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Document 62022CC0390

    Schlussanträge des Generalanwalts A. Rantos vom 5. Oktober 2023.
    Obshtina Pomorie gegen „ANHIALO AVTO“ OOD.
    Vorabentscheidungsersuchen des Okrazhen sad – Burgas.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Verkehr – Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 – Öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße – Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen – Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen – Art. 4 Abs. 1 Buchst. b – Obligatorischer Inhalt öffentlicher Dienstleistungsaufträge – Parameter für die Berechnung der Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen – Vorherige, objektive und transparente Festlegung der Parameter – Fehlende Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens – Anwendung der im Anhang der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 enthaltenen Regeln für die Berechnung der Ausgleichsleistung – Im innerstaatlichen Recht vorgesehene Voraussetzungen für die Zahlung der Ausgleichsleistung – Bestimmung der Höhe der Ausgleichsleistung im Staatshaushaltsgesetz für das betreffende Jahr und Zahlung dieses Betrags an die zuständige nationale Behörde – Festlegung der Parameter für die Berechnung der Ausgleichsleistung durch Verweis auf allgemeine Vorschriften.
    Rechtssache C-390/22.

    Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2023:740

     SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    ATHANASIOS RANTOS

    vom 5. Oktober 2023 ( 1 )

    Rechtssache C‑390/22

    Obshtina Pomorie

    gegen

    „ANHIALO AVTO“ OOD

    (Vorabentscheidungsersuchen des Okrazhen sad – Burgas [Regionalgericht Burgas, Bulgarien])

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Verkehr – Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 – Öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße – Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i – Obligatorischer Inhalt öffentlicher Dienstleistungsaufträge und allgemeiner Vorschriften – Vorherige objektive und transparente Aufstellung der Parameter für die Berechnung der Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen – In der nationalen Regelung vorgesehene zusätzliche Voraussetzungen für die Zahlung dieser Ausgleichsleistung – Verweisung auf allgemeine Vorschriften für die Festlegung der Parameter, anhand deren diese Ausgleichsleistung berechnet wird“

    I. Einleitung

    1.

    Die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ( 2 ), die eine gemeinsame Regelung für die Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Bereich des Personenverkehrs auf Schiene und Straße festlegt, sieht in ihrem Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i vor, dass in den öffentlichen Dienstleistungsaufträgen und den allgemeinen Vorschriften die Parameter, anhand deren gegebenenfalls die Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen berechnet wird, zuvor in objektiver und transparenter Weise aufzustellen sind.

    2.

    Ist es mit dieser Bestimmung vereinbar, wenn eine Ausgleichsleistung, die einem Betreiber eines öffentlichen Dienstes für die Erfüllung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung geschuldet wird, nicht in voller Höhe gezahlt wird, weil die Mittel für diesen Ausgleich nicht im Staatshaushaltsgesetz vorgesehen und an die betreffende zuständige Behörde gezahlt wurden? Das ist im Wesentlichen die Hauptfrage, die der Okrazhen sad – Burgas (Regionalgericht Burgas, Bulgarien) stellt.

    3.

    Das Ersuchen um Vorabentscheidung ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Obshtina Pomorie (Gemeinde Pomorie, Bulgarien) und dem Unternehmen „ANHIALO AVTO“ OOD (im Folgenden: Anhialo) über die Gewährung einer Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen, die aufgrund eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags geschuldet wird, der für die Erbringung von öffentlichen Personenverkehrsdiensten mit Bussen erteilt wurde.

    4.

    Der Gerichtshof hatte zwar bereits im Urteil vom 8. September 2022, Lux Express Estonia (C‑614/20, EU:C:2022:641), die Gelegenheit, Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Verordnung Nr. 1370/2007 auszulegen, doch wird die vorliegende Rechtssache den Gerichtshof erstmals dazu veranlassen, sich zu der Frage zu äußern, ob ein Mitgliedstaat zusätzlich zu den bereits in dieser Verordnung vorgesehenen Voraussetzungen weitere Voraussetzungen für die Zahlung einer Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen einführen darf oder nicht.

    II. Rechtlicher Rahmen

    A.   Unionsrecht

    5.

    Art. 1 („Zweck und Anwendungsbereich“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 bestimmt:

    „Zweck dieser Verordnung ist es, festzulegen, wie die zuständigen Behörden unter Einhaltung des Gemeinschaftsrechts im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs tätig werden können, um die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu gewährleisten, die unter anderem zahlreicher, sicherer, höherwertig oder preisgünstiger sind als diejenigen, die das freie Spiel des Marktes ermöglicht hätte.

    Hierzu wird in dieser Verordnung festgelegt, unter welchen Bedingungen die zuständigen Behörden den Betreibern eines öffentlichen Dienstes eine Ausgleichsleistung für die ihnen durch die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen verursachten Kosten und/oder ausschließliche Rechte im Gegenzug für die Erfüllung solcher Verpflichtungen gewähren, wenn sie ihnen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegen oder entsprechende Aufträge vergeben.“

    6.

