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Document 52011DC0680

    MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Intelligente Grenzen: Optionen und weiteres Vorgehen

    /* KOM/2011/0680 endgültig */

    52011DC0680

    /* KOM/2011/0680 endgültig */ MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Intelligente Grenzen: Optionen und weiteres Vorgehen


    EINLEITUNG

    Die Reisefreiheit der EU-Bürger und die Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen des Schengen-Raums zählen zu den am stärksten spürbaren Errungenschaften der Europäischen Union. Die Kommission hat unlängst Vorschläge zur allgemeinen Stärkung der Verwaltung des Schengen-Raums[1] vorgelegt, durch die sichergestellt werden soll, dass diese große Errungenschaft weiter verbessert und in einem wirklich gemeinsamen europäischen Rahmen weiterentwickelt wird.

    Die Unversehrtheit der EU-Außengrenzen ist eine unabdingbare Voraussetzung für den Schengen-Raum in seiner heutigen Form und wird dies auch weiterhin bleiben. Maßnahmen zur Verwaltung der Außengrenzen müssen stets das doppelte Ziel verfolgen, sowohl die Sicherheit zu verbessern als auch das Reisen zu erleichtern. Die Möglichkeiten, die neue Technologien in dieser Hinsicht bieten, waren bereits Thema der im Jahr 2008 vorgelegten Mitteilung der Kommission „Vorbereitung der nächsten Schritte für die Grenzverwaltung in der Europäischen Union“[2], in der mögliche Aspekte der heute als „Initiative für intelligente Grenzen“ bekannten Maßnahme vorgestellt und das Europäische Parlament und der Rat um Stellungnahmen ersucht wurden.

    Im Jahr 2011 sind weitere Gespräche mit den Mitgliedstaaten auf Sachverständigen- und auf Ministerebene sowie mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments geführt worden. Der Europäische Datenschutzbeauftragte hat in seiner Stellungnahme[3] vom 7. Juli 2011 zur Mitteilung der Kommission zur Migration[4] hervorgehoben, dass zunächst die Verwendung der bestehenden Systeme einer Bewertung unterzogen und insbesondere der Nachweis für die Notwendigkeit eines Ein- und Ausreiseregistrierungssystems erbracht werden sollte.

    Die Kommission hat diesen Standpunkten Rechnung getragen und könnte nun in Kürze Vorschläge für spezifische Maßnahmen unterbreiten. Da es sich dabei jedoch um ein langfristiges Unterfangen mit umfangreichen Investitionen handelt, möchte die Kommission zunächst im Rahmen dieser Mitteilung die Hauptoptionen vorstellen, die wichtigsten Folgen zusammenfassend darstellen und das weitere Vorgehen aufzeigen. Auch möchte die Kommission darauf hinwirken, dass Einigkeit darüber besteht, worum es bei diesem Thema geht und welche Entscheidungen zu treffen sind. Dabei soll etwaigen künftigen Vorschlägen, die jeweils von einer umfassenden Folgenabschätzung begleitet wären, keinesfalls vorgegriffen werden.

    Mit dieser Mitteilung entspricht die Kommission zudem der Forderung des Europäischen Rates vom 23./24. Juni 2011[5], die Arbeiten zum Thema „intelligente Grenzen” rasch voranzutreiben.

    Wie in ihrer Mitteilung von 2008 vorgesehen und vom Rat gefordert, hat die Kommission ferner die Machbarkeit eines EU-weiten Systems zur elektronischen Erteilung von Reisebewilligungen (ESTA) geprüft. Die Ergebnisse dieser Prüfung und die geplanten Folgemaßnahmen werden ebenfalls nachfolgend vorgestellt.

    Die Ziele der Initiative für intelligente Grenzen

    An den Außengrenzen der EU erfolgen alljährlich rund 700 Millionen Grenzübertritte an Land, auf See und in der Luft. Rund ein Drittel davon sind Drittstaatangehörigen[6] zuzuschreiben. Diese werden an den Grenzübergängen gründlichen Kontrollen unterzogen. Der rasche Grenzübertritt bei gleichzeitiger Gewährleistung der Sicherheit ist ein gemeinsames Anliegen der EU und ihrer Mitgliedstaaten, und es steht außer Frage, dass sich die Zahl der Grenzübertritte weiter beträchtlich erhöhen wird, besonders auf Flughäfen. So geht Eurocontrol bei dem wahrscheinlichsten Szenario davon aus, dass die Zahl der Grenzübertritte an den Luftgrenzen von 400 Millionen im Jahr 2009 bis zum Jahr 2030 auf 720 Millionen ansteigen wird[7]. Dies bedeutet, dass im Jahr 2030 an den Flughäfen der EU 720 Millionen Reisende zu kontrollieren sein werden. Durch die Einstellung zusätzlichen Grenzschutzpersonals allein wird diese umfangreiche Zunahme von Reisenden nicht zu bewältigen sein.

    Daher gilt es auch eine Weiterentwicklung der EU-Politik für den Visumbereich und der Beziehungen zu Drittländern in Betracht zu ziehen. Die EU hat in den vergangenen Jahren die Visumpflicht für Staatsangehörige zahlreicher Drittländer aufgehoben, mehrere Abkommen über Visaerleichterungen abgeschlossen und ihre einschlägigen Rechtsvorschriften aktualisiert, wobei unter anderem ein stärkerer Rückgriff auf Mehrfachvisa vorgesehen wurde. Die Visaerleichterungen für die Länder des westlichen Balkans sind mit der Einführung eines Überwachungssystems einhergegangen, bei dem mit Unterstützung von FRONTEX und Europol statistische Daten über Reiseströme erhoben und Missbrauchsrisiken ermittelt werden sollen. Auf lange Sicht soll so großen Gruppen von Reisenden der Zugang zum Hoheitsgebiet der EU erleichtert werden, doch bislang sind die dafür nötigen Maßnahmen zur konkreten Vereinfachung des Grenzübertritts ausgeblieben. Dies wirft folgende Fragen auf:

    - Wird die gegenwärtige Grenzkontrollpolitik der EU rasch genug weiterentwickelt, um die Visumpolitik der EU in angemessener Weise ergänzen zu können?

    - Verfügen die Mitgliedstaaten über die nötigen Kapazitäten, um mit dem zu erwartenden Anstieg der Reiseströme fertig zu werden, ohne dass sich die Wartezeiten an den Grenzen verlängern?

    - Müssen die der EU zur Verfügung stehenden Werkzeuge verbessert werden, damit detaillierte Informationen über Reiseströme in den und aus dem Schengen-Raum gesammelt werden können?

