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Document 62023CC0236

Schlussanträge des Generalanwalts M. Szpunar vom 27. Juni 2024.


ECLI identifier: ECLI:EU:C:2024:560

 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 27. Juni 2024 ( 1 )

Rechtssache C‑236/23

Mutuelle assurance des travailleurs mutualistes (Matmut)

gegen

TN,

Société MAAF assurances,

Fonds de garantie des assurances obligatoires de dommages (FGAO),

PQ

(Vorabentscheidungsersuchen der Cour de cassation [Kassationsgerichtshof, Frankreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2009/103/EG – Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung – Umfang des Pflichtversicherungsschutzes zugunsten Dritter – Nationale Regelung, nach der einem geschädigten Fahrzeuginsassen die Nichtigkeit des Versicherungsvertrags auf der Grundlage einer vorsätzlich falschen Angabe durch diesen Fahrzeuginsassen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses entgegengehalten werden kann“

I. Einleitung

1.

Das Vorabentscheidungsersuchen in der vorliegenden Rechtssache steht im Zusammenhang mit dem Urteil Fidelidade-Companhia de Seguros ( 2 ), in dem der Gerichtshof ausgeführt hat, dass die Richtlinien auf dem Gebiet der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung einer nationalen Regelung entgegenstehen, die bewirken würde, dass geschädigten Dritten die Nichtigkeit eines Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrags entgegengehalten werden kann, die aufgrund falscher anfänglicher Angaben des Versicherungsnehmers über die Identität des Eigentümers und des gewöhnlichen Fahrers des an einem Verkehrsunfall beteiligten Fahrzeugs eintritt.

2.

In der vorliegenden Rechtssache möchte das vorlegende Gericht wissen, ob dieselbe Auslegung in einer Situation zugrunde zu legen ist, in der der geschädigte Mitfahrer, dem die Nichtigkeit des Versicherungsvertrags entgegengehalten wird, die Person ist, die als Versicherungsnehmer die falschen anfänglichen Angaben gemacht hat. Für den Fall, dass dies zu bejahen ist, stellt sich auch die Frage, ob, obwohl die Nichtigkeit des Vertrags dem geschädigten Dritten nicht entgegengehalten werden kann, der Versicherer den geschädigten Dritten im Wege eines Rückgriffs auf Erstattung der Beträge, die er ihm in Erfüllung des Versicherungsvertrags gezahlt hat, in Anspruch nehmen kann.

II. Rechtlicher Rahmen

A. Unionsrecht

3.

Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2009/103/EG ( 3 ) definiert den Begriff „Geschädigter“ als „jede Person, die ein Recht auf Ersatz eines von einem Fahrzeug verursachten Schadens hat“.

4.

Art. 3 dieser Richtlinie bestimmt:

„Jeder Mitgliedstaat trifft vorbehaltlich der Anwendung des Artikels 5 alle geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist.

Die Schadensdeckung sowie die Modalitäten dieser Versicherung werden im Rahmen der in Absatz 1 genannten Maßnahmen bestimmt.

Die in Absatz 1 bezeichnete Versicherung hat sowohl Sachschäden als auch Personenschäden zu umfassen.“

5.

Art. 12 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„Unbeschadet des Artikels 13 Absatz 1 Unterabsatz 2 deckt die in Artikel 3 genannte Versicherung die Haftpflicht für aus der Nutzung eines Fahrzeugs resultierende Personenschäden bei allen Fahrzeuginsassen mit Ausnahme des Fahrers.“

6.

Art. 13 dieser Richtlinie lautet:

„(1)   Jeder Mitgliedstaat trifft alle geeigneten Maßnahmen, damit für die Zwecke der Anwendung von Artikel 3 bezüglich der Ansprüche von bei Unfällen geschädigten Dritten jede Rechtsvorschrift oder Vertragsklausel in einer nach Artikel 3 ausgestellten Versicherungspolice als wirkungslos gilt, mit der die Nutzung oder das Führen von Fahrzeugen durch folgende Personen von der Versicherung ausgeschlossen werden:

a)

hierzu weder ausdrücklich noch stillschweigend ermächtigte Personen;

b)

Personen, die keinen Führerschein für das betreffende Fahrzeug besitzen;

c)

Personen, die den gesetzlichen Verpflichtungen in Bezug auf Zustand und Sicherheit des betreffenden Fahrzeugs nicht nachgekommen sind.

Die in Unterabsatz 1 Buchstabe a genannte Vorschrift oder Klausel kann jedoch gegenüber den Personen geltend gemacht werden, die das Fahrzeug, das den Schaden verursacht hat, freiwillig bestiegen haben, sofern der Versicherer nachweisen kann, dass sie wussten, dass das Fahrzeug gestohlen war.

Den Mitgliedstaaten steht es frei, bei Unfällen in ihrem Gebiet Unterabsatz 1 nicht anzuwenden, wenn und soweit das Unfallopfer Schadenersatz von einem Sozialversicherungsträger erlangen kann.

(2)   In den Fällen gestohlener oder unter Anwendung von Gewalt erlangter Fahrzeuge können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die in Artikel 10 Absatz 1 bezeichnete Stelle nach Maßgabe von Absatz 1 des vorliegenden Artikels anstelle des Versicherers eintritt. Hat das Fahrzeug seinen gewöhnlichen Standort in einem anderen Mitgliedstaat, so hat diese Stelle keine Regressansprüche gegenüber irgendeiner Stelle in diesem Mitgliedstaat.

Die Mitgliedstaaten, die im Falle gestohlener oder unter Anwendung von Gewalt erlangter Fahrzeuge das Eintreten der in Artikel 10 Absatz 1 genannte[n] Stelle vorsehen, können für Sachschäden eine Selbstbeteiligung des Geschädigten bis zu 250 E[uro] festsetzen.

(3)   Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jede gesetzliche Bestimmung oder Vertragsklausel in einer Versicherungspolice, mit der ein Fahrzeuginsasse vom Versicherungsschutz ausgeschlossen wird, weil er wusste oder hätte wissen müssen, dass der Fahrer des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Unfalls unter dem Einfluss von Alkohol oder einem anderen Rauschmittel stand, bezüglich der Ansprüche eines solchen Fahrzeuginsassen als wirkungslos gilt.“

B. Französisches Recht

7.

Nach Art. L. 113‑8 des Code des assurances (Versicherungsgesetzbuch) ist der Versicherungsvertrag im Fall vorsätzlich verschwiegener oder falscher Angaben des Versicherten nichtig, wenn dieses Verschweigen oder diese falschen Angaben den Gegenstand des Risikos verändern oder seine Einschätzung durch den Versicherer verringern, und zwar selbst dann, wenn das verschwiegene oder falsch dargestellte Risiko ohne Einfluss auf den Schadensfall war.

III. Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits, Vorlagefrage und Verfahren vor dem Gerichtshof

8.

Am 5. Oktober 2012 schloss PQ einen Kraftfahrzeugversicherungsvertrag bei der Gesellschaft Mutuelle assurance des travailleurs mutualistes (Matmut) ab. Beim Abschluss dieses Vertrags erklärte PQ, der einzige Fahrer des versicherten Fahrzeugs zu sein.

9.

Am 28. September 2013 war dieses Fahrzeug, dessen Fahrer TN sich unter Alkoholeinfluss befand, an einem Verkehrsunfall mit einem anderen Fahrzeug beteiligt, das bei der Mutuelle d’assurance des artisans de France (MAAF) versichert war. PQ, der Mitfahrer des ersten Fahrzeugs war, wurde bei diesem Unfall verletzt.

10.

TN wurde vom Tribunal correctionnel (Strafgericht, Frankreich) u. a. wegen einer als Führer eines motorgetriebenen Landfahrzeugs unter Alkoholeinfluss zulasten von PQ begangenen fahrlässigen Körperverletzung mit einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Monaten schuldig gesprochen.

11.

PQ machte zivilrechtliche Schadensersatzansprüche geltend. In einer Strafverhandlung erhob Matmut hinsichtlich dieser Ansprüche die Einrede der Nichtigkeit des Versicherungsvertrags wegen falscher Angaben von PQ über die Identität des gewöhnlichen Fahrers des betreffenden Fahrzeugs. Matmut beantragte, aus dem Verfahren entlassen zu werden, und beantragte die Übernahme der Entschädigung von PQ durch den Garantiefonds für obligatorische Schadensversicherungen (Fonds de garantie des assurances obligatoires de dommages, FGAO), der die Aufgabe hat, u. a. die Opfer von Verkehrsunfällen zu entschädigen, deren Verursacher nicht versichert ist.

12.

Mit Urteil vom 17. Dezember 2018 erklärte das Tribunal correctionnel (Strafgericht) den Vertrag aufgrund vorsätzlich falscher Angaben des Versicherten für nichtig. Es entließ die Gesellschaft Matmut aus dem Verfahren, verurteilte TN zum Ersatz der Schäden der Opfer und erklärte das Urteil für dem FGAO gegenüber wirksam ( 4 ).

13.

TN, der FGAO und MAAF legten gegen dieses Urteil Berufung bei der Cour d’appel (Berufungsgericht, Frankreich) ein, die das Urteil bestätigte, soweit es den Versicherungsvertrag zwischen PQ und Matmut für nichtig erklärt hatte.

14.

Die Cour d’appel (Berufungsgericht) stellte fest, dass TN zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrags durch PQ Eigentümer des betreffenden Fahrzeugs und dessen gewöhnlicher Fahrer gewesen sei. Sie kam zu dem Ergebnis, dass PQ somit vorsätzlich eine falsche Erklärung über die Identität des gewöhnlichen Fahrers abgegeben habe, wodurch sich die Risikoeinschätzung des Versicherers offensichtlich geändert habe, da TN zuvor wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss verurteilt worden sei.

