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Document 62023CC0040

    Schlussanträge des Generalanwalts M. Campos Sánchez-Bordona vom 22. Februar 2024.
    Europäische Kommission gegen Königreich der Niederlande.
    Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Gesetz über das Verbot der Verwendung von Kohle für die Stromerzeugung – Vorzeitige Stilllegung eines Kohlekraftwerks – Gewährung einer Entschädigung – Beschluss, mit dem die Maßnahme für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird, ohne darüber zu entscheiden, ob eine staatliche Beihilfe vorliegt – Ausübung der Zuständigkeit der Europäischen Kommission.
    Rechtssache C-40/23 P.

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2024:153

     SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

    vom 22. Februar 2024 ( 1 )

    Rechtssache C‑40/23 P

    Europäische Kommission

    gegen

    Königreich der Niederlande

    „Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Art. 107 und 108 AEUV – Verordnung (EU) 2015/1589 – Art. 4 Abs. 3 – Feststellung der Vereinbarkeit einer Maßnahme mit dem Binnenmarkt, die nicht als staatliche Beihilfe eingestuft wurde – Grundsatz der Rechtssicherheit“

    1.

    Mit diesem Rechtsmittel wendet sich die Europäische Kommission gegen das Urteil des Gerichts vom 16. November 2022, Königreich der Niederlande/Kommission ( 2 ), mit dem der Beschluss C(2020) 2998 final ( 3 ) für nichtig erklärt wurde.

    2.

    Nach Ansicht des Gerichts hat die Kommission ihre Befugnisse überschritten, indem sie in diesem Beschluss die Vereinbarkeit einer Maßnahme mit dem Binnenmarkt festgestellt hat, die sie nicht zuvor als „Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuft hatte.

    3.

    Der Streit zwischen der Kommission und der niederländischen Regierung gibt dem Gerichtshof erstmals (sofern ich mich nicht irre) die Gelegenheit, sich zu einer Frage zu äußern, die für das in den Art. 107 und 108 AEUV vorgesehene und durch die Verordnung (EU) 2015/1589 ( 4 ) näher ausgestaltete System der Kontrolle staatlicher Beihilfen von Bedeutung ist.

    I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

    4.

    Die Vorgeschichte des Rechtsstreits wird in den Rn. 2 bis 18 des angefochtenen Urteils dargestellt und lässt sich wie folgt zusammenfassen:

    Am 27. März 2019 übermittelten die niederländischen Behörden der Kommission gemäß der Richtlinie (EU) 2015/1535 ( 5 ) den Entwurf eines Gesetzes über das Verbot der Verwendung von Kohle für die Stromerzeugung.

    Der Gesetzesentwurf, über den die Kommission nicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV unterrichtet wurde, hatte eine Verringerung der Kohlendioxid- bzw. CO2-Emissionen zum Ziel. Er sah die Möglichkeit vor, den Schaden eines Kohlekraftwerks auszugleichen, das gegenüber anderen Kraftwerken durch das Verbot des Einsatzes von Kohle zur Stromerzeugung in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigt wurde.

    Nach der Übermittlung des Gesetzesentwurfs gemäß der Richtlinie 2015/1535 begann die Kommission von sich aus mit der Prüfung der Informationen im Hinblick auf eine mutmaßliche Beihilfe.

    Die Kommission ersuchte die niederländischen Behörden um bestimmte Auskünfte, und diese gaben in ihren Antworten wiederholt an, dass die gesetzlich vorgesehene Entschädigung keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle.

    Das Gesetz wurde am 11. Dezember 2019 erlassen und trat am 20. Dezember 2019 in Kraft. Zu diesem Zeitpunkt gab es in den Niederlanden fünf Kohlekraftwerke ( 6 ).

    Da das Kraftwerk Hemweg 8 aufgrund seiner Merkmale ( 7 ) nicht in den Genuss des den vier anderen Kraftwerken eingeräumten Übergangszeitraums von fünf bis zehn Jahren kommen konnte und Ende 2019 geschlossen werden musste, erhielt sein Betreiber (Vattenfall) vom niederländischen Minister für Wirtschaft und Klima eine Entschädigung in Höhe von 52,5 Mio. Euro.

    Am 12. Mai 2020 erließ die Kommission den Beschluss, mit dem sie die Maßnahme zur Entschädigung von Vattenfall wegen der Schließung von Hemweg 8 gemäß Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärte.

    In Rn. 48 des Beschlusses kam die Kommission im Hinblick auf das mögliche Vorliegen einer staatlichen Beihilfe zu dem Ergebnis, dass „angesichts der von den niederländischen Behörden vorgelegten Informationen nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden [könne], dass in dieser Sache ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung in Höhe von 52,5 Mio. Euro besteh[e]“. Aus diesem Umstand folgerte die Kommission, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass die fragliche Maßnahme „eine staatliche Beihilfe an das betreffende Unternehmen darstell[e]“.

    In Rn. 49 des Beschlusses vertrat die Kommission die Auffassung, dass „im vorliegenden Fall jedoch keine abschließenden Schlussfolgerungen in Bezug auf die Frage zu ziehen [seien], ob die Maßnahme dem Betreiber einen Vorteil verschaff[e] und daher eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstell[e], da selbst bei Vorliegen einer staatlichen Beihilfe davon auszugehen [sei], dass die Maßnahme mit dem Binnenmarkt vereinbar [sei]“ ( 8 ).

    II. Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

    5.

    Am 27. Juli 2020 focht das Königreich der Niederlande den Beschluss vor dem Gericht an.

    6.

    Das Königreich der Niederlande stützte seine Klage auf fünf Klagegründe:

    Die ersten drei Klagegründe wurden „für den Fall geltend gemacht, dass der angefochtene Beschluss dahin zu verstehen sein sollte, dass er zwangsläufig die Einstufung der in Rede stehenden Maßnahme als Beihilfe impliziert“ ( 9 ).

    Der vierte und der fünfte Klagegrund richteten sich „gegen den angefochtenen Beschluss, soweit darin nicht entschieden wird, ob die fragliche Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstellt“ ( 10 ). Mit ihnen wurde geltend gemacht: a) die fehlende Befugnis der Kommission, eine Maßnahme nach Art. 107 Abs. 3 AEUV für mit dem Binnenmarkt vereinbar zu erklären, ohne sie zuvor als staatliche Beihilfe eingestuft zu haben; und b) ein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit.

    7.

    Das Gericht hat die letzten beiden Klagegründe für begründet erachtet und den Beschluss für nichtig erklärt.

    8.

    Dem vierten Klagegrund ist das Gericht im Wesentlichen aus folgenden Gründen gefolgt:

    „Die Verwendung des Begriffs ‚Beihilfe‘ in Art. 107 Abs. 3 AEUV impliziert, dass die Vereinbarkeit einer nationalen Maßnahme mit dem Binnenmarkt erst geprüft werden kann, nachdem diese Maßnahme als Beihilfe eingestuft worden ist.“ ( 11 )

    „Wenn die Kommission nach Abschluss der Vorprüfungsphase nicht die Überzeugung gewinnen kann, dass eine staatliche Maßnahme keine ‚Beihilfe‘ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt oder dass sie, wenn sie als Beihilfe eingestuft wird, mit dem Vertrag vereinbar ist, oder wenn dieses Verfahren es ihr nicht erlaubt hat, alle Schwierigkeiten hinsichtlich der Beurteilung der Vertragskonformität der betroffenen Maßnahme auszuräumen, ist sie nach ständiger Rechtsprechung … verpflichtet, das Verfahren gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV zu eröffnen, ohne hierbei über einen Ermessensspielraum zu verfügen“ ( 12 ).

