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Document 62022CC0399

Schlussanträge der Generalanwältin T. Ćapeta vom 21. März 2024.


Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2024:262

 SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

TAMARA ĆAPETA

vom 21. März 2024 ( 1 )

Rechtssache C‑399/22

Confédération paysanne

gegen

Ministère de l’Agriculture et de la Souveraineté alimentaire,

Ministère de l’Économie, des Finances et de la Souveraineté industrielle et numérique

(Vorabentscheidungsersuchen des Conseil d’État [Staatsrat, Frankreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Information der Verbraucher über Lebensmittel – Anforderungen an die Angabe des Ursprungslands – In der Westsahara geerntetes Obst und Gemüse – Befugnis der Mitgliedstaaten, die Einfuhr von Erzeugnissen, die keine zutreffende Angabe des ‚Ursprungslands‘ aufweisen, einseitig zu verbieten“

I. Einleitung

1.

„Das Gebiet der Westsahara gehört nicht zum Königreich Marokko; folglich verstößt eine Kennzeichnung mit der Angabe Marokkos als Ursprung dieser Waren gegen die Anforderungen der Union an die Kennzeichnung von Lebensmitteln.“

2.

Dies ist kurz gesagt das Vorbringen der Klägerin vor dem vorlegenden Gericht. Die Klägerin ersuchte deswegen das Ministère de l’agriculture et de la souveraineté alimentaire (Ministerium für Landwirtschaft und Nahrungsmittelsouveränität, Frankreich) und das Ministère de l’économie, des finances et de la souveraineté industrielle et numérique (Ministerium für Wirtschaft, Finanzen und industrielle und digitale Souveränität, Frankreich) (im Folgenden: Ministerien), die Einfuhr von Kirschtomaten und Charentais-Melonen (im Folgenden: betreffende Erzeugnisse) mit Ursprung im Gebiet der Westsahara, die als Ursprungserzeugnisse des Königreichs Marokko gekennzeichnet sind, zu verbieten.

3.

Der Rechtsstreit wirft zwei verschiedene Fragen auf.

4.

Die erste Frage geht dahin, ob die Mitgliedstaaten im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik einseitig die Einfuhr bestimmter Waren aus Drittländern verbieten können. Auch wenn die Frage nicht neu ist, ist sie angesichts der unlängst von Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen gegen Einfuhren aus der Ukraine gewiss von weiter reichender Aktualität ( 2 ).

5.

Die zweite zu klärende Frage betrifft die Kennzeichnung von Lebensmitteln mit Ursprung im Gebiet der Westsahara. Hier stellt sich die Frage, ob diese Erzeugnisse als Ursprungserzeugnisse des Königreichs Marokko vermarktet werden können. Diese Frage kann vor dem Hintergrund der Urteile Rat/Front Polisario ( 3 ) und Western Sahara Campaign UK ( 4 ) gesehen werden, in denen der Gerichtshof den gesonderten territorialen Status des Gebiets der Westsahara anerkannt hat ( 5 ).

II. Rechtlicher und tatsächlicher Kontext der vorliegenden Rechtssache und der zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen

6.

Die Westsahara ist ein Gebiet im Nordwesten von Afrika, das im 19. Jahrhundert vom Königreich Spanien kolonisiert wurde. 1963 wurde dieses Gebiet von den Vereinten Nationen im Rahmen des Prozesses der Entkolonisierung in die Liste der Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung aufgenommen ( 6 ), auf der es bis heute steht.

7.

Der Prozess der Entkolonisierung wurde (noch) nicht zu Ende gebracht, und die Westsahara bleibt das einzige Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung in Afrika. Spanien verzichtete 1976 auf seine Verantwortlichkeit als koloniale Verwaltungsmacht. Seitdem besteht um das Gebiet ein – auch militärisch ausgetragener – Konflikt zwischen dem Königreich Marokko, das ungefähr 80 % des Gebiets der Westsahara kontrolliert und die Hoheitsgewalt über das gesamte Gebiet beansprucht, und dem Front Populaire pour la libération de la saguia-el-hamra et du rio de oro (im Folgenden: Front Polisario), der das übrige Gebiet der Westsahara kontrolliert und den Anspruch erhebt, das Volk der Sahrauis zu vertreten. Dem Volk der Sahrauis wurde vom Internationalen Gerichtshof in dessen Gutachten über die Westsahara das Recht auf Selbstbestimmung zuerkannt ( 7 ).

8.

Der Konflikt in der Westsahara ist für den Gerichtshof nicht neu. In Anerkennung der sich aus dem Selbstbestimmungsrecht ergebenden Bindung, der die Union bei ihrer Gestaltung auswärtiger Beziehungen unterliegt, hat der Gerichtshof in den Urteilen Rat/Front Polisario und Western Sahara Campaign UK entschieden, dass das Gebiet der Westsahara einen gesonderten und unterschiedlichen Status gegenüber jedem Staat einschließlich dem Königreich Marokko hat ( 8 ).

9.

Auf dieser Grundlage hat der Gerichtshof das Assoziierungsabkommen und das partnerschaftliche Fischereiabkommen ( 9 ), dessen räumliche Geltung auf das „Gebiet des Königreichs Marokko“ bzw. auf die „Gewässer unter der Hoheit oder der Gerichtsbarkeit Marokkos“ beschränkt war, dahin ausgelegt, dass sie nicht das Gebiet der Westsahara oder die daran angrenzenden Gewässer umfassten ( 10 ).

10.

Der Rat beauftragte die Kommission, sich nach den Urteilen des Gerichtshofs in den Rechtssachen Rat/Front Polisario und Western Sahara Campaign UK zu richten ( 11 ). Das Ergebnis der anschließenden Verhandlungen mit dem Königreich Marokko spiegelt sich zum einen in einem Abkommen zur Ausdehnung der Zollpräferenzen auf Waren mit Ursprung im Gebiet der Westsahara ( 12 ) und zum anderen im Protokoll über ein Abkommen über nachhaltige Fischerei in den an die Westsahara angrenzenden Gewässern ( 13 ) wider.

11.

Der Front Polisario focht die Beschlüsse an, mit denen diese Abkommen genehmigt wurden. Die Rechtsmittel gegen die Urteile des Gerichts, mit denen diese Beschlüsse für nichtig erklärt worden sind ( 14 ), sind beim Gerichtshof anhängig. Parallel zu den vorliegenden Schlussanträgen werde ich heute auch meine Schlussanträge zu diesen beiden Gruppen von Rechtsmitteln stellen ( 15 ). Unabhängig davon, ob der Gerichtshof meinen Schlussanträgen in diesen Rechtssachen folgen wird, wird sich deren Ausgang jedoch nicht auf die Entscheidung in der vorliegenden Rechtssache auswirken.

12.

In der vorliegenden Rechtssache ist die Confédération paysanne, ein französischer Landwirtschaftsverband, die Klägerin des Ausgangsverfahrens vor dem vorlegenden Gericht. Sie beantragte bei den Ministerien ein Einfuhrverbot für die im Gebiet der Westsahara geernteten Erzeugnisse. Diese Erzeugnisse werden in Frankreich mit einer Kennzeichnung eingeführt und vermarktet, in der das Königreich Marokko als Ursprungsland angegeben ist ( 16 ). Nach Ansicht der Klägerin verstößt dies gegen die Anforderungen der Union an die Kennzeichnung von Lebensmitteln, wonach das wahre Ursprungsland eines Erzeugnisses obligatorisch anzugeben sei. Die betreffenden Erzeugnisse würden nach Frankreich mit der falschen Angabe des Königreichs Marokko statt des Gebiets der Westsahara als Ursprungsland eingeführt. Ihre Einfuhr sollte deshalb verboten werden.

13.

Da die Klägerin davon ausging, dass die Ministerien diesen Antrag stillschweigend abgelehnt hätten, erhob sie Klage beim Conseil d’État (Staatsrat).

14.

Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist nach den geltenden Bestimmungen das Ursprungsland oder ‑gebiet eines Lebensmittels anzugeben. Diese Anforderung, die Bestandteil der Vermarktung von Lebensmitteln sei, müsse grundsätzlich im Zeitpunkt der Einfuhr erfüllt sein. Allerdings seien die Mitgliedstaaten nach den anwendbaren Verordnungen nicht ausdrücklich befugt, Maßnahmen zum Verbot der Einfuhr von Erzeugnissen zu erlassen, die dieser Anforderung an die Ursprungskennzeichnung nicht genügten. Außerdem stelle sich im Licht der Urteile des Gerichtshofs in den Rechtssachen Rat/Front Polisario und Western Sahara Campaign UK die Frage, ob die Unionsvorschriften über die Kennzeichnung von Lebensmitteln dahin auszulegen seien, dass Erzeugnisse mit Ursprung im Gebiet der Westsahara nicht auf das Königreich Marokko als Ursprungsland Bezug nehmen könnten, sondern stattdessen auf das Gebiet der Westsahara hinzuweisen hätten.

15.

Unter diesen Umständen hat der Conseil d’État (Staatsrat) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Sind die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1169/2011, der Verordnung Nr. 1308/2013, der Durchführungsverordnung Nr. 543/2011 und der Verordnung Nr. 952/2013 dahin auszulegen, dass sie einen Mitgliedstaat ermächtigen, eine nationale Maßnahme zu erlassen, mit der Einfuhren von Obst und Gemüse aus einem bestimmten Land verboten werden, die gegen Art. 26 der Verordnung Nr. 1169/2011 und Art. 76 der Verordnung Nr. 1308/2013 verstoßen, weil ihr tatsächliches Ursprungsland oder ihr tatsächliches Herkunftsgebiet nicht angegeben ist, insbesondere wenn es sich hierbei um massive Verstöße handelt, die schwer zu überprüfen sind, sobald die Erzeugnisse in das Unionsgebiet gelangt sind?

2.

Falls die erste Frage bejaht wird: Ist das durch den Beschluss des Rates vom 28. Januar 2019 genehmigte Abkommen in Form eines Briefwechsels zur Änderung der Protokolle Nr. 1 und Nr. 4 des Europa-Mittelmeer-Abkommens vom 26. Februar 1996 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Marokko andererseits dahin auszulegen, dass für die Anwendung der Art. 9 und 26 der Verordnung Nr. 1169/2011 und von Art. 76 der Verordnung Nr. 1308/2011 zum einen Marokko das Ursprungsland von Obst und Gemüse ist, das im Gebiet der Westsahara geerntet wurde, und zum anderen die marokkanischen Behörden für die Ausstellung der in der Verordnung Nr. 543/2011 vorgesehenen Konformitätsbescheinigungen für das in diesem Gebiet geerntete Obst und Gemüse zuständig sind?

3.

Falls die zweite Frage bejaht wird: Ist der Beschluss des Rates vom 28. Januar 2019, mit dem dieses Abkommen in Form eines Briefwechsels genehmigt wurde, mit Art. 3 Abs. 5 und Art. 21 EUV sowie mit dem u. a. in Art. 1 der Charta der Vereinten Nationen erwähnten gewohnheitsrechtlichen Grundsatz der Selbstbestimmung vereinbar?

4.

Sind die Art. 9 und 26 der Verordnung Nr. 1169/2011 und Art. 76 der Verordnung Nr. 1308/2011 dahin auszulegen, dass auf der Stufe der Einfuhr sowie des Verkaufs an den Verbraucher auf der Verpackung von Obst und Gemüse, das im Gebiet der Westsahara geerntet wurde, nicht Marokko als Ursprungsland genannt werden darf, sondern das Gebiet der Westsahara anzugeben ist?

16.

Die Confédération paysanne, die französische Regierung, der Rat und die Kommission haben schriftliche Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht. Diese Beteiligten haben in der Sitzung vom 24. Oktober 2023 auch mündliche Ausführungen gemacht.

III. Würdigung

17.

