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Document 62022CC0611

    Schlussanträge des Generalanwalts N. Emiliou vom 21. März 2024.
    Illumina, Inc. und Grail LLC gegen Europäische Kommission.
    Rechtsmittel – Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Markt der Arzneimittelindustrie – Systeme zur Gensequenzierung – Erwerb der ausschließlichen Kontrolle über die Grail LLC durch die Illumina Inc. – Verordnung (EG) Nr. 139/2004 – Art. 22 – Verweisungsantrag einer nationalen Wettbewerbsbehörde, die nach nationalem Recht für die Prüfung des Zusammenschlusses nicht zuständig ist – Beschluss der Europäischen Kommission, diesen Zusammenschluss zu prüfen – Beschlüsse der Kommission, mit denen den Anträgen anderer nationaler Wettbewerbsbehörden, sich dem Verweisungsantrag anzuschließen, stattgegeben wird – Zuständigkeit der Kommission – Rechtssicherheit.
    Verbundene Rechtssachen C-611/22 P und C-625/22 P.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2024:264

    Vorläufige Fassung

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    NICHOLAS EMILIOU

    vom 21. März 2024(1)

    Verbundene Rechtssachen C611/22 P und C625/22 P

    Illumina, Inc.

    gegen

    Europäische Kommission (C611/22 P)

    und

    Grail LLC

    gegen

    Illumina, Inc.,

    Europäische Kommission (C625/22 P)

    „Rechtsmittel – Wettbewerb – Unternehmenszusammenschlüsse – Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 – Zusammenschlüsse, die keine gemeinschaftsweite Bedeutung haben – Verweisungsantrag einer Wettbewerbsbehörde, die nach den nationalen Rechtsvorschriften nicht zuständig ist – Beschluss der Kommission, den Zusammenschluss zu prüfen – Zuständigkeit der Kommission – Frist für die Stellung des Verweisungsantrags – Pflicht zum Tätigwerden innerhalb angemessener Frist – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Verteidigungsrechte – Vertrauensschutz“






    I.      Einleitung

    1.        Die meisten modernen Kartellgesetze, sowohl in der Europäischen Union als auch andernorts, stützen sich auf drei Arten von Bestimmungen: Bestimmungen über Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen, Bestimmungen über einseitige Verhaltensweisen (oder den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung) und Bestimmungen über die Fusionskontrolle.

    2.        Die Besonderheit bei Bestimmungen über die Fusionskontrolle besteht darin, dass sie die zuständigen Stellen (der Verwaltung und/oder der Justiz) anders als die beiden anderen Gruppen von Bestimmungen im Allgemeinen zur Vornahme einer Form der Ex-ante-Prüfung, und nicht der Ex-post-Prüfung, der Frage verpflichten, ob ein beabsichtigter Zusammenschluss im Fall seines Vollzugs zu einer erheblichen Beeinträchtigung des wirksamen Wettbewerbs führen könnte. Es handelt sich um eine besonders komplexe und aufwändige technische Bewertung, „die sich nicht auf die Anwendung genauer wissenschaftlicher Regeln, sondern auf diskutierbare Kriterien und Grundsätze … stützt“, mit der „eine … Vorausschau bezüglich der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf Struktur und Dynamik des Wettbewerbs in den fraglichen Märkten [vorgenommen] und dabei die zahlreichen, in ständiger Entwicklung begriffenen Faktoren [berücksichtigt werden sollen], die sich auf die künftigen Entwicklungen von Angebot und Nachfrage in diesen Märkten auswirken können“(2).

    3.        Diese Beurteilung muss jedoch innerhalb kürzester Zeit erfolgen. Um die Wirksamkeit des Systems zu wahren, verpflichten die meisten rechtlichen Regelungen, einschließlich derjenigen der Europäischen Union, die beteiligten Unternehmen dazu, das Vorhaben bei den zuständigen Behörden anzumelden und seinen Vollzug auszusetzen, bis sie die Genehmigung dieser Behörden erhalten. Die Anmeldung und die Aussetzung verursachen erhebliche Kosten und bringen bestimmte Risiken für die beteiligten Unternehmen mit sich.

    4.        Vor diesem Hintergrund sind die vom Gesetzgeber gewählte Art der Schwellenwerte und die von ihm festgelegten relativen Beträge, bei deren Erreichung für die fusionierenden Unternehmen die Pflichten zur Anmeldung und zum Aufschub entstehen, von entscheidender Bedeutung für das ordnungsgemäße Funktionieren des Systems. Diese Schwellenwerte haben eine doppelte Funktion: Sie sollen einen „lokalen Bezug“ gewährleisten, durch den das Tätigwerden der betreffenden Behörden gerechtfertigt wird, und sie sollen die Vorhaben herausfiltern, die potenziell von Interesse sind. Idealerweise sollten die Schwellenwerte leicht zu berechnen sein (um Unsicherheiten darüber zu vermeiden, ob ein bestimmtes Vorhaben angemeldet werden muss) und in einer Höhe festgelegt werden, die gleichzeitig zum einen die Zahl der Vorhaben minimiert, die vom System erfasst werden, bei denen wettbewerbsrechtliche Bedenken jedoch unwahrscheinlich sind, und die zum anderen die Zahl der Vorhaben minimiert, die vom System nicht erfasst werden, bei denen solche Bedenken jedoch bestehen könnten(3).

    5.        Das Unionsystem der Fusionskontrolle, das in der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („E[U]-Fusionskontrollverordnung“) (im Folgenden: EU-Fusionskontrollverordnung)(4) geregelt ist, stützt sich in erster Linie auf den Umsatz der fusionierenden Unternehmen. Diese Verordnung enthält jedoch Bestimmungen, die die Europäische Kommission ausnahmsweise ermächtigen, Zusammenschlüsse zu prüfen, die die betreffenden Umsatzschwellenwerte nicht erreichen, wenn Zusammenschlüsse, gegebenenfalls auf entsprechende Aufforderung der Kommission, von den Behörden der Mitgliedstaaten an dieses Organ verwiesen werden. Die vorliegende Rechtssache betrifft in erster Linie die Definition der Bedeutung und des Anwendungsbereichs einer dieser Bestimmungen, nämlich Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung. Im Kern geht es im vorliegenden Verfahren um folgende zentrale Frage: Ist die Kommission durch diese Bestimmung befugt, eine Fusion zu prüfen, die von den Behörden eines Mitgliedstaats an sie verwiesen wurde, wenn die Letzteren für ihre Prüfung nicht zuständig sind, da die betreffende Fusion die Schwellenwerte nach ihren nationalen Rechtsvorschriften über die Fusionskontrolle nicht erreicht?

    6.        Auch wenn die Frage einfach erscheinen mag, liegt ihre richtige Beantwortung keineswegs auf der Hand. Es bedarf einer sorgfältigen hermeneutischen Prüfung, um die richtige Auslegung von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung zu ermitteln. Hierzu sind nicht nur der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, die Systematik und der Zweck dieser Bestimmung zu untersuchen, sondern auch die Grundgedanken des EU-Fusionskontrollsystems sowie bestimmte fundamentale Grundsätze des Unionsrechts zu berücksichtigen (wie das institutionelle Gleichgewicht, die Subsidiarität, die Rechtssicherheit, die Territorialität, usw.). Nicht zuletzt kann die Bedeutung kaum überschätzt werden, die der Antwort auf diese Frage für das richtige und wirksame Funktionieren des EU-Fusionskontrollsystems zukommen kann.

    II.    Unionsrecht

    7.        Art. 22 („Verweisung an die Kommission“) der EU-Fusionskontrollverordnung bestimmt:

    „(1)      Auf Antrag eines oder mehrerer Mitgliedstaaten kann die Kommission jeden Zusammenschluss im Sinne von Artikel 3 prüfen, der keine gemeinschaftsweite Bedeutung im Sinne von Artikel 1 hat, aber den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb im Hoheitsgebiet des beziehungsweise der antragstellenden Mitgliedstaaten erheblich zu beeinträchtigen droht.

    Der Antrag muss innerhalb von 15 Arbeitstagen, nachdem der Zusammenschluss bei dem betreffenden Mitgliedstaat angemeldet oder, falls eine Anmeldung nicht erforderlich ist, ihm anderweitig zur Kenntnis gebracht worden ist, gestellt werden.

    (2)      Die Kommission unterrichtet die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und die beteiligten Unternehmen unverzüglich von einem nach Absatz 1 gestellten Antrag.

    Jeder andere Mitgliedstaat kann sich dem ersten Antrag innerhalb von 15 Arbeitstagen, nachdem er von der Kommission über diesen informiert wurde, anschließen.

    (3)      Die Kommission kann spätestens zehn Arbeitstage nach Ablauf der Frist gemäß Absatz 2 beschließen, den Zusammenschluss zu prüfen, wenn dieser ihrer Ansicht nach den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb im Hoheitsgebiet des bzw. der Antrag stellenden Mitgliedstaaten erheblich zu beeinträchtigen droht. Trifft die Kommission innerhalb der genannten Frist keine Entscheidung, so gilt dies als Entscheidung, den Zusammenschluss gemäß dem Antrag zu prüfen.

    Die Kommission unterrichtet alle Mitgliedstaaten und die beteiligten Unternehmen von ihrer Entscheidung. Sie kann eine Anmeldung gemäß Artikel 4 verlangen.

    Das innerstaatliche Wettbewerbsrecht des bzw. der Mitgliedstaaten, die den Antrag gestellt haben, findet auf den Zusammenschluss nicht mehr Anwendung.

    (4)      Wenn die Kommission einen Zusammenschluss gemäß Absatz 3 prüft, finden Artikel 2, Artikel 4 Absätze 2 und 3, die Artikel 5 und 6 sowie die Artikel 8 bis 21 Anwendung. Artikel 7 findet Anwendung, soweit der Zusammenschluss zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission den beteiligten Unternehmen mitteilt, dass ein Antrag eingegangen ist, noch nicht vollzogen worden ist.

    Ist eine Anmeldung nach Artikel 4 nicht erforderlich, beginnt die Frist für die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 10 Absatz 1 an dem Arbeitstag, der auf den Arbeitstag folgt, an dem die Kommission den beteiligten Unternehmen ihre Entscheidung mitteilt, den Zusammenschluss gemäß Absatz 3 zu prüfen.

    (5)      Die Kommission kann einem oder mehreren Mitgliedstaaten mitteilen, dass ein Zusammenschluss nach ihrem Dafürhalten die Kriterien des Absatzes 1 erfüllt. In diesem Fall kann die Kommission diesen Mitgliedstaat beziehungsweise diese Mitgliedstaaten auffordern, einen Antrag nach Absatz 1 zu stellen.“

    8.        Der jetzt in Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung geregelte Verweisungsmechanismus wurde ursprünglich in Art. 22 („Anwendung dieser Verordnung“) Abs. 3 bis 6 der EG-Fusionskontrollverordnung von 1989 (im Folgenden: EG-Fusionskontrollverordnung)(5) eingeführt, die anschließend durch die Verordnung (EG) Nr. 1310/97 des Rates geändert wurde(6). Die EG-Fusionskontrollverordnung wurde anschließend mit Wirkung vom 1. Mai 2004 durch die EU-Fusionskontrollverordnung aufgehoben.

    III. Sachverhalt

    9.        Der wesentliche, im Urteil in der Rechtssache T‑227/21, Illumina/Kommission (im Folgenden: angefochtenes Urteil)(7) dargestellte Sachverhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen.

    10.      Am 20. September 2020 schloss Illumina – ein US-amerikanisches Unternehmen, das sequenzierungs- und datengestützte Lösungen für die genetische und genomische Analyse vermarktet – einen Fusionsvertrag und ‑plan mit dem Ziel der Erlangung der ausschließlichen Kontrolle über die Grail LLC (vormals Grail, Inc.), die Bluttests für die Früherkennung von Krebs entwickelt und an der sie bereits mit 14,5 % des Kapitals beteiligt war (im Folgenden: in Rede stehender Zusammenschluss). Am 21. September 2020 veröffentlichten Illumina und Grail (im Folgenden: Rechtsmittelführerinnen) eine Pressemitteilung, in der sie diesen Zusammenschluss bekanntgaben.

    11.      Da der Umsatz der Rechtsmittelführerinnen die einschlägigen Schwellenwerte nicht überstieg, insbesondere angesichts des Umstands, dass Grail weder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union noch anderswo in der Welt Einnahmen erwirtschaftete, hatte der in Rede stehende Zusammenschluss keine europaweite Bedeutung im Sinne von Art. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung und wurde daher bei der Kommission nicht angemeldet. Der in Rede stehende Zusammenschluss wurde auch nicht in den Mitgliedstaaten der Union oder den Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum(8) angemeldet, da er nicht in den Geltungsbereich ihrer innerstaatlichen Vorschriften für die Fusionskontrolle fiel.

    12.      Nach Eingang einer gegen den in Rede stehenden Zusammenschluss gerichteten Beschwerde im Dezember 2020 führte die Kommission Gespräche mit dem Beschwerdeführer, einer Reihe nationaler Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten und mit der Competition and Markets Authority des Vereinigten Königreichs.

    13.      Am 19. Februar 2021 unterrichtete die Kommission die Mitgliedstaaten über den in Rede stehenden Zusammenschluss und übermittelte ihnen ein Schreiben gemäß Art. 22 Abs. 5 der EU-Fusionskontrollverordnung (im Folgenden: Aufforderungsschreiben). In diesem Schreiben erläuterte die Kommission, weshalb sie prima facie der Ansicht sei, dass der Zusammenschluss die Voraussetzungen nach Art. 22 Abs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung erfülle, und forderte die Mitgliedstaaten auf, einen Verweisungsantrag zu stellen.

    14.      Im Rahmen eines Telefongesprächs vom 4. März 2021 unterrichtete die Kommission den gesetzlichen Vertreter der beiden Rechtsmittelführerinnen über das Aufforderungsschreiben und über die Möglichkeit eines Verweisungsantrags nach Art. 22 Abs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung.

    15.      Am 9. März 2021 beantragte die Autorité de la concurrence française (französische Wettbewerbsbehörde; im Folgenden: ACF) bei der Kommission nach Art. 22 Abs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung, den in Rede stehenden Zusammenschluss zu prüfen (im Folgenden: Verweisungsantrag). Am 10. März 2021 unterrichtete die Kommission gemäß Art. 22 Abs. 2 der EU-Fusionskontrollverordnung die nationalen Wettbewerbsbehörden sowie die EFTA-Überwachungsbehörde über den Verweisungsantrag. Am 11. März 2021 unterrichtete die Kommission auch die Rechtsmittelführerinnen über den Verweisungsantrag und wies darauf hin, dass der in Rede stehende Zusammenschluss nicht vollzogen werden könne, sofern und soweit die Verpflichtung zum Aufschub nach Art. 7 der EU-Fusionskontrollverordnung in Verbindung mit Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 2 der Verordnung bestehe (im Folgenden: Informationsschreiben).

    16.      Am 16. und 29. März 2021 reichten die Rechtsmittelführerinnen bei der Kommission eine Stellungnahme ein, mit der sie dem Verweisungsantrag entgegentraten. Am 2., 7. und 12. April 2021 beantwortete Illumina die Auskunftsverlangen, die die Kommission am 26. März und 8. April 2021 an sie gerichtet hatte.

    17.      Mit Schreiben vom 24., 26. und 31. März 2021 beantragten die belgische, die griechische, die isländische, die niederländische und die norwegische Wettbewerbsbehörde, sich dem Verweisungsantrag gemäß Art. 22 Abs. 2 der EU-Fusionskontrollverordnung anzuschließen (im Folgenden: Anträge auf Anschließung).

    18.      Am 31. März 2021 veröffentlichte die Kommission die Mitteilung „Leitfaden zur Anwendung des Verweisungssystems nach Artikel 22 der [EU‑]Fusionskontrollverordnung auf bestimmte Kategorien von Vorhaben“(9).

    19.      Mit Beschlüssen vom 19. April 2021 gab die Kommission dem Verweisungsantrag und den Anträgen auf Anschließung statt. Mit diesen Beschlüssen stellte die Kommission fest, dass i) der Verweisungsantrag innerhalb der in Art. 22 Abs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung bestimmten Frist von 15 Arbeitstagen eingereicht worden sei, ii) die Anträge auf Anschließung die in Art. 22 Abs. 2 der EU-Fusionskontrollverordnung bestimmte Frist wahrten und iii) der in Rede stehende Zusammenschluss die Voraussetzungen für eine Verweisung nach Art. 22 Abs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung erfülle; ferner iv) wies die Kommission das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zu einem angeblichen Verstoß gegen ihre Verteidigungsrechte und andere allgemeine Grundsätze des Unionsrechts als unbegründet zurück.

    IV.    Verfahren vor dem Gericht, angefochtenes Urteil und Verfahren vor dem Gerichtshof

    20.      Mit am 28. April 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift beantragte Illumina, das Informationsschreiben, den Beschluss, der Verweisung durch die ACF stattzugeben, sowie die Beschlüsse, den Anträgen auf Anschließung stattzugeben (im Folgenden: angefochtene Beschlüsse), für nichtig zu erklären.

    21.      Mit Beschlüssen und Entscheidungen des Präsidenten der Dritten erweiterten Kammer des Gerichts wurden i) Grail als Streithelferin zur Unterstützung von Illumina zugelassen, ii) die Hellenische Republik, die Französische Republik, das Königreich der Niederlande und die EFTA-Überwachungsbehörde als Streithelfer zur Unterstützung der Kommission zugelassen und iii) der Antrag der Computer & Communications Industry Association auf Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung von Illumina zurückgewiesen.

    22.      Illumina beantragte, unterstützt durch Grail, die angefochtenen Beschlüsse sowie das Informationsschreiben für nichtig zu erklären und der Kommission die Kosten aufzuerlegen. Die Kommission, unterstützt durch die Hellenische Republik, die Französische Republik, das Königreich der Niederlande und die EFTA-Überwachungsbehörde, beantragte, die Klage als unzulässig, hilfsweise als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet, abzuweisen und Illumina die Kosten aufzuerlegen.

    23.      Am 13. Juli 2022 hat das Gericht die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen, Illumina zur Tragung ihrer eigenen Kosten sowie der Kosten der Kommission und die Hellenische Republik, die Französische Republik, das Königreich der Niederlande, die EFTA-Überwachungsbehörde und Grail zur Tragung ihrer eigenen Kosten verurteilt.

    24.      Mit ihren am 22. bzw. 30. September 2022 eingegangenen Rechtsmitteln im Verfahren vor dem Gerichtshof beantragen Illumina (Rechtssache C‑611/22 P) und Grail (Rechtssache C‑625/22 P), das angefochtene Urteil aufzuheben, die angefochtenen Beschlüsse für nichtig zu erklären und der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Grail beantragt ferner, den Antrag der ACF und das Informationsschreiben der Kommission für nichtig zu erklären.

    25.      Am 21. Dezember 2022 hat der Präsident des Gerichtshofs nach Anhörung des Berichterstatters, des Generalanwalts und der Parteien beschlossen, die beiden Rechtssachen nach Art. 54 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung zu verbinden. Mit Beschluss vom 10. Januar 2023 hat der Präsident des Gerichtshofs ferner nach Anhörung des Berichterstatters und des Generalanwalts den Antrag der Kommission, die Rechtssache C‑625/22 P dem beschleunigten Verfahren nach den Art. 133 bis 136 der Verfahrensordnung zu unterwerfen, abgelehnt und entschieden, dass die Rechtssache gemäß Art. 53 Abs. 3 der Verfahrensordnung vorrangig zu behandeln ist.

    26.      Mit zwei Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 10. März 2023 ist Biocom California als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge von Illumina in der Rechtssache C‑611/22 P zugelassen worden und sind die Anträge der Association Française des Juristes d’Entreprise (AFJE) und der European Company Lawyers Association (ECLA) auf Zulassung als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge von Grail in der Rechtssache C‑625/22 P zurückgewiesen worden.

    27.      Die Kommission, die Französische Republik, das Königreich der Niederlande und die EFTA-Überwachungsbehörde beantragen in ihren Rechtsmittelbeantwortungen, die Rechtsmittel zurückzuweisen und den Rechtsmittelführerinnen die Kosten aufzuerlegen. Grail hat eine Rechtsmittelbeantwortung in der Rechtssache C‑611/22 P und Illumina hat eine Rechtsmittelbeantwortung in der Rechtssache C‑625/22 P eingereicht, mit denen jeweils beantragt wird, das angefochtene Urteil aufzuheben, die angefochtenen Beschlüsse für nichtig zu erklären und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

    28.      Die Rechtsmittelführerinnen haben eine Erwiderung und die Rechtsmittelgegnerinnen haben eine Gegenerwiderung eingereicht. Die Rechtsmittelführerinnen, die Rechtsmittelgegnerinnen und die Streithelfer haben in der mündlichen Verhandlung vom 12. Dezember 2023 vor dem Gerichtshof ihre Standpunkte vorgetragen.

    V.      Würdigung

    29.      Die Rechtsmittelführerinnen stützen ihre Rechtsmittel jeweils auf drei Rechtsmittelgründe, die sich weitgehend überschneiden. Ich werde sie daher zusammen prüfen.

    30.      Insoweit werde ich erstens prüfen, ob das Gericht die Bedeutung und den Anwendungsbereich von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung fehlerhaft ausgelegt hat. Zweitens werde ich mich dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zuwenden, dass der Verweisungsantrag verspätet gestellt worden sei und die Kommission gegen ihre Verpflichtung zum Tätigwerden innerhalb angemessener Frist verstoßen habe (B). Drittens werde ich schließlich auf die angeblichen Verstöße gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit eingehen (C).

    A.      Erster Grund: Bedeutung und Anwendungsbereich von Art. 22 Abs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung

    31.      Der von Illumina und Grail geltend gemachte erste Rechtsmittelgrund betrifft die Rn. 85 bis 185 des angefochtenen Urteils. In diesen Passagen hat das Gericht den von Illumina geltend gemachten ersten Klagegrund im ersten Rechtszug zurückgewiesen, wonach die Kommission für die Prüfung des in Rede stehenden Zusammenschlusses nicht zuständig gewesen sei. Das Gericht kam nach Prüfung des Vorbringens der Parteien insbesondere zu folgender Schlussfolgerung:

    „183      … [U]nter Berücksichtigung der wörtlichen, der historischen, der systematischen und der teleologischen Auslegung von Art. 22 der [EU-Fusionskontrollverordnung] ist festzustellen, dass die Mitgliedstaaten unter den dort aufgeführten Voraussetzungen einen Verweisungsantrag nach dieser Bestimmung unabhängig von der Reichweite der nationalen Fusionskontrollregelung stellen können.

    184      Folglich hat die Kommission mit den angefochtenen Beschlüssen dem Verweisungsantrag und den Anträgen auf Anschließung gemäß Art. 22 der [EU-Fusionskontrollverordnung] zu Recht stattgegeben. …“

    1.      Vorbringen der Parteien

    32.      Nach Ansicht von Illumina hat das Gericht, indem es die Anwendung von Art. 22 Abs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung durch die Kommission bestätigt hat, diese Bestimmung fehlerhaft ausgelegt. Insbesondere habe das Gericht i) mehrere fundamentale Grundsätze des Unionsrechts (wie etwa diejenigen der Rechtssicherheit, der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität) außer Acht gelassen, ii) den Zweck der EU-Fusionskontrollverordnung verkannt und nicht berücksichtigt, iii) eine Bestimmung, die eine Ausnahme von einer allgemeinen Regel darstelle, nicht eng ausgelegt, und iv) die Bedeutung des Kontexts und Zwecks der in Rede stehenden Bestimmung verkannt. Grail ist ebenso der Ansicht, dass eine grammatikalische, historische, systematische und teleologische Auslegung von Art. 22 Abs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung nicht für die vom Gericht vertretene Auslegung dieser Bestimmung spreche.

    33.      Biocom schließt sich im Wesentlichen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen an und hebt die Rechtsunsicherheit und die unverhältnismäßige Belastung hervor, die sich für die fusionierenden Unternehmen aus dem angefochtenen Urteil ergebe.

    34.      Nach Ansicht der Kommission gehen die ersten Rechtsmittelgründe der Rechtsmittelführerinnen ins Leere und sind damit unzulässig, soweit sie sich auf bestimmte vorbereitende Unterlagen stützen; hilfsweise seien sie unbegründet. Das Gericht habe Art. 22 Abs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung zutreffend ausgelegt. Insbesondere hätten die Rechtsmittelführerinnen i) dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung nicht gebührend Rechnung getragen, und ii) gingen sie fehlerhaft davon aus, dass die vom Gericht vertretene Auslegung dazu führen würde, dass die Systematik der EU-Fusionskontrollverordnung für die fusionierenden Unternehmen keine hinreichende Rechtssicherheit schaffe.

    35.      Die französische und die niederländische Regierung sowie die EFTA-Überwachungsbehörde stimmen mit der Ansicht der Kommission überein. Die französische Regierung macht insbesondere geltend, das Gericht habe die Grundsätze der Rechtssicherheit, der Verhältnismäßigkeit und der Subsidiarität richtig angewendet. Die niederländische Regierung macht geltend, sie sei nach Art. 22 Abs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung befugt gewesen, bei der Kommission die Prüfung eines Zusammenschlusses der vorliegend in Rede stehenden Art zu beantragen oder sich einem Antrag einer anderen nationalen Wettbewerbsbehörde anzuschließen. Die EFTA-Überwachungsbehörde ist ihrerseits der Ansicht, dass die Rechtsmittelführerinnen sich fehlerhaft auf das mit der EU-Fusionskontrollverordnung eingeführte „Prinzip der einzigen Anlaufstelle“ beriefen; dieser Mechanismus gelte nur für Fusionen mit gemeinschaftsweiter Bedeutung und sei auf Fusionen ohne eine solche Bedeutung nicht anwendbar.

    2.      Würdigung

    36.      Auf den folgenden Seiten werde ich zunächst einige von der Kommission in limine litis vorgetragene Einwände verfahrensrechtlicher Art prüfen und anschließend auf die Begründetheit der ersten Rechtsmittelgründe der Rechtsmittelführerinnen eingehen.

    a)      Vorfragen

    37.      Einzugehen ist zunächst auf das Vorbringen der Kommission, wonach i) die ersten Rechtsmittelgründe der Rechtsmittelführerinnen ins Leere gingen und ii) Grail sich auf bestimmte Unterlagen stütze, die unzulässig seien.

    38.      Dieses Vorbringen ist meines Erachtens nicht überzeugend.

    39.      Erstens geht ein Rechtsmittelgrund ins Leere, wenn er, selbst wenn er als begründet angesehen würde, nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen könnte(10). Dies ist bei den hier geprüften Rechtsmittelgründen ganz eindeutig nicht der Fall. Es ist unstreitig, dass für den Fall, dass das Gericht, wie von den Rechtsmittelführerinnen geltend gemacht, das Wesen und den Anwendungsbereich von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung insoweit falsch ausgelegt hat, als die Kommission den in Rede stehenden Zusammenschluss nicht hätte prüfen dürfen, das angefochtene Urteil mit einem Rechtsfehler behaftet wäre, der zur Aufhebung dieses Urteils und zur Nichtigerklärung der angefochtenen Beschlüsse führen würde.

    40.      Der Behauptung der Kommission, die Rechtsmittelführerinnen hätten die Feststellungen des Gerichts in bestimmten Passagen des angefochtenen Urteils (Rn. 90 bis 94 in Bezug auf Illumina und Rn. 183 und 184 in Bezug auf Grail) nicht beanstandet, steht der Wortlaut der Rechtsmittel entgegen. In Wahrheit bezieht sich die Kritik der Kommission offenbar vielmehr auf die Stichhaltigkeit des Vorbringens der Rechtsmittelführerinnen gegen die Feststellungen des Gerichts in diesen Passagen. Dies ist jedoch eine Frage, die die Begründetheit des Rechtsmittelgrundes betrifft und nicht die Frage, ob er ins Leere geht.

    41.      Zweitens ist das Vorbringen der Kommission zur angeblichen Unzulässigkeit bestimmter Unterlagen, auf die Grail sich im Hinblick auf die historische Auslegung von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung beruft (im Folgenden: streitige Unterlagen), ebenfalls unbegründet. Die Kommission bringt im Wesentlichen vor, dass diese Unterlagen im Rechtsmittelverfahren vor dem Gerichtshof nur zulässig seien, wenn sie zuvor auch dem Gericht schon vorgelegt worden seien. Insoweit stützt die Kommission sich auf den Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 10. Oktober 2023, Deutsche Lufthansa/Ryanair u. a.(11).

    42.      Ein allgemeines Erfordernis, dass Unterlagen im Rechtsmittelverfahren vor dem Gerichtshof nur zulässig seien, wenn sie zuvor auch dem Gericht schon vorgelegt worden seien, ist jedoch weder in der Verfahrensordnung geregelt, noch ergibt es sich aus der Rechtsprechung der Unionsgerichte. Etwas anderes wäre auch nicht vorstellbar, denn eine solche Regelung wäre völlig unsinnig und kontraproduktiv. Insoweit dürfte es kaum des Hinweises bedürfen, dass eine Klage auf Nichtigerklärung und ein Rechtsmittelverfahren verschiedene Gegenstände haben (im ersten Fall eine Entscheidung, im letzteren Fall ein Urteil) und dass die Rechtsfragen, über die die jeweiligen Gerichte zu entscheiden haben, daher möglicherweise nicht völlig deckungsgleich sind.

    43.      Grundsätzlich stände eine solche Regelung im Widerspruch zu den Grundsätzen für die Vorlage von Beweisen vor den Unionsgerichten. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs „[gebietet] der Grundsatz der Waffengleichheit, der eine logische Folge aus dem Begriff des fairen Verfahrens ist, das u. a. durch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union [im Folgenden: Charta] garantiert wird, … dass es jeder Partei angemessen ermöglicht wird, ihren Standpunkt sowie ihre Beweise unter Bedingungen vorzutragen, die sie nicht in eine gegenüber ihrem Gegner deutlich nachteilige Position versetzen“(12). Was die Vorlage von Beweisen angeht, gilt der Grundsatz, dass in Verfahren vor den Unionsgerichten grundsätzlich alle Beweismittel vorgelegt werden können. Diese Gerichte können jedoch das Bestehen aller (gerichtlichen oder außergerichtlichen) Interessen berücksichtigen, die, ausnahmsweise, die Ablehnung von Beweisen rechtfertigen können, und diese Interessen gegen die Interessen derjenigen, die ihre Zulassung beantragen, abwägen(13). Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Dokument rechtswidrig erlangt wurde oder vertrauliche Informationen enthält, die zum Schutz bestimmter öffentlicher oder privater Interessen nicht öffentlich zugänglich gemacht werden dürfen.