    Dabei stellen sich insbesondere zwei Herausforderungen: die effiziente Überwachung der Reiseströme und der Bewegungen von Drittstaatangehörigen über die Außengrenzen des Schengen-Raums als Ganzem (im Rahmen eines Gesamtkonzepts für die allgemeine Verwaltung des Schengen-Raums) und die Sicherstellung, dass die zunehmende Zahl der legalen (d.h. alle Einreisebestimmungen erfüllenden) Reisenden, die ja die große Mehrheit aller Reisenden ausmachen, rasch und ohne Komplikationen einreisen kann.

    Nach den geltenden Bestimmungen

    - unterliegen sämtliche Drittstaatangehörige, die in den Schengen-Raum einreisen, unabhängig von den jeweiligen Risiken (also beispielsweise einer nicht fristgemäßen Wiederausreise) ein und denselben Kontrollen, und

    - es erfolgt keine Erfassung der Grenzübertritte von Reisenden. Die zulässige Aufenthaltsdauer wird nach Maßgabe der Handstempelvermerke in den Reisepässen oder sonstigen Reisedokumenten berechnet, und weder das Einreise- noch das Ausreisedatum wird zentral erfasst.

    In der Folge kann es zu langen Verzögerungen an Grenzübergängen kommen, und oftmals liegen keine Informationen über Reisende vor, die länger als erlaubt im Lande bleiben („Overstayer“). Dies ist ein großes Problem, da letztere den Hauptteil aller irregulären Zuwanderer in die EU bilden. Zwar liegen keine verlässlichen Daten über die Gesamtzahl der irregulären Zuwanderer in die EU vor, aber vorsichtigen Schätzungen zufolge liegt diese zwischen 1,9 und 3,8 Millionen[8]. Im Jahr 2010 haben die 27 Mitgliedstaaten insgesamt 540 000 Ausweisungsanordnungen erlassen, von denen jedoch nur 226 000 tatsächlich vollzogen wurden.[9]

    Die Tatsache, dass sämtliche Drittstaatangehörige unabhängig von ihrer Reisehäufigkeit und dem möglichen Risiko, das sie darstellen, ein und denselben Grenzkontrollen unterliegen, entspricht keinesfalls einem effizienten Einsatz von Grenzschutzpersonal. Für viele Mitgliedstaaten ist es aber angesichts knapper Haushaltsmittel nicht machbar, allein durch eine weitere personelle Aufstockung ihrer Grenzschützer die Sicherheit zu verbessern und die Reiseströme zu beschleunigen.

    Die langen Schlangen, die den Besucher insbesondere an den Flughäfen der EU erwarten, schaden dem Ruf der Europäischen Union, und sowohl die Flughafenbetreiber als auch die Fluggesellschaften fordern seit geraumer Zeit eine schnellere und weniger komplizierte Passagierabfertigung, weil sich dadurch die Verbindungszeiten verkürzen würden.

    Die Initiative für intelligente Grenzen stellt darauf ab, die Steuerung und Kontrolle von Reiseströmen an den Grenzen zu verbessern, indem die Kontrollen verschärft werden und zugleich der Grenzübertritt für legal Reisende beschleunigt wird. Das Grenzschutzpersonal soll so in die Lage versetzt werden, der stetig zunehmenden Zahl von Grenzübertritten Herr zu werden, ohne eine unrealistische Personalaufstockung für Grenzkontrollen erforderlich zu machen und ohne die Sicherheit zu gefährden. Bei den beiden Komponenten dieser Initiative handelt es sich um ein Einreise-/Ausreisesystem und um ein Registrierungsprogramm für Reisende:

    Das Einreise-/Ausreisesystem soll eine exakte und zuverlässige Berechnung der zulässigen Aufenthaltsdauer sowie die Überprüfung der Reisehistorie von Visuminhabern und der von der Visumpflicht befreiten Reisenden als zentralem Bestandteil einer Risikobewertung an vorderster Front ermöglichen. Zu diesem Zweck soll das bestehende System der Reisepassabstempelung durch ein elektronisches Register von Datum und Ort sämtlicher Ein- und Ausreisen von für Kurzaufenthalte zugelassenen Drittstaatangehörigen ersetzt werden. Dieses System soll vor allem zur Überwachung der Einhaltung der zulässigen Aufenthaltsdauer von Drittstaatangehörigen dienen, aber auch zur Optimierung der Grenzkontrollverfahren und zur Verbesserung der Sicherheit durch diese beim Grenzübertritt an den Außengrenzen des Schengen-Raums ansetzende Maßnahme beitragen.

    Das Registrierungsprogramm für Reisende soll vielreisenden, sicherheitsgeprüften und bereits einer Vorkontrolle unterzogenen Drittstaatangehörigen den Grenzübertritt an den Außengrenzen des Schengen-Raums erheblich erleichtern. Dadurch sollen die an den Grenzübergangsstellen verbrachten Zeiten verkürzt, Reisen erleichtert und grenzüberschreitende Kontakte vereinfacht werden. Nach Möglichkeit soll dabei auf neue Technologien wie die (auch für EU-Reisende verwendeten) automatischen Grenzkontrollsysteme zurückgegriffen werden.

    Der Weg zu einer intelligenten Grenzverwaltung der EU

    Um die zu erwartenden Kosten auf ein Minimum zu reduzieren, gilt es vor der näheren Befassung mit möglichen neuen Systemen zunächst zu prüfen, in wie weit bestehende Systeme und Werkzeuge für die Verwirklichung der Ziele der Initiative für intelligente Grenzen herangezogen werden könnten:

    Rückgriff auf bestehende Systeme und Werkzeuge der EU und der Mitgliedstaaten

    Visumpolitik und VIS

    Visumpolitik

    Eine verstärkte Nutzung der Möglichkeiten, die der Visakodex in Bezug auf die Ausstellung von Mehrfachvisa sowie etwaige Abkommen über Visaerleichterungen bieten, könnte vielen Drittstaatangehörigen das Reisen erleichtern. Diese Erleichterungen gelten jedoch nur für die Zeit vor dem Reiseantritt und ersparen Drittstaatangehörigen die Beantragung eines neuen Visums im zuständigen Konsulat vor jeder Reise in die EU. Mehrfachvisa beschleunigen mithin nicht den eigentlichen Grenzübertritt.

    VIS

    Das Visa-Informationssystem (VIS) als solches beschleunigt ebenfalls nicht die Einreiseverfahren, und es erleichtert auch nicht die Ermittlung von Overstayern. Da jedoch die biometrischen Daten aller Visainhaber im VIS gespeichert werden, lassen sich Visainhaber, die ohne Dokumente im Hoheitsgebiet der EU angetroffen werden, leichter identifizieren, wodurch sich die Chancen für ihre Rückführung erhöhen. Nach einer Übergangszeit werden die biometrischen Daten auch für die Kontrolle an den Grenzen verwendet werden, um zu überprüfen, ob der Visuminhaber tatsächlich mit der Person identisch ist, für die das Visum ausgestellt wurde.