Wie oben dargelegt, fällt die Behandlung des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens mit derjenigen von zwei Gruppen von Rechtsmitteln zusammen, zu denen ich ebenfalls heute meine Schlussanträge stelle ( 17 ). Dabei wird die Frage aufgeworfen, ob die Präferenzbehandlung, die u. a. den aus dem Gebiet der Westsahara in die Union eingeführten Erzeugnissen gewährt wird, berechtigt ist ( 18 ).

18.

Unabhängig vom Ergebnis dieser Rechtsmittel bleiben die beiden Fragen, auf die ich meine Prüfung auf Bitten des Gerichtshofs konzentriere – die Vorlagefragen 1 und 4 –, relevant ( 19 ).

19.

Ich werde mich diesen beiden Fragen der Reihe nach zuwenden. Hinsichtlich der ersten Frage werde ich beurteilen, ob die Mitgliedstaaten nach dem Unionsrecht befugt sind, einseitig die Einfuhr von bestimmten, angeblich nicht mit dem richtigen Ursprungsland gekennzeichneten Waren in die Union zu verbieten ( 20 ). Was die vierte Vorlagefrage anbelangt, werde ich prüfen, ob für die betreffenden Erzeugnisse die Westsahara als Ursprungsland angeben werden müsste und ob für sie auch das Königreich Marokko als Ursprungsland angeben werden kann.

A. Zur ersten Frage

1.   Umformulierung der Frage

20.

Bevor ich inhaltlich auf die erste Frage eingehe, halte ich deren Umformulierung für erforderlich. Das vorlegende Gericht erläutert nämlich das Bedürfnis einer Anleitung zur ersten Frage unter Bezugnahme auf die Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel ( 21 ), die Verordnung über landwirtschaftliche Erzeugnisse ( 22 ), die Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse ( 23 ) und den Zollkodex der Union ( 24 ) als mögliche Rechtsgrundlagen für das von der Klägerin begehrte einseitige Einfuhrverbot.

21.

Das Einfuhrverbot für bestimmte Erzeugnisse ist eine politische Maßnahme zur Regelung des Warenhandels ( 25 ), eine Materie, die nach Art. 207 Abs. 1 AEUV in den Bereich der gemeinsamen Handelspolitik fällt. Allerdings erläutert das vorlegende Gericht in seinem Vorabentscheidungsersuchen, dass die von der Klägerin beantragte Maßnahme kein Verbot des Verkaufs oder der Vermarktung der betreffenden Erzeugnisse in Frankreich betreffe. Vielmehr habe die Klägerin die französischen Behörden darum ersucht, wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Anforderungen der Union an die Kennzeichnung von Lebensmitteln einseitig ein Einfuhrverbot für diese Erzeugnisse mit Ursprung in der Westsahara zu verhängen.

22.

Da es sich bei der gemeinsamen Handelspolitik um eine ausschließliche Unionspolitik handelt ( 26 ), ist Frankreich nicht befugt, ein Einfuhrverbot zu verhängen, sofern es nicht von der Union dazu ermächtigt oder darum ersucht wird.

23.

Mit Ausnahme des Zollkodex der Union betreffen alle anderen vom vorlegenden Gericht genannten Verordnungen die Kennzeichnung von Lebensmitteln auf dem Unionsmarkt. Außerdem sind diese Verordnungen, wiederum mit Ausnahme des Zollkodex der Union, nicht auf der Grundlage der Vertragsbestimmungen über den Handel mit Drittländern und die gemeinsame Handelspolitik (Art. 206 oder 207 AEUV) erlassen worden. Stattdessen sind sie auf der Grundlage der Artikel ergangen, die die Landwirtschaft (Art. 43 AEUV) und den Binnenmarkt (Art. 114 AEUV) regeln.

24.

Da die Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel, die Verordnung über landwirtschaftliche Erzeugnisse und die Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse nicht den Handel mit Drittländern regeln, kann Frankreich durch sie nicht zum Erlass der beantragten Maßnahme ermächtigt sein. Jedenfalls verfügen die Mitgliedstaaten nach keiner dieser Verordnungen über die Befugnis, die Einfuhr nicht konformer Erzeugnisse einseitig zu verbieten ( 27 ).

25.

Um dem vorlegenden Gericht eine zweckdienliche Antwort zu geben, schlage ich daher vor, die erste Frage dahin umzuformulieren, ob ein Mitgliedstaat nach dem Unionsrecht, insbesondere nach dem Zollkodex der Union, befugt ist, eine nationale Maßnahme zum Verbot der Einfuhr von Obst und Gemüse zu erlassen, das keine Kennzeichnung mit dem richtigen Ursprungsland aufweist.

2.   Beurteilung

26.

Wie ich in Nr. 21 der vorliegenden Schlussanträge erläutert habe, fällt der Warenhandel unter die gemeinsame Handelspolitik. Für diese Politik müssen einheitliche Grundsätze gelten ( 28 ).

27.

Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. e AEUV hat die Union ausschließliche Zuständigkeit in der gemeinsamen Handelspolitik. Dies bedeutet, dass nur die Union in Bezug auf den Warenverkehr mit Drittländern gesetzgeberisch tätig werden und verbindliche Rechtsakte erlassen kann ( 29 ).

28.

Diese Zuständigkeitsverteilung hat zur Folge, dass die Mitgliedstaaten davon ausgeschlossen sind, auf dem Gebiet des internationalen Handels tätig zu werden, sofern sie nicht von der Union speziell hierzu ermächtigt werden oder Unionsrechtsakte durchführen.

29.

Vor dem Gerichtshof geht es daher um die Frage, ob das primäre oder sekundäre Unionsrecht den Mitgliedstaaten eigenständige Befugnisse verleiht, um die Art von einseitiger Maßnahme einzuführen, die von der Klägerin begehrt wird.

30.

Auf der Ebene des primären Unionsrechts ist dies zu verneinen. Die Verträge enthalten keine Bestimmung, die die Mitgliedstaaten ermächtigt, einseitige Maßnahmen zu ergreifen, mit denen der Handel mit einem Drittstaat oder Drittgebiet beschränkt oder ausgesetzt wird ( 30 ).

31.

Die Logik hinter diesem Ansatz liegt meines Erachtens in erster Linie in der Gefahr einer Verfälschung der Zuständigkeiten der Union und ihrer Organe, wie sie im Vertrag vorgesehen sind ( 31 ).

32.

Zum anderen würden solche Maßnahmen die Einheitlichkeit der Außenhandelspolitik der Union gefährden und damit gegen eines der Grundprinzipien verstoßen, auf denen die gemeinsame Handelspolitik beruht ( 32 ).

33.

Schließlich besteht über das äußere Erscheinungsbild der Union als zuverlässiger Handelspartner hinaus die Gefahr, vor dem WTO-Streitbeilegungsgremium haftbar gemacht zu werden ( 33 ).

34.

Auf der Ebene des abgeleiteten Unionsrechts ist die Antwort differenzierter.

35.

Es gibt zumindest einen Präzedenzfall für die Umstände, unter denen die Union den Mitgliedstaaten gestattet, unter bestimmten Voraussetzungen spezifische einzelstaatliche Maßnahmen beizubehalten, die streng genommen die Zuständigkeitsverteilung im Rahmen der gemeinsamen Handelspolitik beeinträchtigen ( 34 ). Dies ist jedoch selten.

36.

Üblicher sind spezifische Instrumente, die es der Union ermöglichen, bestimmte Schutzmaßnahmen in Bezug auf den Handel mit Drittstaaten oder Drittgebieten zu erlassen ( 35 ). In diesen Fällen kann die Union bestimmte Maßnahmen einführen, um die Abfertigung zum freien Verkehr von nicht aus der Union stammenden Erzeugnissen im Zollgebiet der Union und, falls erforderlich ( 36 ), nur in einem Teil desselben zu regeln ( 37 ).

37.

Zwar enthalten, wie die französische Regierung geltend macht, sowohl die Grundverordnung als auch der Zollkodex der Union Bestimmungen, die den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumen, in Ausnahmefällen einseitige Handelsmaßnahmen einzuführen. So heißt es in Art. 24 Abs. 2 Buchst. a der Einfuhrgrundverordnung, dass „diese Verordnung dem Erlass oder der Anwendung … einzelstaatlicher Maßnahmen [wie] Verboten, mengenmäßige[n] Beschränkungen oder Überwachungsmaßnahmen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit [sowie] der öffentlichen Sicherheit und Ordnung … gerechtfertigt sind“, nicht entgegensteht. Ähnlich können nach Art. 134 Abs. 1 des Zollkodex der Union „Waren, die in das Zollgebiet der Union verbracht werden, … Zollkontrollen unterzogen werden“ und „gegebenenfalls Verboten und Beschränkungen [unterliegen], die … aus … Gründen [der] Aufrechterhaltung der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung oder Sicherheit [gerechtfertigt sein können]“.

38.

Es ist jedoch festzustellen, dass diese Bestimmungen des abgeleiteten Unionsrechts keine dauerhafte Ermächtigung zur einseitigen Einführung von Maßnahmen zur Aussetzung von Einfuhren wegen angeblicher Verstöße gegen die Anforderungen der Union an die Kennzeichnung von Lebensmitteln darstellen.

39.

Erstens muss die Art von Maßnahmen, die nach Art. 24 Abs. 2 Buchst. a der Einfuhrgrundverordnung in Betracht kommen, erga omnes angewandt werden, soweit sie gegen WTO-Mitglieder gerichtet sind, und somit alle Einfuhren des betreffenden Erzeugnisses, gleich welchen Ursprungs, betreffen ( 38 ). Die Art von Maßnahme, um die Frankreich nur gegen Erzeugnisse mit Ursprung in dem der WTO angehörenden Königreich Marokko ersucht wird, kann daher nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen.

40.

Außerdem müssen die in Art. 24 Abs. 2 Buchst. a der Einfuhrgrundverordnung vorgesehenen Maßnahmen u. a. „aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ angeordnet worden sein. Diese Bestimmung ermöglicht somit einen Eingriff in den freien Handelsverkehr ( 39 ) aus spezifischen Gründen des Allgemeininteresses, die mit den in Art. 36 AEUV genannten vergleichbar sind ( 40 ).

41.

Ich schließe nicht aus, dass insbesondere der Begriff „öffentliche Sittlichkeit“, der sich auf die Überzeugungen einer bestimmten Gemeinschaft von richtig und falsch bezieht, eine unrichtige oder irreführende Kennzeichnung von Lebensmitteln erfassen kann.

42.

Im Hinblick darauf, dass die in Art. 24 Abs. 2 Buchst. a der Einfuhrgrundverordnung genannten Arten von Ausnahmen eng auszulegen sind ( 41 ), bin ich jedoch nicht überzeugt, dass ein Verstoß gegen die harmonisierten Vermarktungsnormen der Union einen Grund dafür darstellen könnte, die Einfuhr einer bestimmten Art von Erzeugnis in einen einzelnen Mitgliedstaat zu beschränken.

43.

Wie die französische Regierung ausgeführt hat, ist nämlich klar, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Liberalisierung der Einfuhren von Waren aus Drittländern durch die Grundverordnung und den Zollkodex der Union auch eine Liberalisierung der darauffolgenden Vermarktung dieser Einfuhren bezweckt oder bewirkt.

44.

Dies ist nur folgerichtig, da im Lebenszyklus eines zum Verkauf auf dem Unionsmarkt eingeführten Erzeugnisses die Stufe der Einfuhr vor der Stufe der Vermarktung liegt.

45.

Zugegeben, diese beide Stufen mögen einander „notwendig ergänzen“ ( 42 ).

46.