    In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) dieser Verordnung heißt es:

    „Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

    b)

    ‚zuständige Behörde‘ jede Behörde oder Gruppe von Behörden eines oder mehrerer Mitgliedstaaten, die zur Intervention im öffentlichen Personenverkehr in einem bestimmten geografischen Gebiet befugt ist, oder jede mit einer derartigen Befugnis ausgestattete Einrichtung;

    e)

    ‚gemeinwirtschaftliche Verpflichtung‘ eine von der zuständigen Behörde festgelegte oder bestimmte Anforderung im Hinblick auf die Sicherstellung von im allgemeinen Interesse liegenden öffentlichen Personenverkehrsdiensten, die der Betreiber unter Berücksichtigung seines eigenen wirtschaftlichen Interesses nicht oder nicht im gleichen Umfang oder nicht zu den gleichen Bedingungen ohne Gegenleistung übernommen hätte;

    g)

    ‚Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen‘ jeden Vorteil, insbesondere finanzieller Art, der mittelbar oder unmittelbar von einer zuständigen Behörde aus öffentlichen Mitteln während des Zeitraums der Erfüllung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung oder in Verbindung mit diesem Zeitraum gewährt wird;

    h)

    ‚Direktvergabe‘ die Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags an einen bestimmten Betreiber eines öffentlichen Dienstes ohne Durchführung eines vorherigen wettbewerblichen Vergabeverfahrens;

    i)

    ‚öffentlicher Dienstleistungsauftrag‘ einen oder mehrere rechtsverbindliche Akte, die die Übereinkunft zwischen einer zuständigen Behörde und einem Betreiber eines öffentlichen Dienstes bekunden, diesen Betreiber eines öffentlichen Dienstes mit der Verwaltung und Erbringung von öffentlichen Personenverkehrsdiensten zu betrauen, die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unterliegen; gemäß der jeweiligen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten können diese rechtsverbindlichen Akte auch in einer Entscheidung der zuständigen Behörde bestehen:

    die die Form eines Gesetzes oder einer Verwaltungsregelung für den Einzelfall haben kann oder

    die Bedingungen enthält, unter denen die zuständige Behörde diese Dienstleistungen selbst erbringt oder einen internen Betreiber mit der Erbringung dieser Dienstleistungen betraut;

    l)

    ‚allgemeine Vorschrift‘ eine Maßnahme, die diskriminierungsfrei für alle öffentlichen Personenverkehrsdienste derselben Art in einem bestimmten geografischen Gebiet, das im Zuständigkeitsbereich einer zuständigen Behörde liegt, gilt;

    …“

    7.

    Art. 3 („Öffentliche Dienstleistungsaufträge und allgemeine Vorschriften“) Abs. 1 und 2 dieser Verordnung bestimmt:

    „(1)   Gewährt eine zuständige Behörde dem ausgewählten Betreiber ausschließliche Rechte und/oder Ausgleichsleistungen gleich welcher Art für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen, so erfolgt dies im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags.

    (2)   Abweichend von Absatz 1 können gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zur Festsetzung von Höchsttarifen für alle Fahrgäste oder bestimmte Gruppen von Fahrgästen auch Gegenstand allgemeiner Vorschriften sein. Die zuständige Behörde gewährt den Betreibern eines öffentlichen Dienstes gemäß den in den Artikeln 4 und 6 und im Anhang festgelegten Grundsätzen eine Ausgleichsleistung für die – positiven oder negativen – finanziellen Auswirkungen auf die Kosten und Einnahmen, die auf die Erfüllung der in den allgemeinen Vorschriften festgelegten tariflichen Verpflichtungen zurückzuführen sind; dabei vermeidet sie eine übermäßige Ausgleichsleistung. Dies gilt ungeachtet des Rechts der zuständigen Behörden, gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zur Festsetzung von Höchsttarifen in öffentliche Dienstleistungsaufträge aufzunehmen.“

    8.

    In Art. 4 („Obligatorischer Inhalt öffentlicher Dienstleistungsaufträge und allgemeiner Vorschriften“) Abs. 1 dieser Verordnung heißt es:

    „In den öffentlichen Dienstleistungsaufträgen und den allgemeinen Vorschriften

    a)

    sind die vom Betreiber eines öffentlichen Dienstes zu erfüllenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und die geografischen Geltungsbereiche klar zu definieren;

    b)

    sind zuvor in objektiver und transparenter Weise aufzustellen:

    i)

    die Parameter, anhand deren gegebenenfalls die Ausgleichsleistung berechnet wird, und

    ii)

    die Art und der Umfang der gegebenenfalls gewährten Ausschließlichkeit;

    dabei ist eine übermäßige Ausgleichsleistung zu vermeiden. Bei öffentlichen Dienstleistungsaufträgen, die gemäß Artikel 5 Absätze 2, 4, 5 und 6 vergeben werden, werden diese Parameter so bestimmt, dass die Ausgleichsleistung den Betrag nicht übersteigen kann, der erforderlich ist, um die finanziellen Nettoauswirkungen auf die Kosten und Einnahmen zu decken, die auf die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen zurückzuführen sind, wobei die vom Betreiber eines öffentlichen Dienstes erzielten und einbehaltenen Einnahmen und ein angemessener Gewinn berücksichtigt [werden];

    c)

    sind die Durchführungsvorschriften für die Aufteilung der Kosten, die mit der Erbringung von Dienstleistungen in Verbindung stehen, festzulegen. …“

    9.

    In Art. 5 („Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge“) der Verordnung Nr. 1370/2007 heißt es:

    „(1)   Öffentliche Dienstleistungsaufträge werden nach Maßgabe dieser Verordnung vergeben. …

    (5)   Die zuständige Behörde kann im Fall einer Unterbrechung des Verkehrsdienstes oder bei unmittelbarer Gefahr des Eintretens einer solchen Situation eine Notmaßnahme ergreifen. Diese Notmaßnahme besteht in der Direktvergabe oder einer förmlichen Vereinbarung über die Ausweitung eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags oder einer Auflage, bestimmte gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zu übernehmen. Der Betreiber eines öffentlichen Dienstes hat das Recht, gegen den Beschluss zur Auferlegung der Übernahme bestimmter gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen Widerspruch einzulegen. Die Vergabe oder Ausweitung eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags als Notmaßnahme oder die Auferlegung der Übernahme eines derartigen Auftrags ist für längstens zwei Jahre zulässig.

    …“

    10.

