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Document 52009AE1029

    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Grünbuch — Hin zu einem sicheren, nachhaltigen und wettbewerbsfähigen europäischen Energienetz KOM(2008) 782 endg./2

    ABl. C 306 vom 16.12.2009, p. 51–55 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    16.12.2009   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    C 306/51


    Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Grünbuch — Hin zu einem sicheren, nachhaltigen und wettbewerbsfähigen europäischen Energienetz“

    KOM(2008) 782 endg./2

    2009/C 306/12

    Die Europäische Kommission beschloss am 13. November 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

    „Grünbuch — Hin zu einem sicheren, nachhaltigen und wettbewerbsfähigen europäischen Energienetz“

    Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 20. Mai 2009 an. Berichterstatterin war Laure BATUT.

    Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 454. Plenartagung am 10./11. Juni 2009 (Sitzung vom 11. Juni) mit 124 gegen 1 Stimme bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

    1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss möchte sich zu den von der Europäischen Kommission in ihrem Grünbuch gestellten Fragen wie folgt äußern:

    Netzpolitik:

    1.1

    Hindernisse und Zuständigkeiten: Harmonisierte und demokratisch kontrollierbare Verfahren würden für mehr Transparenz in den internationalen Beziehungen, bei den Optionen der EU, auf den Märkten, bei der Festsetzung der Preise und hinsichtlich der Gewinne der Akteure (Regulierungsbehörden und Netzbetreiber) sorgen. Die betroffenen Bürger müssen angehört und die Verbraucher informiert werden.

    1.2

    Streitigkeiten: Die Mitgliedstaaten müssen freie Hand bei der Wahl ihrer Energieoptionen haben. Die Kommission kann eine koordinierende Rolle übernehmen, wobei den Erwartungen der Bürger hinsichtlich Energieversorgung und Raumordnung Rechnung zu tragen ist. Die Aufgabe des Europäischen Verbunds der Übertragungsnetzbetreiber (ENTSOE) und der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACRE) muss klar abgesteckt und die Rechtswirkung und Einklagbarkeit ihrer Beschlüsse geklärt werden (1).

    1.3

    Forschung und Demonstration: Die für Forschung und Demonstration vorgesehenen Finanzmittel müssen bewertet und können eigentlich nur aufgestockt werden. Sie tragen zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit, Wartung und Stabilität der Netze bei und fördern die Energieeffizienz, die die Energieabhängigkeit der EU mindern und ihr den Übergang in die nächste Energieära erleichtern kann.

    1.4

    Die wichtigste Aufgabe: Ohne jemals das Interesse der Endverbraucher aus dem Auge zu verlieren, ist es notwendig, die Vernetzung fertigzustellen und in diesem Sinn gemeinsame strategische Leitlinien und die Rahmenbedingungen für den Markt festzulegen, die Mängel des Netzes festzustellen und zu beheben, um den Energietransport in der gesamten Union zu gewährleisten, die Energieversorgung und -bevorratung sicherzustellen sowie die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten klar abzugrenzen. Das Gemeinwohl hängt von gut funktionierenden Netzen, der Qualität der Dienste und all denjenigen Mitteln ab, mit denen Universalität, Sicherheit und Kontinuität dieser Netze und Dienste zu vertretbaren Preisen gewährleistet werden.

    1.5

    Beziehungen zu Drittländern: Der Ausschuss plädiert dafür, dass die Europäische Union auf internationaler Ebene in Energie- und Energietransportnetzfragen mit einer Stimme spricht, diese Fragen als integralen Aspekt ihrer Außenbeziehungen (Europäische Nachbarschaftspolitik - ENP) betrachtet und Governancenormen für die Transitländer vorschlägt.

    Es dürfte sinnvoll sein, den Dialog mit der Türkei auszubauen. Es ist notwendig, das Investitionsrisiko und den erwarteten Nutzen sorgfältig gegeneinander abzuwägen, zu prüfen, ob die Rechte der Arbeitnehmer vor Ort gewahrt sind, sowie Energiewirtschaft und Entwicklungspolitik miteinander zu verknüpfen. Nach Ansicht des Ausschusses stehen Energie, Verkehr und Umwelt in einer Dreiecksbeziehung.