    „[N]ur eine Maßnahme, die in den Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV fällt, also eine als staatliche Beihilfe eingestufte Maßnahme, [kann] von der Kommission als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden …“ ( 13 )

    Diese Schlussfolgerung werde durch Art. 4 der Verordnung 2015/1589 in seiner Auslegung durch den Gerichtshof bestätigt.

    Aus dem Vorstehenden ergebe sich, dass „Art. 4 der Verordnung 2015/1589, der im vorliegenden Fall gemäß deren Art. 15 Abs. 1 … anwendbar ist, … eine abschließende Liste der Beschlüsse enthält, die die Kommission nach Abschluss der Vorprüfung der in Rede stehenden nationalen Maßnahme erlassen kann. Diese Bestimmung umfasst nicht die Möglichkeit, einen Beschluss zu erlassen, mit dem eine nationale Maßnahme für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird, ohne dass die Kommission zuvor über die Einstufung dieser Maßnahme als staatliche Beihilfe entschieden hat.“ ( 14 )

    Im vorliegenden Fall „steht … fest, dass die Kommission Zweifel an der Einstufung der in Rede stehenden Maßnahme als Beihilfe hatte …, so dass sie … beschlossen hat, diese Frage im angefochtenen Beschluss nicht zu entscheiden, gleichzeitig aber festzustellen, dass die in Rede stehende Maßnahme mit dem Binnenmarkt vereinbar sei“. Folglich „hat die Kommission einen Beschluss erlassen, der sowohl gegen Art. 107 Abs. 3 AEUV als auch gegen Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589 verstößt“ ( 15 ).

    Letztlich „hat sie dadurch, dass sie im angefochtenen Beschluss die in Rede stehende Maßnahme als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen hat, ohne vorab zu entscheiden, ob eine solche Maßnahme eine Beihilfe darstellt, ihre Befugnisse überschritten“ ( 16 ).

    9.

    Was den Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit anbelangt, hat das Gericht den fünften Klagegrund aus folgenden Gründen für begründet erachtet:

    „[D]ie Kommission [hat] im angefochtenen Beschluss die in Rede stehende Maßnahme für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt … Es erfolgte jedoch keine Einstufung dieser Maßnahme, obwohl … dies eine notwendige Voraussetzung für die Prüfung der Vereinbarkeit dieser Maßnahme mit dem Binnenmarkt darstellt.“ ( 17 )

    „Für den Fall, dass Wettbewerber von Vattenfall vor den nationalen Gerichten die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Maßnahme in Frage stellen sollten und diese sie als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV einstu[fen], ergäbe sich daraus wegen fehlender Anmeldung der in Rede stehenden Maßnahme bei der Kommission ein Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV und müsste das Königreich der Niederlande von Vattenfall für die Dauer der Rechtswidrigkeit Zinsen verlangen.“ ( 18 )

    „[D]ie fehlende Einstufung der in Rede stehenden Maßnahme [hat] für das Königreich der Niederlande hinsichtlich der Gewährung einer neuen Beihilfe nach den Vorschriften über die Kumulierung von Beihilfen … zu einer unsicheren Situation geführt.“ ( 19 )

    „Es kann daher im Ergebnis nicht festgestellt werden, dass es dem Königreich der Niederlande als Adressat des angefochtenen Beschlusses möglich ist, auf der Grundlage dieses Beschlusses seine Rechte und Pflichten genau zu kennen und entsprechend zu handeln.“ ( 20 )

    „Unter diesen Umständen ist zu urteilen, dass die Kommission dadurch, dass sie nicht entschieden hat, ob die in Rede stehende Maßnahme als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV einzustufen ist, gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen hat.“ ( 21 )

    III. Das Rechtsmittel und das Verfahren vor dem Gerichtshof

    10.

    In ihrer Rechtsmittelschrift, die am 26. Januar 2023 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, beantragt die Kommission:

    das angefochtene Urteil aufzuheben;

    den vierten und den fünften im Verfahren vor dem Gericht geltend gemachten Klagegrund zurückzuweisen;

    von der Befugnis aus Art. 61 Abs. 1 Satz 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union Gebrauch zu machen, selbst über die Sache zu entscheiden, und die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen;

    dem Königreich der Niederlande die Kosten aufzuerlegen.

    11.

    Die Kommission stützt ihr Rechtsmittel auf einen einzigen, aus zwei Teilen bestehenden Rechtsmittelgrund. Darin macht sie geltend: a) die falsche Auslegung von Art. 107 Abs. 3 AEUV und Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589; und b) einen Rechtsfehler bei der Auslegung des Grundsatzes der Rechtssicherheit.

    12.

    Für den Fall, dass das angefochtene Urteil aufgehoben wird, beantragt die Kommission, die ersten drei Klagegründe für unzulässig oder zumindest für unbegründet zu erklären und den vierten und fünften Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

    13.

    Die niederländische Regierung beantragt, die Klage abzuweisen und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

    14.

    Erwiderung und die Gegenerwiderung sind eingereicht worden.

    IV. Würdigung

    A.   Erster Teil des Rechtsmittelgrundes: falsche Auslegung von Art. 107 Abs. 3 AEUV und Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589

    1. Vorbringen der Kommission und des Königreichs der Niederlande

    15.

    Die Kommission macht geltend, das angefochtene Urteil stütze sich auf eine zu enge Auslegung von Art. 107 Abs. 3 AEUV und Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589, soweit darin festgestellt werde, dass sie nicht befugt sei, den Beschluss zu erlassen.

    16.

    Die Kommission führt aus:

    Das Gericht gehe von der (unzutreffenden) Prämisse aus, dass ihre Befugnis ausdrücklich in einer spezifischen Bestimmung der Verordnung 2015/1589 vorgesehen sein müsse.

    Die Auslegung der angeführten Bestimmungen im Licht ihrer Ziele bestätige, dass keine dieser Bestimmungen die vorherige Einstufung einer Maßnahme als staatliche Beihilfe verlange, um über ihre Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt entscheiden zu können.

    Stattdessen seien mit der vom Gericht vertretenen Auslegung all die Nachteile verbunden, die sich aus der Unsicherheit ergäben, die mit einem unnötigerweise langwierigen Verfahren einhergehe, wenn die Unvereinbarkeit einer Maßnahme mit dem Binnenmarkt von vornherein ausgeschlossen werden könne.

    17.

    Die niederländische Regierung sieht das Urteil als richtig an. Sie trägt vor:

    Der Begriff der „Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV sei für die Befugnisse der Kommission maßgeblich. Nach der Rechtsprechung müsse die Kommission zuerst prüfen, ob eine staatliche Beihilfe vorliege, und danach, ob diese mit dem Binnenmarkt vereinbar sei.

    In bestimmten Situationen könne es einfacher sein, festzustellen, ob eine Maßnahme mit dem Binnenmarkt vereinbar sei, als festzustellen, ob sie eine staatliche Beihilfe darstelle. Gleichwohl dürfe die Kommission die Unvereinbarkeit nur verneinen, wenn zwischen dem Mitgliedstaat und der Kommission hinsichtlich der Einstufung der fraglichen Maßnahme als staatliche Beihilfe keine unterschiedlichen Auffassungen bestünden.

