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Document 52016XC0615(01)

Bekanntmachung der Kommission — Leitlinien für die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 des Rates über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei Unfällen in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 889/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates

C/2016/3502

ABl. C 214 vom 15.6.2016, p. 5–21 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

15.6.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 214/5


BEKANNTMACHUNG DER KOMMISSION

Leitlinien für die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 des Rates über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei Unfällen in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 889/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates

(2016/C 214/04)

1.   EINLEITUNG

Die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (1) (im Folgenden die „Verordnung“) ist am 17. Februar 2005 in Kraft getreten. Sie legt ein Mindestniveau für Qualitätsstandards zum Schutz der Fluggäste fest, wodurch die Liberalisierung des Luftverkehrsmarkts um eine für die Bürger wichtige Dimension ergänzt wird.

Zu den im Verkehrsweißbuch der Kommission vom 28. März 2011 (2) angekündigten Initiativen gehört unter anderem die „einheitliche Auslegung der EU-Vorschriften über Passagierrechte und ihre einheitliche und wirksame Durchsetzung, um gleiche Ausgangsbedingungen für die Wirtschaft und einen europäischen Schutzstandard für die Bürger zu gewährleisten“.

Zusätzlich zum Weißbuch hat die Kommission bereits Leitlinien zur Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (3) angenommen.

Auf dem Gebiet des Luftverkehrs wies die Kommission in ihrer Mitteilung vom 11. April 2011 (4) darauf hin, dass die Bestimmungen der Verordnung wegen der Grauzonen und Lücken im derzeitigen Wortlaut unterschiedlich ausgelegt und je nach Mitgliedstaat unterschiedlich durchgesetzt wurden. Darüber hinaus machte die Mitteilung deutlich, dass Fluggäste Probleme hatten, ihre individuellen Ansprüche geltend zu machen.

Am 29. März 2012 nahm das Europäische Parlament (EP) eine Entschließung (5) als Reaktion auf die vorgenannte Mitteilung an. Das Parlament hob die Maßnahmen hervor, die seines Erachtens wesentlich dafür waren, das Vertrauen der Fluggäste zurückzugewinnen, namentlich eine ordnungsgemäße Anwendung der bestehenden Bestimmungen durch die Mitgliedstaaten und die Luftfahrtunternehmen, die Durchsetzung von ausreichenden und einfachen Rechtsbehelfen und die Bereitstellung genauer Informationen für Fluggäste bezüglich ihrer Rechte.

Zur Klärung von Rechten und um eine bessere Anwendung der Verordnung durch Luftfahrtunternehmen und ihre Durchsetzung durch die nationalen Durchsetzungsstellen sicherzustellen, schlug die Kommission eine Änderung der Verordnung vor (6). Die vorgeschlagenen Änderungen tragen auch den finanziellen Folgen für den Luftfahrtsektor Rechnung und umfassen daher einige Maßnahmen zur Kostendeckelung. Der Vorschlag wird derzeit durch den EU-Gesetzgeber geprüft. Die Kommission strebt nicht an, ihren Vorschlag mit diesen Auslegungsleitlinien zu ersetzen oder zu ergänzen.

Das Maßnahmenpaket zur besseren Rechtsetzung ist einer der zehn Schwerpunktbereiche der Juncker-Kommission. Es soll sicherstellen, dass die Maßnahmen der EU in jeder Phase des Politikzyklus wirksam sind, im Falle der Verordnung also von der Planung bis zur Umsetzung, Überprüfung und späteren Überarbeitung. Ein weiteres Ziel der Kommission ist es, einen vertieften, gerechteren Binnenmarkt zu erreichen. Am 11. Juni 2015 (7) erklärte die Kommission, dass sie kurzfristig die Annahme von Auslegungsleitlinien prüfen würde, die die Anwendung der Verordnung erleichtern und verbessern sowie bewährte Praktiken fördern sollen. Dies ist eine der Maßnahmen, die sie in der Mitteilung vom 7. Dezember 2015 über eine „Luftfahrstrategie für Europa“ (8) vorgeschlagen hat.

Die Rechtsprechung hat die Auslegung der Verordnung entscheidend beeinflusst. Der Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden der „Gerichtshof“) wurde häufig von nationalen Gerichten um Klärung bestimmter Vorschriften ersucht, darunter wesentliche Aspekte der Verordnung. Seine Auslegungsurteile spiegeln den derzeitigen Stand des EU-Rechts wider, das nationale Behörden durchsetzen müssen. Eine Bewertung (2010) (9) und eine Folgenabschätzung (2012) (10) machten beide die hohe Zahl der Urteile des Gerichtshofs deutlich. Dies zeigt, dass Schritte unternommen werden müssen, um ein gemeinsames Verständnis und die ordnungsgemäße Durchsetzung der Verordnung in der gesamten Union zu gewährleisten.

Mit den vorliegenden Auslegungsleitlinien will die Kommission — namentlich im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs (11) — mehrere Bestimmungen der Verordnung klarer erläutern, damit die geltenden Vorschriften wirksamer und einheitlicher durchgesetzt werden können. In den Leitlinien sollen die Fragen angesprochen werden, die am häufigsten von nationalen Durchsetzungsstellen, Fluggästen und deren Verbänden, dem Europäischen Parlament und Vertretern der Wirtschaft gestellt wurden. Sie ersetzen frühere Informationen wie auf der Website der Kommission veröffentlichte häufig gestellte Fragen (FAQ) mit ihren Antworten.

Es ist weder beabsichtigt, mit diesen Leitlinien alle Bestimmungen umfassend abzudecken, noch führen sie neue Rechtsvorschriften ein. Anzumerken ist auch, dass Auslegungsleitlinien die Auslegung des Unionsrechts durch den Gerichtshof nicht berühren (12).

Die Leitlinien beziehen sich auch auf die Verordnung (EG) Nr. 2027/97 des Rates vom 9. Oktober 1997 über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei Unfällen (13) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 889/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates (14) und auf das Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Übereinkommen von Montreal) (15). Die Verordnung (EG) Nr. 889/2002 verfolgt einen doppelten Zweck: zum einen die Angleichung der EU-Rechtsvorschriften über die Haftung von Luftfahrtunternehmen in Bezug auf Fluggäste und ihr Gepäck an die Bestimmungen des Übereinkommens von Montreal, dessen Vertragspartei die EU ist, und zum anderen die Ausweitung der Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens auf Beförderungsleistungen im Luftverkehr, die innerhalb eines einzelnen Mitgliedstaats erbracht werden.

Diese Auslegungsleitlinien dürften dazu beitragen, die Verordnung besser anzuwenden und durchzusetzen.

2.   GELTUNGSBEREICH DER VERORDNUNG

2.1.   Räumlicher Anwendungsbereich

2.1.1.   Geografischer Anwendungsbereich

Gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung beschränkt sich ihr Anwendungsbereich auf Fluggäste, die von einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten, sowie auf Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittland einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, antreten, sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der EU ist.

Gemäß Artikel 355 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) findet das EU-Recht keine Anwendung auf die in Anhang II AEUV aufgeführten Länder und Hoheitsgebiete (16). Für diese Länder und Hoheitsgebiete gilt stattdessen das besondere Assoziierungssystem, das im Vierten Teil des AEUV festgelegt ist. Außerdem findet es entsprechend der Akte über den Beitritt Dänemarks und des Vereinigten Königreichs keine Anwendung auf die Färöer, die Insel Man und die Kanalinseln. Diese Hoheitsgebiete sind somit als Drittländer im Sinne der Verordnung zu betrachten (17).

Gemäß Artikel 355 AEUV sind die Verträge auf die französischen überseeischen Departements (Guadeloupe, Französisch-Guayana, Martinique, Réunion, Mayotte) sowie auf Saint Martin, die Azoren, Madeira und die Kanarischen Inseln anwendbar. Diese Hoheitsgebiete sind daher im Sinne der Verordnung Teil eines Mitgliedstaats, der den Bestimmungen des Vertrags unterliegt.

2.1.2.   Der Begriff „Flug“ im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a

Nach Auffassung des Gerichtshofs kann eine Reise, die einen Hin- und Rückflug umfasst, nicht als ein einziger Flug angesehen werden. Der Begriff „Flug“ im Sinne der Verordnung ist dahin auszulegen, dass es sich dabei im Wesentlichen um einen Beförderungsvorgang im Luftverkehr handelt, der eine „Einheit“ dieser Beförderung darstellt, die von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, das die entsprechende Flugroute festlegt (18). Infolgedessen ist Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung nicht auf den Fall einer Hin- und Rückreise anwendbar, bei der Fluggäste, die ursprünglich einen Flug von einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats angetreten haben, mit einem Flug, der von einem Nicht-EU-Luftfahrtunternehmen ausgeführt wird und von einem Flughafen in einem Drittland abgeht, zu diesem Flughafen zurückreist. Die Tatsache, dass der Hin- und der Rückflug Gegenstand einer einzigen Reservierung sind, wirkt sich nicht auf die Auslegung dieser Bestimmung aus (19).

2.1.3.   Anwendungsbereich der Verordnung in Bezug auf in einem Drittland erhaltene Ausgleichs- und/oder Unterstützungsleistungen und die Auswirkungen auf die Rechte der Empfänger im Rahmen der Verordnung

Gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b gilt die Verordnung für Fluggäste, die von einem außerhalb der EU (d. h. in einem Drittland) gelegenen Flughafen einen Flug in die EU antreten, sofern der Flug von einem in einem Mitgliedstaat genehmigten Luftfahrtunternehmen (EU-Luftfahrtunternehmen) ausgeführt wird, es sei denn, sie haben in diesem Drittland Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten.

Es kann sich die Frage stellen, ob Fluggäste, die von einem Drittlandsflughafen in die EU fliegen, die Rechte nach der Verordnung beanspruchen können, wenn nach dem Fluggastrecht eines Drittlands die folgenden Ansprüche bereits erfüllt wurden:

1.

Gegenleistungen (z. B. ein Reisegutschein) oder Ausgleichsleistung (deren Betrag von der in der Verordnung vorgesehenen Höhe abweichen kann) und

2.

Betreuungsleistungen (wie Mahlzeiten, Getränke, Hotelunterbringung und Kommunikationsmöglichkeiten).

In diesem Zusammenhang ist das Wort „und“ wichtig. Wurde den Fluggästen beispielsweise nur einer der beiden Ansprüche erfüllt (z. B. Gegenleistungen und Ausgleich gemäß Nummer 1, so können sie noch immer einen Anspruch geltend machen (in diesem Fall die Betreuungsleistungen gemäß Nummer 2.

Wurden beide Ansprüche am Abflugsort aufgrund der lokalen Rechtsvorschriften oder freiwillig geleistet, können die Fluggäste keine weiteren Ansprüche im Rahmen dieser Verordnung geltend machen. Der Gerichtshof (20) kam jedoch zu dem Urteil, dass es nicht zugelassen werden kann, dass ein Fluggast den durch die Verordnung gewährten Schutz schon dann verlieren kann, wenn er eine bestimmte Ausgleichsleistung in einem Drittland erhalten kann. In dieser Hinsicht sollte das Luftfahrtunternehmen den Nachweis erbringen, dass die in dem Drittland gewährte Ausgleichsleistung dem Zweck der durch die Verordnung garantierten Ausgleichsleistung entspricht oder dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Ausgleichs- und Unterstützungsleistung sowie die verschiedenen Modalitäten ihrer Durchführung denen der Verordnung gleichkommen.

2.2.   Sachlicher Anwendungsbereich

2.2.1.   Nichtanwendung der Verordnung auf Fluggäste von Hubschraubern

Gemäß Artikel 3 Absatz 4 gilt die Verordnung nur für Fluggäste, die von Motorluftfahrzeugen mit festen Tragflächen befördert werden, die von einem genehmigten Luftfahrtunternehmen ausgeführt werden. Sie gilt somit nicht für Hubschrauberdienste.