    TEN-E:

    1.6

    Ansatz, Unterstützung und Investitionen: Allein die Europäische Union kann den Überblick über die Gesamtversorgungslage haben und grenzüberschreitend handeln. Die Energieaußenbeziehungen bieten Unterstützung im Hinblick auf Risiken vor Ort und andere politische Einflussbereiche. Die Kommission sollte klarstellen, ob es um Infrastrukturen oder Lieferungen geht. Die TEN-E sind für Infrastrukturen relevant. Sie müssen Entscheidungen der EU unterliegen und im Rahmen des EU-Haushalts über eine eigene, angemessen ausgestattete Haushaltslinie finanziert werden. Die Abschreibung der in die Netze investierten gemeinschaftlichen Fördermittel sollte nicht auf die Endverbraucherpreise umgelegt werden. Die Finanzmittel der Betreiber müssen transparent gehandhabt werden. Die Möglichkeiten für EU-Bürgschaften für Investoren und Darlehen für Betreiber sollten ausgebaut werden. Die Europäische Union muss eine neue Form der Governance für Investitionen entwickeln.

    1.7

    Überarbeitung der Leitlinien: Der Ausschuss befürwortet eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Infrastrukturen durch Forschung sowie die Sensibilisierung der Bürger für die Erfordernisse und schlägt vor, zum einen einen echten sozialen Dialog sowie echte sektorspezifische Dialoge einzurichten und zum anderen zu untersuchen, in wieweit die Energieversorgung der Bürger als europäische Dienstleistung von allgemeinem Interesse sinnvoll und machbar wäre (2).

    1.8

    Ausweitung der TEN-E: Der Ausschuss ist mit einer Aufnahme der Erdölinfrastruktur einverstanden, sofern nach einer Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Situation die Gemeinschaftshilfen Verlust schreibenden Ölgesellschaften vorbehalten bleiben. Eine Ausdehnung der TEN-E auf die neuen Netze für CO2 wird abgelehnt. Der Ausschuss hält eine Einbeziehung der CO2-Pipeline-Netze in die TEN-E für verfrüht, solange nicht feststeht, dass der Transport von Kohlendioxid über Netze sinnvoll und unbedenklich ist; außerdem ist dazu eine umfassende öffentliche Debatte über klare Vorschläge, die in der Vorlage enthalten sein müssen, erforderlich.

    1.9

    Neue vorrangige Vorhaben: Der Schwerpunkt sollte auf die Behebung der Lücken im Verbundnetz gelegt werden; der Ausschuss befürwortet die Ausdehnung des Netzverbunds auf die erneuerbaren Energiequellen wie beispielsweise die Offshore-Windparks in der Ost- und Nordsee. Mit Blick auf die Projekte vor dem Zeithorizont 2050 sollte auch die Ausweitung auf noch zu erschließende Energiequellen (Meeres-Energieressourcen usw.) ins Auge gefasst werden.

    1.10

    Versorgungssicherheit und Solidarität: Die Bewusstseinsbildung würde durch eine gute Kommunikationspolitik und sichtbare Ergebnisse in Form der Endpreise gefördert. Das Grünbuch geht nicht auf die Mittel ein, mit denen die Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten sichergestellt werden kann. Solidarität bedeutet, dass alle zum Energietransport innerhalb der EU beitragen und strategische Vorräte anlegen, die sie im dringenden Bedarfsfall anderen Mitgliedstaaten zur Verfügung stellen. Die Mitgliedstaaten sollten diese Energiesolidarität gemeinsam mit der Europäischen Union auf internationaler Ebene vertreten und in der EU nach dem Grundsatz des allgemeinen Interesses verfahren.

    1.11

    Weitere Maßnahmen zur Sicherung einer nachhaltigen Infrastruktur: Es wird davon ausgegangen, dass die Nachhaltigkeit der Energieversorgung in der Ausweitung des Netzverbunds auf die erneuerbaren Energieträger inbegriffen ist, doch ist dies nicht belegt. Die Stromnetze müssen mit Blick auf die Übertragungsverluste, die Frequenz, die Spannung und die Harmonisierung der einzelstaatlichen Netzanschlussregeln modernisiert werden, bei den Gasnetzen muss die Kapazität und Sicherheit der Speicher verbessert werden.

