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Document 62022CJ0421

Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 21. Dezember 2023.
„DOBELES AUTOBUSU PARKS” SIA u. a. gegen Iepirkumu uzraudzības birojs und „Autotransporta direkcija” VSIA.
Vorabentscheidungsersuchen der Augstākā tiesa (Senāts).
Vorlage zur Vorabentscheidung – Verkehr – Öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße – Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 – Art. 1 Abs. 1 – Art. 2a Abs. 2 – Art. 3 Abs. 1 – Art. 4 Abs. 1 – Art. 6 Abs. 1 – Auftrag für öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen – Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags – Offenes, transparentes und diskriminierungsfreies Ausschreibungsverfahren – Ausschreibungsbedingungen – Höhe der von der zuständigen nationalen Behörde gewährten Ausgleichsleistung – Indexierung, die zeitlich und auf spezifische Kostenkategorien beschränkt ist – Risikoverteilung.
Rechtssache C-421/22.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2023:1028

 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

21. Dezember 2023 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verkehr – Öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße – Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 – Art. 1 Abs. 1 – Art. 2a Abs. 2 – Art. 3 Abs. 1 – Art. 4 Abs. 1 – Art. 6 Abs. 1 – Auftrag für öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen – Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags – Offenes, transparentes und diskriminierungsfreies Ausschreibungsverfahren – Ausschreibungsbedingungen – Höhe der von der zuständigen nationalen Behörde gewährten Ausgleichsleistung – Indexierung, die zeitlich und auf spezifische Kostenkategorien beschränkt ist – Risikoverteilung“

In der Rechtssache C‑421/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Augstākā tiesa (Senāts) (Oberstes Gericht, Lettland) mit Entscheidung vom 21. Juni 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Juni 2022, in dem Verfahren

„DOBELES AUTOBUSU PARKS“ SIA,

„CATA“ AS,

„VTU VALMIERA“ SIA,

„JELGAVAS AUTOBUSU PARKS“ SIA,

„Jēkabpils autobusu parks“ SIA

gegen

Iepirkumu uzraudzības birojs,

„Autotransporta direkcija“ VSIA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan (Berichterstatter), des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Fünften Kammer sowie der Richter Csehi, M. Ilešič und D. Gratsias,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: R. Stefanova-Kamisheva, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juni 2023,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der „DOBELES AUTOBUSU PARKS“ SIA, der „CATA“ AS, der „VTU VALMIERA“ SIA, der „JELGAVAS AUTOBUSU PARKS“ SIA und der „Jēkabpils autobusu parks“ SIA, vertreten durch S. Novicka, Advokāte,

der „Autotransporta direkcija“ VSIA, vertreten durch S. Bērtaitis, Advokāts,

der lettischen Regierung, vertreten durch J. Davidoviča und K. Pommere als Bevollmächtigte,

der zyprischen Regierung, vertreten durch I. Neophytou als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Messina, I. Rubene und F. Tomat als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. September 2023

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 2, Art. 2a Abs. 2 und Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. 2007, L 315, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) 2016/2338 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 (ABl. 2016, L 354, S. 22) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1370/2007).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den die „DOBELES AUTOBUSU PARKS“ SIA, die „CATA“ AS, die „VTU VALMIERA“ SIA, die „JELGAVAS AUTOBUSU PARKS“ SIA und die „Jēkabpils autobusu parks“ SIA, im Verkehrsbereich tätige Gesellschaften lettischen Rechts (im Folgenden zusammen: Dobeles u. a.), gegen die Iepirkumu uzraudzības birojs (Aufsichtsbehörde für das öffentliche Auftragswesen, Lettland) und die „Autotransporta direkcija“ VSIA (im Folgenden: öffentlicher Auftraggeber) führen. Gegenstand dieses Rechtsstreits sind die Modalitäten der Berechnung der Ausgleichsleistung für die Erbringung eines öffentlichen Personenverkehrsdiensts mit Bussen auf dem Streckennetz von regionaler Bedeutung.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung Nr. 1370/2007

3

Die Erwägungsgründe 4, 7, 27 und 34 der Verordnung Nr. 1370/2007 lauten:

„(4)

Die Hauptziele des Weißbuchs der [Europäischen] Kommission vom 12. September 2001‚Die Europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft‘ sind die Gewährleistung sicherer, effizienter und hochwertiger Personenverkehrsdienste durch einen regulierten Wettbewerb, der auch die Transparenz und Leistungsfähigkeit öffentlicher Personenverkehrsdienste garantiert, und zwar unter Berücksichtigung sozialer, umweltpolitischer und raumplanerischer Faktoren, oder das Angebot spezieller Tarifbedingungen zugunsten bestimmter Gruppen von Reisenden, wie etwa Rentner, und die Beseitigung von Ungleichheiten zwischen Verkehrsunternehmen aus verschiedenen Mitgliedstaaten, die den Wettbewerb wesentlich verfälschen könnten.

(7)

Studien und die Erfahrungen der Mitgliedstaaten, in denen es schon seit einigen Jahren Wettbewerb im öffentlichen Verkehr gibt, zeigen, dass, sofern angemessene Schutzmaßnahmen vorgesehen werden, die Einführung des regulierten Wettbewerbs zwischen Betreibern zu einem attraktiveren und innovativeren Dienstleistungsangebot zu niedrigeren Kosten führt, ohne dass die Betreiber eines öffentlichen Dienstes bei der Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgaben behindert werden. Dieser Ansatz wurde vom Europäischen Rat im Rahmen des so genannten Lissabon-Prozesses vom 28. März 2000 gebilligt, der die Kommission, den Rat [der Europäischen Union] und die Mitgliedstaaten aufgefordert hat, im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse die Liberalisierung in Bereichen wie dem Verkehr zu beschleunigen.

(27)

Die von den zuständigen Behörden gewährten Ausgleichsleistungen zur Deckung der Kosten, die durch die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen verursacht werden, sollten so berechnet werden, dass übermäßige Ausgleichsleistungen vermieden werden. Beabsichtigt eine zuständige Behörde die Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags ohne wettbewerbliches Vergabeverfahren, so sollte sie auch detaillierte Bestimmungen einhalten, mit denen die Angemessenheit der Ausgleichsleistung gewährleistet wird und die der angestrebten Effizienz und Qualität der Dienste Rechnung tragen.