    Da es im vorliegenden Fall über diese Frage einen Rechtsstreit gebe und die in Rede stehende Maßnahme nicht angemeldet worden sei, dürfe die Kommission als Hüterin der Verträge nicht auf die Prüfung eines wesentlichen Elements der Regelung über staatliche Beihilfen verzichten.

    2. Würdigung

    18.

    Das Problem, das dieser erste Teil des Rechtsmittelgrundes aufwirft, wirkt zwar grundsätzlich seiner Beschreibung nach einfach, aber seine Lösung ist komplex und erfordert Fingerspitzengefühl.

    19.

    Ich möchte vorausschicken, dass das Gericht meines Erachtens zu Unrecht in einem Beschluss der Kommission eine „Überschreitung von Befugnissen“ ( 22 ) gesehen hat, in dem die Kommission gerade die ihr nach den Art. 107 und 108 AEUV sowie nach der Verordnung 2015/1589 eingeräumten Befugnisse ausübt.

    20.

    Nach der Auffassung des Gerichts ist die Kommission in keinem Fall befugt, einen Beschluss zu erlassen, mit dem die Vereinbarkeit einer staatlichen Maßnahme mit dem Binnenmarkt festgestellt wird, wenn die Kommission die Maßnahme nicht zuvor als staatliche Beihilfe eingestuft hat.

    21.

    Meines Erachtens ist diese Auffassung mit einem Rechtsfehler behaftet, der richtig gestellt werden muss ( 23 ).

    22.

    Zu den der Kommission durch die Art. 107 und 108 AEUV übertragenen Befugnissen gehört die Befugnis, ein (nach Art. 4 der Verordnung 2015/1589 eingeleitetes) Vorprüfungsverfahren abzuschließen, ohne Einwände gegen die geprüfte nationale Maßnahme zu erheben. Das ist hier geschehen.

    23.

    Eine andere Frage ist, ob ein bestimmter Beschluss, der insoweit ergeht, einen (nicht in einer fehlenden Befugnis liegenden) Fehler aufweist, der zu seiner Unwirksamkeit führt, wenn Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV auf eine geprüfte Maßnahme angewandt wird, ohne dass zuvor deren Beihilfecharakter festgestellt worden ist ( 24 ).

    24.

    Lässt man also den Aspekt der Befugnis der Kommission beiseite, muss im Mittelpunkt des vorliegenden Rechtsmittels die Frage stehen, ob das System der Kontrolle staatlicher Beihilfen (Art. 107 und 108 AEUV und die Verordnung 2015/1589) eng auszulegen ist oder ob vielmehr die Möglichkeit besteht, der Auffassung der Kommission zu folgen. Die Kommission schlägt ein teleologisches und funktionales Verständnis der Aufgaben vor, mit denen sie als Garant für den Wettbewerb im Bereich des Binnenmarkts betraut ist.

    25.

    Es gibt zwar einige durchaus fundierte Argumente, die für eine enge Auslegung sprechen, wie sie vom Gericht und im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels von der niederländischen Regierung vertreten worden ist.

    26.

    Meines Erachtens könnte sich jedoch in Fällen wie dem vorliegenden eine korrigierte Auslegung der anwendbaren Bestimmungen aufdrängen, bei der ihr Wortlaut eine teleologische Prägung erfährt, was im Ergebnis dazu führt, dass der Beschluss als rechtmäßig anzusehen ist.

    27.

    Ich werde zunächst auf die Auslegung eingehen, die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegt.

    a) Enge Auslegung

    28.

    In einer ersten Annäherung hat das Gericht die Art. 107 und 108 AEUV in einer logischen Reihenfolge ausgelegt:

    Zuerst müsse geprüft werden, ob die Maßnahme eine „Beihilfe“ darstelle, also ob öffentliche Mittel oder Vorteile, die einem Unternehmen oder einem Produktionszweig gewährt würden, nicht auf einem anderen Grund beruhten als der Absicht, eine Hilfe oder einen Vorteil zu gewähren ( 25 ).

    Falls die Kommission Zweifel an der Einstufung der geprüften Maßnahme als „Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV habe, müsse sie das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV einleiten.

    29.

    Dieselbe Reihenfolge könne man aus Art. 4 der Verordnung 2015/1589 ableiten, der angemeldete Beihilfen betreffe ( 26 ). Wie das Gericht ausgeführt hat ( 27 ), bestätigten die Vorgaben in diesem Artikel die Strukturierung der Prüfung staatlicher Beihilfen in zwei aufeinanderfolgende Phasen, die sich auf unterschiedliche Fragen bezögen:

    Die Kommission müsse zunächst „nach einer vorläufigen Prüfung“ feststellen, dass die von einem Mitgliedstaat geplante und angemeldete Maßnahme „keine Beihilfe darstellt“ (Abs. 2).

    „Stellt die Kommission nach einer vorläufigen Prüfung fest, dass die angemeldete Maßnahme, insoweit sie in den Anwendungsbereich des Artikels 107 Absatz 1 AEUV fällt, keinen Anlass zu Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gibt, so beschließt sie, dass die Maßnahme mit dem Binnenmarkt vereinbar ist (im Folgenden ‚Beschluss, keine Einwände zu erheben‘). In dem Beschluss wird angeführt, welche Ausnahmevorschrift des AEUV zur Anwendung gelangt ist“ (Abs. 3) ( 28 ).

    „Stellt die Kommission nach einer vorläufigen Prüfung fest, dass die angemeldete Maßnahme Anlass zu Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gibt, so beschließt sie, das Verfahren nach Artikel 108 Absatz 2 AEUV zu eröffnen …“ (Abs. 4).

    30.

    Aus den Art. 107 und 108 AEUV in Verbindung mit Art. 4 der Verordnung 2015/1589 ergebe sich somit, dass die Prüfung von Beihilfen ein Verfahren sei, in dem: a) zuerst das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe festgestellt werden müsse; und b) danach zu prüfen sei, ob diese Beihilfe, obwohl sie grundsätzlich rechtswidrig sei, mit dem Binnenmarkt vereinbar sei.

    31.

    Folgt man diesem Ansatz, auf den sich das angefochtene Urteil stützt, folgt daraus, dass die Kommission nicht über die Vereinbarkeit der in Rede stehenden Maßnahme mit dem Binnenmarkt entscheiden darf, ohne zuvor festgestellt zu haben, dass sie eine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt.

    32.

    Ich räume ein, dass diese Auslegung in den anzuwendenden Rechtsvorschriften eine solide Stütze findet. Wie ich im Folgenden darlegen werde, bin ich jedoch weder der Ansicht, dass diese Auslegung die einzig mögliche ist, noch, dass sie diejenige ist, die in diesem Fall herangezogen werden sollte. Auch wenn nicht wenige Urteile des Gerichtshofs für diese Auslegung zu sprechen scheinen, ist fraglich, ob diese Rechtsprechung auf Fälle wie den vorliegenden übertragen werden kann.

    b) Auslegung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs?

    33.

    Zunächst möchte ich klarstellen, dass der Gerichtshof der im angefochtenen Urteil vertretenen Lösung bislang (sofern ich mich nicht irre) in keiner seiner Entscheidungen, denen ähnliche Umstände wie im vorliegenden Fall zugrunde liegen, ausdrücklich gefolgt ist.

    34.