    Eine Erweiterung des VIS um ein Einreise-/Ausreisesystem und ein Registrierungsprogramm für Reisende ist aus dreierlei Gründen nicht wünschenswert: erstens wegen der Folgen in punkto Datenschutz und der Gefahr einer Zweckentfremdung, die bei einem System, in dem die Daten sowohl von Visainhabern als auch von visumbefreiten Personen gespeichert würden, bestehen könnte. Zweitens könnten die aktuellen Kapazitätsgrenzen des VIS nur durch beträchtliche zusätzliche Investitionen ausgeweitet werden. Drittens dürften im VIS wegen der Einschränkungen, die in Bezug auf seinen Zweck gelten, keine Daten von visumbefreiten Drittstaatangehörigen gespeichert werden. Nichtsdestotrotz könnten bei der Entwicklung von Systemen für eine intelligente Grenzverwaltung Synergieeffekte, die sich möglicherweise beim Rückgriff auf für VIS-Zwecke eingesetztes technisches Gerät ergeben, sinnvoll genutzt werden.

    Schengener Informationssystem (SIS)

    Vom SIS generierte Warnmeldungen über Overstayer hätten nur begrenzten Wert. Sie wären keine Hilfe bei der Ermittlung von sich im Schengen-Raum aufhaltenden Personen, die die zulässige Aufenthaltsdauer überschritten haben. Hauptgrundlage für derartige Warnmeldungen wären die bei Ausreisekontrollen, bei denen der Grenzschutzbeamte die Stempeleinträge im Reisepass überprüft, in das System eingegebenen Informationen. Ein einzelner aufgedeckter, unzulässig langer Aufenthalt allein kann jedoch kein befristetes Einreiseverbot für die betreffende Person nach sich ziehen, weil bei der Entscheidung über die Visumerteilung und die Zulassung der Einreise an der Außengrenze die gesamte Reisehistorie der betreffenden Person mitsamt allen relevanten sonstigen Faktoren zu berücksichtigen ist.

    Das SIS (wie auch das künftige SIS II) wäre daher keine geeignete Alternative zu einem Einreise-/Ausreisesystem.

    Erweiterte Fluggastdaten und Fluggastdatensätze

    Daten von Reisenden in Form von erweiterten Fluggastdaten und Fluggastdatensätzen sind weder für das Einreise-/Ausreisesystem noch für das Registrierungsprogramm für Reisende unmittelbar relevant.

    Die Fluggesellschaften sind verpflichtet, erweiterte Fluggastdaten auf Anfrage der Grenzkontrollbehörden der Mitgliedstaaten zu übermitteln, um die Grenzkontrollen zu verbessern und die illegale Zuwanderung zu bekämpfen. Fluggastdaten werden jeweils unmittelbar nach der Abfertigung übermittelt. Da sie aber nur einen begrenzten Umfang haben und in den meisten Fällen bereits nach dem Abflug übermittelt werden, ist keine geeignete Vorkontrolle möglich, welche Zugang zu vereinfachten Grenzkontrollverfahren geben könnte. Die betreffenden Daten werden bei den Fluggesellschaften eingeholt oder von den Reisenden selbst eingegeben. Daher erfüllen diese Daten nicht die qualitativen Anforderungen des Einreise-/Ausreisesystems und auch nicht die des Registrierungsprogramms für Reisende. Außerdem ist das System nicht auf Landgrenzen anwendbar.

    Fluggastdatensätze werden von den Fluggesellschaften zusammengetragen und an die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten (insbesondere Strafverfolgungsbehörden) übermittelt. Die Daten werden jeweils bei der Flugbuchung über die Buchungssysteme der Fluggesellschaften erfasst. Fluggastdatensätze dienen zur Bekämpfung von terroristischen Handlungen und schweren Straftaten, sind aber kein Mittel zur Grenzkontrolle. Die Daten werden jeweils 48 bis 24 Stunden vor dem geplanten Abflug und unmittelbar nach Abfertigungsschluss übermittelt. Auch Fluggastdatensätze sind aus den oben genannten Gründen nicht relevant für das Einreise-/Ausreisesystem bzw. das Registrierungsprogramm für Reisende. Sie enthalten keine bestätigten Informationen darüber, ob tatsächlich ein Grenzübertritt der betreffenden Person erfolgt ist.

    Nationale Einreise-/Ausreisesysteme und Registrierungsprogramme für Reisende

    Derzeit verfügen elf Mitgliedstaaten[10] über ein eigenes Einreise-/Ausreisesystem, über das systematisch sämtliche Ein- und Ausreisedaten von Drittstaatangehörigen erfasst werden, die die Außengrenzen dieser Länder überschreiten. Eine Zuordnung von Ein- und Ausreisedaten ist allerdings nur bei Personen möglich, die von dem Mitgliedstaat aus ausreisen, über den sie legal in die EU eingereist sind. Diese nationalen Systeme sind nämlich nicht mit den Systemen anderer Mitgliedstaaten verbunden.

    Einige Mitgliedstaaten[11] haben, um die Grenzkontrollen von EU-Bürgern zu beschleunigen, automatische Grenzkontrollen (beispielsweise von elektronischen Pässen) oder sonstige Systeme für vorab registrierte Reisende eingeführt. Sieben Mitgliedstaaten haben ein nationales Registrierungsprogramm für reisende EU-Bürger[12] aufgelegt.

    Diese Systeme können nicht zur Erfassung von Drittstaatangehörigen verwendet werden. Die geltenden EU-Vorschriften sehen vor, dass die Grenzschutzbeamten den Reisenden befragen und sein Reisedokument von Hand abstempeln. Diese Vorgänge können nicht automatisiert werden.

    Die einzigen existierenden Initiativen zur Erfassung von Drittstaatangehörigen bestehen daher in halbautomatischen Grenzkontrollen, d.h. in einer Kombination aus automatischen Kontrollgates und einer manuellen Komponente (Abstempelung des Reisepasses einschließlich möglicher Befragung im Rahmen einer gründlichen Grenzkontrolle).

    Eine weitere Einschränkung ist die Tatsache, dass die Teilnahme an einem nationalen Registrierungsprogramm in einem Mitgliedstaat dem Reisenden keineswegs einen vereinfachten Grenzübertritt in einem anderen Mitgliedstaat ermöglicht. Drittstaatangehörige, die alljährlich in verschiedene Mitgliedstaaten reisen möchten, müssten mithin in jedem dieser Länder die Eintragung in dessen nationalem Registrierungsprogramm für Reisende beantragen, was mit erheblichen Kosten und einem großen Aufwand verbunden wäre.