2.2.2.   Nichtanwendung auf Fluggäste, die kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif reisen, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar ist

Gemäß Artikel 3 Absatz 3 gilt die Verordnung nicht für Fluggäste, die kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif reisen, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar ist. Unter diese Bestimmung fallen Sondertarife, die die Luftfahrtunternehmen ihrem Personal anbieten. Gemäß Artikel 3 Absatz 3 gilt die Verordnung hingegen für Fluggäste, die mit Flugscheinen reisen, die als Prämie im Rahmen eines Kundenbindungsprogramms oder anderer Werbeprogramme ausgegeben wurden.

2.2.3.   Anwendung auf ausführende Luftfahrtunternehmen

Gemäß Artikel 3 Absatz 5 ist stets das ausführende Luftfahrtunternehmen für die Verpflichtungen im Rahmen der Verordnung verantwortlich und nicht beispielsweise ein anderes Luftfahrtunternehmen, das den Flugschein möglicherweise verkauft hat. Der Begriff „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ ist im Erwägungsgrund 7 dargelegt.

2.2.4.   Vorkommnisse, auf die Verordnung anwendbar ist

Die Verordnung bietet Fluggästen Schutz bei Nichtbeförderung, Annullierung, Verspätung, Höherstufung und Herabstufung. Diese Vorkommnisse, sowie die Ansprüche, die Fluggästen bei ihrem Eintreten zuerkannt werden, sind weiter unten beschrieben.

2.2.5.   Nichtanwendung der Verordnung auf multimodale Reisen

Multimodale Reisen mit mehr als einem Verkehrsträger im Rahmen eines einzigen Beförderungsvertrags fallen als solche nicht unter die Verordnung. Nähere Angaben hierzu sind in Abschnitt 6 enthalten.

2.2.6.   Anwendungsbereich der Verordnung in Bezug auf die Richtlinie über Pauschalreisen

Gemäß Artikel 3 Absatz 6 und dem Erwägungsgrund 16 der Verordnung gilt diese auch für in einer Pauschalreise enthaltene Flüge, außer in den Fällen, in denen eine Pauschalreise aus anderen Gründen als der Annullierung des Fluges annulliert wird. Darüber hinaus lassen die im Rahmen der Verordnung zuerkannten Rechte die aufgrund der Richtlinie über Pauschalreisen (21) bestehenden Fluggastrechte unberührt. Grundsätzlich stehen den Reisenden somit Rechte sowohl gegenüber dem Reiseveranstalter im Rahmen der Richtlinie über Pauschalreisen als auch gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunternehmen im Rahmen der Verordnung zu. Gemäß Artikel 14 Absatz 5 der Richtlinie (EU) 2015/2302 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, die ab dem 1. Juli 2018 vollständig anwendbar ist, lässt außerdem das Recht auf Schadenersatz oder Preisminderung nach der Richtlinie die Rechte von Reisenden nach der Verordnung unberührt, wobei jedoch spezifiziert wird, dass die nach den Verordnungen über die Rechte von Reisenden und nach der Richtlinie gewährten Schadenersatzzahlungen oder Preisminderungen voneinander in Abzug gebracht werden, um eine Überkompensation zu verhindern.

Weder die Verordnung noch die Richtlinie befasst sich jedoch mit der Frage, ob die Kosten der sich überschneidenden Verpflichtungen letztendlich vom Reiseveranstalter oder vom ausführenden Luftfahrtunternehmen zu übernehmen sind (22). Die Lösung eines solchen Problems hängt somit von den Bestimmungen der zwischen Reiseveranstaltern und Luftfahrtunternehmen geschlossenen Verträge und dem geltenden nationalen Recht ab. Diesbezügliche Vereinbarungen (einschließlich praktischer Regelungen zur Vermeidung von Überkompensation) dürfen die Möglichkeit des Fluggastes, sein Recht entweder beim Reiseveranstalter oder beim Luftfahrtunternehmen geltend zu machen und die entsprechenden Ansprüche erfüllt zu sehen, nicht beeinträchtigen.

3.   VORKOMMNISSE, DIE ANSPRÜCHE IM RAHMEN DER VERORDNUNG BEGRÜNDEN

3.1.   Nichtbeförderung

3.1.1.   Begriff „Nichtbeförderung“

Im Einklang mit Artikel 2 Buchstabe j der Verordnung schließt „Nichtbeförderung“ keine Situation ein, bei der vertretbare Gründe (z. B. im Zusammenhang mit der Gesundheit oder der allgemeinen oder betrieblichen Sicherheit oder unzureichenden Reisedokumenten) für die Weigerung gegeben sind, Fluggäste zu befördern, obwohl diese sich rechtzeitig für den Flug eingefunden haben. Der Begriff „Nichtbeförderung“ bezieht sich jedoch nicht nur auf Fälle der Überbuchung, sondern auch auf die Fälle, in denen die Beförderung aus anderen, beispielsweise betrieblichen Gründen verweigert wird (23).

Auf Reisen von behinderten Flugreisenden und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität wird in Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates (24) und in den einschlägigen Leitlinien (25) Bezug genommen, in denen die „Antworten auf Frage 4“ genau solche Fälle behandeln.

Wird ein Fluggast auf dem Rückflug nicht befördert, weil das ausführende Luftfahrtunternehmen den Hinflug annulliert und den Fluggast mit einem anderen Flug befördert hat, stellt dies eine Nichtbeförderung dar, aus der ein Anspruch auf eine zusätzliche Ausgleichsleistung erwächst.

Wird einem Fluggast mit einer Buchung, die einen Hin- und Rückflug umfasst, die Beförderung mit dem Rückflug verweigert, weil er den Hinflug nicht angetreten hatte („No-Show“), so stellt diese keine Nichtbeförderung im Sinne von Artikel 2 Buchstabe j dar. Gleiches gilt, wenn einem Fluggast mit einer Buchung, die aufeinanderfolgende Flüge umfasst, die Beförderung verweigert wird, weil er den vorangehenden Flug/die vorangehenden Flüge nicht angetreten hat. In diesen beiden Fällen gelten in der Regel die Geschäftsbedingungen für den gekauften Flugschein. Solche Praktiken sind jedoch möglicherweise nach nationalem Recht verboten. Verspätet sich der ursprüngliche Flug eines Fluggastes, der über eine bestätigte Buchung verfügt, und wird der Fluggast mit einem anderen Flug befördert, stellt dies keine Nichtbeförderung im Sinne von Artikel 2 Buchstabe j dar. Wenn ein Fluggast, der von einem Haustier begleitet wird, seine Reise nicht antreten kann, weil er nicht über die erforderlichen Dokumente für das Tier verfügt, kann dies ebenfalls nicht als Nichtbeförderung betrachtet werden. Werden Fluggäste jedoch wegen eines Irrtums nicht befördert, der dem Bodenpersonal bei der Kontrolle der Reisedokumente (einschließlich Visa) unterlaufen ist, so stellt dies eine Nichtbeförderung im Sinne von Artikel 2 Buchstabe j dar. Dies gilt allerdings nicht, wenn im Einklang mit Artikel 2 Buchstabe j das Luftfahrtunternehmen und sein Personal die Beförderung wegen Sicherheitsbedenken aus vertretbaren Gründen verweigern. Die Luftfahrtunternehmen sollten umfassend in der IATA-Datenbank Timatic oder durch Anfrage bei den öffentlichen Behörden (Botschaften und Außenministerien) der betreffenden Länder die Vorschriften der Bestimmungsländer für Reisedokumente und (Einreise-)Visa überprüfen, um die ungerechtfertigte Nichtbeförderung von Fluggästen zu verhindern. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass sie IATA/Timatic umfassende, aktuelle Informationen zu den Reiseunterlagen und vor allem zur Visapflicht oder Visabefreiung übermitteln.

3.1.2.   Ansprüche wegen Nichtbeförderung

Aus der Nichtbeförderung gegen den Willen des Fluggastes erwächst ein in Artikel 7 der Verordnung definierter „Ausgleichsanspruch“, also die Möglichkeit zu wählen zwischen Erstattung, anderweitiger Beförderung oder Umbuchung zu einem späteren Zeitpunkt gemäß Artikel 8 und ein Anspruch auf Betreuungsleistungen gemäß Artikel 9.

3.2.   Annullierung

3.2.1.   Definition der Annullierung

Artikel 2 Buchstabe l der Verordnung definiert eine „Annullierung“ als „die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war“.

Eine Annullierung liegt grundsätzlich dann vor, wenn die Planung des ursprünglichen Flugs aufgegeben wird und die Fluggäste dieses Flugs zu den Fluggästen eines anderen, ebenfalls — aber unabhängig vom ursprünglichen Flug — geplanten Flugs hinzukommen. Artikel 2 Buchstabe l erfordert keine ausdrückliche Entscheidung des Luftfahrtunternehmens, den Flug zu annullieren (26).

Dagegen ist der Gerichtshof (27) der Auffassung, dass auf der Grundlage der Anzeige einer „Verspätung“ oder einer „Annullierung“ auf der Anzeigetafel des Flughafens oder entsprechender Angaben des Personals des Luftfahrtunternehmens grundsätzlich nicht auf das Vorliegen einer Verspätung oder einer Annullierung eines Fluges geschlossen werden kann. Ausschlaggebend ist grundsätzlich auch nicht, dass den Fluggästen ihr Gepäck wieder ausgehändigt wird oder dass sie neue Bordkarten erhalten. Diese Umstände stehen nämlich in keinem Zusammenhang mit den objektiven Merkmalen des Fluges als solchen und können anderen Faktoren zuzuschreiben sein. Der Gerichtshof betonte konkrete Fälle, in denen die angekündigte „Verspätung“ oder „Annullierung“ eines Flugs „Fehlbeurteilungen oder Faktoren zuzuschreiben sein, die auf dem entsprechenden Flughafen vorherrschen, oder angesichts der Wartezeit und der Notwendigkeit, dass die betroffenen Fluggäste eine Nacht im Hotel verbringen, geboten sein kann“.

3.2.2.   Unterschied zwischen Annullierung und Verspätung

Um zu verhindern, dass Luftfahrtunternehmen einen Flug kontinuierlich als „verspätet“ anstatt als „annulliert“ bezeichnen, wurde es unbeschadet Absatz 3.3.1 für sinnvoll erachtet, den Unterschied zwischen „Annullierung“ und „Verspätung“ deutlich zu machen. In der Praxis kann ein Flug zwar generell als annulliert betrachtet werden, wenn sich die Flugnummer ändert, doch ist dies möglicherweise nicht immer ein maßgebliches Kriterium. Tatsächlich kann ein Flug so stark verspätet sein, dass er einen Tag nach dem geplanten Abflugtag abgeht und deswegen möglicherweise eine annotierte Flugnummer (z. B. XX 1234a statt XX 1234) erhält, um ihn von dem Flug mit derselben Nummer an diesem Folgetag zu unterscheiden. In diesem Fall könnte dies jedoch noch immer als Verspätung und nicht als Annullierung betrachtet werden. Dies sollte von Fall zu Fall geprüft werden.

3.2.3.   Fall eines Luftfahrzeugs, das zum Abflugsort zurückkehrt

Der Begriff „Annullierung“ gemäß Artikel 2 Buchstabe l der Verordnung schließt auch den Fall ein, dass ein Flugzeug startet, aber anschließend, aus welchen Gründen auch immer, zum Abflughafen zurückkehren muss, wo die Fluggäste dieses Flugzeugs auf andere Flüge umgebucht werden. Die Tatsache, dass der Start stattfand, das Flugzeug dann aber zum Ausgangsflughafen zurückkehrte, ohne den nach der Flugroute vorgesehenen Zielort erreicht zu haben, bedeutet nämlich, dass der ursprünglich geplante Flug nicht als ausgeführt gelten kann (28).

