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Document 32009H0625

    Empfehlung der Kommission vom 20. August 2009 zur Medienkompetenz in der digitalen Welt als Voraussetzung für eine wettbewerbsfähigere audiovisuelle und Inhalte-Industrie und für eine integrative Wissensgesellschaft

    ABl. L 227 vom 29.8.2009, p. 9–12 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

    ELI: http://data.europa.eu/eli/reco/2009/625/oj

    29.8.2009   

    DE

    Amtsblatt der Europäischen Union

    L 227/9


    EMPFEHLUNG DER KOMMISSION

    vom 20. August 2009

    zur Medienkompetenz in der digitalen Welt als Voraussetzung für eine wettbewerbsfähigere audiovisuelle und Inhalte-Industrie und für eine integrative Wissensgesellschaft

    (2009/625/EG)

    DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN —

    gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 211 (1),

    in Erwägung nachstehender Gründe:

    (1)

    Am 20. Dezember 2007 hat die Kommission die Mitteilung „Ein europäisches Konzept für die Medienkompetenz im digitalen Umfeld“ (2) angenommen, die vorrangig auf folgende Bereiche abstellt: Medienkompetenz im Bereich der kommerziellen Kommunikation, wobei Aspekte der Werbung abgedeckt werden; Medienkompetenz im Bereich der audiovisuellen Werke, wobei es unter anderem um die Sensibilisierung für den europäischen Film und um die Förderung kreativer Fähigkeiten geht; Medienkompetenz im Online-Bereich, die beispielsweise eine bessere Kenntnis der Funktionsweise von Internet-Suchmaschinen beinhaltet.

    (2)

    Das Europäische Parlament hat in seinem Bericht über Medienkompetenz in einer digitalen Welt (3) die Kommission ermutigt, ihre Politik zur Förderung der Medienkompetenz in Zusammenarbeit mit allen Organen der Union und den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften auszubauen.

    (3)

    In seinen auf der Tagung vom 21./22. Mai 2008 angenommenen Schlussfolgerungen zur Medienkompetenz (4) unterstützte der Rat (Bildung, Jugend und Kultur) „den von der Europäischen Kommission vertretenen strategischen Gesichtspunkt, wonach die Medienkompetenz ein wichtiger Faktor für ein aktives Bürgerengagement in der heutigen Informationsgesellschaft ist“.

    (4)

    Der Ausschuss der Regionen nahm im Oktober 2008 eine allgemeine Stellungnahme zu Medienkompetenz und kreativen Online-Inhalten an (5).

    (5)

    Der Europäische Rat von Lissabon (6) gelangte zu dem Schluss, dass die „Informationsanbieter […] durch die Nutzung und Vernetzung der kulturellen Vielfalt in Europa einen Mehrwert [schaffen]“. Die 2007 auf den Weg gebrachte europäische Kulturagenda gibt einen strategischen Rahmen für die Bewältigung der zentralen Herausforderungen im Kulturbereich vor, und in den Schlussfolgerungen des Rates vom Mai 2009 zum Thema „Kultur als Katalysator für Kreativität und Innovation“ wird aufgezeigt, welchen spezifischen Beitrag die Kultur zu Kreativität und Innovation leisten kann, und ein umfassendes — über das Jahr 2010 hinausreichendes —Innovationskonzept als Teil der Lissabon-Strategie gefordert. Von besonderer Bedeutung ist dies auch im Rahmen der „i2010“-Initiative der Europäischen Kommission, deren Ziel es ist, die Wettbewerbsfähigkeit des IKT-Sektors zu steigern und einen einheitlichen europäischen Informationsraum zu schaffen.

    (6)

    Eine höhere Medienkompetenz wäre ein wesentlicher Beitrag zur Verwirklichung der Ziele, die sich die Europäische Union auf der Tagung des Europäischen Rates von Lissabon und im Rahmen der „i2010“-Initiative gesetzt hat, insbesondere mit Blick auf den Aufbau einer wettbewerbsfähigeren Wissenswirtschaft und einer integrativeren Informationsgesellschaft.

    (7)

    Die Ende 2006 durchgeführte öffentliche Konsultation hat gezeigt, dass innerhalb Europas Unterschiede in Bezug auf die im Bereich Medienkompetenz verfolgten Ansätze sowie in Bezug auf das Niveau der Medienkompetenz bestehen. Gleichzeitig ist festzustellen, dass es an gemeinsamen Kriterien oder Standards für die Bewertung von Medienkompetenz fehlt und dass es einen dringenden Bedarf an umfassenderen, längerfristigen Forschungsarbeiten zur Entwicklung entsprechender Kriterien gibt.

