnten Gegenmaßnahmen ermittelt und vorgeschlagen werden, um die anhaltende und ggf. unangemessene Ausnutzung der Marktstellung durch marktbeherrschende Einzelhändler zu konterkarieren.

    1.11.

    In der digitalen Wirtschaft bestehen bereits zahlreiche wettbewerbswidrige Praktiken, neue kommen laufend hinzu. Der Ausschuss ist darüber besorgt, dass für die Überwachung dieses sich rasch entwickelnden und finanziell dynamischen Sektors keine angemessenen Mittel bereitgestellt werden. Er fordert, dafür im Mehrjährigen Finanzrahmen spezifische Bestimmungen vorzusehen.

    1.12.

    Es gibt eine Reihe von Faktoren, die außerhalb des unmittelbaren Bereichs der Wettbewerbspolitik liegen, aber dennoch Sorgen in puncto Marktverzerrungen bereiten: große Unterschiede in der Unternehmensbesteuerung zwischen den Mitgliedstaaten, allgemein als Sozialdumping bekannte Beschäftigungspraktiken, Praktiken in der sog. Gig-Ökonomie und Fragen im Zusammenhang mit der Kreislaufwirtschaft und der globalen wirtschaftlichen Nachhaltigkeit. Der Ausschuss drängt die Kommission, ihre Befugnisse und Kapazitäten voll und ganz dafür einzusetzen, dass diese Graubereiche wettbewerbswidrigen Verhaltens möglichst gut überwacht, geklärt und bereinigt werden.

    1.13.

    Das Wettbewerbsrecht ist einer der traditionellsten Teile des gemeinschaftlichen Besitzstandes, aber es wird nicht immer den Herausforderungen dieses Jahrhunderts gerecht. Insbesondere der künstlichen Trennung von Markt und sozioökologischen Bereichen käme eine umfassende und systematische Überprüfung des EU-Wettbewerbsrechts unter Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer und sozialer Ziele zugute.

    2.   Wesentlicher Inhalt des Berichts über die Wettbewerbspolitik 2017

    2.1.

    Die Wettbewerbspolitik ist das tragende Element des Binnenmarkts und besteht seit den Römischen Verträgen, dem Grundstein für die Europäische Union in ihrer heutigen Form. Ihr Rahmen wird abgesteckt durch Bestimmungen wie die Artikel 101 und 102 AEUV, die sowohl den Inhalt als auch den Anwendungsbereich definieren.

    2.2.

    Im Jahr 2017 wurden konkrete Maßnahmen zum Wohle der Verbraucher und zu Gunsten der europäischen Wirtschaft in folgenden Schwerpunktbereichen durchgeführt: Digitalwirtschaft, Energiesektor, Arzneimittel- und Agrochemie-Branche, netzgebundene Wirtschaftszweige und Finanzmärkte. Diese Zusammenfassung beleuchtet die Kernpunkte des Berichts, der seinerseits eine Zusammenfassung der umfangreichen Maßnahmen innerhalb zahlreicher Wirtschaftszweige darstellt.

    2.3.

    Politik muss in Vorschriften übertragen und diese müssen konsequent umgesetzt werden. Die Europäische Kommission ist Gründungsmitglied des Internationalen Wettbewerbsnetzes und darüber hinaus in allen internationalen Gremien aktiv, die sich mit Wettbewerbsfragen beschäftigen, darunter die OECD, die Unctad, die WTO und die Weltbank. Insbesondere arbeitet die Kommission eng mit den nationalen Wettbewerbsbehörden zusammen und hat neue Vorschriften in Gestalt einer Richtlinie (2) vorgeschlagen, mit der die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten das EU-Wettbewerbsrecht wirksamer durchsetzen können.

    2.4.

    Personen, die Kenntnis von Kartellen oder einer anderen Zuwiderhandlung haben, müssen über die erforderlichen Mittel zur Aufdeckung dieser Praktiken verfügen. Hierfür wurde ein neues Instrument für anonyme Hinweise (sog. Whistleblower-Tool) entwickelt, das die Aufdeckung vereinfacht und das derzeit aktiv genutzt wird.