Die erfolgreiche Zollabfertigung eines Erzeugnisses schließt jedoch nicht zwangsläufig die Einhaltung der Vorschriften über die Kennzeichnung für den Verbraucher ein und umgekehrt: „So wie eine rechtmäßig in der Gemeinschaft hergestellte Ware nicht allein aus diesem Grund in den Verkehr gebracht werden kann, beinhaltet die rechtmäßige Einfuhr einer Ware nicht, dass sie automatisch auf dem Markt zugelassen ist“, wie der Gerichtshof im Urteil Expo Casa Manta festgestellt hat ( 43 ).

47.

Aber selbst wenn (zu Unrecht) angenommen würde, dass die Zollabfertigung eines Erzeugnisses die Einhaltung der Vorschriften über die Kennzeichnung für den Verbraucher einschließe, ginge die von der Klägerin ins Auge gefasste Maßnahme jedenfalls ins Leere, da die betreffenden Erzeugnisse, wenn sie durch andere Mitgliedstaaten eingeführt würden, immer noch an den französischen Verbraucher vertrieben werden könnten.

48.

In diesem Zusammenhang halte ich es nicht für gerechtfertigt, dass sich ein Mitgliedstaat auf den Grund der öffentlichen Sittlichkeit berufen kann, um unter dem Vorwand der Abstellung eines angeblichen Verstoßes gegen die harmonisierten Vermarktungsnormen der Union einseitig die Einfuhr bestimmter Erzeugnisse aus Drittstaaten zu beschränken (und damit den Verkehr dieses Erzeugnisses innerhalb der Union zu unterbrechen).

49.

Zweitens stellt die zollamtliche Überwachung nach Art. 134 Abs. 1 des Zollkodex der Union keine eigenständige Ermächtigungsgrundlage dar, die die Mitgliedstaaten berechtigt, u. a. Einfuhrverbote für bestimmte Erzeugnisse einzuführen.

50.

Der Begriff der zollamtlichen Überwachung bezieht sich vielmehr auf einen bestimmten zollrechtlichen Status in die Union eingeführter Waren. Auf der Grundlage dieses Status führen die nationalen Zollbehörden sodann Zollkontrollen durch ( 44 ). Diese Kontrollen umfassen die Überprüfung der Behandlung der betreffenden Waren (z. B. ihre Zollpräferenzbehandlung) und die Einhaltung der dem betreffenden Einführer auferlegten Verpflichtungen (z. B. Zahlung von Zöllen und Einfuhrabgaben).

51.

Außerdem muss die Art der in der zollamtlichen Überwachung kontrollierten Maßnahme selbst im Unionsrecht oder im mitgliedstaatlichen Durchführungsrecht festgelegt sein. Auf diese Arten von Verboten und Beschränkungen wird in Art. 134 Abs. 1 Satz 2 Bezug genommen ( 45 ).

52.

In der vorliegenden Rechtssache weist die Klägerin jedoch auf keine Bestimmung des Unionsrechts oder des Rechts eines Mitgliedstaats hin, nach der Frankreich zum Erlass der bei den Ministerien beantragten Maßnahmen ermächtigt wäre ( 46 ).

53.

Somit kann weder der Zollkodex der Union noch die Einfuhrgrundverordnung selbst herangezogen werden, um die französische Regierung zu ermächtigen, ein einseitiges Einfuhrverbot für bestimmte Erzeugnisse mit Ursprung im Gebiet der Westsahara aufzustellen, weil nicht das korrekte Ursprungsland angegeben wird.

54.

Ich schlage daher dem Gerichtshof vor, die erste Frage zu verneinen.

B. Zur vierten Frage

55.

Mit der vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen in Erfahrung bringen, ob die einschlägigen Vorschriften über die Kennzeichnung von Lebensmitteln in der Union dahin auszulegen sind, dass auf den Stufen der Einfuhr und des Verkaufs an den Verbraucher auf der Verpackung von Obst und Gemüse, das im Gebiet der Westsahara geerntet wurde, nicht Marokko als Ursprungsland genannt werden darf, sondern das Gebiet der Westsahara anzugeben ist.

1.   Zur Zulässigkeit

56.

In ihren beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen bezweifeln sowohl die französische Regierung als auch die Kommission die Zulässigkeit dieser Frage. Beide machen geltend, die Entscheidung des beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreits beschränke sich auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der stillschweigenden Entscheidung der Ministerien, Einfuhren der betreffenden Erzeugnisse aus dem Gebiet der Westsahara nicht einseitig zu verbieten. Zur Entscheidung dieses Rechtsstreits brauche daher nicht die Frage beantwortet zu werden, ob bei den aus der Westsahara eingeführten Erzeugnissen dieses Gebiet als Ursprung anzugeben sei.

57.

Meines Erachtens geht aus dem Ersuchen des vorlegenden Gerichts nicht klar hervor, dass eine Auslegung der Vorschriften über die Kennzeichnung von Lebensmitteln in der Union für die betreffenden Erzeugnisse in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht.

58.

Art. 267 AEUV sieht das Verfahren eines unmittelbaren Zusammenwirkens des Gerichtshofs mit den Gerichten der Mitgliedstaaten vor ( 47 ). Im Rahmen dieses Verfahrens, das auf einer klaren Aufgabentrennung beruht, bestimmt das nationale Gericht die Elemente des Unionsrechts, die es für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits benötigt, da allein dieses Gericht die Verantwortung für die zu fällende Entscheidung zu tragen hat ( 48 ). Da für die vom nationalen Gericht vorgelegten Fragen somit eine Vermutung der Entscheidungserheblichkeit spricht, ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über sie zu befinden ( 49 ).

59.

Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind ( 50 ).

60.

Auch wenn in der vorliegenden Rechtssache in der ersten Frage nur auf das Einfuhrverbot Bezug genommen wird, ist nicht klar, dass die beim vorlegenden Gericht beantragte Maßnahme nicht sowohl die Stufe der Einfuhr der betreffenden Erzeugnisse als auch ihre Vermarktung bei den französischen Verbrauchern erfassen sollte. Die vierte Frage ist im Vorlagebeschluss ebenfalls so formuliert, dass sie sich auf diese beiden Stufen bezieht.

61.

Obwohl ich der Ansicht bin, dass die beiden Stufen nicht miteinander verschmelzen können (siehe auch Nr. 44 der vorliegenden Schlussanträge), ist klar, dass sich der Antrag der Klägerin, ob er nun begründet ist oder nicht, auch auf die Erfüllung der Anforderungen der Union an die Kennzeichnung von Lebensmitteln für die betreffenden Erzeugnisse bezieht. Daher scheint dieser Gesichtspunkt für das vorlegende Gericht bei der Erfüllung seiner Aufgabe, über die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden stillschweigenden Entscheidung zu befinden, zweckdienlich zu sein. Außerdem geht das vorlegende Gericht davon aus, dass es nach nationalem Recht befugt sei, die von der Klägerin beantragte Maßnahme von Amts wegen anzuordnen, ohne dass es die Sachverhalte, bei denen diese Maßnahme angeordnet werden kann, tatbestandlich präzisiert. Auch aus diesem Grund hält es das vorlegende Gericht für erforderlich, die Begründetheit des Klagevorbringens, das die mit der vierten Frage aufgeworfenen Streitfragen umfasst, zu beurteilen.

62.

Die vierte Frage ist daher zulässig.

2.   Zur Beantwortung der Frage

63.

Die vierte Frage ist dahin gehend formuliert, ob nach dem Unionsrecht für die richtige Kennzeichnung der betreffenden Erzeugnisse sowohl negative als auch positive Pflichten bestehen, wenn sie ihren Ursprung im Gebiet der Westsahara haben. Das vorlegende Gericht möchte in Erfahrung bringen, ob nach den Anforderungen der Union an die Kennzeichnung von Lebensmitteln eine Kennzeichnung verboten ist, die das Königreich Marokko als Ursprungsland ausweist, und ob stattdessen die Angabe des Gebiets der Westsahara als Ursprungsland zwingend erforderlich ist.

64.

Mein Vorschlag lautet, dass es nach den einschlägigen Unionsbestimmungen über die Kennzeichnung von Lebensmitteln tatsächlich zwingend erforderlich ist, dass bei Erzeugnissen mit Ursprung im Gebiet der Westsahara dieses Gebiet als Ursprungsland angegeben wird (positive Verpflichtung), unter Ausschluss von Bezugnahmen auf andere Gebiete (Negativverpflichtung). Bei diesen Erzeugnissen darf daher nicht auf das Königreich Marokko Bezug genommen werden.

65.

Die Prüfung, die mich zu diesem Ergebnis führen wird, ist wie folgt gegliedert: Ich werde zuerst dartun, dass nach den allgemeinen und/oder speziellen Vorschriften über die Kennzeichnung von Lebensmitteln in der Union, wie sie für die betreffenden Erzeugnisse gelten, in erster Linie die Angabe des Ursprungslands zwingend erforderlich ist (a). Sodann werde ich klarstellen, dass das Gebiet der Westsahara als Ursprungsland im Sinne dieser Vorschriften gelten kann (b). Anschließend werde ich erläutern, weshalb die Gefahr besteht, dass Verbraucher in der Union bei ihrer Auswahl irregeführt werden könnten, wenn nicht die Westsahara als Ursprungsland der betreffenden Erzeugnisse angegeben ist (c). Schließlich werde ich prüfen, ob nach den Vorschriften der Union über die Kennzeichnung von Lebensmitteln eine zusätzliche Bezugnahme auf das Königreich Marokko verboten ist (d).

a)   Das für die Kennzeichnung von Lebensmitteln in der Union geltende Recht

1) Allgemeine Vorschriften für Lebensmittel

66.

Die Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel soll die Verbraucher mit „korrekten, neutralen und objektiven“ Informationen in die Lage versetzen, „eine fundierte Wahl“ bezüglich der von ihnen verzehrten Lebensmittel zu treffen ( 51 ), und alle Praktiken verhindern, die geeignet sind, die Verbraucher irrezuführen ( 52 ). Zu diesem Zweck ordnet sie eine „klare, verständliche und lesbare Kennzeichnung von Lebensmitteln“ an ( 53 ).

67.

Zu den Informationen, die dem Verbraucher (im Allgemeinen) zur Verfügung zu stellen sind, gehört das „Ursprungsland“ oder der „Herkunftsort“ ( 54 ). Damit wird auf den Ort hingewiesen, aus dem das betreffende Lebensmittel kommt ( 55 ).

68.

In dieser Anforderung kommt das grundsätzliche Verbot irreführender Informationen über Lebensmittel ( 56 ) zum Ausdruck.

69.

Der Schwerpunkt der Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel liegt somit speziell auf dem Schutz der Verbraucher vor fehlender oder unrichtiger Information, aufgrund deren der Verbraucher Gefahr läuft, über den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irregeführt zu werden ( 57 ).

70.

Ich werde auf die Bedeutung des Gesichtspunkts der Gefahr einer Irreführung des Verbrauchers unten (Nrn. 102 ff. der vorliegenden Schlussanträge) zurückkommen; zunächst ist jedoch zu klären, welche speziellen Anforderungen sich aus dem für die Kennzeichnung von Obst und Gemüse geltenden Recht für die in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Erzeugnisse ergeben.

2) Spezielle Anforderungen an Obst und Gemüse

71.

Als ergänzende Vorschriften zur Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel ( 58 ) enthalten die Verordnung über landwirtschaftliche Erzeugnisse und die Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse Anforderungen an die Vermarktung von Obst und Gemüse ( 59 ).

72.

Die Vermarktungsvorschriften der Verordnung über landwirtschaftliche Erzeugnisse müssen erfüllt sein, damit ein Erzeugnis an Verbraucher auf dem Unionsmarkt verkauft werden kann ( 60 ). Der Unionsgesetzgeber geht davon aus, dass die Einhaltung dieser Normen „im Interesse der Erzeuger, der Händler und der Verbraucher“ liegt ( 61 ).

73.

In einer der Vermarktungsvorschriften der Verordnung über landwirtschaftliche Erzeugnisse ist die Angabe des Erzeugungsorts und/oder des Ursprungsorts vorgesehen ( 62 ).

