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Document 52018AE3933

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Programm Kreatives Europa (2021 bis 2027) und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1295/2013)“ (COM(2018) 366 final)

    EESC 2018/03933

    ABl. C 110 vom 22.3.2019, p. 87–93 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    22.3.2019   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 110/87


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Programm Kreatives Europa (2021 bis 2027) und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1295/2013)“

    (COM(2018) 366 final)

    (2019/C 110/17)

    Berichterstatterin:

    Emmanuelle BUTAUD-STUBBS

    Ko-Berichterstatter:

    Zbigniew KOTOWSKI

    Befassung

    Europäisches Parlament, 14.6.2018

    Rat, 21.6.2018

    Beschluss des Präsidiums

    19.6.2018

    Rechtsgrundlage

    Artikel 173 Absatz 3 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    Zuständig

    Beratende Kommission für den industriellen Wandel (CCMI)

    Annahme in der CCMI

    22.11.2018

    Verabschiedung im Plenum

    12.12.2018

    Plenartagung Nr.

    539

    Ergebnis der Abstimmung

    (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

    207/2/2

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    1.1.

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Programm „Kreatives Europa“ (2021 bis 2027) (COM(2018) 366 final) und die diesbezüglichen im Anhang II festgelegten Indikatoren. Die Gestaltung eines starken und geeinten Europas muss auf der Vielfalt der kulturellen Wurzeln beruhen, die über Bildung vermittelt werden sollte. Die Fortsetzung dieses Programms sollte als äußerst wertvoller Beitrag zur Entwicklung der europäischen Kultur sowie der Kulturen der einzelnen Mitgliedstaaten betrachtet werden, wobei es sich um einen Grundpfeiler unserer Gesellschaft und einen Schmelztiegel unserer demokratischen Werte handelt.

    1.2.

    Seit vielen Jahren setzt sich der EWSA für den wichtigen Beitrag ein, den die Kultur- und Kreativwirtschaft zur Wertschöpfung, zur Schaffung von Arbeitsplätzen, zur Inklusivität und zum Wachstum in der EU leistet (1). Der OECD zufolge wurden 2012 durch die urheberrechtsintensiven Wirtschaftszweige (2)4,2 % des BIP und 3,2 % der Arbeitsplätze in der EU generiert. Nach Artikel 2 des Vorschlags für eine Verordnung (COM(2018) 366) umfasst der Kultur- und Kreativsektor „Architektur, Archive, Bibliotheken und Museen, Kunsthandwerk, den audiovisuellen Bereich (einschließlich Film, Fernsehen, Videospiele und Multimedia), das materielle und immaterielle Kulturerbe, Design (einschließlich Modedesign), Festivals, Musik, Literatur, darstellende Kunst, Bücher und Verlagswesen, Radio und bildende Kunst“.

    1.3.

    Angesichts der besonderen Merkmale kreativer Tätigkeiten und Prozesse, die sich nicht immer leicht in den allgemeinen Rahmen des Arbeitsrechts einfügen, ist sich der EWSA vollkommen der sozialen Herausforderungen bewusst, die in einigen Mitgliedstaaten angegangen werden sollten: Verbesserung der Arbeitsbedingungen, Beseitigung unbezahlter Überstunden, Bekämpfung geschlechtsspezifischer Ungleichheiten, Förderung menschenwürdiger Arbeit, bessere Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen, Erleichterung der Mobilität, Inklusion behinderter und ausgegrenzter Menschen, Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung usw.

    1.4.

    Nach Auffassung des EWSA reichen die geplanten Haushaltsmittel von 1,8 Mrd. EUR für die ehrgeizigen Zielsetzungen des Programms „Kreatives Europa“ 2021-2027 nicht aus. Deshalb fordert der EWSA eine höhere Mittelausstattung. Diese umfangreichen Investitionen in die Kreativität Europas, seine Künstler, Kulturschaffenden, Musiker, Schriftsteller, Fotografen, Architekten, Erfinder von Videospielen, Filmemacher usw. werden der EU helfen, sich im Wettbewerb mit großen Ländern (USA, Japan, Südkorea), die auf nationaler Ebene und in internationalen Organisationen bewusst „Soft Power“-Strategien einsetzen, erfolgreich zu behaupten. Die Finanzierung durch die EU sollte durch nationale und regionale öffentliche Mittel ergänzt werden. Spezifische Steueranreize könnten die Gemeinnützigkeit (z. B. Restaurierung von Kulturgütern) fördern und das Crowdfunding zur Schaffung neuer Geschäftsmodelle erleichtern.