    2.5.

    So wurden die Anforderungen bezüglich der Meldung kleinerer und weniger problematischer Beihilfemaßnahmen vereinfacht und Ausnahmen eingeführt, und 24 Mitgliedstaaten sind der Beihilfentransparenzdatenbank (Transparency Award Module) beigetreten.

    2.6.

    Auf konzentrierten Märkten erfolgte eine strenge Durchsetzung der Wettbewerbsregeln. Die Kommission führte eine erste Untersuchung im Arzneimittelsektor über wettbewerbswidrige Preisbildungspraktiken in der Arzneimittelindustrie durch; verschiedene Unternehmenszusammenschlüsse im agrochemischen Sektor wurden überprüft, und ein Zusammenschluss in der Zementindustrie, die den Wettbewerb behindert hätte, wurde untersagt.

    2.7.

    Im Energiesektor sind bereits Durchsetzungsmaßnahmen im Zusammenhang mit staatlichen Beihilfen und Kapazitätsmechanismen angelaufen, und die Überprüfung der Geschäftspraktiken von Gazprom in Mittel- und Osteuropa wurde fortgeführt mit dem vorläufigen Ergebnis, dass die EU-Wettbewerbsvorschriften verletzt wurden.

    2.8.

    Im Verkehrswesen wurden Übernahmen im Luftfahrtsektor geprüft und wettbewerbswidrige Handlungen im Schienenverkehr in Litauen aufgedeckt, was Bußgeldern und Korrekturmaßnahmen zur Folge hatte. Die Gewährung staatlicher Beihilfen für diesen Sektor in Griechenland und Bulgarien wurde genehmigt. Im Bereich des Straßengüterverkehrs wurden Kartellabwehrmaßnahmen gegen den Hersteller Scania ergriffen, und es wurden zahlreiche Bußgelder gegen Unternehmen des Automobilzuliefersektors verhängt.

    2.9.

    Die Ausweitung der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung auf Häfen und Flughäfen führte dazu, dass entsprechende staatliche Beihilfen gewährt werden konnten.

    2.10.

    Die Kommission kam bei der Untersuchung des geplanten Zusammenschlusses zwischen der Deutschen Börse und der London Stock Exchange Group zum Ergebnis, dass eine Monopolstellung entstehen würde, weshalb die Fusion untersagt wurde.

    2.11.

    Die EU-Wettbewerbspolitik wird auf die Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU auf konstruktive und kreative Weise reagieren müssen. Gemäß den Vorgaben des Europäischen Rates sollte jedes künftige Handelsabkommen gleiche Ausgangsbedingungen sicherstellen, insbesondere in den Bereichen Wettbewerb und staatliche Beihilfen.

    3.   Allgemeine Bemerkungen

    3.1.

    Der EWSA begrüßt den Wettbewerbsbericht 2017, der zahlreiche Beispiele dafür enthält, dass die Kommission auf die Förderung des Wohlergehens und des Schutzes der Verbraucher achtet. Eine wesentliche Folge dieses Ansatzes ist nicht nur die Stärkung der Integration des Binnenmarkts, sondern auch die Stärkung der wirtschaftlichen Entwicklung und entsprechender sozialpolitischer Ziele.

    3.2.

    In den Stellungnahmen des EWSA wurde im vergangenen Jahr häufig die Bedeutung einer wirksamen und durchgesetzten Wettbewerbspolitik betont. Benchmarks für das Verbraucherwohl und die Erhaltung einer wirksamen Wettbewerbsstruktur bilden die Grundlage für die Bekämpfung von Ausbeutung, wettbewerbsausschließendem Verhalten und wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen. Eine kraftvolle Wettbewerbspolitik stärkt durch die Förderung bewährter wirtschaftlicher Verfahren die europäischen Unternehmen auf umkämpften Weltmärkten und fördert die sozialen Ziele, auf denen sie basiert.

    3.3.   Kraftfahrzeugemissionen

    3.3.1.

