EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 61997CC0087

Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 17. Dezember 1998.
Consorzio per la tutela del formaggio Gorgonzola gegen Käserei Champignon Hofmeister GmbH & Co. KG und Eduard Bracharz GmbH.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Handelsgericht Wien - Österreich.
Artikel 30 und 36 EG-Vertrag - Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel.
Rechtssache C-87/97.

Sammlung der Rechtsprechung 1999 I-01301

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1998:614

61997C0087

Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 17. Dezember 1998. - Consorzio per la tutela del formaggio Gorgonzola gegen Käserei Champignon Hofmeister GmbH & Co. KG und Eduard Bracharz GmbH. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Handelsgericht Wien - Österreich. - Artikel 30 und 36 EG-Vertrag - Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel. - Rechtssache C-87/97.

Sammlung der Rechtsprechung 1999 Seite I-01301


Schlußanträge des Generalanwalts


1 Ist es mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, wenn ein innerstaatliches Gericht die Vermarktung eines aus einem anderen Mitgliedstaat unter der Bezeichnung "Cambozola" eingeführten Käses, der dort rechtmässig unter diesem Namen vertrieben wird, mit der Begründung verbietet, seine Verwendung verletze die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel(1) eingetragene und durch bestimmte internationale Akommen geschützte Ursprungsbezeichnung "Gorgonzola"? Das ist im wesentlichen die Frage, die das Handelsgericht Wien hier zur Vorabentscheidung vorgelegt hat.

Sachverhalt und Ausgangsverfahren

2 Kläger des Ausgangsverfahrens ist ein Konsortium von Herstellern von Gorgonzola-Käse. Gorgonzola ist ein von Schimmelpilzen durchwachsener Blauschimmelkäse, der seinen Namen von einem ehemaligen Dorf (jetzt eine Vorstadt von Mailand) in der Provinz Mailand (Italien) ableitet. Zu den Zielen des Konsortiums gehört u. a., die Herstellung von und den Handel mit Gorgonzola-Käse zu fördern, die Bezeichnung "Gorgonzola" oder eine ähnliche anerkannte Bezeichnung zu schützen, die Verwendung der Warenzeichen des Konsortiums zu kontrollieren und für die Anwendung der Vorschriften zum Schutz der Ursprungsbezeichnungen von Käsesorten zu sorgen. Die Mitglieder des Konsortiums fügen der geschützten Ursprungsbezeichnung "Gorgonzola" zur Identifizierung ihrer Käserei besondere Firmenbezeichnungen hinzu, die in der Regel den Zeichenbestandteil "-zola" enthalten.

3 Die erstbeklagte Partei ist eine Käserei mit Sitz in der Nähe von Kempten (Deutschland), die ebenfalls einen Weichkäse mit Blauschimmel namens Cambozola herstellt. Sie vertreibt Cambozola in Deutschland seit Herbst 1977 und in Österreich seit März 1983. Ausserdem wird Cambozola in nahezu allen anderen Mitgliedstaaten verkauft. Die Erstbeklagte ist Inhaberin des seit dem 7. April 1983 geschützten österreichischen Warenzeichens "Cambozola", eingetragen für Milch und Milchprodukte, insbesondere Käse.

4 Die Zweitbeklagte betreibt einen Großhandel mit verschiedenen Arten von Lebensmitteln, darunter auch Käse. In Österreich wird der Grossteil des von der Erstbeklagten erzeugten Blauschimmelkäses mit der Bezeichnung "Cambozola" von der Zweitbeklagten an den Einzelhandel weiterverkauft.

5 Im Mai 1994 beantragte der Kläger beim Handelsgericht Wien, den Beklagten aufzugeben, den Vertrieb eines Schimmelkäses unter der Bezeichnung "Cambozola" zu unterlassen und in die Löschung des Warenzeichens "Cambozola" einzuwilligen. Ausserdem beantragte der Kläger den Erlaß einer einstweiligen Verfügung, mit der den Beklagten für die Dauer des Rechtsstreits verboten werden sollte, einen Schimmelkäse unter der Bezeichnung "Cambozola" zu vertreiben.

6 Der Kläger stützte seine Forderung auf nationale und internationale Rechtsvorschriften.

7 Das geltend gemachte nationale Gesetz ist das österreichische Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Nach § 1 UWG ist jede Form des unlauteren Handels wettbewerbswidrig. Nach § 2 ist eine Irreführung insbesondere über die Beschaffenheit, den Ursprung oder die Herstellungsart einzelner Waren oder Leistungen wettbewerbswidrig. § 9 verbietet den Mißbrauch von Kennzeichen eines Unternehmens.

8 Bei dem geltend gemachten Abkommen handelt es sich um das am 1. Juni 1951 in Stresa unterzeichnete internationale Abkommen über die Anwendung der Ursprungsbezeichnungen und Benennungen für Käse. Es galt für die Verwendung der Bezeichnung "Gorgonzola" vom 1. Juni 1954(2) an. Gemäß Artikel 1 des Abkommens sind "alle Angaben, die falsche Hinweise über die Herkunft, die Art, die Natur oder die spezifischen Eigenschaften der Käse enthalten," verboten. Nach Artikel 3 sind die angegebenen Namen geschützt, "gleichviel ob sie allein verwendet oder von einem qualifizierenden oder korrigierenden Ausdruck wie $Type`, $Art`, $Form` o. ä. begleitet werden."

9 Das Handelsgericht erließ am 24. Juni 1994 auf der Grundlage des Abkommens von Stresa eine einstweilige Verfügung. Diese Entscheidung wurde im Berufungsverfahren vom Oberlandesgericht Wien am 22. September 1994 bestätigt. Beide Gerichte stellten fest, daß das Abkommen von Stresa nicht nur die Ursprungsbezeichnung "Gorgonzola" schütze, sondern auch die Verwendung ähnlicher Namen verbiete, die - wie "Cambozola" - zu einer Verwechslung führen könnten. Die Entscheidungen orientierten sich offensichtlich an einem Urteil des Obersten Gerichtshofs, der im Mai 1993 in einem ebenfalls vom Consorzio per la Tutela del Formaggio Gorgonzola angestrengten Verfahren entschied, daß Artikel 3 des Abkommens von Stresa eine Anspielung wie in diesem Fall "Österzola" verbiete(3).