(34)

Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen können sich im Bereich des Personenlandverkehrs als erforderlich erweisen, damit die mit öffentlichen Dienstleistungen betrauten Unternehmen gemäß festgelegten Grundsätzen und unter Bedingungen tätig sein können, die ihnen die Erfüllung ihrer Aufgaben ermöglichen. Diese Ausgleichsleistungen können unter bestimmten Voraussetzungen gemäß Artikel 73 des [EG‑]Vertrags mit dem [EG‑]Vertrag vereinbar sein. Zum einen müssen sie gewährt werden, um die Erbringung von Diensten sicherzustellen, die Dienste von allgemeinem Interesse im Sinne des Vertrags sind. Um ungerechtfertigte Wettbewerbsverfälschungen zu vermeiden, darf die Ausgleichsleistung zum anderen nicht den Betrag übersteigen, der notwendig ist, um die Nettokosten zu decken, die durch die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen verursacht werden, wobei den dabei erzielten Einnahmen sowie einem angemessenen Gewinn Rechnung zu tragen ist.“

4

Art. 1 („Zweck und Anwendungsbereich“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 bestimmt:

„Zweck dieser Verordnung ist es, festzulegen, wie die zuständigen Behörden unter Einhaltung des Gemeinschaftsrechts im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs tätig werden können, um die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu gewährleisten, die unter anderem zahlreicher, sicherer, höherwertig oder preisgünstiger sind als diejenigen, die das freie Spiel des Marktes ermöglicht hätte.

Hierzu wird in dieser Verordnung festgelegt, unter welchen Bedingungen die zuständigen Behörden den Betreibern eines öffentlichen Dienstes eine Ausgleichsleistung für die ihnen durch die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen verursachten Kosten und/oder ausschließliche Rechte im Gegenzug für die Erfüllung solcher Verpflichtungen gewähren, wenn sie ihnen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegen oder entsprechende Aufträge vergeben.“

5

In Art. 2a („Spezifikation der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen“) heißt es:

„(1)   Die zuständige Behörde legt Spezifikationen der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen für die Erbringung öffentlicher Personenverkehrsdienste und den Anwendungsbereich dieser gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen gemäß Artikel 2 Buchstabe e fest. Dies schließt die Möglichkeit ein, kostendeckende Dienste mit nicht kostendeckenden Diensten zusammenzufassen.

Bei der Festlegung dieser Spezifikationen und ihres Anwendungsbereichs trägt die zuständige Behörde dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang mit dem Unionsrecht gebührend Rechnung.

(2)   Mit den Spezifikationen gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen und der entsprechenden Ausgleichsleistung für finanzielle Nettoauswirkungen gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen sollen

a)

die Ziele der Politik für den öffentlichen Verkehr auf kostenwirksame Weise erreicht werden und

b)

die finanzielle Nachhaltigkeit der Erbringung öffentlicher Personenverkehrsdienste gemäß den in der Politik für den öffentlichen Verkehr festgelegten Anforderungen langfristig gesichert werden.“

6

Art. 3 („Öffentliche Dienstleistungsaufträge und allgemeine Vorschriften“) Abs. 1 und 2 der Verordnung lautet:

„(1)   Gewährt eine zuständige Behörde dem ausgewählten Betreiber ausschließliche Rechte und/oder Ausgleichsleistungen gleich welcher Art für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen, so erfolgt dies im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags.

(2)   Abweichend von Absatz 1 können gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zur Festsetzung von Höchsttarifen für alle Fahrgäste oder bestimmte Gruppen von Fahrgästen auch Gegenstand allgemeiner Vorschriften sein. Die zuständige Behörde gewährt den Betreibern eines öffentlichen Dienstes gemäß den in den Artikeln 4 und 6 und im Anhang festgelegten Grundsätzen eine Ausgleichsleistung für die – positiven oder negativen – finanziellen Auswirkungen auf die Kosten und Einnahmen, die auf die Erfüllung der in den allgemeinen Vorschriften festgelegten tariflichen Verpflichtungen zurückzuführen sind; dabei vermeidet sie eine übermäßige Ausgleichsleistung. Dies gilt ungeachtet des Rechts der zuständigen Behörden, gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zur Festsetzung von Höchsttarifen in öffentliche Dienstleistungsaufträge aufzunehmen.“

7

Art. 4 („Obligatorischer Inhalt öffentlicher Dienstleistungsaufträge und allgemeiner Vorschriften“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 bestimmt:

„In den öffentlichen Dienstleistungsaufträgen und den allgemeinen Vorschriften

a)

sind die vom Betreiber eines öffentlichen Dienstes zu erfüllenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, die in dieser Verordnung definiert und gemäß Artikel 2a dieser Verordnung spezifiziert sind, und die betreffenden geografischen Geltungsbereiche klar festzulegen;

b)

sind zuvor in objektiver und transparenter Weise aufzustellen:

i)

die Parameter, anhand deren gegebenenfalls die Ausgleichsleistung berechnet wird, und

ii)

die Art und der Umfang der gegebenenfalls gewährten Ausschließlichkeit; dabei ist eine übermäßige Ausgleichsleistung zu vermeiden.

Bei öffentlichen Dienstleistungsaufträgen, die nicht gemäß Artikel 5 Absatz 1, Absatz 3 oder Absatz 3b vergeben werden, werden diese Parameter so bestimmt, dass die Ausgleichsleistung den Betrag nicht übersteigen kann, der erforderlich ist, um die finanziellen Nettoauswirkungen auf die Kosten und Einnahmen zu decken, die auf die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen zurückzuführen sind, wobei die vom Betreiber eines öffentlichen Dienstes erzielten und einbehaltenen Einnahmen und ein angemessener Gewinn berücksichtigt werden;

c)

sind die Durchführungsvorschriften für die Aufteilung der Kosten, die mit der Erbringung von Dienstleistungen in Verbindung stehen, festzulegen. Diese Kosten können insbesondere Personalkosten, Energiekosten, Infrastrukturkosten, Wartungs- und Instandsetzungskosten für Fahrzeuge des öffentlichen Personenverkehrs, das Rollmaterial und für den Betrieb der Personenverkehrsdienste erforderliche Anlagen sowie die Fixkosten und eine angemessene Kapitalrendite umfassen.“

8

Art. 6 („Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen“) Abs. 1 der Verordnung sieht vor:

„Jede Ausgleichsleistung im Zusammenhang mit einer allgemeinen Vorschrift oder einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag entspricht unabhängig von den Vergabemodalitäten dem Artikel 4. Jede wie auch immer beschaffene Ausgleichsleistung im Zusammenhang mit einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag, der nicht gemäß Artikel 5 Absatz 1, Absatz 3 oder Absatz 3b vergeben wurde oder im Zusammenhang mit einer allgemeinen Vorschrift steht, unterliegt darüber hinaus den Bestimmungen des Anhangs.“

9

Nr. 7 des Anhangs („Regeln für die Gewährung einer Ausgleichsleistung in den in Artikel 6 Absatz 1 genannten Fällen“) der Verordnung lautet:

„Das Verfahren zur Gewährung der Ausgleichsleistung muss einen Anreiz geben zur Aufrechterhaltung oder Entwicklung

einer wirtschaftlichen Geschäftsführung des Betreibers eines öffentlichen Dienstes, die objektiv nachprüfbar ist, und

der Erbringung von Personenverkehrsdiensten ausreichend hoher Qualität.“

Leitlinien

10

Abschnitt 1 („Einleitung“) Abs. 5 der Mitteilung der Kommission über die Auslegungsleitlinien zu der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße (ABl. 2014, C 92, S. 1) (im Folgenden: Leitlinien) lautet:

„In vorliegender Mitteilung erläutert die Kommission ihr Verständnis einiger Bestimmungen der Verordnung, die auf bewährten Verfahren beruhen, um die Mitgliedstaaten darin zu unterstützen, den größtmöglichen Nutzen aus dem Binnenmarkt zu ziehen. Diese Mitteilung erhebt weder den Anspruch, alle Bestimmungen erschöpfend abzudecken, noch werden hierdurch neue Rechtsvorschriften geschaffen. Die Auslegung des EU-Rechts bleibt in jedem Fall Sache des Gerichtshofs der Europäischen Union.“

11

Abschnitt 2.4 der Leitlinien betrifft nach seiner Überschrift Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen.

12

In Abschnitt 2.4.3 der Leitlinien heißt es:

„…

Im Anhang heißt es: ‚Unter angemessenem Gewinn ist eine in dem betreffenden Sektor in einem bestimmten Mitgliedstaat übliche angemessene Kapitalrendite zu verstehen, wobei das aufgrund des Eingreifens der Behörde vom Betreiber eines öffentlichen Dienstes eingegangene Risiko oder für ihn entfallende Risiko zu berücksichtigen ist.‘ Es werden jedoch keine weiteren Hinweise zur korrekten Höhe der ‚Kapitalrendite‘ oder des ‚angemessenen Gewinns‘ gegeben.

Abhängig von den besonderen Umständen jedes öffentlichen Dienstleistungsauftrags ist stets eine Einzelfallbewertung durch die zuständigen Behörden erforderlich, um die Höhe des angemessenen Gewinns festzulegen. Dabei gilt es u. a., die Besonderheiten des betreffenden Unternehmens, die marktübliche Rendite bei vergleichbaren Dienstleistungen und die Höhe des mit jedem öffentlichen Dienstleistungsauftrag verbundenen Risikos zu berücksichtigen. So ist beispielsweise ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag mit besonderen Bestimmungen, durch die entsprechende Ausgleichsleistungen im Falle unvorhergesehener Kosten gewährleistet werden, weniger riskant als ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag, der keine solche Garantie enthält. Wenn die Verträge ansonsten identisch sind, sollte der angemessene Gewinn im ersten Fall deshalb geringer sein als im zweiten Fall.

Die Schaffung von Effizienzanreizen innerhalb des Ausgleichsmechanismus ist generell zu unterstützen … Hier sei darauf hingewiesen, dass Ausgleichsregelungen, durch die lediglich die tatsächlich entstehenden Kosten abgedeckt werden, dem Verkehrsunternehmen kaum Anreize bieten, die Kosten einzudämmen oder mit der Zeit effizienter zu werden. Diese Mechanismen sollten daher auf Fälle beschränkt werden, in denen große Unsicherheit bezüglich der Kosten herrscht und es gilt, den Dienstleistungserbringer in einem hohen Maß vor dieser Unsicherheit zu schützen.“

13

In Abschnitt 2.4.5 der Leitlinien heißt es:

„In Erwägungsgrund 27 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 wird ausgeführt, dass die Parameter für die Ausgleichsleistung bei Direktvergabe oder allgemeinen Vorschriften so festzusetzen sind, dass die Ausgleichsleistung angemessen ist und ‚der angestrebten Effizienz und Qualität der Dienste‘ Rechnung trägt. Dies bedeutet, dass die zuständigen Behörden durch den Ausgleichsmechanismus Anreize schaffen sollten, damit die Dienstleistungserbringer effizienter arbeiten und die Dienstleistung in dem geforderten Umfang und der geforderten Qualität mit möglichst geringen Ressourcen erbringen.

Die in der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 enthaltenen Vorschriften bezüglich der Ausgleichsleistung lassen den zuständigen Behörden einen gewissen Spielraum, um Anreize für den Erbringer einer öffentlichen Dienstleistung zu schaffen. In jedem Fall müssen die zuständigen Behörden ‚einen Anreiz geben zur Aufrechterhaltung oder Entwicklung einer wirtschaftlichen Geschäftsführung des Betreibers eines öffentlichen Dienstes, die objektiv nachprüfbar ist‘ (Nummer 7 des Anhangs). Dies schließt ein, dass die Ausgleichsregelung so gestaltet sein muss, dass im Laufe der Zeit zumindest eine gewisse Effizienzsteigerung gewährleistet ist.

Effizienzanreize sollten allerdings verhältnismäßig sein und innerhalb eines angemessenen Rahmens bleiben, wobei es die Schwierigkeiten bei der Erreichung der Effizienzziele zu berücksichtigen gilt. Dies kann beispielsweise durch eine ausgewogene Aufteilung des durch Effizienzsteigerungen erzielten Nutzens auf den Betreiber, die Behörden und/oder die Nutzer sichergestellt werden. In jedem Fall muss ein System geschaffen werden, durch das sichergestellt werden kann, dass das Unternehmen keine unverhältnismäßigen Gewinne aus Effizienzsteigerungen erzielen kann. Darüber hinaus müssen die Parameter dieser Anreizregelung in dem öffentlichen Dienstleistungsauftrag vollständig und präzise festgelegt sein.

Anreize zur effizienteren Erbringung öffentlicher Dienstleistungen sollten jedoch nicht zu Qualitätseinbußen führen. Im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ist Effizienz als das Verhältnis zwischen der Qualität oder dem Niveau der öffentlichen Dienstleistungen und den für deren Erbringung eingesetzten Ressourcen zu verstehen. Effizienzanreize sollten deshalb sowohl auf eine Kostensenkung als auch auf eine Steigerung der Qualität oder des Niveaus der Dienstleistungen ausgerichtet sein.“

14

In Abschnitt 2.4.8 Abs. 2 und 3 der Leitlinien heißt es:

„… [Die] Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 [zielen] nicht nur darauf ab, potenzielle übermäßige Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zu verhindern, sondern sie sollen auch gewährleisten, dass die Erbringung der in dem öffentlichen Dienstleistungsauftrag festgelegten öffentlichen Dienstleistungen finanziell tragfähig ist, damit eine hohe Dienstleistungsqualität erreicht und aufrechterhalten werden kann. Für die gemeinwirtschaftliche Verpflichtung sollte demzufolge ein angemessener Ausgleich gewährt werden, damit die Eigenmittel des Betreibers im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags nicht langfristig aufgezehrt werden, wodurch eine effiziente Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen und die Aufrechterhaltung von hochwertigen Personenverkehrsdiensten gemäß Nummer 7 des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 verhindert würde.