    In der Stellungnahme des EWSA zum Aktionsplan der EU für einen besseren Vollzug des Umweltrechts und eine bessere Umweltordnungspolitik (3) wurde darauf hingewiesen, dass die unzulängliche Anwendung der Mechanismen zur Sicherung des Vollzugs des Umweltrechts und einer wirksamen Umweltordnungspolitik bedauerlicherweise unlauterem Wettbewerb und wirtschaftlichen Schäden Vorschub leisten. Der Ausschuss weist darauf hin, dass die Einhaltung und Wahrung der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit für eine starke Wettbewerbspolitik von grundlegender Bedeutung sind.

    3.3.2.

    Vor diesem Hintergrund begrüßt der Ausschuss die Tatsache, dass die vorläufige Untersuchung durch die Kommission einer etwaigen Kartellabsprache zwischen BMW, Daimler, Volkswagen, Audi und Porsche nun dazu geführt haben, dass die zuständigen Stellen ein offizielles Prüfverfahren eingeleitet haben. Dabei geht es um die Frage, ob die Unternehmen die Entwicklung von Systemen zur selektiven katalytischen Reduktion und von Partikelfiltern und damit die Einführung umweltfreundlicherer Technologien möglicherweise behindert haben.

    3.4.   Mechanismus der kollektiven Rechtsdurchsetzung

    3.4.1.

    Der Ausschuss nimmt die endgültige Umsetzung der Schadensersatzrichtlinie (4) zur Kenntnis, die sich zum Teil mit der Problematik der Schaffung eines rechtlichen Verfahrens für Sammelklagen befasst. Gleichwohl zeugt das Zurückziehen des von der GD COMP 2009 vorbereiteten Richtlinienvorschlags zusammen mit dem unlängst im Paket zur Neugestaltung der Rahmenbedingungen für die Verbraucher aufgenommenen Vorschlag von mangelndem politischen Willen, maßgebliche Fortschritte auf dem Weg zu einem wirklich wirksamen Rahmen für Verbandsklagen auf europäischer Ebene zu erzielen. Der EWSA appelliert daher an die Kommission, die Wirksamkeit der kollektiven Rechtsdurchsetzungsverfahren bei Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht in den verschiedenen Mitgliedstaaten kontinuierlich zu überwachen und bei Bedarf weitere Maßnahmen zu ergreifen.

    3.5.   Franchising im Einzelhandel

    3.5.1.

    Der EWSA weist darauf hin, dass es zunehmend Probleme im Zusammenhang mit Franchiseverträgen im Einzelhandelssektor gibt, die den Wettbewerb erheblich beeinträchtigen können. So führte beispielsweise ein bedeutender Rechtsstreit in den Niederlanden zwischen dem Franchisegeber HEMA und zahlreichen Franchisenehmern über bestehende Verträge und den Anteil der Einnahmen aus Online-Verkäufen zur Beendigung von Franchise-Verträgen. Der Ausschuss fordert die Kommission auf, diese Situation zu analysieren und zusätzliche Vorschläge zum Thema „Franchising“ vorzubringen, die in die Gruppenfreistellungsverordnung aufgenommen werden könnten, um das wirtschaftliche und vertragliche Gleichgewicht zwischen Franchisenehmern und Franchisegebern wiederherzustellen.

    3.6.   Subventionen auf kommunaler Ebene

    3.6.1.

    In vielen Mitgliedstaaten entwickeln Gebietskörperschaften gewerbliche Tätigkeiten und setzen dazu öffentliche Mittel oder Einrichtungen ein. Wenn Subventionen vorliegen, kann dies zu unlauterem Wettbewerb führen. So sind zum Beispiel KMU in der Gastronomie und im Tourismus mit bezuschussten Dienstleistungen in den Kantinen von Sportclubs, Freizeitzentren usw. konfrontiert. Diese Vereine und Klubs, die häufig von der Mehrwertsteuer befreit sind und von sozialen Beiträgen, wie z. B. Freiwilligenarbeit, profitieren, sind oft in Besitz der Kommunen oder erhalten von diesen öffentliche Mittel. Diese geschäftsähnlichen Tätigkeiten sind häufig (in Bezug auf Umsatz und Gewinn) wie normale Gewerbeunternehmen organisiert. Der Ausschuss ersucht die Kommission, dieses Phänomen zu überwachen und zu klären, ob eine Anpassung der Vorschriften für staatliche Beihilfen oder anderer Instrumente auf EU-Ebene entwickelt werden könnte, um diese — teilweise sogar mit EU-Mitteln geförderten — lokalen Aktivitäten zu regeln.