    1.5.

    Nach Ansicht des EWSA muss auch in rechtliche und technische Instrumente investiert werden, um wirksamer gegen alle Formen der Förderung von Gewalt und Diskriminierung — insbesondere bei der Herstellung von Online-Videospielen für Kinder und junge Menschen — vorzugehen.

    1.6.

    Der EWSA befürwortet die Einbeziehung der kreativen und kulturellen Dimension in die auswärtige Politik der EU (Handelspolitik, internationale Beziehungen usw.) (3).

    1.7.

    Diese bislang einmalige finanzielle Zielvorgabe sollte in folgenden drei Bereichen erreicht werden:

    eine erhöhte Mittelausstattung von 1 930 000 EUR (statt 1 850 000 EUR) des Programms „Kreatives Europa“ im Zeitraum 2021-2027, einschließlich zusätzlicher Mittel in Höhe von 80 Mio. EUR für den SEKTORÜBERGREIFENDEN Aktionsbereich, die weitere „sich wechselseitig befruchtende“ Projekte zwischen den kulturellen und kreativen Branchen selbst (Musik, Mode, Design, Kunst, Kino, Verlagswesen usw.) und zwischen diesen Branchen und anderen Industriezweigen ermöglichen werden, und mehr Mittel für weitere Schulungsmaßnahmen im Bereich Medien angesichts der Tatsache, dass der Pluralismus der Medien seit Kurzem in der EU infrage gestellt wird;

    finanzielle Unterstützung für Kultur und Kreativität im Rahmen verschiedener EU-Programme, um „die Kultur stärker in die anderen Politikbereiche einzubeziehen, was sowohl der Kultur als auch dem jeweiligen anderen Bereich zum Vorteil gereichen würde“ (4): Horizont 2020, Europäischer Sozialfonds, Digitales Europa, Kohäsionsfonds, Erasmus;

    fortgesetzte Unterstützung der Garantiefazilität für die „Kultur- und Kreativbranche“, damit Garantien und erforderlichenfalls eigenkapitalähnliche Hilfen für KMU und Start-ups bereitgestellt werden.

    1.8.

    Dieses erneute Engagement für ein stärker durch Kultur und Kreativität geprägtes Europa wird dank der Integration von Kreativität, Design und modernsten Techniken auch verschiedenen Branchen und industriellen Wertschöpfungsketten der EU zugutekommen — von Textilien, Bekleidung, Lederwaren, Möbeln, Keramik, Spielwaren, Tourismus und Kunstgewerbe bis hin zu Automobilindustrie, Bauwesen, Gesundheit und Wohlergehen, grüner Energie usw. In Europa gibt es viele Beispiele für den erfolgreichen Wandel von Industrieregionen oder Städten hin zur Kreativwirtschaft mit größerer Wertschöpfung (Turin).

    1.9.

    Die „digitale Revolution“ in diesen urheberrechtsintensiven Branchen bietet besonders große Chancen, und es sollten ausreichende Investitionen in Ausrüstung und Software (z. B. künstliche Intelligenz, Blockchain, 3D-Druck, Digitalisierung von Archiven) und in Ausbildung gefördert werden.

    1.10.

    Das Innovationspotenzial dieser Branchen ist unbegrenzt, da sie sich weitgehend auf individuelle Kreativität, Kompetenz und Fantasie stützen. Aus diesem Grund sollte die Kultur- und Kreativwirtschaft ein spezifisches Budget im Rahmen von „Horizont 2020“ erhalten (mindestens 3 Mrd. EUR, also etwas weniger als ihr Anteil am EU-BIP von 4,2 %).