10 Nachdem die einstweilige Verfügung in der Berufung bestätigt worden war, wurde das Hauptverfahren vor dem Handelsgericht fortgesetzt. Das Abkommen von Stresa galt in Österreich jedoch nur bis zum 9. Februar 1996(4). Anschließend richtete sich der Schutz der Urspungsbezeichnung "Gorgonzola" in Österreich auf internationaler Ebene nach dem am 1. Februar 1952 in Rom unterzeichneten österreichisch-italienischen Abkommen über geographische Herkunftsbezeichnungen und Benennungen bestimmter Erzeugnisse sowie nach dem am 17. Dezember 1969 in Wien unterzeichneten Zusatzprotokoll zu diesem Abkommen.

11 Nach dem österreichisch-italienischen Abkommen sind die Vertragsparteien verpflichtet, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um auf wirksame Art geographische Herkunftsbezeichnungen und Benennungen bestimmter Erzeugnisse gegen unlauteren Wettbewerb zu schützen(5). Jede Wettbewerbshandlung, die den anständigen Gebräuchen auf dem Gebiete des Gewerbes oder des Handels zuwiderläuft, erfuellt den Tatbestand des unlauteren Wettberwerbs(6). Das Abkommen gewährt ausdrücklich auch dann Schutz, wenn der tatsächliche Ursprung des Erzeugnisses angeführt oder die Benennung von bestimmten berichtigenden Angaben wie "Art", "Weise", "Type" oder ähnlichen Angaben begleitet ist(7). Das ursprüngliche Abkommen galt für eine begrenzte Anzahl in einer Liste aufgeführter Erzeugnisse, darunter - im Rahmen von Lebensmitteln - für alkoholische Getränke und Fleischkonserven, jedoch nicht für Käse(8). Die Liste der geschützten Erzeugnisse wurde durch das Zusatzprotokoll erheblich erweitert und schloß unter anderem zahlreiche Käsesorten ein(9). Das Protokoll sollte jedoch für bestimmte Bezeichnungen, darunter "Gorgonzola", ausdrücklich erst nach Ablauf oder Änderung des Abkommens von Stresa in Kraft treten. So wurde das österreichisch-italienische Abkommen am 10. Februar 1996 auf Gorgonzola anwendbar.

12 Die Beklagten trugen vor dem Handelsgericht vor, die einstweilige Verfügung und die vom Kläger beantragte endgültige Entscheidung seien gemeinschaftsrechtswidrig. Der Käse sei rechmässig in seinem Ursprungsland (Deutschland) unter dem Namen "Cambozola" auf den Markt gebracht und nach Östereich eingeführt worden; das Verbot verstosse gegen Artikel 30 und sei nicht durch Artikel 36 EG-Vertrag gerechtfertigt.

13 Um zu klären, ob die Verfügungen gegen Artikel 30 verstossen oder durch Artikel 36 gerechtfertigt sind, hat das Handelsgericht dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist es beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts mit den Grundsätzen des freien Warenverkehrs (Artikel 30 und 36 EG-Vertrag) vereinbar, daß ein in einem Mitgliedstaat seit 1977 rechtmässig hergestellter und mit der Marke "Cambozola" bezeichneter Käse, der in einem anderen Mitgliedstaat seit 1983 vertrieben wird, in diesem Mitgliedstaat aufgrund einer nationalen Maßnahme unter Berufung auf ein zwischenstaatliches Abkommen zum Schutz von geographischen Herkunftsbezeichnungen und Benennungen bestimmter Erzeugnisse (welches die Bezeichnung "Gorgonzola" unter Schutz stellt) und unter Berufung auf ein nationales Irreführungsverbot unter der Bezeichnung "Cambozola" nicht vertrieben werden darf?

Macht es für die Beantwortung dieser Frage einen Unterschied, ob die Verpackung der mit der Marke "Cambozola" bezeichneten Käsesorte einen deutlich sichtbaren Hinweis auf das Erzeugungsland ("Deutscher Weichkäse") trägt, wenn dieser Käse in der Regel nicht in ganzen Käsetorten ausgestellt und an den Verbraucher verkauft wird, sondern in Teilstücken, zum Teil ohne Originalverpackung?

14 Schriftliche Erklärungen haben der Kläger, die Beklagten, die österreichische, die französische, die griechische und die italienische Regierung sowie die Kommission eingereicht. In der mündlichen Verhandlung waren der Kläger, die Beklagten, die französische, die griechische und die italienische Regierung sowie die Kommission vertreten.

Das Gemeinschaftsrecht

15 "Gorgonzola" wurde am 21. Juni 1996 aufgrund von Artikel 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/96(10) der Kommission als geschützte Ursprungsbezeichnung gemäß der Verordnung Nr. 2081/92 (im folgenden: Verordnung) eingetragen. Das nationale Gericht verweist auf keine der beiden Verordnungen.

16 Da sich die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen auf den "gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts" beziehen und der Vorlagebeschluß am 18. Juli 1996 erging, halte ich es für sinnvoll, daß der Gerichtshof die Fragen auf der Grundlage der Verordnung beantwortet, sofern sich anhand dieser Regelung der vor dem nationalen Gericht anhängige Rechtsstreit entscheiden lässt. Der Gerichtshof hat sich gelegentlich geneigt gezeigt, bei der Beantwortung von Fragen vom einzelstaatlichen Gericht nicht ausdrücklich genannte Vorschriften auszulegen, da er es für seine Pflicht gehalten hat, alle Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen, die die staatlichen Gerichte benötigen, um die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden, auch wenn diese Bestimmungen in den Vorlagefragen nicht ausdrücklich genannt worden waren(11). Ausserdem sind die Parteien, die Regierungen, die Erklärungen vorgelegt haben, und die Kommission bei ihrem Vorbringen davon ausgegangen, daß die Verordnung anwendbar ist.