    3.7.   Informationen über staatliche Beihilfen

    3.7.1.

    Die Verfügbarkeit und Nutzung der Beihilfetransparenzdatenbank ist besonders zu begrüßen, da sie es den interessierten Interessenträgern (Kommission, Wettbewerber und breite Öffentlichkeit) ermöglicht, die Übereinstimmung der staatlichen Beihilfen mit den Vorschriften zu überprüfen. Bis heute wurden etwa 30 000 Beihilfemaßnahmen veröffentlicht.

    4.   Besondere Bemerkungen

    4.1.   Richtlinie zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten (ECN+)

    4.1.1.

    Der EWSA begrüßt, dass der Schwerpunkt des Berichts auf der Durchsetzung liegt und bekräftigt seinen Standpunkt (5) zur ECN+-Richtlinie (6), die eine größere Wirksamkeit der NWB ermöglicht.

    4.1.2.

    Der Ausschuss hat bereits den Standpunkt vertreten, dass eine Verordnung ein wirksameres Rechtsinstrument für diesen Bereich wäre, erkennt aber auch, dass der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen werden muss. Darüber hinaus sollte die Wettbewerbspolitik die Chancengleichheit sicherstellen, indem die NWB mit den zur Bekämpfung von geheimen Kartellen notwendigen Mitteln und Rechtsinstrumenten ausgestattet werden.

    4.1.3.

    Obwohl die ECN+-Richtlinie Unabhängigkeit, Ressourcen und ein wirksames Instrumentarium zur Durchsetzung der Vorschriften gewährleisten sollte, bleiben Fragen bezüglich der Autonomie und den Kapazitäten der NWB offen. Eine echte Unabhängigkeit, Sachkenntnis und Ausbildung sind für eine effektive Arbeit unerlässlich. Es sollten vorbeugende Maßnahmen zur Verhinderung wettbewerbswidrigen Verhaltens gefördert und die Sanktionen verschärft werden, um eine wirksame Abschreckung zu gewährleisten. Die NWB sollten außerdem befugt sein, eigenständig rechtliche Schritte einzuleiten.

    4.2.   Schutz von Hinweisgebern

    4.2.1.

    Für die Information der Öffentlichkeit über die Wettbewerbsregeln muss noch mehr unternommen werden. Dadurch wird die Wirksamkeit neuer Instrumente, mit denen Verstöße gemeldet werden können, wie z. B. das Hinweisgeber-Instrument, erhöht. Obwohl der EWSA begrüßt, dass dieses Instrument regelmäßig genutzt wird, äußert er eine Reihe von Bedenken über die vorgeschlagene Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern (7).

    4.2.2.

    Der EWSA verweist die Kommission auf seine Stellungnahme zu dieser Richtlinie (8). Darin empfiehlt er, dass der Geltungsbereich der Richtlinie nicht auf die Einhaltung des EU-Rechts beschränkt bleiben, sondern auf die Einhaltung des nationalen Rechts ausgeweitet werden sollte.

    4.2.3.

    Darüber hinaus müssen Klauseln über Arbeitnehmerrechte aufgenommen und Gewerkschaftsvertreter und Nichtregierungsorganisationen als Beispiele juristischer Personen genannt werden. Hinweisgeber sollten in jeder Phase des Prozesses Kontakt zu Gewerkschaftsvertretern aufnehmen können.

    4.3.   Die digitale Wirtschaft

    4.3.1.