    Außerdem:

    1.12

    Die TEN-E erfordern eine qualitativ hochwertige Instandhaltung, was wiederum gut qualifizierte Fachkräfte voraussetzt. Im Einklang mit der Lissabon-Strategie und der Strategie für nachhaltige Entwicklung sollten die im Grünbuch vernachlässigten sozialen Aspekte nach Meinung des Ausschusses unbedingt berücksichtigt werden. Das Know-how der europäischen Fachkräfte im Bereich der Netztechnologie muss ausgebaut werden, um Kompetenz und Beschäftigung in Europa zu sichern. Der Ausschuss plädiert für Einrichtung eines europäischen beratenden Ausschusses für Energie und Klimawandel.

    1.13

    Er spricht sich ferner für die Errichtung eines spezifischen europäischen Fonds aus, über den die europäische Solidarität für die Bürger konkret gewährleistet werden könnte. Als notwendige Ergänzung einer integrierten europäischen Energiepolitik sollte im Rahmen des Gemeinschaftsrechts eine Haftung der Unternehmen gegenüber den Bürgern vorgesehen werden. Die Europäische Charta der Rechte der Energieverbraucher sollte angewendet werden.

    2.   Einleitung

    2.1

    Die Kommission hält es beim gegenwärtigen Stand der Entwicklung der europäischen Energienetze nicht für möglich, die Energieziele (Energienachhaltigkeit, -wettbewerbsfähigkeit und -versorgungssicherheit) und die Klimaschutzziele (20-20-20-Ziele) zu erreichen. Es gilt, die TEN-E zu modernisieren und die Netzpolitik zu aktualisieren. In diesem Grünbuch geht es um die Überarbeitung der TEN-Leitlinien und -Finanzierungsinstrumente.

    2.2

    Die Rahmenbedingungen sind in letzter Zeit spannungsgeladen: Die jüngste Gasversorgungskrise im Osten, der neue Konflikt im Nahen Osten und die Weltfinanzkrise könnten die Fertigstellung der TEN-E beeinträchtigen.

    3.   Zusammenfassung des Grünbuchs

    3.1

    Die EU soll ihre Infrastrukturpolitik konkret an sechs regionalen Achsen ausrichten: dem Ostseeverbundplan, dem Süd-Ost-Gaskorridor, dem Mittelmeer-Energiering, dem Stromverbund mit Mittel- und Südosteuropa, einem Aktionsplan für Flüssiggas (LNG), dem Ausbau der nordeuropäischen Windparks, der Zusammenschaltung der TEN-E und der Integration des Marktes.

    3.2

    Die Europäischen Union könnte

    die Netzpolitik unter Einbeziehung der Importnetze entwickeln;

    für Versorgungssicherheit und Solidarität der Mitgliedstaaten sorgen, indem sie insbesondere Infrastrukturprojekte im Hinblick auf einen echten europäischen Energieverbund fördert;

    zwar weiterhin spezifische Projekte fördern, aber auch allgemeine Studien durchführen, die allen zugutekommen;

    die erneuerbaren Energieträger anbinden und die Einbeziehung emissionsfreier Techniken und neuer Netztechnologien sicherstellen;

    private Finanzierungsquellen auftun und die Umstellung auf ein neues Finanzinstrument fördern;

    finanzielle Unterstützung an die Kohärenz der nationalen Strategiepläne mit den prioritären europäischen Vorhaben binden;

    staatliche Interventionen erlauben, wenn der Markt diese Funktion nicht erfüllt;

    insgesamt zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren beitragen.

    3.3

    Ziel des Grünbuchs ist es, das Verständnis und die Solidarität der Öffentlichkeit zu fördern, um die bis 2020 gesetzten Ziele zu erreichen.