15.

Anders als das Tribunal correctionnel (Strafgericht) war die Cour d’appel (Berufungsgericht) jedoch der Auffassung, dass Matmut haftbar gemacht werden könne, und entließ daher den FGAO aus dem Verfahren. Nach Ansicht der Cour d’appel (Berufungsgericht) kann in Anbetracht des Vorrangs des Unionsrechts vor dem nationalen Recht die in Art. L. 113‑8 des Versicherungsgesetzbuchs vorgesehene Nichtigkeit des Versicherungsvertrags wegen vorsätzlicher Falschangaben des Versicherten den Opfern eines Verkehrsunfalls oder ihren Rechtsnachfolgern nicht entgegengehalten werden. Der Umstand, dass der Geschädigte Mitfahrer in dem Fahrzeug, das den Unfall verursacht habe, oder Versicherungsnehmer oder Eigentümer dieses Fahrzeugs gewesen sei, erlaube es nicht, ihm die Eigenschaft eines „geschädigten Dritten“ abzusprechen.

16.

Matmut legte gegen das Urteil der Cour d’appel (Berufungsgericht) ein Rechtsmittel bei der Strafkammer der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) ein, weil die Cour d’appel (Berufungsgericht) unter Verstoß gegen die Art. L. 113‑8 und R. 211‑13 des Versicherungsgesetzbuchs ( 5 ) zu Unrecht festgestellt habe, dass die Nichtigkeit des Versicherungsvertrags PQ nicht entgegengehalten werden könne.

17.

Da die Strafkammer der Ansicht war, dass die Prüfung dieses Rechtsmittels eine Stellungnahme der auf Versicherungsrecht spezialisierten Kammer erfordere, fragte sie diese, ob die Nichtigkeit des Versicherungsvertrags, die sich aus einer vorsätzlichen falschen Erklärung ergebe, einem Geschädigten entgegengehalten werden könne, der sowohl Mitfahrer des Fahrzeugs sei, das den Unfall verursacht habe, als auch Versicherungsnehmer.

18.

Die mit dieser Frage befasste Zweite Zivilkammer der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof), das vorlegende Gericht, erläutert im Einzelnen die französische Rechtslage in Bezug auf die Frage, ob die Nichtigkeit des Versicherungsvertrags Personen entgegengehalten werden kann, die bei einem Unfall geschädigt wurden, für den ein Versicherer haftbar gemacht werden kann. So ergibt sich aus der Rechtsprechung der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof), dass die Bösgläubigkeit des Versicherungsnehmers, die durch die Nichtigkeit des Versicherungsvertrags geahndet wird, durch seine Absicht gekennzeichnet ist, den Versicherer zu täuschen. Der Einfluss der betreffenden falschen Angabe auf den Schadensfall ist unerheblich. Außerdem wirkt sich die Nichtigkeit rückwirkend auf den Versicherungsvertrag aus, so dass dieser als niemals zustande gekommen gilt.

19.

Die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) vertrat im Allgemeinen die Auffassung, dass die Nichtigkeit des Vertrags, die sich aus der falschen Erklärung des Versicherten ergebe, dem Geschädigten entgegengehalten werden könne, sofern der seine Leistungsverpflichtung bestreitende Versicherer den FGAO ordnungsgemäß in das Verfahren einbezogen habe.

20.

Seit ihrem Urteil vom 29. August 2019 ( 6 ) vertritt die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) den Standpunkt, dass die in den Bestimmungen des Versicherungsgesetzbuchs vorgesehene Nichtigkeit des Versicherungsvertrags den Opfern eines Verkehrsunfalls oder ihren Rechtsnachfolgern nicht entgegengehalten werden und der FGAO in einem solchen Fall nicht zur Entschädigung der Opfer herangezogen werden könne. Diese Änderung der Rechtsprechung ergab sich aus der Auslegung dieser Bestimmungen im Licht der Richtlinien auf dem Gebiet der Versicherung.

21.

Das vorlegende Gericht fügt hinzu, dass der französische Gesetzgeber sodann Art. L. 211‑7‑1 in das Versicherungsgesetzbuch eingefügt habe, um es mit dem Unionsrecht in Einklang zu bringen. Nach dieser Bestimmung könne die Nichtigkeit eines Versicherungsvertrags den durch einen Verkehrsunfall Geschädigten oder ihren Rechtsnachfolgern nicht entgegengehalten werden, und in einem solchen Fall sei der Versicherer, der die Haftpflicht für das beteiligte Fahrzeug decke, verpflichtet, sie zu entschädigen. Weiter heiße es dort, dass die Ansprüche, die der Gläubiger der Entschädigung gegen den Unfallverursacher habe, auf den Versicherer bis zur Höhe der von ihm gezahlten Beträge übergingen.

22.

Diese nunmehr geltende Bestimmung scheint in zeitlicher Hinsicht auf den Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits, d. h. den Vertragsschluss und den Unfall, die 2012 bzw. 2013 stattfanden, nicht anwendbar zu sein.

23.

Das vorlegende Gericht weist allerdings darauf hin, dass sich die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) seit der Änderung ihrer Rechtsprechung, die sich aus dem Urteil vom 29. August 2019 ergebe, und dem Inkrafttreten von Art. L. 211‑7‑1 des Versicherungsgesetzbuchs noch nie zu der Frage geäußert habe, ob die Nichtigkeit des Versicherungsvertrags dem im Fahrzeug mitfahrenden Geschädigten auch dann nicht entgegengehalten werden könne, wenn diese Person zugleich der Versicherungsnehmer sei, der die zur Nichtigkeit des Versicherungsvertrags führenden vorsätzlich falschen Angaben gemacht habe. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass keines der Urteile des Gerichtshofs eine Situation wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende betreffe.

24.

Unter diesen Umständen hat die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) mit Entscheidung vom 30. März 2023, die beim Gerichtshof am 7. April 2023 eingegangen ist, beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind die Art. 3 und 13 der Richtlinie 2009/103 dahin auszulegen, dass sie dem entgegenstehen, dass die Nichtigkeit des Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrags dem geschädigten Mitfahrer entgegengehalten werden kann, wenn dieser zugleich der Versicherungsnehmer ist, der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat, die diese Nichtigkeit verursacht haben?

25.

Matmut, TN, MAAF, der FGAO, PQ und die französische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht. Eine mündliche Verhandlung hat nicht stattgefunden.

IV. Würdigung

A. Tragweite der Vorlagefrage und ihre Umformulierung

26.

Mit seiner einzigen Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht dem entgegensteht, dass einem geschädigten Mitfahrer die Nichtigkeit eines Versicherungsvertrags entgegengehalten werden kann, wenn dieser zugleich der Versicherungsnehmer ist, dessen falsche Angaben diese Nichtigkeit verursacht haben.

27.

Aus dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen geht jedoch hervor, dass sich das vorlegende Gericht auch fragt, ob der Versicherer im Fall der Feststellung, dass die Nichtigkeit des Versicherungsvertrags dem Geschädigten, dem Versicherungsnehmer, nicht entgegengehalten werden kann, berechtigt sein könnte, den Geschädigten im Wege eines auf vorsätzliches Fehlverhalten bei Vertragsschluss gestützten Rückgriffs auf Erstattung sämtlicher Beträge, die er ihm in Erfüllung des Vertrags gezahlt hat, in Anspruch zu nehmen.

28.

Ich weise darauf hin, dass das Vorabentscheidungsersuchen weder angibt, ob Matmut einen solchen Anspruch im Rahmen des Ausgangsverfahrens geltend gemacht hat, noch, ob seine Geltendmachung in einem Verfahren wie dem Ausgangsverfahren möglich ist.

29.

Insoweit ist in einem ersten Schritt darauf hinzuweisen, dass eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht spricht. Die Zurückweisung des Ersuchens eines nationalen Gerichts ist dem Gerichtshof nur möglich, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind ( 7 ).

30.

In einem zweiten Schritt ist es nach ständiger Rechtsprechung ( 8 ) im Rahmen des durch Art. 267 AEUV geschaffenen Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat der Gerichtshof die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren. Der Umstand, dass ein nationales Gericht eine Vorlagefrage ihrer Form nach unter Bezugnahme auf bestimmte Vorschriften des Unionsrechts formuliert hat, hindert den Gerichtshof nicht daran, diesem Gericht alle Auslegungshinweise zu geben, die ihm bei der Entscheidung über die bei ihm anhängige Rechtssache von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, ob es bei der Formulierung seiner Fragen darauf Bezug genommen hat oder nicht. Der Gerichtshof hat insoweit aus dem gesamten vom einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere aus der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen.

31.

Daher kann sich der Gerichtshof bei der Erfüllung seiner Aufgabe im Bereich der Vorabentscheidung veranlasst sehen, die Vorlagefragen umzuformulieren, für die auch nach ihrer Umformulierung gemäß der in Nr. 29 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung weiterhin die Vermutung der Entscheidungserheblichkeit gilt ( 9 ).

32.

Im vorliegenden Fall ist trotz fehlender Angaben im Vorabentscheidungsersuchen zur Möglichkeit eines Versicherers, einen Geschädigten als Versicherungsnehmer in Anspruch zu nehmen, nicht offensichtlich, dass die Problematik der Vereinbarkeit einer solchen Inanspruchnahme mit dem Unionsrecht in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder ein hypothetisches Problem betrifft. Denn auch wenn das Ausgangsverfahren die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Verursachers eines Unfalls betrifft, werden die zivilrechtlichen Ansprüche dennoch im Rahmen dieses Verfahrens geprüft. Im Übrigen enthält das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen, wie die schriftlichen Erklärungen der Parteien zeigen, in deren Rahmen diese Problematik ausführlich erörtert wird, alle Angaben, die für eine sachdienliche Beantwortung der Frage nach der Vereinbarkeit einer solchen Inanspruchnahme erforderlich sind.