74.

Diese Angabe ist für Obst und Gemüse erforderlich, das frisch an den Verbraucher verkauft werden soll ( 63 ).

75.

Die Anforderung, dass der Ursprung von Obst und Gemüse angegeben wird, gilt auf allen Stufen der Vermarktung, einschließlich der Einfuhr von Obst und Gemüse ( 64 ). Ein Obst- und Gemüsehändler „darf diese Erzeugnisse in der Union nur dann feilhalten, anbieten, liefern oder anderweitig vermarkten, wenn sie diesen Normen entsprechen“ ( 65 ).

76.

Die Verordnung über landwirtschaftliche Erzeugnisse wird durch die Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse ( 66 ) weiter ausgestaltet, in der die allgemeinen und speziellen Vermarktungsnormen für Obst und Gemüse im Einzelnen festgelegt sind ( 67 ).

77.

Für Kirschtomaten gelten besondere Vermarktungsnormen ( 68 ). Unter diesen ist eine obligatorische Kennzeichnung mit dem Ursprungsland vorgesehen ( 69 ). Fakultativ kann das „Anbaugebiet oder [eine] nationale, regionale oder örtliche Bezeichnung“ hinzugefügt werden ( 70 ).

78.

Charentais-Melonen unterliegen den allgemeinen Vermarktungsnormen der Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse ( 71 ). Auch danach ist eine Kennzeichnung mit dem Ursprungsland vorgeschrieben ( 72 ). Anders als im Fall von Kirschtomaten enthält die Verordnung jedoch keine Bezugnahme auf die Hinzufügung genauerer Angaben zur Herkunft.

79.

Diese Anforderungen unterliegen Konformitätskontrollen, die auf allen Stufen der Vermarktung Anwendung finden ( 73 ).

80.

Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, führt ein Beanstandungsprotokoll dazu, dass nicht konforme Erzeugnisse nur mit Erlaubnis der zuständigen Kontrollstelle bewegt werden dürfen. Diese Erzeugnisse müssen sodann nachgebessert werden, damit sie der Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse entsprechen. Sollte dies nicht möglich sein, können die zuständigen Behörden verlangen, dass die Erzeugnisse der Tierfütterung, der industriellen Verarbeitung oder einem anderen nicht der Ernährung dienenden Zweck zugeführt oder vernichtet werden ( 74 ).

81.

Folglich sind die betreffenden Erzeugnisse nach den für sie geltenden allgemeinen und speziellen Vermarktungsnormen mit dem Ursprungsland zu kennzeichnen.

b)   Die Westsahara als Ursprungsland von in diesem Gebiet angebautem Obst und Gemüse

82.

Aus der vorstehenden Erläuterung zu den allgemeinen und speziellen Vorschriften über die Kennzeichnung von Lebensmitteln in der Union ergibt sich klar, dass der Unionsgesetzgeber vorschreibt, dass bei den betreffenden Erzeugnissen das Ursprungsland angegeben sein muss.

83.

Für die vorliegende Rechtssache stellt sich damit natürlich die Frage, ob das Hoheitsgebiet ohne Selbstregierung der Westsahara ein Ursprungsland im Sinne dieser Vorschriften ist.

84.

Hierzu weise ich darauf hin, dass die Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse ebenso wie die Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und die Verordnung über Agrarerzeugnisse keine Definition des Begriffs „Ursprungsland“ enthält ( 75 ).

85.

Allerdings gelten nach dem Zollkodex der Union, der spezielle Vorschriften über die Bestimmung des nicht präferenziellen Ursprungs von Waren enthält, dessen auf diesen Aspekt bezogene Vorschriften ausdrücklich für sonstige Unionsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Warenursprung ( 76 ).

86.

Wie der Gerichtshof in Bezug auf die Verordnung über landwirtschaftliche Erzeugnisse ausgeführt hat, schließt dies die Anforderung, die bei der Vermarktung hinsichtlich des Ursprungslands besteht, mit ein ( 77 ).

87.

Dasselbe gilt meines Erachtens auch für die Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und für die Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse. Dies ist bei einer einheitlichen, effektiven und kohärenten Auslegung der Anforderung an die Kennzeichnung mittels Angabe des Ursprungslands letztlich geboten ( 78 ).

88.

Daraus folgt, dass die Angabe des Ursprungslands in den verschiedenen in der vorliegenden Rechtssache einschlägigen Unionsverordnungen über Lebensmittel unter Bezugnahme auf die relevanten Vorschriften und Festlegungen des Zollkodex der Union auszulegen ist.

89.

Nach Art. 60 des Zollkodex der Union gelten Waren, die in einem einzigen Land oder Gebiet vollständig gewonnen oder hergestellt worden sind, als Ursprungswaren dieses Landes oder Gebiets.

90.

Pflanzliche Erzeugnisse, die in einem „Land“ oder „Gebiet“ geerntet worden sind, gelten als dort vollständig gewonnen oder hergestellt ( 79 ). Folglich ist davon auszugehen, dass sie ihren Ursprung in diesem Gebiet haben ( 80 ).

91.

Im Urteil Vignoble Psagot hat der Gerichtshof den Begriff „Gebiet“ dahin ausgelegt, dass er jede Einheit umfasst, die nicht der Kategorie „Land“ oder „Staat“ ( 81 ) angehört, wie etwa „geografische Gebiete, auf die sich zwar die Hoheitsgewalt oder internationale Verantwortung eines Staates erstreckt, die aber einen eigenen völkerrechtlichen Status haben, der sich von dem dieses Staates unterscheidet“ ( 82 ).

92.

In den Urteilen Rat/Front Polisario und Western Sahara Campaign UK hat der Gerichtshof darauf erkannt, dass das Gebiet der Westsahara ein gesondertes Gebiet im Sinne des Völkerrechts ist und sich vom Gebiet des Königreichs Marokko unterscheidet ( 83 ).

93.

Das Gebiet der Westsahara ist daher im Sinne von Art. 60 des Zollkodex der Union als ein gesondertes Zollgebiet zu behandeln.

94.

Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ist dieser Status bereits in den Unionsvorschriften im Bereich der Außenhandelsstatistik dadurch anerkannt, dass dem Gebiet der Westsahara ein eigener Ursprungscode (EH) zugewiesen wird ( 84 ). Dieser Code ist es, der in den Zolltarif der Union (TARIC) ( 85 ) übernommen worden ist, den die Einführer von Erzeugnissen mit Ursprung im Gebiet der Westsahara in ihrer Zollanmeldung aufführen müssen und zu dem sie eine Ursprungserklärung vorlegen müssen.

95.

Daraus folgt, dass der Begriff des Ursprungslands, wie er in den Rechtsvorschriften der Union über die Kennzeichnung von Lebensmitteln verwendet wird, auch für das Gebiet der Westsahara gilt.

96.

Die in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden Erzeugnisse, die vollständig im Gebiet der Westsahara gewonnen wurden, sind daher entsprechend zu kennzeichnen.

97.

Diese Schlussfolgerung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass in der Praxis ein Drittstaat – vorliegend das Königreich Marokko – aus Sicht der Union die (faktische) Verantwortung für die Verwaltung des Gebiets der Westsahara (oder zumindest der von ihm kontrollierten Teile) übernommen hat. Für die Zwecke von Einfuhren in die Union sind es daher die marokkanischen Behörden, die den Ursprung von Erzeugnissen, die aus dem Gebiet der Westsahara stammen sollen, überprüfen und bescheinigen.

98.

Wie sowohl der Rat als auch die Kommission ausgeführt haben, wurde dieses System eingeführt, weil das Gebiet ohne Selbstregierung der Westsahara keine eigenen (anerkannten) Zollbehörden hat, um den Ursprungsstatus der in diesem Gebiet hergestellten oder angebauten Erzeugnisse zu kontrollieren ( 86 ).

99.

Wie ich in meinen Schlussanträgen vom heutigen Tag in der Rechtssache Kommission und Rat/Front Polisario darlege, trägt ein Abkommen mit einem Gebiet ohne Selbstregierung sowohl dem gegenwärtigen völkerrechtlichen Status als auch der praktischen Realität Rechnung, ohne indes auf die (politische) Frage der Anerkennung als Staat einzugehen ( 87 ). Dies ändert jedoch nichts an der Schlussfolgerung, dass die Westsahara für Zollzwecke ein gesondertes Gebiet ist.

100.

Im Ergebnis ist folglich festzustellen, dass die betreffenden Erzeugnisse, die im Gebiet der Westsahara angebaut werden, nach den geltenden Unionsvorschriften für Lebensmittel als Erzeugnisse mit Ursprung in diesem Gebiet gekennzeichnet werden müssen.

c)   Ohne Bezugnahme auf das Gebiet der Westsahara würde der Verbraucher irregeführt

101.

Nachdem festgestellt worden ist, dass nach den für Obst und Gemüse geltenden Vorschriften über die Kennzeichnung von Lebensmitteln in der Union bei den betreffenden Erzeugnissen die Angabe ihres Ursprungslands verpflichtend ist, und bestätigt worden ist, dass der Begriff des Ursprungslands auch das Gebiet ohne Selbstregierung der Westsahara umfasst, kann der Schluss gezogen werden, dass diese Erzeugnisse mit der Angabe der Westsahara als Ursprungsland gekennzeichnet sein müssen. Die weitere zu klärende Frage ist daher, ob ohne einen Hinweis auf dieses Gebiet eine Irreführung des Verbrauchers in der Union möglich ist.

102.

Wie ich in Nr. 69 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, besteht der Zweck der Angaben auf Lebensmitteln in der Union zur Kennzeichnung des Ursprungslands darin, den Verbraucher zu schützen, damit er nicht (Gefahr läuft, dass er) über den wirklichen Ursprung des Erzeugnisses „irregeführt“ wird ( 88 ).

103.

Auch wenn die Kennzeichnung eines Erzeugnisses mit dem Ursprungsland für das Verhalten des Verbrauchers nicht in erster Linie ausschlaggebend ist ( 89 ), beeinflusst sie die Kaufentscheidungen ( 90 ).

104.

Keine zwei Verbraucher sind gleich. Für manche kann der Ursprung ihrer Erzeugnisse sehr wichtig sein. Andere werfen womöglich nicht einmal einen Blick auf den Ursprung ihres Einkaufs.

105.

Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, ist bei der Beurteilung der Gefahr einer Irreführung des Verbrauchers auf den Durchschnittsverbraucher abzustellen, d. h. auf jemanden, „der in Bezug auf den Ursprung, die Herkunft und die Qualität des Lebensmittels normal informiert, angemessen aufmerksam und verständig ist“ ( 91 ).

106.

Nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel soll die Information des Verbrauchers über Lebensmittel, einschließlich der Information über den Ursprung eines Erzeugnisses, es ihm ermöglichen, „eine fundierte Wahl“ zu treffen, die u. a. durch „ethische Gesichtspunkte“ beeinflusst wird ( 92 ).

107.

Es ist denkbar, dass ein normal informierter und verständiger Verbraucher es für wichtig halten könnte, zu wissen, dass ein Erzeugnis seinen Ursprung in der Westsahara hat. Wie die Information über den Ursprung eines Erzeugnisses aus der Westsahara die Kaufentscheidung eines Verbrauchers beeinflussen kann, hängt jedoch allein von diesem Verbraucher ab ( 93 ).

108.

Diese Entscheidung hängt nicht notwendig mit der neutralen Position der Union hinsichtlich der Beschlussfassung über den künftigen Status des Gebiets der Westsahara zusammen.

109.

Zugleich könnte ein normal informierter und verständiger Verbraucher ohne die Information, dass ein Erzeugnis seinen Ursprung in der Westsahara hat, hinsichtlich des tatsächlichen Ursprungs des Erzeugnisses, das er zu kaufen beschließt, irregeführt werden.