    Wie die Kommission ausführt ( 29 ), geht es in dem Teil des angeführten Urteils British Aggregates, auf den das Gericht in Rn. 54 des angefochtenen Urteils verwiesen hat, um den (erschöpfenden) Umfang der gerichtlichen Nachprüfung von Beurteilungen der Kommission in Bezug auf die Einstufung einer Maßnahme als staatliche Beihilfe. Dieses Urteil enthält keine Feststellungen zur Befugnis der Kommission, eine Maßnahme für mit dem Binnenmarkt vereinbar zu erklären, ohne zuvor zu klären, ob es sich um eine staatliche Beihilfe handelt ( 30 ).

    35.

    Gleiches gilt für das Urteil vom 24. Mai 2011, Kommission/Kronoply und Kronotex ( 31 ), dessen Rn. 43 und 44 in Rn. 58 des angefochtenen Urteils angeführt worden sind:

    Zum einen beschränken sich die angeführten Rn. 43 und 44 im Wesentlichen darauf, den Inhalt von Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 ( 32 ) wiederzugeben.

    Zum anderen hatte die Kommission in ihrem Beschluss in jener Rechtssache das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe bestätigt und nach der vorläufigen Prüfung der Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Binnenmarkt entschieden, keine Einwände zu erheben. In der Sache ging es um die Gesichtspunkte, auf die sich die Kommission gestützt hatte, um diese Vereinbarkeit festzustellen.

    36.

    In Wirklichkeit gibt es etliche Urteile des Gerichtshofs, in denen zwar festgestellt wird, dass die Einstufung einer Maßnahme als Beihilfe vor der Entscheidung über ihre Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt vorzunehmen ist. Es handelt sich jedoch um Ausführungen, die meines Erachtens inzident getroffen werden und für die Begründetheit der vom Gerichtshof im jeweiligen Einzelfall getroffenen Entscheidung nicht unbedingt relevant sind.

    37.

    Beispielsweise heißt es im Urteil vom 16. März 2021, Kommission/Polen ( 33 ): „Die Kommission muss das förmliche Prüfverfahren einleiten, wenn sie im Anschluss an die in Art. 4 der Verordnung 2015/1589 geregelte vorläufige Prüfung nicht zu der Überzeugung gelangen konnte, dass die angemeldete Maßnahme mit dem Binnenmarkt vereinbar ist. Das Gleiche gilt, wenn die Kommission weiterhin Zweifel hat, ob diese Maßnahme überhaupt als ‚Beihilfe‘ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV einzustufen ist“ ( 34 ).

    38.

    Gegenstand dieses Urteils waren jedoch zwei Klagen gegen die Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens durch die Kommission und gegen den späteren Beschluss, mit dem die fragliche steuerliche Maßnahme als mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe eingestuft wurde.

    39.

    Im Urteil vom 24. November 2020, Viasat Broadcasting UK ( 35 ), hat der Gerichtshof festgestellt: „Die Frage, ob eine Maßnahme als staatliche Beihilfe einzustufen ist, ist der gegebenenfalls durchzuführenden Überprüfung vorgelagert, ob eine unvereinbare Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV gleichwohl für die Erfüllung der Aufgabe, die dem durch die fragliche Maßnahme Begünstigten übertragen wurde, nach Art. 106 Abs. 2 AEUV erforderlich ist … Bevor die Kommission eine Maßnahme gegebenenfalls anhand dieser Bestimmung überprüft, muss sie daher prüfen können, ob diese Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstellt …“ ( 36 )

    40.

    In dieser Klage ging es aber um die Frage, ob es eine Verpflichtung gibt, „für den Zeitraum Zinsen zu zahlen, in dem Beihilfemaßnahmen, die [dem Empfänger] zugutekamen, vor Erlass des endgültigen Beschlusses der Europäischen Kommission, mit dem diese Beihilfen für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wurden, rechtswidrig durchgeführt wurden“.

    41.

    Schließlich wird im Urteil vom 31. Januar 2023, Kommission/Braesch u. a. ( 37 ), ausgeführt, dass „die Kommission, wenn sie am Ende der Vorprüfungsphase nach Art. 108 Abs. 3 AEUV feststellt, dass die angemeldete Maßnahme eine ‚staatliche Beihilfe‘ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt, die keinen Anlass zu Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt gibt, einen Beschluss … erlässt, mit dem sie die Vereinbarkeit dieser Maßnahme mit dem Binnenmarkt nach Art. 107 Abs. 3 AEUV feststellt“.

    42.

    Auch bei jener Gelegenheit ist der Gerichtshof nicht auf das eingegangen, worum es hier geht. In dem jenem Rechtsstreit zugrunde liegenden Beschluss stellte die Kommission fest, dass bestimmte Maßnahmen „staatliche Beihilfen“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellten, die aus Gründen der Finanzstabilität im Sinne von Art. 107 Abs. 3 Buchst. b AEUV als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden könnten ( 38 ).

    43.

    Was frühere Entscheidungen des Gerichts anbelangt, unterstreicht die Kommission, dass das Gericht im Urteil vom 20. Juni 2019 ( 39 ) bestätigt habe, dass sie die Vereinbarkeit einer staatlichen Maßnahme mit dem Binnenmarkt beurteilen könne, „soweit eine Beihilfe vorläge“. Es habe daher bestätigt, dass die Maßnahme in einem Beschluss der Kommission für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden könne, ohne dass zuvor über die Einstufung dieser Maßnahme als Beihilfe entschieden worden sei ( 40 ).

    44.

    Über die im vorliegenden Verfahren aufgeworfene Frage hat der Gerichtshof bislang noch nicht entschieden (wie schon gesagt, sofern ich mich nicht irre), denn ihm wurde noch kein Fall vorgelegt, in dem die Befugnis der Kommission in Zweifel gezogen wurde, die Vereinbarkeit einer nicht zuvor als Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuften Maßnahme mit dem Binnenmarkt festzustellen.

    c) Integrierte und funktionale Auslegung

    45.

    Meines Erachtens kommt statt der soeben dargestellten eine alternative Auslegung in Betracht, wenn man davon ausgeht, dass die Zulässigkeit jeder staatlichen Beihilfe von der Entscheidung über ihre Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt abhängt.

    46.

    Betrachtet man die Umstände des vorliegenden Falles, so ist, wie ich nochmals betonen möchte, die entscheidende Frage nicht so sehr, ob die Kommission befugt ist, eine Maßnahme für mit dem Binnenmarkt vereinbar zu erklären, sondern vielmehr, unter welchen Voraussetzungen die Kommission die Maßnahme für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklären kann.

    47.

    Meines Erachtens ergibt sich aus den Art. 107 und 108 AEUV eine allgemeine Befugnis der Kommission, über die Unversehrtheit des Wettbewerbs im Binnenmarkt zu wachen. Diese Befugnis wurde ihr übertragen, um zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten den Wettbewerb nicht durch die Gewährung von Beihilfen, die aus staatlichen Mitteln finanziert werden, verfälschen oder zu verfälschen drohen ( 41 ).

    48.

    Art. 12 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 belegt das Bestehen dieser allgemeinen Befugnis, da es dort heißt: „[D]ie Kommission [kann] von Amts wegen Auskünfte über mutmaßliche rechtswidrige Beihilfen prüfen, ungeachtet der Herkunft dieser Auskünfte“ ( 42 ).

    49.