33.

Unter diesen Umständen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage dahin umzuformulieren, dass das vorlegende Gericht mit ihr in einem ersten Schritt wissen möchte, ob die Art. 3 und 13 der Richtlinie 2009/103 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es erlaubt, dem geschädigten Mitfahrer, wenn dieser zugleich der Versicherungsnehmer ist, die Nichtigkeit des Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrags entgegenzuhalten, die sich aus vorsätzlich falschen Angaben dieses Versicherungsnehmers in Bezug auf den gewöhnlichen Fahrer des betreffenden Fahrzeugs ergibt.

34.

Nach meinem Vorschlag für eine Umformulierung möchte das vorlegende Gericht für den Fall, dass diese Frage bejaht wird, in einem zweiten Schritt wissen, ob diese Bestimmungen dahin auszulegen sind, dass sie auch einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es dem Versicherer gestattet, den geschädigten Mitfahrer, wenn dieser zugleich der Versicherungsnehmer ist, im Wege eines auf vorsätzlich falsche Angaben dieses Versicherungsnehmers in Bezug auf den gewöhnlichen Fahrer des betreffenden Fahrzeugs gestützten Rückgriffs auf Erstattung sämtlicher Beträge, die er diesem geschädigten Mitfahrer in Erfüllung dieses Vertrags gezahlt hat, in Anspruch zu nehmen.

B. Geltendmachung der Nichtigkeit eines Versicherungsvertrags

35.

Die gesetzlichen Voraussetzungen der Gültigkeit eines Versicherungsvertrags sind nicht durch das Unionsrecht, sondern durch das Recht der Mitgliedstaaten geregelt ( 10 ). Diese sind jedoch verpflichtet, sicherzustellen, dass alle verkehrsunfallgeschädigten Fahrzeuginsassen ihre Schäden über die obligatorische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung ersetzt bekommen können. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich außerdem, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Befugnisse in diesem Bereich das Unionsrecht beachten müssen und dass die nationalen Vorschriften über den Ersatz von Verkehrsunfallschäden die Richtlinie 2009/103 nicht ihrer praktischen Wirksamkeit berauben dürfen ( 11 ).

36.

Zur Beantwortung des ersten Teils der Vorlagefrage ist daher in einem ersten Schritt festzustellen, ob ein geschädigter Fahrzeuginsasse, der auch der Versicherungsnehmer und die Person ist, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrags falsche Angaben gemacht hat, zu den Personen gehört, die die Richtlinie 2009/103 schützen will. Denn nur wenn dies zu bejahen ist, könnte die Möglichkeit, diesem geschädigten Fahrzeuginsassen die Nichtigkeit des Versicherungsvertrags entgegenzuhalten, ihm seinen Schadensersatzanspruch nehmen und damit die praktische Wirksamkeit dieser Richtlinie beeinträchtigen. Daher werde ich gegebenenfalls in einem zweiten Schritt prüfen, ob die Möglichkeit, der betroffenen Person diese Nichtigkeit entgegenzuhalten, diese Richtlinie und ihre praktische Wirksamkeit beeinträchtigt.

1.   Zum Schutz von geschädigten Dritten

a)   Die allgemeine Regel über den Schutz der Geschädigten

37.

Die Richtlinie 2009/103 bezweckt, u. a. denjenigen, die bei Unfällen, die durch Fahrzeuge verursacht wurden, geschädigt worden sind, unabhängig davon, wo in der Union sich der Unfall ereignet hat, eine vergleichbare Behandlung zu garantieren, ebenso wie den Schutz derjenigen zu gewährleisten, die bei Unfällen, die durch Kraftfahrzeuge verursacht wurden, geschädigt worden sind ( 12 ). Die Bestimmungen dieser Richtlinie sind nämlich das Ergebnis einer Entwicklung der Unionsregelung im Bereich der obligatorischen Haftpflichtversicherung, die das Ziel des Schutzes der Opfer von Unfällen, die durch diese Fahrzeuge verursacht werden, beständig verfolgt und gestärkt hat ( 13 ).

38.

Wie sich aus ihrem ersten Erwägungsgrund ergibt, wurden mit der Richtlinie 2009/103 die früheren Richtlinien betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht kodifiziert, ohne sie inhaltlich zu ändern. Die zu diesen Richtlinien ergangene Rechtsprechung lässt sich somit auf die Auslegung der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie 2009/103 übertragen ( 14 ).

39.

Um das Ziel des „vergleichbaren“ Schutzes der Geschädigten in der Union zu erreichen, stellt die Richtlinie 2009/103 die allgemeine Regel, dass Geschädigte einen Anspruch auf Entschädigung durch den Versicherer haben, sowie Ausnahmen von dieser Regel auf. Unter diesem Blickwinkel haben diese Ausnahmen abschließenden Charakter und müssen eng ausgelegt werden ( 15 ).

40.

Insoweit erstreckt sich nach Art. 1 Nr. 2 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103 der mit ihr sicherzustellende Schutz auf jede Person, die nach dem nationalen Haftpflichtrecht ein Recht auf Ersatz eines von einem Kraftfahrzeug verursachten Schadens hat ( 16 ).

41.

Konkret schreibt Art. 3 der Richtlinie 2009/103 den Mitgliedstaaten vor, sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist, und gibt insbesondere an, welche Arten von Schäden diese Versicherung zu decken hat und welchen geschädigten Dritten sie Ersatz zu gewähren hat. In Bezug auf die Ansprüche, die geschädigten Dritten zustehen, steht Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie dem entgegen, dass sich eine Versicherungsgesellschaft auf Rechtsvorschriften oder Vertragsklauseln berufen kann, um den geschädigten Dritten, die Opfer eines durch das versicherte Fahrzeug verursachten Unfalls sind, Schadensersatz zu verweigern. Art. 13 Abs. 1 dieser Richtlinie nimmt nur – hinsichtlich bestimmter in dieser Bestimmung genannter Sonderfälle – auf diese Verpflichtung Bezug ( 17 ).

42.

Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob im vorliegenden Fall der geschädigte Fahrzeuginsasse, der auch der Versicherungsnehmer und die Person ist, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrags falsche Angaben gemacht hat, zu den „geschädigten Dritten“ gehört, die die Richtlinie 2009/103 schützen will.

b)   Der Fahrzeuginsasse als Geschädigter

43.

Die in der Richtlinie 2009/103 geregelte obligatorische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung deckt, wie es Art. 12 Abs. 1 dieser Richtlinie verlangt, u. a. die aus der Nutzung eines Fahrzeugs resultierenden Personenschäden bei allen Fahrzeuginsassen mit Ausnahme des Fahrers.

44.

Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass mit den Bestimmungen der früheren Richtlinien, die denen der Richtlinie 2009/103 entsprechen, sichergestellt werden sollte, dass alle verkehrsunfallgeschädigten Fahrzeuginsassen, vorbehaltlich der in diesen Richtlinien vorgesehenen Ausnahmen, ihre Schäden über die obligatorische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung ersetzt bekommen können ( 18 ).

45.

Zwar sieht Art. 13 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2009/103 eine Ausnahme vor, die sich auf die Situation von Fahrzeuginsassen mit Ausnahme des Fahrers auswirken kann. Nach dieser Bestimmung kann ein Mitgliedstaat nämlich beschließen, dass eine (vertragliche oder gesetzliche) Ausschlussklausel gegenüber Personen geltend gemacht werden kann, die das Fahrzeug, das den Schaden verursacht hat, freiwillig bestiegen haben, sofern der Versicherer nachweisen kann, dass sie wussten, dass das Fahrzeug gestohlen war. Es steht jedoch fest, dass dies hier nicht der Fall war.

46.

Was die in der Richtlinie 2009/103 geregelte Pflichtversicherung betrifft, kann daher der Umstand, dass ein Geschädigter der Insasse eines Fahrzeugs war, das ihm den Schaden zugefügt hat, dieser Person nicht ihren Anspruch auf Ersatz der durch einen Verkehrsunfall verursachten Schäden nehmen.

c)   Der Versicherungsnehmer als Geschädigter

47.

In der vorliegenden Rechtssache beruft sich eine der Parteien des Versicherungsvertrags, nämlich der Versicherungsnehmer, auf die Eigenschaft eines „bei einem Unfall Geschädigten“, um von der Versicherungsgesellschaft Schadensersatz zu erlangen.

48.

Insoweit verwenden, wie ich ausgeführt habe ( 19 ), sowohl die Richtlinie 2009/103 als auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Bestimmung der Personen, denen der sich aus dem Unionsrecht ergebende Schutz zusteht, den Begriff der „geschädigten Dritten“. Die Verwendung dieses Begriffs könnte darauf hindeuten, dass der durch diese Richtlinie gewährte Schutz nur für Personen gilt, die nicht vertraglich mit dem Versicherer verbunden sind („Dritte“), dessen Haftung geltend gemacht werden kann.

49.

Erstens findet sich der Begriff der „geschädigten Dritten“ jedoch nur in Art. 13 der Richtlinie 2009/103. Diese Bestimmung („Ausschlussklauseln“) verpflichtet die Mitgliedstaaten, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, damit „für die Zwecke der Anwendung von Artikel 3“ dieser Richtlinie bezüglich der Ansprüche von bei Unfällen geschädigten Dritten jede Rechtsvorschrift oder Vertragsklausel als wirkungslos gilt, mit der die Nutzung oder das Führen von Fahrzeugen in bestimmten spezifischen und in dieser ersten Bestimmung im Einzelnen dargelegten Fällen von der Versicherung ausgeschlossen werden.

50.