3.2.4.   Umgeleiteter Flug

Ein umgeleiteter Flug, bei dem der Fluggast letztendlich an einem anderen Flughafen ankommt als demjenigen, der in seinem ursprünglichen Reiseplan als Endziel angegeben ist, ist in gleicher Weise wie eine Annullierung zu behandeln, es sei denn

das Luftfahrtunternehmen bietet dem Fluggast bei der ersten Gelegenheit eine anderweitige Beförderung unter vergleichbaren Beförderungsbedingungen zum ursprünglichen Endziel oder zu jedem anderen mit dem Fluggast vereinbarten Zielort an; in diesem Fall kann der Flug schließlich als verspätet betrachtet werden,

der Ankunftsflughafen und der Flughafen des ursprünglichen Endziels bedienen dieselbe Stadt oder Region; dann kann der Flug schließlich als verspätet betrachtet werden. In diesem Fall ist Artikel 8 Absatz 3 entsprechend anwendbar.

3.2.5.   Beweislast im Falle einer Annullierung

Gemäß Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung trägt das Luftfahrtunternehmen die Beweislast dafür, ob und wann jeder Fluggast über die Annullierung unterrichtet wurde.

3.2.6.   Ansprüche wegen Annullierung

Bei Annullierung eines Flugs wird ein Anspruch auf Erstattung, anderweitige Beförderung oder einen Rückflug gemäß Artikel 8 der Verordnung, ein Anspruch auf Betreuungsleistungen gemäß Artikel 9 und nach Maßgabe von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c ein Anspruch auf Ausgleich gemäß Artikel 7 eingeräumt. Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c liegt das Prinzip zugrunde, dass ein Ausgleich zu zahlen ist, wenn der Fluggast nicht hinreichend früh über die Annullierung unterrichtet wurden.

Allerdings muss das Luftfahrtunternehmen Ausgleichszahlungen nicht leisten, wenn es im Einklang mit Artikel 5 Absatz 3 nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären (29).

3.3.   Verspätung

3.3.1.   Verspätung beim Abflug

Verzögert sich der Abflug, so haben die Fluggäste gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Anspruch auf „Betreuungsleistungen“ gemäß Artikel 9 sowie auf Erstattung und einen Rückflug gemäß Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a. Artikel 6 Absatz 1 liegt das Prinzip zugrunde, dass die Ansprüche von der Dauer der Verspätung und der Entfernung des Flugs abhängen. Diesbezüglich sei erwähnt, dass der Anspruch auf anderweitige Beförderung gemäß Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b nicht unter Artikel 6 Absatz 1 fällt, da davon ausgegangen werden kann, dass das Luftfahrtunternehmen sich erst bemüht, die Ursache der Verzögerung zu beseitigen, um die Unannehmlichkeiten für die Fluggäste zu minimieren.

3.3.2.   „Große Verspätung“ bei der Ankunft

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs erwachsen aus einem Zeitverlust von mindestens drei Stunden bei der Ankunft dieselben Ausgleichsansprüche wie bei einer Annullierung (30) (Einzelheiten siehe Abschnitt 4.4.5 über Ausgleichsleistungen).

3.3.3.   Ausmaß der Verspätung bei der Ankunft und Begriff der Ankunftszeit

Der Gerichtshof urteilte, dass der Begriff „Ankunftszeit“, der verwendet wird, um das Ausmaß der Fluggästen entstandenen Verspätung zu bestimmen, für den Zeitpunkt steht, zu dem mindestens eine der Flugzeugtüren geöffnet wird, insofern den Fluggästen in diesem Moment das Verlassen des Flugzeugs gestattet ist (31). Nach Auffassung der Kommission sollte das ausführende Luftfahrtunternehmen die Ankunftszeit auf Grundlage beispielsweise einer unterzeichneten Erklärung der Flugbesatzung oder des Abfertigers festhalten. Die Ankunftszeit sollte der nationalen Durchsetzungsbehörde und den Fluggästen auf Ersuchen kostenlos mitgeteilt werden, wenn sich das ausführende Luftfahrtunternehmen beim Nachweis der Einhaltung der Verordnung auf die Ankunftszeit stützen möchte.

3.4.   Höherstufung und Herabstufung

3.4.1.   Definition von Höherstufung und Herabstufung

Höherstufung bzw. Herabstufung ist in Artikel 10 Absatz 1 bzw. Absatz 2 der Verordnung definiert.

3.4.2.   Ansprüche bei Höherstufung oder Herabstufung

Im Falle einer Höherstufung darf ein Luftfahrtunternehmen keinerlei Aufschlag oder Zuzahlung erheben. Für den Fall einer Herabstufung sieht Artikel 10 Absatz 2 Buchstaben a bis c der Verordnung einen Ausgleich in Form der Erstattung eines Prozentsatzes des Flugscheinpreises vor.

Die Definition von Herabstufung (bzw. Höherstufung) bezieht sich auf die Beförderungsklasse, für die der Flugschein erworben wurde, und nicht auf etwaige Vorteile, die im Rahmen eines Kundenbindungsprogramms oder eines anderen Werbeprogramms von einem Luftfahrtunternehmen oder Reiseunternehmen angeboten werden.

4.   FLUGGASTRECHTE

4.1.   Recht auf Information

4.1.1.   Allgemeines Recht auf Information

Gemäß Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung muss bei der Abfertigung ein Hinweis für die Fluggäste deutlich sichtbar angebracht sein. Dieser Hinweis sollte in gedruckter oder elektronischer Form in so vielen relevanten Sprachen wie möglich angezeigt werden. Dies gilt nicht nur für die Abfertigung am Flughafenschalter, sondern auch für Kiosks im Flughafen und online.

Erteilt ein Luftfahrtunternehmen den einzelnen Fluggästen oder allgemein durch Anzeigen in den Medien oder Veröffentlichungen auf seiner Website unvollständige, irreführende oder falsche Auskünfte über ihre Rechte, so sollte dies als Verstoß gegen die Verordnung gemäß Artikel 15 Absatz 2 in Verbindung mit dem Erwägungsgrund 20 betrachtet werden. Außerdem kann dies als unlautere oder irreführende Geschäftspraxis im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern gemäß der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (32) betrachtet werden.

4.1.2.   Bei Verspätung bereitzustellende Informationen

Gemäß Artikel 14 Absatz 2 der Verordnung muss ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das Fluggästen die Beförderung verweigert oder einen Flug annulliert, jedem betroffenen Fluggast einen schriftlichen Hinweis aushändigen, in dem die Regeln für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen dargelegt werden. Die Bestimmung sieht außerdem vor, dass das Luftfahrtunternehmen „allen von einer Verspätung um mindestens zwei Stunden betroffenen Fluggästen einen entsprechenden Hinweis aushändigt“. Die Vorschrift, betroffenen Fluggästen eine ausführliche schriftliche Erklärung ihrer Rechte auszuhändigen, gilt somit ausdrücklich für Fälle der Nichtbeförderung, Annullierung und Verspätung. Da sich eine Verspätung beim Abflug, aber auch am Endziel ergeben kann, sollten die ausführenden Luftfahrtunternehmen sich auch bemühen, die Fluggäste informieren, die von einer Verspätung von mindestens drei Stunden am Endziel betroffen sind. Nur dann kann jeder Fluggast im Einklang mit den ausdrücklichen Vorschriften von Artikel 14 Absatz 2 ordnungsgemäß informiert werden (33). Ein solches Vorgehen steht voll und ganz mit dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Sturgeon (34) im Einklang, demzufolge Fluggäste, die einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs gemäß Artikel 7 der Verordnung den Fluggästen annullierter Flüge gleichzustellen sind.

Dies gilt unbeschadet sonstiger EU-rechtlicher Informationspflichten, insbesondere Artikel 8 Absatz 2 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (35) und Artikel 7 Absatz 4 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken. Das Vorenthalten wesentlicher und die Bereitstellung irreführender Informationen zu den Rechten der Fluggäste kann ebenfalls eine unlautere oder irreführende Praxis im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern gemäß der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern darstellen.

4.2.   Anspruch auf Erstattung, anderweitige Beförderung oder Umbuchung bei Nichtbeförderung oder Annullierung

Gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung müssen Luftfahrtunternehmen drei Möglichkeiten zur Wahl stellen: i) Erstattung der Flugscheinkosten (36) und, im Fall von Umsteigeverbindungen, ein Rückflug zum ersten Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt, ii) anderweitige Beförderung zum Endziel zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder iii) anderweitige Beförderung zum Endziel zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze. Grundsätzlich gilt, dass der Fluggast sich, wenn er über die Annullierung unterrichtet und ordnungsgemäß über seine Wahlmöglichkeiten informiert wird, für eine der gemäß Artikel 8 Absatz 1 gebotenen Wahlmöglichkeiten entscheiden muss. Sobald sich der Fluggast in solchen Fällen für eine der drei Optionen gemäß Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a, b oder c entschieden hat, ist das Luftfahrtunternehmen von den Verpflichtungen im Zusammenhang mit den anderen beiden Optionen entbunden. Die Verpflichtung zur Ausgleichsleistung gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c in Verbindung mit Artikel 7 kann jedoch weiterhin gegeben sein.

Das Luftfahrtunternehmen sollte gleichzeitig die Erstattung oder eine anderweitige Beförderung zur Wahl stellen. Im Falle von Umsteigeverbindungen sollte das Luftfahrtunternehmen die Erstattung, einen Rückflug zum Ausgangsflughafen oder eine anderweitige Beförderung zur Wahl stellen. Das Luftfahrtunternehmen muss die Kosten für die anderweitige Beförderung oder einen Rückflug tragen und dem Fluggast die Kosten für einen Rückflug erstatten, wenn das Luftfahrtunternehmen seiner Verpflichtung nicht nachkommt, eine anderweitige Beförderung oder einen Rückflug unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt anzubieten. Wenn das Luftfahrtunternehmen keine Wahl zwischen Erstattung oder anderweitiger Beförderung oder, im Falle von Umsteigeverbindungen, Erstattung, Rückflug zum Ausgangsflughafen oder anderweitiger Beförderung bietet, sondern einseitig beschließt, dem Fluggast die Kosten zu erstatten, hat letzterer Anspruch auf eine weitere Erstattung der Differenz zum Preis des neuen Flugscheins unter vergleichbaren Reisebedingungen.

Hat allerdings ein Luftfahrtunternehmen nachweislich einen Fluggast, der zur Angabe seiner persönlichen Kontaktdaten bereit war, kontaktiert und sich bemüht, ihm die gemäß Artikel 8 verlangten Unterstützungsleistungen zu erbringen, und der Fluggast hat dennoch seine eigenen Vorkehrungen für seine Unterstützung oder anderweitige Beförderung getroffen, dann kann das Luftfahrtunternehmen die Verantwortung für etwaige Zusatzkosten, die dem Fluggast entstehen, ablehnen und deren Erstattung verweigern.