    Art. 6 („Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen“) Abs. 1 dieser Verordnung sieht vor:

    „Jede Ausgleichsleistung im Zusammenhang mit einer allgemeinen Vorschrift oder einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag entspricht unabhängig von den Vergabemodalitäten den Bestimmungen des Artikels 4. Jede wie auch immer beschaffene Ausgleichsleistung im Zusammenhang mit einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag, der in Übereinstimmung mit Artikel 5 Absätze 2, 4, 5 oder 6 direkt vergeben wurde, oder im Zusammenhang mit einer allgemeinen Vorschrift unterliegt darüber hinaus den Bestimmungen des Anhangs.“

    11.

    Im Anhang („Regeln für die Gewährung einer Ausgleichsleistung in den in Artikel 6 Absatz 1 genannten Fällen“) dieser Verordnung (im Folgenden: Anhang) heißt es in den Nrn. 2 und 3:

    „2.   Die Ausgleichsleistung darf den Betrag nicht überschreiten, der dem finanziellen Nettoeffekt der Summe aller (positiven oder negativen) Auswirkungen der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen auf die Kosten und Einnahmen des Betreibers eines öffentlichen Dienstes entspricht. Die Auswirkungen werden beurteilt anhand des Vergleichs der Situation bei Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung mit der Situation, die vorläge, wenn die gemeinwirtschaftliche Verpflichtung nicht erfüllt worden wäre. …

    3.   Die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung kann Auswirkungen auf mögliche Beförderungstätigkeiten eines Betreibers haben, die über die betreffende(n) gemeinwirtschaftliche(n) Verpflichtung(en) hinausgehen. Zur Vermeidung von übermäßigen oder unzureichenden Ausgleichsleistungen werden daher bei der Berechnung des finanziellen Nettoeffekts alle quantifizierbaren finanziellen Auswirkungen auf die betroffenen Netze des Betreibers berücksichtigt.“

    B.   Bulgarisches Recht

    1. Straßenverkehrsgesetz

    12.

    In § 4 Abs. 1 und 3 der Schlussbestimmungen des Zakon za avtomobilnite prevozi (Straßenverkehrsgesetz) ( 3 ) vom 17. September 1999 in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung heißt es:

    „(1)   Im Staatshaushalt der Republik Bulgarien sind jährlich Ausgaben für Folgendes vorzusehen:

    1.

    die Subventionierung des Personenverkehrs auf unrentablen Busstrecken im Stadtverkehr sowie im Verkehr in Berg- und anderen Gebieten auf Vorschlag des Ministers für Verkehr, Informationstechnologien und Kommunikation;

    2.

    den Ausgleich von Mindereinnahmen aufgrund der Anwendung von Beförderungstarifen, die für bestimmte Gruppen von Fahrgästen in Rechtsetzungsakten vorgesehen sind.

    (3)   Die Bedingungen und das Verfahren für die Gewährung der in Absatz 1 genannten Mittel sowie die Bedingungen und das Verfahren für die Ausstellung von Beförderungsdokumenten für bestimmte in Rechtsetzungsakten vorgesehene Gruppen von Fahrgästen werden in einer Verordnung festgelegt, die vom Ministerrat auf Vorschlag des Ministers für Verkehr, Informationstechnologien und Kommunikation erlassen wird.“

    2. Verordnung von 2005

    13.

    Art. 1 Abs. 1 der Naredba no 3 za usloviata i reda za predostavyane na sredstva za subsidirane na prevoza na patnitsite po nerentabilni avtobusni linii vav vatreshnogradskia transport i transporta v planinski i drugi rayoni (Verordnung Nr. 3 über die Bedingungen und das Verfahren für die Gewährung von Mitteln zur Subventionierung des Personenverkehrs auf unrentablen Busstrecken im Stadtverkehr sowie im Verkehr in Berg- und anderen Gebieten) ( 4 ) vom 4. April 2005 (im Folgenden: Verordnung von 2005) sah vor:

    „Diese Verordnung legt die Bedingungen und das Verfahren für die Gewährung der im zentralen Haushalt vorgesehenen Subventionen für die Personenbeförderung im Stadt‑ und Überlandverkehr in den dünn besiedelten Berg- und Grenzgebieten des Landes fest.“

    3. Verordnung von 2015

    14.

    Art. 1 Abs. 1 und 2 der Naredba za usloviata i reda za predostavyane na sredstva za kompensirane na namalenite prihodi ot prilaganeto na tseni za obshtestveni patnicheski prevozi po avtomobilnia transport, predvideni v normativnite aktove za opredeleni kategorii patnitsi, za subsidirane na obshtestveni patnicheski prevozi po nerentabilni avtobusni linii vav vatreshnogradskia transport i transporta v planinski i drugi rayoni i za izdavane na prevozni dokumenti za izvarshvane na prevozite (Verordnung über die Bedingungen und das Verfahren für die Gewährung von Mitteln zum Ausgleich von Mindereinnahmen aufgrund der Anwendung von Tarifen für den öffentlichen Personenverkehr auf der Straße, die für bestimmte Gruppen von Fahrgästen in Rechtsetzungsakten vorgesehen sind, für die Subventionierung des öffentlichen Personenverkehrs auf unrentablen Busstrecken im Stadtverkehr sowie im Verkehr in Berg- und anderen Gebieten und für die Ausstellung von Beförderungsdokumenten für die Erbringung der Verkehrsdienste) ( 5 ) vom 29. März 2015 (im Folgenden: Verordnung von 2015) bestimmt:

    „(1)   Diese Verordnung legt die Bedingungen und das Verfahren für die Gewährung der im zentralen Haushalt vorgesehenen Mittel für Ausgleichsleistungen und Subventionen an Verkehrsunternehmen fest, die gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen für die kostenlose/ermäßigte Beförderung von Personen sowie für die Beförderung von Personen im Stadt‑ und Überlandverkehr in den Berggebieten und anderen dünn besiedelten Gebieten des Landes erfüllen.