    System zur elektronischen Erteilung von Reisebewilligungen (ESTA)

    Bei einem solchen System müsste der Reisende eine Reisebewilligung nach bestimmten Kriterien über das Internet beantragen. Bei der im Auftrag der Kommission durchgeführten einschlägigen Studie wurden im Hinblick auf die Einführung eines EU-weiten Systems dieser Art vier Optionen geprüft:

    - ein System für von der Visumpflicht befreite Drittstaatangehörige,

    - ein System für bestimmte Länder, deren Staatsangehörige von der Visumpflicht befreit sind,

    - Kombination eines solchen Systems mit elektronischen Visa,

    - Ersetzung der Visumpflicht durch ein solches System.

    Die Ergebnisse der Studie haben die Kommission zu dem Schluss kommen lassen, dass die Idee, ein solches System für von der Visumpflicht befreite Drittstaatangehörige einzuführen, vorerst nicht weiter verfolgt werden sollte, weil der potenzielle Sicherheitsgewinn für die Mitgliedstaaten weder eine derart umfangreiche Erhebung personenbezogener Daten noch die finanziellen Kosten und die zu erwartenden Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen rechtfertigen würde. Auch eine schrittweise Ersetzung der Visumpflicht durch ein EU-weites System dieser Art erscheint wegen der Schwierigkeit, das Migrationsrisiko zu ermitteln, sowie aufgrund der mit dem Internetzugang und der elektronischen Identifizierung verbundenen Probleme auf absehbare Zeit nicht machbar. Außerdem würde ein solches System die Existenz eines voll funktionierenden Einreise-/Ausreisesystems voraussetzen.

    Ein EU-weites System zur elektronischen Erteilung von Reisebewilligungen stellt zweifelsohne keine Alternative zu einem Einreise-/Ausreisesystem dar, da es sich nicht zur Überwachung des konkreten Grenzübertritts eignet. Auch kann es den Grenzübertritt nicht erleichtern, denn bei der Verwendung biometrischer Daten würde ein solches System für die elektronische Antragstellung unmöglich werden. Außerdem sehen die Überlegungen für ein Registrierungsprogramm für Reisende vor, dass registrierte Reisende grundsätzlich von den Anforderungen eines solchen Systems ausgenommen sein sollten.

    Wie im Stockholmer Programm vorgesehen, wird die Kommission erst zu einem späteren Zeitpunkt auf die Frage zurückkommen, wie ein EU-weites System zur elektronischen Erteilung von Reisebewilligungen zur weiteren Entwicklung der gemeinsamen Visumpolitik beitragen könnte. Die Vorarbeiten zur Entwicklung eines solchen Systems werden daher vorerst nicht weiterverfolgt werden.

    Entwicklung spezifischer Systeme: Einreise-/Ausreisesystem und Registrierungsprogramm für Reisende

    In den obigen Abschnitten wurde dargelegt, warum die bestehenden Systeme und Werkzeuge den Zielen der Initiative für intelligente Grenzen nicht gerecht werden. Nachfolgend wird nun aufgezeigt, welche Auswirkungen, Kosten, Vorteile und Möglichkeiten die Entwicklung eines Einreise-/Ausreisesystems und eines Registrierungsprogramms für Reisende mit sich bringen würde.

    Rechtliche Aspekte

    Beide Systeme würden auf Verordnungen nach Artikel 77 AEUV gegründet (und müssten folglich vom Europäischen Parlament und vom Rat nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren angenommen werden). Für beide Systeme müssten die Bestimmungen des Schengener Grenzkodexes[13] über Grenzkontrollen geändert werden.

    Technische Aspekte

    Voraussetzung für ein System zur intelligenten Grenzverwaltung ist ein vollständig entwickeltes, betriebsbereites VIS. Durch das Einreise-/Ausreisesystem und das Registrierungsprogramm würde größtmöglicher Gebrauch von den bestehenden Systemen und Werkzeugen gemacht, insbesondere von dem System für den Abgleich biometrischer Daten, auf das sich das VIS stützt, und von den für dieses System verwendeten Fingerabdruckscannern.

    Sowohl rechtlich als auch technisch wäre es möglich, zunächst das Einreise-/Ausreisesystem und erst zu einem späteren Zeitpunkt das Registrierungsprogramm einzuführen. Dies wäre gleichwohl eine einseitige Entwicklung der Grenzverwaltungspolitik der EU, weil nur die Sicherheit erhöht, aber das Reisen für Drittstaatangehörige nicht erleichtert würde. Eine Vereinfachung durch das Registrierungsprogramm für Reisende lässt sich nur durch einen stärkeren Rückgriff auf automatische Grenzkontrollen erreichen. Die einzige Möglichkeit, den zulässigen Aufenthalt registrierter Reisender zu überwachen und gleichzeitig vollautomatische Grenzkontrollen vorzunehmen, bestünde in der elektronischen Erfassung der Ein- und Ausreisedaten. Dies müsste auf EU-Ebene erfolgen, damit Einreisedaten des einen Mitgliedstaats den Ausreisedaten des anderen Mitgliedstaats zugeordnet werden könnten. Die Einführung eines Registrierungsprogramms für Reisende hängt also von der Einführung eines Einreise-/Ausreisesystems ab. Auch ließen sich Entwicklungskosten in beträchtlicher Höhe sparen, wenn die beiden Systeme gleichzeitig entwickelt würden, weil auf zentraler Ebene auf die gleiche Infrastruktur zurückgegriffen werden könnte (siehe Anhang 1).

    Bei der Auslegung der Systeme wären einige grundsätzliche Entscheidungen zu treffen:

    Zentrales System oder dezentrale interoperable Systeme

    Eine zentrale Architektur setzt sich aus einer zentralen Datenbank und nationalen Schnittstellen der angeschlossenen Mitgliedstaaten zusammen, wohingegen es bei einer dezentralen Architektur erforderlich ist, mindestens 27 nationale Systeme einzurichten und diesen miteinander zu verbinden.

    Im Fall eines Einreise-/Ausreisesystems würde eine zentrale elektronische Erfassung der Ein- bzw. Ausreiseinformationen eine automatische Berechnung der zulässigen Aufenthaltsdauer ermöglichen und sämtlichen Mitgliedstaaten zugleich genaue Informationen darüber an die Hand geben, wo die Einreise in den bzw. die Ausreise aus dem Schengen-Raum erfolgt ist. Wenn diese Einreise- und Ausreiseinformationen zunächst auf nationaler Ebene erfasst würden, müssten sämtliche Informationen erst in mindestens 27 anderen nationalen Systemen repliziert werden, um sämtliche Ein- und Ausreisedaten aller Systeme auf dem aktuellen Stand zu halten. Bei Personen, die über einen anderen Mitgliedstaat aus dem Schengen-Raum ausreisen als über denjenigen, über den sie eingereist sind, könnte dies einen erheblichen Arbeits- und Zeitaufwand mit sich bringen.