    Der EWSA stellt fest, dass die Ende 2017 erlassene neue Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (9) eine bessere Koordinierung der Verbrauchernetzwerke gewährleisten sollte, um Maßnahmen zur Bekämpfung wettbewerbswidriger Praktiken länderübergreifend durchzusetzen. So werden in der Verordnung zum Beispiel Geo-Blocking-Praktiken im elektronischen Handel aufgeführt, die natürlich ein grenzüberschreitendes Thema sind. Die Europäischen Verbraucherzentren arbeiten seit vielen Jahren an diesem Problem und haben dabei grenzüberschreitende Beispiele und Praktiken gesammelt. Es wird nun erwartet, dass im Zusammenwirken mit dem Europäischen Wettbewerbsnetz und dem Netzwerk für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz besser koordinierte Durchsetzungsmaßnahmen ergriffen werden.

    4.3.2.

    In der schnell wachsenden digitalen Wirtschaft entstehen laufend zahlreiche neue Arten wettbewerbswidriger Praktiken. So können z. B. mithilfe des Einsatzes ausgeklügelter Algorithmen die Preise auf der Grundlage der über eine Person in verschiedenen anderen Quellen im Internet beschafften Daten angepasst werden, und Unternehmen können so auch im Internet Absprachen treffen. Die Kommission muss über angemessene Haushaltsmittel verfügen, um solche Praktiken zu überwachen und zu bekämpfen.

    4.4.

    Nach Ansicht des EWSA wäre eine bessere Zusammenarbeit zwischen den NWB und den Verbraucherorganisationen für beide Seiten von Nutzen, zumal die nationalen Verbraucherorganisationen sehr gut im Stande sind, die NWB über mutmaßliche Verstöße zu informieren. Sie können den Behörden sogar nützliche Informationen aus ihrem Umgang mit Beschwerden zur Verfügung stellen.

    4.5.

    Die Energieunion kann die derzeitige Entwicklung eines fairen Wettbewerbs im EU-Energiesektor vorantreiben, der nach wie vor ein Bereich ist, der ein weites Spektrum an Verbraucher- und Industriepreisen aufweist und in dem mitunter wenig Auswahl auf dem Markt besteht. Der EWSA ist der Ansicht, dass eine umfassende Analyse der Regulierungspraktiken — die sich zwischen den Mitgliedstaaten erheblich unterscheiden — die Grundlage für einen konstruktiven Dialog zur Behebung von Unstimmigkeiten bilden kann. Diese Untersuchung sollte von den NWB, den nationalen Regulierungsbehörden für Energie und der Kommission gemeinsam durchgeführt werden. Dies könnte Aufschluss über die unzureichende Auswahl und wettbewerbsbeschränkende Praktiken z. B. bei Fernwärmesystemen geben.

    4.6.

    Das Ausüben unangemessener Marktmacht im Lebensmitteleinzelhandel ist ein fortwährendes Problem. Die Kommission stellt sich die Frage, ob große Einzelhandelsketten aufgrund ihrer Doppelrolle als Kunden und (über Eigenmarken) als Wettbewerber ihrer Lieferanten eine zu große Verhandlungsmacht (in den bilateralen Verhandlungen mit ihren Lieferanten) und Kaufkraft (auf dem Gesamtmarkt) erlangt haben (10). Der Ausschuss drängt auf Maßnahmen im Einklang mit seiner jüngsten Stellungnahme zu diesem Thema (11) und wiederholt seine Empfehlung, dass die Kommission die Überwachung der Funktionsweise der Lebensmittelvertriebskette in künftige Berichte über die Wettbewerbspolitik aufnehmen sollte.

    4.7.   Wettbewerbsrecht und Interesse der breiten Öffentlichkeit

    4.7.1.

    Marktverzerrungen können durch eine Reihe von Faktoren verursacht werden, die außerhalb der Reichweite der Wettbewerbspolitik im engeren Sinne liegen. Dazu gehören große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten in der Unternehmensbesteuerung, allgemein als Sozialdumping bekannte Beschäftigungspraktiken, Praktiken in der sog. Gig-Ökonomie und Fragen im Zusammenhang mit der Kreislaufwirtschaft und der globalen wirtschaftlichen Nachhaltigkeit.