    44.      In der vorliegenden Rechtssache sind die streitigen Dokumente von Grail aufgrund von Anträgen auf Zugang zu Dokumenten, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001(14)gestellt wurden, rechtmäßig erlangt worden, und es werden mit ihnen konkrete Passagen des angefochtenen Urteils beanstandet. Da diese Passagen eine der Fragen betreffen, die für die vorliegende Rechtssache von entscheidender Bedeutung sind (nämlich ob die Auslegung von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung durch das Gericht durch eine historische Auslegung derselben gestützt wird), sehe ich keinen plausiblen Grund, warum die Rechtsmittelführerinnen sich auf die streitigen Unterlagen nicht sollten berufen dürfen. Wären diese Unterlagen nämlich als unzulässig anzusehen, würde den Rechtsmittelführerinnen de facto die Möglichkeit genommen, die Feststellungen des Gerichts in den Rn. 69 bis 117 des angefochtenen Urteils anzugreifen. Dies würde gegen das in Art. 47 der Charta verankerte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und auf ein faires Verfahren verstoßen.

    45.      Ebenso ist die Ansicht der Kommission, es sei dem Gerichtshof verwehrt, von einer Partei rechtmäßig vorgelegte Unterlagen zu prüfen, eindeutig unhaltbar. Wie der Gerichtshof insoweit klargestellt hat, „gilt im Unionsrecht der Grundsatz der freien Beweiswürdigung“(15), wobei „für die Würdigung der vorgelegten Beweise allein deren Glaubhaftigkeit maßgeblich ist“(16).

    46.      Der Beschluss des Präsidenten, auf den die Kommission sich beruft, ist in diesem Zusammenhang nicht relevant. Jene Rechtssache betraf die von einem Unternehmen beim Gerichtshof beantragte vertrauliche Behandlung bestimmter, im Hauptteil und in einem Anhang ihrer Rechtsmittelschrift enthaltener Informationen gegenüber den anderen Verfahrensbeteiligten. Wichtig ist, dass die Informationen, um deren vertrauliche Behandlung ersucht wurde, im ersten Rechtszug vorgelegt worden waren, dann jedoch aus der Akte entfernt wurden, weil sie vom Gericht als unerheblich angesehen wurden. Diese Informationen wurden somit im ersten Rechtszug nicht vertraulich behandelt, da das Gericht sie aus den Akten entfernt hatte, ohne nach Art. 103 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung ihren vertraulichen Charakter und die Erfordernisse, die mit dem Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz verbunden sind, gegeneinander abzuwägen. Aus diesen Gründen wies der Präsident den Antrag des Unternehmens auf vertrauliche Behandlung zurück und betonte, dass angesichts dessen, dass die in Rede stehenden Informationen nicht in der Akte enthalten gewesen seien, die die Grundlage für die Entscheidung des Gerichts gewesen sei, diese Informationen für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung durch den Gerichtshof in der Rechtsmittelinstanz grundsätzlich nicht erheblich sein könnten. Es gab daher keinen Grund, die Informationen, die die Rechtsmittelführerin im Rahmen ihres Vortrags von sich aus offengelegt hatte, im Rechtsmittelverfahren vertraulich zu behandeln.

    47.      In diesem Beschluss kommt lediglich die Anwendung der Grundsätze zum Ausdruck, dass ein beim Gerichtshof anhängiges Rechtsmittelverfahren auf Rechtsfragen beschränkt und der Gegenstand dieses Verfahrens auf denjenigen des ersten Rechtszugs begrenzt ist und im Rechtsmittelverfahren nicht geändert werden kann(17). Anders als jene Rechtssache betrifft die vorliegende Rechtssache jedoch i) eine Rechtsfrage (Auslegung von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung) und nicht die Feststellung streitiger Tatsachen, und ii) eine Frage, die im ersten Rechtszug vorgetragen und erörtert wurde und über die das Gericht entschieden hat.

    48.      Aus diesem Beschluss folgt sicherlich nicht, dass ein Rechtsmittelführer eine entscheidende Passage eines angefochtenen Urteils nur dann anfechten kann, wenn er die betreffenden Beweise bereits im ersten Rechtszug vorgelegt hat. Dieser Beschluss kann auch nicht dahin verstanden werden, dass die richtige Auslegung der in Rede stehenden Rechtsvorschriften danach eine Frage sein solle, für die der Rechtsmittelführer den notwendigen Beweis zu erbringen habe, geschweige denn, dass dies im ersten Rechtszug zu geschehen habe. Dies stände in klarem Widerspruch zu dem anerkannten Grundsatz iura novit curia(18) und zahlreichen Entscheidungen des Gerichtshofs(19).

    49.      Die Kommission bringt indes zu Recht vor, dass das wesentliche rechtliche Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen grundsätzlich in der Klageschrift selbst enthalten sein müsse und dass die ihr beigefügten Unterlagen lediglich eine belegende Funktion hätten. Somit ist der Gerichtshof zwar nicht an die von den Parteien vorgetragene Rechtsauslegung gebunden, und es steht ihm frei, sich insoweit von allen Unterlagen leiten zu lassen, die ihm rechtmäßigerweise vorgelegt worden sind, es kann von ihm jedoch nicht erwartet werden, in den Anlagen zu den Rechtsmittelschriften die Vorwürfe und Argumente zu suchen und zu identifizieren, auf die sich diese Rechtsmittel möglicherweise stützen lassen(20). Daher werde ich alle Argumente außer Acht lassen, die in den Rechtsmittelschriften nicht ausdrücklich vorgetragen werden und ohne Prüfung der Anlagen nicht zutreffend verständlich sind.

    b)      Begründetheit

    50.      Ich werde jetzt auf die ersten Rechtsmittelgründe der Rechtsmittelführerinnen in der Sache eingehen. Mit diesen Gründen wird im Wesentlichen die Frage aufgeworfen, ob das Gericht Art. 22 Abs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung rechtsfehlerhaft ausgelegt hat. Wie oben erwähnt, ist das Gericht zu dem Schluss gekommen, dass eine „wörtliche, … historische, … systematische und … teleologische“ Auslegung dieser Bestimmung dafür spreche, dass die Mitgliedstaaten bei der Kommission die Prüfung einer Fusion beantragen könnten, die keine gemeinschaftsweite Bedeutung habe, auch wenn sie nach nationalem Recht für die Prüfung eines solchen Zusammenschlusses nicht zuständig seien. Das Gericht hat nämlich festgestellt, dass Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung verschiedene Ziele verfolge, von denen eines darin bestehe, „als ‚Korrektiv‘ eine wirksame Kontrolle aller Zusammenschlüsse zu ermöglichen, die geeignet sind, einen wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt erheblich zu beeinträchtigen, und die andernfalls mangels Überschreitens der Umsatzschwellen den Fusionskontrollregelungen sowohl der Union als auch der Mitgliedstaaten entgehen würden“(21).

    51.      Ich werde auf den folgenden Seiten erläutern, warum das Gericht Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung meines Erachtens fehlerhaft ausgelegt hat. Auch wenn die von der Kommission vorgetragenen und vom Gericht bestätigten Argumente, die sich auf den Wortlaut der Bestimmung stützen, eine gewisse Berechtigung haben, ergibt sich aus einer Reihe anderer Anhaltspunkte für die Auslegung – die die Historie, die Systematik und den Zweck der Bestimmung sowie die breitere systematische Bedeutung betreffen – ganz eindeutig, dass Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung nicht die Bedeutung und den Anwendungsbereich hat, die im angefochtenen Urteil angenommen werden.

    1)      Wortlautauslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung

    52.      Die Prüfung muss mit dem Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 beginnen; dieser lautet bekanntlich: „Auf Antrag eines oder mehrerer Mitgliedstaaten kann die Kommission jeden Zusammenschluss … prüfen, der keine gemeinschaftsweite Bedeutung … hat, aber den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb im Hoheitsgebiet des beziehungsweise der antragstellenden Mitgliedstaaten erheblich zu beeinträchtigen droht.“

    53.      Wie vom Gericht festgestellt, i) sieht diese Bestimmung bestimmte Voraussetzungen für ihre Anwendung vor, zu denen nicht gehört, dass die Fusion in den Geltungsbereich der innerstaatlichen Regelung für die Fusionskontrolle fallen muss(22), ii) verwendet sie den weiten Ausdruck „jede[r] Zusammenschluss“(23) und iii) unterscheidet sie nicht danach, ob Mitgliedstaaten eine innerstaatliche Regelung für die Fusionskontrolle erlassen haben oder nicht(24). Vor diesem Hintergrund ist das Gericht zu dem Schluss gelangt, dass eine Wortlautauslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung grundsätzlich für die von der Kommission vertretene Auslegung spreche. Da der Wortlaut der Bestimmung jedoch keine abschließende Schlussfolgerung zulasse, hielt es das Gericht für angebracht, die Prüfung mittels Anwendung weiterer Auslegungsmethoden zu vervollständigen(25).

    54.      Ich stimme mit beiden dieser Punkte überein.

    55.      Bei einer Prima-facie-Auslegung des Wortlauts der Bestimmung ist die weite Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung durch das Gericht vertretbar. Den vorstehend aufgeführten Gesichtspunkten könnte nämlich entnommen werden, dass alle Mitgliedstaaten jede Fusion unabhängig davon an die Kommission verweisen können, ob sie über eine innerstaatliche Regelung für die Fusionskontrolle verfügen und, falls ja, ob diese Fusion unter diese Regelung fällt.

    56.      Richtig ist indes auch, dass, wie vom Gericht festgestellt, die knappe und allgemeine Formulierung dieser Bestimmung keine eindeutige Antwort auf die vorliegend in Rede stehende Auslegungsfrage zulässt.

    57.      Die Kommission ist insoweit anderer Ansicht. Sie hebt insbesondere den weiten Anwendungsbereich der Bestimmung hervor, der eindeutig darauf hinweise (oder nicht ausdrücklich ausschließe), dass Mitgliedstaaten mit einer innerstaatlichen Regelung für die Fusionskontrolle auf Zusammenschlüsse verweisen könnten, die nicht unter ihre Regelung fielen. Ein Hinweis auf etwas (oder der Umstand, dass etwas nicht ausgeschlossen wird) kann jedoch für die Wortlautlauslegung einer Bestimmung nicht damit gleichgesetzt werden, dass es ausdrücklich formuliert ist. Die Frage, ob in den Erwägungen der Kommission die enger gefasste Annahme (dass der Anwendungsbereich der Bestimmung auch Verweisungen der in Rede stehenden Art umfasse) eine logische Folge der weiter gefassten Annahme der Kommission (dass der Wortlaut der Bestimmung weit sei) ist, lässt sich nicht klären, indem, wie die Kommission vom Gerichtshof verlangt, ein einziger Unterabsatz der EU-Fusionskontrollverordnung in „klinischer Isolierung“ vom Rest der Bestimmung und allgemeiner vom Rest der Verordnung betrachtet wird.

    58.      Das Vorbringen der Kommission, dass der Gerichtshof, wenn der Wortlaut einer Bestimmung hinreichend eindeutig erscheine, andere Auslegungsmethoden nicht anwenden dürfe, ist grundsätzlich verwunderlich. Selbstverständlich steht es dem Gerichtshof frei, alle Auslegungsmethoden heranzuziehen, die er im konkreten Einzelfall für angemessen hält. Auf diesen Punkt, der von verfassungsrechtlicher Bedeutung ist, muss meines Erachtens berechtigterweise bestanden werden: Soweit die Auslegung des Rechts streitig ist, sind Grundsätze wie etwa diejenigen der Dispositionsmaxime, der Beweislast oder der Beweisanforderungen nicht anwendbar. Von entscheidender Bedeutung ist in diesem Zusammenhang einmal mehr der Grundsatz iura novit curia.

    59.      Das Vorbringen der Kommission verkennt auch die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs. Wie der Gerichtshof im Urteil Cilfit u. a. ganz eindeutig festgestellt hat, ist „jede Vorschrift des [Unions]rechts in ihrem Zusammenhang zu sehen und im Lichte des gesamten [Unions]rechts … auszulegen“(26). Nach ständiger Rechtsprechung „[ist nämlich] bei der Auslegung einer Unionsrechtsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden, zu berücksichtigen“(27). Dementsprechend hat der Gerichtshof niemals gezögert, eine Vorschrift systematisch und/oder teleologisch auszulegen, auch wenn der Wortlaut der Vorschrift angeblich eindeutig war, um damit die Wortlautauslegung entweder zu bestätigen(28) oder gegebenenfalls von ihr abzuweichen(29).

    60.      Die Bedeutung, die der Gerichtshof insbesondere der systematischen und teleologischen Auslegung seit jeher beimisst, ist auch alles andere als ungewöhnlich. Denn selbst das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge, das bekanntlich zwischen der „allgemeinen Auslegungsregel“ und den „ergänzenden Auslegungsmitteln“(30) unterscheidet, schließt alle diese Bestandteile in die erstgenannte Gruppe ein und stellt eine unauflösbare Verbindung zwischen ihnen her. Art. 31 Abs. 1 bestimmt: „Ein Vertrag ist nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen.“(31)

    61.      Auch deshalb ist die Betonung, die die Kommission auf den Ausdruck „jeder Zusammenschluss“ in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung legt, unangebracht. Um zu ermitteln, was mit dem Begriff „jeder“ genau gemeint ist, ist in den Blick zu nehmen, um welche Art von Zusammenschlüssen es in Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung geht. Auch auf die Gefahr hin, Selbstverständlichkeiten auszuführen, kann mit dem Ausdruck „jeder Zusammenschluss“ nichts anderes gemeint sein als jeder nicht nur unter Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung, sondern jeder auch, und erst recht, in den Anwendungsbereich der EU-Fusionskontrollverordnung fallende Zusammenschluss. Eine Prüfung dieser Bestimmung anhand der Systematik ist daher unumgänglich.

    62.      Ebenso wäre es absurd, die Ansicht vertreten zu wollen, der Gerichtshof müsste sich mit der Prüfung des Wortlauts einer Bestimmung begnügen, wenn er auf bestimmte konkrete Gesichtspunkte hingewiesen wurde, die den angeblich eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung in Frage stellen(32). Genau dies ist im vorliegenden Verfahren der Fall: Wie nachfolgend dargelegt werden wird, sprechen zahlreiche Gesichtspunkte für eine andere Auslegung der in Rede stehenden Bestimmung.

    63.      Ebenso ist das Vorbringen der EFTA-Überwachungsbehörde, wonach es in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung an einer Regelung fehle, nach der der Verweisungsmechanismus nur auf Zusammenschlüsse anwendbar sei, die nach dem nationalen Wettbewerbsrecht der Mitgliedstaaten geprüft werden könnten, meines Erachtens unerheblich. Die EFTA-Überwachungsbehörde weist insoweit auf den Unterschied zwischen dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 5 der EU-Fusionskontrollverordnung (der ebenfalls einen Verweisungsmechanismus betrifft und eine solche Regelung enthält) und dem Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung hin. Dieses Vorbringen übersieht jedoch, dass die letztgenannte Bestimmung im Gegensatz zur erstgenannten Bestimmung ursprünglich eingeführt wurde, um Zusammenschlüsse zu erfassen, die auf nationaler Ebene problematisch sein könnten, sofern der oder die betreffende(n) Mitgliedstaaten nicht über eine innerstaatliche Regelung für die Fusionskontrolle verfügten. Daher konnte Art. 22 Abs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung keine Formulierung der in Art. 4 Abs. 5 der EU-Fusionskontrollverordnung geregelten Art enthalten, da von ihm in diesem Fall eben diejenigen Mitgliedstaaten, für die die letztgenannte Bestimmung eingeführt worden war, ausgeschlossen wären. Das Gericht hat es in Rn. 126 des angefochtenen Urteils in der Tat selbst abgelehnt, zwischen den beiden Bestimmungen eine Parallele zu ziehen.

    64.      In jedem Fall sind die grundsätzlichen Einwände der Kommission nicht nur unbegründet, sondern in der vorliegenden Rechtssache auch gegenstandslos, da es mindestens zwei Wortlautelemente gibt, die ausreichen, um die Wortlautauslegung zweifelhaft erscheinen zu lassen, die nach Ansicht der Kommission so eindeutig sein soll, dass jede andere Methode zur Auslegung von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung von vornherein ausgeschlossen sein soll.

    65.      Erstens ist eines dieser Elemente die Überschrift der Bestimmung. Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung hat die Überschrift „Verweisung an die Kommission [im Englischen: „Referral to the Commission“]. Der die Verweisung bezeichnende Begriff hat in der ganz überwiegenden Mehrheit der Sprachfassungen(33) eine konkrete Konnotation. Er legt nämlich nahe, dass die Bestimmung grundsätzlich Zusammenschlüsse betrifft, die tatsächlich oder potenziell bei den nationalen Behörden anhängig sind und dann an die Kommission verwiesen (d. h. weitergeleitet, übertragen, übergeben, abgegeben, usw.) werden. Diese Auslegung stände im Einklang mit dem Rechtsgrundsatz nemo dat quod non habet (niemand kann etwas geben, was er nicht hat).

    66.      Zweitens ist nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung eine der Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit die Kommission Fusionen prüfen kann, die die Schwellenwerte nach Art. 1 der Verordnung nicht erreichen, dass die betreffende Fusion „den Wettbewerb im Hoheitsgebiet des beziehungsweise der antragstellenden Mitgliedstaaten erheblich zu beeinträchtigen droht“(34). Diese Formulierung ist vor dem Hintergrund völlig plausibel, dass die betreffende Bestimmung seit ihrer Einführung in der ursprünglichen EG-Fusionskontrollverordnung eine Prüfung von Fusionen ermöglichen soll, die den Wettbewerb in einem Mitgliedstaat verfälschen könnten, der nicht über ein nationales Fusionskontrollsystem verfügt. Ferner steht diese Formulierung im Einklang mit dem Zweck einer Bestimmung, die nach den an ihr vorgenommenen Änderungen 1997 und 2004, wie nachfolgend skizziert werden wird, auch das dem Fusionskontrollsystem der Union eigene Prinzip der einzigen Anlaufstelle stärken soll, indem mehrfache nationale Anmeldungen möglichst vermieden werden.

    67.      Dagegen wird die Formulierung der Bestimmung weniger selbstverständlich, wenn sie, wie vom Gericht vertreten, dahin ausgelegt wird, dass sie ein „Korrektiv“ darstelle, „um … eine Kontrolle der Zusammenschlüsse zu ermöglichen, die geeignet sind, einen wirksamen Wettbewerb im Binnenmarkt erheblich zu beeinträchtigen“(35). Wenn dies der Fall ist, warum hat der Unionsgesetzgeber dann nur Wettbewerbsbeschränkungen einbezogen, die auf der Ebene der Mitgliedstaaten eintreten? Müsste die Bestimmung sich nicht allgemeiner oder darüber hinaus auf Einschränkungen des Wettbewerbs im Binnenmarkt beziehen?  Grundlegender gefragt, warum sollte für die Kommission überhaupt eine Verweisung durch eine Behörde eines Mitgliedstaats notwendig sein, wenn das Wettbewerbsproblem sich auf der Unionsebene stellt?

    68.      Aufgrund der vorgenannten Wortlautelemente könnte die von der Kommission vertretene angeblich eindeutige Auslegung der Bestimmung offenbar zweifelhaft erscheinen.

    69.      Wie bei Rechtsvorschriften, die in gewissem Maß unklar oder zumindest nicht in sich abgeschlossen sind (was meines Erachtens auch für die vorliegend in Rede stehende Bestimmung gilt, nämlich einen einzelnen Unterabsatz eines Artikels einer Verordnung), üblicherweise der Fall, erscheint also das alte englische Sprichwort „bare reading is bare feeding [Lesen allein macht noch nicht klug]“ recht passend. Um die genaue Bedeutung und den genauen Anwendungsbereich von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung zu ermitteln, sind daher in der Tat, wie vom Gericht zutreffend festgestellt, auch die weiteren, vom Gerichtshof verwendeten Auslegungsmethoden heranzuziehen.

    2)      Historische Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung

    70.      In den Rn. 96 bis 117 des angefochtenen Urteils ist das Gericht nach Prüfung einer Reihe von Unterlagen zur Entstehungsgeschichte der EU-Fusionskontrollverordnung zu dem Schluss gekommen, dass „die historische Auslegung [bestätigt], dass Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 [der EU-Fusionskontrollverordnung] es einem Mitgliedstaat erlaubt, unabhängig von der Tragweite seiner innerstaatlichen Vorschriften für die Fusionskontrolle Zusammenschlüsse an die Kommission zu verweisen, die die Schwellenwerte von Art. 1 dieser Verordnung nicht erreichen, bei denen jedoch mit erheblichen grenzüberschreitenden Auswirkungen zu rechnen ist“.

    71.      Mit dieser Beurteilung stimme ich nicht überein. Ich habe insoweit insbesondere vier hauptsächliche Bedenken: i) Die im angefochtenen Urteil angeführten Unterlagen weisen bestimmte, ihnen wesenseigene Einschränkungen in Bezug auf eine Klärung der Absicht des Unionsgesetzgebers auf; ii) die angeführten Passagen dieser Unterlagen stützen die Feststellungen des Gerichts nicht; iii) diese Unterlagen stehen, in ihrer Gesamtheit betrachtet, zu diesen Feststellungen vielmehr im Widerspruch; und iv) das Gericht hat zahlreiche weitere Unterlagen nicht berücksichtigt, u. a. die einschlägigen Vorarbeiten, die für die von den Rechtsmittelführerinnen vertretene Auslegung sprechen.

    i)      Grenzen der historischen Beurteilung des Gerichts (I)

    72.      Erstens gibt es, wie von Grail zutreffend vorgetragen, zwei wichtige Einschränkungen, die mit der Art von Unterlagen wesenseigen verbunden sind, die im angefochtenen Urteil als Belege für die aus ihnen gezogene Schlussfolgerung angeführt werden. Alle diese Unterlagen (das Grünbuch von 1996(36), das Grünbuch von 2001(37), der Kommissionsvorschlag von 2003(38) und das Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen von 2009(39)) wurden von der Kommission verfasst und stammen aus der Zeit nach Erlass der EG-Fusionskontrollverordnung. Der Ansatz des Gerichts ist meines Erachtens in der vorliegenden Rechtssache besonders verwunderlich.

    73.      Die Kommission wurde in der mündlichen Verhandlung befragt, ob der angebliche weite Anwendungsbereich des (jetzigen) Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung i) bereits in der 1989 erlassenen ursprünglichen EG-Fusionskontrollverordnung bestanden habe, oder ii) mit der Änderung dieser Vorschrift 1997 hinzugefügt oder iii) mit dem Erlass der neuen EU-Fusionskontrollverordnung 2004 eingeführt worden sei. Die Kommission beantwortete dies ohne Zögern dahin, dass dieser weite Anwendungsbereich von Anfang an bestanden habe, d. h. in Art. 22 Abs. 4 der EG-Fusionskontrollverordnung in ihrer 1989 erlassenen Fassung. Die EFTA-Überwachungsbehörde war ebenfalls dieser Ansicht(40).

    74.      Wenn dies der Fall ist, dürften meines Erachtens für die entstehungsgeschichtliche Prüfung der Bedeutung und des Anwendungsbereichs von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung Unterlagen aus der Zeit nach dem Erlass der EG-Fusionskontrollverordnung 1989 von geringerem Wert sein als solche aus der Zeit vor dem Erlass dieser Verordnung. Es bedarf meines Erachtens keiner Erläuterung, warum als Belege für die Absicht des Gesetzgebers Unterlagen zu Vorarbeiten (also Unterlagen, die im Zuge der Ausarbeitung einer bestimmten Bestimmung verwendet wurden) üblicherweise von größerer Bedeutung sind als Unterlagen, die ex post facto entstanden sind.

    75.      In diesem Zusammenhang ist das angefochtene Urteil meines Erachtens auch widersprüchlich. In Rn. 115 des Urteils hat das Gericht grundsätzlich abgelehnt, fünf von der Kommission verfasste Dokumente zu prüfen, die in den Erklärungen der Rechtsmittelführerinnen angeführt waren und belegen sollten, dass die Kommission die von ihr im vorliegenden Verfahren vertretene Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung bis vor Kurzem selbst noch nicht vertreten habe.

    76.      Wenn der weite Anwendungsbereich dieser Bestimmung seit dem Erlass der EG-Fusionskontrollverordnung 1989 bestand, warum hat das Gericht dann verschiedene Unterlagen berücksichtigt, die nach 1989 verfasst wurden, nicht aber die von den Rechtsmittelführerinnen angegebenen? Wenn andererseits der Anwendungsbereich der Bestimmung mit dem Erlass der EU-Fusionskontrollverordnung 2004 erweitert wurde, warum hat das Gericht dann keinerlei Unterlagen aus dem zum Erlass dieser Verordnung führenden Gesetzgebungsverfahren, insbesondere solche des Organs, das als alleiniger Gesetzgeber handelte, nämlich des Rates, angeführt? Dies führt mich zu meinem nächsten Punkt.

    77.      Es ist in der Tat überraschend, dass das Gericht die von der Kommission vertretene Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung ausschließlich unter Verweis auf von der Kommission selbst verfasste Unterlagen bestätigt hat und dass es nicht auf Unterlagen des Rates verwiesen hat.

    78.      Ich kann mich sicherlich dem Standpunkt anschließen, dass einem amtlichen Dokument, das die Ansicht der Kommission zur Bedeutung und zum Anwendungsbereich einer bestimmten Bestimmung einer Verordnung oder einer Richtlinie wiedergibt, ein gewisses Gewicht zukommt, insbesondere wenn diese Bestimmung in dem ursprünglichen Vorschlag enthalten war und nicht Gegenstand erheblicher Beratungen oder Änderungen im Gesetzgebungsverfahren war. Die Ansicht der Kommission kann jedoch nicht als entscheidender Faktor für die Auslegung der Bestimmung durch den Gerichtshof angesehen werden. Dies gilt erst recht, wenn die Bestimmung vom Rat zu einem relativ späten Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens nach umfangreichen Beratungen eingefügt wurde, wie dies bei dem (jetzigen) Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung der Fall ist.

    79.      Vor diesem Hintergrund ist meines Erachtens problematisch, dass keine der in den Rn. 96 bis 117 des angefochtenen Urteils angeführten Unterlagen vom Rat verfasst wurde und/oder aus der Zeit vor dem Erlass der EG-Fusionskontrollverordnung 1989 stammt.

    ii)    Grenzen der historischen Beurteilung des Gerichts (II)

    80.      Zweitens sprechen die vom Gericht angeführten entstehungsgeschichtlichen Unterlagen in Wahrheit nicht für die aus ihnen gezogenen Schlussfolgerungen, und zwar aus zwei Gründen: i) Die im angefochtenen Urteil angeführten Passagen sind für die in Rede stehende Frage unergiebig, und ii) andere, relevantere Passagen derselben Unterlagen wurden entweder übersehen oder ihre Bedeutung wurde zu Unrecht abgetan.

    81.      Das Gericht hat seine historische Prüfung der Bestimmung mit dem Hinweis darauf begonnen, dass „dieser Verweisungsmechanismus dem Wunsch des Königreichs der Niederlande – das damals über keine [Fusionskontrollr]egelung verfügte – entsprach, Zusammenschlüsse mit nachteiligen Auswirkungen auf sein Hoheitsgebiet von der Kommission prüfen zu lassen, sofern diese Zusammenschlüsse auch den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen, weshalb dieser Mechanismus als ‚niederländische Klausel‘ bezeichnet wurde“(41). Im Folgenden bezog es sich auf eine Reihe relevanter Dokumente, aus denen sich ergeben soll, dass i) der Verweisungsmechanismus generell als ein nützliches Instrument insbesondere für diejenigen Mitgliedstaaten angesehen werde, die noch nicht über ein Fusionskontrollsystem verfügten, seine Nutzung jedoch keineswegs diesen habe vorbehalten bleiben sollen(42), ii) dieser Mechanismus den Mitgliedstaaten die Möglichkeit geben solle, bei der Kommission die Prüfung eines Zusammenschlusses mit grenzüberschreitenden Auswirkungen in Fällen zu beantragen, in denen die Schwellenwerte nach Art. 1 der Verordnung nicht erreicht würden(43), (iii) die Ziele dieses Mechanismus im Lauf der Zeit nach und nach erweitert worden seien, um die Möglichkeit gemeinsamer Verweisungen zu schaffen und so mehrfache nationale Anmeldungen zu vermeiden, ohne ihr anfängliches Ziel in Frage zu stellen(44), und iv) die Änderungen der Bestimmung belegten, dass die Kommission einem verstärkten Rückgriff auf den Verweisungsmechanismus den Vorzug gegeben habe(45).

    82.      Alle diese Ausführungen des Gerichts sind meines Erachtens sachlich zutreffend. Es ist als „lapidare“ Wahrheit anzusehen, dass Art. 22 Abs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung für Zusammenschlüsse mit grenzüberschreitenden Auswirkungen gilt, die die Schwellenwerte nach Art. 1 der Verordnung nicht erreichen. Ferner ist nicht einmal streitig, dass der Verweisungsmechanismus nach Art. 22 Abs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung sowohl Mitgliedstaaten zur Verfügung steht, die nicht über ein Fusionskontrollsystem verfügen, als auch solchen, die über ein Fusionskontrollsystem verfügen. Schließlich besteht auch kein Zweifel daran, dass der Verweisungsmechanismus im Laufe der Zeit geändert wurde, um seine Ziele zu erweitern und seine häufigere Nutzung zu ermöglichen.

    83.      Diesen Feststellungen ist jedoch nichts zu entnehmen, was die im Mittelpunkt des vorliegenden Rechtsmittelgrundes stehende Frage unmittelbar oder mittelbar erhellen könnte, nämlich ob Mitgliedstaaten, die über ein nationales Fusionskontrollsystem verfügen, nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung die Möglichkeit haben, Zusammenschlüsse zu verweisen, die von diesem System nicht erfasst sind.

    84.      Daher ist nicht nur die Überzeugungskraft der im angefochtenen Urteil angeführten Unterlagen relativ, sondern, bei genauerer Prüfung, wird durch die Teile dieser Dokumente, die angeführt werden, die aus ihnen in Rn. 116 des Urteils gezogene abschließende Schlussfolgerung in keiner Weise belegt. Die Feststellungen des Gerichts sind daher offenkundig unerheblich.

    iii) Grenzen der historischen Beurteilung des Gerichts (III)

    85.      Drittens widersprechen gerade die im angefochtenen Urteil angeführten Unterlagen, bei Betrachtung in ihrer Gesamtheit, offenbar den Feststellungen des Gerichts und sprechen somit für die von den Rechtsmittelführerinnen vertretene Auslegung. Die Bedeutung dieses Punktes ist hervorzuheben. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind, um den Beweiswert der Unterlagen zutreffend zu beurteilen, die vom Gericht angeführten Dokumente in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Eine oder mehrere spezifische Passagen eines Dokuments zu extrapolieren und dann Schlussfolgerungen aus ihnen zu ziehen, die mit dem eigentlichen Inhalt des Dokuments in seiner Gesamtheit betrachtet nicht im Einklang stehen, stellt einen Rechtsfehler dar(46).