    (8)

    Laut der im zweiten Halbjahr 2007 im Auftrag der Kommission durchgeführten Studie „Current trends and approaches to media literacy in Europe“ stehen der Entwicklung der Medienkompetenz auf europäischer Ebene einige Hindernisse im Wege. Insbesondere fehlt es an einer gemeinsamen Vision, an der europaweiten Sichtbarkeit nationaler, regionaler und lokaler Initiativen, an europäischen Netzwerken und an einer Koordinierung zwischen den Akteuren.

    (9)

    Es wäre äußerst wichtig, EU-weit einschlägige bewährte Praktiken analysieren, bekanntmachen und verbreiten zu können und eine Vernetzung der Akteure auf europäischer Ebene zu fördern.

    (10)

    Die europäischen Bürger zu befähigen, als Medienkonsumenten aus einem diversifizierten Angebot auszuwählen und informierte Entscheidungen zu treffen, wäre der Wettbewerbsfähigkeit der audiovisuellen Industrie und der Inhalte-Industrie in Europa förderlich.

    (11)

    Medienkompetenz ist die Fähigkeit, die Medien zu nutzen, die verschiedenen Aspekte der Medien und Medieninhalte zu verstehen und kritisch zu bewerten sowie selbst in vielfältigen Kontexten zu kommunizieren.

    (12)

    Die Verbreitung digitaler kreativer Inhalte und die wachsende Zahl von Online- und mobilen Verbreitungsplattformen bringen neue Anforderungen an die Medienkompetenz mit sich. In der heutigen Welt müssen die Bürger analytische Fähigkeiten entwickeln, die ihnen ein besseres intellektuelles und emotionales Verständnis der digitalen Medien ermöglichen.

    (13)

    Medienkompetenz betrifft alle Medien. Einschlägige Initiativen zielen darauf ab, Menschen für die vielfältigen Formen medial übermittelter Informationen zu sensibilisieren, mit denen sie im täglichen Leben konfrontiert werden. Medial übermittelte Informationen sind Programme, Filme, Bilder, Töne und Websites, die über unterschiedliche Kommunikationskanäle übertragen werden.

    (14)

    Medienkompetenz spielt eine wichtige Rolle im Hinblick auf die Sensibilisierung für das europäische audiovisuelle Erbe und für kulturelle Identitäten, auf die Aneignung von Wissen über das audiovisuelle Erbe und das europäische kulturelle Schaffen der jüngeren Zeit sowie auf die Förderung des Interesses daran.

    (15)

    Medienkompetenz ist ein Faktor für Integration und bürgerschaftliche Teilhabe in der heutigen Informationsgesellschaft. Es handelt sich um eine grundlegende Fähigkeit nicht nur für junge Menschen, sondern auch für Erwachsene, namentlich für ältere Menschen, Eltern, Lehrkräfte und Angehörige der Medienberufe. Dank Internet und digitaler Technologien ist heute eine wachsende Zahl von Europäern in der Lage, selbst Bilder, Informationen und Inhalte zu erstellen und zu verbreiten. Medienkompetenz wird heutzutage als eine der wesentlichen Voraussetzungen für eine aktive, umfassende bürgerschaftliche Teilhabe und für die Vermeidung bzw. Verringerung der Gefahr eines Ausschlusses aus dem gesellschaftlichen Leben gesehen.

    (16)

    Eine medienkompetente Gesellschaft wäre gleichermaßen Triebkraft und Vorbedingung für Medienpluralismus und Medienunabhängigkeit. Die Äußerung unterschiedlicher Meinungen und Ideen in unterschiedlichen Sprachen und im Namen unterschiedlicher Gruppen innerhalb einer Gesellschaft und zwischen verschiedenen Gesellschaften wirkt sich positiv im Sinne einer Stärkung der Werte Vielfalt, Toleranz, Transparenz, Fairness und Dialog aus. Die Entwicklung von Medienkompetenz in allen Gesellschaftsschichten sollte daher gefördert werden, und die dabei erzielten Fortschritte sollten genau verfolgt werden.

    (17)

    Demokratie erfordert die aktive Teilhabe der Bürger am Leben der Gemeinschaft. Medienkompetenz umfasst die Fähigkeiten, die die Bürger benötigen, um die Fülle der Tag für Tag über die neuen Kommunikationstechnologien verbreiteten Informationen zu verarbeiten.