Wird Fluggästen die Fortsetzung der Reise oder eine anderweitige Beförderung angeboten, so muss dies stets „unter vergleichbaren Reisebedingungen“ erfolgen. Die Vergleichbarkeit der Reisebedingungen hängt von verschiedenen Faktoren ab und muss von Fall zu Fall entschieden werden. Je nach Situation werden folgende bewährte Praktiken empfohlen:

nach Möglichkeit keine Herabstufung in eine niedrigere Klasse als die der Buchung (im Falle der Herabstufung ist die in Artikel 10 genannte Ausgleichsleistung anwendbar);

anderweitige Beförderung ohne Zusatzkosten, selbst wenn Fluggäste von einem anderen Luftfahrtunternehmen oder mit einem anderen Verkehrsträger oder in einer höheren Klasse oder zu einem höheren Preis, als für die ursprüngliche Leistung gezahlt wurde, befördert werden;

es sind angemessene Bemühungen zu unternehmen, um zusätzliches Umsteigen zu vermeiden;

bei Nutzung eines anderen Luftfahrtunternehmens oder Verkehrsträgers für den nicht planmäßig durchgeführten Reiseabschnitt sollte die Gesamtreisezeit in derselben oder erforderlichenfalls in einer höheren Klasse möglichst in etwa der ursprünglichen planmäßigen Reisedauer entsprechen;

sind mehrere Flüge mit vergleichbaren Zeitplänen verfügbar, sollten Fluggäste mit dem Anspruch auf anderweitige Beförderung das Beförderungsangebot des Luftfahrtunternehmens auch mit den Luftfahrtunternehmen annehmen, die mit dem ausführenden Unternehmen zusammenarbeiten;

wurden für die ursprüngliche Reise Hilfeleistungen für Menschen mit Behinderungen oder Menschen mit eingeschränkter Mobilität gebucht, so sollten diese Leistungen auch auf der Alternativstrecke zur Verfügung stehen.

Ein neuer Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 gilt für den anderweitigen, gemäß Artikel 8 Buchstabe 1 Buchstabe b oder c akzeptierten Flug, sollte dieser ebenfalls annulliert werden oder verspätet ankommen (siehe Abschnitt 4.4.11). Die Kommission empfiehlt, den Fluggästen ihre Wahlmöglichkeit verständlich darzulegen, wenn Unterstützungsleistungen zu erbringen sind.

Hat ein Fluggast den Hin- und den Rückflug gesondert bei verschiedenen Luftfahrtunternehmen gebucht und wird der Hinflug annulliert, so ist die Erstattung nur für diesen Flug fällig. Im Falle von zwei Flügen, die Teil desselben Vertrags sind, aber dennoch von verschiedenen Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden, sollten den Fluggästen zusätzlich zur ihrem Anspruch auf Ausgleich durch das ausführende Luftfahrtunternehmen bei der Annullierung des Hinflugs zwei Optionen zur Wahl gestellt werden: i) Erstattung der gesamten Flugreise (also Hin- und Rückflug) oder ii) anderweitige Beförderung mit einem anderen Hinflug.

4.3.   Anspruch auf Betreuungsleistungen bei Nichtbeförderung, Annullierung oder Verspätung beim Abflug

4.3.1.   Der Begriff „Anspruch auf Betreuungsleistungen“

Einigt sich der Fluggast nach einer Nichtbeförderung, Annullierung oder Verspätung des Abflugs mit dem Luftfahrtunternehmen auf eine anderweitige Beförderung zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes (Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe c), so endet sein Anspruch auf Betreuungsleistungen. Der Anspruch auf Betreuungsleistungen besteht nur so lange, wie die Fluggäste auf eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt (Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b) oder auf einen Rückflug (Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a zweiter Gedankenstrich) warten.

4.3.2.   Bereitstellung von Mahlzeiten, Erfrischungen und Unterbringung

Die Verordnung soll sicherstellen, dass Fluggästen, die auf ihren Rückflug oder eine anderweitige Beförderung warten, adäquat betreut werden. Der Umfang adäquater Betreuung muss auf Einzelfallbasis unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Fluggäste unter den gegebenen Umständen und des Prinzips der Verhältnismäßigkeit (d. h. abhängig von der Wartezeit) geprüft werden. Der Preis des Flugscheins oder die vorübergehende Natur der Unannehmlichkeit sollte keinen Einfluss auf den Anspruch auf Betreuung haben.

In Bezug auf Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a (Mahlzeiten und Erfrischungen) bedeutet nach Auffassung der Kommission der Ausdruck „in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit“, dass die ausführenden Luftfahrtunternehmen Fluggäste entsprechend der erwarteten Dauer der Verspätung und der Tages- oder Nachtzeit, zu der sie eintritt, betreuen und unter Beachtung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit die Unannehmlichkeiten für die Fluggäste so weit wie möglich reduzieren sollten. Dies gilt auch in Umsteigeflughäfen im Falle von Anschlussflügen. Auf die Bedürfnisse von Personen mit Behinderungen oder mit eingeschränkter Mobilität und von Kindern ohne Begleitung ist dabei besonders zu achten.

Darüber hinaus sollten den Fluggästen die Betreuungsleistungen kostenlos, klar und einfach zugänglich angeboten werden, einschließlich über elektronische Kommunikationsmittel, wenn Fluggäste zur Angabe ihrer persönlichen Kontaktdaten bereit waren. Anderenfalls sollten Fluggäste bei Störungen der Reise mit dem ausführenden Luftfahrtunternehmen Kontakt aufnehmen. Das bedeutet, dass es nicht den Fluggästen überlassen werden sollte, selbst Vorkehrungen zu treffen (z. B. die Unterkunft oder Mahlzeiten selbst zu organisieren und zu bezahlen). Die ausführenden Luftfahrtunternehmen sind vielmehr verpflichtet, aktiv Betreuung anzubieten. Die ausführenden Luftfahrtunternehmen sollten auch sicherstellen, dass die Unterkunft nach Verfügbarkeit auch für Menschen mit Behinderungen und ihre Begleithunde zugänglich ist.

Wird keine Betreuung angeboten, obwohl die Verpflichtung dazu bestand, können Fluggäste die ihnen entstandenen Ausgaben für Mahlzeiten und Erfrischungen, Hotelunterkunft, die Beförderung zwischen dem Flughafen und dem Ort der Unterkunft und/oder für Telekommunikationsdienste vom Luftfahrtunternehmen erstattet bekommen, sofern sie notwendig, angemessen und zumutbar sind (37).

Lehnt ein Fluggast das angemessene Betreuungsangebot des Luftfahrtunternehmens gemäß Artikel 9 ab und trifft stattdessen seine eigenen Vorkehrungen, ist das Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet, ihm seine Ausgaben zu erstatten, es sei denn, dies ist durch nationales Recht oder eine vorab getroffene Übereinkunft mit dem Luftfahrtunternehmen anders geregelt. Aus Gründen der Gleichbehandlung der Fluggäste kann in jedem Fall höchstens der Betrag erstattet werden, der dem vorgenannten „angemessenen Angebot“ des Luftfahrtunternehmens entspricht. Die Fluggäste sollten zudem alle Quittungen für die getätigten Ausgaben aufbewahren. Die Fluggäste haben jedoch keinen Anspruch auf Schäden, die auf mangelnde Betreuung zurückzuführen sind, wenn sie keine Ausgaben getätigt haben.

Fluggäste, die meinen, Anspruch auf eine höhere Kostenerstattung oder auf Ersatz für durch die Verspätung verursachte Schäden, einschließlich Ausgaben, zu haben, sind weiterhin berechtigt, ihre Forderungen auf das Übereinkommen von Montreal und auf Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 zu stützen und in einem nationalen Gerichtsverfahren gegen das Luftfahrtunternehmen zu klagen oder sich an die nationale Durchsetzungsstelle zu wenden. In einigen Mitgliedstaaten müssen die Fluggäste auf die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten zurückgreifen (siehe Absatz 7.3).

Es ist zu berücksichtigen, dass gemäß dem Erwägungsgrund 18 der Verordnung die Betreuung eingeschränkt oder abgelehnt werden kann, wenn sie ihrerseits für Fluggäste, die auf einen Alternativflug oder einen verspäteten Flug warten, zu einer weiteren Verzögerung führen würde. Ist ein Flug am späten Abend verspätet, doch kann erwartet werden, dass er innerhalb weniger Stunden abgeht, könnte die Verspätung sehr viel größer werden, wenn Fluggäste in Hotels und mitten in der Nacht wieder zurück zum Flughafen gebracht werden müssen. In diesem Fall sollte ein Luftfahrtunternehmen die Möglichkeit haben, diese Betreuung zu unterlassen. Auch wenn ein Luftfahrtunternehmen im Begriff ist, Gutscheine für Mahlzeiten und Getränke auszugeben und dann erfährt, dass für den Flug an Bord gegangen werden kann, sollte es von dieser Betreuung absehen können. Von diesen Fällen abgesehen, vertritt die Kommission die Auffassung, dass diese Einschränkung nur in seltenen Sonderfällen angewandt werden sollte, da jede Anstrengung unternommen werden sollte, um die Unannehmlichkeiten für die Fluggäste zu reduzieren.

Der in der Verordnung vorgesehene Anspruch auf Betreuung gilt unbeschadet der Verpflichtungen von Reiseveranstaltern im Rahmen der Vorschriften für Pauschalreisen.

4.3.3.   Betreuung unter außergewöhnlichen Umständen oder bei außergewöhnlichen Vorfällen

Gemäß der Verordnung ist das Luftfahrtunternehmen zur Erbringung von Betreuungsleistungen verpflichtet, selbst wenn die Annullierung eines Flugs auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, also auf Umstände, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Die Verordnung enthält keine Hinweis darauf, dass über die in ihrem Artikel 5 Absatz 3 genannten „außergewöhnlichen Umstände“ hinaus eine gesonderte Kategorie von „besonders außergewöhnlichen“ Vorkommnissen anerkannt würde, aufgrund deren die Luftfahrtunternehmen von allen ihren Verpflichtungen einschließlich derjenigen nach Artikel 9 dieser Verordnung freigestellt würden, auch wenn diese einen längeren Zeitraum betreffen, da die Fluggäste unter solchen Umständen und bei solchen Vorkommnissen besonders schutzbedürftig sind (38).

Die Intention der Verordnung ist es sicherzustellen, dass Fluggäste bei außergewöhnlichen Vorkommnissen angemessen betreut werden, insbesondere wenn sie auf anderweitige Beförderung gemäß Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b warten. Fluggesellschaften sollten jedoch keine Sanktionen auferlegt werden, wenn sie nachweisen können, dass sie angesichts der besonderen Umstände der Vorkommnisse und nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ihr Möglichstes getan haben, um ihren Verpflichtungen gemäß der Verordnung nachzukommen. Die nationalen Durchsetzungsstellen sollten allerdings Sanktionen verhängen, wenn sie zu der Auffassung gelangen, dass ein Luftfahrtunternehmen solche Vorkommnisse genutzt hat, um sich seinen Verpflichtungen gemäß der Verordnung zu entziehen.

4.4.   Anspruch auf Ausgleichsleistungen bei Nichtbeförderung, Annullierung, Verspätung bei der Ankunft, anderweitiger Beförderung und auf Erstattung bei Herabstufung

A.    Ausgleich bei Nichtbeförderung

4.4.1.   Ausgleich, Nichtbeförderung und außergewöhnliche Umstände

Artikel 2 Buchstabe j und Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung sind dahin auszulegen, dass bei Nichtbeförderung stets ein Ausgleichsanspruch besteht und dass Luftfahrtunternehmen keinesfalls eine Nichtbeförderung schlüssig rechtfertigen und sich der Ausgleichszahlung für Fluggäste entziehen können, indem sie sich auf außergewöhnliche Umstände berufen (39).