110.

Wie werden diese rechtlichen und politischen Standpunkte miteinander in Einklang gebracht?

111.

Festzustellen ist, dass das nationale Gericht, das über die Frage, ob die Gefahr besteht, dass ein Verbraucher durch unzutreffende Informationen über das Herkunftsland irregeführt wird, entscheidet, bei der Prüfung dieser Frage nicht die möglichen verschiedenen ethischen Präferenzen von Verbrauchern zu berücksichtigen hat, wozu es in der Tat nicht in der Lage wäre.

112.

Meines Erachtens ist das Kriterium, das der Unionsgesetzgeber festlegen wollte, viel objektiver.

113.

Die Frage, die ein Gericht stellen muss, ist einfach: Besteht die Gefahr, dass sich eine auf unzutreffenden Informationen beruhende Kaufentscheidung daraus ergeben könnte, dass ein Erzeugnis mit dem Gebiet X als Ursprungsland gekennzeichnet ist, obwohl es seinen Ursprung tatsächlich im Gebiet Y hat ( 94 )?

114.

Eine Kennzeichnung, die darauf hindeutet, dass das Lebensmittel von einem anderen Ort als seinem tatsächlichen Ursprungsort stammt, ist geeignet, den Verbraucher über die (nach dem Unionsrecht) objektiv richtige Herkunft des Erzeugnisses irrezuführen ( 95 ).

115.

Im vorliegenden Fall ist daher eine Kennzeichnung, die suggeriert, dass ein Erzeugnis marokkanischen Ursprungs ist, obwohl dieses Erzeugnis aus dem Gebiet der Westsahara stammt, für den Verbraucher irreführend.

116.

Eine derartige Kennzeichnung entspräche weder der allgemeinen Anforderung, dem Verbraucher dabei zu helfen, bei seinem Kauf „eine fundierte Wahl“ zu treffen, die sich auch auf Kriterien ethischer Art beziehen könnte, noch würde sie die gegenwärtige politische Position der Union angemessen widerspiegeln.

117.

Aufgrund dessen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf den Teil der vierten Frage, der sich auf die positive Kennzeichnungspflicht bezieht, zu antworten, dass es nach der Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel, der Verordnung über Agrarerzeugnisse und der Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse erforderlich ist, dass die betreffenden Erzeugnisse mit einer Kennzeichnung des Ursprungslands versehen sind, die ihrer Herkunft aus dem Gebiet der Westsahara entspricht.

d)   Besteht Raum für eine Bezugnahme auf das Königreich Marokko?

118.

Lässt die vorstehende Schlussfolgerung Raum für eine zusätzliche Bezugnahme auf das Königreich Marokko?

119.

In der Rechtssache Vignoble Psagot, auf die in der vorliegenden Rechtssache Bezug genommen wird, wurde der Gerichtshof um Klärung der Frage ersucht, ob die zutreffende Angabe des Ursprungsgebiets (in jener Rechtssache entweder die Golanhöhen oder das Westjordanland) als solche als unzureichend gelten kann, den Verbraucher zutreffend über das Ursprungsland aus diesem Gebiet stammender Erzeugnisse zu informieren.

120.

Man kann sich daher fragen, ob die Hinzufügung des „Königreichs Marokko“ zur Kennzeichnung des Ursprungslands von Erzeugnissen mit Ursprung im Gebiet der Westsahara dem Verbraucher in der Union ebenfalls sachlich richtige Informationen liefern würde.

121.

Die spezifische Situation in dem geografischen Gebiet, die dem Urteil Vignoble Psagot zugrunde lag und die darin bestand, dass bestimmte Teile der Arabischen Republik Syrien (Golanhöhen) oder des palästinensischen Gebiets (Westjordanland, einschließlich Ostjerusalem), aus denen die in jener Rechtssache in Rede stehenden Erzeugnisse stammten, mittels „israelischer Siedlungen“ besetzt waren, hat den Gerichtshof zu dem Schluss geführt, dass ohne zusätzliche Informationen über den Ort eine Irreführung des Verbrauchers möglich sei ( 96 ).

122.

Ohne Angabe des tatsächlichen Herkunftsorts könnten die Verbraucher demgemäß dazu verleitet werden, zu glauben, dass eine Ware im Fall des Westjordanlands (einschließlich Ostjerusalem) von einem palästinensischen Erzeuger oder im Fall der Golanhöhen von einem syrischen Erzeuger stamme ( 97 ).

123.

Ein bloßer Hinweis auf die „israelische Siedlung“ reicht nicht aus, um derartige Missverständnisse zu vermeiden ( 98 ).

124.

Die rechtlichen und tatsächlichen Umstände sowie die Frage, mit der der Gerichtshof konfrontiert ist, sind in der vorliegenden Rechtssache davon verschieden.

125.

Das Gebiet der Westsahara ist ein gesondertes Gebiet für die Ursprungsangabe zu Zoll- und Kennzeichnungszwecken.

126.

Zwar können gegenwärtig nur die marokkanischen Behörden überprüfen, ob ein Erzeugnis seinen Ursprung in der Westsahara hat – und nur sie werden von der Union als dazu befugt angesehen (siehe Nrn. 97 und 98 der vorliegenden Schlussanträge).

127.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich der Ursprung eines Erzeugnisses aus der Westsahara ändert, wenn diese Art von Zertifizierung erfolgt.

128.

In der Rechtssache Vignoble Psagot ging es vor dem Gerichtshof nicht um die Frage, ob zwei Länder oder Gebiete angegeben werden können, sondern darum, ob die Angabe des genauer beschriebenen „Herkunftsorts“ der Information über das Ursprungsland/‑gebiet hinzugefügt werden kann – ungeachtet der Konjunktion „oder“ zwischen den Begriffen „Ursprungsland“ und „Herkunftsort“ in der Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel.

129.

Unter Berücksichtigung der Einwände der internationalen Gemeinschaft und der Union gegen die israelischen Siedlungen in diesen Gebieten hat der Gerichtshof entschieden, dass ohne die Information über die tatsächliche Herkunft von Waren aus solchen Siedlungen die Verbraucher daran gehindert würden, eine fundierte Kaufentscheidung zu treffen ( 99 ).

130.

In der vorliegenden Rechtssache würde jedoch durch Hinzufügung der Angabe „Königreich Marokko“ zur Information über das Ursprungsland der betreffenden Erzeugnisse deren Herkunftsort nicht deutlicher erläutert.

131.

Erstens ist diese Art von Informationen objektiv nicht richtig.

132.

Zweitens könnte ein normal informierter und verständiger Verbraucher die erforderlichen Informationen über den Ursprung der betreffenden Erzeugnisse herleiten, wenn nur die Westsahara als Ursprungsland genannt ist.

133.

Wie auch immer ein Verbraucher subjektiv zur Präsenz des Königreichs Marokko im Gebiet der Westsahara eingestellt ist, ist bei einer Hinzufügung der Angabe „Königreich Marokko“ bei Erzeugnissen, die nicht dort ihren Ursprung haben, eine Irreführung der Verbraucher gerade deshalb möglich, „weil sie nicht vollständig den Tatsachen [entspricht]“ ( 100 ).

134.

Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, erfordert schließlich der Begriff des Ursprungslands, wie er in den allgemeinen und speziellen Vermarktungsnormen, die für die fraglichen Erzeugnisse gelten, enthalten ist ( 101 ), eine einzige Bezeichnung des Ursprungslands ( 102 ).

135.

Erstens ergibt sich dies meines Erachtens daraus, dass der Begriff „Land“ im Text und in den Erwägungsgründen der Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse im Singular verwendet wird ( 103 ).

136.

Zweitens findet dieser Ansatz eine Grundlage in der allgemeinen Logik, die der Bestimmung des „Ursprungs“ nach Art. 60 des Zollkodex der Union zugrunde liegt. Nach dieser Bestimmung können „Waren, die in einem einzigen Land oder Gebiet vollständig gewonnen oder hergestellt worden sind“ ( 104 ), ihren Ursprung nur in einem einzigen Land oder Gebiet haben ( 105 ).

137.

Vor diesem Hintergrund sollten dieselben auf eine kohärente Auslegung abzielenden Gründe, die für eine Angleichung der Auslegung des Ursprungsbegriffs in den Vorschriften über die Kennzeichnung von Lebensmitteln an die für die Zoll- und Außenhandelsstatistik geltenden Vorschriften sprechen, auch für ein ähnliches Verständnis bezüglich der Singularität des Ursprungs bei der Kennzeichnung sprechen.

138.

Wird diesen Regeln gefolgt, sind Erzeugnisse mit Ursprung im Gebiet der Westsahara als solche zu kennzeichnen, unter Ausschluss jeder anderen Herkunft.

139.

Diese Argumentation wird durch den Standpunkt gestützt, den die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingenommen hat, in der sie eingeräumt hat, dass die Anwendung dieser Regeln zu dem Schluss führe, dass es unzutreffend sei, die betreffenden Erzeugnisse als Ursprungserzeugnisse des Königreichs Marokko zu kennzeichnen.

140.

Wie die Kommission allerdings ebenfalls ausgeführt hat, sollte im Rahmen des laufenden Selbstbestimmungsprozesses für dieses Gebiet kein Ergebnis ausgeschlossen werden, da die Union einen neutralen Standpunkt zur Zukunft des Gebiets der Westsahara eingenommen hat ( 106 ).

141.

Die Angabe „Königreich Marokko“ als Ursprungsland eines Erzeugnisses mit Ursprung im Gebiet der Westsahara neben einem Hinweis auf die „Westsahara“ liefe daher dem von der Union zum Gebiet der Westsahara vertretenen Standpunkt zuwider, verstieße gegen das Erfordernis, eine „korrekte, neutrale und objektive“ ( 107 ) Information über das Ursprungsland der betreffenden Erzeugnisse einzuführen, und liefe der Entscheidung des Unionsgesetzgebers zuwider, einen einzelnen Ursprung für Kennzeichnungszwecke zu verlangen.

142.

Im Ergebnis darf die Kennzeichnung mit dem Ursprungsland bei den betreffenden Erzeugnissen keine andere Gebietsbezeichnung als die der Westsahara enthalten.

IV. Ergebnis

143.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die vom Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) vorgelegten Fragen wie folgt zu antworten:

1.

Art. 207 AEUV und Art. 134 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union

sind dahin auszulegen, dass sie für sich genommen einen Mitgliedstaat nicht ermächtigen, einseitig eine nationale Maßnahme zu erlassen, mit der die Einfuhr von Obst und Gemüse aus einem Drittland in sein Gebiet wegen nicht vorhandener Kennzeichnung mit dem richtigen „Ursprungsland“ verboten wird.

2.

Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 543/2011 der Kommission vom 7. Juni 2011 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates für die Sektoren Obst und Gemüse und Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse, die Art. 9 und 26 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission sowie Art. 76 der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates in Verbindung mit Art. 60 der Verordnung Nr. 952/2013 und Anhang I der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1470 der Kommission vom 12. Oktober 2020 über das Verzeichnis der Länder und Gebiete für die europäischen Statistiken über den internationalen Warenverkehr und die geografische Aufgliederung für sonstige Unternehmensstatistiken

sind dahin auszulegen, dass die Verpackung von Kirschtomaten und Charentais-Melonen mit Ursprung im Gebiet der Westsahara mit einer Kennzeichnung des „Ursprungslands“ versehen sein muss, die ihrem Ursprung in diesem Gebiet entspricht.

