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Document 62022CJ0349

    Urteil des Gerichtshofs (Achte Kammer) vom 16. November 2023.
    NM gegen Autoridade Tributária e Aduaneira.
    Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Arbitral Tributário (Centro de Arbitragem Administrativa - CAAD).
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 110 AEUV – Inländische Abgaben – Verbot diskriminierender Abgaben – Kraftfahrzeugsteuer – Aus anderen Mitgliedstaaten eingeführte Gebrauchtwagen – Anwendung unterschiedlicher Steuersätze in Abhängigkeit von dem Datum der Zulassung eines Fahrzeugs in Portugal.
    Rechtssache C-349/22.

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2023:888

     URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

    16. November 2023 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 110 AEUV – Inländische Abgaben – Verbot diskriminierender Abgaben – Kraftfahrzeugsteuer – Aus anderen Mitgliedstaaten eingeführte Gebrauchtwagen – Anwendung unterschiedlicher Steuersätze in Abhängigkeit von dem Datum der Zulassung eines Fahrzeugs in Portugal“

    In der Rechtssache C‑349/22

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Arbitral Tributário (Centro de Arbitragem Administrativa – CAAD) (Schiedsgericht für Steuersachen [Zentrum für Verwaltungsschiedsverfahren – ZVSV], Portugal) mit Entscheidung vom 23. Mai 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Mai 2022, in dem Verfahren

    NM

    gegen

    Autoridade Tributária e Aduaneira

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Piçarra sowie der Richter M. Safjan und N. Jääskinen (Berichterstatter),

    Generalanwalt: N. Emiliou,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    von NM, vertreten durch P. Carido, Advogado,

    der portugiesischen Regierung, vertreten durch P. Barros da Costa, A. Pimenta, A. Rodrigues und N. Vitorino als Bevollmächtigte,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Björkland und I. Melo Sampaio als Bevollmächtigte,

    aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 110 AEUV.

    2

    Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen NM und der Autoridade Tributária e Aduaneira (Steuer- und Zollbehörde, Portugal) (im Folgenden: Steuerbehörde) über einen nach dem Código do Imposto sobre Veículos (Kraftfahrzeugsteuergesetz) über die Entrichtung der Kraftfahrzeugsteuer (im Folgenden: Steuer) ergangenen Bescheid, der ein von NM nach Portugal eingeführtes Fahrzeug betrifft.

    Rechtlicher Rahmen

    3

    Art. 2 („Objektiver Anwendungsbereich“) Abs. 1 Buchst. a des Kraftfahrzeugsteuergesetzes bestimmt:

    „Die nachstehenden Fahrzeuge sind steuerpflichtig:

    a)

    Personenkraftwagen; als solche gelten zur Beförderung von Personen bestimmte Kraftwagen mit einem Bruttogewicht von bis zu 3500 [Kilogramm (kg)] und bis zu neun Sitzplätzen, einschließlich des Fahrersitzes.“

    4

    Art. 3 („Subjektiver Anwendungsbereich“) Abs. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes sieht vor:

    „Steuerpflichtig sind die zugelassenen und die anerkannten Händler sowie die Privatpersonen im Sinne dieses Gesetzes, die der Steuer unterliegende Fahrzeuge in den freien Verkehr überführen; als solche werden die Personen angesehen, in deren Namen die Zollerklärung für Fahrzeuge abgegeben wird.“

    5

    In Art. 5 („Steuertatbestand“) des Kraftfahrzeugsteuergesetzes heißt es:

    „(1)   Entstehungstatbestand der Steuer ist die Herstellung, Montage, Verbringung oder Einfuhr in das nationale Hoheitsgebiet von der Steuer unterliegenden Fahrzeugen, die in Portugal zulassungspflichtig sind.

    (3)   Im Sinne dieses Gesetzes bedeutet:

    a)

    ‚Verbringung‘ die Überführung eines Fahrzeugs, das aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union stammt oder dort in den freien Verkehr gebracht worden ist, in das nationale Hoheitsgebiet“.