17 Zweck der Verordnung ist die Einführung gemeinschaftlicher Rahmenvorschriften über Ursprungsbezeichnungen und geographische Angaben für bestimmte Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, bei denen ein Zusammenhang zwischen den Eigenschaften der Produkte und ihrer geographischen Herkunft besteht(12). Die Verordnung sieht ein System zur Eintragung von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen auf Gemeinschaftsebene vor, das einen Schutz in allen Mitgliedstaaten gewährleistet. Die Verordnung ist auf Artikel 43 EG-Vertrag (Landwirtschaft) gestützt; aus ihrer Präambel wird jedoch deutlich, daß sie auch den Verbraucherschutz und den lauteren Wettbewerb zum Ziel hat(13).

18 Artikel 13 Absatz 1 bestimmt:

"Eingetragene Bezeichnungen werden geschützt gegen

a) jede direkte oder indirekte kommerzielle Verwendung einer eingetragenen Bezeichnung für Erzeugnisse, die nicht unter die Eintragung fallen, sofern diese Erzeugnisse mit den unter dieser Bezeichnung eingetragenen Erzeugnissen vergleichbar sind oder sofern durch diese Verwendung das Ansehen der geschützten Bezeichnung ausgenutzt wird;

b) jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung, selbst wenn der wahre Ursprung des Erzeugnisses angegeben ist oder wenn die geschützte Bezeichnung in Übersetzung oder zusammen mit Ausdrücken wie $Art`, $Typ`, $Verfahren`, $Fasson`, $Nachahmung` oder dergleichen verwendet wird;

c) alle sonstigen falschen oder irreführenden Angaben, die sich auf Herkunft, Ursprung, Natur oder wesentliche Eigenschaften der Erzeugnisse beziehen und auf der Aufmachung oder der äusseren Verpackung, in der Werbung oder in Unterlagen zu den betreffenden Erzeugnissen erscheinen, sowie die Verwendung von Behältnissen, die geeignet sind, einen falschen Eindruck hinsichtlich des Ursprungs zu erwecken;

d) alle sonstigen Praktiken, die geeignet sind, das Publikum über den wahren Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen.

..."

19 Ungeachtet dieses Schutzes darf eine Marke, auf die einer der in Artikel 13 aufgeführten Tatbestände zutrifft, gemäß Artikel 14 Absatz 2 weiter verwendet werden, wenn sie vor dem Zeitpunkt des Antrags auf Eintragung der Ursprungsbezeichnung oder der geographischen Angabe in gutem Glauben eingetragen worden ist und nicht einem der in Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben c und g und Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe b der Markenrichtlinie genannten Ungültigkeits- oder Verfallsgründe unterliegt(14).

20 Gemäß der Markenrichtlinie können Marken für ungültig erklärt werden, wenn sie "geeignet sind, das Publikum zum Beispiel über die Art, die Beschaffenheit oder die geographische Herkunft der Ware ... zu täuschen" (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g)(15). Eine Marke kann für verfallen erklärt werden, wenn sie "infolge ihrer Benutzung durch den Inhaber oder mit seiner Zustimmung für Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, geeignet ist, das Publikum insbesondere über die Art, die Beschaffenheit oder die geographische Herkunft" dieser Waren irrezuführen (Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe b).

Zu den Vorlagefragen

Artikel 13 der Verordnung

21 Zunächst ist zu prüfen, ob "Gorgonzola" gegen die Verwendung der Bezeichnung "Cambozola" im Sinne von Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung geschützt ist. Die Beteiligten haben sich bei ihren Ausführungen auf Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b konzentriert, der eingetragene Bezeichnungen, wie gesagt, vor "jede[r] widerrechtliche[n] Aneignung, Nachahmung oder Anspielung" schützt.

22 Nach Ansicht der Beklagten versucht der Kläger, den Schutz der Endung "-zola" zu erwirken, die nach der Verordnung nicht geschützt sei und nicht geschützt werden könne. Erstens sei diese Endung, die bei italienischen Ortsnamen in verschiedenen Formen häufig auftauche, ein allgemeiner Begriff und könne als solcher nicht von dem mit der Verordnung eingeführten Schutzsystem erfasst werden(16). Ausserdem sei nach den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes ausgeschlossen, daß ein Wortteil geschützt werde, wenn ein Schutz dieses Teils niemals beantragt und dieser im Amtsblatt nicht veröffentlicht worden sei, wie es nach Artikel 6 der Verordnung für jeden Namen, der nach der Verordnung geschützt werden solle, vorgesehen sei.

23 Die Beklagten tragen vor, "Cambozola" sei jedenfalls keine Anspielung auf "Gorgonzola" im Sinne von Artikel 13 der Verordnung.

24 Sie verweisen auf eine ähnliche Klage, die der Kläger dieses Verfahrens gegen den Erstbeklagten in Deutschland erhoben habe; diese Klage sei vom Landgericht Frankfurt am Main(17) und in der Berufung vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main(18) abgewiesen worden. Der Bundesgerichtshof habe die vom Kläger eingelegte Revision verworfen(19).

25 Die Beklagten erklären, der Begriff der Anspielung im Sinne der Verordnung dürfe nicht weiter ausgelegt werden, als für die Gewährleistung der gewerblichen Schutzrechte erforderlich sei, denn eine weite Auslegung würde dem Grundsatz des freien Warenverkehrs zuwiderlaufen. Bestenfalls könne der Begriff "Cambozola" zu einer assoziativen Verknüpfung von Vorstellungen führen. Eine solche entspreche dem Begriff der "Gedankenverbindung" in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie(20), nach dem eine Marke unter bestimmten Umständen von der Eintragung ausgeschlossen sei oder im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung unterliege, wenn für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen bestehe, u. a. dadurch, daß die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht werde. Zwischen dem Schutz von Marken und dem von Urspungsbezeichnungen gebe es eine Parallele, denn in beiden Fällen gehe es um den Schutz gewerblichen und kommerziellen Eigentums im Sinne von Artikel 36 EG-Vertrag. In beiden Fällen sei, wie der Gerichtshof oftmals erklärt habe, auf den durchschnittlichen Betrachter und auf den verständigen Verbraucher abzustellen. Der Gerichtshof solle daher in diesem Fall den gleichen Ansatz wählen wie im Fall SABEL(21).