Im 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/103 wird das Ziel von Art. 13 dieser Richtlinie klargestellt und ausgeführt, dass im Interesse der Unfallopfer die Wirkungen bestimmter Ausschlussklauseln auf die Beziehungen zwischen dem Versicherer und dem für den Unfall Verantwortlichen beschränkt bleiben müssen. Im Umkehrschluss sind nach diesem Erwägungsgrund gemäß Art. 13 der Richtlinie und vorbehaltlich der in dieser vorgesehenen Ausnahmen solche (gesetzlichen und vertraglichen) Ausschlussklauseln für die Beziehungen zwischen dem Versicherer und jedem anderen Geschädigten als dem für den Unfall Verantwortlichen wirkungslos. Folglich ist nach diesem Erwägungsgrund die Bezugnahme auf „bei Unfällen geschädigten Dritten“ in dieser Bestimmung dahin zu verstehen, dass damit die Opfer eines Verkehrsunfalls mit Ausnahme des Unfallverursachers gemeint sind. Allgemeiner kann daher der Begriff der „geschädigten Dritten“ im Sinne dieser Bestimmung auch Personen umfassen, die vertraglich mit dem Versicherer verbunden sind.

51.

Zweitens entspricht eine solche Auslegung der Richtlinie 2009/103 derjenigen von Generalanwalt Mengozzi, der in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Churchill Insurance Company und Evans vorgeschlagen hat, davon auszugehen, dass bei Unfällen als „Dritte“ alle Fahrzeuginsassen mit Ausnahme des Fahrers zu betrachten sind, der den Unfall verursacht hat ( 20 ).

52.

Drittens hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass es der Umstand, dass ein bei einem Straßenverkehrsunfall Geschädigter der Versicherungsnehmer ist, nicht erlaubt, diese Person vom Begriff des „geschädigten Dritten“ im Sinne der Bestimmungen der vor der Richtlinie 2009/103 erlassenen Richtlinien, die Art. 12 Abs. 3 und Art. 13 Abs. 1 dieser Richtlinie entsprechen, auszuschließen ( 21 ).

53.

Daher erlaubt es auch der Umstand, dass der geschädigte Fahrzeuginsasse der Versicherungsnehmer ist, nicht, ihn von dem Schutz auszuschließen, den die Richtlinie 2009/103 den bei Verkehrsunfällen Geschädigten gewährt.

d)   Die Person, die falsche Angaben gemacht hat, als Geschädigter

54.

Die Besonderheit der vorliegenden Rechtssache liegt darin, dass die betroffene Person nicht nur der unfallgeschädigte Fahrzeuginsasse ist, der vertraglich mit dem Versicherer verbunden ist, dessen Haftung in Rede steht, sondern auch die Person, die die zur Nichtigkeit des Versicherungsvertrags führenden vorsätzlich falschen Angaben gemacht hat.

55.

Wie ich ausgeführt habe ( 22 ), enthält die Richtlinie 2009/103 eine Ausnahme, die es erlaubt, dass die Geschädigten in Anbetracht der Situation, die sie selbst geschaffen haben, d. h. Personen, die das Fahrzeug, das den Schaden verursacht hat, freiwillig bestiegen haben, von der Versicherungsgesellschaft nicht entschädigt werden, sofern diese nachweisen kann, dass sie wussten, dass das Fahrzeug gestohlen war. Dagegen sieht diese Richtlinie keine solche Ausnahme vor, wenn der Versicherungsvertrag auf der Grundlage falscher Angaben des Versicherungsnehmers geschlossen wurde.

56.

Wie der Gerichtshof entschieden hat ( 23 ), kann daher der Umstand, dass die Versicherungsgesellschaft diesen Vertrag auf der Grundlage von Auslassungen oder falschen Angaben seitens des Versicherungsnehmers geschlossen hat, es dieser nicht ermöglichen, sich auf Rechtsvorschriften über die Nichtigkeit des Vertrags zu berufen und diese Nichtigkeit dem geschädigten Dritten entgegenzuhalten, um sich von ihrer Verpflichtung zu dessen Entschädigung für den durch das versicherte Fahrzeug verursachten Unfall zu befreien. Mit anderen Worten ändert aus der Sicht der Richtlinie 2009/103 der Umstand, dass der geschädigte Fahrzeuginsasse der Versicherungsnehmer ist, der bei Abschluss des Versicherungsvertrags falsche Angaben gemacht hat, nichts an seiner Eigenschaft als „geschädigter Dritter“ im Sinne dieser Richtlinie und am Schutz, der Personen mit dieser Eigenschaft gewährt wird.

57.

Nunmehr ist zu prüfen, ob dieses Ergebnis nicht durch ein auf den Grundsatz des Verbots von Betrug und Missbrauch gestütztes Argument in Frage gestellt wird. Matmut macht nämlich in ihren schriftlichen Erklärungen geltend, unter dem Blickwinkel dieses Grundsatzes könne nicht hingenommen werden, dass sich die Person, die falsche Angaben gemacht habe, auf die Versicherung berufen und so aus ihrem Betrug Nutzen ziehen könne.

e)   Der Grundsatz des Verbots von Betrug und Missbrauch

1) Problemstellung

58.

Die Richtlinie 2009/103 regelt nicht die Frage des vom Versicherungsnehmer begangenen Missbrauchs der ihm durch diese Richtlinie eingeräumten Rechte. Im Unionsrecht gibt es jedoch einen allgemeinen Grundsatz, wonach die Anwendung der Unionsregelung nicht so weit reichen kann, dass missbräuchliche oder betrügerische Vorgänge geschützt werden. Außerdem scheint mir, dass der Gerichtshof im kürzlich ergangenen Beschluss Liberty Seguros die Anwendung dieses Grundsatzes im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Nichtigkeit eines Versicherungsvertrags in Betracht gezogen hat.

59.

Die vom Gerichtshof in diesem Beschluss untersuchte Vorlagefrage ging auf die Klage eines Versicherers zurück, mit der die Nichtigkeit eines Versicherungsvertrags wegen falscher Angaben des Versicherungsnehmers zu der mit dem betreffenden Fahrzeug ausgeübten Tätigkeit festgestellt werden sollte. Das mit dieser Klage befasste Gericht hatte darüber zu entscheiden, ob Dritten, die Opfer eines Verkehrsunfalls geworden sind, diese Nichtigkeit entgegengehalten werden kann.

60.

Der Gerichtshof hat dies verneint und insbesondere festgestellt, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass in einer Situation, in der der Versicherungsnehmer die tatsächliche Tätigkeit, die er mit dem betreffenden Fahrzeug ausüben wollte, verschwiegen hat und die Fahrzeuginsassen sich über die Rechtswidrigkeit der vom Versicherungsnehmer erbrachten Dienstleistung nicht im Unklaren sein konnten, das Unionsrecht mit dem Ziel geltend gemacht wird, sich den nationalen Rechtsvorschriften zu entziehen, um daraus einen Vorteil zu ziehen, der mit dem Ziel und dem Zweck des Unionsrechts im Widerspruch steht ( 24 ).

61.

In dieser Passage scheint der Gerichtshof darauf hinzuweisen, dass die in Rede stehende Situation nicht den beiden Hauptzusammenhängen entsprach, in denen der Begriff des Missbrauchs untersucht werden kann, nämlich dann, wenn das Unionsrecht geltend gemacht wird, um sich den nationalen Rechtsvorschriften zu entziehen, und wenn eine missbräuchliche Berufung auf Bestimmungen des Unionsrechts erfolgt, um Vorteile auf eine Weise zu erlangen, die mit dem Ziel und dem Zweck eben dieser Bestimmungen im Widerspruch steht ( 25 ).

62.

Wenn ich diese Passage in Anbetracht ihres Kontexts richtig verstehe, entspricht die Situation, mit der sich der Gerichtshof befasst hat, dem zweiten Zusammenhang, d. h. der Situation, dass das Unionsrecht von den bei einem Verkehrsunfall Geschädigten geltend gemacht wird, die sich auf ihre Eigenschaft als „geschädigte Dritte“ berufen wollten, um nicht wegen der Nichtigkeit des Versicherungsvertrags, die sich aus falschen Angaben des Versicherungsnehmers ergibt, ihr Recht auf Entschädigung zu verlieren.

63.

Im vorliegenden Fall ist es dagegen, wenn man der Argumentation von Matmut folgt, der Versicherungsnehmer, der sich auf seine Eigenschaft als „geschädigter Dritter“ berufen möchte, um das gleiche Ziel zu erreichen. In einer solchen Situation würde das Unionsrecht, genauer gesagt die Art. 3 und 13 der Richtlinie 2009/103, geltend gemacht, um die Anwendung einer nationalen Bestimmung über die Nichtigkeit eines Versicherungsvertrags zu umgehen, die sonst der Person, die falsche Angaben gemacht hat, entgegengehalten werden könnte.

64.

Unter diesen Umständen ist es Sache des nationalen Gerichts, gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts – soweit dadurch die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigt wird – festzustellen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen eines missbräuchlichen oder betrügerischen Verhaltens im Ausgangsverfahren erfüllt sind ( 26 ). Sofern es geboten erscheint, kann der Gerichtshof im Vorabentscheidungsverfahren aufzeigen, welche Indizien für die Beurteilung der Fälle, über die die nationalen Gerichte zu entscheiden haben, bedeutsam sein könnten ( 27 ). Ich werde daher einige Bemerkungen zur Anwendung des Grundsatzes des Verbots von Betrug und Missbrauch für den Fall machen, dass der Gerichtshof beschließen sollte, dem vorlegenden Gericht solche Indizien zu liefern.

2) Bemerkungen zur Umsetzung des Grundsatzes des Verbots von Betrug und Missbrauch

65.

Die Feststellung eines missbräuchlichen Verhaltens verlangt das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Tatbestandsmerkmals.