    (2)   Die in Absatz 1 genannten Mittel stellen eine Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen für den öffentlichen Personenverkehr im Sinne der Verordnung [Nr. 1370/2007] dar und werden vorbehaltlich der in dieser Verordnung und im geltenden nationalen Recht festgelegten Bedingungen und Modalitäten gewährt.“

    15.

    Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung lautet:

    „Die in dieser Verordnung genannten Mittel werden bis zur Höhe des Betrags gewährt, der im Staatshaushaltsgesetz für das betreffende Jahr festgelegt ist.“

    16.

    Art. 3 Abs. 1 und 4 dieser Verordnung bestimmt:

    „(1)   Die von dieser Verordnung erfassten Mittel werden in Form von zweckgebundenen Transfers aus dem zentralen Haushalt über das System für elektronische Haushaltszahlungen (SEBRA-System) gewährt. Zu diesem Zweck werden Obergrenzen für die Gemeinden festgelegt, die das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren für die Vergabe öffentlicher Personenverkehrsdienste gemäß der Verordnung Nr. 1370/2007 und die Bestimmungen des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge oder des Gesetzes über Konzessionen eingehalten haben, wobei die Grundsätze der Öffentlichkeit und Transparenz, des freien und fairen Wettbewerbs sowie der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung zu beachten sind.

    (4)   Die Bürgermeister der Gemeinden entlohnen die Verkehrsunternehmen auf der Grundlage der tatsächlich erbrachten Verkehrsdienste.“

    17.

    Art. 55 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung bestimmt:

    „(1)   Die Subventionen für die Personenbeförderung werden den Beförderungsunternehmen über die Haushalte der Gemeinden bis zur Höhe eines Betrags gewährt, der die Summe nicht übersteigt, die den finanziellen Nettoauswirkungen der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung entspricht.

    (2)   Die finanziellen Nettoauswirkungen ergeben sich aus der Addition der Kosten, die in Verbindung mit einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung entstehen, die von der zuständigen Behörde auferlegt wurde und die in einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag und/oder einer allgemeinen Vorschrift enthalten ist, abzüglich aller positiven finanziellen Auswirkungen, die innerhalb des Netzes entstehen, das im Rahmen der betreffenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung betrieben wird, und abzüglich Einnahmen aus Tarifentgelten oder aller anderen Einnahmen, die in Erfüllung der betreffenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung erzielt werden, zuzüglich eines angemessenen Gewinns.“

    18.

    Art. 56 der Verordnung von 2015 sieht vor:

    „(1)   Die Subventionen werden nur den Verkehrsunternehmen gewährt, mit denen die betreffende Gemeinde Verträge geschlossen hat, die den Anforderungen der Verordnung Nr. 1370/2007 entsprechen.

    (2)   Die Verträge regeln zwingend die folgenden Bedingungen:

    1.

    die Parameter, anhand deren die Subvention berechnet wird;

    2.

    die Art, den Umfang und die Reichweite der gegebenenfalls gewährten Ausschließlichkeit sowie die Laufzeit des Vertrags;

    3.

    die Mechanismen zur Ermittlung der Kosten, die unmittelbar mit der Erbringung der Dienste verbunden sind, wie Personalkosten, Energiekosten, Infrastrukturgebühren, Wartungs- und Instandsetzungskosten für Fahrzeuge des öffentlichen Personenverkehrs, das Rollmaterial und Anlagen, die für die Erbringung der Personenverkehrsdienste erforderlich sind, sowie den Anteil der Kosten, die mittelbar mit der Erbringung der Dienste verbunden sind;

    4.

    die Mechanismen zur Aufteilung der Einnahmen aus dem Fahrscheinverkauf, die entweder beim Betreiber des öffentlichen Dienstes verbleiben, an die zuständige Behörde übergehen oder unter ihnen aufgeteilt werden;

    5.

    die Höhe des angemessenen Gewinns;

    6.

    die Verpflichtung der Bürgermeister der Gemeinden und der Verkehrsunternehmen, auf den subventionierten Stadt‑ und Überlandverkehrslinien wirksame Fahrgastkontrollen durchzuführen.

    (4)   Halten die Transportunternehmen die Vertragsbedingungen nicht ein, können die Bürgermeister der Gemeinden die Subventionen kürzen oder auch ganz aussetzen.“

    III. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

    19.

    Mit Entscheidung vom 14. August 2013 gestattete der Gouverneur der Region Burgas (Bulgarien) dem Bürgermeister der Gemeinde Pomorie, die Erbringung von öffentlichen Busverkehrsdiensten gemäß den in dieser Entscheidung aufgeführten Fahrplänen und Strecken, insbesondere im Hinblick auf die Buslinie zwischen den Gemeinden Pomorie und Kableshkovo (Bulgarien) sowie die innerstädtischen Buslinien Nrn. 1 und 2 in Pomorie, für einen Zeitraum von nicht mehr als sechs Monaten zu vergeben. Der öffentliche Dienstleistungsauftrag sollte im Rahmen einer Direktvergabe abgeschlossen werden, die gemäß Art. 5 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1370/2007 als Notmaßnahme durchgeführt werden sollte, um die Unterbrechung des öffentlichen Personenverkehrsdienstes auf den betreffenden Strecken infolge des Auslaufens der zuvor geschlossenen Verträge und des gleichzeitigen Abschlusses des Verfahrens zur Vergabe eines neuen öffentlichen Dienstleistungsauftrags zu beheben.

    20.