    1.11.

    Auf dem US-Markt finden gegenwärtig große Fusionen statt, die sich auf die Kultur- und Kreativwirtschaft der EU auswirken werden. In diesem Zusammenhang ersucht der EWSA die Kommission um eine Ausschreibung für einen 2019 vorzulegenden Business-Intelligence-Bericht über die wichtigsten wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen in den USA im Zusammenhang mit Medien, Kino und dem audiovisuellen Sektor sowie ihre voraussichtlichen Auswirkungen auf ihre EU-Pendants in den Bereichen Produktion, Nutzung und Verbreitung.

    1.12.

    Angesichts der Tatsache, dass die EU-27 erheblich von einem kontinuierlichen Dialog zwischen dem Vereinigten Königreich als einem Hauptakteur in diesen Branchen profitieren könnte, fordert der EWSA die Europäische Kommission dazu auf, jeden bilateralen Dialog zwischen Regierungen und Netzen zu unterstützen, der den Weg für ein bilaterales Abkommen ebnen könnte, um im Rahmen von „Kreatives Europa“ 2021-2027 ehrgeizige bilaterale Programme fortzuführen. Ähnliche bilaterale Programme wurden in der Vergangenheit (2014-2020) bereits mit Drittländern wie Georgien, Serbien oder der Ukraine vereinbart.

    2.   Allgemeine Bemerkungen

    2.1.   Eine ehrgeizigere Zielsetzung

    2.2.

    Der Vorschlag für eine Verordnung (COM(2018) 366) stützt sich auf Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union, der besagt, dass es das Ziel der EU ist, „den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern“, und dass die EU „den Reichtum ihrer kulturellen und sprachlichen Vielfalt [wahrt] und […] für den Schutz und die Entwicklung des kulturellen Erbes Europas [sorgt]“. Es besteht jedoch gemeinhin der Eindruck, dass die Zahl der Herausforderungen gestiegen ist, insbesondere der Wettbewerb durch Online-Plattformen und Suchmaschinen, die Konzentration des Sektors auf wenige große Marktteilnehmer oder die zunehmende „Desinformation“.

    2.3.

    Mit diesem neuen Programm möchte die Kommission es den Teilnehmern ermöglichen, technisch und künstlerisch innovative europäische grenzüberschreitende Initiativen für den Austausch, das gemeinsame Schaffen, die Koproduktion und die Verbreitung europäischer Werke zu entwickeln. Außerdem soll die Stellung der europäischen Akteure auf den europäischen und globalen Märkten gestärkt werden. Beispiele für bewährte Methoden in diesem Bereich gibt es im Zusammenhang mit den Maßnahmen des „Eurimages“-Fonds des Europarates.

    2.4.   Eine höhere, aber immer noch unzureichende Mittelausstattung

    2.4.1.

    Die vorgeschlagenen Haushaltsmittel in Höhe von 1,85 Mrd. EUR für 27 Mitgliedstaaten gehen über die gegenwärtigen Mittel hinaus, entsprechen aber nur einem Tausendstel des Gesamtbetrags des mehrjährigen Finanzrahmens der EU für den Zeitraum 2021-2027, der sich auf 1 135 Mrd. EUR beläuft.

    2.5.

    Die von der Kommission vorgeschlagenen Mittel verteilen sich auf drei Bereiche:

    Aktionsbereich KULTUR mit 609 Mio. EUR (33 % der Gesamtmittel gegenüber 31 % der Gesamtmittel des Programms „Kreatives Europa“ 2014-2020);

    Aktionsbereich MEDIA mit 1 081 Mio. EUR (58 % der Gesamtmittel gegenüber 56 % der Gesamtmittel des Programms „Kreatives Europa“ 2014-2020);

    SEKTORÜBERGREIFENDER Aktionsbereich mit160 Mio. EUR (9 % der Gesamtmittel gegenüber 13 % der Gesamtmittel des Programms „Kreatives Europa“ 2014-2020).