66.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ( 28 ) setzt der Nachweis einer missbräuchlichen Praxis zum einen eine Gesamtheit objektiver Umstände voraus, aus denen sich ergibt, dass trotz formaler Einhaltung der in der Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde, und zum anderen ein subjektives Element, nämlich die Absicht, sich einen aus der Unionsregelung resultierenden Vorteil zu verschaffen, indem die Voraussetzungen für seine Erlangung künstlich geschaffen werden.

67.

Da im vorliegenden Fall das mit der Unionsregelung verfolgte Ziel von vornherein erreicht zu werden scheint, halte ich es für angebracht, die Prüfung nicht mit dem objektiven, sondern mit dem subjektiven Element zu beginnen, um zu bestimmen, welche Absicht die betreffende Person hatte, und um zu prüfen, ob diese Absicht einen Missbrauch darstellt und ob das gewünschte Ergebnis gegebenenfalls geeignet ist, das Ziel des Unionsrechts zu beeinträchtigen ( 29 ).

68.

Das mit den Art. 3 und 13 der Richtlinie 2009/103 verfolgte Ziel besteht nämlich darin, sicherzustellen, dass vorbehaltlich der in dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen jeder bei einem Verkehrsunfall Geschädigte Anspruch auf Entschädigung hat, und die nationalen Vorschriften und Vertragsklauseln, die diesen Anspruch beschränken können, unangewendet zu lassen.

69.

Es steht fest, dass PQ bei dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Unfall verletzt wurde und dass er nach dem anwendbaren Recht Anspruch auf Ersatz der erlittenen Schäden hat. Außerdem deutet nichts darauf hin, dass sich dieser Unfall unter künstlich geschaffenen Umständen ereignet hätte oder dass PQ in Anbetracht der Tatsache, dass der Fahrer von den versicherten Personen ausgeschlossen ist ( 30 ), den Platz des Fahrzeuginsassen eingenommen hätte, anstatt das Fahrzeug selbst zu führen, um vom Versicherer im Fall eines Unfalls eine Entschädigung erhalten zu können.

70.

Außerdem darf man nicht aus den Augen verlieren, dass Matmut mit ihrem Vorbringen nicht geltend macht, dass TN das betreffende Fahrzeug zum Zeitpunkt des Unfalls gelenkt habe, sondern dass dieser bei Abschluss des Versicherungsvertrags nicht als gewöhnlicher Fahrer dieses Fahrzeugs angegeben worden sei. Wenn PQ der gewöhnliche Fahrer des Fahrzeugs wäre und TN es gelegentlich führte, würde sich die Frage der Nichtigkeit des Versicherungsvertrags nicht stellen. Die Richtlinie 2009/103 steht nämlich dem entgegen, dass die Verpflichtung eines Versicherers zum Ersatz des Schadens des Opfers eines Verkehrsunfalls, an dem ein versichertes Fahrzeug beteiligt war, ausgeschlossen wird, wenn dieser Unfall von einer Person verursacht wird, für die die Versicherungspolice nicht ausgestellt ist ( 31 ).

71.

So bezieht sich das Vorbringen von Matmut darauf, dass PQ beim Abschluss des Versicherungsvertrags falsche Angaben gemacht habe und dass er versucht habe, nicht zugunsten jedes Geschädigten, sondern zu seinem persönlichen Vorteil eine nationale Bestimmung unangewendet zu lassen, nach der dieser Versicherungsvertrag wegen dieser falschen Angaben nichtig sei.

72.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof unterschiedliche Formulierungen verwendet, um das subjektive Element eines missbräuchlichen oder betrügerischen Verhaltens zu beschreiben.

73.

In einigen seiner Urteile weist der Gerichtshof nämlich darauf hin, dass das subjektive Element in der Absicht besteht, sich einen aus der Unionsregelung resultierenden Vorteil zu verschaffen, indem die Voraussetzungen für seine Erlangung künstlich geschaffen werden ( 32 ), während er in anderen Urteilen betont, dass dieses Tatbestandsmerkmal nur vorliegt, wenn sich der wesentliche Zweck der fraglichen Handlungen auf die Erlangung eines solchen Vorteils beschränkt ( 33 ).

74.

Jedenfalls ist in Bezug auf die Umgehung des nationalen Rechts mittels des abgeleiteten Rechts festzustellen, dass das Missbrauchsverbot nicht greift, wenn die fraglichen Handlungen eine andere Erklärung haben können als nur die Erlangung eines ungerechtfertigten Vorteils ( 34 ).

75.

Somit ist zu prüfen, ob sich der wesentliche Zweck der fraglichen Handlungen von PQ auf die Umgehung der sonst anwendbaren nationalen Bestimmungen beschränkte. Insoweit verlangt die Prüfung des Vorliegens einer missbräuchlichen Praxis, dass das vorlegende Gericht alle Tatsachen und Umstände des Einzelfalls berücksichtigt, einschließlich derjenigen aus der Zeit vor und nach dem Vorgang, dessen missbräuchlicher Charakter geltend gemacht wird ( 35 ).

76.

Nach meinem Verständnis des Vorabentscheidungsersuchens wurden die falschen Angaben von PQ gemacht, um die Versicherungspflicht für das betreffende Fahrzeug zu erfüllen und in den Genuss einer günstigeren Versicherungsprämie zu kommen, als sie zu zahlen gewesen wäre, wenn dem Versicherer die Identität des gewöhnlichen Fahrers dieses Fahrzeugs bekannt gewesen wäre. Aus der Vorlageentscheidung scheint nämlich hervorzugehen, dass der Grund für diese falschen Angaben darin bestand, TN nicht als gewöhnlichen Fahrer dieses Fahrzeugs anzugeben, da er zuvor wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss verurteilt worden war. Dieser Umstand hat aber die Risikoeinschätzung des Versicherers offensichtlich geändert.

77.

Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass PQ falsche Angaben mit dem wesentlichen Zweck gemacht hat, sich selbst auf die Art. 3 und 13 der Richtlinie 2009/103 zu berufen und eine nationale Bestimmung über die gesetzlichen Voraussetzungen für die Nichtigkeit von Versicherungsverträgen zu umgehen. Angesichts dessen ist PQ in Anbetracht der Bestimmungen dieser Richtlinie als bei einem Unfall „geschädigter Dritter“ anzusehen.

78.

Hinsichtlich dieser Prüfungen ist hinzuzufügen, dass die Person, der zur Last gelegt wird, missbräuchliches oder betrügerisches Verhalten eingesetzt zu haben, unter Beachtung der mit dem Recht auf ein faires Verfahren zusammenhängenden Garantien die Möglichkeit erhalten muss, die Beweise, auf die sich diese Behauptung stützt, zu entkräften ( 36 ).

79.

Der Vollständigkeit halber könnte man sich fragen, ob Art. L. 113‑8 des Versicherungsgesetzbuchs nicht als nationale Vorschrift anzusehen ist, mit der der französische Gesetzgeber versucht, betrügerischen und missbräuchlichen Verhaltensweisen der Versicherungsnehmer abzuhelfen. Die Anwendung einer solchen nationalen Bestimmung ist jedoch nur dann möglich, wenn das Verhalten des Betroffenen auf jeden Fall nach dem allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz des Verbots von Betrug und Missbrauch als betrügerisch oder missbräuchlich angesehen würde ( 37 ). Die Durchführung einer solchen nationalen Bestimmung darf nämlich die Wirksamkeit und die einheitliche Anwendung der Art. 3 und 13 der Richtlinie 2009/103 nicht beeinträchtigen ( 38 ). Sie kann daher nicht die Tragweite dieser Bestimmung verändern ( 39 ), was der Fall wäre, wenn der Versicherungsnehmer, der falsche Angaben gemacht hat, nicht die Eigenschaft eines „geschädigten Dritten“ im Sinne dieser Bestimmungen hätte.

80.

Unter diesen Umständen bleibt zu prüfen, ob die praktische Wirksamkeit der Art. 3 und 13 der Richtlinie 2009/103 dem entgegensteht, dass einem geschädigten Dritten, der der Versicherungsnehmer und die Person ist, die beim Vertragsschluss falsche Angaben gemacht hat, die Nichtigkeit des Versicherungsvertrags entgegengehalten wird.

2.   Zur praktischen Wirksamkeit der Art. 3 und 13 der Richtlinie 2009/103

a)   Geltendmachung der Nichtigkeit des Vertrags gegenüber einem geschädigten Dritten

81.

Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob sich die Versagung des Entschädigungsanspruchs durch eine Versicherungsgesellschaft daraus ergeben kann, dass die Nichtigkeit des Versicherungsvertrags, die sich aus falschen Angaben des Versicherungsnehmers ergibt, dem Versicherungsnehmer entgegengehalten werden kann.

82.

Wie bereits erwähnt ( 40 ), zielt die Richtlinie 2009/103 nicht darauf ab, die gesetzlichen Voraussetzungen der Gültigkeit von Versicherungsverträgen zu harmonisieren. Auch wenn es den Mitgliedstaaten freisteht, diese Voraussetzungen festzulegen, müssen sie bei der Ausübung ihrer Befugnisse das Unionsrecht beachten, und die nationalen Vorschriften über den Ersatz von Verkehrsunfallschäden dürfen diese Richtlinie nicht ihrer praktischen Wirksamkeit berauben.

83.

Daher steht die Richtlinie 2009/103 einer nationalen Bestimmung nicht entgegen, die vorsieht, dass der Versicherungsvertrag nichtig ist, wenn er auf der Grundlage falscher Angaben des Versicherungsnehmers geschlossen wurde, doch beschränkt diese Richtlinie die Wirkungen der Nichtigkeit insoweit, als diese die praktische Wirksamkeit dieses Unionsrechtsakts beeinträchtigen kann.

84.