    4.   Allgemeine Bemerkungen

    4.1

    Titel und Einleitung des Grünbuchs würden vermuten lassen, dass es darin um einen globalen Ansatz geht, um die Energienetze zu sichern und ihre Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Stattdessen steht die Errichtung internationaler Verbundnetze im Vordergrund, ohne dass eine Bilanz des Wartungszustands, der Bildungs- und Qualifikationserfordernisse oder der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit gezogen würde, die doch für Sicherheit und Nachhaltigkeit eine wesentliche Rolle spielen.

    4.2

    Wettbewerb ist für die Verbraucher nicht als Zweck, sondern als Mittel von Interesse, das ihnen Einsparungen ermöglicht, gleichzeitig aber so zuverlässige Dienste bietet wie in einem Monopolsystem. Die Suche nach privaten Finanzierungsquellen und die Ausschreibung von Partnerschaften zur Fertigstellung der TEN-E sind zwar interessante Lösungswege, lassen aber das Haupthindernis für die Entwicklung der integrierten europäischen Gas- und Stromversorgungsnetze erst deutlich zutage treten: der Mangel an Entschlossenheit und Finanzbereitschaft auf Gemeinschaftsebene.

    4.3

    Energieversorgung ist eine Dienstleistung von allgemeinem Interesse, und Privatinvestitionen lassen sich auf Dauer nur schwer damit vereinbaren. Der Markt kann den Übergang in die neue Energieära, die in dem Energie/Klimapaket angekündigt wird, nicht mithilfe der bisherigen Erzeugungs- und Transportverfahren vollziehen. Die Kommission, der daran liegt, Privatinvestitionen zu fördern, kann durch unmittelbar grenzübergreifendes Tätigwerden einen neuen Gesamtplan aufstellen und eine neue Form der öffentlichen Governance für Investitionen entwickeln, um sicherzustellen, dass die Energieversorgung dank der Verbundnetze auch weiterhin eine Dienstleistung von allgemeinem Interesse bleibt.

    5.   Bilanz der europäischen Energiepolitik

    5.1

    Nach Meinung des Ausschusses erfordern die TEN-E die Koordinierung sämtlicher Akteure durch ein notwendigerweise zentrales Gremium, was jedoch der erwünschten Marktlogik widerspricht; die Kommission sollte bekräftigen, dass es darum geht, optimale Kosten/Nutzen-Lösungen zum Vorteil der Verbraucher zu finden, da diese sonst womöglich am Nutzen des Energiebinnenmarkts zweifeln.

    Die Aufgabe des Europäischen Verbunds der Übertragungsnetzbetreiber (ENTSOE) und der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACRE) werden im Grünbuch nicht klar genug abgesteckt. Sie werden zwar eine zentrale Koordinierungsfunktion haben, sollten jedoch nicht in Entscheidungen über die Verwendung öffentlicher Mittel eingebunden werden. Die EU sollte außerdem dafür sorgen, dass die Kontinuität von Forschung und Entwicklung gewährleistet wird, was nicht Aufgabe dieser Gremien sein kann.

    6.   Besondere Bemerkungen

    Die Netze

    6.1

    Wenn mehr Mittel zur Verfügung stehen, würden die Netze die Energiesolidarität fördern. Die EU sollte feststellen, wo Lücken im Verbund sind, und diese dann schließen. Der Ausschuss ist der Meinung, dass die im Rahmen der ENP schon erzielten guten Ergebnisse eine Erfolgsgarantie sind. Er stellt fest, dass keine Angaben dazu gemacht werden, ob der Verbund geographische Grenzen hat, auf welche Weise der Verbund hergestellt wird, welche Organisationen für die Aufrechterhaltung der elektrischen Frequenz und Spannung zuständig sind, welche Maßnahmen bei teilweisem Netzversagen zu ergreifen sind und wie die Verantwortung und Zuständigkeiten, die Koordinierungsaufgabe der Union inbegriffen, aufgeteilt werden sollen.

    Da es sich um sehr umfangreiche, stark strukturierende und äußerst langlebige Infrastrukturen handelt, müssen die Investoren und Bürger auf transparente Weise über die Marktaussichten informiert werden.