    86.      Diese Grundsätze sind meines Erachtens im vorliegenden Kontext relevant.

    87.      Zunächst ist meines Erachtens überraschend, dass in Rn. 99 des angefochtenen Urteils die Bedeutung der Passage des Grünbuchs von 2001 abgetan wird, wo – angesichts dessen, dass zum Zeitpunkt der Annahme dieses Papiers allein das Großherzogtum Luxemburg über kein Fusionskontrollsystem verfügte – festgestellt wird, dass „[i]n der Praxis … auf Artikel 22 Absatz 3 in seiner ursprünglichen Bedeutung nur noch äußerst selten zurückgegriffen wird“(47). Dieser Passage ist zwar, wie vom Gericht zutreffend festgestellt, in der Tat zu entnehmen, dass anderen Mitgliedstaaten als Luxemburg ein Rückgriff auf Art. 22 Abs. 3 der EG-Fusionskontrollverordnung nicht verwehrt war(48). Dies ist jedoch einmal mehr nicht die Frage, um die es geht. Diese Passage deutet nämlich darauf hin, dass aufgrund der begrenzten Nutzung des Verweisungsmechanismus durch die Mitgliedstaaten mit Fusionskontrollsystem die praktische Nutzung des Verweisungsmechanismus im Lauf der Zeit zurückgegangen sei. Die meisten Mitgliedstaaten hatten zwischenzeitlich eine innerstaatliche Fusionskontrollregelung eingeführt und daher ein begrenzteres Interesse und weniger Gelegenheit, einen Zusammenschluss an die Kommission zu verweisen.

    88.      Bei diesem Verständnis fügt sich die in Rede stehende Passage perfekt in die Auszüge aus den Dokumenten ein, die in den vorangegangenen Absätzen des angefochtenen Urteils angeführt werden, und spricht für den von den Rechtsmittelführerinnen vertretenen Standpunkt: Der Verweisungsmechanismus war für die Mitgliedstaaten ohne Fusionskontrollsystem konzipiert worden und wurde für diese als „besonders“ nützlich angesehen. Hätten die Mitgliedstaaten mit Fusionskontrollsystem für jeden beliebigen Zusammenschluss unabhängig davon eine Verweisung vornehmen können, ob er von ihren Systemen erfasst wird oder nicht, wären die Nutzung und Zweckmäßigkeit des Mechanismus für diese Mitgliedstaaten durch die von ihnen eingeführte nationale Regelung nicht stark beeinträchtigt worden, so dass der Mechanismus gewiss nicht „begrenzt“ worden wäre.

    89.      Zudem wurden sehr eindeutige und wesentliche Passagen der vom Gericht angeführten Dokumente im angefochtenen Urteil nicht erwähnt.

    90.      So wird z. B. im Grünbuch von 1996 bei der Erörterung der Grenzen des damals geltenden Regelungsrahmens und der zu seiner Änderung zur Verfügung stehenden Optionen, um mehr Fusionen mit grenzüberschreitenden Auswirkungen zu erfassen, eine angebliche Möglichkeit, die Prüfung von Fusionen, die von den nationalen Systemen der Fusionskontrolle nach Art. 22 der EG-Fusionskontrollverordnung nicht erfasst werden, an die Kommission zu verweisen, nicht erwähnt. Diese Bestimmung wird nämlich lediglich in dem Sinne angeführt, dass sie „[d]ie Kompetenzverteilung zwischen der Kommission und den Mitgliedsaaten“ betreffe. Im Grünbuch von 1996 wird sogar festgestellt, dass „[u]nterhalb der Schwellenwerte [der EG-Fusionskontrollverordnung] Zusammenschlüsse auf nationaler Ebene kontrolliert [werden], sofern es in den betroffenen Mitgliedstaaten eine Fusionskontrolle gibt“(49).

    91.      Ferner steht das Grünbuch von 2001 in noch deutlicherem Widerspruch zu der Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung durch das Gericht. Erstens wird in dem Dokument angeführt, dass seine Ziele („den EU-Wettbewerbsregeln bei Zusammenschlüssen mit grenzüberschreitenden Auswirkungen mehr Geltung zu verschaffen, den Grundsatz der einmaligen Anmeldung konsequenter umzusetzen und damit dem Problem der Mehrfachanmeldungen zu Leibe zu rücken“) dadurch erreicht werden sollten, dass sichergestellt werden sollte, dass Zusammenschlüsse, die zu mehrfachen Anmeldungen auf nationaler Ebene führen, von der Kommission bearbeitet werden könnten(50). Es versteht sich von selbst, dass Zusammenschlüsse, die zu mehrfachen Anmeldungen führen, nicht solche sind, die die nationalen Schwellenwerte nicht erreichen. Das angeführte Dokument bezieht sich nämlich weitreichend auf Verweisungen von Zusammenschlüssen, die auf nationaler Ebene obligatorisch und/oder freiwillig anzumelden sind(51), es gibt aber keinerlei Hinweis darauf, dass der Verweisungsmechanismus auch bei Zusammenschlüssen angewendet werden könnte, die auf nationaler Ebene nicht meldepflichtig sind(52).

    92.      Zweitens wurde im Grünbuch von 2001 festgestellt, dass einer der Gründe dafür, dass von dem Verweisungsmechanismus nach Art. 22 der EG-Fusionskontrollverordnung kein Gebrauch gemacht wurde, in den „Unterschiede[n] zwischen den nationalen Fusionskontrollverfahren, insbesondere in Bezug auf das die Anmeldung auslösende Ereignis und die Vorschriften über die Anmeldefristen [liegt](53). Diese Erwägungen wären selbstverständlich sämtlich nicht relevant gewesen, wenn die Mitgliedstaaten nach Art. 22 der EG-Fusionskontrollverordnung Zusammenschlüsse unabhängig davon an die Kommission verweisen könnten, ob eine Anmeldung auf nationaler Ebene erfolgen müsste(54). Ebenso wären, wenn die Feststellungen des Gerichts zutreffend wären, die Ausführungen im Grünbuch von 2011 nicht erklärbar, wonach die Möglichkeit eines stärkeren Greifens gemeinsamer Verweisungen nach Art. 22 Abs. 3 der EG-Fusionskontrollverordnung schwer umzusetzen sei, da dies davon abhänge, ob „eine hinreichende Harmonisierung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften“ erfolgt sei(55).

    93.      Was den Kommissionsvorschlag von 2003 angeht, lautet Rn. 21 des Vorschlags: „Ursprünglich hatte Artikel 22 [der EG-Fusionskontrollverordnung] unter anderem die Aufgabe, den Mitgliedstaaten, in denen es keine Fusionskontrollvorschriften gab, die Möglichkeit zu geben, Zusammenschlüsse, die sich auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten auswirken, an die Kommission zu verweisen. Heute gilt dies nur noch für Luxemburg. Dennoch sollte die Möglichkeit für einen einzelnen Mitgliedstaat, einen Fall an die Kommission zu verweisen, nicht völlig ausgeschlossen werden“.(56) Dies deutet darauf hin, dass die einseitige Anwendung des Verweisungsmechanismus durch die Mitgliedstaaten zwar möglich war, aber als unwahrscheinlich angesehen wurde. Hätten die Mitgliedstaaten mit Fusionskontrollsystem nach Art. 22 der EG-Fusionskontrollverordnung auch Zusammenschlüsse verweisen können, die sie nicht prüfen konnten, hätte die Anwendung des Verweisungsmechanismus wohl nicht als unwahrscheinlich angesehen werden können.

    94.      Zudem wurde in den Rn. 22 bis 25 dieses Vorschlags auch angeführt, dass der größte Nachteil der Verweisungsvorschriften (Art. 9 und 22 der EG-Fusionskontrollverordnung) darin bestehe, dass sie erst dann herangezogen werden könnten, wenn ein Zusammenschluss – je nach Lage des Falles – bei der Kommission oder bei den nationalen Wettbewerbsbehörden angemeldet worden sei. Ferner stellt Rn. 28 dieses Dokuments ganz eindeutig klar, dass die Möglichkeit der Kommission, die Mitgliedstaaten aufzufordern, einen Verweisungsantrag zu stellen, auf Fälle begrenzt sein solle, in denen eine Anmeldung bereits erfolgt sei.

    95.      Schließlich wird in Rn. 133 des Arbeitspapiers der Kommissionsdienststellen von 2009 klargestellt, dass i) die Frage, ob Mitgliedstaaten mit Fusionskontrollsystem die Möglichkeit haben sollten, für von diesen Regelungen nicht erfasste Zusammenschlüsse von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung Gebrauch zu machen, bei Weitem nicht so eindeutig sei wie von der Kommission vertreten, sondern vielmehr – wenngleich der Wortlaut dies offenbar nicht ausschließe – umstritten sei, und die meisten Mitgliedstaaten, die zu dieser Frage Stellung genommen hätten, sie eher verneint hätten(57); ii) einige der konsultierten Beteiligten (u. a. die nationalen Wettbewerbsbehörden) sogar in Frage gestellt hätten, ob eine Vorschrift wie etwa Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung überhaupt beibehalten werden sollte, da dadurch, dass „einem Mitgliedstaat, der keine Zuständigkeit habe, eine Verweisung oder eine Beteiligung an einer Verweisung nach Art. 22“ gestattet werde, Fragen der Berechenbarkeit, der Rechtsunsicherheit und der überlangen Dauer von Verfahren aufträten, und iii) Art. 22, nachdem der ursprüngliche Grund für das Bestehen dieser Bestimmung nahezu weggefallen sei, weiterhin einem Zweck diene, „soweit ein Mitgliedstaat nach dem Zeitraum der Prüfung eines Vorhabens zu der Ansicht komme, dass ein Fall besser von der Kommission geprüft werden könnte“(58).

    96.      Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass die in den Rn. 96 bis 117 des angefochtenen Urteils angeführten Unterlagen die vom Gericht aus ihnen gezogene Schlussfolgerung nicht nur nicht stützen, sondern, bei Betrachtung in ihrer Gesamtheit, zu dieser Schlussfolgerung vielmehr im Widerspruch stehen.

    iv)    Grenzen der historischen Beurteilung des Gerichts (IV)

    97.      Viertens wird der Fehler des Gerichts, soweit es festgestellt hat, dass die historische Auslegung von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung für einen weiten Anwendungsbereich der Vorschrift spreche, sogar noch offensichtlicher, wenn andere einschlägige Unterlagen, darunter vor allem einige Vorarbeiten, einschließlich der vom Rat verfassten, untersucht werden.

    98.      Die Vorarbeiten zeigen ganz eindeutig, dass bei den Beratungen und Verhandlungen, die zur Annahme der EG-Fusionskontrollverordnung durch den Rat im Jahr 1989 führten, einige der umstrittensten Themen die Definition des sachlichen Anwendungsbereichs der Verordnung und ihre Verknüpfung mit sonstigen (gemeinschaftsrechtlichen und nationalen) Regelungen, die ebenfalls auf die nach dieser Verordnung angemeldeten Vorhaben anwendbar sein konnten, betrafen. Insbesondere stellten sich zwei Fragen: Sollte die EG-Fusionskontrollverordnung ausschließlich anwendbar sein oder sollten die Mitgliedstaaten die angemeldeten Zusammenschlüsse parallel ebenfalls prüfen dürfen? Sollte die Anwendung der EG-Fusionskontrollverordnung die Anwendung der damaligen Art. 85 und 86 EWG auf dasselbe Vorhaben von vornherein ausschließen?(59)

    99.      Insoweit wurde schließlich im Rat eine Einigung erzielt, wonach die Zuständigkeit der Kommission nach der EG-Fusionskontrollverordnung ausschließlich sein sollte, während Zusammenschlüsse, die die Schwellenwerte der EG-Fusionskontrollverordnung nicht erreichten, ausschließlich von den nationalen Behörden geprüft werden sollten(60). Außerdem konnte, wenngleich die Möglichkeit der Anwendung der Art. 85 und 86 EWG-Vertrag (Primärrecht) auf die von der Verordnung erfassten Vorhaben nicht ausgeschlossen werden konnte, stattdessen die Anwendung der diese Bestimmungen umsetzenden Rechtsvorschriften auf sie begrenzt werden(61). Dies führte dazu, dass Art. 22 des Kommissionsvorschlags zwei Absätze hinzugefügt wurden(62).

    100. Diese Einigung im Rat warf das Problem der verschiedenen Mitgliedstaaten auf, die zu jenem Zeitpunkt nicht über ein nationales Fusionskontrollsystem verfügten (u. a. Belgien, Italien, Luxemburg und die Niederlande): Wer sollte die Zusammenschlüsse prüfen, die die Schwellenwerte der EG-Fusionskontrollverordnung nicht erreichten, aber Auswirkungen auf ihren nationalen Markt hatten? Daher kam es zur Einführung der „niederländischen Klausel“, nach der die Kommission ausnahmsweise „die Rolle“ der nationalen Behörden „einnehmen“ und für diese handeln konnte, wenn es keine Fusionskontrollvorschriften gab oder wenn diese Behörden der Ansicht waren, dass wegen ihrer relativ geringen Erfahrung oder begrenzten Ressourcen die Kommission „besser geeignet“ sei, eine bei ihnen angemeldete Fusion zu prüfen.

    101. In der Tat waren sowohl der Rat als auch die Kommission der Ansicht, dass „vernünftigerweise davon ausgegangen“ werden könne, dass Zusammenschlüsse unterhalb der Schwellenwerte der EG-Fusionskontrollverordnung im Allgemeinen keine hinreichenden Auswirkungen auf den Handel hatten, um eine Kontrolle auf Unionsebene zu rechtfertigen(63). Dem Rat und der Kommission war bewusst, dass die Schwellenwerte der EG-Fusionskontrollverordnung auf unterschiedliche Werte gestützt und diese Werte in unterschiedlicher Höhe festgelegt werden konnten (wobei jede Höhe zwangsläufig ein Anhaltspunkt wäre)(64). Daher war für alle am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten, einschließlich des damals für Wettbewerb zuständigen Kommissionsmitglieds(65), völlig klar, dass unabhängig von Art und Höhe der gewählten Schwellenwerte bestimmte Zusammenschlüsse, die den Gemeinsamen Markt beeinträchtigen könnten, jedenfalls nicht von der Exante-Kontrolle durch die Kommission nach der EG-Fusionskontrollverordnung erfasst sein würden(66). Dies wurde jedoch aus einer Reihe von Gründen als unvermeidlich angesehen, u. a. um die Arbeitsbelastung der Kommission auf einem angemessenen Niveau zu halten(67), Rechtssicherheit für die fusionierenden Unternehmen zu schaffen(68) und eine ausgewogene und eindeutige Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Kommission und den nationalen Behörden zu schaffen(69). Jedenfalls ließen die damaligen Art. 85 und 86 EWG-Vertrag eindeutig ein Expost-Tätigwerden für alle die Schwellenwerte nicht erreichenden Fusionen zu(70).

    102. Tatsächlich ist unter den zahlreichen Vorarbeiten zur ursprünglichen Fassung der EG-Fusionskontrollverordnung, die von den Beteiligten vorgelegt wurden, keinem einzigen Dokument ein Hinweis darauf zu entnehmen, dass der Verweisungsmechanismus nach Art. 22 Abs. 3 bis 5 der EG-Fusionskontrollverordnung dem vom Gericht genannten „Korrektiv“-Ziel diene. Um dies zu bestätigen, wurde die Kommission in der mündlichen Verhandlung gefragt, ob sie ein solches Dokument benennen könne; die Kommission konnte dies nicht. Dies ist meines Erachtens nicht überraschend, da viele der im Rat über den genauen Wortlaut dieser Bestimmung geführten Beratungen, wie den Vorarbeiten zu entnehmen ist, nicht mehr nachvollziehbar wären, wenn Zusammenschlüsse unterhalb der nationalen Schwellenwerte weiter auf der Grundlage des Verweisungsmechanismus geprüft werden könnten.

    103. Dies gilt entsprechend auch für die Änderungen der EG-Fusionskontrollverordnung im Jahr 1997. Wie oben in Nr. 82 erwähnt, beabsichtigte der Unionsgesetzgeber zwar, den Anwendungsbereich des Verweisungsmechanismus nach Art. 22 der EG-Fusionskontrollverordnung zu erweitern. In den Vorarbeiten zur Änderung der Verordnung gibt es jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass mit den Änderungen, wie vom Gericht ausgeführt, das Ziel eines Schließens von Lücken verfolgt worden wäre. Im Gegenteil steht gerade das Ziel, das System der einzigen Anlaufstelle durch Vermeidung mehrfacher Anmeldungen zu stärken, zu der vom Gericht vertretenen Auslegung von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung im Widerspruch.

    104. Meines Erachtens liegt nämlich etwas immanent Paradoxes darin, dass das Gericht ein Dokument anführt, wonach der Sinn und Zweck der 1997 vorgenommenen Änderung von Art. 22 der EG-Fusionskontrollverordnung darin bestanden haben soll, mehrfache Anmeldungen zu vermeiden, und dass hierauf eine Auslegung dieser Bestimmung gestützt werden soll, die, wie nachfolgend erläutert werden wird(71), Unternehmen, die nach den unionsrechtlichen und nationalen Fusionskontrollregelungen zu keinerlei Anmeldung verpflichtet sind, de facto dazu veranlasst, gleichwohl, rein vorsorglich, Anmeldungen (potenziell bis zu 30 an der Zahl)(72) vorzunehmen.

    105. Ferner werden durch die entstehungsgeschichtlichen Dokumente zum Erlass der EU-Fusionskontrollverordnung im Jahr 2004 die Feststellungen des Gerichts nicht gestützt, wonach der Unionsgesetzgeber den Verweisungsmechanismus nach Art. 22 dazu habe vorsehen wollen, die angeblichen Unzulänglichkeiten, die sich aus den starren Schwellenwerten nach Art. 1 der Verordnung ergeben sollen, zu beheben(73). Mit dem Ansatz, der den Änderungen an den Bestimmungen von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung zugrunde liegt, wurde das Ziel verfolgt, die Funktion des Verweisungsmechanismus als einziger Anlaufstelle zu stärken, so dass die Notwendigkeit von Mehrfachanmeldungen der fusionierenden Unternehmen vermieden wird. Dies belegt schon der Wortlaut der Änderungen ganz deutlich(74).

    106. Schließlich liefern einige nach Erlass der EU-Fusionskontrollverordnung von der Kommission verfasste Dokumente nützliche Hinweise. Wie bereits erwähnt, kann ihr Auslegungswert nur relativ sein. Da das Gericht sich jedoch selbst ausschließlich auf Kommissionsunterlagen aus der Zeit nach Erlass der EG-Fusionskontrollverordnung stützt, lassen diese zusätzlichen Dokumente ein vollständigeres Bild dadurch zu, dass sie interessante Einblicke in die entstehungsgeschichtliche Auslegung von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung durch die Kommission geben.

    107. Insbesondere werden in der nach Erlass der EU-Fusionskontrollverordnung veröffentlichten „Mitteilung der Kommission über die Verweisung von Fusionssachen“ aus dem Jahr 2005(75) Verweisungen nach Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung durchgehend als Verweisungen „nach der Anmeldung [im Englischen: post-notification]“ bezeichnet(76). Die Verwendung dieses Ausdrucks lässt sich schwerlich mit der mehrfach geäußerten Behauptung der Kommission vereinbaren, dass sie diese Bestimmung stets dahin ausgelegt habe, dass die Mitgliedstaaten danach Zusammenschlüsse, die die Schwellenwerte nach nationalem Recht nicht erreichten, verweisen könnten. Würde dem Vorbringen der Kommission gefolgt, stände dies auch im Widerspruch dazu, dass in der in eben diesem Dokument enthaltenen Aufzählung der „am ehesten für eine Verweisung an die Kommission nach Artikel 22 in Betracht [kommenden Fallkategorien]“ solche Zusammenschlüsse nicht erwähnt werden, bei denen ernste Wettbewerbsbedenken bestehen, die jedoch von keinem Fusionskontrollsystem innerhalb der Europäischen Union erfasst sind(77). Diese Fallgestaltung hätte wohl am Anfang der Aufzählung stehen müssen.

    108. Ebenso schlug die Kommission in ihrem Weißbuch von 2014 mit dem Titel „Eine wirksamere EU-Fusionskontrollregelung“ u. a. vor, „die Verweisungsregelung durch … Änderung des Artikels 22 effizienter und wirksamer zu machen, damit das Prinzip der einzigen Anlaufstelle besser gewahrt wird“(78). Bemerkenswerterweise war in den vorgeschlagenen Änderungen von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung ausdrücklich vorgesehen, dass nur Mitgliedstaaten, die „für die Prüfung eines Zusammenschlusses nach nationalem Recht zuständig sind“, bei der Kommission eine Verweisung beantragen oder sie ablehnen könnten(79). Es mag berechtigterweise zweifelhaft erscheinen, ob die Kommission mit diesen Vorschlägen den Anwendungsbereich von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung beschränken wollte, da dies sowohl dem übergeordneten Ziel widersprechen würde, das Fusionskontrollsystem wirksamer und effizienter zu machen, als auch dem konkreteren Ziel, die Verweisungsmechanismen „sowohl vor als auch nach der Anmeldung“ zu verbessern(80). Am Rande sei darauf hingewiesen, dass die Kommission auch in diesem Dokument den Mechanismus nach Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung wiederum als Verweisung „angemeldeter [im Englischen: post-notification]“ Zusammenschlüsse bezeichnete(81).

    109. Schließlich scheint auch der Fahrplan der Kommission von 2016 zur Evaluierung von Verfahrens- und Zuständigkeitsaspekten der EU-Fusionskontrolle [Evaluation Roadmap of procedural and jurisdictional aspects of EU merger control] von Bedeutung zu sein. In diesem Dokument erörtert die Kommission die Möglichkeit, die bestehenden umsatzbasierten Zuständigkeitsschwellenwerte um andere, auf alternativen Kriterien basierende Werte zu ergänzen, sowie die Notwendigkeit einer Straffung des Verweisungssystems. Es kann meines Erachtens kaum zwei Themen geben, die mit der vorliegend in Rede stehenden Frage enger zusammenhängen. Es ist daher mindestens auffällig, dass in diesem Dokument der angeblich weite Anwendungsbereich von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung mit keinem einzigen Wort erwähnt wird. Im Übrigen ist in dem Dokument auch davon die Rede, dass das Verweisungssystem die „ordnungsgemäße Kompetenzverteilung“ betreffe, und die Verweisung durch die Mitgliedstaaten an die Kommission wird als Mechanismus „nach der Anmeldung [im Englischen: post-notification]“ bezeichnet(82).

    110. Ich komme zu dem Zwischenergebnis, dass eine historische Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung eindeutig dafür spricht, dass das Gericht in Bezug auf die Bedeutung und den Anwendungsbereich des in Rede stehenden Verweisungsmechanismus rechtsfehlerhaft entschieden hat.

    3)      Systematische Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung

    111. Ich werde mich jetzt den Rn. 118 bis 139 des angefochtenen Urteils zuwenden, in denen das Gericht eine systematische Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung vorgenommen hat. Hierzu hat das Gericht zwölf systematische Gesichtspunkte, die in fünf Bestimmungen (oder Gruppen von Bestimmungen) der EU-Fusionskontrollverordnung enthalten sind, berücksichtigt. Nach Prüfung dieser Gesichtspunkte ist das Gericht zu dem Schluss gekommen, dass „sich aus der systematischen Auslegung [ergibt], dass ein Antrag auf Verweisung nach Art. 22 der [EU-Fusionskontrollverordnung] unabhängig von der Reichweite einer nationalen Fusionskontrollregelung gestellt werden kann“(83).

    112. Ich stimme mit dieser Schlussfolgerung aus vier verschiedenen Gründen nicht überein: i) Die vom Gericht vertretene Auslegung wird weder durch andere Bestimmungen der EU-Fusionskontrollverordnung als Art. 22 ii) noch durch die sonstigen Absätze oder Unterabsätze von Art. 22 bestätigt, iii) das Gericht hat die Bedeutung bestimmter systematischer Gesichtspunkte, denen – wenngleich sie keineswegs ausschlaggebend sind – bei gebührender Berücksichtigung ein gewisses Gewicht zukommen dürfte, zu Unrecht abgetan, und iv) das Gericht hat ferner bestimmte andere systematische Gesichtspunkte übersehen, die zu seinen eigenen Schlussfolgerungen offenbar im Widerspruch stehen.

    i)      Grenzen der systematischen Beurteilung des Gerichts (I)

    113. Das Gericht hat seine systematische Beurteilung mit der Prüfung begonnen, ob der Wortlaut anderer Bestimmungen der EU-Fusionskontrollverordnung als Art. 22 Aufschluss über die Bedeutung und den Anwendungsbereich von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung geben kann. Hierzu hat es zunächst vier Bestimmungen (oder Gruppen von Bestimmungen) der Verordnung geprüft.

    114. Erstens hat das Gericht festgestellt, dass den vom Unionsgesetzgeber gewählten Rechtsgrundlagen (derzeitige Art. 103 und 352 AEUV)(84) für den Erlass zunächst der EG-Fusionskontrollverordnung und später der EU-Fusionskontrollverordnung kein Hinweis auf die richtige Bedeutung und den richtigen Anwendungsbereich von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 zu entnehmen sei. Es hat daher das Vorbringen Illuminas zurückgewiesen, dass die Rechtsgrundlagen die von ihr vertretene Auslegung dieser Bestimmung stützten(85).

    115. Diese Feststellung ist meines Erachtens zutreffend. Den Erwägungsgründen der EG-Fusionskontrollverordnung und denjenigen der EU-Fusionskontrollverordnung(86) sowie den Vorarbeiten(87) ist zu entnehmen, dass vom Standpunkt des Unionsgesetzgebers betrachtet, Art. 103 AEUV – der den Erlass von Rechtsvorschriften „zur Verwirklichung der in den Artikeln 101 und 102 [AEUV] niedergelegten Grundsätze“ erlaubt – für sich genommen nicht ausreichte, um ein Fusionskontrollsystem zu schaffen, mit dem die bloße Begründung einer beherrschenden Stellung (im Gegensatz zu deren Ausnutzung, die nach Art. 102 AEUV verboten ist) verhindert werden sollte, und das auch Zusammenschlüsse auf dem Markt für landwirtschaftliche Erzeugnisse erfasste, die nach Art. 38 Abs. 3 AEUV und Anhang I des AEU-Vertrags(88) Gegenstand einer besonderen rechtlichen Regelung sein konnten, die Ausnahmen von der vollständigen Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union enthielt. Der Unionsgesetzgeber hielt es daher für erforderlich, die Verordnung auch auf den jetzigen Art. 352 AEUV zu stützen(89).

    116. Die Frage, ob die Rechtsgrundlagen der EU-Fusionskontrollverordnung für die vorliegende Fragestellung relevant sein könnten, ist in der mündlichen Verhandlung ebenfalls ausführlich erörtert worden. Nach Ansicht der Kommission wiederum soll die Wahl des Gesetzgebers mittelbar für ihren Standpunkt sprechen, da Art. 352 AEUV eine Bestimmung sei, die eine neue Befugnis der Mitgliedstaaten begründen könne, bei der Kommission die Prüfung eines bestimmten Zusammenschlusses zu beantragen, auch wenn nach nationalem Recht hierzu keine Befugnis bestehe. Unabhängig von der Frage, ob Art. 352 AEUV in dieser Weise ausgelegt werden könnte, habe ich jedoch in keinem entstehungsgeschichtlichen Dokument einen Hinweis auf eine dahin gehende Erwägung des Gesetzgebers gefunden. Wie ausgeführt, ist sowohl den Erwägungsgründen als auch den Vorarbeiten völlig eindeutig zu entnehmen, dass die Wahl der Rechtsgrundlage durch den Gesetzgeber nicht durch den Anwendungsbereich von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung beeinflusst wurde(90).

    117. Zweitens hat das Gericht Art. 1 Abs. 1 und 2 der EU-Fusionskontrollverordnung angeführt, wo die Schwellenwerte festgelegt sind, bei deren Überschreitung angenommen wird, dass ein Zusammenschluss „gemeinschaftsweite Bedeutung“ hat (und somit der Anmeldepflicht unterliegt), und wo klargestellt wird, dass diese Schwellenwerte „[u]nbeschadet des Artikels 4 Absatz 5 und des Artikel 22“ gelten. Das Gericht hat aus Art. 1 Abs. 1 und 2 der EU-Fusionskontrollverordnung hergeleitet, dass „der Geltungsbereich der [EU-Fusionskontrollverordnung] und folglich die Zuständigkeit der Kommission für die Prüfung von Zusammenschlüssen in erster Linie … von der Überschreitung der Umsatzschwellen [abhängt], die die europaweite Bedeutung bestimmen, und, hilfsweise, von den in Art. 4 Abs. 5 und Art. 22 der Verordnung vorgesehenen Verweisungsmechanismen, die diese Schwellenwerte ergänzen, indem sie es zulassen, dass bestimmte Zusammenschlüsse ohne europaweite Bedeutung von der Kommission geprüft werden“(91).

    118. Wiederum ist die Feststellung des Gerichts insoweit völlig zutreffend, und es wird von keinem der Beteiligten bestritten, dass die Kommission nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung bestimmte Fusionen, die die Schwellenwerte nach Art. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung nicht erreichen, prüfen kann. Die Feststellung des Gerichts gibt jedoch keinen Aufschluss über die eigentliche, in Rede stehende Frage, nämlich welche Fusionen unterhalb der Schwellenwerte der EU-Fusionskontrollverordnung von der Kommission nach Art. 22 der Verordnung geprüft werden können.

    119. Drittens hat das Gericht den Wortlaut von Art. 4 Abs. 5 der EU-Fusionskontrollverordnung berücksichtigt. Diese Bestimmung enthält einen anderen Verweisungsmechanismus, nach dem die Parteien einer Fusion, die keine gemeinschaftsweite Bedeutung hat und die nach dem Wettbewerbsrecht mindestens dreier Mitgliedstaaten geprüft werden könnte, die Prüfung dieser Fusion durch die Kommission beantragen können. Wie vom Gericht ausgeführt, unterscheiden diese beiden Bestimmungen sich in Bezug auf ihre Anwendungsvoraussetzungen und ihren Zweck erheblich. Das Gericht hat es daher abgelehnt, Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 im Licht von Art. 4 Abs. 5 der Verordnung auszulegen(92).

    120. Aus den oben in Nr. 63 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Gründen halte ich diesen Ansatz für gerechtfertigt. Meines Erachtens sagt der Wortlaut von Art. 4 Abs. 5 der EU-Fusionskontrollverordnung für die Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung schlicht nichts aus.