Würde die Nichtigkeit eines Versicherungsvertrags einem geschädigten Fahrzeuginsassen, der Versicherungsnehmer ist, entgegengehalten, so würde dies dazu führen, dass diese Person nicht entschädigt würde, und folglich die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 2009/103 beeinträchtigt. Diese Auslegung wird nicht durch die Möglichkeit in Frage gestellt, dass diese Person vom FGAO entschädigt wird.

b)   Einschaltung der für die Entschädigungen der Geschädigten zuständigen Stelle

85.

Das vorlegende Gericht hat Zweifel, ob der Umstand, dass der FGAO verpflichtet ist, den Geschädigten zu entschädigen, falls ihm die Nichtigkeit des Vertrags entgegengehalten werden kann, Einfluss auf die vorzunehmende Auslegung haben kann.

86.

Insoweit ist jeder Mitgliedstaat nach Art. 10 der Richtlinie 2009/103 verpflichtet, „eine Stelle [zu schaffen] oder … eine Stelle an[zuerkennen], die für Sach- oder Personenschäden, welche durch ein nicht ermitteltes oder nicht im Sinne von Artikel 3 versichertes Fahrzeug verursacht worden sind, zumindest in den Grenzen der Versicherungspflicht Ersatz zu leisten hat“.

87.

Wie der Gerichtshof klargestellt hat ( 41 ), wird die Feststellung, dass eine nationale Bestimmung bewirken kann, dass geschädigte Dritte keine Entschädigung erhalten, und folglich die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 2009/103 beeinträchtigen kann, jedoch nicht durch die Möglichkeit in Frage gestellt, dass der Geschädigte von einer Stelle, die geschaffen wurde, um Art. 10 dieser Richtlinie nachzukommen, eine Entschädigung erhält.

88.

Die Einschaltung einer solchen Stelle wurde nämlich als allerletzte Maßnahme nur für den Fall vorgesehen, dass die Schäden durch ein Fahrzeug verursacht worden sind, das entgegen der Verpflichtung nicht versichert wurde. Die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung ist obligatorisch, und es ist Sache der Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass vorbehaltlich der Abweichungen nach der Richtlinie 2009/103 jeder Eigentümer oder Halter eines Fahrzeugs mit gewöhnlichem Standort im Inland mit einer Versicherungsgesellschaft einen Vertrag abschließt. Wenn ein Mitgliedstaat dieser Überwachungspflicht nicht nachkommt, sollte dies nicht zum Nachteil der bei Verkehrsunfällen Geschädigten erfolgen, und wenn dies der Fall ist, muss die von diesem Mitgliedstaat geschaffene oder anerkannte Stelle die Geschädigten entschädigen. Dagegen kann die Einschaltung einer anerkannten Stelle nicht geltend gemacht werden, um den Versicherer von seiner Haftung zu befreien, wenn die Verpflichtung zum Abschluss des Versicherungsvertrags erfüllt worden ist.

3.   Ergebnis zum ersten Teil der Vorlagefrage

89.

Nach meiner vorstehenden Analyse bin ich zunächst der Ansicht, dass der Umstand, dass der geschädigte Fahrzeuginsasse der Versicherungsnehmer ist, der bei Abschluss des Versicherungsvertrags falsche Angaben über die Identität des gewöhnlichen Fahrers gemacht hat, nichts an seiner Eigenschaft als „geschädigter Dritter“ im Sinne der Richtlinie 2009/103 und am Schutz, der Personen mit dieser Eigenschaft gewährt wird, ändert ( 42 ). Sodann kann unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht davon ausgegangen werden, dass die Anwendung des Grundsatzes des Verbots von Betrug und Missbrauch es erlaubt, ihm diesen Schutz zu verweigern ( 43 ). Schließlich würde dieser Richtlinie ihre praktische Wirksamkeit genommen, wenn der Versicherer dieser Person den Anspruch auf Schadensersatz verweigerte, weil ihr die Nichtigkeit des Versicherungsvertrags, die sich aus falschen Angaben ergibt, entgegengehalten werden kann ( 44 ).

90.

Unter diesen Umständen ist auf den ersten Teil der Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 3 und 13 der Richtlinie 2009/103 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es erlaubt, dem geschädigten Mitfahrer, wenn dieser zugleich der Versicherungsnehmer ist, die Nichtigkeit des Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrags entgegenzuhalten, die sich aus vorsätzlich falschen Angaben dieses Versicherungsnehmers in Bezug auf den gewöhnlichen Fahrer des betreffenden Fahrzeugs ergibt.

C. Das Recht, einen Regressanspruch geltend zu machen

91.

Der zweite Teil der Vorlagefrage betrifft die Frage, ob die Art. 3 und 13 der Richtlinie 2009/103 dahin auszulegen sind, dass sie auch einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es dem Versicherer gestattet, den geschädigten Mitfahrer, wenn dieser zugleich der Versicherungsnehmer ist, im Wege eines auf vorsätzlich falsche Angaben dieses Versicherungsnehmers in Bezug auf den gewöhnlichen Fahrer des betreffenden Fahrzeugs gestützten Rückgriffs auf Erstattung sämtlicher Beträge, die er diesem geschädigten Mitfahrer in Erfüllung dieses Vertrags gezahlt hat, in Anspruch zu nehmen.

92.

Zur Beantwortung des zweiten Teils der Vorlagefrage werde ich zunächst prüfen, ob die Voraussetzungen für die Haftung des Versicherungsnehmers für die falschen anfänglichen Angaben durch das Unionsrecht geregelt sind. Sollte dies nicht der Fall sein, werde ich mich sodann mit der Frage befassen, ob dieses Recht es gleichwohl ausschließt, dass die Haftung des Versicherungsnehmers im Wege eines Regressanspruchs des Versicherers geltend gemacht wird.

1.   Die Voraussetzungen für die Haftung des Versicherungsnehmers

93.

Auch wenn der Gerichtshof noch keine Gelegenheit hatte, sich zur Vereinbarkeit des Rechts des Versicherers, einen Regressanspruch gegen einen geschädigten Fahrzeuginsassen geltend zu machen, der auch der Versicherungsnehmer und die Person ist, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrags falsche Angaben gemacht hat, mit dem Unionsrecht zu äußern, können der Rechtsprechung insoweit nützliche Hinweise entnommen werden ( 45 ).

94.

Ein Regressanspruch gegen eine bei einem Unfall geschädigte Person war Gegenstand des Urteils Churchill Insurance Company und Evans ( 46 ).

95.

Dieses Urteil betraf eine Bestimmung des nationalen Rechts, die es dem Versicherer ermöglichte, den aufgrund seiner sich aus dem Versicherungsvertrag ergebenden Haftung gezahlten Betrag vom Versicherten zurückzufordern. Die Lektüre dieses Urteils zeigt, dass diese Bestimmung zwei unterschiedliche Auslegungen ermöglichte und dass diese von den Parteien erörtert worden waren.

96.

Nach der ersten Auslegung sah die in Rede stehende nationale Bestimmung nämlich einen Regressanspruch gegen den Versicherten vor, um diese Entschädigung zurückzufordern, wenn dieser Versicherte die Nutzung des Fahrzeugs durch den Fahrer, der den Unfall verursacht hatte, veranlasst oder gestattet hatte ( 47 ). Nach der zweiten Auslegung bewirkte diese Bestimmung, dass ein durch einen Verkehrsunfall geschädigter Fahrzeuginsasse, der versichert war und dem nicht versicherten Fahrer erlaubt hatte, das Fahrzeug zu führen, automatisch von den Leistungen der Versicherung ausgeschlossen wird ( 48 ). Das vorlegende Gericht ist dieser zweiten Auslegung gefolgt, und diese spiegelt sich folglich im Urteil des Gerichtshofs wider.

97.

Noch wichtiger ist, dass dieses Urteil darauf hindeutet, dass eine Bestimmung, die den Anspruch auf eine dem Versicherten gegebenenfalls geschuldete Entschädigung automatisch ausschließt (zweite Auslegung), in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2009/103 fällt, während eine Bestimmung, die einem Versicherer das Recht verleiht, die Haftpflicht seines Vertragspartners im Wege eines Regressanspruchs geltend zu machen (erste Auslegung), nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt.

98.

Nach dem Hinweis darauf, dass er verpflichtet ist, die Auslegung des nationalen Rechts durch das vorlegende Gericht, d. h. die zweite Auslegung, zu berücksichtigen, hat der Gerichtshof nämlich ausgeführt, dass die Vorlagefragen „nicht die Vereinbarkeit einer Haftpflichtregelung mit dem Unionsrecht [betreffen], sondern … sich auf die Vereinbarkeit einer Bestimmung mit dem Unionsrecht [beziehen], welche nach der Auslegung des vorlegenden Gerichts durch den automatischen Ausschluss der dem Versicherten gegebenenfalls geschuldeten Entschädigung den Umfang der Deckung der Haftpflicht beschränkt“ ( 49 ). Der Gerichtshof hat daher die Auffassung vertreten, dass die Vorlagefragen in den Anwendungsbereich der einschlägigen Unionsregelung fallen.

99.

Dieses Verständnis des Urteils Churchill Insurance Company und Evans ( 50 ) wird durch den Beschluss BUL INS ( 51 ) bestätigt, in dem der Gerichtshof festgestellt hat, dass sich Art. 13 der Richtlinie 2009/103 auf etwaige Beschränkungen der Haftpflichtversicherung gegenüber bei einem Unfall geschädigten Dritten bezieht und nicht auf Regressansprüche, die der Versicherer nach Gewährung einer Entschädigung an den Geschädigten geltend macht.

100.

Somit unterliegen die Voraussetzungen für die Haftung des Versicherungsnehmers für die vom Versicherer aufgrund eines Unfalls gezahlten Beträge nicht dem Unionsrecht. Es bleibt zu prüfen, ob die im zweiten Teil der Vorlagefrage genannten Voraussetzungen für die Begründung dieser Haftung gleichwohl die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 2009/103 beeinträchtigen können.