Beim gegenwärtigen Stand des Rechts und der Politik der Europäischen Union darf diese Art von Kennzeichnung nicht auf das Königreich Marokko Bezug nehmen.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Von März 2023 an drohten die bulgarische, die ungarische, die polnische, die rumänische und die slowakische Regierung, die zollfreie Einfuhr von Getreide und landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus der Ukraine (eine Maßnahme als Reaktion darauf, dass die russische Regierung die Ausfuhren von Getreide über die Schwarzmeerhäfen der Ukraine ins Visier genommen hatte) einseitig zu untersagen. Daraufhin führte die Europäische Kommission zunächst bis zum 5. Juni 2023 (Durchführungsverordnung [EU] 2023/903 der Kommission vom 2. Mai 2023 zur Einführung bestimmte Waren mit Ursprung in der Ukraine betreffender Präventivmaßnahmen [ABl. 2023, L 114 I, S. 1]) und dann bis zum 15. September 2023 (Durchführungsverordnung [EU] 2023/1100 der Kommission vom 5. Juni 2023 zur Einführung bestimmte Waren mit Ursprung in der Ukraine betreffender Präventivmaßnahmen [ABl. 2023, L 144 I, S. 1]) vorübergehende Präventivmaßnahmen ein, um die Überführung von Saatgut von Weizen, Mais, Raps und Sonnenblumen aus der Ukraine in den zollrechtlich freien Verkehr oder in bestimmte Zollverfahren zu untersagen, es sei denn, diese Waren werden in einen anderen Mitgliedstaat oder in ein Land oder Gebiet außerhalb des Zollgebiets der Union verbracht.

( 3 ) Urteil vom 21. Dezember 2016, Rat/Front Polisario (C‑104/16 P, EU:C:2016:973, im Folgenden: Urteil Rat/Front Polisario).

( 4 ) Urteil vom 27. Februar 2018, Western Sahara Campaign UK (C‑266/16, EU:C:2018:118, im Folgenden: Urteil Western Sahara Campaign UK).

( 5 ) Urteile Rat/Front Polisario, Rn. 108, und Western Sahara Campaign UK, Rn. 64.

( 6 ) Vereinte Nationen, Bericht des Ausschusses für Informationen von Hoheitsgebieten ohne Selbstregierung, Beilage Nr. 14 (A/5514) (1963), Anhang III, „Liste der Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung gemäß Kapitel XI der Charta bis zum 31. Dezember 1962, die nach geografischen Gebieten ausgewiesen sind“.

( 7 ) Vgl. Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 16. Oktober 1975, Westsahara (ICJ Reports 1975, S. 12, Rn. 162). Für eine ausführlichere Beschreibung der Ereignisse, die zur derzeitigen politischen Lage der Westsahara geführt haben, vgl. meine Schlussanträge vom heutigen Tag in den verbundenen Rechtssachen C‑778/21 P und C‑798/21 P, Kommission und Rat/Front Polisario, Nrn. 5 bis 15, sowie in den verbundenen Rechtssachen C‑779/21 P und C‑799/21 P, Kommission und Rat/Front Polisario, Nrn. 8 bis 28.

( 8 ) Urteile Rat/Front Polisario, Rn. 92, und Western Sahara Campaign UK, Rn. 69.

( 9 ) Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits (ABl. 2000, L 70, S. 2, im Folgenden: Assoziierungsabkommen), um das es in der Rechtssache Rat/Front Polisario ging, und das partnerschaftliche Fischereiabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Marokko (ABl. 2006, L 141, S. 4, im Folgenden: partnerschaftliches Fischereiabkommen), um das es in der Rechtssache Western Sahara Campaign UK ging.

( 10 ) Urteile Rat/Front Polisario, Rn. 92, und Western Sahara Campaign UK, Rn. 64 und 69.

( 11 ) Beschluss (EU) 2019/217 des Rates vom 28. Januar 2019 über den Abschluss eines Abkommens in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Union einerseits und dem Königreich Marokko andererseits zur Änderung der Protokolle Nr. 1 und Nr. 4 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits (ABl. 2019, L 34, S. 1) und Beschluss (EU) 2019/441 des Rates vom 4. März 2019 über den Abschluss des partnerschaftlichen Abkommens über nachhaltige Fischerei zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Marokko, des dazugehörigen Durchführungsprotokolls und des Briefwechsels zu dem Abkommen (ABl. 2019, L 77, S. 4).

( 12 ) Abkommen in Form eines Briefwechsels zwischen der Europäischen Union einerseits und dem Königreich Marokko andererseits zur Änderung der Protokolle Nr. 1 und Nr. 4 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits (ABl. 2019, L 34, S. 4, im Folgenden: Abkommen in Form eines Briefwechsels).

( 13 ) Partnerschaftliches Abkommen über nachhaltige Fischerei zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Marokko (ABl. 2019, L 77, S. 8) und Protokoll über die Durchführung des partnerschaftlichen Abkommens über nachhaltige Fischerei zwischen der Europäischen Union und dem Königreich Marokko (ABl. 2019, L 77, S. 18).

( 14 ) Vgl. Urteile vom 29. September 2021, Front Polisario/Rat (T‑279/19, EU:T:2021:639), und vom 29. September 2021, Front Polisario/Rat (T‑344/19 und T‑356/19, EU:T:2021:640).

( 15 ) Siehe Fn. 7 der vorliegenden Schlussanträge.

( 16 ) Vgl. hierzu die Schlussanträge von Rapporteur publique Bokdam-Tognetti vor dem Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich), die darlegt, dass in der Region Dakhla, d. h. in der Westsahara, erzeugte Melonen und Tomaten in der Tat unter Angabe von Marokko als Ursprungsland nach Frankreich eingeführt und vermarktet werden, ohne Hinweis auf die Westsahara: Schlussanträge von Émilie Bokdam-Tognetti, Rapporteur publique, Nr. 445088 – Confédération paysanne (9. Juni 2022).

( 17 ) Verbundene Rechtssachen C‑778/21 P und C‑798/21 P, Kommission und Rat/Front Polisario, und verbundene Rechtssachen C‑779/21 P und C‑799/21 P, Kommission und Rat/Front Polisario.

( 18 ) In den verbundenen Rechtssachen C‑779/21 P und C‑799/21 P, Kommission und Rat/Front Polisario, wenden sich die Kommission und der Rat gegen das Urteil des Gerichts vom 29. September 2021, Front Polisario/Rat (T‑279/19, EU:T:2021:639), in dem das Gericht darauf erkannt hat, dass der Rat gegen den Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen in seiner Auslegung durch den Gerichtshof in Rn. 106 des Urteils Rat/Front Polisario verstoßen habe.

( 19 ) In Frage 3 des Vorlagebeschlusses, auf die ich in den vorliegenden Schlussanträgen nicht eingehen werde, wird die Frage nach der Gültigkeit des Beschlusses 2019/217 aufgeworfen; dies ist eine Frage, die ich in meinen Schlussanträgen in den verbundenen Rechtssachen C‑779/21 P und C‑799/21 P, Kommission und Rat/Front Polisario, gesondert beurteilen werde.

( 20 ) Wie sich aus meinen Schlussanträgen ergeben wird, wird der Gerichtshof in Anbetracht der von mir vorgeschlagenen Antwort auf die erste Frage die Fragen 2 und 3 nicht zu beantworten brauchen (da diese Fragen so, wie sie formuliert sind, davon abhängen, dass die erste Frage bejaht wird). Wie ich außerdem in den Nrn. 56 ff. der vorliegenden Schlussanträge erläutern werde, gibt es in Anbetracht meiner vorgeschlagenen Antwort auf die erste Frage auch ein Argument dafür, dass die vierte Frage nicht unbedingt beantwortet zu werden braucht.

( 21 ) Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission (ABl. 2011, L 304, S. 18, im Folgenden: Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel).

( 22 ) Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 (ABl. 2013, L 347, S. 671, im Folgenden: Verordnung über landwirtschaftliche Erzeugnisse).

( 23 ) Durchführungsverordnung (EU) Nr. 543/2011 der Kommission vom 7. Juni 2011 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates für die Sektoren Obst und Gemüse und Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse (ABl. 2011, L 157, S. 1, im Folgenden: Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse).

( 24 ) Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. 2013, L 269, S. 1, im Folgenden: Zollkodex der Union).

( 25 ) Verordnung (EWG) Nr. 990/93 des Rates vom 26. April 1993 über den Handel zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) (ABl. 1993, L 102, S. 14), mit der ein Handelsembargo gegen bestimmte Waren mit Ursprung in oder nach Durchfuhr durch die Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) verhängt wurde und die auf der Grundlage von Art. 113 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (jetzt Art. 207 AEUV) erlassen wurde.

( 26 ) Art. 3 Abs. 1 Buchst. e AEUV.

( 27 ) Wie die französische Regierung ausführt, haben die Wirtschaftsteilnehmer nach der Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel zwar die von ihnen in den Verkehr gebrachten Lebensmittel ordnungsgemäß zu kennzeichnen (Art. 8 Abs. 2), doch ist es ihnen nicht untersagt, diese Erzeugnisse einzuführen, wenn die Kennzeichnung nicht den Bestimmungen dieser Verordnung entspricht. Zudem ist es den Mitgliedstaaten nach Art. 38 Abs. 1 dieser Verordnung eigens untersagt, Maßnahmen zu erlassen oder beizubehalten, die nach dem Unionsrecht nicht zulässig sind. Entsprechend ist zwar in Art. 33 Abs. 3 Buchst. f der Verordnung über landwirtschaftliche Erzeugnisse die Möglichkeit einer Marktrücknahme vorgesehen, doch erstreckt sich diese Befugnis, die von der Kommission jedenfalls eingeschränkt werden kann (Art. 37 Buchst. d), nicht darauf, die Einfuhr nicht konformer Erzeugnisse zu beschränken. Darüber hinaus können Dringlichkeitsmaßnahmen, die offenbar bis zu handelsbezogenen Maßnahmen reichen können, nur von der Kommission erlassen werden (Erwägungsgründe 189 und 201 und Art. 221). Dies gilt auch für die Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse, nach der die Mitgliedstaaten zwar dafür zuständig sind, die ordnungsgemäße Anwendung von Vermarktungsnormen durch Konformitätskontrollen zu überprüfen (vgl. insbesondere Art. 9 Abs. 1), aber nicht befugt sind, Maßnahmen zum Verbot der Einfuhr nicht konformer Erzeugnisse umzusetzen.

( 28 ) In der Tat wird die gemeinsame Handelspolitik nach Art. 207 Abs. 1 AEUV nach „einheitlichen Grundsätzen“ gestaltet.

( 29 ) Vgl. Art. 2 Abs. 1 AEUV.

( 30 ) Natürlich kann Art. 207 AEUV stets als Rechtsgrundlage für die Einführung einer Unionsmaßnahme dienen, um den Handel mit einem Drittstaat oder Drittgebiet auszusetzen: Vgl. z. B. die Verordnung (EWG) Nr. 1432/92 des Rates vom 1. Juni 1992 zur Untersagung des Handels zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den Republiken Serbien und Montenegro (ABl. 1992, L 151, S. 4), mit der ein Handelsembargo für alle Einfuhren aus der Bundesrepublik Jugoslawien in das Gebiet der (damaligen) Gemeinschaft eingeführt wurde sowie für alle Ausfuhren aus der Gemeinschaft in dieses Land.

( 31 ) Vgl. in diesem Sinne Gutachten 1/00 (Übereinkommen über die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Luftverkehrsraums) vom 18. April 2002 (EU:C:2002:231, Rn. 12 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 32 ) Vgl. Art. 207 Abs. 1 AEUV: „Die gemeinsame Handelspolitik wird nach einheitlichen Grundsätzen gestaltet; dies gilt insbesondere für … die Vereinheitlichung der Liberalisierungsmaßnahmen …“ Vgl. hierzu Urteil vom 5. Juli 1994, Anastasiou u. a. (C‑432/92, EU:C:1994:277, Rn. 53) (wonach die Existenz unterschiedlicher Praktiken der Mitgliedstaaten „eine Situation der Unsicherheit [schafft], die den Bestand einer gemeinsamen Handelspolitik … gefährden kann“).