26 Im Fall SABEL entschied der Gerichtshof, daß die rein assoziative gedankliche Verbindung, die der Verkehr über die Übereinstimmung des Sinngehalts zweier Marken zwischen diesen herstellen könnte, für sich genommen keine Gefahr von Verwechslungen im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie begründe(22). Nach Auffassung der Beklagten ist die assoziative gedankliche Verknüpfung (bei den beiden bildlichen Darstellungen einer springenden Raubkatze) im Fall SABEL viel stärker als eine assoziative gedankliche Verbindung mit "Gorgonzola", die durch die Verwendung der in "Cambozola" enthaltenen, in Italien weit verbreiteten gleichen Endung geweckt werde. Die blosse Verwendung dieser Endung stelle daher keine Anspielung im Sinne der Verordnung dar.

27 Ausserdem ergebe sich aus dem System von Fußnoten zur Liste der geschützten geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen im Anhang zur Verordnung Nr. 1107/96(23), daß Teile eines geschützten Namens allein als solche nicht geschützt seien. In diesem Anhang seien geschützte Namen u. a. von Käsesorten aufgeführt wie die Ursprungsbezeichnungen Brie de Meaux, Camembert de Normandie, Pecorino Siciliano und Mozzarella di Bufala Campana. In den Fußnoten des Anhangs werde jedoch darauf hingewiesen, daß für die Namen Brie, Camembert, Pecorino und Mozzarella kein Schutz beantragt worden sei. Die Beklagten verweisen auf das unlängst vom Gerichtshof im Fall Chiciak und Fol(24) gefällte Urteil, bei dem es um ein Strafverfahren gegen die Herren Chiciak und Fol wegen der Verwendung des Namens "Époisses" gegangen sei. Die Anklage habe argumentiert, "Époisses" sei als Teil der Bezeichnung "Époisses de Bourgogne" als solcher durch die Verordnung geschützt, da nach der Verordnung "Époisses de Bourgogne" geschützt werde und eine Einschränkung in einer Fußnote fehle.

28 Der Gerichtshof lehnte dieses Vorbringen ab. Er erklärte, wenn es in der Verordnung von 1996 für erforderlich gehalten worden sei, in einer Reihe von Fällen durch Fußnoten klarzustellen, daß der Schutz eines Teils der betreffenden Bezeichnung nicht beantragt sei, so sei daraus zu schließen, daß die Betroffenen für diesen Teil der Bezeichnung keine Rechte aus der Verordnung von 1992 ableiten könnten. Im übrigen lasse sich der Verordnung von 1996 nicht entnehmen, ob die Mitgliedstaaten beschlossen hätten, den Schutz nicht zu beantragen, sei es, weil es sich um einen zum Gattungsbegriff gewordenen Teil handele, weil der fragliche Teil auf nationaler Ebene nicht geschützt gewesen sei, als der Antrag auf Eintragung nach der Verordnung von 1992 gestellt worden sei, oder aus anderen Gründen(25).

29 Die Beklagten tragen vor, aus dem Fall Chiciak und Fol ergebe sich erstens, daß "-zola" nicht als eine Anspielung auf "Gorgonzola" angesehen werden könne, weil Brie nicht als Anspielung auf Brie de Meaux oder Camembert nicht als Anspielung auf Camembert de Normandie anzusehen sei, und zweitens, daß "-zola" als Teil von "Gorgonzola" nicht nach der Verordnung geschützt werden könne.

30 Schließlich verweisen die Beklagten auf den Zweck des durch die Verordnung gewährten Schutzes und auf den Verhältnismässigkeitsgrundsatz. Der Zweck sei zu verhindern, daß Ursprungsbezeichnungen zu Gattungsbezeichnungen absänken; die Verwendung der Marke "Cambozola" könne niemals dazu führen, daß "Gorgonzola" zu einer Gattungsbezeichnung werde.

31 Die Beklagten räumen ein, daß eine bestimmte, vom Kläger zitierte Werbung eine Anspielung sei. Diese Werbung lautete: "...ist aus bester Familie: Vom edlen Camembert hat er die cremig zarte Konsistenz, vom temperamentvollen Gorgonzola den pikanten Geschmack." Die Beklagten bemerken dazu jedoch, daß es sich dabei um eine 1985 verwendete einmalige Werbung gehandelt habe, die in der Folge nicht mehr verwendet worden sei. Der Gerichtshof sei nicht ersucht worden, die Auswirkungen dieser Werbung, sondern allein die Rechtmässigkeit der Bezeichnung "Cambozola" zu untersuchen (wenn dem auch hinzuzufügen ist, daß die vorgelegten Fragen sich auch auf die Verpackung und die Vermarktung beziehen).

32 Der Kläger, die Regierungen, die Erklärungen abgegeben haben, und die Kommission sind alle mehr oder weniger gegenteiliger Ansicht. Der Kläger und die italienische Regierung halten "Cambozola" für eine Anspielung auf "Gorgonzola" im Sinne von Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b. Die österreichische Regierung meint, entweder sei die Endung "-zola" eine Anspielung oder Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe c sei erfuellt, der eingetragene Bezeichnungen gegen "alle sonstigen falschen oder irreführenden Angaben, die sich auf Herkunft, Ursprung, Natur oder wesentliche Eigenschaften der Erzeugnisse beziehen", schütze. Die französische Regierung hält den Begriff "Cambozola" für eine offensichtliche Nachahmung der Bezeichnung "Gorgonzola" im Sinne des Artikels 13 Absatz 1 Buchstabe b. Die griechische Regierung ist der Ansicht, daß die Verwendung der Bezeichnung "Cambozola" zumindest nahelege, daß es sich um einen Käse der gleichen Art wie Gorgonzola handele, und dadurch das Ansehen von Gorgonzola unter Verstoß gegen Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe a offensichtlich ausnutze, was den Verbraucher im Widerspruch zu Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe d insbesondere über den wahren Ursprung des Erzeugnisses irreführen könne. Die Kommission hält die Verwendung der Bezeichnung "Cambozola" zumindest für eine Anspielung, möglicherweise sogar für eine Nachahmung im Sinne von Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b (ohne dies jedoch näher zu untersuchen).