    121. Viertens hat das Gericht festgestellt, dass Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung „nicht im Licht der Verweisungsmechanismen nach Art. 4 Abs. 4 und Art. 9 der Verordnung ausgelegt werden [kann]“(93). Die Unterschiede im Wortlaut dieser Bestimmungen zeigten, so das Gericht, dass diese Mechanismen „nicht angeglichen“ seien, so dass keine Rückschlüsse in Bezug auf Bedeutung und Anwendungsbereich von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung gezogen werden könnten(94).

    122. Auch insoweit ist die Feststellung des Gerichts zutreffend: Das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen hierzu war nicht überzeugend. Zugleich mag der ergänzende Hinweis sinnvoll sein, dass diese Bestimmungen ebenso wenig für das Vorbringen der Kommission sprechen; sie sagen über die vorliegend in Rede stehende Frage vielmehr nichts aus.

    ii)    Grenzen der systematischen Beurteilung des Gerichts (II)

    123. Schließlich hat das Gericht in den Rn. 130 bis 138 des angefochtenen Urteils die Bedeutung und den Anwendungsbereich von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung im Licht der sonstigen Absätze und Unterabsätze dieser Bestimmung geprüft. Hierzu hat das Gericht acht Gesichtspunkte von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung geprüft.

    124. Erstens bedeutet, entgegen den Ausführungen des Gerichts(95), der Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der EU-Fusionskontrollverordnung, wonach der Verweisungsantrag „innerhalb von 15 Arbeitstagen, nachdem der Zusammenschluss bei dem betreffenden Mitgliedstaat angemeldet oder, falls eine Anmeldung nicht erforderlich ist, ihm anderweitig zur Kenntnis gebracht worden ist“  (96), gestellt werden muss, nicht, dass Unterabs. 1 dieser Bestimmung „Fälle [regelt], in denen die Zusammenschlüsse nicht angemeldet, sondern dem betreffenden Mitgliedstaat lediglich zur Kenntnis gebracht werden, entweder weil diese nicht in den Anwendungsbereich dieser Regelung fallen oder weil es an einer solchen Regelung fehlt“(97).

    125. Das Gericht hat die offenkundige Tatsache übersehen, dass die Formulierung „zur Kenntnis gebracht“ erforderlich war, damit die Bestimmung ihre wesentliche Funktion als „niederländische Klausel“ erfüllen kann, nämlich den Mitgliedstaaten ohne nationales Fusionskontrollsystem zu ermöglichen, bei der Kommission die Prüfung von Fusionen zu beantragen, die auf nationaler Ebene problematisch sein können.

    126. Außerdem hat das Gericht die im Laufe der Zeit an Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der EU-Fusionskontrollverordnung vorgenommenen Änderungen außer Acht gelassen. In der ursprünglichen EG-Fusionskontrollverordnung regelte diese Bestimmung lediglich, dass ein Verfahren „binnen eines Monats nach der Unterrichtung des Mitgliedstaats über den Zusammenschluss oder dessen Durchführung eröffnet werden [muss]“. Nach Änderung der EG-Fusionskontrollverordnung 1997 lautete diese Bestimmung: „[Ein] Antrag muss spätestens einen Monat nach dem Zeitpunkt gestellt werden, zu dem der Zusammenschluss den betreffenden [den gemeinsam Antrag stellenden] Mitgliedstaaten zur Kenntnis gebracht wurde oder dessen Durchführung erfolgt ist“. Schließlich wurde diese Bestimmung erst mit dem Erlass der EU-Fusionskontrollverordnung dahin geändert, dass sie auch die „Anmeldung“ des Zusammenschlusses mit einbezog(98).

    127. Was sagen diese Änderungen aus? Meines Erachtens bestätigen sie eindeutig, was sich offenkundig aus der Prüfung der Vorarbeiten ergibt: i) Art. 22 der ursprünglichen EG-Fusionskontrollverordnung war für die Regelung von Verweisungen durch Mitgliedstaaten ohne Fusionskontrollsystem konzipiert (daher keine Erwähnung einer Anmeldung); ii) Art. 22 der EG-Fusionskontrollverordnung wurde 1997 dahin geändert, dass eine Verweisung durch mehrere Mitgliedstaaten ermöglicht wurde, um mehrfache Anmeldungen zu vermeiden, wenn die Kommission als die geeignetste Behörde angesehen wird (daher die Einführung der Regelung von gemeinsamen Anträgen); und iii) Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung konsolidierte den Besitzstand betreffend Art. 22 und stärkte die Funktion dieser Bestimmung in Bezug auf das Prinzip der einzigen Anlaufstelle (daher die Einführung der Regelung von Anmeldungen)(99). Dementsprechend ist die auf den Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der EU-Fusionskontrollverordnung bezogene Feststellung des Gerichts meines Erachtens unzutreffend.

    128. Zweitens hat das Gericht festgestellt, dass die Rechtsmittelführerinnen sich auf den Wortlaut von Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung nicht berufen könnten, wonach die Kommission verpflichtet ist, „die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten“ von einem Verweisungsantrag zu unterrichten. Es handele sich um eine Regelung allgemeiner Natur, die nicht bedeute, dass eine Anmeldung auf nationaler Ebene erfolgt oder zumindest möglich sei(100).

    129. Ich stimme mit dem Gericht teilweise überein. Für sich genommen sagt dieser Gesichtspunkt für die Bestimmung der Bedeutung und des Anwendungsbereichs von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung anscheinend nicht aus. Wie in den Nrn. 152 bis 162 der vorliegenden Schlussanträge erläutert werden wird, ist die in Rede stehende Bestimmung jedoch nicht ganz ohne Bedeutung, wenn sie in Verbindung mit sonstigen relevanten Bestimmungen beurteilt wird.

    130. Drittens hat das Gericht festgestellt, dass Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 2 der EU-Fusionskontrollverordnung, wonach „[j]eder andere Mitgliedstaat … sich dem ersten Antrag … anschließen [kann]“, „mit [Art. 22] Abs. 1 [der EU-Fusionskontrollverordnung] in Einklang steht und bestätigt, dass jeder Mitgliedstaat unabhängig von der Reichweite seiner nationalen Fusionskontrollregelung nach diesem Artikel einen Antrag auf Verweisung oder auf Anschließung stellen kann“(101).

    131. Es handelt sich zwar um einen Gesichtspunkt, der, wie das Gericht festgestellt hat, für den Standpunkt der Kommission zu sprechen scheint. Die Überzeugungskraft dieses Gesichtspunkts ist jedoch aus den folgenden vier Gründen eher begrenzt.

    –        Zunächst hat Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 2 der EU-Fusionskontrollverordnung, wie vom Gericht selbst festgestellt, einen ähnlichen Wortlaut wie Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung. Angesichts des engen und inhärenten Zusammenhangs zwischen den beiden Bestimmungen (mit denen geregelt wird, wer jeweils einen Antrag bzw. einen gemeinsamen Antrag stellen kann) ist dies ganz naheliegend. Es ist somit nicht überraschend, dass beide Bestimmungen Formulierungen enthalten, die ähnlich unbeschränkt sind. Wenn jedoch die erstere Bestimmung unklar sein soll, kann die entsprechende Formulierung in der letzteren schwerlich als verlässliche Orientierungshilfe für die Bedeutung der ersteren angesehen werden.

    –        Der Wortlaut von Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 2 der EU-Fusionskontrollverordnung ist noch aus einem weiteren Grund unklar. Nach dem 15. Erwägungsgrund der EU-Fusionskontrollverordnung – der Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung betrifft – „[sollten nämlich w]eitere Mitgliedstaaten, die für die Prüfung des Zusammenschlusses ebenfalls zuständig sind, … die Möglichkeit haben, dem [Verweisungsa]ntrag beizutreten“(102). Zumindest lässt dieser Erwägungsgrund die Auslegung von Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 2 der EU-Fusionskontrollverordnung durch das Gericht zweifelhaft erscheinen, denn diese deutet darauf hin, dass der Mitgliedstaat, der die Verweisung vornimmt, zuständig sein muss.

    –        Darüber hinaus, ergäbe sich, selbst wenn der vom Gericht vertretenen Auslegung von Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 2 der EU-Fusionskontrollverordnung gefolgt würde, kein Widerspruch zu der von den Rechtsmittelführerinnen vertretenen Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung. Die Kommission erwirbt eine potenzielle Zuständigkeit für die Prüfung einer Fusion, die die Schwellenwerte nach Art. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung nicht erreicht, wenn von einem Mitgliedstaat, der nach Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung zuständig ist, ein Antrag auf Verweisung gestellt wird. Wenn also ein oder mehrere Mitgliedstaaten einem (wirksam gestellten) Verweisungsantrag eines anderen Mitgliedstaats beitreten, fällt die Fusion bereits in den Anwendungsbereich der EU-Fusionskontrollverordnung. Es ist daher weder problematisch noch ungewöhnlich, dass jeder Mitgliedstaat sich einem solchen Antrag anschließen kann.

    –        Schließlich hat der Umstand, dass ein oder mehrere Mitgliedstaaten (von Anfang an oder später) einem (wirksamen) Verweisungsantrag beitreten, der von einem anderen Mitgliedstaat gestellt wurde oder wird, keine nachteiligen Folgen für die beteiligten Unternehmen im Hinblick auf die Rechtssicherheit und Berechenbarkeit der Verfahren(103). Dies steht in krassem Gegensatz zu den Folgen, die sich insoweit aus einer Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung ergeben würden, wie sie von der Kommission vertreten wird(104).

    132. Viertens hat das Gericht festgestellt, dass der Umstand, dass nach Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 3 der EU-Fusionskontrollverordnung „[a]lle einzelstaatlichen Fristen, die den Zusammenschluss betreffen, … gehemmt werden“, nicht für die von den Rechtsmittelführerinnen vertretene Auslegung von Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung spreche(105).

    133. Auch in diesem Punkt stimme ich mit der unmittelbaren Schlussfolgerung des Gerichts überein: Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 3 der EU-Fusionskontrollverordnung gibt für sich genommen keinen Aufschluss über den Anwendungsbereich von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung(106).

    134. Fünftens hat das Gericht sich dem Wortlaut von Art. 22 Abs. 3 Unterabs. 3 der EU-Fusionskontrollverordnung zugewendet, wonach „[d]as innerstaatliche Wettbewerbsrecht des bzw. der Mitgliedstaaten, die den [Verweisungsantrag] gestellt haben, … auf den Zusammenschluss nicht mehr Anwendung [findet]“. Insoweit hat das Gericht festgestellt, dass diese Bestimmung nicht für das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen spreche: Das betreffende innerstaatliche Recht beziehe sich auch auf die nationalen Bestimmungen über wettbewerbswidrige Absprachen und die Ausnutzung einer beherrschenden Stellung(107).

    135. Insoweit stimme ich mit der Beurteilung des Gerichts voll überein. Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 3 der EU-Fusionskontrollverordnung spricht in der Tat nicht für die von den Rechtsmittelführerinnen vertretene (und ebenso wenig für die von der Kommission vertretene) Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung.

    136. Sechstens hat das Gericht Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung geprüft, wonach Art. 2, Art. 4 Abs. 2 und 3 sowie die Art. 5, 6 und 8 bis 21 der Verordnung Anwendung finden, wenn die Kommission den Antrag auf Prüfung eines an sie verwiesenen Zusammenschlusses annimmt, und wonach Art. 7 der EU-Fusionskontrollverordnung Anwendung findet, „soweit der Zusammenschluss zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission den beteiligten Unternehmen mitteilt, dass ein Antrag eingegangen ist, noch nicht vollzogen worden ist“. Dem Wortlaut dieser Bestimmung entnimmt die Kommission, dass die in Art. 7 der EU-Fusionskontrollverordnung enthaltene Verpflichtung zum Aufschub „sowohl die Fälle, in denen der Zusammenschluss, auf den sich der Verweisungsantrag bezieht, … unter keine nationale Regelung fällt, als auch diejenigen Fälle erfasst, in denen eine solche Regelung Anwendung findet, aber nicht seinen Aufschub vorsieht“(108).

    137. Die Schlussfolgerung des Gerichts ist verwunderlich. Wörtlich genommen, ist sie zutreffend(109). Sie wäre jedoch für die hier in Rede stehende Frage ebenfalls ohne Bedeutung. Folglich verstehe ich die Schlussfolgerung des Gerichts dahin, dass die in Art. 7 der EU-Fusionskontrollverordnung vorgesehene Verpflichtung zum Aufschub auch für Fusionen gilt, die nicht unter die nationale Fusionskontrollregelung des antragstellenden Mitgliedstaats fallen.

    138. Gleichwohl tut sich in den Begründungserwägungen des Gerichts offenbar eine Lücke auf: Es ist nämlich nicht ohne Weiteres ersichtlich, inwieweit sich diese Schlussfolgerung aus dem Wortlaut von Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung ergeben soll. Jedenfalls halte ich diese Schlussfolgerung für unzutreffend.

    139. Nach Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung gilt die Verpflichtung zum Aufschub für alle Fusionen, für die ein Verweisungsantrag gestellt worden ist, um die Wirksamkeit des Kontrollsystems zu gewährleisten und um zu vermeiden, dass es zu Wettbewerbsverfälschungen kommt, bevor darüber entschieden wird, ob die Kommission den Zusammenschluss prüfen wird.

    140. Dass die Verpflichtung zum Aufschub nur gilt, soweit „der Zusammenschluss zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission den beteiligten Unternehmen mitteilt, dass ein Antrag eingegangen ist, noch nicht vollzogen worden ist“, ergibt sich zwangsläufig daraus, dass eine Fusion, für die ein Verweisungsantrag gestellt worden ist, vor der Stellung dieses Antrags (rechtmäßigerweise) vollzogen worden sein könnte. Es gibt verschiedene Gründe, warum dies möglich ist. Insbesondere kann ein Verweisungsantrag von einem Mitgliedstaat (oder einem EWR/EFTA-Staat)(110) gestellt werden, i) der über kein Fusionskontrollsystem verfügt, ii) der über ein Fusionskontrollsystem verfügt, das keine Verpflichtung zum Aufschub vorsieht(111), oder iii) in dem eine Verpflichtung zum Aufschub zwar besteht, aber im konkreten Fall nicht anwendbar war. Zum letztgenannten Punkt ist in der Tat hervorzuheben, dass der Umfang der Aufschubverpflichtungen, einschließlich der Befreiungen und eventueller Ausnahmen davon, sowie die Dauer der geltenden Wartezeiten von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich sind(112).

    141. Die Feststellung des Gerichts zu Art. 7 der EU-Fusionskontrollverordnung ist daher unschlüssig. Meines Erachtens gibt Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung keinen Aufschluss über die richtige Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung.

    142. Siebtens hat das Gericht angeführt, dass nach Art. 22 Abs. 5 der EU-Fusionskontrollverordnung „[d]ie Kommission … einem oder mehreren Mitgliedstaaten mitteilen [kann], dass ein Zusammenschluss nach ihrem Dafürhalten die Kriterien des Absatzes 1 [dieses Artikels] erfüllt“. Da die Formulierung sich nur auf diese, offenbar abschließenden, Kriterien beziehe, verlange diese Bestimmung nicht, dass dieser Zusammenschluss unter eine nationale Fusionskontrollregelung falle(113).

    143. Meines Erachtens liest das Gericht zu viel in diese Bestimmung hinein. Art. 22 Abs. 5 der EU-Fusionskontrollverordnung ergänzt Art. 22 Abs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung: Der in Rede stehende Verweisungsmechanismus kann von einem oder mehreren Mitgliedstaaten, aber auch von der Kommission eingeleitet werden, wobei in beiden Fällen die zwei, nach Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung erforderlichen sachlichen Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sein müssen, was die in beiden Fällen verwendete sehr ähnliche Formulierung erklärt. Es wäre in der Tat seltsam, wenn Art. 22 Abs. 5 der EU-Fusionskontrollverordnung detaillierter wäre als Art. 22 Abs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung oder wenn er einen wesentlichen Unterschied zu diesem enthielte. Wie oben in Nr. 131 ausgeführt, kann diese Bestimmung schwerlich als verlässliche Quelle für eine systematische Auslegung der Bestimmung herangezogen werden, deren Wortlaut sie entspricht.

    144. Darüber hinaus sehe ich, selbst wenn angenommen würde, dass der Wortlaut von Art. 22 Abs. 5 der EU-Fusionskontrollverordnung relevant wäre, zumindest zwei andere Erklärungen für diesen Wortlaut, und diese sprechen nicht nur nicht für die Ansicht der Kommission, sondern möglicherweise sogar eher für die Ansicht der Rechtsmittelführerinnen.

    145. Eine dieser Erklärungen wird deutlich, wenn die Aufmerksamkeit auf Rn. 110 des angefochtenen Urteils gerichtet wird. In dieser Passage führt das Gericht aus, dass es in einer früheren Rechtssache („Kesko“) bereits entschieden habe, dass „es nicht Aufgabe der Kommission war, darüber zu entscheiden, ob eine nationale Wettbewerbsbehörde für die Stellung eines Verweisungsantrags nach Artikel 22 [der EU-Fusionskontrollverordnung] zuständig ist. Sie hatte vielmehr nur zu prüfen, ob dieser Antrag auf den ersten Blick der Antrag eines Mitgliedstaats war“(114). Diese Entscheidung ist insofern zutreffend, als es sich bei der Frage, ob eine bestimmte Fusion nach nationalem Recht meldepflichtig ist, nicht um eine Frage des Unionsrechts, sondern um eine Frage des nationalen Rechts handelt. Es kann somit nicht Sache der Kommission sein, einem Mitgliedstaat nach Art. 22 Abs. 5 der EU-Fusionskontrollverordnung mitzuteilen, dass ihrer Ansicht nach nicht nur die sachlichen Anwendungsvoraussetzungen für die Verweisung erfüllt, sondern auch die nationalen Schwellenwerte erreicht sind.

    146. Eine weitere Erklärung ergibt sich aus dem Fehlen jeglicher Hinweise in Art. 22 Abs. 5 der EU-Fusionskontrollverordnung auf die Kriterien, die die Kommission anzuwenden hat, um den „einen oder mehrere Mitgliedstaaten“ zu bestimmen, an den bzw. die sie sich nach dieser Bestimmung zunächst wenden und den bzw. die sie dann zur Antragstellung auffordern kann. Sind dies die Mitgliedstaaten, in deren Hoheitsgebiet der Wettbewerb möglicherweise beeinträchtigt wird? Wenn ja, kann die Kommission lediglich einige dieser Mitgliedstaaten frei wählen (und anhand welcher Kriterien), oder ist sie verpflichtet, sie gleich zu behandeln? Der Wortlaut der Bestimmung könnte insoweit auf den ersten Blick etwas mehrdeutig erscheinen. Oder vielleicht auch nicht. Es könnte die Ansicht vertreten werden, dass der Kommission in dieser Frage ein weites Ermessen eingeräumt ist, weil sie u. a. in jedem Einzelfall möglicherweise zu prüfen hat, welche Mitgliedstaaten für die Verweisung einer Fusion prima facie zuständig sind und welche nicht.

    147. Dementsprechend ist auch Art. 22 Abs. 5 der EU-Fusionskontrollverordnung meines Erachtens für die Bestimmung des Wesens und des Anwendungsbereichs von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung nicht von Nutzen.

    148. Schließlich hat das Gericht festgestellt, dass die sonstigen Bestimmungen des Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung „keinen Hinweis enthalten, durch den der Inhalt ihres Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 genauer bestimmt werden könnte“(115). Wie in den folgenden Abschnitten der vorliegenden Schlussanträge erläutert werden wird, stimme ich mit dieser letzteren Feststellung nicht überein.

    149. Auf der Grundlage der vorstehend veranschaulichten verschiedenen systematischen Gesichtspunkte ist das Gericht zu dem Schluss gekommen, dass eine systematische Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung bestätige, dass ein Verweisungsantrag nach Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung unabhängig von der Reichweite einer nationalen Fusionskontrollregelung gestellt werden könne. Wie erläutert, lässt diese Schlussfolgerung sich jedoch der systematischen Prüfung, die das Gericht vorgenommen hat, nicht entnehmen. Im Rahmen dieser Prüfung hat das Gericht sich auf insgesamt zwölf systematische Gesichtspunkte gestützt. Von diesen geprüften Gesichtspunkten

    –        sind sieben nach eigener Auffassung des Gerichts für die Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung unerheblich; sie wurden vielmehr hauptsächlich geprüft, um bestimmte, von den Rechtsmittelführerinnen vorgetragene Argumente zurückzuweisen; das Gericht hat nicht festgestellt (oder auch nur nahegelegt), dass diese Gesichtspunkte für die Ansicht der Kommission sprechen könnten; und

    –        ist einer vom Gericht angeführt worden, um einen Punkt zu untermauern, der jedoch unstreitig ist und dem vor allem für die umstrittene Auslegung keine Orientierungshilfe zu entnehmen ist.

    150. Dementsprechend würde sich, selbst wenn den Begründungserwägungen des Gerichts voll gefolgt würde (was nicht der Fall ist), seine Schlussfolgerung auf lediglich vier systematische Gesichtspunkte stützen. Drei dieser Gesichtspunkte sind jedoch, wie dargelegt, fehlerhaft beurteilt worden, und einem von ihnen kommt, auch wenn er zugestandenermaßen für die Ansicht der Kommission spricht, keine besondere Überzeugungskraft zu.

    151. Außerdem ist die systematische Prüfung, die im angefochtenen Urteil vorgenommen worden ist, meines Erachtens noch aus zwei weiteren Gründen problematisch: i) Das Gericht hat die Bedeutung bestimmter systematischer Gesichtspunkte zu Unrecht verneint, die zwar keineswegs ausschlaggebend sind, denen aber bei gebührender Berücksichtigung durchaus eine Indizwirkung zukommt; und ii) das Gericht hat sonstige systematische Gesichtspunkte, die zu seinen Schlussfolgerungen offenbar in Widerspruch stehen, außer Acht gelassen.

    iii) Grenzen der systematischen Beurteilung des Gerichts (III)

    152. Zunächst kommt bestimmten systematischen Gesichtspunkten, deren Bedeutung das Gericht verneint hat(116), meines Erachtens bei gebührender Berücksichtigung zweier Aspekte, die das Gericht übersehen hat, ein gewisser hermeneutischer Wert zu, nämlich ihrer Verbindung und dem zeitlichen Faktor.

    153. Lassen Sie mich dies erläutern. Die Gesichtspunkte, auf die ich mich beziehe, sind Bestimmungen und Erwägungsgründe der EU-Fusionskontrollverordnung, die bei isolierter Betrachtung möglicherweise keine besondere Bedeutung für die Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung zu haben scheinen. In Wahrheit lassen sich jedoch, wenn man einen Schritt zurück macht und diese Bestimmungen und Erwägungsgründe zusammen betrachtet und berücksichtigt, wann und warum sie in die Verordnung aufgenommen wurden, tatsächlich einige nützliche Hinweise gewinnen.

    154. Im ersten Rechtszug haben die Rechtsmittelführerinnen sich auf eine Reihe von Bestimmungen und Erwägungsgründen der EU-Fusionskontrollverordnung gestützt, die offenbar auf der Annahme beruhen, dass i) die Fusion, die Gegenstand einer Verweisung nach Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung ist, auf nationaler Ebene entweder angemeldet werden oder meldepflichtig sein muss(117); ii) diese Fusion jedenfalls an irgendeiner Stelle geprüft werden muss, auch wenn die Kommission diese Prüfung ablehnt(118), oder iii) die nationalen Behörden, die die Verweisung vornehmen, für die Prüfung der Fusion zuständig sein müssen. Der letztgenannte Punkt verdient eine kurze Erläuterung.

    155. Wie oben erwähnt, ist die Kommission nach Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung verpflichtet, „die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und die beteiligten Unternehmen … von einem … gestellten [Verweisungsa]ntrag [zu unterrichten]“. Ebenso wie das Gericht neige auch ich dazu, den Begriff „zuständige Behörden“ dahin zu verstehen, dass damit die im Allgemeinen mit Fusionen befassten nationalen Behörden gemeint sind, und nicht die für die Prüfung der konkreten Fusion nach nationalem Recht zuständigen Behörden.

    156. Diese Auslegung wird jedoch, wie oben in Nr. 131 erwähnt, durch den 15. Erwägungsgrund der EU-Fusionskontrollverordnung in Frage gestellt – einen Erwägungsgrund, der genau den in Rede stehenden Verweisungsmechanismus und insbesondere die Voraussetzungen betrifft, die nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung für seine Anwendung erfüllt sein müssen. In diesem Erwägungsgrund heißt es: „Ein Mitgliedstaat sollte einen Zusammenschluss ohne gemeinschaftsweite Bedeutung an die Kommission verweisen können, wenn er den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb in seinem Hoheitsgebiet erheblich zu beeinträchtigen droht. Weitere Mitgliedstaaten, die für die Prüfung des Zusammenschlusses ebenfalls zuständig sind, sollten die Möglichkeit haben, dem Antrag beizutreten.“(119) Legt der Wortlaut dieses Erwägungsgrundes, wie von den Rechtsmittelführerinnen vorgetragen, nicht nahe, dass der Mitgliedstaat, der eine Verweisung vornimmt, nach nationalem Recht für die Prüfung der betreffenden Fusion zuständig sein muss?

    157. Das Gericht hat das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen kurz damit abgehandelt, dass diese Bestimmungen und Erwägungsgründe nicht dahin ausgelegt werden könnten, dass die Verweisung einer bestimmten Fusion nur möglich sei, wenn sie in dem Mitgliedstaat, der den Mechanismus einleite, angemeldet werde oder anmeldepflichtig sei(120). Insoweit ist dies eindeutig zutreffend. Es wird kaum eines weiteren Hinweises darauf bedürfen, dass der Verweisungsmechanismus nach Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung von Mitgliedstaaten, die nicht über ein nationales Fusionskontrollsystem verfügen, angewendet werden kann – und in der Tat in erster Linie für diese konzipiert wurde.

    158. Es ist jedoch etwas zu einfach, die rechtliche Prüfung an dieser Stelle zu beenden, wie es das Gericht getan hat. Ebenso ist meines Erachtens überraschend, dass die Kommission angesichts der höchsten Bedeutung, die sie der Wortlautauslegung im Rahmen der vorliegenden Rechtssache beimisst, in ihren Erklärungen auch nicht mehr auf den Wortlaut dieser Bestimmungen eingegangen ist.

    159. Es drängt sich in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob das Vorbringen der Kommission ebenso wie die Begründung des angefochtenen Urteils nicht eine gewisse Widersprüchlichkeit aufweist. Beide stützen sich weitreichend auf den (angeblich eindeutigen) Wortlaut bestimmter Bestimmungen und lassen dann außer Betracht, was sich aus dem (angeblich eindeutigen) Wortlaut anderer Bestimmungen ergeben dürfte, einfach weil der Letztere mit der für den Ersteren vertretenen Auslegung nicht in Einklang zu bringen ist. Die Hinweise, die sich aus bestimmten Vorschriften ergeben, außer Betracht zu lassen, weil diese Hinweise nicht zu dem zuvor gefundenen vorläufigen Ergebnis passen, ist meines Erachtens keine fundierte systematische Auslegung. Es kommt einem Zirkelschluss nahe.

    160. Bei sorgfältiger Auslegung hätte sich meines Erachtens die Frage stellen sollen, warum mit bestimmten Bestimmungen und Erwägungsgründen der EU-Fusionskontrollverordnung möglicherweise nicht das gemeint ist, was ihr Wortlaut nahelegt. Der hinter der Eigenart dieser Erwägungsgründe und Bestimmungen stehende Grund liegt meines Erachtens darin, dass sie in der ursprünglichen EG-Fusionskontrollverordnung von 1989 sämtlich nicht enthalten waren. Sie wurden alle später eingeführt, als die EG-Fusionskontrollverordnung, nachdem sie 1997 in diesem Punkt geändert worden war, schließlich durch die EU-Fusionskontrollverordnung aufgehoben wurde.

    161. Da dieser Punkt bereits eingehend erörtert worden ist, braucht darauf nicht erneut eingegangen werden. Mit der EU-Fusionskontrollverordnung sollte das Ziel der „zentralen Anlaufstelle“ für den Verweisungsmechanismus weiterentwickelt werden. Da dieses Ziel somit nur angemeldete oder anmeldepflichtige Fusionen betrifft, ist recht offensichtlich, dass der Wortlaut dieser Bestimmungen und Erwägungsgründe mit Blick auf diese Vorhaben formuliert wurde.

    162. In diesem Licht betrachtet, ergibt der Wortlaut dieser Bestimmungen und Erwägungsgründe durchaus Sinn und steht im Einklang mit dem Rest der EU-Fusionskontrollverordnung. Demzufolge legen diese systematischen Gesichtspunkte ebenfalls nahe, dass den Mitgliedstaaten mit Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung nicht ermöglicht werden sollte, Fusionen an die Kommission zu verweisen, die die nationalen Schwellenwerte nicht erreichen. Andernfalls wären sie wahrscheinlich anders formuliert worden. Um ein weiteres englisches Sprichwort zu zitieren, würde ich somit im Hinblick auf diese Bestimmungen und Erwägungsgründe sagen, dass das Gericht „den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen hat“.

    iv)    Grenzen der systematischen Beurteilung des Gerichts (IV)

    163. Darüber hinaus hat das Gericht andere Aspekte des rechtlichen Kontexts übersehen, die meines Erachtens auch für die von den Rechtsmittelführerinnen vertretene Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung sprechen dürften.

    164. Dieser Punkt kann meines Erachtens wiederum kurz erörtert werden. Einige dieser Gesichtspunkt sind nämlich bereits in vorangegangenen Teilen der vorliegenden Schlussanträge erwähnt worden.

    165. Zunächst wird im 15. Erwägungsgrund a. E. klargestellt, dass die Kommission nach Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung „[die Befugnis erwirbt], einen Zusammenschluss für [im Englischen: on behalf of] einen antragstellenden Mitgliedstaat oder mehrere antragstellende Mitgliedstaaten zu prüfen und zu behandeln“(121). Die Formulierung dieses Erwägungsgrundes lässt sich schwerlich mit einer Bestimmung in Einklang bringen, die, nach Ansicht der Kommission und nach Auffassung des Gerichts, der Kommission die Zuständigkeit für die Prüfung bestimmter Fusionen überträgt, die den Wettbewerb im Binnenmarkt beeinträchtigen. Wenn das Problem sich im Binnenmarkt stellt, warum sollte die Kommission dann im Interesse, an Stelle oder im Namen(122) einer nationalen Behörde handeln, zumal einer solchen, die für die Prüfung der betreffenden Fusion gar nicht zuständig ist?