4.4.2.   Ausgleich, Nichtbeförderung und Anschlussflüge

Fluggäste mit Anschlussflügen müssen einen Ausgleich erhalten, wenn ein Luftfahrtunternehmen im Rahmen eines einheitlichen Beförderungsvertrags, der mehrere aufeinanderfolgende und durchabgefertigte Flüge umfasst, bestimmten Fluggästen die Beförderung verweigert, weil es auf dem ersten in ihrer Buchung ausgewiesenen Flug zu einer von diesem Unternehmen zu vertretenden Verspätung gekommen ist und das Unternehmen irrig angenommen hat, die Fluggäste würden den zweiten Flug nicht rechtzeitig erreichen (40). Haben Fluggäste hingegen zwei gesonderte Flugscheine für zwei aufeinanderfolgende Flüge, und bewirkt die Verspätung des ersten Flugs, dass sie nicht rechtzeitig für den Anschlussflug abgefertigt werden können, so ist das Luftfahrtunternehmen, das den Anschlussflug ausführt, nicht verpflichtet, eine Ausgleichszahlung zu leisten. Beträgt die Verspätung des ersten Fluges allerdings mehr als drei Stunden, so haben die Fluggäste Anspruch auf einen Ausgleich von dem Luftfahrtunternehmen, das den ersten Flug ausführt.

4.4.3.   Höhe des Ausgleichs

Der Ausgleich wird im Einklang mit Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung berechnet. Er kann um 50 % gekürzt werden, wenn die Bedingungen von Artikel 7 Absatz 2 erfüllt sind.

B.    Ausgleich bei Annullierung

4.4.4.   Allgemeiner Fall

Bei einer Annullierung unter den Bedingungen von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung ist ein Ausgleich fällig, es sei denn, die Annullierung geht gemäß Artikel 5 Absatz 3 auf außergewöhnliche Umstände zurück, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären (Näheres zu außergewöhnlichen Umständen siehe Abschnitt 5).

4.4.5.   Höhe des Ausgleichs

Der Ausgleich wird im Einklang mit Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung berechnet. Er kann um 50 % gekürzt werden, wenn die Bedingungen von Artikel 7 Absatz 2 erfüllt sind.

C.    Ausgleich bei Verspätung

4.4.6.   „Große Verspätung“ bei der Ankunft

Hinsichtlich „großer Verspätungen“ hat der Gerichtshof geurteilt, dass Fluggäste, einschließlich solcher, die von einer Verspätung betroffen sind, einen ähnlichen Schaden in Form eines Zeitverlustes erleiden wie Fluggäste, deren Flug annulliert wurde (41). Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz haben Fluggäste, die ihr Endziel mit einer Verspätung von drei oder mehr Stunden erreichen, Anspruch auf denselben Ausgleich (Artikel 7) wie Fluggäste, deren Flug annulliert wurde. Der Gerichtshof stützte sein Urteil überwiegend auf Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer iii der Verordnung, in dem der Unionsgesetzgeber die rechtlichen Konsequenzen (einschließlich Ausgleichsanspruch) für Fluggäste zieht, deren Flug annulliert wurde und denen das Luftfahrtunternehmen keine anderweitige Beförderung anbietet, die es ihnen ermöglicht, höchstens eine Stunde vor der geplanten Abflugzeit abzufliegen und weniger als zwei Stunden nach der geplanten Ankunftszeit an ihrem Endziel anzukommen. Der Gerichtshof schloss daraus, dass der Ausgleichsanspruch gemäß Artikel 7 der Verordnung darauf abzielt, einen Zeitverlust von mindestens drei Stunden zu kompensieren. Eine solche Verspätung führt allerdings dann nicht zu einem Ausgleichsanspruch zugunsten der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären (42) (Näheres zu außergewöhnlichen Umständen siehe Abschnitt 5).

4.4.7.   Ausgleich bei verspäteter Ankunft im Falle von Anschlussflügen

Nach Auffassung des Gerichtshofs (43) muss für die Zwecke der in Artikel 7 der Verordnung vorgesehenen Ausgleichszahlung eine Verspätung gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit am Endziel nach der Definition in Artikel 2 Buchstabe h der Verordnung, d. h. dem Zielort des letzten Fluges des betreffenden Fluggasts, festgestellt werden.

Im Einklang mit Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a sollten Fluggäste, die einen Anschlussflug innerhalb der EU oder die mit einem Flug, der von einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats abging, einen Anschlussflug außerhalb der EU verpasst haben, Anspruch auf eine Ausgleichszahlung haben, wenn sie ihr Endziel mit einer Verspätung von mehr als drei Stunden erreichen. Dabei ist nicht von Belang, ob es sich bei dem Luftfahrtunternehmen, das die Verbindungsflüge ausführt, um ein EU-Unternehmen handelt oder nicht.

Im Falle von Fluggästen, die im Einklang mit Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b von einem Flughafen im einem Drittland einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats als Endziel antreten, bei dem die direkten Anschlussflüge nacheinander von einem Drittlandsluftfahrtunternehmen und einem EU-Unternehmen oder ausschließlich von EU-Luftfahrtunternehmen ausgeführt werden, sollte der Anspruch auf eine Ausgleichszahlung bei großer Verspätung bei der Ankunft am Endziel nur in Bezug auf von EU-Unternehmen ausgeführte Flüge geprüft werden.

Werden Anschlussflüge wegen beträchtlicher Verzögerungen bei Sicherheitskontrollen verpasst oder weil die Fluggäste die Einstiegszeit für ihren Flug am Umsteigeflughafen nicht beachtet haben, so entsteht daraus kein Ausgleichsanspruch.

4.4.8.   Ausgleich für verspätete Ankunft, wenn ein Fluggast einen Flug zu einem anderen Flughafen als den seiner Buchung akzeptiert

In einem solchen Fall ist ein Ausgleich zu leisten. Die für die Berechnung der Verspätung herangezogene Ankunftszeit ist die tatsächliche Zeit der Ankunft am Flughafen, der in der ursprünglichen Buchung vorgesehen war, oder an einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem Fluggast vereinbarten Zielort gemäß Artikel 8 Absatz 3 der Verordnung. Die Kosten für die Beförderung vom alternativen Flughafen zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Flughafen oder zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem Fluggast vereinbarten Zielort sollten vom ausführenden Luftfahrtunternehmen getragen werden.

4.4.9.   Höhe des Ausgleichs

Beträgt bei einer Reise von mehr als 3 500 km, die über einen Flughafen außerhalb der EU geht, die Verspätung weniger als vier Stunden, so kann die Ausgleichszahlung um 50 % gekürzt werden und beträgt daher bei Anwendung von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung 300 EUR (44).

4.4.10.   Berechnung der Entfernung auf Basis der „Reise“ zwecks Festlegung des Ausgleichs bei großer Verspätung am Endziel

In der Rechtssache Folkerts (45) wurde ausdrücklich auf den Begriff „Reise“ als mehrere Anschlussflüge umfassend Bezug genommen. Das „Endziel“ ist in Artikel 2 Buchstabe h der Verordnung als der Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen der Zielort des letzten Fluges definiert. Gemäß Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung sollte die Entfernung, die bei großer Verspätung bei der Ankunft für den zu leistenden Ausgleich maßgeblich ist, nach der Methode der Großkreisentfernung zwischen dem Abflugsort und dem Endziel, also für die „Reise“, ermittelt werden und nicht durch Addition der Großkreisentfernungen der einzelnen relevanten Anschlussflüge, die die „Reise“ bilden.

D.    Erstattung bei Herabstufung

4.4.11.   Berechnung des Betrags

Im Einklang mit Artikel 10 der Verordnung ist eine Erstattung nur für den Flug zu leisten, für den der Fluggast herabgestuft wurde, und nicht für die gesamte in einem einzigen Flugschein enthaltene Reise, die zwei oder mehr Anschlussflüge umfassen kann. Die genannte Erstattung sollte innerhalb von sieben Tagen geleistet werden.

5.   AUSSERGEWÖHNLICHE UMSTÄNDE

5.1.   Grundsatz

Gemäß Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung ist ein Luftfahrtunternehmen bei einer Annullierung oder Verspätung bei der Ankunft nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung oder Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

Um von der Ausgleichzahlung entbunden zu sein, muss das Luftfahrtunternehmen daher gleichzeitig Folgendes nachweisen:

das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände und den Zusammenhang mit der Verspätung oder Annullierung und

die Tatsache, dass die Verspätung oder Annullierung nicht hätte vermieden werden können, obwohl es alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat.

Bestimmte außergewöhnliche Umstände können mehr als eine Annullierung oder Verspätung am Endziel bewirken, wie beispielsweise eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements gemäß dem Erwägungsgrund 15 der Verordnung.

Als Ausnahme von einem Grundsatz, d. h. Zahlung eines Ausgleichs, der das Ziel des Verbraucherschutzes widerspiegelt, muss dies eng ausgelegt werden (46). Deswegen sind nicht alle außergewöhnlichen Umstände, die mit im Erwägungsgrund 14 aufgeführten Vorkommnissen einhergehen, unbedingt Gründe für eine Befreiung von der Ausgleichspflicht, sondern machen eine Einzelfallprüfung erforderlich (47). Schließlich müssen sich bei technischen Problemen die außergewöhnlichen Umstände auf ein Vorkommnis beziehen, das zwei kumulative Bedingungen erfüllen muss. Es ist erstens nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens; und es ist zweitens aufgrund seiner Natur oder Ursache von dem Unternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen (48).

Luftfahrtunternehmen können interne Nachweise (Auszüge aus Logbüchern oder Meldungen von Vorfällen) und/oder externe Unterlagen und Erklärungen beibringen. Wird in der Antwort an den Fluggast und/oder an die nationale Durchsetzungsstelle auf einen solchen Nachweis verwiesen, sollten diese außerdem mitgeliefert werden. Will ein Luftfahrtunternehmen außergewöhnliche Umstände geltend machen, sollte es der nationalen Durchsetzungsstelle und den Fluggästen den entsprechenden Nachweis im Einklang mit nationalen Vorschriften für den Zugang zu Dokumenten kostenlos zur Verfügung stellen.

5.2.   Technische Defekte

Der Gerichtshof (49) hat weiter ausgeführt, dass technische Probleme, die sich bei der Wartung von Flugzeugen zeigen oder infolge einer unterbliebenen Wartung auftreten, nicht als „außergewöhnliche Umstände“ angesehen werden können. Nach Auffassung des Gerichtshofs fällt sogar ein technisches Problem, das spontan auftrat und weder auf eine fehlerhafte Wartung zurückzuführen war noch während einer regulären Wartung festgestellt wurde, nicht unter die Definition „außergewöhnliche Umstände“, wenn es Teil der Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens ist. So kann ein Ausfall, wie der in dem betreffenden Verfahren in Rede stehende, der durch das vorzeitige Auftreten von Mängeln an bestimmten Teilen eines Flugzeugs hervorgerufen wurde, zwar ein unerwartetes Vorkommnis darstellen. Dennoch bleibt ein solcher Ausfall untrennbar mit dem sehr komplexen System zum Betrieb des Flugzeugs verbunden, das vom Luftfahrtunternehmen oft unter schwierigen oder gar extremen Bedingungen, insbesondere Wetterbedingungen, betrieben wird, wobei kein Teil eines Flugzeugs eine unbegrenzte Lebensdauer hat. Daher ist davon auszugehen, dass dieses unerwartete Vorkommnis im Rahmen der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens Teil der normalen Ausübung seiner Tätigkeit ist (50). Ein versteckter Fabrikationsfehler, der vom Hersteller des Luftfahrzeugs oder einer zuständigen Behörde bekannt gemacht wird, oder durch Sabotageakte oder terroristische Handlungen verursachte Schäden an den Flugzeugen würden hingegen als außergewöhnliche Umstände gelten.