    Auf der Grundlage dieser Entscheidung schlossen die Gemeinde Pomorie als zuständige Behörde und Anhialo als Betreiber eines öffentlichen Dienstes am 1. November 2013 einen Vertrag, durch den Anhialo mit der Durchführung des öffentlichen Personenverkehrsdienstes auf den betreffenden Buslinien betraut wurde (im Folgenden: in Rede stehender Vertrag). In Art. 2 dieses Vertrags wurde festgelegt, dass dieser so lange läuft, bis die zuständige Behörde das Verfahren nach dem Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge abgeschlossen hat. Ferner verpflichtete sich diese Behörde in Art. 5 dieses Vertrags, dem Betreiber innerhalb der vom Finanzministerium festgelegten Fristen die Mittel zu überweisen, die gegebenenfalls einer Subvention gemäß den geltenden nationalen Rechtsvorschriften und einer Ausgleichsleistung für kostenlose/ermäßigte Fahrten bestimmter Gruppen anspruchsberechtigter Bürger nach diesen Rechtsvorschriften entsprechen.

    21.

    Nachweislich hat Anhialo die in dem in Rede stehenden Vertrag vorgesehenen Transportdienstleistungen erbracht. Dieser Vertrag wurde am 15. Januar 2019 nach Abschluss des Verfahrens beendet, das gemäß dem Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge durchgeführt wurde. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2018, für den Anhialo die Zahlung der nach diesem Vertrag geschuldeten Ausgleichsleistungen verlangte, zahlte ihr die Gemeinde Pomorie einen Betrag von 3690 bulgarischen Leva (BGN) (zum damaligen Zeitpunkt rund 1886 Euro), der dem vom Zentralhaushalt der Republik Bulgarien festgelegten und an diese Gemeinde gezahlten Gesamtbetrag der Subventionen für den Stadt‑ und Überlandverkehr entspricht.

    22.

    Anhialo wandte sich gegen die Höhe dieses Betrags und erhob beim Rayonen sad Pomorie (Rayongericht Pomorie, Bulgarien) Klage. Ein gerichtliches Rechnungslegungsgutachten ermittelte die finanziellen Nettoauswirkungen im Sinne der Bestimmungen des Anhangs und von Art. 55 der Verordnung von 2015 für dieses Unternehmen und für die Jahre 2016 bis 2018 mit rund 86000 BGN (zum damaligen Zeitpunkt rund 43800 Euro). Aus diesem Gutachten ging ferner hervor, dass die Organisation der Rechnungslegung dieses Unternehmens eine genaue Aufteilung der Kosten und Einnahmen in Bezug auf die subventionierten und die nicht subventionierten Tätigkeiten entsprechend den sich aus dem Anhang ergebenden Anforderungen ermöglichte. Vor diesem Gericht verlangte Anhialo die Zahlung eines Teilbetrags in Höhe von 24931,60 BGN (zum damaligen Zeitpunkt rund 12700 Euro) des noch ausstehenden geschuldeten Betrags.

    23.

    Mit Urteil vom 8. November 2021 gab der Rayonen sad Pomorie (Rayongericht Pomorie) der Klage statt. Dieses Gericht führte insbesondere aus, dass der Zweck der Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Sinne der Verordnung Nr. 1370/2007 darin bestehe, den negativen finanziellen Nettoeffekt auszugleichen, indem die Kosten gedeckt würden, die dem Betreiber bei der Erbringung der öffentlichen Dienstleistung entstünden, und dass die Gemeinde Pomorie, da der in Rede stehende Vertrag im Jahr 2013 geschlossen worden sei, nicht geltend machen könne, dass Anhialo keinen Anspruch auf eine Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen habe, weil dieser Vertrag nicht die in Art. 56 Abs. 2 der Verordnung von 2015 genannten zwingend erforderlichen Bedingungen enthalte. Nach Ansicht dieses Gerichts konnte nämlich das in dieser Bestimmung vorgesehene Erfordernis, zwingend die Parameter anzugeben, anhand deren die Subvention berechnet wird, in Anbetracht des Zeitpunkts des Erlasses dieser Verordnung nicht auf den in Rede stehenden Vertrag angewandt werden, und da Anhialo die öffentliche Verkehrsdienstleistung erbracht habe, für die dieser Vertrag geschlossen worden sei, habe sie Anspruch auf eine Subvention und seien die zuständigen Behörden verpflichtet, ihr gemäß der Verordnung Nr. 1370/2007 eine Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zu gewähren.

    24.

    Gegen dieses Urteil legte die Gemeinde Pomorie beim Okrazhen sad – Burgas (Regionalgericht Burgas, Bulgarien), dem vorlegenden Gericht, Berufung ein und machte geltend, dass die in der Verordnung von 2015 festgelegten Bedingungen auch in der Verordnung Nr. 1370/2007 geregelt seien. Da diese Verordnung seit ihrer Verabschiedung, d. h. seit dem 23. Oktober 2007, unmittelbare Wirkung entfalte, habe dies zur Folge, dass die in ihrem Art. 4 Abs. 1 genannten Erfordernisse bereits ab diesem Zeitpunkt gegolten hätten und dass ihr Fehlen im in Rede stehenden Vertrag der Zahlung einer Subvention jede Grundlage entziehe. Die Gemeinde Pomorie berief sich auch auf Art. 5 des in Rede stehenden Vertrags, aus dem sie ableitete, dass ihre Verpflichtung zur Überweisung von Subventionen nicht bedingungslos, sondern von der Erfüllung der in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Voraussetzungen abhängig sei. So könne ihr in Ermangelung einer aus dem zentralen Staatshaushalt in ihren Haushalt transferierten Subvention nicht vorgeworfen werden, den Beförderungsunternehmen keine Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen erbracht zu haben. Sie fügte hinzu, dass sie rechtlich nicht befugt sei, die Höhe der Ausgleichsleistungen und Subventionen selbst festzulegen, sondern lediglich diejenigen Mittel verteilen könne, die ihr zweckgebunden zugeteilt worden seien.

    25.