33 Ich stimme den Ausführungen der Kommission insofern zu, als die "Anspielung" nach dem Wortlaut der Vorschrift ("jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung") und den Zielen der Verordnung (zu denen, wie gesagt, auch der Verbraucherschutz gehört) ein objektives Tatbestandsmerkmal ist. Deshalb braucht nicht nachgewiesen zu werden, daß der Markeninhaber absichtlich auf die geschützte Marke angespielt hat. Auch die Systematik der Vorschrift spricht dafür, daß bei einer "Anspielung" die tatbestandlichen Voraussetzungen geringer sind als bei einer "Nachahmung" oder einer "widerrechtlichen Aneignung".

34 Meines Erachtens setzt der Tatbestand der "Anspielung" im Sinne des Artikels 13 Absatz 1 Buchstabe b voraus, daß bei Waren auf einem ähnlichen Marktsektor eine weitgehende phonetische Ähnlichkeit besteht. Zwischen "Cambozola" und "Gorgonzola" besteht eine grosse phonetische Ähnlichkeit: Die beiden letzten Silben sind identisch, die Anzahl der Silben ist dieselbe, und die Betonung bei der Aussprache der beiden Wörter ist sehr ähnlich. Da beide Namen zur Bezeichnung eines kremigen Blauschimmelkäses verwendet werden (womit die zwischen den beiden Käsesorten bestehenden Unterschiede, die für Kenner offensichtlich sind, nicht heruntergespielt werden sollen), halte ich "Cambozola" im allgemeinen Sprachgebrauch eindeutig für eine Anspielung auf "Gorgonzola" gemäß Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b. Bemerkenswert ist, wie die Kommission ausführt, daß die Übereinstimmung der beiden jeweiligen Endsilben allein nicht ausreicht; ich glaube kaum, daß man ernsthaft behaupten könnte, das Speiseöl "Mazola" sei eine Anspielung auf "Gorgonzola", da eine weitergehende phonetische Ähnlichkeit nicht besteht und es sich um verschiedene Produktarten handelt.

35 Zur Frage der Absicht möchte ich sagen, daß die "Anspielung" zwar, wie gesagt, ein objektives Tatbestandsmerkmal ist, was aber nicht bedeutet, daß der Absicht zwangsläufig keine Bedeutung zukommt. Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b wäre zwar selbst bei einem zufällig, ohne die Absicht einer Anspielung gewählten Namen anwendbar, sofern dieser tatsächlich auf einen eingetragenen Namen anspielte, trotzdem kann die Absicht des Markeninhabers bei der Wahl dieser Marke eine Rolle spielen. Im vorliegenden Fall spricht z. B. aus guten Gründen vieles dafür, daß die Bezeichnung "Cambozola" nicht deshalb gewählt wurde, weil "-zola" eine in Italien gewöhnliche Endung eines Ortsnamens ist (dies wäre unwahrscheinlich, da es sich um einen deutschen Käse handelt, der nicht vorgibt, ein italienischer Käse zu sein), sondern weil sie die gedankliche Verbindung zu einem bekannten Käse ähnlicher Art weckt. Dieser Umstand bestätigt das Vorliegen einer Anspielung. Ausserdem stellt die vorgenannte Werbung - selbst wenn es sich nur um eine einmalige Werbung handelte - einen deutlichen Beleg für diese aus der Namensableitung gezogene Schlußfolgerung dar.

36 Ich kann dem Vorbringen der Beklagten nicht zustimmen, daß die Endung "-zola", da sie bei italienischen Ortsnamen gewöhnlich sei, an und für sich schon keine Anspielung in dem Zusammenhang, in dem sie verwendet werde, sein könne: Der Umstand nämlich, daß die Endung in einigen Teilen Italiens gewöhnlich sein mag, kann nicht ausschließen, daß sie andernorts, wo auf "-zola" endende Ortsnamen selten sind, eine Anspielung ist.

37 Im Gegensatz zu den Beklagten bin ich nicht der Auffassung, daß das Urteil des Gerichtshofes im Fall SABEL(26) für die Auslegung des Begriffes der Anspielung im Sinne der Verordnung erheblich ist. Der Gerichtshof war in jenem Fall ersucht worden, über den Anwendungsbereich des Begriffes "Gefahr von Verwechslungen" in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Markenrichtlinie zu entscheiden, der bestimmt, daß eine Marke von der Eintragung ausgeschlossen ist oder im Falle der Eintragung der Ungültigkeitserklärung unterliegt, "wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, daß die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird". Der Gerichtshof stellte fest, daß "die rein assoziative gedankliche Verbindung, die der Verkehr über die Übereinstimmung des Sinngehalts zweier Marken zwischen diesen herstellen könnte, für sich genommen keine $Gefahr von Verwechslungen ..., die die Gefahr einschließt, daß die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird`, im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie begründet". Er kam daher zu dem Ergebnis, daß in dem Zusammenhang, in dem er um eine Entscheidung ersucht worden war, keine Verwechslungsgefahr bestehe. Der vorliegende Fall betrifft jedoch einen ganz anderen Sachverhalt, nämlich die Auslegung des Begriffes "Anspielung" im Sinne der Verordnung.

38 Die Beklagten dürften nach meiner Meinung auch aus dem Urteil des Gerichtshofes im Fall Chiciak und Fol kaum viel herleiten können. Der Gerichtshof hatte in diesem Fall festgestellt, daß bei einer "zusammengesetzten" Ursprungsbezeichnung der Umstand, daß es zu ihr keinen Hinweis in Form einer Fußnote im Anhang der Verordnung Nr. 1107/96 gebe, nicht zwangsläufig bedeute, daß alle ihre Bestandteile geschützt seien. Es ist nicht ersichtlich, wie diese eng gefasste Entscheidung bedeuten könnte, daß "Cambozola" keine Anspielung auf "Gorgonzola" im Sinne des Artikels 13 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung sein könnte.