    Bei einem Registrierungsprogramm für Reisende würde eine dezentrale Architektur zudem den Umstand mit sich bringen, dass die Registrierung in einem nationalen System erfolgen würde und dann in mindestens 27 anderen nationalen Systemen repliziert werden müsste, weil ja zu berücksichtigen wäre, dass die Einreise in den Schengen-Raum über jeden beliebigen Grenzübergang des Schengen-Raums erfolgen kann.

    Fazit: Eine dezentrale Architektur wäre aus technischer Sicht nicht effizient.

    Registrierungsprogramm für Reisende: zentrale oder dezentrale Datenspeicherung?

    Für die Speicherung der alphanumerischen und der biometrischen Daten von registrierten Reisenden, die ja an jedem Grenzübergang des Schengen-Raums abrufbar sein müssen, damit die Identität der Reisenden automatisch überprüft werden kann, gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder sie werden in einer zentralen Datenbank gespeichert oder aber auf einer dem Reisenden ausgestellten Marke („token“).

    In Bezug auf den Datenschutz und die Datensicherheit haben beide Optionen sowohl Vor- als auch Nachteile. Bei einer Marke entfällt die Notwendigkeit einer zentralen Datenbank auf EU-Ebene. Ihr großer Nachteil ist jedoch, dass sie verloren gehen oder gestohlen oder kopiert werden kann. Zudem wäre es zur Verwaltung der betreffenden Anwendungen und der Marken erforderlich, bestimmte Daten in einer Datenbank zu speichern. Jüngsten Schätzungen zufolge wären zwar die Gesamtkosten für die Entwicklung von Marken um ca. 30 Millionen EUR niedriger, aber mittel- und langfristig wäre ihre Nutzung teurer: Den Mitgliedstaaten würden zusammen jährliche Betriebskosten in Höhe von ca. 20 Mio. EUR entstehen.[14]

    Um die negativen Auswirkungen dieser beiden Optionen zu vermeiden, gleichzeitig aber ihre Vorteile zu vereinen, könnte gleichwohl eine zentrale Datenbank mit einer Marke kombiniert werden, auf der lediglich eine nur einmal existierende Kennnummer (die Antragsnummer) gespeichert wäre. Die alphanumerischen und die biometrischen Daten würden zentral, aber getrennt gespeichert, wobei die benannten zuständigen Behörden separate und unterschiedliche Zugangsrechte hätten. Die biometrischen Daten wären mit der nur einmal existierenden Kennnummer der Marke verknüpft und würden ausschließlich zu dem Zweck verwendet, die Identität des Reisenden beim Grenzübertritt zu prüfen.

    Bei dieser dritten Möglichkeit wären die Nachteile in punkto Datenschutz und Datensicherheit geringer, aber die Entwicklungskosten wären um ca. 50 Mio. EUR höher als bei einem zentralen Register.

    Einreise-/Ausreisesystem: mit oder ohne biometrische Daten und welche Art?

    In dem System könnten entweder nur alphanumerische Daten (z.B. Name, Staatsangehörigkeit und Ausweisnummer) oder aber zusätzlich biometrische Identifikatoren erfasst werden.

    Wenn auch biometrische Daten gespeichert würden, könnte das System von der Visumpflicht befreite Personen ohne gültige Ausweispapiere leichter ermitteln (Visainhaber können über das VIS ermittelt werden). Auch würde dies einen genaueren Abgleich von Ein- und Ausreisedaten ermöglichen (beispielsweise bei Personen mit zwei Reisepässen), weil die Reisehistorie anhand eines nur einmal vorkommenden, durch den biometrischen Identifikator angegebenen besonderen Merkmals einer spezifischen Person zugeordnet werden könnte.

    Andererseits könnte sich die für den Grenzübertritt benötigte Zeit verlängern, weil von sämtlichen von der Visumpflicht befreiten Reisenden biometrische Daten erfasst werden müssten.

    Am besten wäre es daher, in einer ersten Phase nur mit alphanumerischen Daten zu arbeiten. Je nachdem, welche Ergebnisse sich bei der ersten Evaluierung in Bezug auf die Gesamtauswirkungen des Systems und die Folgen für die Grenzverwaltung ergeben, könnten die biometrischen Identifikatoren dann zu einem späteren Zeitpunkt aktiviert werden. Die Entwicklungskosten für eine solche Übergangslösung wären generell vergleichbar mit dem, was eine gleich zu Beginn vorgenommene Aktivierung biometrischer Daten kosten würde, und nur geringfügig höher als bei einem Verzicht auf biometrische Daten, der nicht rückgängig gemacht werden könnte.

    Was die Wahl des biometrischen Identifikators anbelangt, so sind Fingerabdrücke und (falls keine Fingerabdrücke vorliegen) das digitale Gesichtsbild die am häufigsten verwendeten und zuverlässigsten Identifikatoren (diese werden auch für EURODAC, das VIS, das SIS II, Ausweise und Aufenthaltstitel verwendet). Wenn dieser Identifikator gewählt würde, könnte die bereits vorhandene Ausrüstung optimal genutzt werden, was erhebliche Kostenersparnisse mit sich bringen würde.

    Kosten

    Die Kosten für die Entwicklung der Systeme würden sich danach richten, welche Umsetzungsoptionen ausgewählt würden, und sie würden insbesondere davon abhängen, ob die Systeme zusammen oder aber separat entwickelt würden. Ohne der einschlägigen Folgenabschätzung und dem Finanzbogen, der den Legislativvorschlägen für die Schaffung des Einreise-/Ausreisesystems und die Auflage des Registrierungsprogramms für Reisende beiliegen wird, vorgreifen zu wollen, lässt sich bereits sagen, dass die Anfangsinvestitionen in jedem Fall beträchtlich sein würden (siehe Anhang 1).

    Bei einem Einreise-/Ausreisesystem könnten sich die Entwicklungskosten auf insgesamt rund 200 Mio. EUR belaufen (Entwicklungszeitraum: drei Jahre). Über 75 % davon würden auf die eigentliche Entwicklung und die Errichtung der notwendigen Infrastruktur in den einzelnen Mitgliedstaaten entfallen. Die jährlichen Betriebskosten könnten sich auf etwa 100 Mio. EUR belaufen, wobei jeweils auf nationaler Ebene ein Anteil in ähnlicher Höhe hinzukäme.

    Bei einem Registrierungsprogramm für Reisende wären die Kosten ähnlich, würden jedoch stärker von den ausgewählten Optionen abhängen. Letzteres gilt sowohl für die Gesamtkosten als auch für die Investitions- und Betriebskosten auf nationaler und auf europäischer Ebene.