    Der Ausschuss spricht sich dafür aus, zu untersuchen, in wieweit die Energieversorgung der Bürger als europäische Dienstleistung von allgemeinem Interesse mit einem gemeinsamen Ansatz im Hinblick auf die Bepreisung, Besteuerung, Sicherheitsvorschriften im Finanzbereich, Kontinuität, wirtschaftliche Entwicklung und Klimaschutz sinnvoll und machbar wäre.

    6.2

    Nachhaltigkeit würde durch die Anbindung der erneuerbaren Energieträger (nördliche Windparks) und den Transport von Kohlendioxid zu den Lagerstätten erreicht; es geht also nicht um die Nachhaltigkeit der TEN-E selbst. Die Kommission sollte sich mit der Notwendigkeit befassen, die Stromnetze mit Blick auf die Übertragungsverluste, die Frequenz, die Spannung, die Harmonisierung der einzelstaatlichen Netzanschlussregeln und die Entwicklung intelligenter Netze zu modernisieren.

    6.3

    Ungeachtet der technisch möglichen Kohlendioxidabscheidung hält der Ausschuss eine Einbeziehung der CO2-Pipeline-Netze in die TEN-E für verfrüht. Es müsste zuerst eine groß angelegte öffentliche Debatte über diese Frage stattfinden (3).

    Versorgungssicherheit

    6.4

    Die Gewährleistung der Versorgungssicherheit muss nach Ansicht des Ausschusses auf zwei Ebenen erfolgen:

    auf internationaler Ebene über Investitionsvereinbarungen in Drittländern, für die Versorgungssicherheit relevant sind; die Einbeziehung der Erdölfernleitungen in die TEN-E würde die ernste Gefährdung der Seeverkehrssicherheit (4) und der Umwelt durch den zunehmenden Erdöltransport auf dem Seeweg verringern, bedarf jedoch einer eingehenden Prüfung, denn aus Sicht der Bürger könnte es sich für die EU als gefährlich erweisen, den Ölkonzernen womöglich unrentable Anlagen zu bezahlen;

    auf nationaler Ebene durch den Ausbau der erneuerbaren Energieträger, die Erhöhung der Speicherkapazitäten und die Verbesserung der Netzsicherheit.

    Internationale Beziehungen

    6.5

    Nach Ansicht des Ausschlusses sollte die Union auf internationaler Ebene in Energietransportnetzfragen mit einer Stimme sprechen. Die Energiedimension sollte integraler Bestandteil der Außenbeziehungen der Union sein und eine neue politische Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten und mit den Nachbarländern begründen. In dem Grünbuch hätten diesbezüglich konkrete Maßnahmen vorgeschlagen werden können.

    6.6

    Diese Netze dürfen nicht zum Objekt von Streitigkeiten oder bewaffneten Konflikten oder zu rechtsfreien Räumen, insbesondere für die Beschäftigten, werden. Sie sollten im Gegenteil Träger der Entwicklungspolitik sein. Der Energiedialog mit der Türkei, einer strategisch wichtigen Zone, sollte ausgebaut werden; außerdem sollte bei den Transaktionen systematisch der Euro als Zahlungsmittel verwendet werden.

    Solidarität

    6.7

    Die Energiesolidarität findet auf drei Ebenen statt: zwischen den Mitgliedsstaaten, zwischen den Bürgern und der EU sowie zwischen den Betreibern. Das Grünbuch geht nicht einmal auf die Mittel ein, mit denen die Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten sichergestellt werden kann. Die Geschäfts- und Vertragspraktiken der Betreiber untereinander sind Solidarität abträglich (Aktionärsforderungen), obwohl sie sich weltweit für Energiesolidarität einsetzen sollten. Alle sollten zum Energietransport innerhalb der Europäischen Union beitragen, ohne einen Verbund abzulehnen oder zu behindern. Der Ausschuss befürwortet Regulierungsinstrumente, die es im dringenden Bedarfsfall und auf gemeinsame Entscheidung hin ermöglichen, ungenutzte Kapazitäten auf den Markt zu bringen (Zwangsverkauf nach dem „use it or lose it“-Prinzip).

    6.8

    Die Einrichtung eines spezifischen europäischen Reservefonds für Notfallmaßnahmen könnte als weiterer Ausdruck der europäischen Solidarität die Mitgliedstaaten und die Bürger gegen die Risiken wappnen, die sich aus der geographischen und geopolitischen Lage der Produktionsstätten ergeben.