39 Da Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b ausdrücklich selbst dann bei einer Anspielung gilt, "wenn der wahre Ursprung des Erzeugnisses angegeben ist", ist, wie die französische und die griechische Regierung sowie die Kommission ausgeführt haben, die Tatsache unerheblich, daß auf der Cambozola-Verpackung angegeben ist, daß es sich um einen deutschen Weichkäse handelt. Auf jeden Fall ist festzuhalten, daß Cambozola gemäß der zweiten Frage des nationalen Gerichts manchmal ohne Originalverpackung verkauft wird.

40 Sowohl der Kläger als auch die österreichische Regierung tragen vor, daß der Gerichtshof Artikel 13 Absatz 2 berücksichtigen sollte, wenn er Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung für anwendbar halte.

41 Artikel 13 Absatz 2 bestimmt:

"Die Mitgliedstaaten können jedoch einzelstaatliche Maßnahmen, die die Verwendung der in Absatz 1 Buchstabe b) genannten Ausdrücke zulassen, während eines Zeitraums von höchstens fünf Jahren nach dem Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Verordnung beibehalten, sofern

- die Erzeugnisse mindestens fünf Jahre lang vor dem Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Verordnung rechtmässig unter diesem Ausdruck in den Verkehr gebracht worden sind;

- aus der Etikettierung der tatsächliche Ursprung des Erzeugnisses deutlich hervorgeht.

Diese Ausnahme darf allerdings nicht dazu führen, daß die Erzeugnisse unbeschränkt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats in den Verkehr gebracht werden, in dem diese Ausdrücke untersagt waren."

42 Die Verordnung wurde am 24. Juli 1992 veröffentlicht.

43 Dem Wortlaut dieser Vorschrift ist zu entnehmen, daß mit den "in Absatz 1 Buchstabe b) genannten Ausdrücke[n]" die in Absatz 1 Buchstabe b enthaltenen Ausdrücke "wie $Art`, $Typ`, $Verfahren`, $Fasson`, $Nachahmung` oder dergleichen" gemeint sind(27).

44 Nach Ansicht des Klägers können die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 13 Absatz 2 während einer Übergangszeit von fünf Jahren unter bestimmten Voraussetzungen die Verwendung von Ausdrücken im Sinne des Artikels 13 Absatz 1 Buchstabe b zulassen. Aus Sinn und Zweck der Vorschrift, die als Ausnahmeregelung eng auszulegen sei, ergebe sich jedoch eindeutig, daß sie nur für Ursprungsbezeichnungen gelte, die vor der Eintragung gemäß der Verordnung nicht geschützt gewesen seien.

45 Die österreichische Regierung ist der Ansicht, daß nach Artikel 13 Absatz 2 für einen Zeitraum, der nach der Befassung des Gerichtshofes mit dieser Sache ende, die Weiterverwendung geschützter Ursprungsbezeichnungen unter Angabe des Warenursprungs unter zwei Voraussetzungen erlaubt sei, die beide in diesem Fall erfuellt seien.

46 Dieses Vorbringen geht meines Erachtens fehl. Artikel 13 Absatz 2 erlaubt für eine Übergangszeit (und nur von 1992, nicht von der Eintragung an) die Verwendung bestimmter Ausdrücke, wie "Art", "Verfahren", "Fasson" oder "Nachahmung" (z. B. "nach Gorgonzola-Art"), die andernfalls nach Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b verboten wäre. Das ist eine andere Frage als die, mit der der Gerichtshof in diesem Fall befasst ist, nämlich was den Tatbestand einer Anspielung auf einen Namen erfuellt, und nach meiner Meinung für den vorliegenden Fall irrelevant ist.

47 Ich komme daher zu dem Ergebnis, daß "Gorgonzola" gemäß Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung gegen eine Anspielung durch Cambozola geschützt ist. Nach Artikel 14 Absatz 2 der Verordnung(28) darf jedoch eine Marke, auf die einer der in Artikel 13 aufgeführten Tatbestände zutrifft, weiter verwendet werden, wenn sie vor dem Zeitpunkt des Antrags auf Eintragung der Ursprungsbezeichnung oder der geographischen Angabe in gutem Glauben eingetragen worden ist, sofern sie nicht einem der in Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben c und g und Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe b der Markenrichtlinie genannten Gründe für die Ungültigkeit oder den Verfall unterliegt. Die Marke "Cambozola" wurde im April 1983 eingetragen, also ohne Frage vor dem Zeitpunkt des Antrags auf Eintragung von "Gorgonzola" gemäß der Verordnung. Artikel 14 Absatz 2 könnte daher anwendbar sein, und ich werde mich nun den beiden Fragen zuwenden, die sich aufgrund dieser Vorschrift stellen können: den Fragen des guten Glaubens und der Gründe für eine Ungültigkeit oder einen Verfall der Marke.

Artikel 14 Absatz 2 der Verordnung: "guter Glaube"

48 Österreich war zum Zeitpunkt der Eintragung von "Cambozola" in Österreich an das Abkommen von Stresa über die Anwendung der Ursprungsbezeichnungen und Benennungen für Käse gebunden. Die Verwendung der Bezeichnung "Gorgonzola" fiel seit dem 1. Juni 1954 unter dieses Abkommen(29). Der Oberste Gerichtshof hat festgestellt, daß Artikel 3 des Abkommens von Stresa eine Anspielung wie im Fall "Österzola" verbiete(30). Der Kläger führt dieses Urteil für sein Argument an, daß die Eintragung von "Cambozola" nicht gutgläubig erfolgt sei, da sie rechtswidrig gewesen sei und daher niemals gutgläubig habe erfolgen können.

49 Auch die italienische Regierung vertritt die Auffassung, daß die Eintragung von "Cambozola" nicht in gutem Glauben erfolgt sei: "Gorgonzola" sei schon vor der Eintragung von "Cambozola" durch internationale Abkommen geschützt gewesen, bei denen Österreich Vertragspartei sei oder gewesen sei.