    6

    Art. 6 („Fälligkeit“) des Kraftfahrzeugsteuergesetzes bestimmt:

    „(1)   In den in Abs. 1 des vorstehenden Artikels genannten Fällen tritt der Steueranspruch mit der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr ein, die zu den folgenden Zeitpunkten als erfolgt gilt:

    b)

    Zum Zeitpunkt der Abgabe der Zollerklärung für Fahrzeuge durch Privatpersonen.

    (3)   Der bei Eintritt des Steueranspruchs gültige Steuersatz ist anzuwenden.“

    7

    In Art. 7 („Regelsteuersätze – Kraftfahrzeuge“) Abs. 1 Buchst. a des Kraftfahrzeugsteuergesetzes heißt es:

    „I – Die Höhe der Steuer ist nach Maßgabe der Hubraum- und Umweltkomponenten in der nachstehenden Tabelle A festgelegt, die für folgende Fahrzeuge gilt:

    a)

    Kraftfahrzeuge, die zur Personenbeförderung bestimmt sind.“

    8

    In der Fassung der Lei n.o 82-D/2014 que procede à alteração das normas fiscais ambientais nos sectores da energia e emissões, transportes, água, resíduos, ordenamento do território, florestas e biodiversidade, introduzindo ainda um regime de tributação dos sacos de plástico e um regime de incentivo ao abate de veículos em fim de vida, no quadro de uma reforma da fiscalidade ambiental (Gesetz Nr. 82-D/2014 zur Änderung der Umweltsteuervorschriften in den Bereichen Energie und Emissionen, Verkehr, Wasser, Abfall, Raumordnung, Wälder und Biodiversität, mit dem im Rahmen einer Umweltsteuerreform ein System der Besteuerung von Kunststofftragetaschen sowie ein System von Umweltprämien am Ende der Lebensdauer von Kraftfahrzeugen eingeführt werden), vom 31. Dezember 2014 (Diário da República, Serie 1, Nr. 252 vom 31. Dezember 2014), die zwischen dem 1. Januar 2015 und dem 31. Dezember 2020 in Kraft war (im Folgenden: Gesetz Nr. 82-D/2014), sah Art. 8 („Zwischensteuersätze – Kraftfahrzeuge“) Abs. 1 Buchst. d des Kraftfahrzeugsteuergesetzes vor:

    „Für folgende Fahrzeuge gilt ein Zwischensteuersatz in Höhe der nachfolgenden Prozentsätze der Steuer, die sich aus Tabelle A in Abs. 1 des vorstehenden Artikels ergibt:

    d)

    25 % für Personenkraftwagen mit Plug‑In-Hybridmotoren, deren Batterie durch Anschließen an das Stromnetz aufgeladen werden kann und die eine eigenständige Reichweite von 25 Kilometern im elektrischen Betrieb aufweisen.“

    9

    In der Fassung der Lei n.o 75-B/2020, Orçamento do Estado para 2021 (Gesetz Nr. 75-B/2020 über den Staatshaushalt für das Jahr 2021) vom 31. Dezember 2020 (Diário da República, 1. Serie, Nr. 253 vom 31. Dezember 2020), die am 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist (im Folgenden: Gesetz Nr. 75-B/2020), bestimmt Art. 8 („Zwischensteuersätze – Kraftfahrzeuge“) Abs. 1 Buchst. d:

    „Für folgende Fahrzeuge gilt ein Zwischensteuersatz in Höhe der nachfolgenden Prozentsätze der Steuer, die sich aus Tabelle A in Abs. 1 des vorstehenden Artikels ergibt:

    d)

    25 % für Personenkraftwagen mit Plug‑In-Hybridmotoren, deren Batterie durch Anschließen an das Stromnetz aufgeladen werden kann und die eine eigenständige Reichweite von 50 Kilometern im elektrischen Betrieb sowie offizielle Emissionen unter 50g CO2/km aufweisen.“

    10

    Art. 11 („Steuersätze – Gebrauchtwagen“) des Kraftfahrzeugsteuergesetzes bestimmt:

    „(1)   Die Steuer auf Fahrzeuge mit einem von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zugeteilten endgültigen amtlichen Kennzeichen der Gemeinschaft wird nach den Vorschriften dieses Gesetzes vorläufig festgesetzt, wobei auf die sich aus der jeweiligen Tabelle ergebende Steuer die in Tabelle D aufgeführten Ermäßigungssätze angewandt werden, und zwar unter Berücksichtigung der Hubraum- und der Umweltkomponente und Einbeziehung der in Art. 7 Abs. 3 vorgesehenen Erhöhung, die mit der durchschnittlichen Marktwertminderung der Fahrzeuge auf dem Inlandsmarkt bzw. mit der durchschnittlichen Restnutzungsdauer der Fahrzeuge verknüpft sind:

    Tabelle D …“

    Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

    11

    Am 14. September 2018 wurde ein Kraftfahrzeug mit Plug‑In-Hybridmotor in Deutschland erstmals zugelassen.

    12

    Am 13. September 2021 reichte NM bei der zuständigen Zollbehörde eine Zollerklärung für dieses Fahrzeug zur Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr in Portugal ein.

    13

    Die zuständige Zollbehörde berechnete die Höhe der von NM zu entrichtenden Steuer auf der Grundlage der Hubraum- und Umweltkomponenten (Tabelle A) des Fahrzeugs sowie der Nutzungsdauer seit dessen Erstzulassung (Tabelle D). Am Ende dieser Berechnung stellte sie fest, dass für dieses Fahrzeug die volle Steuer in Höhe von 2928,28 Euro anfalle, und erließ einen entsprechenden Zahlungsbescheid.

    14

    NM entrichtete die in dem ihm von der zuständigen Zollbehörde bekannt gegebenen Zahlungsbescheid ausgewiesene Steuer. Daraufhin beantragte er beim Präsidenten des Centro de Arbitragem Administrativa (Zentrum für Verwaltungsschiedsverfahren, Portugal) die Bildung eines Schiedsgerichts, um gegen diesen Zahlungsbescheid vorzugehen.

    15

    Der Antrag von NM wurde dem Tribunal Arbitral Tributário (Centro de Arbitragem Administrativa – CAAD) (Schiedsgericht für Steuerangelegenheiten [Zentralstelle für das Verwaltungsschiedsverfahren – ZVSV], Portugal) – dem vorlegenden Gericht – übermittelt.

    16

    NM macht im Wesentlichen geltend, dass zum Zeitpunkt der Erstzulassung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Fahrzeugs am 14. September 2018 Art. 8 Abs. 1 Buchst. d des Kraftfahrzeugsteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes Nr.82-D/2014 in Kraft gewesen sei und dass nach dem Wortlaut dieses Artikels ein ermäßigter Steuersatz in Höhe von 25 % der Steuer auf Kraftfahrzeuge mit Plug‑In-Hybridmotor, die eine eigenständige Reichweite von 25 Kilometern im elektrischen Betrieb aufwiesen, anwendbar gewesen sei. Dagegen sei zu dem Zeitpunkt, zu dem er eine Zollerklärung für dieses Fahrzeug abgegeben habe, Art. 8 Abs. 1 Buchst. d des Kraftfahrzeugsteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes Nr. 75-B/2020 anwendbar gewesen. Anders als die im Jahr 2018 geltende Fassung dieses Artikels ermögliche diese Bestimmung aber nicht mehr die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes von 25 % dieser Steuer auf Fahrzeuge, die gleichartige Merkmale wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Fahrzeug aufwiesen. Folglich werde ein Fahrzeug mit solchen Merkmalen, das ursprünglich in einem anderen Mitgliedstaat der Union zugelassen und anschließend nach Portugal eingeführt worden sei, ungünstiger behandelt als ein Fahrzeug mit gleichartigen Merkmalen, das ursprünglich in Portugal erworben und zugelassen worden sei, da das erstgenannte Fahrzeug nicht in den Genuss der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von 25 % dieser Steuer kommen könne. Ursprünglich in einem anderen Mitgliedstaat der Union zugelassene Fahrzeuge seien mithin finanziell schwerer belastet als Fahrzeuge mit gleichartigen Merkmalen, die ursprünglich in Portugal zugelassen worden seien, was nicht mit Art. 110 AEUV vereinbar sei.