In jedem Fall besteht für die zuständige Behörde bei Nichtzahlung einer angemessenen Ausgleichsleistung die Gefahr, dass bei einer wettbewerblichen Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags weniger Angebote abgegeben werden, dass bei einer Direktvergabe des öffentlichen Dienstleistungsauftrags der Betreiber in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten gerät und/oder dass die Gesamtleistung und Qualität der erbrachten öffentlichen Dienstleistungen während der Vertragslaufzeit zurückgehen.“

Lettisches Recht

15

Art. 10 des Sabiedriskā transporta pakalpojumu likums (Gesetz über öffentliche Verkehrsdienste) vom 14. Juni 2007 (Latvijas Vēstnesis, 2007, Nr. 106) bestimmt:

„(1)   An den Beförderungsunternehmer wird nach Maßgabe der Art. 11 und 12 dieses Gesetzes ein Ausgleich für die Verluste und Kosten gezahlt, die im Zusammenhang mit der Erbringung der öffentlichen Verkehrsdienste entstanden sind.

(3)   Verluste im Sinne dieses Gesetzes sind auch die Kosten für die öffentlichen Verkehrsdienste, wenn der Auftraggeber diese gemäß dem Publisko iepirkumu likums (Gesetz über öffentliche Aufträge) vergeben hat.“

16

Art. 11 Abs. 1 des Gesetzes über öffentliche Verkehrsdienste sieht vor:

„Die Höhe und das Verfahren zur Gewährung des Ausgleichs, der dem Verkehrsunternehmen für seine im Zusammenhang mit der Erbringung der öffentlichen Verkehrsdienste entstandenen Verluste zu gewähren ist, werden vom Ministerrat festgelegt. …“

17

Das Ministru kabineta noteikumi no 435 Kārtība, kādā nosaka un kompensē ar sabiedriskā transporta pakalpojumu sniegšanu saistītos zaudējumus un izdevumus un nosaka sabiedriskā transporta pakalpojuma tarifu (Dekret Nr. 435 des Ministerrats über das Verfahren für die Bestimmung des Ausgleichs von Verlusten und Kosten im Zusammenhang mit der Erbringung der öffentlichen Verkehrsdienste und für die Entgeltregelung betreffend diese Dienstleistungen) vom 28. Juli 2015 (Latvijas Vēstnesis, 2015, Nr. 155) bestimmt:

„…

2. Das Verkehrsunternehmen erhält einen Ausgleich für die Verluste und Kosten im Zusammenhang mit der Erfüllung des Vertrags über die Erbringung öffentlicher Verkehrsdienste:

2.1. Hat der öffentliche Auftraggeber ein Entgelt für den öffentlichen Verkehrsdienst festgelegt, so werden die erlittenen Verluste ausgeglichen, wenn die für die Erfüllung des Vertrags über die Erbringung öffentlicher Verkehrsdienste erforderlichen Kosten höher als die Einnahmen sind.

56. Der Vertrag über öffentliche Verkehrsdienste kann die Höhe der Ausgleichsleistung (Auftragswert) oder das Verfahren für die Berechnung der Ausgleichsleistung (für den Auftragswert) bestimmen. Der öffentliche Auftraggeber berücksichtigt bei der Bestimmung der Höhe der Ausgleichsleistung (Auftragswert) oder des Verfahrens für die Berechnung der Ausgleichsleistung (für den Auftragswert) im Vertrag über öffentliche Verkehrsdienste den Umfang der gewährten Rechte, die Intensität der Erbringung des öffentlichen Verkehrsdienstes, die Rentabilität des öffentlichen Verkehrsdienstes, die Qualitätsanforderungen an den öffentlichen Verkehrsdienst, die Anforderungen an die technische Ausstattung der Fahrzeuge und andere objektive Kriterien, deren Erfüllung in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Höhe des zu leistenden Ausgleichs steht.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

18

Der öffentliche Auftraggeber leitete ein offenes Ausschreibungsverfahren zur Vergabe des Rechts zur Erbringung öffentlicher Busverkehrsdienste im lettischen regionalen Liniennetz für die Dauer von zehn Jahren ein.

19

Dobeles u. a. legten bei dem Iepirkumu uzraudzības biroja Iesniegumu izskatīšanas komisija (Prüfungsausschuss der Aufsichtsbehörde für das öffentliche Auftragswesen, Lettland) einen Rechtsbehelf gegen die Bestimmungen der Ausschreibungsbedingungen ein. Diesen stützten sie darauf, dass die Ausschreibungsbedingungen und der entsprechende Vertragsentwurf zusammen einen rechtswidrigen Ausgleichsmechanismus für den fraglichen öffentlichen Verkehrsdienst einführten. Denn die Bieter müssten in der Lage sein, in ihrem Angebot den für den angebotenen Dienst geforderten Preis, auf dessen Grundlage der den Betreibern während der Auftragslaufzeit zu zahlende Ausgleich bestimmt werde, für die nächsten zehn Jahre vorherzusehen. Der Auftrag sehe aber kein vollständiges Verfahren zur Anpassung des Preises des Dienstes für den Fall vor, dass die in diesen Preis einfließenden Kosten sich änderten.

20

Mit Entscheidung vom 11. November 2019 wies dieser Prüfungsausschuss ihren Rechtsbehelf zurück.

21

Dobeles u. a. erhoben daraufhin bei der Administratīvā rajona tiesa (Bezirksverwaltungsgericht, Lettland) Klage auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung. Zur Stützung dieser Klagen beanstanden sie das Verfahren zur Anpassung des Auftragswerts für den Verkehrsdienst, das im Anhang des Entwurfs des Vertrags über einen öffentlichen Auftrag aufgeführt sei. Nach diesem Verfahren sei die Indexierung des Auftragswerts, die nur für die Kraftstoff- und Lohnkosten sowie für die Sozialversicherungsbeiträge vorgesehen sei, zum einen bei Änderungen der Kraftstoff- und Lohnkosten, die 5 % bzw. 8 % nicht überstiegen, und zum anderen in den ersten vier und den letzten drei Jahren der Dienstleistungserbringung ausgeschlossen. Dobeles u. a. beanstanden auch die Bestimmungen der Ausschreibungsbedingungen, die die Regelungen zur Anpassung des Auftragswerts pro Kilometer betreffen, nach denen dieser Wert nur dann angepasst werden könne, wenn der öffentliche Auftraggeber den Umfang der zu erbringenden Dienste um mehr als 30 % verringere, da sie keine objektiven und transparenten Kriterien enthielten, die für die Anpassung des Auftragswerts relevant seien.