50 Die Kommission trägt vor, die Frage, ob die Eintragung der Marke in gutem Glauben erfolgt sei, hänge davon ab, ob der Markeninhaber zum Zeitpunkt der Eintragung bei Zugrundelegung der verkehrsüblichen Sorgfalt habe annehmen dürfen, daß die Benutzung der Marke mit dem seinerzeit geltenden nationalen Recht (einschließlich etwaiger einschlägiger internationaler Vorschriften) vereinbar sei.

51 Durch Artikel 14 Absatz 2 soll ermöglicht werden, daß eine ältere Marke neben einer später eingetragenen kollidierenden Urspungsbezeichnung weiter verwendet wird, sofern die Marke in gutem Glauben eingetragen wurde. Die Vorschrift strebt einen Ausgleich der kollidierenden Interessen des Markeninhabers und der zur Verwendung der Ursprungsbezeichnung Berechtigten an. Bei einer unangemessenen belastenden Auslegung des Begriffes der Gutgläubigkeit bestuende die Gefahr einer Beeinträchtigung der bekannten Marke und des Vertrauensschutzes ihres Inhabers, der seit der Eintragung der Marke möglicherweise viel Mühe und Kosten für die Vermarktung seiner Produkte aufgewendet hat. Demgegenüber würde eine Auslegung, bei der an den Markeninhaber zu niedrige Anforderungen gestellt würden, den Benutzern einer geschützten Ursprungsbezeichnung schaden, die den Schutz, auf den sie andernfalls einen Anspruch hätten, untergraben sähen. Ich halte das von der Kommission vorgeschlagene Kriterium für die Gutgläubigkeit für richtig, nämlich, ob der Markeninhaber zum Zeitpunkt der Eintragung bei Zugrundelegung der verkehrsüblichen Sorgfalt annehmen durfte, daß die Verwendung der Marke mit dem seinerzeit geltenden nationalen Recht (einschließlich etwaiger einschlägiger internationaler Vorschriften) vereinbar war.

52 Die Beurteilung, ob die ursprüngliche Eintragung in gutem Glauben erfolgte, ist, wie die Kommission sowie die französische, die griechische und die italienische Regierung ausgeführt haben, Sache des nationalen Gerichts.

Artikel 14 Absatz 2 der Verordnung - Die Markenrichtlinie

53 Selbst wenn "Cambozola" in gutem Glauben eingetragen wurde, wird er nicht durch Artikel 14 Absatz 2 geschützt, sofern er einem der in Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben c und g und Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe b der Markenrichtlinie genannten Gründe für die Ungültigkeit oder den Verfall unterliegt. "Cambozola" fällt also nicht unter den Schutz des Artikels 14 Absatz 2, wenn er "geeignet [ist], das Publikum zum Beispiel über die Art, die Beschaffenheit oder die geographische Herkunft der Ware ... zu täuschen" (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g), oder wenn er "infolge [seiner] Benutzung durch den Inhaber oder mit seiner Zustimmung ... geeignet ist, das Publikum insbesondere über die Art, die Beschaffenheit oder die geographische Herkunft" der Ware irrezuführen (Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe b). Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c spielt in diesem Fall keine Rolle.

54 Ich stimme mit der Kommission darin überein, daß die Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g und 12 Absatz 2 Buchstabe b nicht zu weit ausgelegt werden dürfen.

55 Ob Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g anwendbar ist, ist zweifelhaft. Nach meinem Dafürhalten gilt diese Vorschrift nur für Marken, die hinreichend spezifisch sind, um einen Verbraucher z. B. über die tatsächliche Art, Beschaffenheit oder geographische Herkunft der Waren irrezuführen. Das ist hier nicht der Fall, denn "Cambozola" verweist weder auf einen tatsächlichen Ortsnamen, noch werden irgendwelche spezifischen Aussagen über die Art, die Beschaffenheit oder irgendwelche sonstigen Merkmale gemacht: Die Anspielung auf den Namen "Gorgonzola" legt nur nahe, daß es sich ebenfalls um einen kremigen Blauschimmelkäse handelt. Das reicht meiner Ansicht nach für eine Irreführung in einem bestimmten Punkt nicht aus.

56 Vorsicht ist auch bei der Frage angebracht, ob Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe b anwendbar ist. Diese Vorschrift ist nur dann anwendbar, wenn die Marke geeignet ist, infolge ihrer Benutzung durch den Inhaber oder mit seiner Zustimmung irrezuführen: Die blosse Benutzung der Marke allein reicht also nicht aus. In den Unterlagen, die dem Gerichtshof vorliegen, weist nichts darauf hin, daß die Marke "Cambozola" vom Markeninhaber selbst oder mit seiner Zustimmung vorschriftswidrig benutzt würde; eine Ausnahme mag dabei die 1985 für kurze Zeit verwendete Werbung sein, die zeitlich vor dem Schutz lag und auf die sich die vom nationalen Gericht gestellte Frage nicht bezieht.

57 Es ist Sache des nationalen Gerichts, die erforderliche Sachverhaltsaufklärung zu betreiben, um festzustellen, ob die Verwendung der Marke "Cambozola" durch den Inhaber oder mit seiner Zustimmung geeignet ist, das Publikum insbesondere über die Art, die Beschaffenheit oder die geographische Herkunft des Käses irrezuführen. Bei der Prüfung, ob die Marke geeignet ist, das Publikum irrezuführen, sollte das nationale Gericht auf die mutmaßliche Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abstellen(31). Zu berücksichtigen ist, daß, wie es bei Marken der Fall ist, die Integration der nationalen Märkte durch nicht gerechtfertigte Einschränkungen des freien Warenverkehrs in Form eines unangemessen hohen Schutzniveaus bei geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen behindert würde(32).

Ergebnis

58 Demnach sollten die vom Handelsgericht Wien vorgelegten Fragen meines Erachtens wie folgt beantwortet werden:

1. Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel ist dahin auszulegen, daß eine gemäß dieser Verordnung eingetragene Ursprungsbezeichnung gegen einen anderen Namen zu schützen ist, wenn dieser Name eine Anspielung auf die Ursprungsbezeichnung im Sinne von Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung ist; dies ist der Fall, wenn i) zwischen dem Namen und der Ursprungsbezeichnung eine weitgehende phonetische Ähnlichkeit besteht und ii) der Name und die Ursprungsbezeichnung auf einem sehr ähnlichen Marktsektor benutzt werden; das trifft auf die eingetragene Ursprungsbezeichnung "Gorgonzola" und den für einen anderen Blauschimmelkäse verwendeten Namen "Cambozola" zu.