    Anhialo machte vor dem vorlegenden Gericht geltend, dass Art. 56 Abs. 2 der Verordnung von 2015 eine materiell-rechtliche Bestimmung sei und als solche keine Rückwirkung entfalte. Folglich könne die Rechtmäßigkeit des in Rede stehenden Vertrags nicht im Hinblick auf diese Verordnung geprüft werden. Die Verordnung Nr. 1370/2007 sehe das unabdingbare Recht des Betreibers eines öffentlichen Dienstes auf eine Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen vor und enthalte kein ausdrückliches Verbot der Zahlung von Ausgleichsleistungen für den Fall, dass der öffentliche Dienstleistungsauftrag die in dieser Verordnung vorgesehenen Anforderungen formal nicht erfülle. Ziel dieser Verordnung sei es, die Transparenz des Verfahrens zur Berechnung von Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zu gewährleisten und übermäßige Ausgleichsleistungen zu vermeiden, nicht aber, den Betreibern die ihnen zustehenden Ausgleichsleistungen vorzuenthalten. Anhialo wies ferner darauf hin, dass sie nach den Feststellungen des gerichtlichen Rechnungslegungsgutachtens alle Anforderungen der Verordnung Nr. 1370/2007 und der Verordnung von 2015 in Bezug auf die Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen erfüllt habe. Nach Auffassung dieses Unternehmens hängt die Gewährung von Subventionen aus dem zentralen Staatshaushalt gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung von 2015 allein von der betreffenden Gemeinde und davon ab, ob diese die gesetzlichen Anforderungen an die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge erfüllt habe. Daher schulde die Gemeinde Pomorie, die verpflichtet sei, den öffentlichen Personenverkehr auf ihrem Gebiet zu gewährleisten, dem betreffenden Betreiber eines öffentlichen Dienstes stets die volle Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen, unabhängig davon, ob eine Subvention gewährt worden sei oder nicht.

    26.

    Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die Verordnung von 2015 auf der Grundlage des Straßenverkehrsgesetzes, insbesondere von Art. 4 Abs. 1 der Schlussbestimmungen dieses Gesetzes, erlassen worden sei und dass Art. 2 Abs. 1 dieser Verordnung vorsehe, dass die Mittel bis zur Höhe des Betrags gewährt würden, der durch das Staatshaushaltsgesetz für das betreffende Jahr festgelegt werde. Gleichzeitig bestimme Art. 56 Abs. 1 dieser Verordnung, dass Subventionen nur solchen Betreibern eines öffentlichen Dienstes gewährt würden, mit denen die betreffende Gemeinde Verträge geschlossen habe, die den in der Verordnung Nr. 1370/2007 vorgesehenen Anforderungen entsprächen, und dass die anderen Absätze dieses Art. 56 zusätzliche Anforderungen an den Inhalt der mit den Betreibern geschlossenen Verträge stellten. So wie sie von den zuständigen nationalen Behörden ausgelegt worden sei, sehe die nationale Regelung als Voraussetzung für die Zahlung einer Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen vor, dass diese Ausgleichsleistung im Staatshaushaltsgesetz für das betreffende Jahr vorgesehen und an die zuständige Behörde ausgezahlt worden sei. Andernfalls sei diese Behörde trotz der tatsächlichen Erfüllung des öffentlichen Dienstleistungsauftrags nicht in der Lage, diese Ausgleichsleistung rechtmäßig an den Betreiber des öffentlichen Dienstes zu erbringen.

    27.

    Dagegen enthalte die Verordnung Nr. 1370/2007, insbesondere deren Art. 6 Abs. 1, keine derartigen Anforderungen in Bezug auf die Zahlung einer Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen. Deshalb möchte das vorlegende Gericht wissen, ob diese Verordnung es einem Mitgliedstaat erlaubt, durch nationale Rechtsvorschriften oder interne Regelungen zusätzliche Anforderungen und Beschränkungen in Bezug auf die Zahlung einer Ausgleichsleistung an ein Beförderungsunternehmen für die Erfüllung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung einzuführen.

    28.

    Außerdem seien in dem in Rede stehenden Vertrag nicht die Parameter festgelegt, anhand deren die Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zu berechnen sei; insoweit werde vielmehr auf die nationalen Vorschriften verwiesen. Da in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Verordnung Nr. 1370/2007 von „öffentlichen Dienstleistungsaufträgen und den allgemeinen Vorschriften“ die Rede sei, könne die Verwendung der Konjunktion „und“ dahin ausgelegt werden, dass es ausreiche, wenn die Parameter, anhand deren die Ausgleichsleistung berechnet werde, in allgemeinen Vorschriften festgelegt würden, d. h. in den mit der Verordnung von 2015 und zuvor der Verordnung von 2005 erlassenen Vorschriften. Die andere mögliche Interpretation sei, dass diese Parameter zwingend nicht nur in allgemeinen Vorschriften, sondern auch in dem öffentlichen Dienstleistungsauftrag im Sinne dieser Verordnung festgelegt werden müssten.

    29.

    Unter diesen Umständen hat der Okrazhen sad – Burgas (Regionalgericht Burgas) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Lassen es die Vorschriften der Verordnung Nr. 1370/2007 zu, dass ein Mitgliedstaat durch nationale Rechtsvorschriften oder interne Regelungen zusätzliche Anforderungen und Beschränkungen in Bezug auf die Zahlung von Ausgleichsleistungen an ein Beförderungsunternehmen für die Erfüllung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung einführt, die nicht in dieser Verordnung vorgesehen sind?

    2.

    Lässt Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Verordnung Nr. 1370/2007 die Zahlung einer Ausgleichsleistung an das Beförderungsunternehmen für die Erfüllung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung zu, wenn die Parameter, anhand deren die Ausgleichsleistung berechnet wird, zuvor nicht in einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag, jedoch in allgemeinen Vorschriften aufgestellt wurden und der finanzielle Nettoeffekt oder die Höhe der geschuldeten Ausgleichsleistung im Einklang mit dem in dieser Verordnung vorgesehenen Verfahren bestimmt wurde?

    30.