    Die in diesen Artikel aufgenommene Befugnis zeigt, dass der Kommission eine Pflicht zur aktiven Überwachung obliegt, um die Unversehrtheit des Wettbewerbs im Binnenmarkt zu gewährleisten. Diese Pflicht beschränkt sich nicht auf die Prüfung der von den Mitgliedstaaten angemeldeten Beihilfevorhaben oder der Beschwerden, die von Betroffenen an sie gerichtet werden können, sondern erstreckt sich allgemein auf alle öffentlichen Maßnahmen, die geeignet sind, den Wettbewerb im Binnenmarkt zu verfälschen.

    50.

    Im Licht dieser allgemeinen Überwachungspflicht bedeutet das Schweigen der Kommission zu einer bei ihr nicht angemeldeten Maßnahme, die weder Gegenstand der Beschwerde eines Betroffenen ist noch die Kommission – unabhängig davon, auf welchem Weg sie ihr zur Kenntnis gelangt ist –, veranlasst hat, aus eigener Initiative tätig zu werden, letztlich eine implizite Feststellung der Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt; mit anderen Worten, die Annahme, dass es sich nicht um eine Maßnahme handelt, die geeignet ist, den Wettbewerb zu verfälschen.

    51.

    In diesem Sinne möchte ich daran erinnern, dass eine Beihilfe nach Art. 4 Abs. 6 der Verordnung 2015/1589 als von der Kommission genehmigt gilt, wenn diese nicht innerhalb der in Abs. 5 dieses Artikels vorgesehenen Frist einen Beschluss nach dessen Abs. 2, 3 oder 4 erlässt. Mit anderen Worten gilt die Genehmigung als erteilt, ohne dass sich die Kommission ausdrücklich in dem einen oder dem anderen Sinne zum Beihilfecharakter der nationalen Maßnahme geäußert hat.

    52.

    Daher stimme ich der Kommission darin zu ( 43 ), dass es schwer nachzuvollziehen ist, warum etwas, das dieses Organ durch seine Untätigkeit bewirken kann (nämlich durch sein Schweigen die Maßnahme zu genehmigen, obwohl zuvor keine Entscheidung über ihren Beihilfecharakter getroffen wurde), nicht möglich sein soll, wenn dieses Organ ausdrücklich beschließt, keine Einwände gegen diese Maßnahme zu erheben, weil es sie für mit dem Binnenmarkt vereinbar hält, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine staatliche Beihilfe handelt oder nicht.

    53.

    Im Gegensatz zur Feststellung der Vereinbarkeit, die, wie ich nochmals unterstreichen möchte, nicht zwingend die vorherige Einstufung der geprüften Maßnahme als Beihilfe voraussetzt, kann die Kommission die Unvereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Binnenmarkt nur in bestimmten Fällen ausdrücklich feststellen: Gemäß Art. 107 AEUV kann sie diese konkrete Feststellung nach Durchführung der in Art. 108 AEUV vorgesehenen Verfahren in Bezug auf Maßnahmen treffen, die eine Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV Abs. 1 darstellen; genauer gesagt, in Bezug auf Maßnahmen, die der Definition des Begriffs der Beihilfe in allen Punkten entsprechen. Diese Maßnahmen sind anschließend aus dem Blickwinkel der Unvereinbarkeit mit dem Binnenmarkt ( 44 ) zu beurteilen.

    54.

    Folglich beschränkt sich die Kommission im vorliegenden Fall, wenn sie im Rahmen einer ersten Vorprüfung eindeutig ausschließt, dass die in Rede stehende Maßnahme mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist, darauf, ihre allgemeine Pflicht zu erfüllen, über die Unversehrtheit des Wettbewerbs zu wachen.

    55.

    Unabhängig davon, ob es sich um eine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV handelt oder nicht, war entscheidend, dass die in Rede stehende Maßnahme jedenfalls keine übermäßigen negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb ( 45 ) und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten hatte und zur Verwirklichung eines klar definierten Ziels von gemeinsamem Interesse (Schutz der Umwelt durch Verringerung der Schadstoffemissionen) beitrug.

    56.

    Wäre die Kommission zum gegenteiligen Ergebnis gekommen und hätte prima facie festgestellt, dass diese Maßnahme mit dem Binnenmarkt unvereinbar sein könnte, hätte sie das formelle Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV einleiten müssen. Im Rahmen dieses Verfahrens hätte sie, nachdem alle Gesichtspunkte geprüft wurden ( 46 ), entscheiden können, dass es sich um eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 AEUV Abs. 1 handelt, und gegebenenfalls deren Rechtswidrigkeit feststellen können.

    57.

    Darüber hinaus stimme ich mit der Kommission darin überein ( 47 ), dass Art. 107 AEUV keine Reihenfolge vorgibt, in der die Kommission die Prüfung vornehmen muss, ob eine nationale Maßnahme eine staatliche Beihilfe darstellt oder ob sie mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, um einen Beschluss wie den hier in Rede stehenden zu erlassen. Die vom Gericht vorgenommene Auslegung schränkt die Handlungsmöglichkeiten, die diese Bestimmung der Kommission einräumt, zu Unrecht ein.

    58.

    Abgesehen davon, dass dieser Ansatz der allgemeinen Befugnis der Kommission im Bereich des Schutzes des Binnenmarkts vor etwaigen Verzerrungen durch staatliche Beihilfen gerecht wird, passt er auf natürliche Weise zu den Anforderungen des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung, wie die Kommission selbst vorträgt.

    59.

    Es wäre nämlich kaum sinnvoll, die knappen Ressourcen eines Unionsorgans einzusetzen, um ein förmliches Prüfverfahren wie das Verfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV (das gelegentlich heikel und komplex ist) einzuleiten, nur um zu klären, ob eine Maßnahme als staatliche Beihilfe anzusehen ist, wenn nach einer strengen Vorprüfung ( 48 ) eindeutig ausgeschlossen werden kann, dass sie mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist, selbst wenn es sich um eine Beihilfe handeln sollte ( 49 ).

    60.

    Letztlich ist meines Erachtens dem ersten Teil des Rechtsmittelgrundes stattzugeben, da die Kommission zum Erlass des Beschlusses befugt war und der Beschluss nicht mit einem seine Wirksamkeit beeinträchtigenden Fehler behaftet ist, soweit er die in Rede stehende nationale Maßnahme für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt (und keine Einwände dagegen erhebt), unabhängig davon, ob sie als staatliche Beihilfe einzustufen ist oder nicht.

    B.   Zweiter Teil des Rechtsmittelgrundes

    1. Vorbringen der Kommission und des Königreichs der Niederlande

    61.

    Die Kommission rügt, dass das angefochtene Urteil einen Rechtsfehler bei der Auslegung des Grundsatzes der Rechtssicherheit aufweise. Sie stützt ihre Auffassung auf folgende Argumente:

    Der Beschluss, mit dem festgestellt werde, dass die in Rede stehende Maßnahme mit dem Binnenmarkt vereinbar sei, liege im Interesse der Rechtssicherheit. Insbesondere ergebe sich aus dem Beschluss eindeutig, dass die Kommission weder das förmliche Prüfverfahren eröffnen noch die Rückforderung der in Rede stehenden Entschädigung anordnen werde.

    Die Lösung des Gerichts hingegen laufe darauf hinaus, dass die Kommission in Fällen wie dem vorliegenden eine eingehende und komplexe Prüfung vornehmen müsse, um festzustellen, ob die Maßnahme eine Beihilfe darstelle, was die Rechtssicherheit nicht erhöhe, sondern verringere.

    Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ( 50 ) müsse die Kommission, wenn sie der Auffassung sei, dass eine Maßnahme mit dem Binnenmarkt vereinbar sei, den Mitgliedstaat davon in Kenntnis setzen, sei aber nicht verpflichtet, einen Beschluss zu erlassen, wenn sie im Laufe der vorläufigen Prüfung zu dem Schluss komme, dass das Verfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV nicht zu eröffnen sei.

    Wenn der Grundsatz der Rechtssicherheit nicht dadurch beeinträchtigt werde, dass die Kommission keinen Beschluss erlasse (und sich daher nicht zur Einstufung der Maßnahme als staatliche Beihilfe äußere), werde er folglich auch dann nicht beeinträchtigt, wenn die Kommission – wie im vorliegenden Fall – beschließe, keine Einwände zu erheben, weil die Maßnahme mit dem Binnenmarkt vereinbar sei (ohne sich zu ihrer Einstufung als staatliche Beihilfe zu äußern).

    Auch wenn die Kommission zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass keine staatliche Beihilfe vorliege, hätten die Wettbewerber die Möglichkeit gehabt, diese Feststellung zu anzufechten. Ebenso hätten sie die Zahlung von Zinsen für die Dauer der Rechtswidrigkeit verlangen können, auch wenn die Kommission die Maßnahme als staatliche Beihilfe eingestuft oder sie nicht geprüft hätte.

    Die Verordnung 2015/1589 verpflichte nicht zur Einleitung einer vorläufigen Prüfung einer nicht angemeldeten Maßnahme. Falls im vorliegenden Fall Rechtsunsicherheit bestehe, seien das Königreich der Niederlande und die entschädigte Gesellschaft dafür verantwortlich, die entschieden hätten, die Entschädigung zu zahlen bzw. anzunehmen, ohne sie bei der Kommission anzumelden.

    Die angeblich im Hinblick auf eine Kumulierung mit späteren Zahlungen eingetretene Unsicherheit sei rein hypothetisch und keineswegs überzeugend.

    Selbst wenn die Kommission vom Vorliegen einer staatlichen Beihilfe ausgegangen wäre, hätte sie entgegen den Ausführungen des Gerichts deren genaue Höhe nicht berechnen können.

    62.

    Die niederländische Regierung bleibt bei ihrer Auffassung, dass die Kommission zum Erlass des in Rede stehenden Beschlusses nicht befugt gewesen sei und damit gegen das Legalitätsprinzip verstoßen habe, was einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit impliziere. Sie führt weiter aus:

    Die Kommission habe die niederländische Regierung dadurch, dass sie sich nicht zum Vorliegen einer staatlichen Beihilfe geäußert habe, in eine unsichere Lage gebracht, da die Rechtslage und die Rechtsbeziehungen weder klar noch vorhersehbar seien. Es sei nicht nachvollziehbar, warum eine eingehende Prüfung der Frage die Rechtssicherheit verringere und nicht erhöhe, wenn nicht erläutert werde, aus welchem Grund diese Prüfung zwangsläufig langwierig und komplex sein müsse.

    Es sei unerheblich, dass zum jetzigen Zeitpunkt kein Verfahren vor einem nationalen Gericht eingeleitet worden sei, da die Möglichkeit, dass ein solches Verfahren eingeleitet werde, einer der Gründe sei, aus denen die Entscheidung gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoße.

    Die Kumulierung der Maßnahme mit späteren Zahlungen sei häufig hypothetisch, da es sich um ein zukünftiges Ereignis handele, aber entscheidend sei, dass diese Möglichkeit bestehe und von den Mitgliedstaaten berücksichtigt werden müsse.

    2. Würdigung

    63.

    Kommt man, wie ich vorschlage, zu dem Ergebnis, dass die Kommission befugt ist, eine Maßnahme, die sie zuvor nicht als Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuft hat, für mit dem Binnenmarkt vereinbar zu erklären, wäre der Beschluss im Einklang mit dem Legalitätsprinzip erlassen worden. Ebenso wäre der Grundsatz der Rechtssicherheit beachtet worden.

    64.

    Wenn die Kommission, wie ich ausgeführt habe, feststellen kann, dass eine aus staatlichen Mitteln finanzierte Maßnahme mit dem Binnenmarkt vereinbar ist (sie aber nicht, wie ich nochmals betonen möchte, für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklären kann, ohne sie zuvor als Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV einzustufen), so hat diese Feststellung in Wirklichkeit zur Folge, dass das Vorliegen einer unionsrechtlich unzulässigen Beihilfe verneint wird.

    65.

    Die Rechtswidrigkeit einer (hypothetischen) staatlichen Beihilfe hängt untrennbar davon ab, ob sie mit dem Binnenmarkt vereinbar ist oder nicht. Nur Beihilfen, die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen, weil sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen und darüber hinaus aus öffentlichen Mitteln stammen, sind mit dem Binnenmarkt unvereinbar und damit rechtswidrig.

    66.

    Die Feststellung, dass eine solche Maßnahme – unabhängig davon, ob es sich letztlich um eine staatliche Beihilfe handelt oder nicht – mit dem Binnenmarkt vereinbar ist, läuft folglich auf dasselbe hinaus wie festzustellen, dass die Maßnahme, sofern es sich um eine Beihilfe handelt, keine rechtswidrige Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt.

    67.

    Daher ergibt sich aus der Feststellung der Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt im Beschluss eine implizite Bestätigung, dass keine rechtswidrige Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt.

    68.

    Ausgehend von dieser Prämisse sehe ich keinen Grund, im vorliegenden Fall einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit anzunehmen.

    69.

    Erstens bestätigt der Beschluss dadurch, dass keine Einwände gegen die Maßnahme erhoben werden, ihre Zulässigkeit und mittelbar die Beurteilung der niederländischen Regierung, womit er den Weg für die aus unionsrechtlicher Sicht vorbehaltlose Durchführung der Maßnahme ebnet.

    70.

    Zweitens halte ich die Besorgnis in Bezug auf ein künftiges und hypothetisches nationales Urteil, in dem die Maßnahme, die die Kommission für mit dem Binnenmarkt vereinbar und damit für unionsrechtlich zulässig erklärt hat, als gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV verstoßende Beihilfe eingestuft wird, für unbegründet. Der Beschluss der Kommission mit diesem Inhalt kann von den nationalen Gerichten nicht überprüft werden.

    71.

    Das Gericht hat sich in Rn. 65 des angefochtenen Urteils der Auffassung der niederländischen Regierung angeschlossen, dass die Wettbewerber von Vattenfall ein Verfahren vor den nationalen Gerichten einleiten könnten, damit diese „[die in Rede stehende Maßnahme] als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV [einstufen]“. Wie ich jedoch soeben ausgeführt habe, steht der Beschluss der Kommission dieser Möglichkeit in der Sache entgegen.

    72.

    Drittens vermag ich auch nicht zu erkennen, dass sich in Bezug auf die künftige Kumulierung neuer Beihilfen später Probleme ergeben könnten, weil damit gegen die Vorschriften verstoßen würde, die die Berücksichtigung des Gesamtbetrags der erhaltenen Beihilfen vorschreiben oder diese Kumulierung auf bestimmte Grenzen beschränken ( 51 ).

    73.