    2.5.1.

    Der EWSA fordert zusätzliche Mittel in Höhe von 80 Mio. EUR für den SEKTORÜBERGREIFENDEN Aktionsbereich, um das Potenzial der „sich wechselseitig befruchtenden“ Projekte (5) (digitale Wirtschaft, Tourismus, Kunst, Luxusgüter, Kultur, Digitaldruck usw.) voll und ganz auszuschöpfen und um mehr praktische Lösungen im Bereich Medienkompetenz zu finden.

    2.5.2.

    Das Ziel, vorrangig auf ein breites Publikum ausgerichtete Projekte zu fördern, ist für den audiovisuellen Sektor (Aktionsbereich MEDIA) geeignet, sollte aber nicht für alle kulturellen Tätigkeiten, insbesondere in ländlichen Gebieten, gelten. Sozialer Zusammenhalt und soziale Inklusion stehen im Mittelpunkt des europäischen Projekts.

    2.6.   Der Brexit und die Kultur- und Kreativwirtschaft

    2.6.1.

    Die Durchführung des neuen Programms erfolgt in den EU-27 nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs, also eines der Mitgliedstaaten, in denen die Kultur- und Kreativwirtschaft großes Gewicht hat (90 Mrd. GBP im Jahr 2016, 2 Mio. Arbeitnehmer). Nach Auffassung des EWSA ist es für die Dynamik von „Kreatives Europa“ wesentlich, weiterhin enge kulturelle Beziehungen zum Vereinigten Königreich zu pflegen und — immer da wo möglich und notwendig — die bilaterale Zusammenarbeit zu fördern. Das Ziel eines spezifischen und maßgeschneiderten Abkommens mit dem Vereinigten Königreich zur Fortsetzung von Maßnahmen und Programmen sollte auf Artikel 8 des Verordnungsvorschlags basieren und im Einklang mit der überarbeiteten Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste stehen.

    2.7.   Erkenntnisse aus dem Vorgängerprogramm Kreatives Europa 2014-2020

    2.7.1.

    In den verschiedenen von der Kommission in Auftrag gegebenen Bewertungsstudien wurden die folgenden wesentlichen Defizite ermittelt:

    die Haushaltsmittel reichen nicht aus, um auf EU- oder sektorspezifischer Ebene eine spürbare Wirkung zu erzielen;

    zu stark fragmentierte Finanzierung für das MEDIA-Programm;

    zu komplexer Zugang zu den EU-Programmen und -Finanzmitteln und zu komplexe administrative Berichterstattungspflichten, insbesondere für KMU und Einzelpersonen sowie erstmalige Antragsteller;

    unausgewogene Mittelverteilung je nach Mitgliedstaat.

    2.7.2.

    Bei einer von Sylvia Costa, Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Bildung, am 6. Oktober 2016 in Paris organisierten Anhörung benannten Interessenträger weitere konkrete Probleme:

    die Erfolgsquote der Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen für den Aktionsbereich KULTUR (11 %) ist zu niedrig;

    die maximale Dauer einer literarischen Übersetzung (zwei Jahre) ist zu kurz;

    die Zahl der Drittländer, die an bestimmten Projekten beteiligt werden können, ist zu begrenzt;

    das Konzept der „experimentellen Tätigkeiten“ sollte gefördert und unterstützt werden, ebenso wie das der „Innovation“.

    Um diesen Kritikpunkten Rechnung zu tragen, schlägt die Kommission für 2021-2027 bestimmte Vereinfachungen vor, nämlich:

    mehr Flexibilität, sodass Arbeitsprogramme an unvorhergesehene Umstände angepasst werden können;

    mehr Partnerschaftsrahmenvereinbarungen und Finanzhilfen nach dem Kaskadenprinzip;

    mehr Anreize zur Auszeichnung von Ergebnissen, mit dem Ziel, ein größeres Publikum zu erreichen;

    systematische Verwendung elektronischer Formulare und Berichte sowie geringere Berichterstattungspflichten.

    2.8.   Der Aktionsbereich Kultur

    2.8.1.