    4.7.2.

    Das den wirtschaftlichen Ansichten der Mitte des vergangenen Jahrhunderts verhaftete Wettbewerbsrecht muss nun den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht werden. Es sollte eine umfassende und systematische Überprüfung des EU-Wettbewerbsrechts — unter Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer und sozialer Ziele — durchgeführt werden, um die künstliche Trennung von Markt und sozioökologischen Bereichen zu überwinden.

    4.7.3.

    Der EWSA ist der Auffassung, dass neben den Verbraucherinteressen auch die Zusagen der EU in puncto Nachhaltigkeitsziele und Pariser Klimaschutzübereinkommen zusätzlich zu den in den Verträgen bestehenden Verpflichtungen bei der Anwendung des Wettbewerbsrechts als Ziele des öffentlichen Interesses berücksichtigt werden sollten.

    4.7.4.

    Die Auswirkungen von Zusammenschlüssen auf künftige Generationen von Verbrauchern und Erzeugern sollten erkannt werden. Verschiedene Berechnungsmethoden für schädliche langfristige Auswirkungen sollten bewertet werden, wie z. B. bei der Lebenszykluskostenrechnung im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe bereits der Fall ist.

    4.8.

    Der EWSA forderte in mehreren kürzlich vorgelegten Stellungnahmen (12), dass die von der Europäischen Kommission eingeleiteten Maßnahmen zur fairen Besteuerung (im Hinblick auf multinationale Konzerne und Einzelpersonen) verstärkt werden sollten, da noch zahlreiche Fragen ungelöst sind. Dies umfasst die Bekämpfung von Steuerbetrug, Steueroasen, aggressiver Steuerplanung und unfairem Steuerwettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten.

    4.9.

    Insbesondere bestehen nach wie vor erhebliche Marktverzerrungen aufgrund der stark unterschiedlichen nationalen Körperschaftsteuern der Mitgliedstaaten, deren Sätze zwischen 9 % und 35 % schwanken. In einigen Ländern sind sogar noch niedrigere Steuersätze wie z. B. in Kategorien wie den geistigen Eigentumsrechten zu finden. Da die Steuerpolitik im Bereich der nationalen Zuständigkeit liegt, wird es die EU-Wettbewerbspolitik stets schwer haben, die entstandenen Wettbewerbsverzerrungen auszugleichen.

    4.10.

    Mit der Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidung, die bis zum 1. Januar 2019 in innerstaatliches Recht umgesetzt sein sollte, werden Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken festgelegt, die sich unmittelbar auf die Funktionsweise des Binnenmarkts auswirken. Sie enthält begrüßenswerte Bestimmungen, mit denen sich divergierende nationale Ansätze vermeiden lassen.

    Brüssel, den 12. Dezember 2018

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Luca JAHIER


    (1)  Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission (ABl. L 102 vom 23.4.2010, S. 1), https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/ALL/?uri=CELEX:32010R0330.

    (2)  http://ec.europa.eu/competition/antitrust/proposed_directive_de.pdf.

    (3)  ABl. C 283 vom 10.8.2018, S. 69.

    (4)  Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen (ABl. L 349 vom 5.12.2014, S. 1).

    (5)  ABl. C 345 vom 13.10.2017, S. 70.

    (6)  Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts (COM(2017) 142 final).

    (7)  Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (COM(2018) 218 final).

    (8)  Stellungnahme des EWSA zum Thema Stärkung des Schutzes von Hinweisgebern auf EU-Ebene. Berichterstatterin: Franca Salis-Madinier (ABl. C 62 vom 15.2.2019, S. 155).

    (9)  Verordnung (EU) 2017/2394 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 345, 27.12.2017, S. 1).

    (10)  Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen SWD(2018) 349 final.

    (11)  ABl. C 283 vom 10.8.2018, S. 69.

    (12)  ABl. C 262 vom 25.7.2018, S. 1; ABl. C 197 vom 8.6.2018, S. 29; ABl. C 81 vom 2.3.2018, S. 29.


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