( 33 ) Vgl. insoweit Urteil vom 6. Oktober 2020, Kommission/Ungarn (Hochschulausbildung) (C‑66/18, EU:C:2020:792, Rn. 84).

( 34 ) Vgl. Verordnung (EU) Nr. 1219/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 zur Einführung einer Übergangsregelung für bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern (ABl. 2012, L 351, S. 40), die es den Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen gestattet, ihre bestehenden bilateralen Investitionsschutzabkommen beizubehalten und zu ändern sowie neue abzuschließen, wobei von ihnen im Allgemeinen verlangt wird, Unvereinbarkeiten zwischen diesen Abkommen und dem Unionsrecht zu beseitigen.

( 35 ) Vgl. z. B. die Schutzmaßnahmen in den Kapiteln V der Verordnung (EU) 2015/478 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2015 über die gemeinsame Einfuhrregelung (ABl. 2015, L 83, S. 16, im Folgenden: Einfuhrgrundverordnung) (die Einfuhren aus Ländern und Gebieten, die Mitglied der WTO sind, erfasst) und der Verordnung (EU) 2015/755 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2015 über eine gemeinsame Regelung der Einfuhren aus bestimmten Drittländern (ABl. 2015, L 123, S. 33) (die Einfuhren aus Ländern erfasst, die nicht der WTO angehören).

( 36 ) Vgl. z. B. Durchführungsverordnung (EU) 2019/159 der Kommission vom 31. Januar 2019 zur Einführung endgültiger Schutzmaßnahmen gegenüber den Einfuhren bestimmter Stahlerzeugnisse (ABl. 2019, L 31, S. 27) (Einführung eines Zollkontingents von 25 % bei der Überführung bestimmter Kategorien von Stahlerzeugnissen in den zollrechtlich freien Verkehr in der Union für einen Zeitraum von drei Jahren).

( 37 ) Vgl. Art. 17 der Einfuhrgrundverordnung und Art. 15 der Verordnung 2015/755. Als Beispiel aus jüngerer Zeit für eine solche „regionalisierte“ Schutzmaßnahme vgl. Art. 1 der Durchführungsverordnung 2023/1100 (zur Beschränkung der Überführung der Einfuhren von Weizen, Mais, Rübensamen [Raps] und Sonnenblumenkernen mit Ursprung in der Ukraine in den zollrechtlich freien Verkehr in Bulgarien, Ungarn, Polen, Rumänien oder der Slowakei).

( 38 ) Vgl. insoweit Art. 2 Abs. 1 des WTO-Übereinkommens über Schutzmaßnahmen, der dieses Erfordernis enthält, das daher bei der Auslegung der Einfuhrgrundverordnung zu berücksichtigen ist. Vgl. entsprechend Urteil vom 20. Januar 2022, Kommission/Hubei Xinyegang Special Tube (C‑891/19 P, EU:C:2022:38, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung) (wonach der Grundsatz pacta sunt servanda eine Auslegung im Einklang mit dem abgeleiteten Unionsrecht erfordert, das im Licht eines der WTO-Übereinkommen ergangen ist).

( 39 ) Auch wenn der Gerichtshof die Freiheit, international Handel zu treiben, nie anerkannt hat, lässt sich zumindest die Meinung vertreten, dass die Verträge auch im Rahmen der Außenhandelspolitik der Union die gleichartige Vorstellung einer Liberalisierung der Marktordnung insinuieren, die das europäische Projekt ab initio einleitete. Zur Stützung dieser Auffassung vgl. Petersmann, E.‑U., „National constitutions and international economic law“, in Hilf, M., und Petersmann, E.‑U. (Hrsg.), National constitutions and international economic law, Kluwer, Bielefeld 1993, S. 24. Für einen gegenteiligen Standpunkt vgl. Peers, S., „Fundamental right or political whim? WTO law and the European Court of Justice“, in de Burca, G., und Scott, J. (Hrsg.), The EU and the WTO: Legal and Constitutional Issues, Bloomsbury Publishing, 2001, S. 129.

( 40 ) Vgl. Urteil vom 30. Mai 2002, Expo Casa Manta (C‑296/00, EU:C:2002:316, Rn. 34) (worin festgestellt wird, dass eine Vorgängerbestimmung von Art. 24 der Einfuhrgrundverordnung und Art. 36 AEUV einander entsprechen).

( 41 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 10. Januar 1985, Association des Centres distributeurs Leclerc und Thouars Distribution (229/83, EU:C:1985:1, Rn. 30) (wonach die Ausnahmen vom jetzigen Art. 36 AEUV eng auszulegen sind).

( 42 ) So Generalanwalt Geelhoed in den Schlussanträgen in der Rechtssache Expo Casa Manta (C‑296/00, EU:C:2002:28, Nr. 27).

( 43 ) Urteil vom 30. Mai 2002, Expo Casa Manta (C‑296/00, EU:C:2002:316, Rn. 31).

( 44 ) Der Begriff „Zollkontrollen“ wird in Art. 5 Nr. 3 des Zollkodex der Union definiert als „spezifische Handlungen, die die Zollbehörden zur Gewährleistung der Einhaltung der zollrechtlichen und sonstigen Vorschriften über Eingang, Ausgang, Versand, Beförderung, Lagerung und Endverwendung von Waren, die zwischen dem Zollgebiet der Union und Ländern oder Gebieten außerhalb dieses Gebiets befördert werden, sowie über das Vorhandensein von Nicht-Unionswaren und Waren in der Endverwendung und deren Beförderung innerhalb des Zollgebiets der Union vornehmen“.

( 45 ) Das heißt auf „Verbot[e] und Beschränkungen, die unter anderem aus folgenden Gründen gerechtfertigt sein können: Aufrechterhaltung der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung oder Sicherheit“.

( 46 ) Selbst wenn eine solche Ermächtigung bestünde, bin ich der Ansicht, dass die Gründe, auf deren Grundlage solche Maßnahmen ergriffen werden könnten, und die Grenzen dieser Maßnahmen die gleichen sind wie die in den Nrn. 40 ff. der vorliegenden Schlussanträge geprüften, sofern keine Verfälschung der Zuständigkeiten der Union und ihrer Organe vorliegt (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Kommission/Rat, C‑13/07, EU:C:2009:190, Nr. 83).

( 47 ) Vgl. insoweit Urteil vom 9. Dezember 1965, Singer (44/65, EU:C:1965:122, S. 1275).

( 48 ) Vgl. insoweit Urteil vom 16. Dezember 1981, Foglia (244/80, EU:C:1981:302, Rn. 15).

( 49 ) Vgl. insoweit Urteil vom 7. September 1999, Beck und Bergdorf (C‑355/97, EU:C:1999:391, Rn. 22).

( 50 ) Vgl. z. B. Urteil vom 10. Dezember 2018, Wightman u. a. (C‑621/18, EU:C:2018:999, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 51 ) Vgl. Urteil vom 13. Januar 2022, Tesco Stores ČR (C‑881/19, EU:C:2022:15, Rn. 44 und 46 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

( 52 ) In Art. 3 Abs. 1 der Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel spiegelt das breite Spektrum von Ansprüchen wider, die Verbraucher in der Union an ihre Lebensmittelerzeugnisse stellen: „Die Bereitstellung von Informationen über Lebensmittel dient einem umfassenden Schutz der Gesundheit und Interessen der Verbraucher, indem Endverbrauchern eine Grundlage für eine fundierte Wahl … unter besonderer Berücksichtigung von gesundheitlichen, wirtschaftlichen, umweltbezogenen, sozialen und ethischen Gesichtspunkten geboten wird.“ Vgl. auch den vierten Erwägungsgrund dieser Verordnung.

( 53 ) Neunter Erwägungsgrund der Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel.

( 54 ) Art. 9 Abs. 1 Buchst. i der Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel.

( 55 ) Vgl. hierzu die Begriffsbestimmung in Art. 2 Abs. 2 Buchst. g der Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel, wonach „Herkunftsort“ den Ort bezeichnet, „aus dem ein Lebensmittel laut Angabe kommt und der nicht sein ‚Ursprungsland‘ im Sinne der Artikel 23 bis 26 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 [des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1)] ist“. In ihrem Art. 2 Abs. 3 heißt es erläuternd: „Für die Zwecke dieser Verordnung bezieht sich der Begriff ‚Ursprungsland eines Lebensmittels‘ auf den Ursprung eines Lebensmittels im Sinne der Artikel 23 bis 26 der Verordnung [Nr. 2913/92].“ Die zuvor in den Art. 23 bis 26 der Verordnung Nr. 2913/92 enthaltenen Bestimmungen finden sich jetzt in den Art. 59 bis 63 des Zollkodex der Union.

( 56 ) Wie es in Art. 7 der Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel vorgesehen ist.

( 57 ) Vgl. insoweit Urteil vom 12. November 2019, Organisation juive européenne und Vignoble Psagot (C‑363/18, EU:C:2019:954, Rn. 25, im Folgenden: Urteil Vignoble Psagot).

( 58 ) Die Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel gilt nach ihrem Art. 1 Abs. 4 „unbeschadet der in speziellen Rechtsvorschriften der Union für bestimmte Lebensmittel enthaltenen Kennzeichnungsvorschriften“.

( 59 ) Die Verordnung über landwirtschaftliche Erzeugnisse gilt nach ihrem Art. 1 Abs. 1 für alle Erzeugnisse, die in Anhang I zu den Verträgen aufgeführt sind, ausgenommen bestimmte Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur. Dieser Anhang enthält seinerseits eine Liste ausgewählter Kapitel als Vorläuferin der Kombinierten Nomenklatur (Verordnung [EWG] Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif [ABl. 1987, L 256, S. 1]).

( 60 ) Vgl. Art. 74 der Verordnung über landwirtschaftliche Erzeugnisse.

( 61 ) 64. Erwägungsgrund der Verordnung über landwirtschaftliche Erzeugnisse.

( 62 ) Vgl. Art. 75 Abs. 3 Buchst. j und Art. 76 Abs. 1 der Verordnung über landwirtschaftliche Erzeugnisse.

( 63 ) Vgl. Art. 75 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung über landwirtschaftliche Erzeugnisse.

( 64 ) Vgl. Art. 76 Abs. 2 der Verordnung über landwirtschaftliche Erzeugnisse.

( 65 ) Vgl. Art. 76 Abs. 3 der Verordnung über landwirtschaftliche Erzeugnisse.

( 66 ) Vgl. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse.

( 67 ) Vgl. Art. 1 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 der Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse. Anhang I Teil A dieser Verordnung legt die allgemeinen Vermarktungsnormen für diese Erzeugnisse fest.

( 68 ) Vgl. Art. 3 Abs. 2 Buchst. j der Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse, wonach für „Tomaten/Paradeiser“ die in Anhang I Teil B der Verordnung aufgeführten besonderen Vermarktungsnormen gelten. In Anhang I Teil B Teil 10 Abschnitt I wird sodann klargestellt, dass der Begriff der Tomaten auch „Kirschtomaten“ umfasst.

( 69 ) Vgl. Anhang I Teil B Teil 10 Abschnitt VI Buchst. C der Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse. Erläuternd heißt es in einer Fußnote, dass „der vollständige oder ein allgemein gebräuchlicher Name“ anzugeben ist.

( 70 ) Ebd.

( 71 ) Vgl. Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse, in dem es heißt, dass „Obst und Gemüse, für das keine spezielle Vermarktungsnorm gilt, … der allgemeinen Vermarktungsnorm entsprechen [muss]“. Die allgemeine Vermarktungsnorm, auf die in dieser Bestimmung Bezug genommen wird, befindet sich in Anhang I Teil A der Verordnung.

( 72 ) Vgl. Anhang I Teil A Nr. 4 der Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse. Wiederum heißt es in einer Fußnote, dass „der vollständige oder ein allgemein gebräuchlicher Name“ anzugeben ist.