    Hinzu kämen die Kosten für die Prüfung von Anträgen auf Erteilung des Status eines registrierten Reisenden: Das Programm für registrierte Reisende würde eine Antragsgebühr vorsehen, die die Verwaltungskosten der Mitgliedstaaten für die Antragsbearbeitung abdecken sollte.

    Ferner würde die praktische Umsetzung eines Programms für registrierte Reisende für die Mitgliedstaaten die Notwendigkeit mit sich bringen, dass diese ihre Investitionen in automatische Gates an den Grenzen erhöhen müssten. Da die Entscheidung, wo und wie viele Gates zu errichten wären, nicht auf EU-Ebene getroffen werden müsste, können die Gesamtkosten für diese Maßnahme erst geschätzt werden, wenn die Mitgliedstaaten die Gesamtzahl an Gates festgelegt haben. Die Kommission wird die Mitgliedstaaten dazu ermutigen, so viele Gates wie sinnvoll und möglich zu errichten, um einen möglichst großen praktischen Nutzen des Programms zu bewirken. Die Investitionen in derartige Gates könnten unter bestimmten Bedingungen aus dem künftigen Fonds für innere Sicherheit kofinanziert werden.

    Dabei sollte berücksichtigt werden, dass diesen derzeit vorgesehenen umfangreichen Kosten auch eine Reihe von Vorteilen gegenüberstünden: Beispielsweise könnte sich infolge des Registrierungsprogramms für Reisende im Verbund mit der Tatsache, dass ein Großteil aller Grenzübergänge automatisiert würde, ein Minderbedarf an Grenzkontrollressourcen von 40 % ergeben, was Einsparungen in Höhe von 500 Mio. EUR jährlich gleichkäme. Selbst bei weniger optimistischen Berechnungen mit einem erwarteten Einsparpotenzial von 250 Mio. EUR jährlich könnte sich für die Mitgliedstaaten schon nach dem zweiten Betriebsjahr eine Nettokostenersparnis ergeben[15].

    Bei dem Mittelansatz für den Zeitraum 2014-2020 in den Kommissionsvorschlägen für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen für den Fonds für innere Sicherheit wurden auch die Kosten für die Einrichtung, die Entwicklung und den Erstbetrieb der beiden Systeme berücksichtigt. In welcher Höhe bzw. bis zu welchem prozentualen Anteil die auf nationaler Ebene anfallenden Kosten für die Entwicklung und/oder den Betrieb der neuen Systeme aus dem EU-Haushalt abgedeckt werden könnten, wird noch näher zu prüfen sein und mit dem Europäischen Parlament und dem Rat zu erörtert werden.

    Praktische Umsetzung: Effizienz- und Folgenabschätzung

    Die Kommission hat in ihrer letztjährigen Mitteilung[16] „Überblick über das Informationsmanagement im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht“ die Bedingungen für ein neues Informationsmanagementsystem festgelegt. Die Mitteilung sieht vor, dass mit der Entwicklung nicht begonnen wird, solange die grundlegenden Rechtsinstrumente, in denen Zweck, Anwendungsbereich, Funktion und technische Einzelheiten festgelegt sind, nicht endgültig angenommen wurden. Außerdem werden in der Mitteilung wichtige prozessorientierte Grundsätze[17] definiert, die in den kommenden Jahren als Maßstab auf diesem Gebiet dienen sollen.

    Wichtigster Grundsatz für eine abschätzende Bewertung des Einreise-/Ausreisesystems wäre dessen Notwendigkeit. Die Tatsache, dass ein Einreise-/Ausreisesystem als solches das Problem der Überwachung der zulässigen Aufenthaltsdauer von registrierten Reisenden lösen würde, ist für sich allein betrachtet kein hinreichender Grund für die Einrichtung eines solchen Systems, denn es würde die Speicherung sämtlicher Einreise- und Ausreisedaten aller Reisenden erforderlich machen - und dabei würde es sich um eine sehr große Menge von Daten handeln.

    Das Einreise-/Ausreisesystem sollte dazu beitragen, dass die Zahl der erfolgreichen Rückführungen von sich irregulär im Schengen-Raum aufhaltenden Drittstaatsangehörigen zunimmt, da es ja zur Ermittlung dieser Personen dienen würde. Die möglichen Auswirkungen eines solchen Systems sind allerdings vor dem Hintergrund zu sehen, dass die zuständigen Behörden derzeit überhaupt keine Daten über Overstayer zur Verfügung haben. Auch sollte das System im Verbund mit anderen Maßnahmen eingesetzt werden, insbesondere mit Personenkontrollen im Schengen-Raum und einer etwaigen Ermittlung von Personen ohne gültige Ausweispapiere über das VIS.

    Außerdem hätte das Einreise-/Ausreisesystem den Vorteil, dass es eine mehr faktenbasierte Politik ermöglichen würde - und dies nicht nur in Bezug auf die Visumpolitik und Visaerleichterungen, sondern auch im Rahmen der mit bestimmten Nachbarländern bestehenden Partnerschaft für Migration, Mobilität und Sicherheit. Beispielsweise kann es als Aufgabe der EU betrachtet werden, zur Rechtfertigung der Aufrechterhaltung der Visumpflicht für Bürger eines gegebenen Drittlands den Nachweis zu erbringen, dass es ein Problem mit Overstayern gibt und/oder im Falle des Missbrauchs einer bestehenden Visafreiheit wieder eine Visumpflicht einzuführen.

    Wichtigster Grundsatz für ein Registrierungsprogramm für Reisende hingegen wäre ein sorgfältiges Risikomanagement. Die Vorkontrolle müsste so gründlich sein, dass die eigentlichen Kontrollen an der Grenze entschärft werden könnten. Zweitwichtigster Grundsatz wäre die Kosteneffizienz. Ziel sollte sein, einer möglichst großen Zahl von Personen das Reisen zu erleichtern. Die Zulässigkeitskriterien sollten daher weit gefasst werden, wohingegen durch die Vorkontrollkriterien ein hohes Maß an Sicherheit sichergestellt werden sollte.