5.3.   Kollision eines Treppenfahrzeugs mit einem Flugzeug

Der Gerichtshof (51) hat klargestellt, dass die Kollision eines Treppenfahrzeugs mit einem Flugzeug nicht als „außergewöhnliche Umstände“ qualifiziert werden kann, die das Luftfahrtunternehmen von seiner Zahlungspflicht gemäß Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung befreien. Treppenfahrzeuge oder Gangways können bei der Beförderung von Fluggästen als unverzichtbar betrachtet werden, so dass Luftfahrtunternehmen regelmäßig mit Situationen konfrontiert sind, die sich aus dem Einsatz solcher Ausrüstung ergeben. Ein Zusammenstoß zwischen einem Flugzeug und einem Treppenfahrzeug ist daher als ein Vorkommnis anzusehen, das Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens ist. Außergewöhnliche Umstände lägen beispielsweise vor, wenn der Schaden an dem Flugzeug durch einen außerhalb der normalen Flughafendienstleistungen liegenden Akt wie einen Sabotageakt oder eine terroristische Handlung verursacht worden wäre.

5.4.   Flughafenüberlastung wegen schlechter Wetterbedingungen

Gemäß dem Erwägungsgrund 14 der Verordnung lägen in dem Fall, dass ein ausführendes Luftfahrtunternehmen einen Flug an einem wegen schlechter Wetterbedingungen und der dadurch verursachten Kapazitätsengpässe überlasteten Flughafen verschieben oder annullieren muss, außergewöhnliche Umstände vor.

5.5.   Zumutbare Maßnahmen, die von einem Luftfahrtunternehmen im Falle von außergewöhnlichen Umständen erwartet werden können

Um von seiner Ausgleichspflicht befreit zu werden, muss ein Luftfahrtunternehmen jedes Mal, wenn außergewöhnliche Umstände eintreten, nachweisen, dass es diese nicht hätte vermeiden können, auch wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

Darüber hinaus kam der Gerichtshof (52) zu dem Schluss, dass nach Artikel 5 Absatz 3 der Verordnung von einem Luftfahrtunternehmen verlangt werden kann, seine Mittel rechtzeitig zu planen, um in der Lage zu sein, den vorgesehenen Flug nach dem Wegfall der außergewöhnlichen Umstände durchzuführen, d. h. innerhalb einer bestimmten Zeitspanne nach der planmäßigen Abflugzeit. Das Luftfahrtunternehmen sollte insbesondere über eine gewisse Zeitreserve verfügen, um den Flug möglichst bald nach dem Wegfall der außergewöhnlichen Umstände durchführen zu können. Eine solche Zeitreserve wird auf Einzelfallbasis beurteilt. Artikel 5 Absatz 3 kann jedoch nicht dahin ausgelegt werden, dass im Rahmen der „zumutbaren Maßnahmen“ eine Pflicht besteht, allgemein und undifferenziert eine Mindest-Zeitreserve einzuplanen, die für sämtliche Luftfahrtunternehmen unterschiedslos in allen Situationen des Eintritts außergewöhnlicher Umstände gilt. Diesbezüglich dürften am Heimatflughafen bedeutendere Mittel vorhanden sein als an auswärtigen Zielorten, weswegen dort die Folgen außergewöhnlicher Umstände eher begrenzt werden können. Bei der Beurteilung der Fähigkeit des Luftfahrtunternehmens, den geplanten Flug insgesamt unter den neuen Bedingungen aufgrund des Eintritts dieser Umstände durchzuführen, ist darauf zu achten, dass der Umfang der geforderten Zeitreserve dem Luftfahrtunternehmen keine Opfer abverlangt, die angesichts seiner Kapazitäten zum jeweiligen Zeitpunkt nicht tragbar sind.

Was technische Defekte anbelangt, so reicht allein der Umstand, dass ein Luftfahrtunternehmen die gesetzlich vorgeschriebenen Mindesterfordernisse an Wartungsarbeiten an einem Flugzeug durchgeführt hat, nicht für den Nachweis, dass dieses Unternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, und somit für seine Befreiung von der Ausgleichspflicht (53).

6.   AUSGLEICH, ERSTATTUNG, ANDERWEITIGE BEFÖRDERUNG UND BETREUUNG BEI MULTIMODALEN REISEN

Multimodale Reisen mit mehr als einem Verkehrsträger im Rahmen eines einheitlichen Beförderungsvertrags (z. B. kombinierte Bahn-/Flugreisen, die als eine Reise verkauft werden), fallen als solche weder unter die Verordnung, noch unter andere EU-Rechtsvorschriften über Fahrgastrechte bei anderen Verkehrsträgern. Verpasst ein Fluggast wegen einer Zugverspätung einen Flug, hätte er nur Anspruch auf den Ausgleich und die Hilfeleistungen im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates (54) in Bezug auf die Bahnreise und auch nur dann, wenn er mit einer Verspätung von mehr als 60 Minuten am Zielort ankommt (55). In gleicher Weise wären im Falle eines wegen einer verspäteten Schiffs- oder Busfahrt im Rahmen eines einzigen Beförderungsvertrags verpassten Flugs andere Bestimmungen anwendbar (56). Im Rahmen der Richtlinie 90/314/EWG oder der Richtlinie (EU) 2015/2302 sind Reiseveranstalter möglicherweise auch für verpasste Flüge und deren Auswirkungen auf die gesamte Pauschalreise haftbar, wenn die multimodale Reise Teil einer Kombination mit anderen Reisedienstleistungen wie z. B. Unterkunft ist.

7.   BESCHWERDEN BEI NATIONALEN DURCHSETZUNGSSTELLEN, STELLEN FÜR ALTERNATIVE STREITBEILEGUNG (AS-STELLEN)  (57) UND VERBRAUCHERSCHUTZ IM RAHMEN DER VERORDNUNG ÜBER DIE ZUSAMMENARBEIT IM VERBRAUCHERSCHUTZ  (58)

7.1.   Beschwerden bei nationalen Durchsetzungsstellen

Um die effiziente Durchführung der Beschwerdeverfahren zu gewährleisten und ein sicheres rechtliches Umfeld für Luftfahrtunternehmen und andere möglicherweise betroffene Unternehmen zu schaffen, empfiehlt die Kommission, die Fluggäste dazu anzuhalten, ihre Beschwerden innerhalb einer angemessenen Frist bei der nationalen Durchsetzungsstelle des Landes, in dem das Vorkommnis stattfand, einzureichen, wenn sie der Auffassung sind, dass ein Luftfahrtunternehmen ihre Rechte verletzt hat. Die Fluggäste sollten sich erst dann bei einer nationalen Durchsetzungsstelle beschweren, wenn sie sich zuvor bei dem Luftfahrtunternehmen beschwert haben und mit dessen Antwort oder dem Ausbleiben einer zufriedenstellenden Antwort des Luftfahrtunternehmens nicht einverstanden sind. Die Kommission empfiehlt, dass das Luftfahrtunternehmen innerhalb von zwei Monaten antwortet und dass es keine Beschränkung in Bezug auf die Verwendung einer der EU-Amtssprachen gibt. Der Gerichtshof (59) vertritt allerdings die Auffassung, dass nationale Durchsetzungsstellen im Rahmen der Verordnung nicht verpflichtet sind, aufgrund solcher Beschwerden tätig zu werden, um das Recht jedes einzelnen Fluggasts zu gewährleisten. Dies bedeutet, dass eine nationale Durchsetzungsstelle nicht verpflichtet ist, Durchsetzungsmaßnahmen gegen Luftfahrtunternehmen zu erlassen, um sie in Einzelfällen dazu anzuhalten, die in der Verordnung vorgesehene Ausgleichsleistung zu zahlen. Ihre sanktionierende Rolle gemäß Artikel 16 Absatz 3 der Verordnung besteht in Maßnahmen, die als Reaktion auf Verstöße zu treffen sind, die die Stelle in Ausübung ihrer allgemeinen Aufsicht nach Artikel 16 Absatz 1 aufdeckt. Dem Gerichtshof zufolge hindert die Verordnung die Mitgliedstaaten jedoch nicht daran, Rechtsvorschriften zu erlassen, die die nationale Durchsetzungsstelle verpflichten, beim Fehlen alternativer Streitbeilegungsstellen oder in Ermangelung einer Antwort ihrerseits Maßnahmen auf individuelle Beschwerden hin zu ergreifen. Schließlich ändert dieses Urteil nichts daran, dass nationale Durchsetzungsstellen verpflichtet sind, Beschwerdeführern im Einklang mit den Grundsätzen guter Verwaltung und mangels alternativer Streitbeilegungsstellen eine fundierte Antwort auf ihre Beschwerden zu erteilen. Zu einer vorbildlichen Praxis würde nach Auffassung der Kommission auch gehören, dass die Fluggäste über Rechtsbehelfe und sonstige Maßnahmen unterrichtet werden, falls sie mit der Bewertung ihres Falls nicht einverstanden sind. Ein Fluggast sollte das Recht haben zu entscheiden, ob er von einer anderen Person oder Einrichtung vertreten werden will.

7.2.   AS-Stellen

Wenn das Luftfahrtunternehmen in der EU niedergelassen ist und am AS-System teilnimmt, können in der EU ansässige Fluggäste zusätzlich zu Beschwerden im Rahmen der Verordnung auch ihre Vertragsstreitigkeiten mit in der EU niedergelassenen Luftfahrtunternehmen den im Rahmen der AS-Richtlinie eingerichteten AS-Stellen zu unterbreiten. Bei online erworbenen Flugscheinen können sie zudem die Plattform zur Online-Streitbeilegung (OS) mit solchen Beschwerden befassen, die mit der OS-Richtlinie eingerichtet wurde und über folgenden Link zugänglich ist: http://ec.europa.eu/odr.

Sind Luftfahrtunternehmen nach nationalem Recht nicht verpflichtet, an Verfahren vor AS-Stellen teilzunehmen, so ist es doch wünschenswert, dass sie sich freiwillig zur Teilnahme an solchen Verfahren verpflichten und ihre Kunden dies wissen lassen.

7.3.   Weitere Mittel, um Interessenträger bei der Anwendung der Verordnung zu unterstützen

Es bestehen mehrere Möglichkeiten, Interessenträger bei der Anwendung der Verordnung zu unterstützen. Eine davon betrifft die Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (60) über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz, die die allgemeinen Bedingungen und den Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen nationalen Durchsetzungsbehörden enthält. Die Zusammenarbeit zwischen diesen Behörden ist von größter Bedeutung, um sicherzustellen, dass das Verbraucherschutzrecht im Binnenmarkt in gleicher Weise angewandt wird, und um gleiche Ausgangsbedingungen für Unternehmen zu schaffen. Sie betrifft Fälle, in denen die kollektiven Interessen von Verbrauchern auf dem Spiel stehen, und verleiht nationalen Behörden zusätzliche Untersuchungs- und Durchsetzungsbefugnisse, um Verstößen gegen das Verbraucherrecht ein Ende zu bereiten, wenn der Händler und der Verbraucher in verschiedenen Ländern niedergelassen sind. Die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 über Fluggastrechte ist Teil des Anhangs der Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz. Deswegen müssen die nationalen Behörden, die für die Durchsetzung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zuständig sind, ihren Verpflichtungen aus der Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz nachkommen, wenn in einem grenzüberschreitenden Kontext die kollektiven Interessen der Verbraucher auf dem Spiel stehen.

Schließlich können sich Fluggäste, die in einem grenzüberschreitenden Kontext auf Probleme gestoßen sind, an das Netzwerk der Europäischen Verbraucherzentren (ECC-NET) (61) wenden. Das ECC-NET klärt Verbraucher über ihre Rechte nach europäischem und nationalem Verbraucherrecht auf, berät über Möglichkeiten für den Umgang mit Verbraucherbeschwerden, bietet direkte Unterstützung bei der einvernehmlichen Beilegung von Beschwerden mit Händlern und lenkt Verbraucher zu einer geeigneten Stelle, wenn das ECC-NET keine Hilfe bieten kann. Fluggäste können sich auch an nationale Verbraucherverbände werden, um Auskünfte und direkte Unterstützung im Rahmen der Verordnung zu erhalten.