2.   Praktische Wirksamkeit der Richtlinie 2009/103 und Regress

101.

Das vorlegende Gericht fragt sich, ob der Versicherer den Versicherungsnehmer im Wege eines Rückgriffs auf Erstattung sämtlicher Beträge, die er ihm in Erfüllung des Vertrags gezahlt hat, in Anspruch nehmen kann.

102.

Auch wenn die Voraussetzungen für den Eintritt der Haftung des Versicherungsnehmers in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, müssen diese bei der Ausübung ihrer Befugnisse auf diesem Gebiet das Unionsrecht beachten, ohne dessen praktische Wirksamkeit zu beeinträchtigen.

103.

Insoweit unterscheidet der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zur praktischen Wirksamkeit der Richtlinie 2009/103 zwischen zum einen Versicherungsvorschriften, die die Deckung der Haftpflicht des Versicherers im Verhältnis zwischen dem geschädigten Dritten und dem Versicherer begrenzen, und zum anderen den Bestimmungen der nationalen Regelung der Haftpflicht, die die Haftung des Versicherten gegenüber einem geschädigten Dritten bestimmen ( 52 ). Grundsätzlich sind es vor allem die erstgenannten Bestimmungen, die die praktische Wirksamkeit dieser Richtlinie beeinträchtigen können ( 53 ). Im Allgemeinen leitet sich nämlich die Haftung des Versicherers von der Haftpflicht des Versicherten ab, und diese Richtlinie soll nicht die Haftpflichtregelungen der Mitgliedstaaten harmonisieren.

104.

Nach derselben Rechtsprechung sind diese Bestimmungen, um die praktische Wirksamkeit der unionsrechtlichen Vorschriften über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung sicherzustellen, dahin auszulegen, dass sie nationalen Regelungen entgegenstehen, die diese praktische Wirksamkeit beeinträchtigen, indem sie das vom Unionsgesetzgeber beständig verfolgte und gestärkte Ziel, Verkehrsunfallopfer zu schützen, dadurch gefährden, dass sie den Anspruch des Opfers auf eine Entschädigung durch die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung von vornherein ausschließen oder unverhältnismäßig einschränken ( 54 ).

105.

Im Licht dieser Rechtsprechung ist festzustellen, dass eine nationale Regelung, die es dem Versicherer gestattet, den geschädigten Fahrzeuginsassen, wenn dieser auch der Versicherungsnehmer und die Person ist, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrags falsche Angaben gemacht hat, im Wege eines Regresses auf Erstattung sämtlicher an diesen geschädigten Fahrzeuginsassen in Erfüllung des Versicherungsvertrags gezahlten Beträge in Anspruch zu nehmen, den Anspruch dieses Geschädigten auf Schadensersatz durch die obligatorische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und damit die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 2009/103 beeinträchtigen kann.

106.

Eine solche nationale Regelung beeinflusst nämlich das Verhältnis zwischen dem geschädigten Dritten und dem Versicherer, ohne die Haftpflicht des unmittelbar für den Verkehrsunfall verantwortlichen Versicherten zu beeinflussen. Der Umstand, dass diese nationale Regelung darauf abzielt, falsche Angaben zu ahnden, die der Versicherungsnehmer beim Abschluss des Versicherungsvertrags gemacht hat, stellt diese Erwägung nicht in Frage. Der Umstand, dass der geschädigte Fahrzeuginsasse der Versicherungsnehmer ist, der bei Abschluss des Versicherungsvertrags falsche Angaben über die Identität des gewöhnlichen Fahrers gemacht hat, ändert nämlich nichts an seiner Eigenschaft als „geschädigter Dritter“ im Sinne der Richtlinie 2009/103 ( 55 ).

107.

Insoweit trifft es zwar zu, dass der Gerichtshof im Urteil Ruiz Bernáldez ( 56 ), festgestellt hat, dass „der Pflichtversicherungsvertrag in derartigen Fällen vorsehen [darf], dass dem Versicherer ein Regressanspruch gegen den Versicherten zusteht“. Dieses Urteil kann jedoch nicht dahin verstanden werden, dass das Unionsrecht dem nicht entgegensteht, dass der Versicherer einen Regressanspruch gegen die Person, mit der er den Versicherungsvertrag geschlossen hat, geltend machen kann, wenn diese Person auch der geschädigte Dritte im Sinne der Richtlinie 2009/103 ist.

108.

Wie die französische Regierung hervorhebt, war der Versicherte im Urteil Ruiz Bernáldez ( 57 ) nämlich der Fahrer des Fahrzeugs und der Verursacher des Schadens, so dass sich die Frage der Gefahr einer Beeinträchtigung des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten aufgrund dieses Regresses nicht stellte. Im Übrigen betrafen die Erwägungen des Gerichtshofs insbesondere eine Klausel des Versicherungsvertrags, nach der der Versicherer beim Versicherten Regress nehmen kann, um Beträge zurückzufordern, die an das Opfer eines Verkehrsunfalls gezahlt wurden, der durch einen betrunkenen Fahrer verursacht wurde ( 58 ). Dagegen deutet nichts in diesem Urteil darauf hin, dass ein solcher Regressanspruch ohne jede Einschränkung des Unionsrechts gegen die vom Versicherer entschädigte Person geltend gemacht werden könnte. Vielmehr hat der Gerichtshof festgestellt, dass „ein Pflichtversicherungsvertrag … nicht vorsehen darf, dass der Versicherer in bestimmten Fällen, insbesondere im Falle der Trunkenheit des Fahrers, nicht verpflichtet ist, Ersatz für die Personen- und Sachschäden zu leisten, die Dritten durch das versicherte Fahrzeug entstanden sind“ ( 59 ).

109.

Noch wichtiger ist, dass ein Regressanspruch wie der, auf den sich der zweite Teil der Vorlagefrage bezieht, die Notwendigkeit außer Acht lässt, die Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme zu gewährleisten, mit der dem Geschädigten der Anspruch auf Entschädigung durch den Versicherer genommen werden soll.

110.

Wie nämlich aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, ergibt sich die Nichtigkeit des Vertrags aus falschen Angaben, die die Risikoeinschätzung des Versicherers und damit die Versicherungskosten geändert haben, ohne Auswirkungen auf den Schadensfall und den Schadensumfang zu haben. Wenn jedoch ein Anspruch auf Erstattung sämtlicher Beträge geltend gemacht wird, die an die betreffende Person als Ersatz für den bei einem Verkehrsunfall erlittenen Schaden gezahlt wurden, unter dem Vorwand, falsche Angaben des Versicherungsnehmers zur Identität des gewöhnlichen Fahrers des betreffenden Fahrzeugs zu ahnden, hat dies in der Praxis zur Folge, dass dieser Person der Schutz, den die Richtlinie 2009/103 den bei solchen Unfällen Geschädigten gewährt, endgültig und unverhältnismäßig entzogen wird.

111.

Unter diesen Umständen ist auf den zweiten Teil der Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 3 und 13 der Richtlinie 2009/103 dahin auszulegen sind, dass sie auch einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es dem Versicherer gestattet, den geschädigten Mitfahrer, wenn dieser zugleich der Versicherungsnehmer ist, im Wege eines auf vorsätzlich falsche Angaben dieses Versicherungsnehmers in Bezug auf den gewöhnlichen Fahrer des betreffenden Fahrzeugs gestützten Rückgriffs auf Erstattung sämtlicher Beträge, die er diesem geschädigten Mitfahrer in Erfüllung dieses Vertrags gezahlt hat, in Anspruch zu nehmen.

V. Ergebnis

112.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) wie folgt zu beantworten:

Die Art. 3 und 13 der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht

sind dahin auszulegen, dass

sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es erlaubt, dem geschädigten Mitfahrer, wenn dieser zugleich der Versicherungsnehmer ist, die Nichtigkeit des Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrags entgegenzuhalten, die sich aus vorsätzlich falschen Angaben dieses Versicherungsnehmers in Bezug auf den gewöhnlichen Fahrer des betreffenden Fahrzeugs ergibt;

sie auch einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es dem Versicherer gestattet, den geschädigten Mitfahrer, wenn dieser zugleich der Versicherungsnehmer ist, im Wege eines auf vorsätzlich falsche Angaben dieses Versicherungsnehmers in Bezug auf den gewöhnlichen Fahrer des betreffenden Fahrzeugs gestützten Rückgriffs auf Erstattung sämtlicher Beträge, die er diesem geschädigten Mitfahrer in Erfüllung dieses Vertrags gezahlt hat, in Anspruch zu nehmen.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Urteil vom 20. Juli 2017 (C‑287/16, EU:C:2017:575).

( 3 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. 2009, L 263, S. 11).

( 4 ) Es ist festzustellen, dass die Identität der anderen Personen als PQ, die in die Kategorie der Opfer fallen, in der Vorlageentscheidung nicht klar angegeben ist. Man könnte davon ausgehen, dass MAAF unter den Umständen des Ausgangsverfahrens in diese Kategorie fällt, da aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervorgeht, dass diese Gesellschaft für das zweite am Unfall vom 28. September 2013 beteiligte Fahrzeug Versicherungsschutz gewährt hat (vgl. Rn. 2 der Vorlageentscheidung, wonach „[in den] Unfall … auch ein anderes Fahrzeug verwickelt war, das bei … MAAF versichert war“). Wenn MAAF eine bei diesem Unfall geschädigte Person entschädigte, erklärte sich ihre Beteiligung am Verfahren damit, dass die Ansprüche dieser Person auf sie übergegangen sind und sie sich gegen den Unfallverursacher auf sie berufen kann.