( 73 ) Vgl. hierzu die Art. 8 und 11 der Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse. Art. 11 Abs. 3 bestimmt: „Lassen die Kontrollen bedeutende Unregelmäßigkeiten erkennen, so erhöhen die Mitgliedstaaten die Häufigkeit der Kontrollen bei den betreffenden Händlern, Erzeugnissen, Ursprüngen oder anderen Parametern.“ Konformitätskontrollen sind u. a. erforderlich, weil das betreffende „Ursprungsland“„leserlich“ und „unverwischbar“ und von außen sichtbar entweder auf der Verpackung aufgedruckt oder auf einem Etikett angebracht sein muss, das Bestandteil des Packstücks ist oder haltbar am Packstück befestigt ist.

( 74 ) Vgl. Art. 17 Abs. 3 der Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse.

( 75 ) In Bezug auf die Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und die Verordnung über Agrarerzeugnisse hat der Gerichtshof das Fehlen einer solchen Definition bereits im Urteil vom 4. September 2019, Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main (C‑686/17, EU:C:2019:659, Rn. 46), festgestellt.

( 76 ) Vgl. Art. 59 Buchst. c des Zollkodex der Union, wonach die Artikel über Ursprungserwerb und ‑nachweis (Art. 60 und 61) „Vorschriften zur Bestimmung des nichtpräferenziellen Ursprungs von Waren für die Anwendung … sonstiger Unionsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Warenursprung“ enthalten.

( 77 ) Vgl. Urteil vom 4. September 2019, Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main (C‑686/17, EU:C:2019:659, Rn. 46).

( 78 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 4. September 2019, Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Frankfurt am Main (C‑686/17, EU:C:2019:659, Rn. 50) (wonach „[d]ie verpflichtende Angabe des Ursprungslands …, um den entsprechenden Bestimmungen ihre volle praktische Wirksamkeit zu verleihen, und aus Gründen der Kohärenz auf denselben Begriffsbestimmungen beruhen [muss], sei es im Bereich des Zollwesens, der Landwirtschaft oder des Verbraucherschutzes“).

( 79 ) Art. 31 Buchst. b der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom 28. Juli 2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union (ABl. 2015, L 343, S. 1).

( 80 ) In der vorliegenden Rechtssache ist unstreitig, dass die betreffenden Erzeugnisse im Gebiet der Westsahara geerntet wurden.

( 81 ) Vgl. Urteil Vignoble Psagot, Rn. 30. Im selben Urteil hat der Gerichtshof den Begriff „Land“ als synonym mit dem Begriff „Staat“ ausgelegt, der „eine souveräne Einheit [bezeichnet], die innerhalb ihrer geografischen Grenzen sämtliche ihr nach dem Völkerrecht zustehenden Befugnisse ausübt“ (vgl. Rn. 28 und 29).

( 82 ) Vgl. Urteil Vignoble Psagot, Rn. 31. Wie die Klägerin vorträgt, hat der Gerichtshof auf dieser Grundlage im Urteil Vignoble Psagot die Anforderung einer korrekten Ursprungskennzeichnung auf ein „vom Staat Israel besetztes Gebiet“, nämlich das Westjordanland, einschließlich Ostjerusalems, und auf die Golanhöhen ausgedehnt.

( 83 ) Urteile Rat/Front Polisario, Rn. 107, und Western Sahara Campaign UK, Rn. 64 und 69.

( 84 ) Anhang I der Durchführungsverordnung (EU) 2020/1470 der Kommission vom 12. Oktober 2020 über das Verzeichnis der Länder und Gebiete für die europäischen Statistiken über den internationalen Warenverkehr und die geografische Aufgliederung für sonstige Unternehmensstatistiken (ABl. 2020, L 334, S. 2).

( 85 ) Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. 1987, L 256, S. 1).

( 86 ) Aus demselben Grund können der Rat und die Kommission nach ihren Angaben mit dem Gebiet der Westsahara praktisch kein gesondertes Handelsabkommen schließen. Vgl. dazu das Assoziierungsabkommen EG-PLO (genehmigt durch Beschluss 97/430/EG des Rates vom 2. Juni 1997 über den Abschluss des Europa-Mittelmeer‑Interimsassoziationsabkommens über Handel und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft einerseits und der Palästinensischen Befreiungsorganisation [PLO] zugunsten der Palästinensischen Behörde für das Westjordanland und den Gaza-Streifen andererseits [ABl. 1997, L 187, S. 1]), das nach Art. 16 Abs. 4 des ihm beigefügten Protokolls Nr. 3 vorsieht, dass eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 von den Zollbehörden des Westjordanlands und des Gaza-Streifens ausgestellt wird, wenn die in die Union auszuführenden Erzeugnisse als Ursprungserzeugnisse des Westjordanlands und des Gaza-Streifens angesehen werden können und die übrigen Voraussetzungen dieses Protokolls erfüllt sind. Vgl. auch Urteil vom 25. Februar 2010, Brita (C‑386/08, EU:C:2010:91, Rn. 50 bis 52) (wonach die Zollbehörden des Westjordanlands und des Gazastreifens für Erzeugnisse mit Ursprung im Westjordanland und im Gazastreifen zuständig sind, unter Ausschluss der Zuständigkeit der israelischen Zollbehörden).

( 87 ) Vgl. in ähnlicher Weise und entsprechend als Nachweis dafür, dass die Anerkennung als Staat von der Ursprungsbescheinigung getrennt werden kann, Art. 46 und Protokoll III des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft einerseits und dem Kosovo * andererseits (ABl. 2016, L 71, S. 3), die Vorschriften über die Bestimmung des Ursprungs für Erzeugnisse mit Ursprung in diesem Gebiet enthalten. Das Sternchen im Namen verweist auf folgende Erläuterung in der Fußnote zum Abkommen: „Diese Bezeichnung berührt nicht die Standpunkte zum Status und steht im Einklang mit der Resolution 1244/99 des VN-Sicherheitsrates und dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zur Unabhängigkeitserklärung des Kosovos.“

( 88 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Vignoble Psagot, Rn. 25.

( 89 ) In einem Bericht der Europäischen Kommission von 2015 heißt es, dass „die Ursprungskennzeichnung bei den Aspekten, die das Verhalten der Verbraucher beeinflussen, hinter [Faktoren wie] Preis, Geschmack, Verbrauchs‑/Mindesthaltbarkeitsdatum, Bequemlichkeit und/oder Erscheinungsbild rangiert“. Vgl. Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die verpflichtende Angabe des Ursprungslands oder Herkunftsorts bei unverarbeiteten Lebensmitteln, Erzeugnissen aus einer Zutat und Zutaten, die über 50 % eines Lebensmittels ausmachen (COM[2015] 204 final, im Folgenden: Bericht der Europäischen Kommission von 2015).

( 90 ) Nach der Eurobarometer-Sonderumfrage 389 der Europäischen Kommission von 2012 zur Haltung der Europäer zu Ernährungssicherheit, Lebensmittelqualität und Landschaft (https://europa.eu/eurobarometer/surveys/detail/1054), gibt eine große Mehrheit (71 %) an, dass der Ursprung der Lebensmittel von großer Bedeutung sei (S. 4), wobei der Ursprung als einer von drei Faktoren genannt wird, die die Mehrheit der Unionsbürger beim Kauf von Lebensmitteln berücksichtigt (S. 16).

( 91 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. September 2009, Severi (C‑446/07, EU:C:2009:530, Rn. 61).

( 92 ) Diese Wahl könnte auch in einer Entscheidung bestehen, „mit seinem Einkaufswagen abzustimmen“, indem Erzeugnisse aus Teilen der Welt, mit denen sich ein Verbraucher in politischer, umweltbezogener, kultureller oder sonstiger Hinsicht auseinandersetzt, gekauft oder abgelehnt werden. Der Ausdruck „Abstimmung mit dem Einkaufswagen“ ist einem Artikel in The Economist entnommen, um die Praxis von Verbrauchern verständlich zu machen, die ihre politische Meinung durch ihre Kaufentscheidungen zum Ausdruck bringen. Vgl. „Voting with your trolley: Can you really change the world just by buying certain foods?“, The Economist, Special report, 7. Dezember 2006.

( 93 ) Vgl. hierzu Schlussanträge des Generalanwalts Hogan in der Rechtssache Organisation juive européenne und Vignoble Psagot (C‑363/18, EU:C:2019:494, Nrn. 47 bis 49).

( 94 ) Ein Gericht hat praktisch die gleiche Beurteilung vorzunehmen, wenn sich die fehlerhafte Information auf das ungefähre Gewicht oder den Reifegrad des betreffenden Obstes oder Gemüses bezieht, wie wenn sie dessen Herkunftsangabe betrifft.

( 95 ) Vgl. hierzu Urteil Vignoble Psagot, Rn. 51.

( 96 ) Vgl. Urteil Vignoble Psagot, Rn. 51.

( 97 ) Vgl. Urteil Vignoble Psagot, Rn. 49.

( 98 ) Vgl. Urteil Vignoble Psagot, Rn. 50.

( 99 ) Vgl. insoweit Urteil Vignoble Psagot, Rn. 48 bis 51.

( 100 ) So Generalanwalt Mischo in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Gut Springenheide und Tusky (C‑210/96, EU:C:1998:102, Nr. 78), wo er unterschieden hat zwischen „objektiv richtigen Angaben“, „objektiv unrichtigen Angaben“ und „objektiv richtigen Angaben, die den Verbraucher aber täuschen können, weil sie nicht vollständig den Tatsachen entsprechen“.

( 101 ) Wie in den Nrn. 66 bis 81 der vorliegenden Schlussanträge erörtert.

( 102 ) Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass diese Regel auch bei einer Mischung von Obst und Gemüse, das aus mehr als einem Drittland stammt, zur Anwendung gelangt; dann wird entweder ein allgemeiner Ursprungshinweis hinzugefügt (wie „Mischung von Nicht-EU-Obst und ‑Gemüse“, vgl. Art. 7 Abs. 3 der Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse), oder jedes einzelne „Ursprungsland“ muss neben dem Namen des betreffenden Obstes oder Gemüses stehen (vgl. z. B., bei einer Mischung von Tomaten verschiedenen Ursprungs, Anhang I Teil A Nr. 4 und Anhang I Teil B Teil 10 Abschnitt VI Buchst. C dieser Verordnung).

( 103 ) Vgl. hierzu Erwägungsgründe 4 und 49, Art. 5 Abs. 4 und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse. Vgl. auch Anhang I Teil A Nr. 4 und Anhang I Teil B Teil 10 Abschnitt VI Buchst. C des genannten Anhangs, in denen „Ursprungsland“ ebenfalls im Singular verwendet wird.

( 104 ) Art. 60 Abs. 1 des Zollkodex der Union.

( 105 ) Das heißt, es sei denn, das in einer Mischung enthaltene Obst und Gemüse stammt aus mehr als einem Drittland. Vgl. Art. 7 Abs. 3 der Verordnung über die allgemeine Vermarktung von Obst und Gemüse.

( 106 ) Der derzeitige Standpunkt der Union scheint darin zu bestehen, dass der politische Prozess in der Westsahara-Frage darauf abzielen sollte, „zu einer gerechten, realistischen, pragmatischen, nachhaltigen und für beide Seiten annehmbaren politischen Lösung … zu gelangen, die auf einem ‚Kompromiss‘ beruht“, wie es in Nr. 13 der Gemeinsamen Erklärung der Europäischen Union und Marokkos für die 14. Tagung des Assoziationsrates (27. Juni 2019) heißt (https://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2019/06/27/joint-declaration-by-the-european-union-and-the-kingdom-of-morocco-for-the-fourteenth-meeting-of-the-association-council/).

( 107 ) Vgl. Urteil vom 13. Januar 2022, Tesco Stores ČR (C‑881/19, EU:C:2022:15, Rn. 44 und 46 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

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