8.   KLAGEN IM RAHMEN DER VERORDNUNG

8.1.   Gerichtsstand für eine auf die Verordnung gestützte Klage

Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates („Brüssel I“) (62) kann bei Flügen von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat auf der Grundlage eines mit einem einzigen Luftfahrtunternehmen, dem ausführenden Luftfahrtunternehmen, geschlossenen Vertrags entsprechend dem Vertragswortlaut für eine auf die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 gestützte Klage auf Ausgleichszahlungen nach Wahl des Klägers das Gericht des Ortes des Abflugs oder das des Ortes der Ankunft des Flugzeugs angerufen werden (63). Gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Brüssel-I-Verordnung haben Fluggäste auch die Möglichkeit, vor den Gerichten des Sitzlandes des Beklagten (d. h. des Luftfahrtunternehmens) zu klagen.

8.2.   Frist für eine auf die Verordnung gestützte Klage

Die Verordnung sieht keine Fristen für Klagen vor einzelstaatlichen Gerichten vor. Das Thema unterliegt dem nationalen Recht jedes Mitgliedstaats in Bezug auf die Klageverjährung. Die im Übereinkommen von Montreal festgelegte zweijährige Verjährungsfrist gilt nicht für nach der Verordnung erhobene Klagen und berührt nicht die nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, weil die in der Verordnung vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommen fallen, da sie Fluggästen entstandene Unannehmlichkeiten mindern und die mit dem Übereinkommen geschaffene Regelung für Schadensfälle ergänzen sollen. Die Fristen können daher je nach Mitgliedstaat unterschiedlich sein (64).

9.   HAFTUNG DES LUFTFAHRTUNTERNEHMENS NACH DEM ÜBEREINKOMMEN VON MONTREAL

Das Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, gemeinhin als das „Übereinkommen von Montreal“ bekannt, wurde am 28. Mai 1999 in Montreal unterzeichnet. Die Europäische Union ist eine Vertragspartei dieses Übereinkommens (65), und einige seiner Bestimmungen wurden mit der Verordnung (EG) Nr. 2027/97, in der mit der Verordnung (EG) Nr. 889/2002 geänderten Fassung, in Unionsrecht umgesetzt. Diese Bestimmungen sind Teil einer Reihe von Maßnahmen mit dem Zweck, die Fluggastrechte in der Europäischen Union zusätzlich zur Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zu schützen.

Vereinbarkeit der Verordnung mit dem Übereinkommen von Montreal:

Der Gerichtshof (66) hat bestätigt, dass die Vorschrift, Ausgleich für Verspätung bei der Ankunft und Unterstützung bei Verspätung beim Abflug zu leisten, mit dem Übereinkommen von Montreal vereinbar ist. In diesem Zusammenhang vertritt der Gerichtshof die Auffassung, dass der mit einer Flugverspätung einhergehende Zeitverlust eine „Unannehmlichkeit“ darstellt und keinen „Schaden“, auf dessen Minderung das Übereinkommen von Montreal abzielt. Eine solche Argumentation stützt sich auf die Feststellung, dass eine erhebliche Verspätung zunächst eine Unannehmlichkeit darstellt, die für alle Fluggäste praktisch identisch ist, und dass die Verordnung einen standardisierten, sofortigen Ausgleich vorsieht. Das Übereinkommen von Montreal hingegen sieht eine Wiedergutmachung vor, die eine Prüfung des Umfangs des entstandenen Schadens im Einzelfall erforderlich macht und deshalb nur Gegenstand eines nachträglichen und individualisierten Ausgleichs sein kann. Die Verordnung greift somit zu einem früheren Zeitpunkt als das Übereinkommen von Montreal. Die aus der Verordnung erwachsende Verpflichtung, Fluggästen, deren Flug sich verspätet, einen Ausgleich zu gewähren, fällt somit nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens, sondern ergänzt die dort vorgesehene Schadensregelung.

Die Verordnung (EG) Nr. 2027/97 gilt nur für Fluggäste, die mit einem Luftfahrtunternehmen fliegen, d. h. mit einem Luftfahrtunternehmen mit einer gültigen Betriebsgenehmigung (67) im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der genannten Verordnung.

Für die Zwecke von Artikel 17 des Übereinkommens von Montreal ist ein Fluggast eine Person, die aufgrund eines „Beförderungsvertrags“ im Sinne von Artikel 3 des Übereinkommens befördert wurde, selbst wenn der Einzel- oder Sammelbeförderungsschein nicht ausgehändigt wurde (68).

Artikel 22 Absatz 2 des Übereinkommens von Montreal sollte in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 3 des Übereinkommens gelesen und dahin ausgelegt werden, dass der Anspruch auf Entschädigung und die Haftungsbegrenzung des Luftfahrtunternehmens bei Zerstörung, Verlust, Beschädigung oder Verspätung von Reisegepäck auf 1 131 Sonderziehungsrechte (SZR) auch für einen Fluggast gelten, der diese Entschädigung für den Verlust, die Zerstörung, die Beschädigung oder die Verspätung eines Gepäckstücks fordert, das von einem Mitreisenden aufgegeben wurde, sofern dieses Gepäckstück tatsächlich Gegenstände des Fluggastes enthielt. Daher hat jeder von der Zerstörung, dem Verlust, der Beschädigung oder der Verspätung eines Gepäckstücks, das von einem Mitreisenden aufgegeben wurde, betroffene Fluggast Anspruch auf eine Entschädigung innerhalb der Haftungsbegrenzung von 1 131 SZR, wenn er nachweisen kann, dass seine Gegenstände sich tatsächlich in dem aufgegebenen Gepäckstück befanden. Es ist Sache jedes Fluggastes, dies zur Zufriedenheit eines nationalen Gerichts nachzuweisen, das berücksichtigen kann, dass die Fluggäste Familienmitglieder sind, ihre Flugscheine zusammen gekauft haben oder zusammen gereist sind (69).

Artikel 22 Absatz 2 des Übereinkommens von Montreal, mit dem der von Luftfahrtunternehmen für Schäden, die insbesondere durch den Verlust von Reisegepäck eintreten, zu zahlende Haftungshöchstbetrag festgelegt wird, umfasst sowohl materielle als auch immaterielle Schäden (70). Dieser Artikel gilt auch im Falle der Zerstörung, des Verlusts, der Beschädigung oder der Verspätung bei der Beförderung von aufgegebenen Rollstühlen oder anderen Mobilitätshilfen oder Hilfsgeräten gemäß der Definition in Artikel 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1107/2006. Die Haftung des Luftfahrtunternehmens ist in diesem Fall auf den im vorstehenden Absatz genannten Betrag beschränkt, es sei denn, der Fluggast hat bei der Übergabe des aufgegebenen Reisegepäcks an das Luftfahrtunternehmen das Interesse an der Ablieferung am Bestimmungsort betragsmäßig angegeben und einen eventuell verlangten Zuschlag entrichtet.

Zur Auslegung der Artikel 19, 22 und 29 des Übereinkommens von Montreal vertritt der Gerichtshof (71) die Auffassung, dass nach dem Übereinkommen ein Luftfahrtunternehmen im Fall eines durch die Verspätung von Flügen entstandenen Schadens gegenüber einem Arbeitgeber haftbar ist, dessen Arbeitnehmer diese Flüge in Anspruch genommen haben. Das Übereinkommen sollte somit dahin ausgelegt werden, dass es nicht nur für die den Fluggästen selbst entstandenen Schäden, sondern auch für den Schaden gilt, der einem Arbeitgeber entstanden ist, mit dem ein Vertrag über die internationale Beförderung von Fluggästen geschlossen wurde. In seinem Urteil fügte der Gerichtshof hinzu, dass Luftfahrtunternehmen allerdings die Gewähr haben, dass ihre Haftung sich auf die im Übereinkommen festgelegte Höchstgrenze beschränkt, die mit der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer/Fluggäste multipliziert wird.

Im Falle einer Klage auf Ersatz eines unter Artikel 19 des Übereinkommens von Montreal fallenden Schadens hat der Fluggast die Wahl zwischen mehreren Gerichten, auf die in Artikel 33 des Übereinkommens eingegangen wird: das Gericht des Ortes, an dem sich der Wohnsitz des Luftfahrtunternehmens, seine Hauptniederlassung oder seine Geschäftsstelle befindet, durch die der Vertrag geschlossen worden ist, oder das Gericht des Bestimmungsorts. In diesem Fall ist es nicht von Belang, ob dieser Ort in der EU gelegen ist, da die Zuständigkeit auf dem Übereinkommen beruht, dessen Vertragspartei die EU ist.


(1)  ABl. L 46 vom 17.2.2004, S. 1.

(2)  Fahrplan zu einem einheitlicheneuropäischen Verkehrsraum — Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem, KOM(2011) 144 endg., S. 23 (http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2011:0144:FIN:DE:PDF).

(3)  ABl. C 220 vom 4.7.2015, S. 1.

(4)  Mitteilung der Kommission an dasEuropäische Parlament und den Rat über die Anwendung der Verordnung 261/2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Betreuungsleistungen für Fluggäste im Falle der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen, KOM(2011) 174 endg. (http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2011:0174:FIN:DE:PDF).

(5)  Entschließung des Europäischen Parlaments vom 29. März 2012 zur Funktionsweise und Anwendung der geltenden Fluggastrechte (2011/2150/INI) (http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=TA&language=DE&reference=P7-TA-2012-99).

(6)  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei der Beförderung von Fluggästen und deren Gepäck im Luftverkehr, COM(2013) 130 final vom 13.3.2013.

(7)  Rat (Verkehr, Telekommunikation und Energie) vom 11. Juni 2015 in Luxemburg.

(8)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — eine Luftfahrtstrategie für Europa, COM(2015) 598 final vom 7.12.2015.

(9)  Evaluation of Regulation 261/2004, Final report, Main report, von Steer Davies Gleave (Februar 2010).

(10)  Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen, Folgenabschätzung der Auswirkungen zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei der Beförderung von Fluggästen und deren Gepäck im Luftverkehr, SWD(2013) 62 final vom 13.3.2013, und Vorschlag für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004, COM(2013) 130 final.

(11)  Im Text wird systematisch und eindeutig auf die einschlägigen Rechtssachen des Gerichtshofs verwiesen; fehlt ein solcher Verweis, so wird die Auslegung der Verordnung durch die Kommission wiedergegeben.

(12)  Siehe Artikel 19 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union.

(13)  ABl. L 285 vom 17.10.1997, S. 1.

(14)  ABl. L 140 vom 30.5.2002, S. 2.

(15)  ABl. L 194 vom 18.7.2001, S. 39.

(16)  Siehe Anhang II des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) (http://ec.europa.eu/archives/lisbon_treaty/index_de.htm).

(17)  Die Verordnung gilt im Einklang mit dem EWR-Abkommen für Island und Norwegen und im Einklang mit dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Luftverkehr (1999) für die Schweiz.

(18)  Rechtssache C-173/07, Emirates Airlines, ECLI:EU:C:2008:400, Randnr. 40.

(19)  Rechtssache C-173/07, Emirates Airlines, ECLI:EU:C:2008:400, Randnr. 53.

(20)  Rechtssache C-257/14, van der Lans, ECLI:EU:C:2015:618, Randnr. 28.

(21)  Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen (ABl. L 158 vom 23.6.1990, S. 59). Die Richtlinie wird mit Wirkung vom 1. Juli 2018 aufgehoben, wenn die Mitgliedstaaten die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2011/83/EU desEuropäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/314/EWG des Rates (ABl. L 326 vom 11.12.2015, S. 1) anwenden müssen. Die Bezugnahme auf die Richtlinie 90/314/EWG in Artikel 3 Absatz 6 der Verordnung ist nach Artikel 29 der Richtlinie (EU) 2015/2302 auch als Verweis auf die letztgenannte Richtlinie zu verstehen.