    17

    Dagegen weist die Steuerbehörde darauf hin, dass der Entstehungstatbestand der Steuer die Verbringung eines Fahrzeugs in das portugiesische Hoheitsgebiet sei, das dort einer Zulassungspflicht unterliege, und dass der Steueranspruch bei der Überführung dieses Fahrzeugs in den steuerrechtlich freien Verkehr in Portugal eintrete. Daher sei erst zu diesem Zeitpunkt zu beurteilen, ob ein bestimmtes Fahrzeug die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes in Höhe von 25 % der Steuer erfülle oder nicht. Außerdem liege kein Verstoß gegen Art. 110 AEUV vor, wenn der Betrag der Steuer, die bei der Verbringung eines aus einem anderen Mitgliedstaat stammenden Gebrauchtwagens in das portugiesische Hoheitsgebiet erhoben werde, nicht den Restwert dieser Steuer übersteige, die im Preis gleichartiger im Inland bereits zugelassener Gebrauchtwagen enthalten sei; dies treffe auf den Steuerbetrag zu, der im Fall des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Fahrzeugs erhoben worden sei.

    18

    Unter diesen Umständen hat das Tribunal Arbitral Tributário (Centro de Arbitragem Administrativa – CAAD) (Schiedsgericht für Steuerangelegenheiten [Zentralstelle für das Verwaltungsschiedsverfahren – ZVSV]) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    Läuft es Art. 110 AEUV zuwider, wenn die nationale Rechtsvorschrift von Art. 8 Abs. 1 Buchst. d des Código do Imposto sobre Veículos (Kraftfahrzeugsteuergesetz) – nach der für Personenkraftwagen, die bestimmte Umweltkriterien erfüllen, die Steuer auf 25 % ermäßigt wird – in der ab 1. Januar 2021 geltenden Fassung, die restriktiver ist als die bisher geltende, sowohl für inländische Neufahrzeuge als auch für Gebrauchtfahrzeuge aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die ab diesem Zeitpunkt erstmals in Portugal zugelassen werden, gilt und Anwendung findet, wobei sie diese Fahrzeuge steuerlich gleichbehandelt, aber zu einer Situation führt, in der eine Ungleichheit gesehen werden kann, und zwar zwischen Gebrauchtfahrzeugen mit gleicher Nutzungsdauer, die die bisher geltenden weniger strengen Umweltkriterien erfüllen, nicht jedoch die des neuen Gesetzes, je nachdem, ob sie a) ursprünglich vor dem Inkrafttreten der neuen Fassung in Portugal vermarktet und zugelassen wurden – in diesem Fall ist die Steuer auf 25 % ermäßigt, was sich im Preis beim Verkauf als Gebrauchtwagen niederschlagen dürfte – oder b) zu einem Zeitpunkt, zu dem die vorherige Fassung in Kraft war, in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen wurden und nach diesem Zeitpunkt in Portugal in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt wurden – in diesem Fall werden sie zu einem Satz von 100 % besteuert?

    Zur Vorlagefrage

    19

    Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 110 AEUV dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass zum Zeitpunkt der Überführung eines erstmals in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeugs in den steuerrechtlich freien Verkehr in einem Mitgliedstaat eine Kraftfahrzeugsteuer nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften berechnet wird, obwohl zum Zeitpunkt der erstmaligen Zulassung dieses Fahrzeugs eine frühere Fassung der Regelung über diese Steuer in Kraft war, die die Erhebung einer niedrigeren Steuer zur Folge hätte und auf gleichartige, aber in dem letztgenannten Mitgliedstaat erstmals zugelassene Fahrzeuge mit den gleichen maßgeblichen Merkmalen wie dieses Fahrzeug anwendbar war.