    Die Gesamtmittel von 609 Mio. EUR dienen zur Förderung der grenzüberschreitenden Verbreitung von Werken und der Mobilität von Kulturakteuren, zur Unterstützung von Partnerschaften, Netzen und Plattformen, die eine größere Reichweite in Europa und darüber hinaus für europäische Akteure des Kultur- und Kreativsektors bzw. ihre Werke erzielen wollen, sowie zur Förderung von europäischer Identität, europäischem Kulturerbe und europäischen Werten durch Schärfung des Kulturbewusstseins, Kunsterziehung und Kreativität im Bildungswesen. Außerdem sollen besondere Maßnahmen der EU wie die Kulturhauptstädte Europas, EU-Kulturpreise und das europäische Kulturerbe-Siegel unterstützt werden. Eine weitere Priorität besteht in der Förderung des Aufbaus internationaler Kapazitäten im europäischen Kultur- und Kreativsektor, sodass dieser auf internationaler Ebene agieren kann.

    Nach Ansicht des EWSA sollte die vorgeschlagene Verordnung um einen Absatz über „volkstümliche“ bzw. „Amateur“-Kreativität ergänzt werden, da genau diese Form der Kreativität die Voraussetzung für die Entwicklung und Verbreitung einer echten humanistischen und künstlerischen Sensibilität geschaffen hat.

    2.9.   Der Aktionsbereich media

    2.9.1.

    Dieses Programm erstreckt sich auf audiovisuelle Medien, Kino und Videospiele und ist mit insgesamt 1 081 000 EUR ausgestattet. Es ist mit einigen spezifischen Legislativinstrumenten verknüpft, nämlich mit der Überarbeitung des Urheberrechts und der überarbeiteten Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste.

    2.9.2.

    Das erstgenannte Instrument (COM(2016) 593 final) wurde am 12. September 2018 vom Europäischen Parlament in erster Lesung verabschiedet.

    Dieser Vorschlag hat drei wesentliche Zielsetzungen: a) Verbesserung des Online-Zugangs und des grenzüberschreitenden Zugangs für Fernseh- und Hörfunkprogramme über Plattformen für Videoabruf; b) Harmonisierung und Modernisierung der Ausnahmen von den Urheberrechten im EU-Recht in den Bereichen Lehrtätigkeiten, Forschung und Erhaltung des kulturellen Erbes; c) Schaffung eines gut funktionierenden Markts für Urheberrechte für Presseverlage, Urheber und ausübende Künstler, die Inhalte für Online-Plattformen produzieren.

    2.9.3.

    Mit der überarbeiteten Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste werden mehrere Ziele verfolgt: Schaffung weiterer Möglichkeiten für die Förderung europäischer Werke innerhalb (mindestens 30 % EU-Werke auf Online-Videoplattformen) und außerhalb der EU, Förderung der Zusammenarbeit in der gesamten Wertschöpfungskette von den frühen Phasen der Produktion bis hin zur Verbreitung und Ausstellung sowie Verbesserung des Schutzes von Kindern und Verbrauchern.

    2.9.4.

    Die Haushaltsmittel in Höhe von 1 081 000 EUR zur Förderung des europäischen audiovisuellen Sektors einschließlich der Filmindustrie sowie der Bereiche Fernsehen und Videospiele sind mit folgenden Zielen verbunden: a) Schaffung von Anreizen für Zusammenarbeit und Innovation bei der Produktion europäischer audiovisueller Werke; b) Verbesserung des grenzüberschreitenden Kinoverleihs und der grenzüberschreitenden Online-Verbreitung; c) Unterstützung der internationalen Präsenz audiovisueller Werke aus der EU durch die Verbesserung von Werbung und Vertrieb für europäische Werke und durch innovatives Storytelling einschließlich virtueller Realität.

    2.10.   Der Sektorübergreifende Aktionsbereich

    2.10.1.