    166. Meine an diesem Punkt bestehenden Zweifel werden durch den Wortlaut von Art. 22 Abs. 5 der ursprünglichen EG-Fusionskontrollverordnung noch verstärkt; dort heißt es: „Die Kommission trifft in Anwendung von Absatz 3 nur die Maßnahmen, die unbedingt erforderlich sind, um wirksamen Wettbewerb im Gebiet des Mitgliedstaats zu wahren oder wiederherzustellen, auf dessen Antrag hin sie tätig geworden ist.“(123) Die ausdrückliche Begrenzung der der Kommission in diesem Fall eingeräumten Befugnisse(124) zeigt meines Erachtens eindeutig, dass Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung nicht die umfassende Korrektivfunktion haben sollte, die ihm vom Gericht zugemessen worden ist.

    167. Bemerkenswert ist auch, dass Art. 1 Abs. 4 und 5 der EU-Fusionskontrollverordnung im angefochtenen Urteil nicht erwähnt werden, wonach ein vereinfachtes Verfahren vorgesehen ist(125), um dem Rat zu ermöglichen, auf Vorschlag der Kommission „… die Schwellen und Kriterien [zu] ändern“, die nach dieser Bestimmung den Anwendungsbereich der EU-Fusionskontrollverordnung definieren(126). Wichtig ist der Hinweis darauf, dass diese Bestimmung sich nicht nur auf „Schwellen“ (im Sinne von Umsatzschwellenwerten), sondern auch auf „Kriterien“ bezieht. Dies bedeutet, dass der Unionsgesetzgeber, wenn er es für erforderlich hält, beschließen kann, die Umsatzschwellenwerte durch Kriterien zu ersetzen oder zu integrieren, die auf anderen Arten von Werten beruhen (z. B. vom Käufer gezahlter Preis, Wert der Transaktion, Marktanteile, Anteil am Marktangebot [share of supply], Wert der zu übertragenden lokalen Vermögenswerte, potenzielle Auswirkungen auf die relevanten Märkte, usw.). Es gibt somit ein in die EU-Fusionskontrollverordnung integriertes systemisches Korrektiv, das eine rasche Anpassung des Anwendungsbereichs dieser Verordnung ermöglicht, wenn die verwendeten Zuständigkeitskriterien aufgrund von Marktentwicklungen nicht mehr geeignet sind, potenziell schädliche Zusammenschlüsse zu erfassen.

    168. Ich stimme mit der Kommission darin überein, dass der hermeneutische Wert dieses Gesichtspunkts für sich genommen nicht überbewertet werden sollte. Es stellen sich hierdurch jedoch Fragen im Hinblick darauf, ob es notwendig ist, in der Verordnung ein Adhoc-Korrektiv vorzusehen, von dem das Gericht ausgeht. Außerdem wird dieser systematische Gesichtspunkt für die Auslegung noch erheblich relevanter, wenn er unter einem anderen Blickwinkel betrachtet wird.

    169. Im Blick zu behalten ist, dass eine Art. 1 Abs. 4 und 5 der EU-Fusionskontrollverordnung entsprechende Bestimmung bereits in der ursprünglichen EG-Fusionskontrollverordnung enthalten war und die Verbindung zwischen dem Mechanismus für die Anpassung der Schwellenwerte und dem Verweisungsmechanismus in der letztgenannten Verordnung unmittelbar und ausdrücklich war. Interessanterweise war der Verweisungsmechanismus nach Art. 22 Abs. 3 bis 5 der EG-Fusionskontrollverordnung ursprünglich als temporärer Mechanismus ausgestaltet. Art. 22 Abs. 6 der EG-Fusionskontrollverordnung sah nämlich vor, dass „[d]ie Absätze 3, 4 und 5 … Anwendung [finden], bis die in Artikel [1 Abs. 2] festgelegten Schwellen revidiert werden.“ Dies bedeutet, dass der Unionsgesetzgeber 1989 davon ausging, dass der Verweisungsmechanismus überflüssig werden würde, sobald die Erfahrung „vor Ort“ die entsprechenden Anpassungen der Umsatzschwellenwerte zulassen würde(127). Eine solche Erwägung wäre offensichtlich völlig sinnlos gewesen, wenn der Verweisungsmechanismus, wie von der Kommission vorgetragen, auch Zusammenschlüsse erfassen sollte, die die nationalen Schwellenwerte nicht erreichen, denn seine Nützlichkeit bliebe von einer Änderung der Schwellenwerte der EG-Fusionskontrollverordnung völlig unberührt. Erst recht stellt sich die Frage, warum der Verweisungsmechanismus, wenn er Fusionen hätte erfassen sollen, die die nationalen Schwellenwerte nicht erreichten, hätte temporär ausgestaltet werden sollen.

    170. Ich komme zu dem Zwischenergebnis, dass eine systematische Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung insgesamt ebenfalls dafür spricht, dass das Gericht in Bezug auf die Bedeutung und den Anwendungsbereich des in Rede stehenden Verweisungsmechanismus rechtsfehlerhaft entschieden hat. Auch wenn es in beide Richtungen gehend Gesichtspunkte gibt, sind nämlich diejenigen, die auf einen engeren Anwendungsbereich dieser Bestimmung hindeuten, sehr viel zahlreicher und relevanter als diejenigen, die auf einen weiteren Anwendungsbereich der Bestimmung hindeuten.

    4)      Teleologische Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung

    171. Weiterhin hat das Gericht in den Rn. 140 bis 151 des angefochtenen Urteils eine teleologische Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung vorgenommen, die sich hauptsächlich auf den Wortlaut der Erwägungsgründe konzentriert. Es hat insbesondere hervorgehoben, dass das Ziel dieser Verordnung, wie aus ihren Erwägungsgründen 5, 6, 8, 24 und 25 folge, darin bestehe, „eine wirksame Kontrolle sämtlicher Zusammenschlüsse mit erheblichen Auswirkungen auf die Wettbewerbsstruktur in der Union zu ermöglichen“. Das Gericht hat ferner hervorgehoben, dass Verweisungsmechanismen im elften Erwägungsgrund als „Korrektiv“ bezeichnet würden, was zeige, dass sie „eine subsidiäre Zuständigkeit der Kommission [schaffen], die ihr die nötige Flexibilität verleiht, um das Ziel dieser Verordnung zu erreichen“. Auf dieser Grundlage wurde der Schluss gezogen, dass „die teleologische Auslegung [bestätigt], dass ein Verweisungsantrag nach Art. 22 [der EU-Fusionskontrollverordnung] unabhängig von der Reichweite einer nationalen Fusionskontrollregelung gestellt werden kann“.

    172. Wiederum muss ich dem Gericht widersprechen. Zur Begründung werde ich auf zwei Fragen einzugehen versuchen, die in diesem Zusammenhang Aufschluss über die Bedeutung und den Anwendungsbereich von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung geben. Erstens, welches sind die konkreten Ziele dieser Bestimmung? Zweitens, steht das angeblich mit dieser Bestimmung verfolgte Ziel des Schließens von Lücken im Einklang mit den übergeordneten Zielen der EU-Fusionskontrollverordnung?

    i)      Grenzen der teleologischen Beurteilung des Gerichts (I)

    173. Die Antwort auf die erste Frage steht an diesem Punkt meiner Würdigung teilweise fest. Sowohl die historische als auch die systematische Prüfung der EU-Fusionskontrollverordnung haben nämlich zwei Ziele ergeben, die mit dem Verweisungsmechanismus nach Art. 22 der Verordnung zweifelsfrei verfolgt werden. Das erste Ziel, das für die Aufnahme des Verweisungsmechanismus in die ursprüngliche EG-Fusionskontrollverordnung bestimmend war („niederländische Klausel“), bestand darin, die Prüfung von Fusionen zu ermöglichen, die den Wettbewerb auf lokaler Ebene verfälschen konnten, wenn der betreffende Mitgliedstaat nicht über ein nationales Fusionskontrollsystem verfügt. Das zweite Ziel, das mit der Reform der EG-Fusionskontrollverordnung 1997 eingeführt und sodann mit dem Erlass der EU-Fusionskontrollverordnung gestärkt wurde, ist das Ziel der „zentralen Anlaufstelle“, nämlich, die Prüfung einer Fusion durch die Kommission zu ermöglichen, die in mehreren Mitgliedstaaten angemeldet wird oder anmeldepflichtig ist, um mehrfache nationale Anmeldungen zu vermeiden.

    174. Das erste Ziel geht aus dem Wortlaut der Erwägungsgründe der ursprünglichen EG-Fusionskontrollverordnung nicht offensichtlich hervor. Dass der Verweisungsmechanismus ursprünglich eingeführt wurde, um dieses Ziel zu verfolgen, ist jedoch vom Gericht festgestellt worden und zwischen den Parteien unstreitig. Dass sich in den Erwägungsgründen der EG-Fusionskontrollverordnung kein Hinweis auf dieses Ziel findet, ist jedenfalls nicht überraschend, da, wie oben erläutert, sein Anwendungsbereich und seine Bedeutung ursprünglich sehr begrenzt sein sollten. Er sollte nämlich ursprünglich nur temporär, d. h. bis zur Anpassung der Umsatzschwellenwerte, und, angesichts seines engen Anwendungsbereichs, ausnahmsweise Anwendung finden, wie das für Wettbewerb zuständige Kommissionsmitglieds damals ausdrücklich erklärte(128).

    175. Dagegen wird das zweite Ziel in den Erwägungsgründen sowohl der Verordnung von 1997 als auch der EU-Fusionskontrollverordnung ausdrücklich (und nachdrücklich) genannt(129). Dies ist in Anbetracht der erheblichen Änderungen, die an dem in Rede stehenden Verweisungsmechanismus vorgenommen wurden, ebenfalls nicht überraschend.

    176. Ich habe mich jetzt der Frage zuzuwenden, ob ein drittes, mit Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung angeblich verfolgtes Ziel, nämlich dasjenige des Schließens von Lücken, ermittelt werden kann, mit dem die Kontrolle von Zusammenschlüssen ermöglicht werden soll, die die unionsrechtlichen und nationalen Schwellenwerte nicht erreichen. Das Gericht sah dieses Ziels im elften Erwägungsgrund der EU-Fusionskontrollverordnung bestätigt, wonach „[d]ie Regeln für die Verweisung von Zusammenschlüssen von der Kommission an die Mitgliedstaaten und von den Mitgliedstaaten an die Kommission … als wirksames Korrektiv wirken [sollten]“.

    177. Meines Erachtens hat das Gericht diesen Erwägungsgrund missverstanden. Der Begriff „Korrektiv“ darf nicht isoliert ausgelegt werden, sondern muss in seinem richtigen Kontext betrachtet werden.

    178. Erstens, welchen Gegenstand hat der elfte Erwägungsgrund? Sein Kontext ist wichtig. Der achte Erwägungsgrund stellt die Grundprinzipien der Zuständigkeitsverteilung zwischen der Kommission und den nationalen Wettbewerbsbehörden klar. Die Erwägungsgründe 9 und 10 betreffen die Umsatzschwellenwerte der EU-Fusionskontrollverordnung, bei deren Erreichung Fusionen „gemeinschaftsweite Bedeutung“ haben. Der zwölfte Erwägungsgrund wiederum betrifft Fusionen, die die Umsatzschwellenwerte der EU-Fusionskontrollverordnung nicht erreichen, aber „in den Zuständigkeitsbereich mehrerer nationaler Fusionskontrollregelungen fallen“. Zum letztgenannten Punkt wird im zwölften Erwägungsgrund angeführt, dass „[d]ie mehrfache Anmeldung desselben Vorhabens … die Rechtsunsicherheit, die Arbeitsbelastung und die Kosten der beteiligten Unternehmen [erhöht] und … zu widersprüchlichen Beurteilungen führen [kann]“, und hieraus der Schluss gezogen, dass „[d]as System, nach dem die betreffenden Mitgliedstaaten Zusammenschlüsse an die Kommission verweisen können, … daher weiterentwickelt werden [sollte]“. In den Erwägungsgründen 13 bis 16 wird dann auf die zu diesem Zweck zwischen der Kommission und den nationalen Wettbewerbsbehörden zu begründende Zusammenarbeit hingewiesen und die Funktionsweise der verschiedenen Verweisungsmechanismen veranschaulicht.

    179. Meines Erachtens deutet der vorgenannte Kontext darauf hin, dass der elfte Erwägungsgrund sich auf einen Mechanismus bezieht, der eine Korrektivfunktion im Hinblick auf die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Kommission und den nationalen Wettbewerbsbehörden hat. In diesem Erwägungsgrund geht es nämlich nicht, wie das Gericht ausgeführt hat, um die Begründung „eine[r] subsidiäre[n] Zuständigkeit der Kommission, die ihr die nötige Flexibilität verleiht, um das Ziel dieser Verordnung zu erreichen“(130).

    180. Die vorgenannte Erwägung findet eine weitere Stütze darin, dass erstens dieser Erwägungsgrund in der ursprünglichen EG-Fusionskontrollverordnung nicht enthalten war, sondern erst in die EU-Fusionskontrollverordnung aufgenommen wurde. Die Nützlichkeit des Verweisungsmechanismus für die Kompetenzverteilung zwischen verschiedenen Behörden, die alle für die Prüfung einer bestimmten Fusion zuständig sind, ergab sich nämlich erst 1997 und erlangte 2004 größere Bedeutung.

    181. Dies wird in der Tat durch Rn. 94 des Grünbuchs von 2001 bestätigt; dort heißt es: „Damit Artikel 22 Absatz 3 seine Korrektivfunktion hinsichtlich des Problems der Mehrfachanmeldungen erfüllt, müsste wahrscheinlich mehr als nur die EU-Fusionskontrollverordnung geändert werden …“(131). Aus diesem Absatz lassen sich zwei Schlussfolgerungen ziehen. Erstens bezieht sich der Begriff „Korrektiv“ im elften Erwägungsgrund der EU-Fusionskontrollverordnung auf das singuläre Problem der Mehrfachanmeldungen und nicht auf die umfassendere Frage sämtlicher Unzulänglichkeiten, die einem auf Schwellenwerten basierenden Fusionskontrollsystem zu eigen sind. Weiterhin stellt sich die Frage der Mehrfachanmeldungen nur deshalb, weil Fusionen mehreren nationalen Fusionskontrollsystemen unterliegen können, und nicht deshalb, weil sie von diesen Systemen nicht erfasst würden. Zweitens ist die Heranziehung von Art. 22 zur Behebung des Problems der Mehrfachanmeldungen etwas, das Erörterungen und eine Gesetzesänderung erforderlich machte und daher nicht dem ursprünglichen Zweck dieses Artikels entsprach. Folglich dürfte eine Heranziehung von Art. 22 zur Behebung anderer, umfassenderer Probleme ebenfalls Erörterungen und Änderungen erforderlich machen.

    182. Bei Betrachtung des elften Erwägungsgrundes in seiner Gesamtheit finden sich die vorstehenden Erwägungen weiter bestätigt. In diesem Erwägungsgrund heißt es: „Die Regeln für die Verweisung von Zusammenschlüssen … sollten angesichts des Subsidiaritätsprinzips als wirksames Korrektiv wirken. Diese Regeln wahren in angemessener Weise die Wettbewerbsinteressen der Mitgliedstaaten und tragen dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit sowie dem Grundsatz einer einzigen Anlaufstelle Rechnung.“ Aus diesem Wortlaut lassen sich meines Erachtens zwei Schlussfolgerungen ziehen. Erstens spricht der Verweis auf das Subsidiaritätsprinzip und die angemessene Wahrung des Wettbewerbs in den Mitgliedstaaten für einen engen Anwendungsbereich des Verweisungsmechanismus: Er soll nur Fallgestaltungen beheben, in denen der Wettbewerb auf lokaler Ebene beeinträchtigt wird. Zweitens legen der Verweis auf die Rechtssicherheit und den Grundsatz der einzigen Anlaufstelle ebenfalls nahe, dass die Verweisungsmechanismen mehrere nationale Verfahren durch ein zentralisiertes Verfahren ersetzen sollen, was voraussetzt, dass die betreffenden Fusionen die nationalen Schwellenwerte erreichen.

    183. Daher bleibt es meines Erachtens dabei, dass die Auslegung des elften Erwägungsgrundes der EU-Fusionskontrollverordnung durch das Gericht nicht überzeugend ist. Auch der Verweis des Gerichts auf die Erwägungsgründe 6 und 24 der EU-Fusionskontrollverordnung, soweit sie sich auf die wirksame Kontrolle sämtlicher Zusammenschlüsse beziehen, ist meines Erachtens nicht überzeugend.

    184. Noch einmal: Bei Auslegung dieser Erwägungsgründe in ihrer Gesamtheit und in ihrem richtigen Kontext erscheint recht eindeutig, dass die Formulierung „sämtliche“ nicht bedeutet, dass jedwede Fusion, die in der Welt stattfindet, sofern gegen sie bestimmte Wettbewerbsbedenken in einem Mitgliedstaat bestehen, einer „wirksamen“ Kontrolle nach der EU-Fusionskontrollverordnung unterliegen muss. Im sechsten Erwägungsgrund heißt es: „Daher ist ein besonderes Rechtsinstrument erforderlich, das eine wirksame Kontrolle sämtlicher Zusammenschlüsse im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Wettbewerbsstruktur in der Gemeinschaft ermöglicht und das zugleich das einzige auf derartige Zusammenschlüsse anwendbare Instrument ist.“ Ebenso heißt es im 24. Erwägungsgrund: „[D]iese Verordnung [muss] eine wirksame Kontrolle sämtlicher Zusammenschlüsse entsprechend ihren Auswirkungen auf den Wettbewerb in der Gemeinschaft ermöglichen …“.

    185. Mehrere in diesen Erwägungsgründen enthaltene Wortlautelemente stehen eindeutig im Widerspruch zu der Annahme, dass sie sich auf den in Rede stehenden Verweisungsmechanismus beziehen. Erstens können nicht „sämtliche Zusammenschlüsse“ nach der EU-Fusionskontrollverordnung kontrolliert werden; sofern die Schwellenwerte der Verordnung nicht erreicht werden, ist die Fusion normalerweise von anderen Wettbewerbsbehörden (der Mitgliedstaaten der Union und/oder Drittstaaten) zu prüfen. Zweitens kann bei solchen Fusionen, die – würde der Theorie der Kommission gefolgt – „durch die Hintertür“ in den Anwendungsbereich der EU-Fusionskontrollverordnung gelangen (d. h. solche, für die grundsätzlich weder die Kommission noch die zuständigen nationalen Wettbewerbsbehörden zuständig sind), nicht davon ausgegangen werden, dass die EU-Fusionskontrollverordnung „das einzige auf derartige Zusammenschlüsse anwendbare Instrument“ ist; nach Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung sind nämlich parallele Verfahren vor der Kommission (auf Antrag einer oder mehrerer nationaler Wettbewerbsbehörden) und einer oder mehrerer nationaler Wettbewerbsbehörden (solchen, die sich dem Verweisungsantrag nicht anschließen) möglich. Drittens prüft die Kommission nach Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung Fusionen nicht, wie in den Erwägungsgründen 6 und 24 ausgeführt(132), „im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb in der Gemeinschaft“, sondern nur im Hinblick auf das Hoheitsgebiet der antragstellenden Mitgliedstaaten (Art. 22 Abs. 1 und 5 der EU-Fusionskontrollverordnung). In der Tat haben die Unionsgerichte den in den Erwägungsgründen der EU-Fusionskontrollverordnung verwendeten Begriff „sämtliche Zusammenschlüsse“ stets dahin ausgelegt, dass damit Zusammenschlüsse „von gemeinschaftsweiter Bedeutung“ gemeint sind(133).

    186. Wenn dies der Fall ist, stellt sich jedoch eine Frage: Was ist mit dem Wort „sämtliche“ im Kontext dieser Erwägungsgründe gemeint? Die Antwort liegt wiederum im Wortlaut dieser Erwägungsgründe und wird durch ihre Entstehungsgeschichte und ihren Zweck bestätigt. Die in diesen Erwägungsgründen verwendeten Formulierungen lassen sich auf den siebten Erwägungsgrund der ursprünglichen EG-Fusionskontrollverordnung(134) zurückverfolgen und sollen absolut klarstellen, dass nach der EU-Fusionskontrollverordnung sämtliche Zusammenschlüsse „im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb“ zu beurteilen sind. Diese Klarstellung, die zugestandenermaßen heute offensichtlich und somit unnötig erscheinen mag, war zum Zeitpunkt des Erlasses der EG-Fusionskontrollverordnung keineswegs banal. Ein weiterer Grund, der die Verhandlungen im Rat über viele Jahre verzögerte, waren nämlich die zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten sehr deutlich divergierenden Ansichten zu den Kriterien, die die Kommission bei der Entscheidung über die Genehmigung eines Zusammenschlusses anwenden sollte. Während die Kommission und zahlreiche Mitgliedstaaten für eine rein kartellrechtliche Prüfung waren, wurde dieser Ansatz von bestimmten Mitgliedstaaten abgelehnt, nach deren Ansicht Fusionen auch anhand weiterer Gesichtspunkte, insbesondere industriepolitischer Gründe, beurteilt werden sollten. Schließlich setzte sich die erste Ansicht durch, und der Kompromiss bestand darin, in die Verordnung die sogenannte deutsche Klausel (damals Art. 21 Abs. 3 der EG-Fusionskontrollverordnung, jetzt Art. 21 Abs. 4 der EU-Fusionskontrollverordnung) aufzunehmen, die den Mitgliedstaaten bestimmte Restzuständigkeiten gewährte(135). Die Rechtsprechung der Unionsgerichte spricht offenbar für meine Auslegung des Erwägungsgrundes(136).

    187. Dass das Gericht sich in diesem Kontext auf die Erwägungsgründe 6, 11 und 24 stützt, geht demnach meines Erachtens fehl. Bei näherer Betrachtung ist den Erwägungsgründen keiner der drei Fusionskontrollverordnungen ein Hinweis oder Rückschluss darauf zu entnehmen, dass Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung die Funktion eines Schließens von Lücken zukommen sollte. Das Schweigen zu diesem Punkt ist in Anbetracht der potenziell außerordentlichen Auswirkungen durchaus bedeutsam, die eine solche Regelung auf das Funktionieren eines Fusionskontrollsystems hätte, das i) „auf dem Grundsatz einer exakten Verteilung der Zuständigkeiten zwischen [der Kommission und den nationalen Behörden] beruht“(137) und ii) dessen Anwendungsbereich „durch Schwellenwerte eingegrenzt“ ist(138).

    188. Es stellt sich in diesem Zusammenhang allerdings die weitere Frage, ob der Zweck eines Schließens von Lücken, der ihm vom Gericht zugeschrieben wird, mit den übergeordneten Zielen der EU-Fusionskontrollverordnung im Einklang stände.

    ii)    Grenzen der teleologischen Beurteilung des Gerichts (II)

    189. In Rn. 140 des angefochtenen Urteils hat das Gericht die Erwägungsgründe der EU-Fusionskontrollverordnung geprüft und ist zu dem Schluss gekommen, dass der dem in Rede stehenden Verweisungsmechanismus zugeschriebene Zweck des Schließens von Lücken „mit dem Ziel dieser Verordnung [im Einklang stehe], eine wirksame Kontrolle sämtlicher Zusammenschlüsse mit erheblichen Auswirkungen auf die Wettbewerbsstruktur in der Union zu ermöglichen“(139).

    190. Diese Würdigung weist meines Erachtens zwei hauptsächliche Probleme auf: Das Gericht hat wesentliche Elemente der Erwägungsgründe außer Acht gelassen und bestimmte Erwägungsgründe missverstanden.

    191. Erstens hat das Gericht wiederholt das Ziel der EU-Fusionskontrollverordnung betont, eine wirksame Kontrolle von Zusammenschlüssen zu gewährleisten, bis hin dazu, dass es dies als „das Ziel“, d. h. das einzige, bezeichnet hat.

    192. Es kann meines Erachtens kein Zweifel daran bestehen, dass in dem Ziel der Gewährleistung einer wirksamen Kontrolle von Zusammenschlüssen der eigentliche Sinn und Zweck der Verordnung liegt; seine Bedeutung wird dementsprechend in den Erwägungsgründen der EU-Fusionskontrollverordnung hervorgehoben. Hierin kann jedoch nicht das einzige Ziel liegen, oder, anders ausgedrückt, existiert dieses Ziel nicht in einem Vakuum. In Art. 2 der EU-Fusionskontrollverordnung ist nämlich die Rede von „Zusammenschlüsse[n] im Sinne dieser Verordnung[, die] nach Maßgabe der Ziele dieser Verordnung … zu prüfen [sind]“(140).

    193. Die Verfolgung des Ziels, eine wirksame Kontrolle von Zusammenschlüssen zu ermöglichen, geht vielmehr mit der Verfolgung anderer Ziele einher, von denen einige in der vorliegenden Rechtssache besonders relevant sind. Das erste dieser Ziele, das das Ergebnis langwieriger und (wenn ich es so formulieren darf) hitziger Diskussionen ist, die schließlich nach fast 20 Jahren Verhandlungen im Rat zur Annahme der EG-Fusionskontrollverordnung führten, besteht in der Schaffung eines Systems der zwischen der Kommission und den nationalen Wettbewerbsbehörden geteilten Zuständigkeit(141). Das zweite Ziel besteht darin, auf der Unionsebene ein wirksames System zu realisieren, das auf dem Prinzip der einzigen Anlaufstelle beruht und in dem die Kommission somit die ausschließliche Zuständigkeit für die Prüfung von Fusionen hat, die nach der EU-Fusionskontrollverordnung angemeldet werden und für die keine weiteren Anmeldungen auf der Ebene der Mitgliedstaaten erforderlich sind, und in dem die nationalen Behörden ihr nationales Wettbewerbsrecht auf diese Vorhaben nicht mehr anwenden können(142). Das dritte Ziel besteht darin, ein effizientes und berechenbares System zu schaffen, das geeignet ist, für die beteiligten Unternehmen Rechtssicherheit zu schaffen(143). Das Gericht verweist selbst in Rn. 226 des angefochtenen Urteils auf die „[der EU-Fusionskontrollverordnung] zugrunde liegenden zentralen Ziele der Wirksamkeit und der Zügigkeit“ und die Absicht des Unionsgesetzgebers, „die Zuständigkeit klar auf die nationalen und die Unionsbehörden [zu] verteilen“.

    194. Während die ersten beiden, im vorstehenden Absatz genannten Ziele aus offenkundigen Gründen spezifische Merkmale des Fusionskontrollsystems der Union sind, gilt dies für das dritte nicht. Jedes auf globaler Ebene existierende Fusionskontrollsystem strebt nämlich ein Gleichgewicht zwischen einer wirksamen Kontrolle des Wettbewerbs und der Vermeidung unnötiger Kosten und Verzögerungen sowohl für die fusionierenden Unternehmen als auch für die öffentliche Verwaltung selbst an(144). Um dieses Gleichgewicht zu gewährleisten, basieren Fusionskontrollvorschriften in der Regel auf Schwellenwerten, mit denen die zu überprüfenden Vorhaben herausgefiltert werden, und geben den Behörden konkrete Fristen für den Abschluss ihrer Prüfung vor. Die Bedeutung, die der Berechenbarkeit und Rechtssicherheit insbesondere für die fusionierenden Unternehmen zukommt, kann daher kaum überschätzt werden. Unternehmen, die potenziell Anmelde- und Aufschubverpflichtungen unterliegen, müssen mit relativ hoher Zuverlässigkeit wissen, ob das von ihnen beabsichtigte Geschäft einer kartellrechtlichen Prüfung unterliegt, durch welche Behörden diese erfolgt und wann mit einer endgültigen Antwort dieser Behörden gerechnet werden kann(145).

    195. Dies gilt, wie ausgeführt, auf globaler Ebene. Es gilt jedoch umso mehr für Fusionen, die in der Union geprüft werden könnten. Nicht nur, weil innerhalb der Union verschiedene vollziehende Behörden nebeneinander bestehen (die Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden) – mit allen sich hieraus ergebenden Folgen in Bezug auf die Komplexität –, sondern auch, weil, im Gegensatz zur ganz überwiegenden Mehrheit von Fusionskontrollregelungen in der Welt, die EU-Fusionskontrollverordnung den fusionierenden Unternehmen ein weltweites Vollzugsverbot auferlegt. Dies bedeutet, dass der Vollzug eines angemeldeten Vorhabens grundsätzlich bis zum Erlass der abschließenden Entscheidung der Kommission in seiner Gesamtheit ausgesetzt werden muss. Die fusionierenden Unternehmen können diesen Vollzug daher nicht beschleunigen, indem sie beispielsweise bis zur Erteilung der ausstehenden Genehmigung bestimmte lokale Vermögenswerte, Einheiten oder Geschäftstätigkeiten voneinander getrennt halten. Die Kosten und Risiken, die den fusionierenden Unternehmen auferlegt werden, sind dementsprechend umso erheblicher; diese Unternehmen müssen somit in der Lage sein, insoweit geeignete vorsorgliche Maßnahmen zu ergreifen.

    196. Mit Blick hierauf hat der Gerichtshof entschieden, dass die EU-Fusionskontrollverordnung „Bestimmungen [enthält], deren Ziel aus Gründen der Rechtssicherheit und im Interesse der beteiligten Unternehmen darin besteht, die Dauer der Verfahren der Überprüfung von Zusammenschlüssen, zu denen die Kommission verpflichtet ist, zu begrenzen“. Der Unionsgesetzgeber „[wollte] eine Kontrolle der Unternehmenszusammenschlüsse innerhalb von Fristen sicherstellen …, die sowohl mit den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Verwaltung als auch mit denen des Geschäftslebens vereinbar sind“(146).

    197. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist meines Erachtens zutreffend, dass die Gewährleistung der Wirksamkeit des Systems (im Sinne seiner Geeignetheit, potenziell schädliche Fusionen zu erfassen) das primäre Ziel der EU-Fusionskontrollverordnung ist. Diese Wirksamkeit kann jedoch nicht auf Kosten einer zufriedenstellenden Verfolgung der übrigen Ziele der Verordnung erreicht werden. Die in den Erwägungsgründen enthaltenen Verweise auf die „Wirksamkeit“ können somit im Rahmen der Auslegung nicht dazu führen, dass die Bedeutung und der Zweck der Bestimmungen der EU-Fusionskontrollverordnung in einem Maß erweitert wird, dass ihre Reichweite über die eindeutigen Absichten des Unionsgesetzgebers hinausgeht und damit das sorgfältig ausgestaltete Gleichgewicht, das er zwischen den verschiedenen Zielen vorgesehen hat, beeinträchtigt wird.

    198. Steht vor diesem Hintergrund das von der Kommission vertretene und vom Gericht bestätigte Ziel von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung, das im Schließen von Lücken bestehen soll, mit den übrigen, vorstehend dargestellten Zielen und dem zwischen ihnen hergestellten Gleichgewicht im Einklang? Meines Erachtens ist die Antwort auf diese Frage ein eindeutiges „Nein“. Die vom Gericht vertretene Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung steht im Widerspruch zu den drei, oben in Nr. 193 genannten Zielen und ist geeignet, das Gleichgewicht, das der Unionsgesetzgeber zwischen ihnen anstrebt, zu beeinträchtigen.