    20

    Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die Besteuerung von Kraftfahrzeugen – abgesehen von bestimmten Ausnahmen, die hier nicht einschlägig sind – auf Unionsebene nicht harmonisiert worden ist. Die Mitgliedstaaten sind daher in der Ausübung ihrer Steuerhoheit auf diesem Gebiet frei, sofern sie dabei das Unionsrecht beachten (Urteil vom 19. September 2017, Kommission/Irland [Zulassungssteuer], C‑552/15, EU:C:2017:698, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    21

    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs stellt darüber hinaus eine Kraftfahrzeugsteuer, die von einem Mitgliedstaat bei der Zulassung solcher Fahrzeuge zum Zweck ihrer Inbetriebnahme in seinem Hoheitsgebiet erhoben wird, weder einen Zoll noch eine Abgabe zollgleicher Wirkung im Sinne der Art. 28 und 30 AEUV dar. Eine solche Steuer kann zudem auch nicht an Art. 34 AEUV gemessen werden, der mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen mit gleicher Wirkung verbietet. Eine Steuer wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende ist nämlich eine inländische Abgabe und daher an Art. 110 AEUV zu messen (Urteile vom 7. April 2011, Tatu, C‑402/09, EU:C:2011:219, Rn. 32 und 33, und vom 17. Dezember 2015, Viamar, C‑402/14, EU:C:2015:830, Rn. 33 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

    22

    Das Ziel von Art. 110 AEUV besteht darin, den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten unter normalen Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten. Diese Vorschrift soll jede Form des Schutzes beseitigen, die aus einer inländischen Abgabe – insbesondere einer solchen, die Waren aus anderen Mitgliedstaaten diskriminiert – folgen könnte (Urteil vom 14. April 2015, Manea, C‑76/14, EU:C:2015:216, Rn. 28). Ein Verstoß gegen diese Vorschrift liegt vor, wenn die Steuer auf das eingeführte Erzeugnis und die Steuer auf das gleichartige inländische Erzeugnis in unterschiedlicher Weise und nach unterschiedlichen Modalitäten berechnet werden, so dass das eingeführte Erzeugnis – und sei es auch nur in bestimmten Fällen – höher belastet wird (Urteil vom 2. September 2021, Kommission/Portugal [Kraftfahrzeugsteuer], C‑169/20, EU:C:2021:679, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    23

    Insbesondere soll Art. 110 AEUV im Bereich der Besteuerung von eingeführten Gebrauchtfahrzeugen die vollkommene Wettbewerbsneutralität der inländischen Abgaben für bereits auf dem inländischen Markt befindliche und für eingeführte Waren gewährleisten und verpflichtet somit jeden Mitgliedstaat, die Steuern auf Kraftfahrzeuge so zu wählen und auszugestalten, dass ihre Wirkung nicht darin besteht, den Verkauf inländischer Gebrauchtwagen zu fördern und damit die Einfuhr gleichartiger Gebrauchtwagen zu erschweren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. April 2011, Tatu, C‑402/09, EU:C:2011:219, Rn. 56, und Beschluss vom 17. April 2018, dos Santos, C‑640/17, EU:C:2018:275, Rn. 17).

    24

    Bei den Kraftfahrzeugen, die sich auf dem Markt eines Mitgliedstaats befinden, handelt es sich um inländische Waren dieses Mitgliedstaats im Sinne von Art. 110 AEUV. Werden diese Waren auf dem Gebrauchtwagenmarkt dieses Mitgliedstaats zum Verkauf angeboten, sind sie als eingeführten Gebrauchtwagen desselben Typs mit denselben Eigenschaften und derselben Abnutzung gleichartige Waren anzusehen. Denn bei den auf dem Markt dieses Mitgliedstaats erworbenen und den in anderen Mitgliedstaaten zum Zweck der Einfuhr und des Inverkehrbringens in diesem Mitgliedstaat erworbenen Gebrauchtfahrzeugen handelt es sich um konkurrierende Waren (Urteil vom 7. April 2011, Tatu, C‑402/09, EU:C:2011:219, Rn. 55, und Beschluss vom 17. April 2018, dos Santos, C‑640/17, EU:C:2018:275, Rn. 16).