    (18)

    Das Thema Medienkompetenz sollte auf verschiedenen Ebenen unterschiedlich angegangen werden. Die Entscheidung darüber, auf welche Weise Medienerziehung in die schulischen Lehrpläne auf allen Schulstufen integriert werden soll, liegt in erster Linie in der Verantwortung der Mitgliedstaaten. Eine wichtige Rolle fällt dabei den örtlichen Behörden zu, denn sie sind näher am Bürger und unterstützen Initiativen im Bereich der informellen Bildung. Auch die Zivilgesellschaft sollte — im Wege eines Bottom-up-Ansatzes — einen aktiven Beitrag zur Förderung der Medienkompetenz leisten.

    (19)

    Kommissionsinitiativen wie „MEDIA 2007“ (Beschluss Nr. 1718/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. November 2006 zur Umsetzung eines Förderprogramms für den europäischen audiovisuellen Sektor (MEDIA 2007) (7)) und die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (Richtlinie 2007/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 zur Änderung der Richtlinie 89/52/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (8)), die darauf abzielen, die Wettbewerbsfähigkeit der audiovisuellen Industrie und der Inhalte-Industrie in Europa zu stärken, dürften auch der Medienkompetenz förderlich sein.

    (20)

    Die Kommission beabsichtigt, die Maßnahmen zur Förderung der Medienkompetenz in den Bereichen audiovisuelle Werke und kommerzielle Kommunikation — ganz im Einklang mit Erwägungsgrund 37 der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste — zu beobachten, und zwar insbesondere im Rahmen des Kontaktausschusses für audiovisuelle Mediendienste und im Rahmen der in Artikel 26 der Richtlinie vorgesehenen Berichterstattungspflicht.

    (21)

    Die Kommission wird im Rahmen der bestehenden Programme Forschungsprojekte zur Medienkompetenz anregen. Insbesondere plant sie eine Studie, in der untersucht werden soll, inwieweit ein Bewusstsein für die Gefahren im Zusammenhang mit der Weitergabe personenbezogener Daten im Online-Umfeld vorhanden ist, sowie eine Studie zur optimierten Nutzung von Suchmaschinen.

    (22)

    Initiativen im Bereich Medienkompetenz sollten auch die Sensibilisierung für Fragen des Urheberrechts einschließen.

    (23)

    Die Verarbeitung personenbezogener Daten in Informations- und Kommunikationsnetzen — insbesondere zu dem Zweck, für die Nutzer maßgeschneiderte Angebote bereitzustellen — und die damit verbundenen Herausforderungen hinsichtlich des Schutzes personenbezogener Daten und der Privatsphäre müssen im Rahmen von Medienkompetenzinitiativen angegangen werden. In der Tat eröffnen Informations- und Kommunikationsnetze den Nutzern neue Möglichkeiten. Allerdings können sie auch neue Gefahren für den Einzelnen mit sich bringen, wie Identitätsdiebstahl, diskriminierende Profilerstellung oder kontinuierliche Überwachung. Diese Probleme und mögliche Lösungen hat die Kommission in ihrer Mitteilung über die Verbesserung des Datenschutzes durch Technologien zum Schutz der Privatsphäre (9) aufgezeigt.

    (24)

    In Initiativen zur digitalen Medienkompetenz sollten traditionelle Verleger eng eingebunden werden, denn die Verlagsbranche verfügt über äußerst wertvolle Erfahrungen bezüglich der Medienkompetenz in der Offline-Welt und verlagert ihre Tätigkeiten zunehmend hin zur Produktion und Verbreitung digitaler Inhalte.

    (25)

    Die Kommission beabsichtigt, weiter auf einen Konsens in wesentlichen Fragen der Medienkompetenz (Definitionen, Ziele) hinzuarbeiten und die Analyse und den Austausch bewährter Praktiken in Bezug auf die Medienkompetenz im digitalen Umfeld und die Medienwirtschaft voranzubringen, insbesondere durch die Einberufung von Sitzungen des AVMD-Kontaktausschusses (10), durch die Förderung und Unterstützung von Veranstaltungen im Rahmen von „MEDIA 2007“ (11), durch die Zusammenarbeit mit anderen europäischen Institutionen und internationalen Organisationen wie dem Europarat, der UNESCO und der Allianz der Zivilisationen der Vereinten Nationen sowie durch die Entwicklung einer öffentlich-privaten Partnerschaft im Bereich Medienkompetenz —