2. In diesem Zusammenhang macht es keinen Unterschied, ob das zweite Erzeugnis mit einem Vermerk versehen ist, daß es nicht in dem Mitgliedstaat hergestellt worden ist, in dem das durch die Ursprungsbezeichnung geschützte Erzeugnis hergestellt wird.

3. Wurde der Name jedoch wie im vorliegenden Fall vor dem Zeitpunkt des Antrags auf Eintragung der Ursprungsbezeichnung als Marke eingetragen, ist seine weitere Verwendung gemäß Artikel 14 Absatz 2 der Verordnung zuzulassen,

i) wenn er in gutem Glauben eingetragen wurde, was dann der Fall ist, wenn der Markeninhaber zum Zeitpunkt der Eintragung bei Zugrundelegung der verkehrsüblichen Sorgfalt annehmen durfte, daß die Verwendung der Marke mit dem seinerzeit geltenden nationalen Recht (einschließlich etwaiger einschlägiger internationaler Vorschriften) vereinbar ist, und

ii) wenn keiner der in Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben c und g und Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe b der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken genannten Gründe für die Ungültigkeit oder den Verfall der Marke vorliegt. Derartige Gründe liegen insbesondere dann vor, wenn die Marke hinreichend spezifisch ist, um einen Verbraucher z. B. über die tatsächliche Art, Beschaffenheit oder geographische Herkunft der Waren irrezuführen, oder wenn sie geeignet ist, das Publikum nicht allein durch die Ähnlichkeit der Marke, sofern infolge ihrer Verwendung durch den Inhaber oder mit seiner Zustimmung insbesondere über die Art, die Beschaffenheit oder die geographische Herkunft irrezuführen. Bei der Prüfung, ob eine Irreführung der Verbraucher oder des Publikums vorliegt, sollte das nationale Gericht auf die mutmaßliche Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abstellen.

(1) - ABl. L 208, S. 1.

(2) - Vgl. Protokoll II zum Abkommen.

(3) - Urteil vom 18. Mai 1993 in der Rechtssache Consorzio per la Tutela del Formaggio Gorgonzola gegen Landgenossenschaft Ennstal und Agrarverwertungsverband.

(4) - Bundesgesetzblatt Nr. 269 vom 19. April 1995, S. 3729.

(5) - Artikel 1 Absatz 1 des Abkommens.

(6) - Artikel 1 Absatz 2.

(7) - Artikel 2 Absatz 2.

(8) - Anhänge I und II.

(9) - Anhänge I und II.

(10) - Verordnung (EG) Nr. 1107/96 der Kommission vom 12. Juni 1996 zur Eintragung geographischer Angaben und Ursprungsbezeichnungen gemäß dem Verfahren nach Artikel 17 der Verordnung Nr. 2081/92 des Rates (ABl. L 148, S. 1).

(11) - Urteil in der Rechtssache C-280/91 (Vießmann, Slg. 1993, I-971, Randnr. 17); vgl. auch Rechtssache C-315/92 (Verband Sozialer Wettbewerb gegen Clinique Laboratories und Estée Lauder, Slg. 1994, I-317, Randnr. 7).

(12) - Siebente und neunte Begründungserwägung der Verordnung.

(13) - Vgl. z. B. die siebente Begründungserwägung der Verordnung.

(14) - Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1).

(15) - Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c ist in diesem Fall nicht einschlägig.

(16) - Vgl. Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-129/97 und C-130/97 (Chiciak und Fol, Slg. 1998, I-3315, Randnr. 37).

(17) - Urteil vom 14. Februar 1996.

(18) - Urteil vom 5. Juni 1997.

(19) - Urteil vom 18. Juni 1998.

(20) - Zitiert in Fußnote 14.

(21) - Rechtssache C-251/95 (Slg. 1997, I-6191).

(22) - Randnr. 26 des Urteils.

(23) - Zitiert in Fußnote 10.

(24) - Zitiert in Fußnote 16.

(25) - Randnr. 36 des Urteils.

(26) - Zitiert in Fußnote 21.

(27) - Zum Wortlaut des Artikels 13 Absatz 1 Buchstabe b siehe oben, Nr. 18.

(28) - Siehe oben, Nr. 19.

(29) - Siehe Protokoll II zum Abkommen.

(30) - Siehe oben, Fußnote 3.

(31) - Siehe Urteil vom 16. Juli 1998 in der Rechtssache C-210/96 (Gut Springenheide, Randnrn. 30 f). Siehe auch Rechtssache C-362/88 (GB-INNO-BM, Slg. 1990, I-667), Rechtssache C-238/89 (Pall, Slg. 1990, I-4827), Rechtssache C-126/91 (Yves Rocher, Slg. 1993, I-2361), Rechtssache C-315/92 (Verband Sozialer Wettbewerb gegen Clinique Laboratories und Estée Lauder, Slg. 1994, I-317), Rechtssache C-456/93 (Langguth, Slg. 1995, I-1737) sowie Rechtssache C-470/93 (Mars, Slg. 1995, I-1923). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly vom 29. September 1998 in der Rechtssache C-303/97, Verbraucherschutzverein gegen Sektkellerei G. C. Keßler, insbesondere Nrn. 29 ff.

(32) - Siehe meine Schlussanträge im Fall SABEL, Nrn. 50 f., zitiert in Fußnote 21. Vgl. auch meine Schlussanträge vom 29. Oktober 1998 in der Rechtssache C-342/97 (Lloyd Schuhfabrik Meyer gegen Klijsen Handel, Randnr. 20) und den Schlussantrag von Generalanwalt Fennelly im Fall Verbraucherschutzverein (zitiert in Fußnote 31, Nr. 30).

Top