    Insgesamt 160 Mio. EUR werden für die Unterstützung sektorübergreifender Projekte zwischen Akteuren im Kultur- und Kreativbereich (Musik, Medien, Literatur, Kunst usw.) bereitgestellt, um den Kontaktstellen für „Kreatives Europa“ dabei zu helfen, in ihrem eigenen Land für das Programm zu werben und die „Bedingungen für eine freie, vielfältige und pluralistische Medienlandschaft, für Qualitätsjournalismus und für die Entwicklung von Medienkompetenz“ zu verbessern (Artikel 6 Buchstabe c, COM(2018) 366 final).

    2.10.2.

    Das letzte Ziel hält der EWSA für besonders relevant: Im Jahr 2017 wurde die Pressefreiheit in mehreren Mitgliedstaaten eingeschränkt. Vor diesem besonderen Hintergrund fordert der EWSA mehr Mittel zur Unterstützung der Förderung der Meinungsfreiheit und eines vielfältigen, pluralistischen Medienumfelds, der Förderung hoher Medienstandards hinsichtlich der Inhalte sowie von Programmen für die Entwicklung der Medienkompetenz, sodass die Bürgerinnen und Bürger ein kritisches Medienverständnis entwickeln.

    3.   Besondere Bemerkungen

    3.1.   Das Urheberrecht im digitalen Zeitalter

    3.1.1.

    Eine OECD-Studie aus dem Jahr 2015 über das Urheberrecht im digitalen Zeitalter verdeutlicht die intensive rechtliche und öffentliche Diskussion über die Frage, wie das nationale Urheberrecht an die Internet-Revolution angepasst werden kann.

    Die wichtigsten Fragestellungen betreffen a) den Umfang des Urheberrechts, b) verwaiste Werke, c) Urheberrechtsausnahmen und -beschränkungen, d) die Registrierung von Urheberrechten und e) die Durchsetzung.

    3.1.2.

    Der EWSA möchte eine Lanze brechen für das neue damit zusammenhängende Urheberrecht für Verleger für die digitale Nutzung ihrer Presseveröffentlichungen (wie in Artikel 11 des Vorschlags für eine Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt vorgeschlagen), den Schutz von Inhalten durch Online-Dienste (wie in Artikel 13 vorgeschlagen), den Vertragsanpassungsmechanismus (Artikel 15) und das Streitbeilegungsverfahren (Artikel 16).

    3.2.

    Angesichts des scharfen internationalen Wettbewerbs bedarf es einer klaren Strategie der EU für die Kultur- und Kreativwirtschaft, sowohl im Hinblick auf die Binnenmarktpolitik als auch die auswärtige Politik (internationale Agenda für Kultur, Kulturdiplomatie, Handelspolitik).

    3.2.1.

    US-amerikanische Unternehmen wie Apple mit iTunes, seit 2010 die größte Online-Musikplattform der Welt, Netflix mit 130 Mio. Abonnenten im Jahr 2017 und YouTube mit 1 300 000 Nutzern im Monat und über 5 Mrd. angeschauten Videos pro Tag sind auf dem Gebiet der Online-Plattformen marktbeherrschend.

    3.2.2.

    Beispielsweise machen in der Filmindustrie (6) Produktionen und Koproduktionen aus den Vereinigten Staaten im Jahr 2012 90 % der Filme mit den höchsten in dem Jahr verzeichneten Besucherzahlen aus, was in logischer Konsequenz zu einer klaren und fast unangefochtenen Dominanz der englischen Sprache führt.

    3.2.3.

    Seit Kurzem werden in den USA große Fusionen durchgeführt, die verdeutlichen, dass bei der Produktion, Verbreitung und Nutzung audiovisueller Inhalte ein tief greifender Wandel stattfindet. Welche Auswirkungen werden diese weitreichenden Veränderungen in den USA auf den noch immer fragmentierten audiovisuellen Sektor der EU haben, wenn ihm weniger öffentliche Mittel zur Verfügung stehen und die grenzüberschreitende Verbreitung aufgrund begrenzter Mittel und sprachlicher Barrieren auf anhaltend niedrigem Niveau bleibt? Eine unabhängige Studie mit quantitativen und qualitativen Daten wäre sehr nützlich.