    25

    Somit liegt ein Verstoß gegen Art. 110 AEUV vor, wenn der Betrag der Steuer, die auf ein aus einem anderen Mitgliedstaat eingeführtes Gebrauchtfahrzeug erhoben wird, den Restwert der Steuer übersteigt, der im Wert im Inland bereits zugelassener gleichartiger Gebrauchtfahrzeuge enthalten ist. In einem solchen Fall bestünde nämlich die Gefahr, dass der Verkauf inländischer Gebrauchtwagen gefördert und damit die Einfuhr gleichartiger Gebrauchtwagen erschwert wird (Urteil vom 19. Dezember 2013, X, C‑437/12, EU:C:2013:857, Rn. 31 und 32 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

    26

    Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Angaben zum einen hervor, dass es sich bei der Steuer um eine Verbrauchsteuer handelt, die auf jedes in Portugal zulassungspflichtige Fahrzeug erhoben wird, und dass der Steueranspruch zu dem Zeitpunkt eintritt, zu dem ein solches Fahrzeug dort in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt wird. Diese Steuer ist somit auf Neuwagen und eingeführte Gebrauchtwagen anwendbar, da sie nur einmal bei der Überführung eines bestimmten Fahrzeugs in den steuerrechtlich freien Verkehr im portugiesischen Hoheitsgebiet erhoben wird.

    27

    Zum anderen führt das vorlegende Gericht aus, dass Art. 8 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes nach der Erstzulassung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Fahrzeugs in Deutschland, aber vor seiner Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr in Portugal, geändert worden sei. Mit dieser Änderung sollten die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit ein Fahrzeug in den Genuss der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von 25 % der Steuer kommen kann, strenger gestaltet werden.

    28

    Wie sich nämlich aus dem Vorabentscheidungsersuchen ergibt, konnte ein solches Fahrzeug nach der Regelung, die zum Zeitpunkt der Erstzulassung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Fahrzeugs in Deutschland nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. d des Kraftfahrzeugsteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes Nr. 82-D/2014 in Portugal galt, in den Genuss der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von 25 % der Steuer kommen. Dagegen erfüllte das Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr in Portugal nicht die für die Anwendung eines solchen ermäßigten Steuersatzes gemäß der Regelung in Art. 8 Abs. 1 Buchst. d des Kraftfahrzeugsteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes Nr. 75-B/2020 vorgesehenen Voraussetzungen.

    29

    Daraus folgt, dass auf Gebrauchtwagen desselben Typs mit denselben Eigenschaften und derselben Abnutzung, bei denen es sich somit um gleichartige Waren im Sinne der in Rn. 24 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung handelt, die Steuer zu einem unterschiedlichen Steuersatz erhoben werden kann, je nachdem, ob sie vor oder nach der in den Rn. 27 und 28 des vorliegenden Urteils beschriebenen Gesetzesänderung in den steuerrechtlich freien Verkehr in Portugal überführt worden sind.

    30

    In diesem Zusammenhang ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob zum Zeitpunkt der Überführung eines aus einem anderen Mitgliedstaat stammenden Gebrauchtwagens in den steuerrechtlich freien Verkehr in Portugal eine solche Durchführung der Steuerregelung nicht dazu führt, dass die auf diesen Gebrauchtwagen erhobene Steuer höher ist als der Restwert dieser Steuer, der im Wert im Inland bereits zugelassener gleichartiger Gebrauchtfahrzeuge enthalten ist, und somit nicht die Gefahr besteht, dass der Verkauf inländischer Gebrauchtwagen gefördert und die Einfuhr gleichartiger Gebrauchtwagen im Sinne der in Rn. 25 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung erschwert wird.

    31

    Erstens wird das vorlegende Gericht zu berücksichtigen haben, dass die Steuer bei der Einfuhr eines solchen Fahrzeugs aus einem anderen Mitgliedstaat und dessen Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr in voller Höhe erhoben wird, selbst wenn das Fahrzeug zu dem Zeitpunkt, zu dem es erstmals in diesem anderen Mitgliedstaat zugelassen wurde, die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von 25 % dieser Steuer erfüllte. Zudem wird es zu berücksichtigen haben, dass der Erwerber eines gleichartigen Gebrauchtwagens, der sich bereits auf dem portugiesischen Markt befindet, nur den Betrag der Reststeuer zu tragen hat, der im Marktwert des von ihm erworbenen Fahrzeugs enthalten ist, wobei der Wert dieser Steuer im Übrigen an einen solchen ermäßigten Steuersatz geknüpft ist, der bei der erstmaligen Überführung dieses Fahrzeugs in den steuerrechtlich freien Verkehr entrichtet wurde.