22

Mit Urteil vom 29. Mai 2019 wies dieses Gericht diese Klagen ab, was es im Wesentlichen damit begründete, dass der Staat nicht verpflichtet sei, alle Kosten der Betreiber eines öffentlichen Verkehrsdiensts unabhängig von deren betrieblicher Effizienz zu decken, und dass das im Entwurf des Vertrags über die öffentliche Auftragsvergabe vorgesehene Verfahren zur Indexierung des Auftragswerts nicht gegen die Verordnung Nr. 1370/2007 verstoße.

23

Dobeles u. a. legten bei der Augstākā tiesa (Senāts) (Oberstes Gericht, Lettland), dem vorlegenden Gericht, eine Kassationsbeschwerde ein, mit der sie die Aufhebung dieses Urteils beantragten. Dobeles u. a. stützen ihr Rechtsmittel darauf, dass das in den Ausschreibungsbedingungen enthaltene Finanzmodell den betroffenen Beförderern keine „angemessene Ausgleichsleistung“ im Sinne der Verordnung Nr. 1370/2007 garantiere, da die gewährte Ausgleichsleistung nicht alle Kosten decke, die für die Erbringung des vom öffentlichen Auftraggeber geforderten Dienstes objektiv gerechtfertigt seien. Insbesondere sei die im Entwurf des Vertrags über die Vergabe eines öffentlichen Auftrags vorgesehene Indexierung übermäßig restriktiv, und es sei objektiv nicht möglich, den Kostenanstieg vorherzusehen, der während der zehnjährigen Auftragslaufzeit eintreten könnte. Das gewählte Finanzmodell strebe daher nicht an, die operative Effizienz des Verkehrsunternehmens zu gewährleisten, sondern darauf, das Risiko einer Kostenerhöhung vom Staat auf dieses Unternehmen abzuwälzen.

24

Der öffentliche Auftraggeber ist der Auffassung, dass die Verordnung Nr. 1370/2007 darauf abziele, jede Gefahr einer übermäßigen Ausgleichsleistung zu vermeiden, wobei sie außerdem den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräume, darüber zu entscheiden, ob sie Personenbeförderern eine Ausgleichsleistung gewähren. Der Ausgleichsmechanismus müsse Anreize schaffen, damit die Dienstleistungserbringer effizienter arbeiten und die Dienste in dem geforderten Umfang und der geforderten Qualität mit möglichst geringen Ressourcen erbringen. Aus den Ausgleichsregelungen in der Verordnung, die den zuständigen Behörden einen Spielraum ließen, lasse sich nicht folgern, dass der Staat verpflichtet wäre, alle Kosten der Anbieter von öffentlichen Verkehrsdiensten unabhängig von ihrer betrieblichen Effizienz zu decken.

25

In diesem Kontext weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass sich aus Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 sowie aus den Leitlinien, insbesondere aus deren Abschnitt 2.4.8, für den Staat die Verpflichtung ergebe, dadurch ein System öffentlicher Verkehrsdienste zur Erbringung höherwertiger Dienstleistungen zu gewährleisten, dass er den Anbietern solcher Dienste eine zur Erreichung dieses Ziels geeignete finanzielle Unterstützung zukommen lässt.

26

Mehrere Argumente sprächen gegen die Auffassung von Dobeles u. a., wonach die Verordnung Nr. 1370/2007 den Ausgleich aller dem Anbieter öffentlicher Verkehrsdienste möglicherweise entstehenden Verluste vorschreibe.

27

Insbesondere ergebe sich aus dem 27. Erwägungsgrund und aus Nr. 7 des Anhangs dieser Verordnung sowie aus den Abschnitten 2.4.3 und 2.4.5 der Leitlinien, dass der Staat nicht verpflichtet sei, alle Kosten der Betreiber eines öffentlichen Verkehrsdiensts unabhängig von deren betrieblicher Effizienz zu decken. Die Einleitung des offenen Ausschreibungsverfahrens, das die streitigen Bestimmungen und das Finanzierungsmodell für den betreffenden öffentlichen Dienst vorsehe, sei insoweit Teil der Umsetzung des nationalen Konzepts für die Entwicklung der nationalen öffentlichen Verkehrsdienste. Um eine effizientere Verwendung des Staatshaushalts zu gewährleisten, beruhe die für die Erbringung solcher Dienstleistungen gewährte Ausgleichsleistung nämlich ab dem Jahr 2021 nicht mehr auf dem System, bei dem der Staat im Wesentlichen alle Risiken trage, indem er sämtliche angebots- und nachfragebezogenen Kosten des Erbringers von Verkehrsdiensten decke, sondern auf einem Vertragsmodell, dem die Differenz zwischen dem von diesem Erbringer im Rahmen eines offenen Ausschreibungsverfahrens angebotenen Auftragswert und den Einnahmen aus dem öffentlichen Verkehrsdienst zugrunde liege.

28

Allerdings ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass zu prüfen sei, ob, wie Dobeles u. a. geltend machten, dieses neue Modell und die Instrumente für seine Anwendung den Bietern bei der Bestimmung des Preises des Dienstes ein übermäßiges Risiko auferlegen und ob dieses Risiko eine Schwelle erreicht, ab der anzunehmen ist, dass der Staat seine Verpflichtung, eine angemessene Ausgleichsleistung für die mit dem öffentlichen Verkehrsdienst verbundenen Kosten zu gewähren, nicht erfüllt hat. Im Allgemeinen sei es unmöglich, den Preis von Energieressourcen in zehn Jahren, die Durchschnittslöhne in dem betreffenden Sektor oder die Höhe der nationalen Sozialversicherungsbeiträge genau vorherzusagen. Bei einer Ausgleichsregelung, die eine Neuberechnung des Preises nur in mehrjährigen Zeitabständen und nur für einen Teil der Kosten zulasse, bestehe selbst bei effizienter Wirtschaftstätigkeit die Gefahr, dass die Kostensteigerungen aufgrund nicht hinreichend genauer Vorhersagen zu Verlusten der Betreiber führen.

29

Zwar sei es den Bietern nicht untersagt, die Kosten für das von ihnen zu tragende Risiko in die Berechnung ihres Angebotswerts einzubeziehen, indem sie für einen bestimmten Zeitraum einen Preis festsetzen, der die Variabilität der maßgeblichen wirtschaftlichen und betrieblichen Umstände berücksichtigt.