    Andere wichtige Länder wie China, Japan, Indien und Kanada haben wirksame und langfristige Anreizmaßnahmen ergriffen, um sowohl intern als auch extern die vorteilhaften Aspekte ihrer „Soft Power“ zu unterstützen; die EU sollte dasselbe tun.

    3.3.   Diversifizierung und Modernisierung von Geschäftsmodellen

    3.3.1.

    Innovative Geschäftsmodelle für die urheberrechtsintensiven Wirtschaftszweige in der EU sollten in drei Richtungen gefördert werden:

    a)

    Nutzung aller digitalen Instrumente (KI, Blockchain, „Big Data“, 3D-Druck usw.) als Chance zur inhaltlichen Bereicherung kultureller Güter und Dienstleistungen und zur Verbesserung ihrer Zugänglichkeit für Verbraucher;

    b)

    Möglichkeiten im Zusammenhang mit einer verbesserten Übertragbarkeit von Inhalten bei grenzüberschreitenden Projekten;

    c)

    Suche nach neuen Möglichkeiten zur Generierung von Einnahmen (Abonnements, „Pay-per-View“ usw.) ohne den Ausschluss schutzbedürftiger Verbraucher.

    3.3.2.

    In zahlreichen Studien wurde ein „Ausstrahlungseffekt“ zwischen der Kultur- und Kreativwirtschaft und mehreren Wirtschaftszweigen mit einer „kulturellen und kreativen Komponente“ nachgewiesen. An der Schnittstelle zwischen der Kultur- und Kreativwirtschaft und den digitalen Technologien befindet sich eine wichtige Quelle für bahnbrechende und inkrementelle Innovationen.

    3.3.3.

    Natürlich sollten bestimmte kulturelle Aktivitäten, denen öffentliche oder private Mittel zugutekommen, nicht allein auf Gewinnerzielung ausgerichtet sein. Das neue Programm sollte sich auch auf „nicht marktorientierte“ Aktivitäten erstrecken.

    3.4.   Zugang zu Finanzmitteln

    3.4.1.

    Im Juni 2016 hat der Europäische Fonds für strategische Investitionen eine neue Garantiefazilität eingerichtet, um Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen in der Kultur- und Kreativwirtschaft zu unterstützen, die nur schwer Zugang zu Krediten in ihren eigenen Ländern erhalten. Für diesen neuen Mechanismus war zunächst ein Betrag von 121 Mio. EUR geplant, der voraussichtlich 600 Mio. EUR an Darlehen und anderen Finanzprodukten einbringen wird.

    3.4.2.

    Nach einem schleppenden Start haben neun Mitgliedstaaten — Spanien, Frankreich, Rumänien, Belgien, die Tschechische Republik, Finnland, Italien, Luxemburg und das Vereinigte Königreich — mit dem Europäischen Investitionsfonds (EIF) Vereinbarungen über eine Gesamtkapazität von mehr als 300 Mio. EUR an potenziellen Darlehen unterzeichnet. 2017 beschloss der EIF, weitere 70 Mio. EUR bereitzustellen. Einem Bericht des EIF über die Nutzung der „CCI-Garantie“ vom März 2018 zufolge wurde diese Fazilität von 418 Akteuren des Kultur- und Kreativsektors in Form von Darlehen über einen Gesamtbetrag von 76 Mio. EUR genutzt, was einem Darlehen von 182 000 EUR pro Einrichtung entspricht.

    3.4.3.

    Der EWSA legt den zuständigen Behörden auf der nationalen und lokalen Ebene in städtischen und ländlichen Gebieten dringend nahe, diese spezifische Fazilität zu fördern, um das Wachstum der Kultur- und Kreativwirtschaft zu unterstützen sowie Investitionen und neue Unternehmen in diesen Wirtschaftszweigen anzuziehen. Es ist ihre Aufgabe, die wachsende Kluft zwischen „intelligenten Städten“ mit einer hohen Konzentration (7) der Kultur- und Kreativwirtschaft einerseits und den ländlichen Gebieten andererseits zu vermeiden.