    199. Erstens erscheint das „Zuständigkeits-Sandwich“, das sich aus der Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung durch das Gericht ergeben würde – Kommission (große Fusionen) / nationale Wettbewerbsbehörden (Fusionen unterhalb der Schwellenwerte der EU-Fusionskontrollverordnung, aber oberhalb der nationalen Schwellenwerte) / Kommission (Fusionen unterhalb der nationalen Schwellenwerte) – kaum mit einem System vereinbar, das, wie vom Gerichtshof festgestellt, „auf dem Grundsatz einer exakten Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den nationalen Kontrollbehörden [und denjenigen der Union] beruht“(147).

    200. Dieser Aufbau erscheint auch im Licht des Subsidiaritätsprinzips, auf das in nicht weniger als vier Erwägungsgründen der EU-Fusionskontrollverordnung verwiesen wird, seltsam(148). Es handelt sich um eine Verordnung, die – nach den Worten des damals für Wettbewerb zuständigen Kommissionsmitglieds – „ein ausgezeichnetes Beispiel für die Umsetzung dieses Grundsatzes“ darstellte(149). Subsidiarität ist ein Grundsatz, der, einfach ausgedrückt, hauptsächlich nach unten wirkt: In einem Bereich der geteilten Zuständigkeit senkt er die Zuständigkeit für ein bestimmtes Handeln regelmäßig auf die Mitgliedstaaten ab(150). Natürlich kann dieser Grundsatz in bestimmten Fällen auch nach oben wirken: Er hebt die Zuständigkeit auf die Europäische Union an, wenn ein bestimmtes Handeln aufgrund seines Umfangs oder seiner Wirkungen auf der Unionsebene wirksamer durchzuführen erscheint. Meines Erachtens stellt sich jedoch die Frage, ob es nicht gegen den Grundgedanken der Subsidiarität verstößt, wenn einem Unionsorgan (vorliegend der Kommission) die Zuständigkeit für ein bestimmtes Handeln (vorliegend die Prüfung einer Fusion) gerade aus dem Grund übertragen wird, dass ein Mitgliedstaat den Umfang oder die Wirkungen von Fallgestaltungen der vorliegend in Rede stehenden Art für nicht erheblich genug hält, um ein Handeln auf nationaler Ebene zu rechtfertigen.

    201. Zweitens ist zwischen den Parteien unstreitig, dass eine der Folgen, die sich aus der vom Gericht vertretenen Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung ergibt, darin liegt, dass die Unternehmen, die Gewissheit darüber haben möchten, dass gegen eine beabsichtigte Fusion nach dem Abschluss von der Kommission keine Einwände erhoben werden können, obwohl diese Fusion in der Europäischen Union nirgendwo einer Anmeldepflicht unterliegt und für sie keine Aufschubpflicht besteht, i) den Vollzug temporär aussetzen müssten und ii) von der Fusion (potenziell) sämtliche EU- und EWR-/EFTA-Staaten (insgesamt 30 verschiedene nationale Behörden) in Kenntnis setzen müssten, um die Frist von 15 Arbeitstagen nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der EU-Fusionskontrollverordnung in Lauf zu setzen.

    202. In diesem Zusammenhang erscheint der ergänzende Hinweis wichtig, dass nach Ansicht der Kommission die Mitteilungen der fusionierenden Unternehmen an die betreffenden nationalen Behörden alle Daten und Angaben enthalten müssen, die diese Behörden benötigen, um darüber zu entscheiden, ob die beiden sachlichen Anwendungsvoraussetzungen nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung erfüllt sind – nämlich dass die Fusion den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats erheblich zu beeinträchtigen droht. Meines Erachtens liegt jedoch auf der Hand, dass eine solide Beurteilung dieser Voraussetzungen keine einfache Aufgabe ist, erst recht nicht innerhalb einer Frist von nur 15 Arbeitstagen. Wahrscheinlich ist daher, dass die an die nationalen Behörden gerichteten informellen Anmeldungen in vielen Fällen möglicherweise recht ausführlich und detailliert ausfallen müssten und sich somit von den für eine formelle Anmeldung normalerweise erforderlichen Anträgen möglicherweise nicht erheblich unterscheiden könnten.

    203. Dies bedeutet in der Praxis, dass Unternehmen, die eine Transaktion abschließen, die grundsätzlich von keinem einzigen Fusionskontrollsystem in der Europäischen Union erfasst wird, sich am Ende zu informellen Anmeldungen bei allen nationalen Behörden veranlasst sehen könnten, nur um eine künftige Anwendung des in Rede stehenden Verweisungsmechanismus zu vermeiden, der aus ihrer Sicht dramatische Folgen haben könnte.

    204. Ferner könnte in dem Fall, dass eine für die Prüfung einer Fusion nicht zuständige nationale Wettbewerbsbehörde einen Verweisungsantrag stellt, damit den Verweisungsmechanismus auslöst und eine oder mehrere nationale Wettbewerbsbehörden, die im Gegensatz dazu für ihre Prüfung zuständig sind, sich entscheiden, dem Antrag nicht beizutreten, der Verweisungsmechanismus möglicherweise eine Vervielfachung parallel laufender Verfahren bewirken. Es gäbe nämlich neben den Verfahren vor den zuständigen nationalen Wettbewerbsbehörden ein weiteres Verfahren bei der Kommission, das es ohne den Verweisungsmechanismus nicht gegeben hätte.

    205. Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass die Auslegung von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung durch das Gericht zur Einführung einer weitreichenden Ausnahme vom Prinzip der einzigen Anlaufstelle führen würde, was mit einem der Hauptziele der EU-Fusionskontrollverordnung schwerlich in Einklang zu bringen wäre und auch dem Ziel widerspräche, das der Unionsgesetzgeber mit der Änderung von Art. 22 in den Jahren 1997 und 2004 verfolgte.

    206. Drittens – und dies ist meines Erachtens der problematischste Aspekt – wäre das Verfahren oder wären die Verfahren, die sich aus einer weiten Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung ergäben, kaum effizient, berechenbar und geeignet, Rechtssicherheit für die Beteiligten zu gewährleisten.

    207. Zunächst steht fest und wird von der Kommission nicht bestritten, dass, sofern nicht die fusionierenden Unternehmen aktiv tätig werden, um die 30 nationalen Behörden über das Bestehen einer nicht anmeldepflichtigen Fusion zu unterrichten, für diese Beteiligten keine Rechtssicherheit darüber bestehen kann, ob bei der Kommission, zu einem künftigen Zeitpunkt, eine Prüfung der Fusion auf der Grundlage von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung beantragt werden wird, und gegebenenfalls in welchem Zeitraum.

    208. Die Kommission erwidert, dass die fusionierenden Unternehmen gleichwohl Rechtssicherheit erlangen könnten, wenn sie, wie ausgeführt, diese 30 Behörden mittels informeller Anmeldungen von der geplanten Fusion in Kenntnis setzten. Damit würde „die Zeit in Lauf gesetzt“, und sofern innerhalb von 15 Arbeitstagen kein Verweisungsantrag gestellt werde, könne für diese Beteiligten Gewissheit darüber bestehen, dass die Fusion in der Europäischen Union nicht geprüft werde.

    209. Meines Erachtens ist jedoch nicht sicher, dass ein solches Vorgehen für diese Beteiligten viel mehr, oder auch nur hinreichend, Rechtssicherheit schafft. Das Hauptproblem besteht darin, dass es sich um ein informelles Verfahren handelt, das weder an irgendeiner Stelle der EU-Fusionskontrollverordnung noch, meiner Kenntnis nach, der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten geregelt ist. Nicht anmeldepflichtige Fusionen unterliegen folglich weder den nationalen Verfahrensvorschriften noch denjenigen der EU-Fusionskontrollverordnung selbst. Auf die Prüfung dieser Fusionen werden zwar nach Art. 22 Abs. 4 der EU-Fusionskontrollverordnung bestimmte Vorschriften der EU-Fusionskontrollverordnung für anwendbar erklärt, aber erst nachdem die Kommission der Verweisung stattgegeben hat. Der davor liegende Zeitraum ist eine Art rechtliches „Niemandsland“, für das sehr wenig Klarheit und Berechenbarkeit besteht.

    210. Wer ist beispielsweise berechtigt, das informelle Verfahren einzuleiten? Sollen dies nur die fusionierenden Unternehmen oder können es auch Dritte (z. B. Wettbewerber der fusionierenden Unternehmen) sein? Der Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der EU-Fusionskontrollverordnung spricht für Letzteres. Wenn dies der Fall ist, könnte die nationale Wettbewerbsbehörde eine Verweisung nach Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung auf der Grundlage der von diesen Dritten vorgelegten Angaben, und gegebenenfalls auch ohne Anhörung der fusionierenden Unternehmen, vornehmen? Da der Behörde für eine Entscheidung nur 15 Arbeitstage zur Verfügung stehen, kann eine oberflächliche Behandlung der Sache nicht ausgeschlossen werden. Wie verhält es sich, wenn diese Angaben unrichtig oder unvollständig sind? Die Folgen, die sich für die fusionierenden Unternehmen daraus ergeben, dass eine nationale Behörde die für eine Verweisung geltenden sachlichen Voraussetzungen fehlerhaft beurteilt, können nicht unerheblich sein.

    211. Nach Ansicht der Kommission soll jedoch die Frist erst zu laufen beginnen, wenn die nationalen Wettbewerbsbehörden über ausreichende Informationen verfügen, um die nach Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung erforderliche Prüfung vorzunehmen. Damit jedoch würde die Frist von 15 Arbeitstagen wahrscheinlich illusorisch, da sie von einer oder mehreren Behörden durch ein oder mehrere Auskunftsverlangen häufig verlängert werden kann (und möglicherweise wird), so dass der Zeitraum für die fusionierenden Unternehmen nicht mehr berechenbar ist.

    212. Außerdem findet sich in der EU-Fusionskontrollverordnung keinerlei Hinweis darauf, welcher Art und wie detailliert die Informationen sein müssen, die von den fusionierenden Unternehmen in ihren informellen Anmeldungen erwartet werden können. Sicherlich könnten die Beteiligten als Muster die amtlichen EU-Antragsformulare (in der vor Kurzem geänderten Fassung: Formular CO, vereinfachtes Formular CO, Formular RS und Formular RM) zugrunde legen(151). Eine so weitreichende Ansicht hat jedoch auch die Kommission nicht vertreten. Dies hätte offenkundig nahegelegt, dass das Anmeldeverfahren nach der EU-Fusionskontrollverordnung de facto auf nicht anmeldepflichtige Fusionen Anwendung finden kann. Die Kommission hat vielmehr in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, die Beteiligten könnten sich etwa an den Angaben orientieren, die Unternehmen, die als Torwächter definiert seien, der Kommission nach Art. 14 des Gesetzes über digitale Märkte(152) zur Verfügung zu stellen hätten, wenn sie bestimmte Fusionen planten. Ganz abgesehen davon jedoch, dass es seltsam anmutet, den Beteiligten vorzuschlagen, sich an einem anderen Rechtsakt zu orientieren, der zeitlich nach der EU-Fusionskontrollverordnung erlassen wurde und nur auf einige konkrete Wirtschaftszweige anwendbar ist, kann meines Erachtens nicht sicher angenommen werden, dass die in diesem Rechtsakt aufgeführten Angaben für Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung ausreichend sind.

    213. Im Übrigen noch eine kleine, aber wichtige Einzelheit: In welcher Sprache sind diese Angaben mitzuteilen? Nach Ansicht der Kommission soll jede, von den Bediensteten der betreffenden nationalen Behörde üblicherweise verstandene Sprache (z. B. Englisch) geeignet sein. Meines Erachtens ist schwer erkennbar, auf welcher Grundlage die Kommission zu diesem Standpunkt kommen kann. Jedenfalls ist meines Erachtens zweifelhaft, dass die nationalen Behörden bereit sein sollen, eine recht komplexe Prüfung, innerhalb eines sehr engen zeitlichen Rahmens, auf der Grundlage eines Antragsschriftsatzes (möglicherweise mit Anlagen) vorzunehmen, der in einer Sprache abgefasst ist, die nicht die ihre ist.

    214. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist die vom Gericht vorgenommene teleologische Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung meines Erachtens fehlerhaft, da sie mit mehreren Zielen, die mit dem durch die EU-Fusionskontrollverordnung eingeführten Fusionskontrollsystem verfolgt werden sollen, nicht im Einklang steht und geeignet ist, das Gleichgewicht, das der Unionsgesetzgeber zwischen diesen Zielen vorgesehen hat, zu beeinträchtigen. Den Stellenwert dieses Gleichgewichts verkennt der Gerichtshof nicht. In seinem jüngsten Urteil CK Telecoms hat der Gerichtshof beispielsweise festgestellt, dass „[das] Beschleunigungsgebot, das die allgemeine Systematik der [EU-Fusionskontrollverordnung] kennzeichnet“, dazu führt, dass selbst eine schädliche Fusion als genehmigt gilt, wenn die Kommission innerhalb der maßgeblichen Frist keine Entscheidung erlässt(153).

    5)      Weitere Erwägungen zur Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung

    215. Abschließend werde ich noch kurz erläutern, warum die Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung durch das Gericht meines Erachtens unter Berücksichtigung verschiedener allgemeiner Grundsätze des Unionsrechts eine Reihe von systematischen Fragen aufwirft.

    216. Zunächst ist zu betonen, dass die Auslegung der Bestimmung durch das Gericht zu einer ganz erheblichen Erweiterung des Anwendungsbereichs der EU-Fusionskontrollverordnung und der Zuständigkeit der Kommission führt(154). Auf einen Streich erhält die Kommission mittels einer originellen Auslegung von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung die Befugnis zur Prüfung nahezu jedes Zusammenschlusses, der irgendwo auf der Welt stattfindet, unabhängig vom Umsatz der Unternehmen, ihrer Präsenz in der Europäischen Union und vom Wert der Transaktion, und zu jeder Zeit, auch noch deutlich nach Abschluss der Fusion. Dies ist insoweit eindeutig und unbestritten. In der Tat hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung auf eine konkrete Frage zu diesem Punkt bestätigt, dass dies theoretisch zutreffend sei. In der Praxis werde dies jedoch, so fügte sie hinzu, nicht der Fall sein, da die Kommission kein Interesse daran habe, von dieser Befugnis häufig Gebrauch zu machen, und somit in dieser Hinsicht diszipliniert handeln werde. Nach Ansicht der Kommission wies die in Rede stehende Fusion im Gegensatz zur ganz überwiegenden Mehrheit anderer Fusionen, die unter Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung fallen könnten, bestimmte Besonderheiten auf.

    217. In der vorliegenden Rechtssache sind wir jedoch nicht nur mit der Anwendung dieser (gegebenenfalls neuen) Kontrollbefugnis auf die in Rede stehende Fusion befasst. Der Gerichtshof wird nämlich ersucht, erstmals die Bedeutung und den Anwendungsbereich von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung auszulegen, der potenziell in einer unbestimmten Zahl von Fällen Anwendung finden kann. Der Standpunkt der Kommission kann in verschiedener Hinsicht nur auf Bedenken stoßen.

    218. Erstens ist meines Erachtens zweifelhaft, dass dieser Standpunkt mit dem Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts vereinbar ist, der für den sich aus Art. 13 Abs. 2 EUV ergebenden organisatorischen Aufbau der Union kennzeichnend ist und im Wesentlichen gebietet, dass jedes Organ seine Befugnisse unter Beachtung der Befugnisse der anderen Organe ausübt(155).

    219. Eines der grundlegendsten Elemente der EU-Fusionskontrollverordnung ist die Definition der Schwellenwerte, bei denen nach Art. 1 Abs. 1 bis 3 der Verordnung die Anmeldepflicht entsteht. Bei der von der Kommission vertretenen Auslegung von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung wird der Wert dieser Schwellenwerte und mittelbar der in den nationalen Rechtsvorschriften festgelegten Schwellenwerte und Kriterien jedoch relativiert. Auch wenn eine Fusion nirgendwo in der Europäischen Union anmeldepflichtig sein mag, wäre damit keineswegs die Möglichkeit ausgeschlossen, dass die Kommission die Zuständigkeit für ihre Prüfung nach Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung in Anspruch nehmen könnte(156).

    220. Sicherlich schließe ich nicht aus, dass es in einer zunehmend auf einer „Wirtschaft 2.0“ basierten Welt wünschenswert und vielleicht auch notwendig sein könnte, die derzeitigen Schwellenwerte für die Fusionskontrolle zu ändern. In diesem Zusammenhang mag es von Interesse sein, dass in jüngster Zeit zwei Mitgliedstaaten (Österreich und Deutschland) ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften dahin geändert haben, dass auf Transaktionswerten beruhende Schwellenwerte aufgenommen wurden. Andere Staaten verwenden andere Zuständigkeitsschwellenwerte, die insbesondere eine Prüfung von Fusionen auch dann ermöglichen sollen, wenn das Zielunternehmen keine lokalen Einnahmen erzielt (z. B. das Vereinigte Königreich mit dem Kriterium des Anteils am Marktangebot [„share of supply test“]). Diese und andere Optionen könnten natürlich im Hinblick auf eine Änderung der EU-Fusionskontrollverordnung in Betracht gezogen werden. Dies ist jedoch Aufgabe des Unionsgesetzgebers und nicht der Kommission.

    221. Zweitens bringt die weite Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung ein erhebliches Potenzial für Fallgestaltungen mit sich, in denen ein Konflikt mit dem Territorialitätsprinzip des Unionsrechts entstehen könnte. Um mit dem Völkerrecht vereinbar zu sein, setzt die Anwendung des Unionsrechts einen angemessenen Bezug zum Unionsgebiet voraus(157). Insbesondere folgt aus den Urteilen Intel und Gencor, dass die Anwendung des Wettbewerbsrechts der Union auf das Verhalten von Unternehmen unabhängig davon rechtmäßig ist, wo es stattfindet, sofern dieses Verhalten vorhersehbare, unmittelbare und wesentliche Auswirkungen in der Europäischen Union hat (im Folgenden: Kriterium der „qualifizierten“ Auswirkungen)(158).

    222. Ich stimme sicherlich mit der Kommission darin überein, dass die sachlichen Voraussetzungen nach Art. 22 Abs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung grundsätzlich geeignet sind, einen angemessenen Bezug zum Unionsgebiet zu gewährleisten. Es ist jedoch im Blick zu behalten, dass die Prüfung dieser Voraussetzungen, wie erwähnt, lediglich prima facie und innerhalb eines besonders knappen Zeitraums (15 Arbeitstage) erfolgt. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Europäische Union nach Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung die Zuständigkeit für die Prüfung einer Fusion (mit allem, was dies mit sich bringt, einschließlich einer plötzlich entstehenden Verpflichtung zur Aussetzung jeder Vollzugshandlung weltweit) in Anspruch nehmen könnte, von der sich später herausstellen könnte, dass sie keine vorhersehbaren, unmittelbaren und wesentlichen Auswirkungen im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats hat.

    223. Drittens kann diese Situation Fragen im Zusammenhang mit dem Grundsatz der völkerrechtlichen Courtoisie aufwerfen. Ich bin mir durchaus bewusst, dass die Konturen dieses Grundsatzes und seine rechtlichen Auswirkungen eher undeutlich sind(159). Aus diesem Grundsatz lässt sich jedoch meines Erachtens zumindest eine allgemeine Verpflichtung der Staaten ableiten, vor Inanspruchnahme ihrer Zuständigkeit in Rechtssachen mit erheblichem Auslands- und eher schwachem Inlandsbezug zu prüfen, ob die Anwendung ihrer Gesetze nicht die Wirkung haben könnte, die wirksame Anwendung der Gesetze von Drittstaaten, die einen stärkeren räumlichen Bezug zu diesen Rechtssachen haben, zu beeinträchtigen. Dieses Verständnis des Grundsatzes steht offenbar weitgehend im Einklang mit den von anderen Generalanwälten vertretenen Ansichten(160), den hierzu bestehenden völkerrechtlichen Übereinkünften der Europäischen Union(161) und den Feststellungen anderer Gerichte, u. a. in wettbewerbsrechtlichen Fragen(162). Vor diesem Hintergrund stellt sich meines Erachtens die Frage, ob die von der Kommission vertretene Ansicht ihrer weitreichenden Zuständigkeit für die Prüfung von Fusionen nach Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung mit dem Grundsatz der völkerrechtlichen Courtoisie voll im Einklang steht.

    224. Viertens erscheint die Ansicht der Rechtsmittelführerinnen, dass die vom Gericht vertretene Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung gegen die Grundsätze der Gleichheit und der Verhältnismäßigkeit verstoße, meines Erachtens und entgegen der Ansicht der Kommission, nicht unbegründet. Unternehmen mit geringen oder gar keinen Umsätzen in der Europäischen Union würden de facto letztlich erheblich schlechter gestellt als Unternehmen mit bedeutenderen Aktivitäten in der Union.

    225. Letztere können von dem mit der EU-Fusionskontrollverordnung eingerichteten System der einzigen Anlaufstelle profitieren, oder alternativ müssen sie nur eine oder mehrere nationale Anmeldungen in den Ländern einreichen, in denen sie die nationalen Schwellenwerte erreichen. Die Zahl dieser Anmeldungen ist vorab berechenbar, und den fusionierenden Unternehmen ist bekannt, welche Behörden die Fusion prüfen werden und in welcher Weise und in welchem Zeitraum dies geschehen wird. Dagegen stehen, wie oben erläutert, den fusionierenden Unternehmen bei nicht anmeldepflichtigen Fusionen keine Instrumente zur Verfügung, die ihnen eine Prognose des Schicksals ihrer Fusion ermöglichen, es sei denn sie reichen, im EWR, nicht weniger als 30 informelle Anmeldungen ein; und selbst dann bleiben viele Aspekte des Verfahrens, einschließlich der Frage seiner Dauer, ungewiss.

    226. Diese Situation erscheint meines Erachtens im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz problematisch, der besagt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist(163). Sie dürfte ferner im Hinblick auf Kosten und Risiken eine unverhältnismäßige Belastung für diejenigen Unternehmen schaffen, die Transaktionen abgeschlossen haben und, wie ausgeführt, eher geringfügige Aktivitäten in der Europäischen Union haben(164).

    227. Fünftens kann der Effektivitätsgrundsatz nicht dazu führen, dass der Anwendungsbereich der in Rede stehenden Bestimmung über das für die Zwecke der EG-Fusionskontrollverordnung angemessene und erforderliche Maß hinaus erweitert wird. Meine Ansicht hierzu habe ich oben in Nr. 197 erläutert. Zu ergänzen habe ich insoweit nur noch einen letzten Gesichtspunkt: Das Vorbringen der Kommission, wonach im Anwendungsbereich der EU-Fusionskontrollverordnung eine Lücke geschlossen werden müsse, ist meines Erachtens nicht überzeugend.

    228. Wie in ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, zuletzt im Urteil Towercast(165), entschieden, sind die Art. 101 und 102 AEUV auf Fusionen anwendbar, die die Schwellenwerte nach der EU-Fusionskontrollverordnung nicht erreichen (und auch auf solche, die die nationalen Schwellenwerte nicht erreichen). Nach diesen Bestimmungen können die nationalen Wettbewerbsbehörden bei Fusionen, die sich als wettbewerbswidrig erweisen, ex post tätig werden. Zwar mag ein Tätigwerden ex post im Vergleich zu einer Kontrolle ex ante häufig nur die „zweitbeste“ Lösung sein. Die Unterschiede zwischen diesen beiden Formen der Prüfung waren jedoch, wie sich aus den Vorarbeiten eindeutig ergibt, ein Aspekt, den der Unionsgesetzgeber in dem zum Erlass der EG-Fusionskontrollverordnung führenden Verfahren gebührend berücksichtigt hat. Die Erwägungen der Kommission können daher vom Unionsgesetzgeber getroffene konkrete Wahlentscheidungen nicht in Frage stellen.

    229. Ferner ist das Vorbringen der Kommission und einiger Regierungen, die sich am vorliegenden Verfahren beteiligt haben, wonach die Durchsetzung der Art. 101 und 102 AEUV nicht wirksam und zeitaufwändig sei, meines Erachtens ebenso wenig überzeugend.

    230. Wie der Gerichtshof kürzlich im Urteil European Superleague Company bestätigt hat, liegt ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung vor, wenn Verhaltensweisen „tatsächlich oder potenziell bewirken oder sogar bezwecken, potenziell im Wettbewerb stehende Unternehmen in einem Vorstadium durch die Schaffung von Zugangsschranken oder durch Rückgriff auf andere Abschottungsmaßnahmen … daran zu hindern, auch nur Zugang zu diesem Markt oder diesen Märkten zu erlangen, und damit die Entwicklung des Wettbewerbs auf den Märkten zum Nachteil der Verbraucher zu verhindern, indem sie dort die Produktion, die Entwicklung alternativer Produkte oder Dienstleistungen oder auch Innovationen beschränken“(166). Meines Erachtens fällt eine sogenannte „killer acquisition“ eindeutig unter diese Definition und stellt ein paradigmatisches Beispiel für einen „bezweckten“ Missbrauch einer beherrschenden Stellung dar(167).

    231. Zur Feststellung des Vorliegens einer Zuwiderhandlung sind somit meines Erachtens keine übermäßig langen oder komplexen Ermittlungen erforderlich. Insbesondere ist eine Expost-Kontrolle einer vollzogenen Fusion – ein in vielen Rechtsordnungen nicht ungewöhnlicher Vorgang –(168) zwar möglicherweise mit gewissen Nachteilen verbunden, hat aber auch einen ganz erheblichen Vorteil, nämlich dass die Behörden keine Prognose zum künftigen Verhalten des Unternehmens anstellen müssen. Die Wettbewerbsbehörde kann nämlich bei ihrer Prüfung sowohl Beweismittel aus der Zeit vor der Fusion (z. B. zur Feststellung der Absicht des Erwerbers und dazu, ob dieses Unternehmen das Zielunternehmen als realistische Bedrohung für seine Marktstellung ansah) als auch Beweismittel aus der Zeit nach der Fusion prüfen, aus denen hervorgeht, was nach der Übernahme im Markt tatsächlich geschehen ist (z. B. zur Feststellung, ob es spürbare Auswirkungen auf Preise, Produktion und Innovation gab oder ob der Geschäftsbetrieb des Zielunternehmens eingestellt oder erheblich reduziert wurde)(169).

    232. Ferner ist im Blick zu behalten, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden bei der Untersuchung möglicher Verstöße gegen die Art. 101 und 102 AEUV über die Befugnisse nach der sogenannten ECN+-Richtlinie(170) verfügen müssen. Nach dieser Richtlinie ist die zuständige Behörde bei Feststellung einer Zuwiderhandlung nicht nur befugt, finanzielle Sanktionen zu verhängen (Art. 13 bis 16 der Richtlinie), sondern sie kann nach Art. 10 Abs. 1 dieser Richtlinie auch die beteiligten Unternehmen verpflichten, „die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen. [Die Behörde kann] hierzu alle Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art vorschreiben, die gegenüber der festgestellten Zuwiderhandlung verhältnismäßig und für eine wirksame Abstellung der Zuwiderhandlung erforderlich sind …“. In besonders schwerwiegenden Fällen kann hierzu durchaus auch eine teilweise oder vollständige Auflösung des fusionierten Unternehmens gehören(171). Ferner können die nationalen Wettbewerbsbehörden nach Art. 11 Abs. 1 dieser Richtlinie auch „zumindest in dringenden Fällen, in denen die Gefahr eines ernsten, nicht wieder gutzumachenden Schadens für den Wettbewerb besteht, auf der Grundlage einer prima facie festgestellten Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 oder Artikel 102 AEUV von Amts wegen durch Entscheidung anordnen …, dass Unternehmen … einstweilige Maßnahmen auferlegt werden“. Solche Maßnahmen könnten beispielsweise in Form von aufschiebenden Anordnungen ergehen(172).

    233. Sechstens verstößt der sehr weite Anwendungsbereich, den das Gericht einer Bestimmung zuerkannt hat, die unzweifelhaft eine Ausnahme von den Bestimmungen des Art. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung darstellt, gegen den allgemein anerkannten Auslegungsgrundsatz, wonach Ausnahmen und Abweichungen von der allgemeinen Systematik oder den allgemeinen Regeln eines Rechtsakts eng auszulegen sind, damit diese Regeln nicht ausgehöhlt werden(173). Das Gericht hat diesen Grundsatz nämlich bereits für die Auslegung des Anwendungsbereichs des Verweisungsmechanismus nach Art. 9 der EU-Fusionskontrollverordnung als relevant angesehen(174). Aus welchen Gründen es die Relevanz dieses Auslegungsgrundsatzes für den Verweisungsmechanismus nach Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung im angefochtenen Urteil außer Betracht gelassen hat, ist meines Erachtens unklar(175).

    234. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen hat das Gericht Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung meines Erachtens rechtsfehlerhaft ausgelegt und angewendet. Daher ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

    235. Sollte der Gerichtshof hingegen mit meiner Würdigung des ersten Rechtsmittelgrundes nicht übereinstimmen, wären die Rechtsmittel meines Erachtens zurückzuweisen. Im folgenden Abschnitt werde ich kurz erläutern, warum der zweite und dritte Rechtsmittelgrund der Rechtsmittelführerinnen meines Erachtens unbegründet sind.

    B.      Zweiter Grund: Zeitpunkt des Verweisungsantrags und Verpflichtung der Kommission, innerhalb einer angemessenen Frist tätig zu werden

    236. Der zweite Rechtsmittelgrund von Illumina und Grail richtet sich gegen die Zurückweisung des zweiten Klagegrundes von Illumina im ersten Rechtszug, wonach der Verweisungsantrag verspätet gestellt worden sei; hilfsweise wird ferner ein Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der „ordnungsgemäßen Verwaltung“ geltend gemacht. Die Rechtsmittelführerinnen wenden sich insbesondere gegen die Rn. 190 bis 211 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht zu folgendem Schluss gelangt ist:

    „Die Wendung ‚[dem betreffenden Mitgliedstaat] zur Kenntnis gebracht‘ in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 [der EU-Fusionskontrollverordnung] [ist] dahin auszulegen, dass sie eine aktive Übermittlung von sachdienlichen Informationen an den Mitgliedstaat verlangt, anhand deren er vorläufig beurteilen kann, ob die Voraussetzungen für einen Verweisungsantrag nach dieser Bestimmung vorliegen. Dementsprechend beginnt nach dieser Auslegung die in dieser Bestimmung vorgesehene Frist von 15 Arbeitstagen, wenn die Anmeldung des Zusammenschlusses nicht erforderlich ist, zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Informationen übermittelt wurden.“

    237. Die Rechtsmittelführerinnen wenden sich ferner gegen die Rn. 240 und 242 bis 245 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht u. a. festgestellt hat, dass i) „[Illumina] die angeblichen zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses führenden ‚erheblichen Fehler im Sachverhalt‘, die sich bereits auf das Aufforderungsschreiben ausgewirkt und somit entscheidenden Einfluss auf den Inhalt des Verweisungsantrags der ACF genommen hätten, nicht hinreichend konkretisieren [konnte]“; und ii) „[die Rechtsmittelführerinnen] mehrfach Gelegenheit [hatten], ihren Standpunkt während des Verwaltungsverfahrens vorzutragen, das zum Erlass [der angefochtenen] Beschlüsse führte“.