30

Dies würde jedoch die Möglichkeit nicht völlig ausschließen, dass die vorgeschlagene Ausgleichsregelung nicht alle Verluste deckt, die dem Betreiber aus der Auftragserfüllung entstehen. Bei einer Ausschreibung könnten nämlich die Bieter in der Hoffnung, den Zuschlag zu erhalten, davon absehen, einen Auftragswert anzugeben, der dieses Risiko ausschließen würde, wohingegen die bei der Erfüllung auftretenden Schwierigkeiten möglicherweise dadurch gelöst werden müssten, dass die Verfügbarkeit oder die Qualität der Dienste verringert werde. Folglich stelle sich die Frage, ob der vom öffentlichen Auftraggeber vorgesehene Mechanismus zur Preisanpassung im vorliegenden Fall eine hinreichende Ausgleichsleistung gewährleistet, die mit dem Ziel der Verordnung Nr. 1370/2007 im Einklang steht.

31

Unter diesen Umständen hat die Augstākā tiesa (Senāts) (Oberstes Gericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist nach Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 2, Art. 2a Abs. 2 und Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 eine Ausgleichsregelung zulässig, die die zuständige Behörde nicht verpflichtet, dem Anbieter des öffentlichen Verkehrsdiensts mittels einer regelmäßigen Indexierung des Auftragswerts (Höhe der Ausgleichsleistung) einen vollständigen Ausgleich für alle mit der Erbringung der Dienstleistung verbundenen, dem Einfluss des Anbieters entzogenen Kostensteigerungen zu leisten, und die daher die Gefahr, dass der Anbieter der Dienste einen nicht ausgleichsfähigen Verlust erleidet, nicht vollständig ausschließt?

Zur Vorlagefrage

32

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Verordnung Nr. 1370/2007 dahin auszulegen ist, dass sie einer Ausgleichsregelung entgegensteht, wonach die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags sowie nach einem offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Ausschreibungsverfahren nicht verpflichtet sind, einem Erbringer von Personenverkehrsdiensten, der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unterliegt, eine vollständige Ausgleichsleistung zu gewähren, die mittels einer regelmäßigen Indexierung jede sich seiner Kontrolle entziehende Kostenerhöhung im Zusammenhang mit der Verwaltung und der Erbringung dieses Dienstes deckt.

33

Gemäß Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 ist es Zweck dieser Verordnung, festzulegen, wie die zuständigen nationalen Behörden unter Einhaltung des Unionsrechts im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs tätig werden können, um die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu gewährleisten, die u. a. zahlreicher, sicherer, höherwertig oder preisgünstiger sind als diejenigen, die das freie Spiel des Marktes ermöglicht hätte.

34

Gemäß Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung wird hierzu in der Verordnung festgelegt, unter welchen Bedingungen die zuständigen Behörden den Betreibern eines öffentlichen Dienstes eine Ausgleichsleistung für die ihnen durch die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen verursachten Kosten und/oder ausschließliche Rechte im Gegenzug für die Erfüllung solcher Verpflichtungen gewähren, wenn sie ihnen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegen oder entsprechende Aufträge vergeben.

35

Die Verordnung Nr. 1370/2007 enthält somit Sonderregeln zu Modalitäten für das Tätigwerden bei allgemeinen Systemen zur Vergabe öffentlicher Aufträge (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Oktober 2016, Hörmann Reisen, C‑292/15, EU:C:2016:817, Rn. 45). Mit diesen soll ein Rechtsrahmen für die Gewährung von Ausgleichsleistungen und/oder ausschließlichen Rechten für die Kosten, die durch die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen verursacht werden, geschaffen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Oktober 2019, Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato [Direktvergabe eines Auftrags für öffentliche Verkehrsdienste], C‑515/18, EU:C:2019:893, Rn. 31).

36

Art. 3 Abs. 1 der Verordnung, der zu den Bestimmungen gehört, die diesen rechtlichen Rahmen bilden, sieht vor, dass es im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags erfolgt, wenn eine zuständige Behörde eines Mitgliedstaats dem ausgewählten Betreiber ausschließliche Rechte und/oder Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen gleich welcher Art für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen gewährt. Diese Bestimmung stellt somit den Grundsatz auf, dass die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und die damit verbundenen Ausgleichsleistungen im Rahmen eines solchen Auftrags festzulegen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2022, Lux Express Estonia, C‑614/20, EU:C:2022:641, Rn. 52).

37

Abweichend von diesem Art. 3 Abs. 1 ist es nach Art. 3 Abs. 2 erlaubt, gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zur Festsetzung von Höchsttarifen für alle Fahrgäste oder bestimmte Gruppen von Fahrgästen anhand von allgemeinen Vorschriften festzulegen. In diesem Fall ist die zuständige Behörde verpflichtet, dem betreffenden Betreiber des öffentlichen Dienstes eine Ausgleichsleistung zu gewähren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2022, Lux Express Estonia, C‑614/20, EU:C:2022:641, Rn. 53 bis 55 und 92).

38

Vorliegend ergibt sich jedoch aus der Vorlageentscheidung, dass der Ausgangsrechtsstreit den Abschluss eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags über die Erbringung von Personenverkehrsdiensten mit Bussen nach einem offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Ausschreibungsverfahren betrifft, so dass der vom vorlegenden Gericht in seiner Frage angeführte Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007 für die Beantwortung dieser Frage unerheblich ist.

39

Aus dem ausdrücklichen Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 ergibt sich, dass die Ausgleichsleistung im Zusammenhang mit einem solchen öffentlichen Dienstleistungsauftrag, der nach einem offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Ausschreibungsverfahren vergeben wird, den Anforderungen von Art. 4 der Verordnung entsprechen muss, wobei Art. 4 Abs. 1 der Verordnung die Modalitäten einer solchen Ausgleichsleistung festlegt. Daher ist bei der Beantwortung der Vorlagefrage diese Bestimmung zu berücksichtigen.

40

Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur deren Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Oktober 2019, Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato [Direktvergabe eines Auftrags für öffentliche Verkehrsdienste], C‑515/18, U:C:2019:893, Rn. 23).

41

Was erstens den Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 betrifft, ist festzustellen, dass diese Bestimmung klarstellt, dass in den öffentlichen Dienstleistungsaufträgen zum einen gemäß Buchst. b Unterabs. 1 Ziff. i dieser Bestimmung zuvor in objektiver und transparenter Weise die Parameter, anhand deren gegebenenfalls die Ausgleichsleistung berechnet wird, aufgestellt werden müssen und zum anderen gemäß Buchst. c dieser Bestimmung die Durchführungsvorschriften für die Aufteilung der Kosten, die mit der Erbringung von Dienstleistungen in Verbindung stehen, festzulegen sind. Diese Kosten können insbesondere Personalkosten, Energiekosten, Infrastrukturkosten, Wartungs- und Instandsetzungskosten für Fahrzeuge des öffentlichen Personenverkehrs, das Rollmaterial und für den Betrieb der Personenverkehrsdienste erforderliche Anlagen sowie die Fixkosten und eine angemessene Kapitalrendite umfassen.