    Die Gemeinde Pomorie, die bulgarische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Die beiden letztgenannten Beteiligten haben auch in der mündlichen Verhandlung am 21. Juni 2023 mündliche Ausführungen gemacht.

    IV. Würdigung

    A.   Erste Vorlagefrage

    31.

    Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Verordnung Nr. 1370/2007 dahin auszulegen ist, dass sie es einem Mitgliedstaat verwehrt, Vorschriften zu erlassen, nach denen einem Betreiber eines öffentlichen Dienstes eine Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Sinne dieser Verordnung nur gewährt werden kann, wenn die diesem Ausgleich entsprechenden Mittel im Staatshaushaltsgesetz für das betreffende Jahr vorgesehen und an die zuständige Behörde gezahlt worden sind.

    32.

    Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung nach Art. 288 Abs. 2 AEUV in allen ihren Teilen verbindlich ist und in jedem Mitgliedstaat unmittelbar gilt. Daher haben Bestimmungen von Verordnungen aufgrund ihrer Rechtsnatur und ihrer Funktion im Rechtsquellensystem des Unionsrechts im Allgemeinen unmittelbare Wirkung in den nationalen Rechtsordnungen, ohne dass nationale Durchführungsmaßnahmen erforderlich wären. Soweit die Durchführung bestimmter Vorschriften einer Verordnung es erfordert, können die Mitgliedstaaten Maßnahmen zu deren Durchführung erlassen, wenn sie deren unmittelbare Anwendbarkeit nicht vereiteln, deren unionsrechtliche Natur nicht verbergen und die Ausübung des ihnen durch diese Verordnung verliehenen Wertungsspielraums innerhalb der Grenzen dieser Vorschriften konkretisieren ( 6 ).

    33.

    Insofern ist unter Bezugnahme auf die einschlägigen Bestimmungen der fraglichen Verordnung, die im Licht der Ziele der Verordnung auszulegen sind, festzustellen, ob diese Bestimmungen es den Mitgliedstaaten verbieten, gebieten oder gestatten, bestimmte Durchführungsmaßnahmen zu erlassen, und, insbesondere im letztgenannten Fall, ob sich die betreffende Maßnahme in den Rahmen des den einzelnen Mitgliedstaaten eingeräumten Ermessens einfügt. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass jede Bestimmung des Unionsrechts, die die Voraussetzungen erfüllt, um unmittelbare Wirkung zu entfalten, für alle Träger öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten, d. h. nicht nur für die nationalen Gerichte, sondern auch für alle Träger der Verwaltung, einschließlich der dezentralen Stellen, gilt und diese Behörden verpflichtet sind, sie anzuwenden ( 7 ).

    34.

    Zu den im vorliegenden Fall einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 1370/2007 ist festzustellen, dass deren Zweck nach ihrem Art. 1 Abs. 1 darin besteht, festzulegen, wie die zuständigen Behörden unter Einhaltung des Unionsrechts im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs tätig werden können, um die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu gewährleisten, die u. a zahlreicher, sicherer, höherwertig oder preisgünstiger sind als diejenigen, die das freie Spiel des Marktes ermöglicht hätte, und dass zu diesem Zweck in dieser Verordnung festgelegt wird, unter welchen Bedingungen die zuständigen Behörden den Betreibern eines öffentlichen Dienstes eine Ausgleichsleistung für die ihnen durch die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen verursachten Kosten und/oder ausschließliche Rechte im Gegenzug für die Erfüllung solcher Verpflichtungen gewähren, wenn sie ihnen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegen oder entsprechende Aufträge vergeben.

    35.

    Folglich regelt die Verordnung Nr. 1370/2007 die einem Betreiber eines öffentlichen Dienstes zu gewährende „Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen“, die in Art. 2 Buchst. g dieser Verordnung als jeder Vorteil, insbesondere finanzieller Art, definiert wird, der mittelbar oder unmittelbar von einer zuständigen Behörde aus öffentlichen Mitteln während des Zeitraums der Erfüllung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung oder in Verbindung mit diesem Zeitraum gewährt wird. Wie der 34. Erwägungsgrund dieser Verordnung klarstellt, „[können sich] Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen … im Bereich des Personenlandverkehrs als erforderlich erweisen, damit die mit öffentlichen Dienstleistungen betrauten Unternehmen gemäß festgelegten Grundsätzen und unter Bedingungen tätig sein können, die ihnen die Erfüllung ihrer Aufgaben ermöglichen“.

    36.

    Außerdem heißt es in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007, dass eine zuständige Behörde, wenn sie dem ausgewählten Betreiber ausschließliche Rechte und/oder Ausgleichsleistungen gleich welcher Art für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen gewährt, dies im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags tut. Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung präzisiert, dass in den öffentlichen Dienstleistungsaufträgen und den allgemeinen Vorschriften a) die vom Betreiber eines öffentlichen Dienstes zu erfüllenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und die geografischen Geltungsbereiche klar zu definieren sind, b) zuvor in objektiver und transparenter Weise i) die Parameter, anhand deren gegebenenfalls die Ausgleichsleistung berechnet wird, und ii) die Art und der Umfang der gegebenenfalls gewährten Ausschließlichkeit aufzustellen sind, wobei eine übermäßige Ausgleichsleistung zu vermeiden ist, sowie c) die Durchführungsvorschriften für die Aufteilung der Kosten, die mit der Erbringung von Dienstleistungen in Verbindung stehen, festzulegen sind.

    37.

    Insoweit hat der Gerichtshof in Bezug auf Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Verordnung Nr. 1370/2007 befunden, dass sich, was den darin verwendeten Ausdruck „gegebenenfalls“ angeht, aus dem Zusammenhang, in den sich diese Bestimmung einfügt, ergibt, dass dieser Ausdruck auf die in Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 2 und Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehene Möglichkeit der zuständigen Behörden hinweist, im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags zu beschließen, den Betreibern zusätzlich oder anstelle ausschließlicher Rechte eine Ausgleichsleistung für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen zu gewähren ( 8 ).