    Datenschutz

    Alle sich auf den Schutz personenbezogener Daten beziehenden EU-Vorschriften müssen im Einklang mit den Grundsätzen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und insbesondere mit Artikel 7 und 8 der Charta stehen. Jedes Einreise-/Ausreisesystem bzw. Registrierungsprogramm für Reisende müsste im gleichen Maße die Grundrechte aller Reisenden einschließlich ihres Rechts auf Datenschutz wahren. Mithin müssen auch alle Vorschriften über intelligente Grenzen im Einklang mit den Vorschriften und Grundsätzen des Schutzes personenbezogener Daten stehen. Nützlichkeit allein wäre also kein hinreichendes Kriterium für die Einführung eines Einreise-/Ausreisesystems oder eines Registrierungsprogramms für Reisende. Jedes System, das sich auf die Grundrechte einschließlich des Rechts auf Privatsphäre und Datenschutz auswirkt, muss neben dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Voraussetzung erfüllen, dass es in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist. Außerdem sollte jede Datenverarbeitung auf das für die Erfüllung des Zweckes des Systems notwendige Maß begrenzt werden. „Eingebauter Datenschutz“ sollte ein Grundprinzip bei der Konzipierung jedes Einreise-/Ausreisesystems bzw. Registrierungsprogramms für Reisende sein. Die für das Registrierungsprogramm für Reisende vorgeschlagene Option einer Kombination aus einer Marke und einer zentralen Datenspeicherung (siehe Abschnitt 3.2.2.2) könnte als Beispiel für eine praktische Umsetzung dieses Grundsatzes betrachtet werden.

    Sowohl bei einem Einreise-/Ausreisesystem als auch bei einem Registrierungsprogramm für Reisende würden die betreffenden Daten ausschließlich von den benannten zuständigen Visa- und Grenzbehörden in den Konsularstellen und an den Grenzübergängen in dem für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Umfang erfasst und verarbeitet. Der Zugang zu den Daten würde nach Maßgabe der geltenden EU- und nationalen Vorschriften über den Schutz der Privatsphäre und den Datenschutz streng geregelt und eng begrenzt. Es müssten Unterlagen über sämtliche Datenverarbeitungsvorgänge aufbewahrt werden und jederzeit für die datenschutzrechtliche Überwachung verfügbar sein. Ferner würden Rechtsmittel eingeführt, durch die sichergestellt würde, dass Reisende die Daten aus ihrem Registrierungsantrag oder ihrem Ein- bzw. Ausreisedatensatz einsehen und bei Bedarf berichtigen könnten. Auch würde durch geeignete Maßnahmen sichergestellt, dass die Daten sicher gespeichert werden und ein Missbrauch ausgeschlossen ist. Datenverarbeitungen durch EU-Organe und –Einrichtungen würden vom Europäischen Datenschutzbeauftragten beaufsichtigt, Datenverarbeitungen mitgliedstaatlicher Behörden durch deren nationale Datenschutzbehörden. Ein Datenzugriff (auf das Einreise-/Ausreisesystem) durch Strafverfolgungsbehörden könnte auf in den künftigen EU-Vorschriften klar umrissene Fälle begrenzt werden und würde den gleichen strengen Bestimmungen unterliegen.

    Die nächsten Schritte

    Die Union muss die Verwaltung ihrer Außengrenzen weiter verbessern. Der in dieser Mitteilung vorgestellte Ansatz für eine Schaffung intelligenter Grenzen könnte dabei eine wichtige Rolle spielen.

    Das Einreise-/Ausreisesystem würde der Union genaue Daten über die an ihren Außengrenzen auftretenden Reiseströme in den und aus dem Schengen-Raum sowie über Overstayer an die Hand geben. Dadurch würden faktenbasierte Auswertungen von Visabefreiungen, Abkommen über Visaerleichterungen und eine Vorausplanung künftiger Initiativen dieser Art möglich. In Verbindung mit dem VIS würden die von der Union unternommenen Anstrengungen zur Bekämpfung der illegalen Zuwanderung und zur Steigerung der Zahl der erfolgreichen Rückführungen mehr Wirkung zeigen.

    Durch das Registrierungsprogramm für Reisende könnte der Grenzübertritt von 4-5 Millionen Reisenden jährlich beschleunigt werden[18], und es würde der Grundstein für weitere Investitionen in automatische Grenzkontrolltechnologien für die wichtigsten Grenzübergänge gelegt. Die Erfahrungen jener Mitgliedstaaten, die bereits versuchsweise automatische Grenzkontrollen für EU-Bürger eingeführt haben, zeigen, dass die durchschnittliche Grenzübertrittsdauer von derzeit 1-2 Minuten auf unter 30 Sekunden gedrückt werden könnte. Zwar investieren bereits zahlreiche Drittländer in automatische Grenzkontrolltechnologien, aber bisher hat keines dieser Länder einen so umfassenden Schritt wie das in dieser Mitteilung vorgestellte EU-Registrierungsprogramm für Reisende gewagt: Dieses würde einen vereinfachten automatischen Grenzübertritt für die Vorkontrollkriterien erfüllende Drittstaatangehörige bieten und der Offenheit der EU für Bürger aller Länder sowie ihrer Entschlossenheit, das Reisen und grenzübergreifende Kontakte – nicht zuletzt für Unternehmen – zu erleichtern, sichtbaren Ausdruck verleihen.

    Im Lichte der in dieser Mitteilung vorgenommenen Erstbewertung der verfügbaren Optionen scheint - ohne der vollständigen Folgenabschätzung, die den einschlägigen Vorschlägen beiliegen wird, vorgreifen zu wollen - die beste Vorgehensweise darin zu bestehen, das Einreise-/Ausreisesystem und das Registrierungsprogramm für Reisende zusammen zu entwickeln und dann nach einer Übergangsphase im Einreise-/Ausreisesystem auch biometrische Daten zu verwenden und im Rahmen des Registrierungsprogramms für Reisende auf eine Kombination aus einer Marke und einer zentralen Datenbank zurückzugreifen. Analog zu den Entscheidungen, die bereits in den vom Europäischen Parlament und vom Rat angenommenen einschlägigen EU-Vorschriften für EURODAC, das VIS, das SIS II, Ausweise und Aufenthaltstitel getroffen wurden, würden als biometrische Identifikatoren für beide Systeme Fingerabdrücke und das Gesichtsbild herangezogen.

    Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass mit der Entwicklung des Einreise-/Ausreisesystems und des Registrierungsprogramms für Reisende erst begonnen werden kann, wenn das Europäische Parlament und der Rat die Rechtsgrundlage für die Systeme mit den genauen Spezifikationen erlassen haben. Um eine größtmögliche Qualität zu erreichen und Risiken, wie sie bei der Entwicklung des SIS II und des VIS zutage getreten sind, auf ein Minimum zu reduzieren, sollte zudem die neu geschaffene IT-Agentur für die Entwicklung und den Betrieb der Systeme zuständig sein.