42

Aus diesem Wortlaut geht klar hervor, dass die zuständigen nationalen Behörden, soweit es ihnen obliegt, die Parameter für die Ausgleichsleistung, die einem Erbringer eines öffentlichen Verkehrsdiensts geschuldet wird, und die Modalitäten für die Aufteilung der Kosten, die mit der Erbringung dieses Dienstes in Verbindung stehen, festzulegen, im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags bei der Gestaltung des Mechanismus für einen solchen Ausgleich über einen Beurteilungsspielraum verfügen.

43

Insbesondere ist in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Generalanwalts in Nr. 35 seiner Schlussanträge festzustellen, dass die Möglichkeit der Kostenaufteilung notwendigerweise bedeutet, dass die zuständigen nationalen Behörden nicht verpflichtet sind, alle Kosten auszugleichen, sondern die Risiken, die mit der Entwicklung einiger dieser Kosten verbunden sind, auf den Erbringer dieser öffentlichen Dienstleistung unabhängig von der Art dieser Kosten abwälzen können, so dass es folglich nicht darauf ankommt, ob der Dienstleistungserbringer die Entwicklung der betreffenden Kosten vollständig beherrschen kann oder nicht, weil diese – wie bei den Energiekosten oder bei bestimmten Sozialkosten – auf Umständen außerhalb seiner Sphäre beruht.

44

Aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 ergibt sich somit, dass die zuständigen nationalen Behörden in Ausübung ihres Beurteilungsspielraums eine Ausgleichsregelung vorsehen können, die aufgrund der Parameter für die Ausgleichsleistung und der Modalitäten für die Aufteilung der von diesen Behörden definierten Kosten dem Erbringer des öffentlichen Verkehrsdiensts nicht automatisch die volle Deckung der Kosten garantiert.

45

Was zweitens das mit der Verordnung Nr. 1370/2007 verfolgte Ziel betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass, wie aus Rn. 34 des vorliegenden Urteils hervorgeht, mit dieser Verordnung, wie sich u. a. aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2a Abs. 2 und Nr. 7 ihres Anhangs im Licht ihrer Erwägungsgründe 4, 7, 27 und 34 ergibt, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Ausgleichsleistung festgelegt werden sollen, um unter fairen Wettbewerbsbedingungen die Erbringung eines öffentlichen Personenverkehrsdiensts zu gewährleisten, der effizient und zugleich finanziell rentabel ist, um eine hohe Qualität dieses Dienstes zu erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2022, Lux Express Estonia, C‑614/20, EU:C:2022:641, Rn. 69 und 70).

46

Daraus folgt, dass eine Ausgleichsregelung nicht nur darauf abzielen muss, einen übermäßigen Ausgleich der Kosten zu vermeiden, sondern auch darauf, eine größere Effizienz beim Erbringer einer öffentlichen Verkehrsdienstleistung zu fördern. Eine Ausgleichsregelung, die unter allen Umständen die automatische Deckung aller mit der Erfüllung eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags verbundenen Kosten garantiert, enthält jedoch keinen solchen Anreiz für eine größere Effizienz, da der betreffende Erbringer nicht dazu veranlasst wird, seine Kosten zu begrenzen.

47

Dagegen kann eine Ausgleichsregelung, die mangels regelmäßiger Indexierung nicht automatisch sämtliche Kosten deckt, sondern dazu führt, dass bestimmte Risiken auf den Erbringer des öffentlichen Dienstes abgewälzt werden, zur Verwirklichung dieses Ziels beitragen. Denn selbst in Bezug auf Kosten, die sich der Kontrolle des betreffenden Erbringers einer öffentlichen Dienstleistung entziehen, werden die von ihm erzielten Effizienzgewinne es ihm ermöglichen, seine finanzielle Tragfähigkeit zu stärken, um diese Kosten zu bewältigen, was wiederum dazu beitragen wird, die ordnungsgemäße Erfüllung der Verpflichtungen aus dem öffentlichen Dienstleistungsauftrag sicherzustellen.

48

Was drittens den Kontext betrifft, in den sich Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 einfügt, ist in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Generalanwalts in Nr. 65 seiner Schlussanträge darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 1370/2007 für den Fall, dass ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag nach einem wettbewerblichen Vergabeverfahren vergeben wird, keine spezifischen Bestimmungen für die Berechnung der Ausgleichsleistung enthält. In einem solchen Fall muss nämlich die Ausgleichsleistung anders als dann, wenn ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag direkt oder im Wege einer allgemeinen Vorschrift und damit ohne wettbewerbliches Vergabeverfahren vergeben wird, nicht nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung die in ihrem Anhang enthaltenen detaillierteren Bestimmungen einhalten, mit denen, wie sich aus ihrem 27. Erwägungsgrund ergibt, die Angemessenheit der Ausgleichsleistung gewährleistet werden soll.

49

Dieser vom Unionsgesetzgeber eingeführte Unterschied in der Regelung beruht auf der Annahme, dass es bei einem wettbewerblichen Vergabeverfahren nicht erforderlich ist, detailliertere Bestimmungen zur Berechnung der Ausgleichsleistung zu erlassen, um deren Angemessenheit zu gewährleisten. Denn ein solches Verfahren bewirkt für sich genommen, dass aufgrund dieser wettbewerblichen Vergabe die dem Erbringer des öffentlichen Verkehrsdiensts geschuldete Ausgleichsleistung auf ein Minimum reduziert wird, so dass durch eine automatische Anpassung nicht nur eine übermäßige, sondern auch eine unzureichende Ausgleichsleistung vermieden wird.

50

Wie der Generalanwalt in den Nrn. 72 und 82 bis 84 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, legt nämlich jeder Dienstleister, der sich dafür entscheidet, an einem Ausschreibungsverfahren zur Erfüllung eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags teilzunehmen, die Bedingungen seines Angebots unter Berücksichtigung aller relevanten Parameter, insbesondere der wahrscheinlichen Entwicklung der Kosten, die sich auf die Erbringung des Dienstes auswirken können, unabhängig davon, ob sie seiner Kontrolle unterliegen, selbst fest, so dass er den Grad des Risikos bestimmt, das er in Bezug auf diese Entwicklung zu tragen bereit ist. Daher kann unbeschadet unionsrechtlicher Vorschriften, nach denen nationale Behörden ungewöhnlich niedrige Angebote ausschließen dürfen, vermutet werden, dass sein Angebot ihm, wenn er den Zuschlag erhält, eine Rendite für das eingesetzte Kapital garantieren kann, die dem eingegangenen Risiko entspricht.