    3.5.   Soziale Fragen

    3.5.1.

    Daten aus einigen Mitgliedstaaten geben Aufschluss über unlautere und unbefriedigende soziale Arbeitsbedingungen: unbezahlte Arbeitsstunden, regelmäßige Überstunden, Zeitverträge, nicht gewünschte Teilzeitarbeit, schlechte Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen, fehlende Investitionen in Ausbildung, geschlechtsspezifische Unterschiede (8), mangelnde ethnische Vielfalt, sexuelle Belästigung, geringer sozialer Schutz, unzureichende Mobilität aufgrund von Doppelbesteuerung und schwieriger Zugang zu Visa für Drittstaatsangehörige.

    Einige Mitgliedstaaten haben soziale Kriterien eingeführt, die die Kultur- und Kreativwirtschaft erfüllen muss, um den Zugang zu EU-Finanzmitteln zu erhalten, wodurch das europäische Sozialmodell im Einklang mit der potenziellen Rolle der öffentlichen Finanzierung unterstützt wird.

    3.5.2.

    Der soziale Dialog auf nationaler Ebene sollte gefördert werden, um geeignete Lösungen zur Verbesserung der Situation zu finden. Auf EU-Ebene bedarf es weiterer unabhängiger Studien über die Arbeitsbedingungen in der Kultur- und Kreativwirtschaft als Inspirationsquelle für eine neue Politik. So zeigt eine neuere Untersuchung, dass das Kriterium „Beschäftigung“ wirksamer sein könnte als das Kriterium „sektorspezifisch“, weil sich nur 30,7 % der „kreativen“ Arbeitsplätze innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft befinden (9).

    3.5.3.   Cluster und Netze

    Regionale Cluster spielen eine wichtige Rolle bei der Förderung neuer Kooperationsmodelle und grenzübergreifender Partnerschaften. Die Schaffung neuer regionaler Cluster und Netze für die Kultur- und Kreativwirtschaft sollte durch das neue Programm sowie konstruktive Partnerschaften zwischen existierenden Clustern und Netzen (Emilia-Romagna, Hamburg, Mailand usw.) angeregt werden, die eine Ausweitung und die Verbreitung bewährter Methoden fördern könnte.

    Brüssel, den 12. Dezember 2018

    Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Luca JAHIER


    (1)  ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 83, NAT/738 (ABl. C 440 vom 6.12.2018, S. 22), SOC/590 (ABl. C 62 vom 15.2.2019, S. 148).

    (2)  Zu den urheberrechtsintensiven Wirtschaftszweigen gehören neun Bereiche: Presse und Literatur, Musik, Opern- und Theaterproduktion, Film und Video, Fotografie, Software und Datenbanken, bildende Kunst und Grafik, Werbung und Kunst sowie Verwertungsgesellschaften für Urheberrechte.

    (3)  „Künftige Strategie der EU für internationale Kulturbeziehungen“, JOIN(2016) 29 final.

    (4)  Zitat aus dem Diskussionspapier des bulgarischen Ratsvorsitzes Der Weg vor uns: langfristige Vision für den Beitrag der Kultur in der EU nach 2020 vom 27. April 2018.

    (5)  Siehe Ziffer 4.6 der Stellungnahme des EWSA, ABl. C 13 vom 15.1.2016, S. 83.

    (6)  Diversity and the film industry: An analysis of the 2014 UIS Survey on Feature Film Statistics, März 2016, S. 31.

    (7)  64 % der „kreativen“ Arbeitsplätze befinden sich in städtischen Gebieten; Jef Vlegels und Walter Ysebaert Creativiteit, diversiteit en werkomstandigheden: een analyse van de drietand van culturele en creative arbeid in België, Sociologos 39, S. 241.

    (8)  Siehe Aktionsplan zur Gleichstellung der Geschlechter im Rahmen des Ausschusses für den audiovisuellen sozialen Dialog.

    (9)  Jef Vlegels und Walter Ysebaert, Sociologos 39, S. 210-241.


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