    ENTSOE und ACRE, die Planungsbehörden

    6.9

    Im Zusammenhang mit der Planung der TEN-E sollte ENTSOE und ACRE ein klares Mandat erteilt und die Mittlerrolle der EU definiert werden. Dies wird im Grünbuch nicht deutlich genug zum Ausdruck gebracht. Der Ausschuss findet es bedauerlich, dass die meisten europäischen Regulierungsbehörden eine gesetzlich festgelegte Tätigkeit ausüben, die sich auf die Schaffung eines wettbewerbsorientierten Marktes beschränkt und die Versorgungssicherheit außer Acht lässt, und dass die Zuständigkeit der Kommission nicht klar abgesteckt wird. Die Einbeziehung der nationalen Energieregulierungsbehörden allein schafft noch keine europäische Regulierungsbehörde. Die Rechtsnatur, die Zuständigkeiten und die Überwachung der Tätigkeit eines solchen Gremiums sind zu klären. Nach Ansicht des Ausschusses sollte eine der Aufgaben der Kommission darin bestehen, Streitigkeiten beim Aufbau der Verbundnetze vorzubeugen, indem die lokalen Gebietskörperschaften möglichst von Anfang an in die TEN-E-Vorhaben eingebunden werden.

    Das allgemeine europäische Interesse

    6.10

    Das allgemeine europäische Interesse wird geltend gemacht, um den Eingriff der öffentlichen Hand bei Marktversagen zu rechtfertigen. Obwohl dieses Interesse wesentlich ist, sind die damit verbundenen Voraussetzungen bedauerlicherweise nicht geklärt.

    Finanzierung

    6.11

    Die Gemeinschaftsfinanzierung (5) dient als Katalysator für neue Vorhaben. Die Mitgliedstaaten tragen den Löwenanteil der Finanzierung; für besondere Vorhaben können Direktzuschüsse gewährt werden. Im Programmplanungszeitraum 2007-2013 ist der Umfang der Gemeinschaftsfinanzierung im Vergleich zum vorangehenden Zeitraum nahezu unverändert geblieben, in konstanten Euro also gesunken. Die Kommission schlägt vor, allgemeine Studien durchzuführen, die allen zugutekommen.

    6.12

    Folgende Aspekte sind offenbar nicht berücksichtigt worden: 1.) der künftige Energiebedarf, 2.) der Zustand der Netze und ihre Instandhaltungskosten sowie 3.) die Auswirkungen der neuen Technologien (neue erneuerbare Energieträger, neue Entwicklungen in Bezug auf ihren Transport - intelligente Netze - und ihren Verbrauch, Energieeffizienz).

    6.13

    Im Grünbuch wird vorgeschlagen, neben den bisherigen Finanzierungsverfahren verstärkt privatwirtschaftliche Investitionen zu fördern. Der Ausschuss merkt an, dass die Privatwirtschaft nicht leicht für nur sehr langfristig rentable Investitionen zu haben ist, er befürwortet jedoch die Auslotung neuer Finanzierungsverfahren für strategisch wichtige Vorhaben, durch die die öffentliche Finanzlast aber nicht weiter erhöht werden darf. Seines Erachtens jedoch müssen die TEN-E in öffentlicher Hand bleiben.

    Die Wettbewerbsfähigkeit der Netze

    6.14

    Die Kommission erinnert daran, dass „es sich bei den transeuropäischen Netzen [ursprünglich] um ein Instrument des Binnenmarktes“ handelte, bei dem „man von der Annahme aus[ging], dass die Marktakteure die Investitionen tragen und die Kosten dafür an die Verbraucher weitergeben würden“. Da die EU die TEN-E kofinanziert, sollte sie eine neue Form der Governance für Investitionen entwickeln. Die Abschreibung der Netzinvestitionen sollte nicht auf die Endverbraucherpreise umgelegt werden.