    Der hypothetische Charakter dieses Einwandes zeigt sich u. a. darin, dass nicht ersichtlich ist, dass die niederländische Regierung (spätere) Entscheidungen, die sich aus der Anwendung des Gesetzes über das Verbot der Verwendung von Kohle für die Stromerzeugung ergeben haben, der Kommission förmlich mitgeteilt hat ( 52 ). Wenn dies der Fall ist, ist nicht nachvollziehbar, wie eine Kumulierung von unter diesem Gesichtspunkt gewährten Beihilfen nachträglich eintreten könnte.

    74.

    Im Ergebnis bin ich der Ansicht, dass auch diesem zweiten Teil des Rechtsmittelgrundes stattzugeben ist.

    C.   Endgültige Entscheidung des Rechtsstreits

    75.

    Wird dem Rechtsmittel stattgegeben, hat dies nach Art. 61 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Aufhebung des angefochtenen Urteils durch den Gerichtshof zur Folge, und dieser kann den Rechtsstreit, wenn er zur Entscheidung reif ist, selbst endgültig entscheiden.

    76.

    Meines Erachtens ist der Rechtsstreit zur endgültigen Entscheidung durch den Gerichtshof reif.

    77.

    Die ersten drei Klagegründe machte die niederländische Regierung vor dem Gericht für den Fall geltend, dass die in Rede stehende Maßnahme im Beschluss als staatliche Beihilfe eingestuft werde. Allerdings gehen diese drei Gründe von einer unzutreffenden Prämisse aus, wie das Gericht bestätigt hat, indem es sie nicht geprüft hat ( 53 ): Die Kommission äußert sich im Beschluss nicht zum Beihilfecharakter der Maßnahme, sondern beschränkt sich auf die Feststellung, dass die Maßnahme, selbst wenn sie eine staatliche Beihilfe wäre, mit dem Binnenmarkt vereinbar wäre.

    78.

    Der vierte und der fünfte Klagegrund wurden auf die fehlende Befugnis der Kommission zum Erlass des Beschlusses und auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit gestützt. Unter Berücksichtigung meiner vorstehenden Ausführungen haben diese beiden Klagegründe keinen Erfolg.

    79.

    Daher ist die Klage der niederländischen Regierung abzuweisen.

    D.   Kosten

    80.

    Gemäß Art. 184 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs sind die Kosten dem Königreich der Niederlande aufzuerlegen, da die Kommission dies beantragt hat.

    V. Ergebnis

    81.

    In Anbetracht des Vorstehenden schlage ich dem Gerichtshof vor,

    dem Rechtsmittel stattzugeben;

    das Urteil des Gerichts vom 16. November 2022, Königreich der Niederlande/Kommission (T‑469/20, EU:T:2022:713), aufzuheben;

    von der Befugnis aus Art. 61 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union Gebrauch zu machen, selbst über die Sache zu entscheiden, und die Nichtigkeitsklage des Königreichs der Niederlande als unbegründet abzuweisen;

    dem Königreich der Niederlande die Kosten aufzuerlegen.


    ( 1 ) Originalsprache: Spanisch.

    ( 2 ) Rechtssache T‑469/20, EU:T:2022:713. Im Folgenden: angefochtenes Urteil.

    ( 3 ) Beschluss der Kommission vom 12. Mai 2020 über die staatliche Beihilfe SA.54537 (2020/NN) – Niederlande, Verbot der Verwendung von Kohle für die Stromerzeugung in den Niederlanden (ABl. 2020, C 220, S. 2). Im Folgenden: Beschluss.

    ( 4 ) Verordnung des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 [AEUV] (kodifizierte Fassung) (ABl. 2015, L 248, S. 9).

    ( 5 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (kodifizierte Fassung) (ABl. 2015, L 241, S. 1).

    ( 6 ) Und zwar Amercentrale 9, Eemshaven A/B, Engie Maasvlakte, MPP3 und Hemweg 8.

    ( 7 ) In Rn. 10 des angefochtenen Urteils ist angegeben, dass Hemweg 8 weder Biomasse verbrannte noch erneuerbare Energie erzeugte und den niedrigsten Wirkungsgrad der fünf Kraftwerke aufwies.

    ( 8 ) In den Rn. 54 bis 87 des Beschlusses legte die Kommission ausführlich die Gründe dar, aus denen sie der Auffassung war, dass die in Rede stehende Maßnahme nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. In ihrer Erwiderung (Rn. 20) führt die Kommission aus: „Selbst wenn man unterstellt, dass die Zahlung an Vattenfall diesem Unternehmen einen Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV verschafft, wäre sie mit Art. 107 Abs. 3 Buchst. c vereinbar, da die Einstellung der Verwendung von Kohle im Kraftwerk Hemweg, vereinfacht gesagt, der Umwelt zugutekommt.“

    ( 9 ) Rn. 36 des angefochtenen Urteils. Der erste Klagegrund wurde auf einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV in Bezug auf das Vorliegen eines Vorteils gestützt; der zweite auf eine fehlerhafte Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV in Bezug auf die Beweislast; und der dritte auf einen Verstoß gegen die Begründungspflicht.

    ( 10 ) Rn. 36 des angefochtenen Urteils.

    ( 11 ) Rn. 53 des angefochtenen Urteils.

    ( 12 ) Rn. 54 des angefochtenen Urteils unter Anführung des Urteils vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission (C‑487/06 P, EU:C:2008:757, im Folgenden: Urteil British Aggregates/Kommission, Rn. 113).

    ( 13 ) Rn. 55 des angefochtenen Urteils.

    ( 14 ) Rn. 59 des angefochtenen Urteils.

    ( 15 ) Rn. 60 und 61 des angefochtenen Urteils.

    ( 16 ) Rn. 62 des angefochtenen Urteils.

    ( 17 ) Rn. 64 des angefochtenen Urteils.

    ( 18 ) Rn. 65 des angefochtenen Urteils.

    ( 19 ) Rn. 66 des angefochtenen Urteils.

    ( 20 ) Rn. 70 des angefochtenen Urteils.

    ( 21 ) Rn. 71 des angefochtenen Urteils.

    ( 22 ) Rn. 62 des angefochtenen Urteils.

    ( 23 ) Mir scheint, dass nicht einmal die niederländische Regierung diese Auffassung in vollem Umfang teilt, da sie in Rn. 43 ihrer Rechtsmittelbeantwortung die Möglichkeit anerkennt, dass die Kommission einen Beschluss wie den in Rede stehenden (in dem offen gelassen wird, ob es sich um eine Beihilfe handelt) erlassen könne, wenn zwischen dem Mitgliedstaat und der Kommission über diesen Punkt Einigkeit herrsche. Damit bestätigt sie meines Erachtens, dass es in Wahrheit nicht um eine Frage der Befugnis geht, da nur schwerlich anzunehmen ist, dass die Befugnis der Kommission in einem Fall wie dem vorliegenden davon abhängen könnte, ob der Mitgliedstaat ihre Auffassung teilt.

    ( 24 ) Die niederländische Regierung bestreitet nicht, dass die Maßnahme, falls es sich um eine staatliche Beihilfe handelt (was sie in Abrede stellt), unter Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV fallen könnte. Von der Kommission wird hingegen, wie ich bereits ausgeführt habe, weder behauptet noch bestritten, dass es sich bei dieser Maßnahme um eine Beihilfe handelt: Sie beschränkt sich auf die Feststellung, dass die Maßnahme, falls sie eine Beihilfe darstellen sollte, nach dieser Vorschrift zulässig wäre.