    32

    Insoweit ist auf die Klarstellung des Gerichtshofs hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten keine neuen Steuern einführen oder an bestehenden Steuern keine Änderungen vornehmen dürfen, die das Ziel oder die Wirkung haben, den Verkauf eingeführter Waren zugunsten des Verkaufs gleichartiger, auf dem nationalen Markt verfügbarer Waren, die dort eingeführt wurden, bevor diese Steuern oder Änderungen Geltung erlangten, zu erschweren (Urteil vom 19. Dezember 2013, X, C‑437/12, EU:C:2013:857, Rn. 35).

    33

    Zweitens geht aus den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts hervor, dass die Modalitäten der Berechnung der Steuer schrittweise durch mehrere Gesetzesreformen geändert wurden, damit deren Umweltkomponente nunmehr den Wertverlust berücksichtigt, der sich aus der Nutzungsdauer der nach Portugal eingeführten Gebrauchtwagen ergibt.

    34

    Solche Gesetzesreformen allein erscheinen jedoch vorbehaltlich der Prüfungen, die das vorlegende Gericht vorzunehmen haben wird, nicht geeignet, eine mit Art. 110 AEUV vereinbare Erhebung der Steuer zu gewährleisten. Wie sich im Wesentlichen aus Rn. 31 des vorliegenden Urteils ergibt, umfasst nämlich der Marktwert der Fahrzeuge, die dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden gleichartig sind, die ebenfalls auf dem portugiesischen Gebrauchtwagenmarkt vermarktet werden und die bei ihrer Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr in den Genuss des ermäßigten Steuersatzes in Höhe von 25 % der Steuer gekommen sind, den Restwert dieser Steuer. Ein solcher Restwert ist jedoch anhand des Steuersatzes zu berechnen, zu dem diese Steuer entrichtet wurde.

    35

    Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 110 AEUV dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass zum Zeitpunkt der Überführung eines erstmals in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeugs in den steuerrechtlich freien Verkehr in einem Mitgliedstaat eine Kraftfahrzeugsteuer nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften berechnet wird, obwohl zum Zeitpunkt der erstmaligen Zulassung dieses Fahrzeugs eine frühere Fassung der Regelung über diese Steuer in Kraft war, die die Erhebung einer niedrigeren Steuer zur Folge hätte und auf gleichartige, aber erstmals in dem letztgenannten Mitgliedstaat zugelassene Fahrzeuge mit den gleichen maßgeblichen Merkmalen wie dieses Fahrzeug anwendbar war, wenn und soweit der Betrag der auf dasselbe eingeführte Fahrzeug erhobenen Steuer den Restwert der Steuer übersteigt, der im Wert gleichartiger inländischer Fahrzeuge enthalten ist, die sich auf dem inländischen Gebrauchtwagenmarkt befinden.

    Kosten

    36

    Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

     

    Art. 110 AEUV ist dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass zum Zeitpunkt der Überführung eines erstmals in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeugs in den steuerrechtlich freien Verkehr in einem Mitgliedstaat eine Kraftfahrzeugsteuer nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften berechnet wird, obwohl zum Zeitpunkt der erstmaligen Zulassung dieses Fahrzeugs eine frühere Fassung der Regelung über diese Steuer in Kraft war, die die Erhebung einer niedrigeren Steuer zur Folge hätte und auf gleichartige, aber erstmals in dem letztgenannten Mitgliedstaat zugelassene Fahrzeuge mit den gleichen maßgeblichen Merkmalen wie dieses Fahrzeug anwendbar war, wenn und soweit der Betrag der auf dasselbe eingeführte Fahrzeug erhobenen Steuer den Restwert der Steuer übersteigt, der im Wert gleichartiger inländischer Fahrzeuge enthalten ist, die sich auf dem inländischen Gebrauchtwagenmarkt befinden.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Portugiesisch.

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