    6.15

    Aus dem Grünbuch geht nicht hervor, wie durch die neuen Voraussetzungen die Wettbewerbsfähigkeit verbessert werden soll, wieso ein reibungsloserer Energietransport den Wettbewerb fördern soll und in wieweit dies den Verbrauchern zum Vorteil gereicht. In diesem Zusammenhang wäre daran zu erinnern, dass der Kommission zufolge Synergie-Effekte zwischen allen transeuropäischen Netzen angestrebt werden sollten.

    Forschung und Berufsbildung

    6.16

    Der Ausschuss hält es für erforderlich, dass die EU ihre Anstrengungen verstärkt auf die Forschung ausrichtet, um sicherzustellen, dass Europa über das technologische Know-how für Energieeffizienz und für den Transport von Energie verfügt.

    Beschäftigung

    6.17

    Da die Länder, in denen sich die Schaltstellen der Verbundnetze befinden, nicht immer über das erforderliche Know-how verfügen, plädiert der Ausschuss für eine nicht restriktive Anwendung der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern. Der Ausschuss plädiert für die Einrichtung eines europäischen beratenden Ausschusses für Energie und Klimawandel.

    Das Verständnis der Bürger und die Kommunikation

    6.18

    Der Ausschuss befürwortet den Ansatz der Kommission, das Verständnis der Bürger zu fördern. Die großen, von der EU finanzierten Projekte müssen zum Ziel haben, die Lebensqualität der Bürger zu verbessern und die Bereitstellung von Universaldienstleistungen zu den am besten erschwinglichen Preisen zu ermöglichen, was auf einem wettbewerbsorientierten Markt nicht von selbst geschieht. Um es den Mitgliedsstaaten zu ermöglichen, ihren Bürgern im Falle einer Nichteinhaltung der Verpflichtungen und/oder einer Blockierung der Netze zu Hilfe zu kommen, sollte außerdem ein europäischer Fonds für Notfallmaßnahmen eingerichtet werden, über den die Kontinuität des Dienstes trotz der Blockierung der Netze (verursacht durch höhere Gewalt, kriegerische Auseinandersetzungen, Insolvenz, Börsenunfälle usw.) sichergestellt werden könnte. Eine Haftung der Netzbetreiber gegenüber den Bürgern könnte in Betracht gezogen werden.

    6.19

    Die Überwachungs- und Bewertungsinstanzen müssen sich stärker öffnen und alle Interessenträger - Sozialpartner und Zivilgesellschaft - einbeziehen.

    6.20

    Um die Solidarität der Öffentlichkeit einzufordern, bedarf es mehr als nur Kommunikationsmaßnahmen. Die Hintergründe der quasi systematischen Opposition der jeweils betroffenen Anwohner gegen jedes einzelne Verbundprojekt (6) müssen ernst genommen und transparent geprüft werden.

    6.21

    Der Ausschuss ist überzeugt, dass die Versorgungssicherheit, die Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten und die Bekämpfung des Klimawandels einem neuen Wachstum förderlich sein können.

    6.22

    Der Ausschuss betont ausdrücklich, dass die Energie-, die Verkehrs- und die Umweltpolitik in einer Dreiecksbeziehung zueinander stehen.

    Brüssel, den 11. Juni 2009

    Der Präsident

    des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

    Mario SEPI


    (1)  ENTSOE: Europäischer Verbund der Übertragungsnetzbetreiber, in dem 42 Netzbetreiber aus 34 europäischen Staaten zusammengeschlossen sind.

    ACRE: Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, der eine zentrale Rolle beim Ausbau des Elektrizitäts- und Erdgasbinnenmarkts zukommt.

    (2)  ABl. C 175 vom 28.7.2009, S. 43.

    (3)  Die optimale Lösung für die Menschheit wäre die unmittelbare Nutzung von Kohlendioxid als Energiequelle ohne vorherige Karbonisierung - vielleicht macht die Forschung dies ja eines Tages möglich.

    (4)  Siehe Dokument SEC(2008) 2869 (nur auf EN verfügbar).

    (5)  Geregelt durch die Verordnungen (EG) Nr. 2236/95 bis 680/2007 für den Zeitraum 2007-2013.

    (6)  Vorrangiger Verbundplan, KOM(2006) 846/2 vom 23.2.2007.


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