    1.      Vorbringen der Parteien

    238. Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, das Gericht habe rechtsfehlerhaft i) keine rechtlichen Folgen aus der zutreffenden Feststellung abgeleitet, dass die Kommission bei der Übermittlung des Aufforderungsschreibens an die Mitgliedstaaten betreffend den in Rede stehenden Zusammenschluss nicht innerhalb einer angemessenen Frist tätig geworden sei, und ii) festgestellt, dass die Kommission in dem zum Erlass der angefochtenen Beschlüsse führenden Verfahren nicht gegen die Verteidigungsrechte der Parteien verstoßen habe.

    239. Nach Ansicht der Kommission ist dieser Rechtsmittelgrund unbegründet und teilweise unzulässig.

    2.      Würdigung

    240. Das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen ist meines Erachtens nicht überzeugend.

    241. Erstens hat das Gericht meines Erachtens die Wendung „[dem betreffenden Mitgliedstaat] zur Kenntnis gebracht“ in Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der EU-Fusionskontrollverordnung nicht rechtsfehlerhaft ausgelegt. Wie in Rn. 192 des angefochtenen Urteils ausgeführt, ergibt sich aus einem Vergleich der verschiedenen Sprachfassungen der Verordnung, dass die Frist von 15 Arbeitstagen nicht schon dadurch in Lauf gesetzt wird, dass die Fusion in dem betreffenden Mitgliedstaat öffentlich – z. B. durch eine Pressemitteilung oder Medienberichterstattung –(176) bekannt gegeben wird, so dass die betreffenden Behörden möglicherweise von ihr Kenntnis erlangen. Nach dieser Bestimmung ist vielmehr eine aktive Mitteilung der Fusion an diese Behörden erforderlich. Diese Auslegung dürfte meines Erachtens mit dem Ziel der Bestimmung im Einklang stehen, nämlich den Behörden eine vorläufige Prüfung zur Beurteilung der Frage zu ermöglichen, ob die sachlichen Voraussetzungen nach Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Fusionskontrollverordnung prima facie erfüllt sind(177).

    242. Die Rechtsmittelführerinnen haben meines Erachtens nichts vorgetragen, was diese Auslegung von Art. 22 Abs. 1 Unterabs. 2 der EU-Fusionskontrollverordnung in Zweifel ziehen könnte.

    243. Zweitens ist, auch wenn der rechtliche Rahmen meines Erachtens nicht vollständig überzeugt, den das Gericht angewendet hat, um die Folgen zu bestimmen, die sich daraus ergeben, dass die Kommission das Aufforderungsschreiben nicht innerhalb einer angemessenen Frist übermittelt hat, das Ergebnis, zu dem es im angefochtenen Urteil gelangt ist, meines Erachtens zutreffend.

    244. Im Kern geht es meines Erachtens nicht darum, ob die Rechtsmittelführerinnen darlegen konnten, dass durch das verzögerte Tätigwerden der Kommission gegen die Verteidigungsrechte der Rechtsmittelführerinnen verstoßen wurde. Vielmehr geht es im Kern darum, ob die Rechtsmittelführerinnen hinreichend darlegen konnten, dass das Verfahren ohne den in Rede stehenden Verfahrensfehler möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.

    245. Wie in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache HSBC erläutert, wird in der Rechtsprechung der Unionsgerichte offenbar zwischen zwei Hauptformen von Verfahrensfehlern unterschieden, nämlich zwischen Verstößen gegen „wesentliche Formvorschriften“, die automatisch zur Ungültigkeit der betreffenden Handlung führen, und Verstößen gegen sonstige Verfahrensvorschriften, die einem „Kriterium des harmlosen Fehlers“ unterliegen. Gemeint ist damit, dass „gewöhnliche“ Verfahrensfehler zur Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung führen, sofern nicht der Fehler als unschädlich in dem Sinne angesehen werden kann, dass er keine Auswirkungen auf den Ausgang des Verfahrens hatte oder haben konnte. Dieses Kriterium ist vor allem, je nach den Merkmalen der verletzten Vorschrift in drei verschiedenen Formen angewendet worden: i) Bei Verstößen schwerwiegender und struktureller Art gilt eine (widerlegbare) Vermutung dafür, dass der Fehler den Ausgang des Verfahrens beeinflusst hat, wobei die Beweislast für die Widerlegung der Vermutung beim Beklagten liegt; ii) bei „Standard“-Fehlern, die den Ausgang des Verfahrens beeinflusst haben könnten oder nicht, hat der Kläger zu beweisen, dass die angefochtene Handlung ohne den Fehler möglicherweise anders ausgefallen wäre; und iii) bei weniger schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten, die zur Nichtigerklärung der betreffenden Handlung führen, hat der Kläger zu beweisen, dass das Verfahren ohne den Fehler einen anderen Ausgang gehabt hätte(178).

    246. Im Licht des Wortlauts der einschlägigen Bestimmung (die keine konkrete Frist vorsieht)(179) und des Zwecks und der Grundgedanken des durch die EU-Fusionskontrollverordnung eingeführten Systems der Fusionskontrolle (das eine wirksame Kontrolle potenziell wettbewerbswidriger Zusammenschlüsse durch ein effizientes und berechenbares System gewährleisten soll, das geeignet ist, für die beteiligten Unternehmen Rechtssicherheit zu schaffen)(180) kann meines Erachtens darin, dass die Kommission nicht innerhalb einer angemessenen Frist tätig geworden ist, kein Verstoß gegen eine wesentliche Formvorschrift gesehen werden, so dass das Standardkriterium für Verfahrensfehler anzuwenden ist(181).

    247. Die Rechtsmittelführerinnen haben weder in ihrem Vorbringen im ersten Rechtszug noch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens konkrete Anhaltspunkt dafür vorgetragen, dass dann, wenn die Kommission in angemessener Frist tätig geworden wäre, ihre Beurteilung der Frage, ob die in Rede stehende Fusion Gegenstand einer Verweisung nach Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung sein kann und hierzu geeignet war, möglicherweise anders ausgefallen wäre.

    248. Jedenfalls stimme ich mit der Kommission auch darin überein, dass die Rechtsmittelführerinnen i) einen Verstoß gegen ihre Verteidigungsrechte im ersten Rechtszug nicht ausdrücklich geltend gemacht haben, so dass dieser Teil des Rechtsmittelgrundes unzulässig ist, und ii) nachteilige Auswirkungen auf ihre Möglichkeit, ihre Verteidigungsrechte in dem zum Erlass der angefochtenen Beschlüsse führenden Verfahren wahrzunehmen, nicht hinreichend dargetan haben. Was den letztgenannten Punkt angeht, haben die Rechtsmittelführerinnen zwar eine Reihe von Anhaltspunkten dafür vorgetragen, dass die Kommission gegenüber diesen Unternehmen möglicherweise nicht mit dem Maß an Transparenz und Fairness gehandelt hat, das von der öffentlichen Verwaltung normalerweise zu erwarten wäre(182). Dies ist selbstverständlich bedauerlich, da solche Verhaltensweisen Auswirkungen darauf haben können, wie die Öffentlichkeit die Arbeitsweise einer Dienststelle wahrnimmt, die – aufgrund der ihr übertragenen erheblichen Befugnisse – stets mit höchster Unparteilichkeit und Objektivität handeln muss. Dessen ungeachtet wurde den Rechtsmittelführerinnen durch das Verhalten der Kommission jedoch nicht die Möglichkeit genommen, in dem nach Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung eingeleiteten Verfahren Stellungnahmen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht abzugeben, um auf den Ausgang des Verfahrens Einfluss zu nehmen.

    249. Aus den vorstehend dargelegten Gründen ist der zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

    C.      Dritter Grund: Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit

    250. Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund – gegen die Rn. 254 bis 260 des angefochtenen Urteils – beanstanden Illumina und Grail die Zurückweisung des dritten Klagegrundes von Illumina im ersten Rechtszug, mit dem ein Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit geltend gemacht wurde. In diesen Passagen hat das Gericht nur das Vorbringen zum Vertrauensschutz geprüft, da das Vorbringen zur Rechtssicherheit nicht hinreichend dargetan worden war.

    251. Was den Grundsatz des Vertrauensschutzes angeht, hat das Gericht festgestellt, dass die von Illumina angeführten wesentlichen Gesichtspunkte „die Existenz der angeblichen Politik der Kommission, auf die [Illumina] sich stützt“, nicht belegten und in ihnen keine „klaren, unbedingten und übereinstimmenden Zusicherungen [der Kommission] in Bezug auf die Behandlung des [in Rede stehenden] Zusammenschlusses“ gesehen werden könnten.

    1.      Vorbringen der Parteien

    252. Nach Ansicht der Rechtsmittelführerinnen ist die Begründung des angefochtenen Urteils mit mehreren Rechtsfehlern behaftet. Sie bringen insbesondere vor, das Gericht i) habe den Inhalt des Vorbringens von Illumina im ersten Rechtszug zum Vertrauensschutz verfälscht; ii) habe fehlerhaft darauf erkannt, dass ein Vertrauensschutz nur bestehen könne, wenn die Zusicherungen, aus denen er sich ergebe, sich speziell auf den in Rede stehenden Zusammenschluss bezögen; iii) habe die Bedeutung einer Rede von Frau Margrethe Vestager, Vizepräsidentin der Kommission und für Wettbewerb zuständiges Kommissionsmitglied, die nur wenige Monate vor der Übermittlung des Aufforderungsschreibens durch die Kommission gehalten worden sei, fehlerhaft bewertet(183); und iv) sei auf ihr Vorbringen zum Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit nicht eingegangen.

    253. Die Kommission entgegnet, das Gericht habe insoweit nicht rechtsfehlerhaft entschieden.

    2.      Würdigung

    254. Wiederum sind zwar einige der relevanten Passagen des angefochtenen Urteils meines Erachtens nicht überzeugend, es ist meines Erachtens jedoch nicht zu beanstanden, dass das Gericht den dritten Klagegrund von Illumina zurückgewiesen hat.

    255. Zunächst ist das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen nicht überzeugend, das Gericht habe den Inhalt des Vorbringens zum Vertrauensschutz nicht richtig aufgefasst. Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend, Illumina habe vorgetragen, dass die Kommission ein Vertrauen dahin begründet habe, dass sie Verweisungsanträge für Fusionen unterhalb der nationalen Schwellenwerte nicht unterstützen würde, wohingegen das Gericht geprüft habe, ob die Kommission solchen Verweisungen rechtmäßig stattgeben dürfe. Meines Erachtens erscheint dies „haarspalterisch“. Die beiden Aspekte haben eindeutig komplementären Charakter und lassen sich kaum voneinander trennen.

    256. Das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen bestand im Wesentlichen darin, dass sie die plötzliche Änderung der Praxis der Kommission in Bezug auf die Auslegung von Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung nicht hätten vorhersehen können. Die wirklich maßgebliche Frage in diesem Zusammenhang ist, ob die Rechtsmittelführerinnen aufgrund der von der Kommission erhaltenen Informationen darauf vertrauen durften, dass ihre Fusion nicht Gegenstand einer Verweisung nach Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung sein würde. Ob die in Rede stehende Verweisung in diesem Zusammenhang von einer oder mehreren handelnden nationalen Wettbewerbsbehörden von Amts wegen eingeleitet wurde oder deshalb, weil sie hierzu von der Kommission aufgefordert wurden, erscheint mir unerheblich.

    257. Ferner ist meines Erachtens auch das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen nicht überzeugend, mit dem sie rügen, dass das Gericht ihr Vorbringen zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit nicht behandelt habe. Nach Prüfung ihres Vorbringens im ersten Rechtszug muss ich mich dem Gericht darin anschließen, dass die Rechtsmittelführerinnen hierzu nichts Konkretes vorgetragen hatten, mit anderen Worten nichts, was von ihrem Vortrag zum Vertrauensschutz unterschieden werden könnte, auf den das Gericht im angefochtenen Urteil ausdrücklich eingegangen ist.

    258. Darüber hinaus bin ich nicht der Ansicht, dass in der vorliegenden Rechtssache alle Voraussetzungen dafür erfüllt sind, dass eine Partei sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen kann.

    259. Zwar sind bestimmte Passagen des angefochtenen Urteils meines Erachtens unzutreffend. In Rn. 254 dieses Urteils hat das Gericht auf die Rechtsprechung verwiesen, wonach klare, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte der Verwaltung ein schutzwürdiges Vertrauen begründen können, u. a. sofern diese Auskünfte „den geltenden Vorschriften entsprechen“. Weiter hat das Gericht in Rn. 265 dieses Urteils unter Verweis auf diese Rechtsprechung ergänzend ausgeführt, dass „[d]a … aus der Prüfung des ersten Klagegrundes hervorgeht, dass den angefochtenen Beschlüssen eine korrekte Auslegung der Tragweite dieses Artikels zugrunde liegt, … die Klägerin [sich] nicht auf die Neuorientierung der Entscheidungspraxis der Kommission berufen [kann]“.

    260. Ich kann mich dem Gericht insoweit nicht anschließen. Die vom Gericht angeführte Rechtsprechung (die, soweit mir ersichtlich, im Wesentlichen aus seinen eigenen Urteilen besteht) kann sinnvollerweise nicht dahin verstanden werden, dass Einzelne sich nur dann auf einen Vertrauensschutz berufen könnten, wenn die Zusicherungen der Verwaltung den geltenden Vorschriften entsprächen. Stehen die Zusicherungen mit dem geltenden Recht im Einklang, bestände nämlich für die betreffenden Einzelnen keine Notwendigkeit, sich auf den Vertrauensschutz zu berufen, denn ihre Lage wäre schon durch die von der Verwaltung angeführten Vorschriften selbst gebührend geschützt. Sinn und Zweck des Grundsatzes des Vertrauensschutzes ist eindeutig der Schutz der Einzelnen, die ohne eigenes Verschulden durch die von der Verwaltung vorgenommene Auslegung des geltenden Rechts in die Irre geführt werden.

    261. Meines Erachtens kann dieser Rechtsprechung nur dann gefolgt werden, wenn sie dahin verstanden wird, dass sie dem Einzelnen verwehrt, sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu berufen, wenn ein verständiger Einzelner erkennen würde, dass die Zusicherungen der Verwaltung nicht den geltenden Vorschriften entsprechen. Hätten demnach die Rechtsmittelführerinnen in der vorliegenden Rechtssache tatsächlich „klare, unbedingte und übereinstimmende Zusicherungen“ von der Kommission erhalten, könnte diesen Unternehmen durch den Umstand, dass dieses Organ anschließend Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung richtig angewendet hat, nicht verwehrt sein, sich auf einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu berufen.

    262. Gleichwohl stimme ich mit dem Gericht darin überein, dass der von den Rechtsmittelführerinnen angeführten Rede des Kommissionsmitglieds solche Zusicherungen jedenfalls nicht entnommen werden können. Wie das Gericht zutreffend festgestellt hat, schließen sowohl der Zweck der Rede (die „die allgemeine Fusionspolitik der Kommission betraf und nicht den [in Rede stehenden] Zusammenschluss berücksichtigte“)(184) als auch ihr wesentlicher Kern und Inhalt (wonach es in der Vergangenheit „Praxis der Kommission [war], die nationalen Behörden von einer Verweisung der Zusammenschlüsse, für deren Prüfung sie nicht selbst zuständig waren, abzuhalten“)(185) aus, dass in einer solchen Rede „klare, unbedingte und übereinstimmende“ Zusicherungen im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs gesehen werden könnten(186).

    263. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist der dritte Rechtsmittelgrund meines Erachtens ebenfalls zurückzuweisen.

    VI.    Folgen der Würdigung: Entscheidung über die vorliegende Rechtssache

    264. Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof im Fall der Aufhebung der Entscheidung des Gerichts den Rechtsstreit endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist.

    265. Meines Erachtens ist dies im vorliegenden Verfahren eindeutig der Fall. Das Gericht hat Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung fehlerhaft ausgelegt und angewendet. Bei richtiger Auslegung ist die Kommission nach dieser Bestimmung nicht befugt, Beschlüsse der von den Rechtsmittelführerinnen im vorliegenden Verfahren angefochtenen Art zu erlassen. Diese Beschlüsse sind daher für nichtig zu erklären.

    266. Der Antrag der ACF und das Informationsschreiben der Kommission können jedoch nicht für nichtig erklärt werden, weil i) die erstgenannte Handlung im ersten Rechtszug nicht angefochten wurde(187) (ganz abgesehen davon, dass es sich nicht um eine Handlung eines Unionsorgans handelt), und ii) das Informationsschreiben zwar im ersten Rechtszug angefochten wurde, jedoch nach Feststellung des Gerichts keine Handlung darstellt, die mit einer Klage angefochten werden kann(188). Die relevanten Passagen des angefochtenen Urteils sind ferner auch von den Rechtsmittelführerinnen nicht angegriffen worden.

    VII. Kosten

    267. Nach Art. 138 Abs. 1 und Art. 184 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da den Rechtsmitteln der Rechtsmittelführerinnen stattgegeben worden ist, sind der Kommission gemäß dem Antrag der Rechtsmittelführerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

    268. Nach Art. 140 und Art. 184 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, sowie die EFTA-Überwachungsbehörde und Biocom ihre eigenen Kosten.

    VIII. Ergebnis

    269. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor,

    –        das Urteil des Gerichts vom 13. Juli 2022, Illumina/Kommission (T‑227/21, EU:T:2022:447), aufzuheben;

    –        den Beschluss C(2021) 2847 final der Kommission vom 19. April 2021, mit dem dem Antrag der französischen Autorité de la Concurrence (Wettbewerbsbehörde) stattgegeben wurde, den Zusammenschluss in Form des Erwerbs der ausschließlichen Kontrolle über die Grail, Inc. durch die Illumina, Inc. (Sache COMP/M.10188 – Illumina/Grail) zu prüfen, die Beschlüsse C(2021) 2848 final, C(2021) 2849 final, C(2021) 2851 final, C(2021) 2854 final und C(2021) 2855 final der Kommission vom 19. April 2021, mit denen den Anträgen der belgischen, der niederländischen, der griechischen, der isländischen und der norwegischen Wettbewerbsbehörde stattgegeben wurde, sich diesem Verweisungsantrag anzuschließen, sowie das Schreiben der Europäischen Kommission vom 11. März 2021, mit dem Illumina und Grail über diesen Verweisungsantrag unterrichtet wurden, für nichtig zu erklären;

    –        der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen; und

    –        der Französischen Republik, dem Königreich der Niederlande, der Überwachungsbehörde der Europäischen Freihandelsassoziation und Biocom California ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.


    1      Originalsprache: Englisch.


    2      Schlussanträge des Generalanwalts Tizzano in der Rechtssache Kommission/Tetra Laval (C‑12/03 P, EU:C:2004:318, Nr. 73).


    3      Vgl. zu diesen Fragen Internationales Wettbewerbsnetz, Arbeitsgruppe zu Zusammenschlüssen, Untergruppe Anmeldung & Verfahren [Notification & Procedures Subgroup], „Festlegung von Anmeldungsschwellenwerten für die Fusionskontrolle [Setting Notification Thresholds for Merger Review]“, April 2008 (abrufbar auf der Website des Netzwerks).


    4      ABl. 2004, L 24, S. 1.


    5      Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 1989, L 395, S. 1). Art. 22 Abs. 3 bis 6 der Verordnung lautet:


    „(3)      „Stellt die Kommission auf Antrag eines Mitgliedstaats fest, dass ein Zusammenschluss …, der jedoch keine gemeinschaftsweite Bedeutung im Sinne des Artikels 1 hat, eine beherrschende Stellung begründet oder verstärkt, durch welche wirksamer Wettbewerb im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats erheblich behindert wird, so kann die Kommission – sofern dieser Zusammenschluss den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt – die in Artikel [8 Abs. 2] Unterabsatz 2 sowie in Artikel 8 Absätze 3 und 4 vorgesehenen Entscheidungen erlassen.


    (4)      Artikel [2 Absatz 1 Buchstaben a und b] , die Artikel 5, 6, 8 und 10 bis 20 finden Anwendung. … Das Verfahren muss spätestens binnen eines Monats nach der Unterrichtung des Mitgliedstaats über den Zusammenschluss oder dessen Durchführung eröffnet werden. …


    (5)      Die Kommission trifft in Anwendung von Absatz 3 nur die Maßnahmen, die unbedingt erforderlich sind, um wirksamen Wettbewerb im Gebiet des Mitgliedstaats zu wahren oder wiederherzustellen, auf dessen Antrag hin sie tätig geworden ist.


    (6)      Die Absätze 3, 4 und 5 finden Anwendung, bis die in Artikel [1 Abs. 2] festgelegten Schwellen revidiert werden.“


    6      Verordnung vom 30. Juni 1997 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 1997, L 180, S. 1; im Folgenden: Verordnung von 1997). Sie änderte Art. 22 der EG-Fusionskontrollverordnung u. a. durch i) Aufnahme einer Regelung eines gemeinsamen Antrags von zwei oder mehr Mitgliedstaaten in Abs. 3; ii) Aufnahme des Wortlauts „Artikel 7 findet Anwendung, sofern der Zusammenschluss zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission den Parteien mitteilt, dass ein Antrag eingegangen ist, noch nicht durchgeführt worden ist“, und „[d]er Antrag muss spätestens einen Monat nach dem Zeitpunkt gestellt werden, zu dem der Zusammenschluss den betreffenden Mitgliedstaaten zur Kenntnis gebracht wurde oder dessen Durchführung erfolgt ist“ in Abs. 4; sowie iii) Streichung von Abs. 6.


    7      EU:T:2022:447.


    8      ABl. 1994, L 1, S. 3; im Folgenden: EWR-Abkommen.


    9      ABl. 2021, C 113, S. 1.


    10      Vgl. z. B. Urteil vom 22. Juni 2023, DI/EZB (C‑513/21 P, EU:C:2023:500, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    11      C‑457/23 P, EU:C:2023:760.


    12      Vgl. u. a. Urteil vom 12. Juli 2022, Nord Stream 2/Parlament und Rat (C‑348/20 P, EU:C:2022:548, Rn. 128 und die dort angeführte Rechtsprechung). Hervorhebung nur hier.


    13      Vgl. in diesem Sinne ebd., Nrn. 130 und 131, sowie, mit weiteren Nachweisen, Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Nord Stream 2/Parlament und Rat (C‑348/20 P, EU:C:2021:831, Nr. 120).


    14      Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43).


    15      Urteil vom 12. Juli 2022, Nord Stream 2/Parlament und Rat (C‑348/20 P, EU:C:2022:548, Rn. 129 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    16      Vgl. z. B. Beschluss vom 12. Juni 2019, OY/Kommission (C‑816/18 P, EU:C:2019:486, Nr. 6 der Schlussanträge des Generalanwalts, angeführt in Rn. 4 des Beschlusses, und die dort angeführte Rechtsprechung).


    17      Vgl. nämlich Rn. 9 und 10 des vorgenannten Beschlusses.


    18      Vgl. wiederum Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Nord Stream 2/Parlament und Rat (C‑348/20 P, EU:C:2021:831, Nr. 177 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    19      Vgl. z. B. Urteile vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 86), und vom 25. März 2021, Xellia Pharmaceuticals und Alpharma/Kommission (C‑611/16 P, EU:C:2021:245, Rn. 153).


    20      Vgl. entsprechend Urteil vom 30. September 2021, Rechnungshof/Pinxten (C‑130/19, EU:C:2021:782, Rn. 310 und 311 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


    21      Rn. 177 des angefochtenen Urteils. Hervorhebung nur hier.


    22      Rn. 89, 90 und 92 des angefochtenen Urteils.


    23      Rn. 91 des angefochtenen Urteils (Hervorhebung nur hier). Dies gilt für die meisten Sprachfassungen der Verordnung; in einer kleineren Zahl von Sprachfassungen (wie der niederländischen und der schwedischen) wird indes nicht der Ausdruck „jeder Zusammenschluss“ verwendet, sondern andere Begriffe, die mit „ein Zusammenschluss“ übersetzt werden könnten.


    24      Rn. 93 des angefochtenen Urteils.


    25      Rn. 94 und 95 des angefochtenen Urteils.


    26      Urteil vom 6. Oktober 1982, Cilfit u. a. (283/81, EU:C:1982:335, Rn. 20). Hervorhebung nur hier.


    27      Vgl. u. a. Urteil vom 6. Oktober 2020, Jobcenter Krefeld (C‑181/19, EU:C:2020:794, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung). Hervorhebung nur hier.


    28      Ebd., Rn. 62 bis 66.


    29      Vgl. z. B. Urteile vom 19. November 2009, Sturgeon u. a. (C‑402/07 und C‑432/07, EU:C:2009:716, Rn. 40 bis 69), und vom 27. Oktober 2016, Kommission/Deutschland (C‑220/15, EU:C:2016:815, Rn. 38 bis 47).


    30      (1969) UNTS Bd. 1155, S. 331. Vgl. Art. 31 bzw. Art. 32.


    31      Hervorhebung nur hier.


    32      Wie von Generalanwalt Wathelet ausgeführt, kann der Gerichtshof sich mit der wörtlichen Auslegung der Bestimmung begnügen, wenn der in Rede stehende Wortlaut absolut klar und eindeutig ist, er muss sich jedoch nicht damit begnügen (vgl. hierzu Schlussanträge in der Rechtssache Frankreich/Parlament, C‑73/17, EU:C:2018:386, Nr. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    33      Vgl. u. a. die Begriffe „postoupení“ (Tschechisch), „Verweisung“ (Deutsch), „παραπομπή“ (Griechisch), „remisión“ (Spanisch), „renvoi“ (Französisch), „áttétel“ (Ungarisch), „rinvio“ (Italienisch), „remessa“ (Portugiesisch) und „napotitev“ (Slowenisch).


    34      Hervorhebung nur hier.


    35      Rn. 142 des angefochtenen Urteils (Hervorhebung nur hier). Vgl. auch Rn. 141, 165, 177 und 182 des angefochtenen Urteils.


    36      Grünbuch der Kommission vom 31. Januar 1996 über die Prüfung der Fusionskontrollverordnung (KOM[96] 19 endg.), angeführt in den Rn. 97 und 98 des angefochtenen Urteils.


    37      Grünbuch der Kommission vom 11. Dezember 2001 über die Revision der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (KOM[2001] 745 endgültig), angeführt in den Rn. 97, 99, 101 und 103 des angefochtenen Urteils.


    38      Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“) (ABl. 2003, C 20, S. 4), angeführt in den Rn. 97 und 106 bis 113 des angefochtenen Urteils.


    39      Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen Begleitunterlage zur Mitteilung der Kommission an den Rat – Bericht über das Funktionieren der Verordnung Nr. 139/2004 vom 30. Juni 2009 (SEK[2009] 808 endgültig/2), angeführt in den Rn. 97 und 115 des angefochtenen Urteils.


    40      Leider hat das Gericht hierzu weder ausdrücklich einen Standpunkt bezogen, noch lässt sich ein solcher Standpunkt den Begründungserwägungen des angefochtenen Urteils entnehmen. Das Gericht hat vielmehr unterschiedslos sowohl in der ursprünglichen EG-Fusionskontrollverordnung enthaltene als auch später durch die Verordnung von 1997 oder die EU-Fusionskontrollverordnung hinzugefügte Elemente angeführt.


    41      Rn. 97 des angefochtenen Urteils.


    42      Rn. 98 des angefochtenen Urteils.


    43      Rn. 102 des angefochtenen Urteils.


    44      Insbesondere 1997, als die Bestimmung geändert wurde. Vgl. Rn. 103 des angefochtenen Urteils.


    45      Rn. 109 des angefochtenen Urteils.


    46      Vgl. u. a. Urteile vom 18. Juli 2007, Industrias Químicas del Vallés/Kommission (C‑326/05 P, EU:C:2007:443, Rn. 60 bis 68), und vom 30. Mai 2017, Safa Nicu Sepahan/Rat (C‑45/15 P, EU:C:2017:402, Rn. 76).


    47      Rn. 99 des angefochtenen Urteils.


    48      Dies ist zum Zeitpunkt der Abfassung der vorliegenden Schlussanträge noch zutreffend. Offenbar könnte sich die Situation jedoch in naher Zukunft ändern, da die luxemburgische Regierung im August 2023 einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Regelung zur Fusionskontrolle in Luxemburg vorgelegt hat.


    49      Nrn. 9 und 10 des Grünbuchs von 1996 (Hervorhebung nur hier).


    50      Rn. 86 des in Rn. 103 des angefochtenen Urteils angeführten Grünbuchs von 2001.


    51      Mit „freiwilligen“ Anmeldungen waren darin solche bei der Wettbewerbsbehörde des Vereinigten Königreichs gemeint, da das Vereinigte Königreich (das damals Mitgliedstaat der Union war) ein Fusionskontrollsystem hat, das, anders als sowohl die Regelung der Union als auch diejenigen der sonstigen Mitgliedstaaten, nicht auf verpflichtenden, sondern auf freiwilligen Anmeldungen beruht.


    52      Vgl. insbesondere S. 4 („Zusammenfassung“) und Rn. 72 bis 88 des Grünbuchs von 2001.


    53      Rn. 53 (Hervorhebung nur hier).


    54      Dieser Punkt wird dadurch noch weiter unterstrichen, dass im Grünbuch von 2001 auf das Fehlen einer Definition des Begriffs „einen Zusammenschluss zur Kenntnis bringen“ hingewiesen wird, dass es aber „auf der Hand [liegt], in Ländern mit Meldepflicht als Stichtag den Tag zu nehmen, in dem der Zusammenschluss dort angemeldet wurde“. Einmal mehr geht es für die Kommission eindeutig um Zusammenschlüsse, die den nationalen Behörden zur Kenntnis gelangen, weil sie unter ihre nationalen Fusionskontrollregelungen fallen.