51

Daraus folgt, dass eine Ausgleichsregelung im Zusammenhang mit einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag, der nach einem offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Ausschreibungsverfahren vergeben wird, als solche geeignet ist, dem Erbringer dieses öffentlichen Dienstes eine Deckung seiner Kosten zu gewährleisten, die ihm auch eine angemessene Ausgleichsleistung sicherstellt, die entsprechend dem Risiko, das zu übernehmen er bereit ist, variiert.

52

Aus alledem ergibt sich daher, dass die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens nicht verpflichtet sind, mittels einer regelmäßigen Indexierung automatisch alle Kosten auszugleichen, die dem Erbringer eines Verkehrsdiensts im Zusammenhang mit der Erfüllung eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags unabhängig davon entstehen, ob sie seiner Kontrolle unterliegen, damit dieser Vertrag ihm eine angemessene Ausgleichsleistung verschafft.

53

In der mündlichen Verhandlung haben Dobeles u. a. die Zweifel des vorlegenden Gerichts aufgegriffen, die in den Rn. 28 bis 30 des vorliegenden Urteils wiedergegeben sind, und vorgetragen, dass das Fehlen einer regelmäßigen Indexierung der mit der Erfüllung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung verbundenen Kosten, die sich der Kontrolle des Erbringers des betreffenden öffentlichen Dienstes entzögen, dazu führen könnte, dass dieser insofern keine angemessene Ausgleichsleistung erhalte, als deren Höhe unzureichend werden könnte, was, wie in Abschnitt 2.4.8 der Leitlinien ausgeführt, seine finanzielle Tragfähigkeit oder die Qualität der erbrachten Dienstleistung beeinträchtigen könnte oder sogar bereits im Stadium der Ausschreibung die Zahl der Bieter künstlich verringern könnte.

54

Hierzu ist zwar festzustellen, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts und in Bezug auf die Spezifikationen gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen in Art. 2a Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1370/2007, auf den das vorlegende Gericht in seiner Frage Bezug nimmt, verankert ist, die zuständigen nationalen Behörden den Erbringern von Verkehrsdienstleistungen, die mit der Erfüllung dieser Verpflichtungen betraut sind, keine Bedingungen etwa zu den Modalitäten der Ausgleichsleistung auferlegen dürfen, die überzogen oder unangemessen wären.

55

Daher muss nach diesem Grundsatz die Ausgleichsleistung, wie sich aus Rn. 51 des vorliegenden Urteils ergibt, nach Maßgabe des Risikos variieren, das der Erbringer des öffentlichen Dienstes zu tragen bereit ist.

56

Das Fehlen eines Mechanismus der regelmäßigen Indexierung der Kosten stellt jedoch für sich genommen keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar. Wie bereits in Rn. 50 des vorliegenden Urteils dargelegt, bestimmt nämlich ein Erbringer von Verkehrsdiensten, wenn er sich zur Teilnahme an einem solchen Verfahren entschließt, die Bedingungen seines Angebots selbst. Insbesondere obliegt es ihm, die Höhe des Risikos zu prüfen, das er angesichts der Modalitäten der Ausgleichsleistung, die im öffentlichen Dienstleistungsauftrag angeführt sind, insbesondere des Fehlens eines solchen Mechanismus, einzugehen bereit ist. Sollte eine zuständige nationale Behörde im Rahmen eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens Bedingungen vorsehen, die angesichts der vom betreffenden Erbringer des öffentlichen Dienstes zu tragenden Risiken unangemessen oder überzogen sind, wäre es folglich unwahrscheinlich, dass Angebote bei ihr eingereicht werden, so dass die Behörde diese Bedingungen ändern müsste, um sie mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang zu bringen.

57

Vorliegend ist jedoch, wie der Generalanwalt in Nr. 86 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nicht ersichtlich, dass das streitige Lastenheft solche unangemessenen oder überzogenen Bedingungen enthielt. Im Übrigen hat sich in der mündlichen Verhandlung herausgestellt, dass die zuständigen nationalen Behörden etwa 100 Angebote von Verkehrsunternehmen aus mehreren Mitgliedstaaten erhalten haben, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

58

Die in Rn. 53 des vorliegenden Urteils genannten Risiken gründen sich, wie die in Rn. 30 dieses Urteils wiedergegebenen Angaben des vorlegenden Gerichts bestätigen, darin, dass die Möglichkeit besteht, dass ein Erbringer von Personenverkehrsdiensten in der Hoffnung auf einen Zuschlag einen Auftragswert anbietet, der eine künftige Kostenerhöhung nicht hinreichend berücksichtigt. Die Möglichkeit, dass ein Erbringer dieser Dienste einen Preis anbietet, bei dem das Risiko besteht, dass er den Auftrag unmöglich in angemessener Weise erfüllen kann, wohnt jedoch jedem Ausschreibungsverfahren inne und kann je nach den Umständen des Einzelfalls gegebenenfalls dazu führen, dass Bestimmungen des Unionsrechts zur Anwendung kommen, nach denen die nationalen Behörden ungewöhnlich niedrige Angebote ausschließen dürfen. Diese Möglichkeit rechtfertigt hingegen nicht das Erfordernis, dass öffentliche Dienstleistungsverträge, die von den zuständigen nationalen Behörden im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags sowie nach einem offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Ausschreibungsverfahren geschlossen werden, stets einen Mechanismus zur regelmäßigen Indexierung enthalten, der automatisch eine vollständige Ausgleichsleistung für jede Erhöhung der mit ihrer Erfüllung verbundenen Kosten unabhängig davon gewährleistet, ob der Dienstleistungserbringer die Kontrolle über sie hat.

59

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Verordnung Nr. 1370/2007 dahin auszulegen ist, dass sie einer Ausgleichsregelung nicht entgegensteht, wonach die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags sowie nach einem offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Ausschreibungsverfahren nicht verpflichtet sind, einem Erbringer von Personenverkehrsdiensten, der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unterliegt, eine vollständige Ausgleichsleistung zu gewähren, die mittels einer regelmäßigen Indexierung jede sich seiner Kontrolle entziehende Kostenerhöhung im Zusammenhang mit der Verwaltung und der Erbringung dieses Dienstes deckt.

Kosten

60

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates in der durch die Verordnung (EU) 2016/2338 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 geänderten Fassung

 

ist wie folgt auszulegen:

 

Sie steht einer Ausgleichsregelung nicht entgegen, wonach die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags sowie nach einem offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Ausschreibungsverfahren nicht verpflichtet sind, einem Erbringer von Personenverkehrsdiensten, der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unterliegt, eine vollständige Ausgleichsleistung zu gewähren, die mittels einer regelmäßigen Indexierung jede sich seiner Kontrolle entziehende Kostenerhöhung im Zusammenhang mit der Verwaltung und der Erbringung dieses Dienstes deckt.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Lettisch.

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