( 5 ) Art. R. 211‑13 des Versicherungsgesetzbuchs ist zwar im Vorabentscheidungsersuchen nicht wiedergegeben, er ist jedoch in den schriftlichen Erklärungen der Europäischen Kommission enthalten. Im Wesentlichen werden in diesem Artikel mehrere Instrumente des Versicherungsrechts genannt, die die Haftung des Versicherers begrenzen sollen, wie z. B. die Selbstbeteiligung, die den Geschädigten oder deren Rechtsnachfolgern nicht entgegengehalten werden können. Außerdem sieht dieser Artikel vor, dass in den diese Instrumente, die diesen Personen nicht entgegengehalten werden können, betreffenden Fällen „der Versicherer die Entschädigung für Rechnung des Haftenden zahlt“ und dass „[der Versicherer] gegen [den Haftenden] eine Klage auf Erstattung aller Beträge erheben kann, die er auf diese Weise an seiner Stelle gezahlt oder zurückgestellt hat“.

( 6 ) Urteil der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) vom 29. August 2019, 2. Zivilkammer, Rechtsmittel Nr. 18‑14.768.

( 7 ) Vgl. u. a. Urteil vom 16. Dezember 2008, Cartesio (C‑210/06, EU:C:2008:723, Rn. 67).

( 8 ) Vgl. jüngst Beschluss vom 13. Oktober 2021, Liberty Seguros (C‑375/20, im Folgenden: Beschluss Liberty Seguros, EU:C:2021:861, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 9 ) Vgl. zur Veranschaulichung Urteil vom 14. Dezember 2023, Sparkasse Südpfalz (C‑206/22, EU:C:2023:984, Rn. 19 bis 24).

( 10 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Juli 2017, Fidelidade-Companhia de Seguros (C‑287/16, EU:C:2017:575, Rn. 31), und Beschluss Liberty Seguros (Rn. 64).

( 11 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Juli 2017, Fidelidade-Companhia de Seguros (C‑287/16, EU:C:2017:575, Rn. 32), und Beschluss Liberty Seguros (Rn. 65).

( 12 ) Vgl. jüngst Urteil vom 12. Oktober 2023, KBC Verzekeringen (C‑286/22, EU:C:2023:767, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 13 ) Vgl. jüngst Beschluss Liberty Seguros (Rn. 56). Vgl. auch Urteil des EFTA‑Gerichtshofs vom 14. Juni 2001, Helgadóttir (E‑7/00, EFTA Court Report 2000–2001, Rn. 30).

( 14 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juni 2021, Van Ameyde España (C‑923/19, EU:C:2021:475, Rn. 23).

( 15 ) Vgl. in diesem Sinne Beschluss Liberty Seguros (Rn. 62).

( 16 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Oktober 2013, Drozdovs (C‑277/12, EU:C:2013:685, Rn. 42), vom 15. Dezember 2022, HUK-COBURG-Allgemeine Versicherung (C‑577/21, EU:C:2022:992, Rn. 41), und vom 10. Juni 2021, Van Ameyde España (C‑923/19, EU:C:2021:475, Rn. 42).

( 17 ) Vgl. in diesem Sinne Beschluss Liberty Seguros (Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 18 ) Vgl. Urteil vom 30. Juni 2005, Candolin u. a. (C‑537/03, EU:C:2005:417, Rn. 27, 32 und 33).

( 19 ) Siehe Nr. 41 der vorliegenden Schlussanträge.

( 20 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi in der Rechtssache Churchill Insurance Company und Evans (C‑442/10, EU:C:2011:548, Nr. 23).

( 21 ) Vgl. Urteil vom 14. September 2017, Delgado Mendes (C‑503/16, EU:C:2017:681, Rn. 44).

( 22 ) Siehe Nr. 45 der vorliegenden Schlussanträge.

( 23 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Juli 2017, Fidelidade-Companhia de Seguros (C‑287/16, EU:C:2017:575, Rn. 27).

( 24 ) Vgl. Beschluss Liberty Seguros (Rn. 70).

( 25 ) Zu dieser Unterscheidung, die mit nahezu demselben Wortlaut wie in dieser Passage beschrieben wird, vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro in der Rechtssache Halifax u. a. (C‑255/02, EU:C:2005:200, Nr. 63).

( 26 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juli 2016, Kratzer (C‑423/15, EU:C:2016:604, Rn. 42).

( 27 ) Vgl. Urteil vom 26. Februar 2019, N Luxembourg 1 u. a. (C‑115/16, C‑118/16, C‑119/16 und C‑299/16, EU:C:2019:134, Rn. 126).

( 28 ) Vgl. jüngst Urteil vom 21. Dezember 2023, BMW Bank u. a. (C‑38/21, C‑47/21 und C‑232/21, EU:C:2023:1014, Rn. 285).

( 29 ) Vgl. in diesem Sinne Butler, G., Sørensen, K. E., „The prohibition of abuse of EU law: a special general principle“, in Ziegler, K. S., Neuvonen, P. J., Moreno-Lax, V., Research Handbook on General Principles in EU law, Edward Elgar Publishing, Cheltenham – Northampton 2022, S. 415.

( 30 ) Siehe Nr. 43 der vorliegenden Schlussanträge.

( 31 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2018, BTA Baltic Insurance Company (C‑648/17, EU:C:2018:917, Rn. 46).

( 32 ) Vgl. jüngst Urteil vom 21. Dezember 2023, BMW Bank u. a. (C‑38/21, C‑47/21 und C‑232/21, EU:C:2023:1014, Rn. 285).

( 33 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juli 2016, Kratzer (C‑423/15, EU:C:2016:604, Rn. 40).

( 34 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. April 2006, Agip Petroli (C‑456/04, EU:C:2006:241, Rn. 23), und vom 8. Juni 2017, Vinyls Italia (C‑54/16, EU:C:2017:433, Rn. 52).

( 35 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2014, SICES u. a. (C‑155/13, EU:C:2014:145, Rn. 34).

( 36 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Februar 2018, Altun u. a. (C‑359/16, EU:C:2018:63, Rn. 56), und vom 26. Februar 2019, T Danmark und Y Denmark (C‑116/16 und C‑117/16, EU:C:2019:135, Rn. 99).

( 37 ) Vgl. Szpunar, M., „Quelques remarques générales sur le concept de l’abus de droit en droit de l’Union“, La Cour de justice de l’Union européenne sous la présidence de Vassilios Skouris (2003–2015): liber amicorum Vassilios Skouris, Bruylant, Brüssel 2015, S. 623 bis 632.

( 38 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. März 2000, Diamantis (C‑373/97, EU:C:2000:150, Rn. 34).

( 39 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Mai 1998, Kefalas u. a. (C‑367/96, EU:C:1998:222, Rn. 22).

( 40 ) Siehe Nr. 35 der vorliegenden Schlussanträge.

( 41 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Juli 2017, Fidelidade-Companhia de Seguros (C‑287/16, EU:C:2017:575, Rn. 35), und Beschluss Liberty Seguros (Rn. 69).

( 42 ) Siehe Nr. 56 der vorliegenden Schlussanträge.

( 43 ) Siehe Nr. 77 der vorliegenden Schlussanträge.

( 44 ) Siehe Nr. 84 der vorliegenden Schlussanträge.

( 45 ) Vgl. in diesem Sinne auch Pokrzywniak, J., „How far shall the protection of a traffic accident victim go under motor third party liability insurance?“, Wiadomości Ubezpieczeniowe, 2024, Nr. 1, S. 31.

( 46 ) Urteil vom 1. Dezember 2011 (C‑442/10, EU:C:2011:799).

( 47 ) Vgl. Urteil vom 1. Dezember 2011, Churchill Insurance Company und Evans (C‑442/10, EU:C:2011:799, Rn. 21).

( 48 ) Vgl. Urteil vom 1. Dezember 2011, Churchill Insurance Company und Evans (C‑442/10, EU:C:2011:799, Rn. 20 und 23).

( 49 ) Vgl. Urteil vom 1. Dezember 2011, Churchill Insurance Company und Evans (C‑442/10, EU:C:2011:799, Rn. 24).

( 50 ) Urteil vom 1. Dezember 2011 (C‑442/10, EU:C:2011:799).

( 51 ) Beschluss vom 9. Januar 2024 (C‑387/23, EU:C:2024:2, Rn. 24).

( 52 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Oktober 2012, Marques Almeida (C‑300/10, EU:C:2012:656, Rn. 34).

( 53 ) Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass in bestimmten Ausnahmefällen auch die Bestimmungen der nationalen Regelung über die Haftpflicht die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 2009/103 beeinträchtigen können. Der Gerichtshof scheint nämlich auch solche nationalen Bestimmungen im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit der praktischen Wirksamkeit dieser Richtlinie zu prüfen. Vgl. zur Veranschaulichung Urteil vom 15. Dezember 2022, HUK-COBURG-Allgemeine Versicherung (C‑577/21, EU:C:2022:992, Rn. 45 bis 49). Vgl. auch Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 14. Juni 2001, Helgadóttir (E‑7/00, EFTA Court Report 2000–2001, Rn. 31).

( 54 ) Vgl. Urteil vom 10. Juni 2021, Van Ameyde España (C‑923/19, EU:C:2021:475, Rn. 44).

( 55 ) Siehe Nr. 89 der vorliegenden Schlussanträge.

( 56 ) Urteil vom 28. März 1996 (C‑129/94, EU:C:1996:143, Rn. 24).

( 57 ) Urteil vom 28. März 1996 (C‑129/94, EU:C:1996:143).

( 58 ) Vgl. Urteil vom 28. März 1996, Ruiz Bernáldez (C‑129/94, EU:C:1996:143, Rn. 23).

( 59 ) Vgl. Urteil vom 28. März 1996, Ruiz Bernáldez (C‑129/94, EU:C:1996:143, Rn. 24).

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