    ( 25 ) Die Übertragung solcher Mittel zur Zahlung einer Entschädigung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, beruht auf einem anderen Grund als der Gewährung eines Vorteils.

    ( 26 ) Auch wenn sich Art. 4 der Verordnung 2015/1589 auf angemeldete Beihilfen bezieht, kann die Kommission mutmaßlich rechtswidrige (nicht angemeldete) Beihilfen auf eigene Initiative prüfen: In diesen Fall wird die Prüfung durch einen Beschluss nach Art. 4 Abs. 2, 3 oder 4 beendet. Das ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589. Die Kommission erließ den Beschluss, obwohl die niederländische Regierung die Maßnahme nicht bei ihr angemeldet hatte.

    ( 27 ) Rn. 56 bis 59 des angefochtenen Urteils.

    ( 28 ) Die Kommission trägt vor, die Wendung „insoweit sie in den Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 1 fällt“ in Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589 könne nicht, wie es das Gericht getan habe, dahin ausgelegt werden, dass die Vereinbarkeit erst geprüft werden könne, nachdem die Maßnahme als staatliche Beihilfe eingestuft worden sei (Rn. 33 der Rechtsmittelschrift). Diese Formulierung sei ein dem wichtigsten Satz der Bestimmung („beschließt sie, dass die Maßnahme mit dem Binnenmarkt vereinbar ist“) untergeordneter Satzteil, was bedeute, dass die Kommission nach Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 2015/1589 über die Vereinbarkeit einer Maßnahme entscheiden könne, ohne endgültig festzustellen, ob es sich um eine Beihilfe handele (Rn. 35 und 36 der Rechtsmittelschrift).

    ( 29 ) Rn. 29 der Rechtsmittelschrift.

    ( 30 ) Die niederländische Regierung tritt den betreffenden Ausführungen der Kommission nicht entgegen, weist aber darauf hin, dass dies nicht bedeute, dass aus dem genannten Urteil „keine relevanten Schlussfolgerungen gezogen werden [könnten]“ (Rn. 31 der Rechtsmittelbeantwortung der niederländischen Regierung).

    ( 31 ) Rechtssache C‑83/09 P, EU:C:2011:341.

    ( 32 ) Verordnung des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. [88] des EG-Vertrags (ABl. 1999, L 83, S. 1).

    ( 33 ) Rechtssache C‑562/19 P, EU:C:2021:201.

    ( 34 ) Rn. 50.

    ( 35 ) Rechtssache C‑445/19, EU:C:2020:952.

    ( 36 ) Rn. 35.

    ( 37 ) Rechtssache C‑284/21 P, EU:C:2023:58, Rn. 64.

    ( 38 ) Ohne Anspruch auf Vollständigkeit kann auch noch das Urteil vom 21. Dezember 2016, Club Hotel Loutraki u. a./Kommission (C‑131/15 P, EU:C:2016:989), angeführt werden, in dem in Rn. 33 festgestellt worden ist, dass Zweifel hinsichtlich der Einstufung einer Maßnahme als Beihilfe zur Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens führen müssen. In jenem Fall ging es um die Frage, ob die Kommission zu Recht im Rahmen der vorläufigen Prüfung festgestellt hatte, dass keine Beihilfe vorlag.

    ( 39 ) Urteil a&o hostel and hotel Berlin/Kommission (T‑578/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:437, Rn. 72 bis 79).

    ( 40 ) Rn. 73 des Urteils in der Rechtssache T‑578/17. In derselben Randnummer hat das Gericht ergänzt, dass die Kommission in dieser Weise vorgehen könne, dass dies jedoch nicht bedeute, dass ihre Prüfung der Vereinbarkeit der Maßnahme weniger intensiv sein könne: „[D]ie Intensität der Prüfung, die die Kommission im Hinblick auf die Vereinbarkeit durchzuführen hatte, [wird] in keiner Weise dadurch verringert …, dass das Vorliegen einer Beihilfe nur als Annahme zugrunde gelegt wurde. Anderenfalls stünde es der Kommission nämlich frei, die Vereinbarkeit einer staatlichen Maßnahme mit dem Binnenmarkt aufgrund der in ihrem Ermessen stehenden Entscheidung, die Frage, ob es sich um eine staatliche Beihilfe handelt, offenzulassen, weniger tiefgreifend zu prüfen.“

    ( 41 ) Eine gleichgelagerte Befugnis ergibt sich aus der Wettbewerbsaufsicht im Bereich der Unternehmen (Art. 101 bis 106 AEUV).

    ( 42 ) Auf derselben Linie sieht Art. 105 Abs. 1 AEUV vor, dass die Kommission unbeschadet der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten nach Art. 104 AEUV auf die Verwirklichung der in den Art. 101 und 102 niedergelegten Grundsätze achtet und insbesondere von Amts wegen die Fälle einer mutmaßlichen Zuwiderhandlung gegen diese Grundsätze prüft, die kollusive Verhaltensweisen oder die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Marktstellung verhindern sollen.

    ( 43 ) Rn. 50 der Rechtsmittelschrift.

    ( 44 ) Die Unvereinbarkeit mit dem Binnenmarkt ist eine Eigenschaft, die Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV definiert. Die Ausnahmen in Art. 107 Abs. 2 und 3 führen dazu, dass die Unvereinbarkeit gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV erst dann endgültig feststeht, wenn das Vorliegen einer dieser Ausnahmen verneint worden ist.

    ( 45 ) Eine Maßnahme kann einige begrenzte negative Auswirkungen auf Wettbewerb und Handel haben, aber trotzdem zulässig sein, wenn die Bilanz insgesamt betrachtet (z. B. unter dem Gesichtspunkt des verbesserten Umweltschutzes) für das gemeinsame Interesse positiv ausfällt. Auf dieses Interesse verweist Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV.

    ( 46 ) Sowohl in Bezug auf ihre Charakterisierung als Vorteil (Hilfe, für die es keinen anderen Grund gibt als die Absicht, einen Wettbewerber zu begünstigen) als auch in Bezug auf ihre Finanzierung aus öffentlichen Mitteln und ihre wettbewerbsverzerrende Wirkung.

    ( 47 ) Rn. 24 der Rechtsmittelschrift.

    ( 48 ) Vgl. Fn. 8 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 49 ) Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall die Partei, die den Beschluss anficht, d. h. das Königreich der Niederlande, dies nicht wegen Uneinigkeit in der Sache im Hinblick auf die endgültige Entscheidung tut. Gegen dieses Ergebnis dürfte es wohl kaum Vorbehalte geben, da die Kommission keine Einwände gegen die staatliche Maßnahme erhoben hat, was aus unionsrechtlicher Sicht ihre vorbehaltlose Durchführung ermöglicht.

    ( 50 ) Sie führt das Urteil vom 11. Dezember 1973, Lorenz (120/73, EU:C:1973:152), an.

    ( 51 ) Das Gericht hat insoweit Rn. 81 der Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020 (2014/C 200/01) (ABl. 2014, C 200, S. 1) und Art. 8 der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 [AEUV] (ABl. 2014, L 187, S. 1) angeführt.

    ( 52 ) Dies räumt die niederländische Regierung in Rn. 18 ihrer Gegenerwiderung ein und merkt zugleich an, dass sie nach Art. 4 Abs. 3 dieses Gesetzes verpflichtet sei, der Kommission die im Rahmen seiner Durchführung getroffenen Entscheidungen mitzuteilen.

    ( 53 ) Rn. 37 des angefochtenen Urteils.

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