    Aufgrund der Größe der neuen Systeme wären umfangreiche Investitionen der EU und der Mitgliedstaaten in Form öffentlicher Ausgaben für die IT-Entwicklung sowie erhebliche Anstrengungen zur Sicherstellung der höchsten Standards für den Schutz personenbezogener Daten erforderlich. Bei der künftigen Entwicklung der Systeme müssten zudem die Erkenntnisse aus der Entwicklung von anderen IT-Großprojekten wie dem SIS II und dem VIS berücksichtigt werden. Dafür würden die neuen Systeme große Möglichkeiten im Hinblick auf die Verwirklichung des doppelten Ziels von mehr Sicherheit und einem einfacheren Grenzübertritt bieten. Bei dem zu erwartenden Anstieg der Zahl von reisewilligen Drittstaatangehörigen einschließlich von der Visumpflicht befreiter Personen könnten die Systeme die Mitgliedstaaten zudem in die Lage versetzen, eine effiziente Grenzabfertigung aufrecht zu erhalten, ohne dafür unrealistisch umfangreiche und überaus kostenintensive Personalaufstockungen in Kauf nehmen zu müssen.

    Die EU muss sich für die Herausforderungen wappnen, die die Zunahme von Reisenden in einer zunehmend globalisierten Welt mit sich bringen wird. Neue Technologien könnten hier noch nie dagewesene Möglichkeiten bieten. Die Kommission freut sich auf die weiteren Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Datenschutzbeauftragten und beabsichtigt, im ersten Halbjahr 2012 Vorschläge für ein Einreise-/Ausreisesystem und ein Registrierungsprogramm für Reisende vorzulegen.

    Anhang - Kostenschätzung

    Die vollständige Kostenschätzung für verschiedene Optionen wird in der Folgenabschätzung zu den einschlägigen Vorschlägen enthalten sein. Die nachfolgende Tabelle geht auf eine Studie zurück, die im Jahr 2010 im Auftrag der Kommission durchgeführt wurde. Sie weist die einmaligen Entwicklungskosten für eine der Optionen, die alljährlichen Kosten für ihren Betrieb und die Gesamtkosten für eine dreijährige Entwicklung und einen fünfjährigen Betrieb aus. Bei der betreffenden Option handelt es sich um die Durchführung eines Registrierungsprogramms für Reisende, bei dem alphanumerische Daten in einer Marke und biometrische Daten in einer zentralen Datenbank gespeichert würden, sowie um die Implementierung eines zentralen Einreise-/Ausreisesystems, in dessen Rahmen nach einer Übergangsphase auch biometrische Daten gespeichert würden.

    Die Legislativvorschläge der Kommission könnten im Jahr 2012 unterbreitet werden. Falls die Gesetzgeber sie bis 2014 erlassen würden, könnte mit der Entwicklung im Jahr 2015 begonnen werden. Bei den genannten Zahlen handelt es sich um Schätzungen. Je nachdem, für welche Art von Systemen sich die Gesetzgeber entscheiden würden, könnten sich die Kosten erhöhen oder vermindern.

    Einmalige Entwicklungskosten auf zentraler und auf nationaler Ebene (3 Entwicklungsjahre) (in Mio. EUR) | Jährliche Betriebskosten auf zentraler und auf nationaler Ebene (5 Betriebsjahre) (in Mio. EUR) | Gesamtkosten auf zentraler und auf nationaler Ebene (in Mio. EUR) |

    Registrierungspro-gramm für Reisende: Option mit Spei-cherung einer einma-lige Kennnummer in einer Marke und Speicherung von biometrischen Daten und Antragsdaten in einer zentralen Datenbank | 207 (MS: 164, zentral: 43) | 101 (MS: 81, zentral: 20) | 712 |

    Einreise-/Ausreise-system: Option mit zentralem System und nach einer Über-gangsphase erfolgen-der Erfassung biometrischer Daten | 183 (MS: 146, zentral: 37) | 88 (MS: 74, zentral: 14) | 623 |

    Die Gesamtkosten würden sich um 30 % verringern, wenn die beiden Systeme zusammen (d.h. auf der gleichen technischen Plattform) entwickelt würden.

    [1] KOM(2011) 559 endg., KOM(2011) 560 endg., KOM(2011) 561 endg.

    [2] KOM (2008) 69 endg.

    [3] C(2011)-0445

    [4] KOM(2011) 248 endg.

    [5] EUCO 23/11.

    [6] Diese Angaben basieren auf Statistiken zum Außengrenzenfonds und auf Daten, die zwischen dem 31. August und dem 6. September 2009 an den Übergängen der EU-Außengrenzen erhoben wurden.

    [7] Die langfristige Vorhersage von Eurocontrol bis zum Jahr 2030 wurde am 17.12.2010 veröffentlicht: (http://www.eurocontrol.int/statfor/gallery/content/public/forecasts/Doc415-LTF10-Report-Vol1.pdf).

    [8] Siehe die Ergebnisse des von der EU finanzierten und vom International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) durchgeführten Projekts „Clandestino“ (http://clandestino.eliamep.gr). Bei diesen Zahlen handelt es sich um akkumulierte Gesamtwerte zum Zeitpunkt der Studie (2008, EU-27).

    [9] Siehe SEK (2011) 620, Tabelle 2; die Daten wurden von Eurostat und vom Europäischen Migrationsnetz (EMN) bereitgestellt. Die Gründe für die große Diskrepanz zwischen diesen Zahlen sind nicht nur im Mangel an Informationen über Overstayer zu sehen, sondern auch in anderen Faktoren wie der mangelnden Kooperationsbereitschaft bestimmter Drittländer, humanitären Erwägungen usw.

    [10] Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Zypern und Portugal.

    [11] Deutschland, Spanien, Frankreich, Niederlande, Portugal, Finnland und Vereinigtes Königreich.

    [12] Darunter die Niederlande („Privium“), Frankreich („PARAFES“), das Vereinigte Königreich („Iris“) und Deutschland („ABG“).

    [13] Verordnung (EG) Nr. 562/2006.

    [14] Diese Berechnung bezieht sich auf 28 Länder (22 Mitgliedstaaten, 3 assoziierte, in vollem Umfang am Schengen-Raum teilnehmenden Länder sowie Rumänien, Bulgarien und Liechtenstein).

    [15] Diese Berechnung der Kommissionsdienststellen gründet sich auf Erfahrungen und Daten von Mitgliedstaaten, die bereits ein Pilot-Registrierungsprogramm für Reisende durchführen.

    [16] KOM (2010)385 endgültig.

    [17] 1. Schutz der Grundrechte, insbesondere des Rechts auf Privatsphäre und Datenschutz, 2. Notwendigkeit, 3. Subsidiarität, 4. sorgfältiges Risikomanagement, 5. Kostenwirksamkeit, 6. Politikgestaltung nach dem Bottom-up-Prinzip, 7. klare Zuständigkeiten und 8. Überprüfungs- und Beendigungsklauseln.

    [18] Bei dieser Schätzung wurde davon ausgegangen, dass mindestens 20 % aller Personen, denen ein Mehrfachvisum ausgestellt wird (jährlich rund 10 Millionen), sowie ebenso viele Personen, die kein Visum benötigen, den Status eines eingetragenen Reisenden beantragen würden.

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