    EMPFIEHLT:

    I.

    den Mitgliedstaaten, in Zusammenarbeit mit den für die Regulierung im Bereich der audiovisuellen und elektronischen Kommunikation zuständigen Behörden sowie gegebenenfalls mit den Datenschutzaufsichtsbehörden

    1.

    in den Bereichen, zu denen in Teil II Empfehlungen an die Medienwirtschaft gerichtet werden, Koregulierungsinitiativen auf den Weg zu bringen und umzusetzen, die zur Einführung von Verhaltenskodizes durch die zentralen Akteure führen, sowie Selbstregulierungsinitiativen und die Ausarbeitung entsprechender Leitlinien zu fördern;

    2.

    in Anknüpfung an die derzeit durchgeführte Studie der Kommission zu Kriterien für die Bewertung des Niveaus der Medienkompetenz in Europa systematische Forschungsarbeiten in Form von Studien und Projekten zu den verschiedenen Aspekten und Dimensionen der Medienkompetenz im digitalen Umfeld zu fördern und die Fortschritte bei der Anhebung des Kompetenzniveaus zu überwachen und zu messen;

    3.

    auf Konferenzen und anderen öffentlichen Veranstaltungen eine Debatte in Gang zu setzen über die Aufnahme der Medienerziehung in die schulischen Pflichtlehrpläne sowie in die Liste der Schlüsselkompetenzen für lebensbegleitendes Lernen gemäß der Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zu Schlüsselkompetenzen für lebensbegleitendes Lernen;

    4.

    verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um durch nationale Kampagnen zur Sensibilisierung der Bürger das Bewusstsein für das nationale und das europäische audiovisuelle Erbe zu schärfen;

    5.

    durch Schulungen, Informationstage und Verteilung von Informationspaketen für die Gefahren im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten in Informations- und Kommunikationsnetzen zu sensibilisieren und die Nutzer, insbesondere junge Menschen, Eltern und Lehrkräfte, entsprechend zu erziehen;

    II.

    der Medienwirtschaft, sich verstärkt dafür einzusetzen, dass die für eine Anhebung des Niveaus der Medienkompetenz erforderlichen Instrumente bereitgestellt werden, und zu diesem Zweck

    1.

    durch Informationskampagnen systematisch Wissen darüber zu verbreiten, wie in der digitalen Welt Informationen und kreative Inhalte produziert, bearbeitet und verbreitet werden, unter anderem auch darüber, wie Suchmaschinen funktionieren und wie deren Nutzung optimiert werden kann;

    2.

    durch Sensibilisierungskampagnen den Bürgern klare, benutzerfreundliche Informationen zu Methoden der kommerziellen Kommunikation, vor allem zu Produktplatzierung, Online-Werbung usw., zu liefern und ihnen Mittel an die Hand zu geben, die es ihnen erleichtern, die Grenzen zwischen Marketing und Inhalten zu erkennen;

    3.

    mit Hilfe von Informationspaketen, die sich insbesondere an junge Menschen wenden, die Bürger darüber aufzuklären, wie bei maßgeschneiderten Angeboten, insbesondere interaktiver Werbung, ihre personenbezogenen Daten unter strikter Einhaltung der bestehenden Rechtsvorschriften verarbeitet werden;

    4.

    durch Veranstaltung von Informationstagen die Bürger aktiv darüber zu informieren, wie die kreative Wirtschaft funktioniert, und dabei unter anderem auf die Problematik der Urheberrechte einzugehen.

    III.

    Diese Empfehlung ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

    Brüssel, den 20. August 2009

    Für die Kommission

    Viviane REDING

    Mitglied der Kommission


    (1)  ABl. C 325 vom 24.12.2002, S. 1.

    (2)  KOM(2007) 833 endg.

    (3)  2008/2129(INI) vom 24. November 2008.

    (4)  2008/C 140/08.

    (5)  CdR 94/2008.

    (6)  http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=REPORT&reference=A6-2005-0278&language=DE

    (7)  ABl. L 327 vom 24.11.2006, S. 12.

    (8)  ABl. L 332 vom 18.12.2007, S. 27.

    (9)  KOM(2007) 228 endg. vom 2. Mai 2007.

    (10)  AVMD (siehe Richtlinie 2007/65/EG).

    (11)  Beschluss Nr. 1718/2006/EG.


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