(22)  Siehe allerdings Artikel 13 der Verordnung und Artikel 22 der Richtlinie (EU) 2015/2302 zum Thema „Regressansprüche“.

(23)  Rechtssache C-22/11, Finnair, ECLI:EU:C:2012:604, Randnr. 26.

(24)  Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 über die Rechte von behinderten Flugreisenden und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität (ABl. L 204 vom 26.7.2006, S. 1).

(25)  Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen, Auslegungsleitlinien zur Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 über die Rechte von behinderten Flugreisenden und Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität, SWD(2012) 171 final vom 11.6.2012.

(26)  Rechtssache C-83/10, Sousa Rodríguez u. a., ECLI:EU:C:2011:652, Randnr. 29.

(27)  Verbundene Rechtssachen C-402/07 und C-432/07, Sturgeon u. a., ECLI:EU:C:2009:716, Randnrn. 37 und 38.

(28)  Rechtssache C-83/10, Sousa Rodríguez u. a., ECLI:EU:C:2011:652, Randnr. 28.

(29)  Näheres zu außergewöhnlichen Umständen siehe Abschnitt 5.

(30)  Verbundene Rechtssachen C-402/07 und C-432/07, Sturgeon u. a., ECLI:EU:C:2009:716, Randnr. 69. Siehe auch verbundene Rechtssachen C-581/10 und C-629/10, Nelson u. a., ECLI:EU:C:2012:657, Randnr. 40, und Rechtssache C-413/11, Germanwings, ECLI:EU:C:2013:246, Randnr. 19.

(31)  Rechtssache C-452/13, Germanwings, ECLI:EU:C:2014:2141, Randnr. 27.

(32)  Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. L 149 vom 11.6.2005, S. 22).

(33)  Die den Fluggästen zur Verfügung gestellten Informationen zur Liste der nationalen Durchsetzungsstellen in der EU können einen Verweis auf die Website der Kommission enthalten, auf der alle Kontaktangaben der nationalen Durchsetzungsstellen zu finden sind.

(34)  Verbundene Rechtssachen C-402/07 und C-432/07, Sturgeon u. a., ECLI:EU:C:2009:716, Randnr. 69.

(35)  Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 304 vom 22.11.2011, S. 64).

(36)  Der Flugpreis wird insgesamt oder für den nicht angetretenen Teil der Reise und, falls die Reise angesichts der ursprünglichen Reisepläne des Fluggastes keinen Sinn mehr hat, für den oder die bereits absolvierten Teil(e) erstattet. Entscheidet sich der Fluggast für den Rückflug zum Ausgangsflughafen, so hat der bereits absolvierte Teil der Reise angesichts seiner ursprünglichen Reisepläne grundsätzlich keinen Sinn mehr.

(37)  Rechtssache C-12/11, McDonagh, ECLI:EU:C:2013:43, Randnr. 66.

(38)  Rechtssache C-12/11, McDonagh, ECLI:EU:C:2013:43, Randnr. 30.

(39)  Rechtssache C-22/11, Finnair, ECLI:EU:C:2012:604, Randnr. 40.

(40)  Rechtssache C-321/11, Rodríguez Cachafeiro und Martínez-Reboredo Varela Villamor, ECLI:EU:C:2012:609, Randnr. 36.

(41)  Verbundene Rechtssachen C-402/07 und C-432/07, Sturgeon u. a., ECLI:EU:C:2009:716, Randnr. 54.

(42)  Verbundene Rechtssachen C-402/07 und C-432/07, Sturgeon u. a., ECLI:EU:C:2009:716, Randnr. 69.

(43)  Rechtssache C-11/11, Folkerts, ECLI:EU:C:2013:106, Randnr. 47.

(44)  Verbundene Rechtssachen C-402/07 und C-432/07, Sturgeon u. a., ECLI:EU:C:2009:716, Randnr. 63.

(45)  Rechtssache C-11/11, Folkerts, ECLI:EU:C:2013:106, Randnr. 18.

(46)  Rechtssache C-549/07, Wallentin-Hermann, ECLI:EU:C:2008:771, Randnr. 17 und zitierte Rechtsprechung.

(47)  Rechtssache C-549/07, Wallentin-Hermann, ECLI:EU:C:2008:771, Randnr. 22.

(48)  Rechtssache C-549/07, Wallentin-Hermann, ECLI:EU:C:2008:771, Randnr. 23.

(49)  Rechtssache C-549/07, Wallentin-Hermann, ECLI:EU:C:2008:771, Randnr. 25.

(50)  Rechtssache C-257/14, van der Lans, ECLI:EU:C:2015:618, Randnrn. 40-42.

(51)  Rechtssache C-394/14, Siewert, ECLI:EU:C:2014:2377, Randnrn. 19-20.

(52)  Rechtssache C-294/10, Eglītis und Ratniek, ECLI:EU:C:2011:303, Randnr. 37.

(53)  Rechtssache C-549/07, Wallentin-Hermann, ECLI:EU:C:2008:771, Randnr. 43.

(54)  Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr (ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 14).

(55)  Artikel 17 und 18 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007.

(56)  Siehe diesbezüglich die Verordnung (EU) Nr. 1177/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Fahrgastrechte im See- und Binnenschiffsverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 1) und die Verordnung (EU) Nr. 181/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 1).

(57)  Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten) (ABl. L 165 vom 18.6.2013, S. 63).

(58)  Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden (Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz) (ABl. L 364 vom 9.12.2004, S. 1).

(59)  Verbundene Rechtssachen C-145/15 und C-146/15, Ruijssenaars u. a., ECLI:EU:C:2016:187, Randnrn. 32, 36 und 38.

(60)  Siehe Fußnote 58.

(61)  http://ec.europa.eu/consumers/solving_consumer_disputes/non-judicial_redress/ecc-net/index_en.htm.

(62)  Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. L 351 vom 20.12.2012, S. 1).

(63)  Rechtssache C-204/08, Rehder, ECLI:EU:C:2009:439, Randnr. 47.

(64)  Rechtssache C-139/11, Cuadrench Moré, ECLI:EU:C:2012:741, Randnr. 33.

(65)  Beschluss 2001/539/EG des Rates vom 5. April 2001 über den Abschluss des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Übereinkommen von Montreal) durch die Europäische Gemeinschaft (ABl. L 194 vom 18.7.2001, S. 39).

(66)  Rechtssache C-344/04, IATA und ELFAA, ECLI:EU:C:2006:10, Randnrn. 43, 45, 46 und 47 und verbundene Rechtssachen C-402/07 und C-432/07, Sturgeon u. a., ECLI:EU:C:2009:716, Randnr. 51.

(67)  Rechtssache C-240/14, Prüller-Frey, ECLI:EU:C:2015:567, Randnr. 29.

(68)  Rechtssache C-6/14, Wucher Helicopter, ECLI:EU:C:2015:122, Randnrn. 36-38.

(69)  Rechtssache C-410/11, Espada Sanchez, ECLI:EU:C:2012:747, Randnr. 35.

(70)  Rechtssache C-63/09, Axel Walz, ECLI:EU:C:2010:251, Randnr. 39.

(71)  Rechtssache C-429/14, Air Baltic Corporation AS, ECLI:EU:C:2016:88, Randnrn. 29 und 49.


ANHANG

Zuständigkeit der nationalen Durchsetzungsstellen der EU im Falle großer Verspätung bei der Ankunft am Endziel bei direkten Anschlussflügen

Rechtlicher Rahmen

1.   Rechtssache C-11/11, „Folkerts“, ECLI:EU:C:2013:106 (1)

„33.

Da diese Unannehmlichkeiten im Fall verspäteter Flüge bei der Ankunft am Endziel eintreten, hat der Gerichtshof entschieden, dass das Vorliegen einer Verspätung für die Zwecke der in Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen Ausgleichszahlung anhand der planmäßigen Ankunftszeit am Endziel beurteilt werden muss (vgl. Urteile Sturgeon u. a., Randnr. 61, sowie Nelson u. a., Randnr. 40).

34.

Der Begriff ‚Endziel‘ wird in Art. 2 Buchst. h der Verordnung Nr. 261/2004 definiert als der Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen der Zielort des letzten Fluges.

35.

Daraus folgt, dass es im Fall eines Fluges mit Anschlussflügen für die Zwecke der in Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen pauschalen Ausgleichszahlung allein auf die Verspätung ankommt, die gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit am Endziel, d. h. dem Zielort des letzten Fluges des betreffenden Fluggasts, festgestellt wird.“

2.   Verordnung (EG) Nr. 261/2004, Artikel 16 Verstöße

„(1)

Jeder Mitgliedstaat benennt eine Stelle, die für die Durchsetzung dieser Verordnung in Bezug auf Flüge von in seinem Hoheitsgebiet gelegenen Flughäfen und Flüge von einem Drittland zu diesen Flughäfen zuständig ist. Gegebenenfalls ergreift diese Stelle die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Fluggastrechte gewahrt werden. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission mit, welche Stelle gemäß diesem Absatz benannt worden ist.

(2)

Unbeschadet des Artikels 12 kann jeder Fluggast bei einer gemäß Absatz 1 benannten Stelle oder einer sonstigen von einem Mitgliedstaat benannten zuständigen Stelle Beschwerde wegen eines behaupteten Verstoßes gegen diese Verordnung erheben, der auf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats begangen wurde oder einen Flug von einem Drittland zu einem Flughafen in diesem Gebiet betrifft.“

Beispiele  (2)

Ausschlussklauseln:

Diese Liste mit Beispielen ist möglicherweise nicht erschöpfend und beruht auf der Tatsache, dass solche Flugrouten mit einem oder mehreren direkten Anschlussflügen, die Teil eines einheitlichen Beförderungsvertrags sind, von den betreffenden Luftfahrtunternehmen in Einklang mit Artikel 3 der Verordnung zurückgelegt werden und nach bestehenden Luftverkehrsabkommen, die EU-Mitgliedstaaten und/oder die EU mit Drittländern geschlossen hat, zulässig sind.

Es werden nur Beispiele herangezogen, bei denen „es im Fall eines Fluges mit Anschlussflügen (…) allein auf die Verspätung ankommt, die gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit am Endziel (…) festgestellt wird“.

Es wird davon ausgegangen, dass die große Verspätung am Endziel lediglich auf einen verpassten Anschlussflug zurückzuführen ist (d. h. Vorkommnisse anderer Art werden nicht berücksichtigt) und dass keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen.

Reise 1 : Abflug vom EU-MS A (Flug 1), Umsteigen im EU-MS B mit Endziel EU-MS C (Flug 2).

Gemäß Artikel 16 Absatz 1 ist die NEB des MS B zuständig. Die Höhe der Ausgleichszahlung wird auf der Grundlage der gesamten Reise berechnet.

Reise 2 : Abflug vom EU-MS A (Flug 1), Umsteigen in einem Drittlandsflughafen mit Endziel in einem anderen Drittland (Flug 2).

Gemäß Artikel 16 Absatz 1 ist die NEB des MS A zuständig. Die Höhe der Ausgleichszahlung wird auf der Grundlage der gesamten Reise berechnet.

Reise 3 : Abflug von einem Drittland (Flug 1, ausgeführt von einem EU-Luftfahrtunternehmen), Umsteigen im EU-MS A mit Endziel im EU-MS B (Flug 2).

Gemäß Artikel 16 Absatz 1 ist die NEB des MS A zuständig. Die Höhe der Ausgleichszahlung wird auf der Grundlage der gesamten Reise berechnet.


(1)  Die wichtigsten Teile sind durch Fettdruck hervorgehoben.

(2)  EU (Europäische Union), MS (Mitgliedstaat), NEB (Nationale Durchsetzungsstelle — National Enforcement Body)


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