    55      Vgl. insbesondere Rn. 93, 95 und 99 des Grünbuchs von 2001.


    56      Hervorhebung nur hier.


    57      Vgl. Rn. 138 des Arbeitspapiers der Kommissionsdienststellen von 2009: „die Frage, ob ein Mitgliedstaat die Möglichkeit haben sollte, eine Verweisung vorzunehmen oder sich an einer Verweisung zu beteiligen, ohne dass er für den Zusammenschluss eine Zuständigkeit hat, wurde von fünf bejaht und von neun verneint. Dies wirft in der Tat die Frage auf, ob ein Mitgliedstaat die Möglichkeit der Verweisung eines Zusammenschlusses haben sollte, wenn er zwar keine Zuständigkeit hat, die Tätigkeit der Beteiligten aber in der Tat Auswirkungen auf diesen Mitgliedstaat hat“ (Hervorhebung nur hier).


    58      Vgl. Rn. 133, 140 bis 142 und 144 des Arbeitspapiers der Kommissionsdienststellen von 2009 (Hervorhebung nur hier). Vgl. ebenso Rn. 86 des Grünbuchs von 2001.


    59      Vgl. insbesondere Berichte des Rates vom 7. November 1988 (9114/88), vom 10. November 1988 (9265/88) und vom 8. Dezember 1988 (10054/88).


    60      Entwurf des Protokolls der 1 339. Tagung des Rates vom 18. Juli 1989 (8016/89 PV/CONS 47), S. 2.


    61      Vor allem EWG Rat Verordnung Nr. 17 vom 6. Februar 1962: Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des [EWG‑]Vertrags (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204).


    62      Kommission, geänderter Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (KOM[88] 97 endg.) (ABl. 1988, C 130, S. 4). Art. 22 („Ausschließliche Anwendbarkeit dieser Verordnung“) dieses Vorschlags lautet: „Auf Zusammenschlüsse im Sinne dieser Verordnung finden die Verordnungen Nr. 17, (EWG) Nr. 1017/68, (EWG) Nr. 4056/86 und (EWG) Nr. 3975/87 keine Anwendung.“


    63      Vgl. Rat, Note de la Présidence au Conseil, 7. April 1989 (5857/89 [RC 9]), Anhang, S. 4; Berichte vom 12. April 1989 (6267/89, RC 12); Entwurf des Protokolls der 1 339. Tagung des Rates vom 18. Juli 1989 (8016/89 PV/ CONS 47), S. 13; Berichte vom 9. November 1989 (9672/89 [RC 41]), S. 3. Vgl. auch Schreiben von Sir Leon Brittan an den Rat (SG [89] D/5429) vom 24. April 1989, S. 2.


    64      Vgl. Bericht der Kommission an den Rat über die Anwendung der Fusionskontrollverordnung vom 28. Juli 1993 (KOM[93] endg., S. 14) (im Folgenden: Bericht von 1993); Kommission, Vermerk von G. Drauz an den Juristischen Dienst (COMP/HT.60), Arbeitsgruppe des Rates, 6. Juni 2003 (11430), Nr. 4.


    65      Vgl. Sir Leon Brittan, Competition Policy and Merger Control in the Single European Market, Grotius, 1991, S. 33 und 49. Ebenso Jones, C., „Procedures and Enforcement under EEC Merger Regulation“, in Hawk, B.(Hrsg.), Annual Proceedings of the Fordham Corporate Law Institute, 1990, S. 476.


    66      Vgl. Kommission, Bericht von 1993 Report, S. 7. Vgl. auch Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zur Änderung der Fusionskontrollverordnung (COM[96] 313 endg., S. 5). Vgl. auch Levy, N., Rimsa, A., und Buzatu, B., „The jurisdictional reach of EC merger control: Striking the right balance“, in Kokkoris, I., und Levy, N., Research Handbook on Global Merger Control, Edward Elgar Publishing, 2023, S. 219: „Ein wirksames System der Fusionskontrolle kann nicht jedes Vorhaben erfassen, das in einer bestimmten Rechtsordnung den Wettbewerb beeinträchtigen könnte.“


    67      Vgl. Rat, Résultats des travaux du Groupe des questions économiques (contrôle des concentrations), 8. März 1989 (5770/89 RC 8), S. 4. Vgl. auch Schreiben von Sir Leon Brittan an den Rat, 30. März 1989 (SG [89] D/4008), S. 2.


    68      Vgl. Rat, Bericht an den Ausschuss der Ständigen Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten, 9. Dezember 1988 (10189/89 RC 36), S. 8; und Gutachten des Juristischen Dienstes [avis du service juridique], 11. Juli 1989 (7896/89 JUR 98 RC 24), S. 10. Vgl. auch Kommission, Bericht von 1993, S. 14.


    69      Vgl. Sir Leon Brittan, a. a. O., siehe Fn. 65, S. 39, 48 und 53.


    70      Vgl. Rat, Gutachten des Juristischen Dienstes [avis du service juridique], 11. Juli 1989 (7896/89 JUR 98 RC 24), S. 4.


    71      Siehe Nrn. 201 und 208 der vorliegenden Schlussanträge.


    72      Dies entspricht der Zahl aller Mitgliedstaaten der Union (mit Ausnahme von Luxemburg) und der EWR/EFTA-Staaten (Island und Norwegen), die derzeit über eine nationale Fusionskontrollregelung verfügen.


    73      Im Gegenteil sollten mit dem Erlass der EU-Fusionskontrollverordnung die Vorteile der EG-Fusionskontrollverordnung fortentwickelt werden. Vgl. Kommission, Vermerk von G. Drauz an den Juristischen Dienst (COMP/HT.60), Arbeitsgruppe des Rates, 6. Juni 2003 (11430), S. 7; und Kommissionsvorschlag von 2003, S. 10.


    74      Siehe oben, Fn. 5 und 6.


    75      ABl. 2005, C 56, S. 2.


    76      Vgl. insbesondere Rn. 33, 45, 47 und 50 der Mitteilung.


    77      Vgl. Rn. 45 der Mitteilung.


    78      Rn. 2 und 79 des Weißbuchs von 2014.


    79      Rn. 69 und 70 des Weißbuchs von 2014.


    80      Rn. 61 des Weißbuchs von 2014.


    81      Rn. 21, 63 und 69 des Weißbuchs von 2014.


    82      Abrufbar auf der Website der Kommission. Vgl. insbesondere Abschnitte A.1, B.2 und B.3.


    83      Rn. 139 des angefochtenen Urteils.


    84      Zuvor Art. 87 und 235 EWG-Vertrag.


    85      Rn. 119 und 120 des angefochtenen Urteils.


    86      Vgl. siebter Erwägungsgrund der EG-Fusionskontrollverordnung und siebter Erwägungsgrund der EU-Fusionskontrollverordnung.


    87      Vgl. u. a. Rat, Résultats des travaux du Groupe des questions économiques (contrôle des concentrations), 29. Mai 1989 (7752/89 RC 20), S. 5; Résultats des travaux du Groupe des questions économiques (contrôle des concentrations), 22. Juni 1989 (7827/89 RC 22), S. 1, Annex II, S. 3; und avis du service juridique, 11. Juli 1989 (7896/89 JUR 98 RC 24), S. 4.


    88      Damaliger Art. 38 EWG und Anhang II des EWG-Vertrags.


    89      Im Wesentlichen kann nach Art. 352 Abs. 1 AEUV der Rat geeignete Vorschriften erlassen, wenn ein Tätigwerden der Union im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Politikbereiche erforderlich erscheint, um eines der Ziele der Verträge zu verwirklichen, und in den Verträgen die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen sind.


    90      Vgl. zu dieser Frage auch Dashwood, A., Community Report, XIVth FIDE Congress, Madrid, 2010.


    91      Rn. 121 bis 124 des angefochtenen Urteils. Hervorhebung nur hier.


    92      Rn. 125 und 126 des angefochtenen Urteils.


    93      Nach Art. 4 Abs. 4 der EU-Fusionskontrollverordnung können die Parteien einer Fusion bei der Kommission beantragen, die Prüfung eines Zusammenschlusses mit gemeinschaftsweiter Bedeutung ganz oder teilweise an die Behörden eines Mitgliedstaats zu verweisen, wenn dieser Zusammenschluss „den Wettbewerb in einem Markt innerhalb eines Mitgliedstaats, der alle Merkmale eines gesonderten Marktes aufweist, erheblich beeinträchtigen könnte“. Nach Art. 9 der EU-Fusionskontrollverordnung wiederum kann die Kommission unter bestimmten Voraussetzungen einen bei ihr angemeldeten Zusammenschluss an die zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats verweisen.


    94      Rn. 127 bis 129 des angefochtenen Urteils.


    95      Rn. 130 des angefochtenen Urteils.


    96      Hervorhebung nur hier.


    97      Rn. 130 des angefochtenen Urteils. Hervorhebung nur hier.


    98      Hervorhebung in diesen Bestimmungen nur hier.


    99      Siehe Nrn. 100, 103 und 105 der vorliegenden Schlussanträge. Was konkret die EU-Fusionskontrollverordnung betrifft, vgl. auch deren zwölften Erwägungsgrund. Diese Entwicklung wird, auch wegen des stetig kleiner werdenden Raums für die Verwendung des Verweisungsmechanismus, im juristischen Schrifttum betont, vgl. z. B. Albors-Llorens, A., Goyder, D.G., und Goyder, J., Goyder’s EC Competition Law, 5. Aufl., Oxford University Press, 2009, S. 431; und Frenz, W., Handbook of EU Competition Law, Springer, 2016, S. 1308.


    100      Rn. 131 des angefochtenen Urteils.


    101      Rn. 132 des angefochtenen Urteils. Hervorhebung nur hier.


    102      Hervorhebung nur hier. Auf diese Frage werde ich in den Nrn. 155 und 156 der vorliegenden Schlussanträge zurückkommen.


    103      Das Verfahren ist nämlich wirksam eingeleitet worden, und ein gemeinsamer Verweisungsantrag mehrerer Mitgliedstaaten erhöht allenfalls die Kohärenz des Systems: Wird dem Antrag stattgegeben, „[findet d]as innerstaatliche Wettbewerbsrecht [aller betreffenden Mitgliedstaaten] auf den [betreffenden] Zusammenschluss nicht mehr Anwendung“ (Art. 22 Abs. 3 der EU-Fusionskontrollverordnung), einschließlich der Anwendung ihrer Vorschriften über wettbewerbswidrige Absprachen und die Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf die betreffende Fusion. Vgl. zum letztgenannten Punkt Rn. 134 des angefochtenen Urteils.


    104      Siehe ausführlich Nrn. 206 bis 214 der vorliegenden Schlussanträge.


    105      Rn. 133 des angefochtenen Urteils.


    106      Siehe aber Nrn. 152 bis 162 der vorliegenden Schlussanträge.


    107      Rn. 134 des angefochtenen Urteils.


    108      Rn. 135 und 136 des angefochtenen Urteils.


    109      Wenn nämlich i) ein Mitgliedstaat ohne nationale Fusionskontrollregelung einen Verweisungsantrag stellt, gilt die Verpflichtung zum Aufschub nach Art. 7 der EU-Fusionskontrollverordnung für die betreffende Fusion unabhängig davon, ob diese Fusion in den Anwendungsbereich einer oder mehrerer sonstiger nationaler Fusionskontrollsysteme fällt, und ii) wenn ein Mitgliedstaat einen Verweisungsantrag stellt, gilt die Verpflichtung zum Aufschub nach Art. 7 der EU-Fusionskontrollverordnung für die betreffende Fusion nach der EU-Fusionskontrollverordnung und somit unabhängig davon, ob die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats eine entsprechende Verpflichtung vorsehen.


    110      Wie von der EFTA-Überwachungsbehörde in ihrem Vorbringen zu Recht hervorgehoben, ist die EU-Fusionskontrollverordnung ein Rechtsakt, der nach Art. 57 des EWR-Abkommens auch in den „EWR-EFTA-Staaten“ (Island, Liechtenstein und Norwegen) gilt; Liechtenstein verfügt nicht über ein nationales Fusionskontrollsystem.


    111      Dies trifft bekanntlich auf das Vereinigte Königreich zu, das zum Zeitpunkt des Erlasses der EG-Fusionskontrollverordnung und der EU-Fusionskontrollverordnung noch Mitgliedstaat der Europäischen Union war.


    112      Zu einem guten Überblick über diese konkreten Aspekte des Systems vgl. die „Merger Notification and Procedures Templates [Muster für Fusionsanmeldungen und ‑verfahren]“, die von vielen Mitgliedstaaten der Union beim Internationalen Wettbewerbsnetz (ICN) eingereicht werden (abrufbar auf der Website des ICN).


    113      Rn. 137 des angefochtenen Urteils.


    114      Urteil vom 15. Dezember 1999, Kesko/Kommission (T‑22/97, EU:T:1999:327, Rn. 84).


    115      Rn. 138 des angefochtenen Urteils.


    116      Siehe Nrn. 129 bis 133 der vorliegenden Schlussanträge.


    117      Vgl. insbesondere Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 3 der EU-Fusionskontrollverordnung: „Alle einzelstaatlichen Fristen, die den Zusammenschluss betreffen, werden gehemmt …“. Hervorhebung nur hier.


    118      Vgl. wiederum Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 3 der EU-Fusionskontrollverordnung: „bis nach dem Verfahren dieses Artikels entschieden worden ist, durch wen der Zusammenschluss geprüft wird“. Hervorhebung nur hier.


    119      Hervorhebung nur hier.


    120      Zu Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 3 der EU-Fusionskontrollverordnung vgl. Rn. 133 und 150 des angefochtenen Urteils. Das Gericht erörtert jedoch nur die Wendung „[a]lle einzelstaatlichen Fristen“ und nicht die Wendung „entschieden worden ist, durch wen der Zusammenschluss geprüft wird“. Zum 15. Erwägungsgrund („ebenfalls zuständig“) vgl. Rn. 149 bis 151 des angefochtenen Urteils.


    121      Hervorhebung nur hier.


    122      Vgl. auch die entsprechenden Ausdrücke z. B. in der deutschen („für“), der griechischen („για λογαριασμό“), der spanischen („en nombre de“), der französischen („au nom d[e]“) und der italienischen („per conto di“) Fassung der Verordnung. Mit Betonung des Umstands, dass die Kommission offenbar im Rahmen einer Art Delegation der Befugnisse der jeweiligen nationalen Behörde handele, Cohen-Tanugi, C., u. a., La pratique communautaire du contrôle des concentrations, De Boeck Université, 1995, S. 56. Ebenso Sir Leon Brittan, a. a. O., siehe Fn. 65, S. 52.


    123      Hervorhebung nur hier. Diese Bestimmung wurde 1997 nur geringfügig geändert und dann durch die EU-Fusionskontrollverordnung aufgehoben, da sie mit der neuen Funktion in Form der einzigen Anlaufstelle des Art. 22 der EU-Fusionskontrollverordnung nicht mehr im Einklang stand. Vgl. Cook, J., Kerse, C., EC Fusion Control, 5. Aufl., Sweet&Maxwell, 2005, S. 343.


    124      Mit Betonung des Umstands, dass die begrenzten Befugnisse der Kommission einen begrenzten Anwendungsbereich für den Verweisungsmechanismus nach Art. 22 der EG-Fusionskontrollverordnung mit sich brachten, z. B. Cook, J., Kerse, C., EEC Merger Control – Regulation 4064/89, 1. Aufl., Sweet&Maxwell, 1991, S. 60 und 61.


    125      Für eine Änderung der EU-Fusionskontrollverordnung wäre nämlich normalerweise Einstimmigkeit erforderlich (wegen der Rechtsgrundlage in Art. 352 AEUV), wohingegen der Rat nach Art. 1 Abs. 5 der EU-Fusionskontrollverordnung die Schwellenwerte „mit qualifizierter Mehrheit“ ändern kann.


    126      Vgl. auch den neunten Erwägungsgrund der EU-Fusionskontrollverordnung, wonach „[d]ie Kommission … dem Rat über die Anwendung der Schwellenwerte und Kriterien Bericht erstatten [sollte], damit dieser sie … gemäß Artikel 202 des Vertrags regelmäßig anhand der gewonnenen Erfahrungen überprüfen kann. Hierzu ist es erforderlich, dass die Mitgliedstaaten der Kommission statistische Angaben übermitteln, auf deren Grundlage die Kommission ihre Berichte erstellen und etwaige Änderungen vorschlagen kann. Die Berichte und Vorschläge der Kommission sollten sich auf die von den Mitgliedstaaten regelmäßig übermittelten Angaben stützen.“ (Hervorhebung nur hier) Im Licht dieses Erwägungsgrundes ist meines Erachtens davon auszugehen, dass das vereinfachte Verfahren nach Art. 1 Abs. 4 und 5 der EU-Fusionskontrollverordnung jederzeit nach Vorlage des vor dem 1. Juli 2009 zu erstattenden Berichts angewendet werden kann. Anzuerkennen ist jedoch, dass der Wortlaut der Bestimmung Raum für Unklarheiten lässt, so dass der Eindruck entstehen könnte, dass das vereinfachte Verfahren nur auf nach Ergehen des Berichts von 2009 vorgeschlagene Änderungen anwendbar sei. Auch vom konkreten Wortlaut des neunten Erwägungsgrundes abgesehen, erscheint jedoch die Vorstellung, dass diese Bestimmung lediglich einmalig anwendbar sein sollte, unlogisch. Die Notwendigkeit einer Anpassung der Schwellenwerte verstärkt sich vielmehr mit weiterem Zeitablauf.


    127      Mit Betonung des temporären Charakters des Mechanismus Downes, T. A., Ellison, J., The legal control of mergers in the EC, Blackston, 1991, S. 63 bis 65.


    128      Sir Leon Brittan, a. a. O., siehe Fn. 65, S. 42: „Diese Bestimmung ist eng definiert; die Kommission könnte danach Fusionen, die den Schwellenwert nicht erreichen, nicht allgemein prüfen, selbst wenn sie geneigt wäre, auf diesem Weg den Sinn und Zweck der Bestimmung über den Schwellenwert zu umgehen“ (Hervorhebung nur hier). Vgl. auch ebd., „The Law and Policy of Merger Control in the EEC“, European Law Review, 1990, S. 245.


    129      Vgl. insbesondere den zehnten Erwägungsgrund der Verordnung von 1997 und die Erwägungsgründe 11, 12 und 14 der EU-Fusionskontrollverordnung.


    130      Wie in Rn. 142 des angefochtenen Urteils ausgeführt.


    131      Hervorhebung nur hier.


    132      Hervorhebung nur hier.


    133      Vgl. u. a. Urteil vom 4. März 2020, Marine Harvest/Kommission (C‑10/18 P, EU:C:2020:149, Rn. 108 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Urteil vom 12. Dezember 2012, Electrabel/Kommission (T‑332/09, EU:T:2012:672, Rn. 246).


    134      Dieser Erwägungsgrund lautete: „Diese Verordnung ist daher nicht nur auf Artikel 87, sondern vor allem auf Artikel 235 des Vertrages zu stützen, wonach sich die Gemeinschaft für die Verwirklichung ihrer Ziele zusätzliche Befugnisse geben kann, und zwar auch hinsichtlich der Zusammenschlüsse auf den Märkten für landwirtschaftliche Erzeugnisse im Sinne des Anhangs II des Vertrages.“


    135      Nach dieser Bestimmung „können die Mitgliedstaaten [unbeschadet der ausschließlichen Zuständigkeit der Kommission für die Prüfung von Fusionen, die in den Anwendungsbereich der EU-Fusionskontrollverordnung fallen,] geeignete Maßnahmen zum Schutz anderer berechtigter Interessen als derjenigen treffen, welche in dieser Verordnung berücksichtigt werden, sofern diese Interessen mit den allgemeinen Grundsätzen und den übrigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts vereinbar sind“.


    136      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. September 2017, Austria Asphalt (C‑248/16, EU:C:2017:643, Rn. 21). Vgl. auch Urteile vom 25. März 1999, Gencor/Kommission (T‑102/96, EU:T:1999:65, Rn. 314), und vom 22. September 2021, Altice Europe/Kommission  (T‑425/18, EU:T:2021:607, Rn. 299).


    137      Vgl. Urteil vom 22. Juni 2004, Portugal/Kommission (C‑42/01, EU:C:2004:379, Rn. 50), und achter Erwägungsgrund der EU-Fusionskontrollverordnung.


    138      Vgl. neunter Erwägungsgrund der EU-Fusionskontrollverordnung.


    139      Vgl. insbesondere Rn. 140 des angefochtenen Urteils.


    140      Hervorhebung nur hier. In der Tat wird auch im juristischen Schrifttum vertreten, dass die EG-Fusionskontrollverordnung ein Instrument sei, das mehrere Ziele verfolge, vgl. z. B. Navarro Varona u. a., Merger Control in the EU: Law, Economics and Practice, 1. Aufl., Oxford University Press, 2001, S. 1 bis 5.


    141      Vgl. die Verweise auf das Subsidiaritätsprinzip in den Erwägungsgründen 6, 8, 11 und 14. Vgl. auch achter Erwägungsgrund a. E.: „Unternehmenszusammenschlüsse, die nicht im Anwendungsbereich dieser Verordnung liegen, fallen grundsätzlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.“


    142      Vgl. die Verweise auf das Prinzip der einzigen Anlaufstelle in den Erwägungsgründen 8 und 11, auf die „ausschließliche Zuständigkeit“ der Kommission im 17. Erwägungsgrund und auf die sich daraus ergebenden Grenzen für das Handeln der Mitgliedstaaten im 18. und 19. Erwägungsgrund.


    143      Vgl. die Verweise auf die Effizienz in den Erwägungsgründen 14, 15 und 16, auf die Berechenbarkeit im 15. Erwägungsgrund und auf die Rechtssicherheit in den Erwägungsgründen 11, 25 und 34. Vgl. auch Grünbuch von 1996, Rn. 29. Vgl. im juristischen Schrifttum u. a. Blaise, J. B., „Concurrence – Contrôle des opérations de concentration“, Revue trimestrielle de droit européen, 1990, S. 743; und Venit, J., „The ‚merger‘ control regulation: Europe comes of age … or Caliban’s dinner“, Common Market Law Review, 1990, S. 44.


    144      Ebenso Whish, R., und Bailey, D., Competition Law, 8. Aufl., Oxford University Press, 2018, S. 832 und 833.


    145      Vgl. allgemein Irarrazabal Philippi, F., „Merger control procedure“, Global Dictionary of Competition Law, Concurrences, Art. Nr. 12342.


    146      Urteil vom 22. Juni 2004, Portugal/Kommission (C‑42/01, EU:C:2004:379, Rn. 51 und 53). Vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Cementbouw Handel & Industrie/Kommission (C‑202/06 P, EU:C:2007:255, Nr. 44).


    147      Vgl. Urteil vom 22. Juni 2004, Portugal/Kommission (C‑42/01, EU:C:2004:379, Rn. 50). Vgl. auch achter Erwägungsgrund („Unternehmenszusammenschlüsse, die nicht im Anwendungsbereich dieser Verordnung liegen, fallen grundsätzlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.“) und neunter Erwägungsgrund („Der Anwendungsbereich dieser Verordnung sollte … durch Schwellenwerte eingegrenzt werden, damit Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung erfasst werden können.“).


    148      Siehe oben, Nr. 141.


    149      Sir Leon Brittan, „Subsidiarity in the Constitution of the EC“, Robert Schuman Lecture, European University Institute, 1992, S. 12.


    150      Art. 5 Abs. 3 Unterabs. 1 EUV: „Nach dem Subsidiaritätsprinzip wird die Union … nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind.“


    151      Vgl. Durchführungsverordnung (EU) 2023/914 der Kommission vom 20. April 2023 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission (ABl. 2023, L 119, S. 22).


    152      Verordnung (EU) 2022/1925 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. September 2022 über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor und zur Änderung der Richtlinien (EU) 2019/1937 und (EU) 2020/1828 (Gesetz über digitale Märkte) (ABl. 2022, L 265, S. 1).


    153      Urteil vom 13. Juli 2023, Kommission/CK Telecoms UK Investments (C‑376/20 P, EU:C:2023:561, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    154      Wie überall in der Lehre hervorgehoben, vgl. z. B. Bushell, G., „Chapter II“, in Jones, C., und Weinert, L. (Hrsg.), EU Competition Law, Bd. II, Book One, Edward Elgar Publishing, 2021, S. 41.


    155      Vgl. jüngst Urteil vom 22. November 2022, Kommission/Rat (Beitritt zur Genfer Akte) (C‑24/20, EU:C:2022:911, Rn. 83).


    156      Dies gilt erst recht, wenn man, wie ich, der Ansicht ist, dass das vereinfachte Verfahren nach Art. 1 Abs. 4 und 5 der EU-Fusionskontrollverordnung auf die Änderung dieser Schwellenwerte weiter anwendbar ist. Siehe oben, Fn. 125 und 126.


    157      Vgl. unter vielen Urteil vom 24. November 1992, Poulsen und Diva Navigation (C‑286/90, EU:C:1992:453, Rn. 28).


    158      Urteile vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 40 bis 47), und vom 25. März 1999, Gencor/Kommission (T‑102/96, EU:T:1999:65, Rn. 243).


    159      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Darmon in den verbundenen Rechtssachen Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission (89/85, 104/85, 114/85, 116/85, 117/85 und 125/85 bis 129/85, EU:C:1988:258, Nr. 57).


    160      Vgl. z. B. zum Wettbewerbsrecht Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache InnoLux/Kommission (C‑231/14 P, EU:C:2015:292, Nrn. 39 bis 42) und des Generalanwalts Wahl in der Rechtssache Intel Corporation/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2016:788, Nrn. 283 und 300); sowie in anderem Zusammenhang Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Nikiforidis (C‑135/15, EU:C:2016:281, Nr. 88).


    161      Vgl. z. B. Art. I Abs. 2 Buchst. b und Art. IV des Abkommens zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Anwendung der „Positive Comity“-Grundsätze bei der Durchsetzung ihrer Wettbewerbsregeln vom 4. Juni 1998 (ABl. 1998, L 173, S. 28).


    162      Vgl. insbesondere Gutachten des Supreme Court der Vereinigten Staaten, F. Hoffmann-La Roche, Ltd./Empagran S.A. (124 S. Ct. 2359 [2004]).


    163      Vgl. u. a. Urteil vom 17. Dezember 2020, Centraal Israëlitisch Consistorie van België u. a. (C‑336/19, EU:C:2020:1031, Rn. 85). Zur Anwendung dieses Grundsatzes im vorliegenden Zusammenhang vgl. entsprechend Rn. 236 des angefochtenen Urteils.


    164      Wie von V. Korah angeführt, können eine Auseinandersetzung mit und die Einreichung von Informationen bei verschiedenen Behörden, in verschiedenen Sprachen, in verschiedener Form und innerhalb verschiedener – jedenfalls aber kurzer – Fristen für Unternehmen sehr teuer sein (vgl. An Introductory Guide to EC Competition Law and Practice, 8. Aufl., Hart, 2004, S. 356).


    165      Urteil vom 16. März 2023 (C‑449/21, EU:C:2023:207).


    166      Urteil vom 21. Dezember 2023 (C‑333/21, EU:C:2023:1011, Rn. 131).


    167      Vgl. entsprechend United States Department of Justice and the Federal Trade Commission, Horizontal Merger Guidelines, 2010, Abschnitt 6.4.


    168      Vgl. mit weiteren Nachweisen Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), „Disentangling Consummated Mergers: Experiences and Challenges [Erfahrungen und Herausforderungen bei der Rückabwicklung vollzogener Zusammenschlüsse]“, Competition Policy Roundtable Background Note, 2022.


    169      Vgl. hierzu z. B. Ginsburg, D. H., und Wong-Ervin, K. W., „Challenging Consummated Mergers Under Section 2“, Competition Policy International, Mai 2020.


    170      Richtlinie (EU) 2019/1 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts (ABl. 2019, L 11, S. 3). Zu dieser Richtlinie vgl. allgemein Arsenidou, E., „The ECN+ Directive“, in Dekeyser, K., u. a. (Hrsg.), Regulation 1/2003 and EU Antitrust Enforcement – A Systematic Guide, Wolters Kluwer, 2023, S. 143 bis 149.


    171      Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Towercast (C‑449/21, EU:C:2022:777, Nr. 63).


    172      Zu einstweiligen Maßnahmen vgl. kürzlich OECD, „Interim Measures in Antitrust Investigations [Einstweilige Maßnahmen in Kartellermittlungen]“, Competition Policy Roundtable Background Note, 2022.


    173      Vgl. z. B. Urteil vom 28. Oktober 2022, Generalstaatsanwaltschaft München (Auslieferung und ne bis in idem) (C‑435/22 PPU, EU:C:2022:852, Rn. 119 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    174      Urteil vom 3. April 2003, Royal Philips Electronics/Kommission (T‑119/02, EU:T:2003:101, Rn. 354).


    175      Vgl. Rn. 182 des angefochtenen Urteils. Die Bedeutung dieser Passage ist meines Erachtens eher unklar.


    176      Vgl. hierzu Rn. 203 des angefochtenen Urteils.


    177      Vgl. hierzu Rn. 199 des angefochtenen Urteils.


    178      Vgl. mit weiteren Nachweisen meine Schlussanträge in der Rechtssache HSBC Holdings u. a./Kommission (C‑883/19 P, EU:C:2022:384, Nrn. 38 bis 59).


    179      Vgl. hierzu Rn. 221 des angefochtenen Urteils.


    180      Vgl. hierzu Rn. 226 des angefochtenen Urteils.


    181      Vgl. entsprechend die in Rn. 240 des angefochtenen Urteils angeführte Rechtsprechung der Unionsgerichte.


    182      Insbesondere ist schwer nachvollziehbar, warum die Kontaktaufnahme zu den Rechtsmittelführerinnen durch die Kommission sowie die anschließende Unterrichtung der Rechtsmittelführerinnen über die Bedenken der Kommission erst drei Monate nach Eingang einer die Fusion betreffenden Beschwerde bei der Kommission erfolgte, obwohl die Kommission – in diesem gesamten Zeitraum – in vielfachem Austausch mit dem Beschwerdeführer, verschiedenen nationalen Wettbewerbsbehörden, Behörden anderer Mitgliedstaaten sowie der Competition and Markets Authority stand.


    183      Rede mit dem Titel „The Future of EU Merger Control [Die Zukunft der Fusionskontrolle der [Union]]“, gehalten im Rahmen der 24. Jahreskonferenz zum Wettbewerb des Internationalen Rechtsanwaltsverbands am 11. September 2020.


    184      Vgl. hierzu Rn. 260 des angefochtenen Urteils.


    185      Vgl. hierzu Rn. 261 des angefochtenen Urteils.


    186      Vgl. z. B. Urteile vom 20. Mai 2021, Riigi Tugiteenuste Keskus (C‑6/20, EU:C:2021:402, Rn. 49), und vom 31. März 2022, Smetna palata na Republika Bulgaria (C‑195/21, EU:C:2022:239, Rn. 65).


    187      Vgl. hierzu Rn. 62 des angefochtenen Urteils.


    188      Vgl. hierzu Rn. 79 und 80 des angefochtenen Urteils.

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