    38.

    Darüber hinaus kann die zuständige Behörde nach Art. 5 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1370/2007 eine Notmaßnahme ergreifen, die in Form einer „Direktvergabe“ erfolgen kann, die in Art. 2 Buchst. h dieser Verordnung als die Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags an einen bestimmten Betreiber eines öffentlichen Dienstes ohne Durchführung eines vorherigen wettbewerblichen Vergabeverfahrens definiert wird. In einem solchen Fall sieht diese Verordnung zusätzliche Anforderungen an eine Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen vor ( 9 ).

    39.

    Zum einen bestimmt Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1370/2007 nämlich, dass bei öffentlichen Dienstleistungsaufträgen, die u. a. gemäß Art. 5 Abs. 5 dieser Verordnung vergeben werden, die Parameter, anhand deren gegebenenfalls die Ausgleichsleistung berechnet wird, so bestimmt werden, dass die Ausgleichsleistung den Betrag nicht übersteigen kann, der erforderlich ist, um die finanziellen Nettoauswirkungen auf die Kosten und Einnahmen zu decken, die auf die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen zurückzuführen sind, wobei die vom Betreiber eines öffentlichen Dienstes erzielten und einbehaltenen Einnahmen und ein angemessener Gewinn berücksichtigt werden.

    40.

    Zum anderen bestimmt Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007, dass jede Ausgleichsleistung im Zusammenhang mit einer allgemeinen Vorschrift oder einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag unabhängig von den Vergabemodalitäten den Bestimmungen des Art. 4 dieser Verordnung entspricht und dass jede wie auch immer beschaffene Ausgleichsleistung im Zusammenhang mit einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag, der in Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 5 direkt vergeben wurde, oder im Zusammenhang mit einer allgemeinen Vorschrift darüber hinaus den Bestimmungen des Anhangs unterliegt. Dieser besagt in Nr. 2, dass „[d]ie Ausgleichsleistung … den Betrag nicht überschreiten [darf], der dem finanziellen Nettoeffekt der Summe aller (positiven oder negativen) Auswirkungen der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen auf die Kosten und Einnahmen des Betreibers eines öffentlichen Dienstes entspricht“. Nr. 3 dieses Anhangs präzisiert, dass „[d]ie Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung … Auswirkungen auf mögliche Beförderungstätigkeiten eines Betreibers haben [kann], die über die betreffende(n) gemeinwirtschaftliche(n) Verpflichtung(en) hinausgehen“, und dass „[z]ur Vermeidung von übermäßigen oder unzureichenden Ausgleichsleistungen … daher bei der Berechnung des finanziellen Nettoeffekts alle quantifizierbaren finanziellen Auswirkungen auf die betroffenen Netze des Betreibers berücksichtigt [werden]“.

    41.

    Somit geht aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 1370/2007 hervor, dass diese, soweit es sich um Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen handelt, in erster Linie darauf abzielt, eine übermäßige Ausgleichsleistung zugunsten des Betreibers einer öffentlichen Dienstleistung zu vermeiden ( 10 ), die zu einer ungerechtfertigten Bereicherung dieses Betreibers führen würde. Es ist darauf hinzuweisen, dass das Ausgangsverfahren keinen Fall einer übermäßigen Ausgleichsleistung betrifft, sondern im Gegenteil einen Fall einer in Nr. 3 des Anhangs ebenfalls erwähnten unzureichenden Ausgleichsleistung, in dem der Betreiber verpflichtet ist, seine gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen gemäß dem öffentlichen Dienstleistungsauftrag zu erfüllen, ohne eine Gegenleistung zu erhalten. Zur Vermeidung dieser beiden Fallgestaltungen muss ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag die Parameter für die Berechnung der Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen enthalten, die zuvor in objektiver und transparenter Weise festgelegt werden müssen, und bei Aufträgen, die direkt vergeben werden, muss die Höhe der Ausgleichsleistung darüber hinaus im Hinblick auf die finanziellen Nettoauswirkungen für den Betreiber des öffentlichen Dienstes bestimmt werden. Wie der Gerichtshof festgestellt hat, geht aus diesen Bestimmungen auch hervor, dass die Verordnung Nr. 1370/2007 die zuständigen Behörden verpflichtet, eine Ausgleichsleistung für die Belastungen zu gewähren, die sich aus den gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen ergeben ( 11 ).

    42.

    Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass Anhialo und die Gemeinde Pomorie den in Rede stehenden Vertrag im Rahmen einer Direktvergabe gemäß Art. 5 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1370/2007 geschlossen haben. Es ist zudem unstreitig, dass Anhialo die in diesem Vertrag genannten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen erfüllt hat. Die Gemeinde Pomorie hat diesem Unternehmen jedoch nicht den gesamten Betrag der Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen gezahlt, auf die es Anspruch hatte und wie sie durch ein gerichtliches Gutachten festgestellt wurde. Hierzu führt das vorlegende Gericht aus, dass die nationale Regelung, so wie sie von den zuständigen nationalen Behörden ausgelegt worden sei, die Zahlung einer Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen davon abhängig mache, dass diese Ausgleichsleistung im Staatshaushaltsgesetz für das betreffende Jahr vorgesehen und an die zuständige Behörde gezahlt worden sei. Im vorliegenden Fall habe die Gemeinde Pomorie für den betreffenden Zeitraum nur 3690 BGN (zum damaligen Zeitpunkt rund 1886 Euro) an Anhialo gezahlt ( 12 ), was dem Gesamtbetrag der Mittel entspreche, die vom zentralen Haushalt der Republik Bulgarien an diese Gemeinde als Subvention für den Stadt- und Überlandverkehr festgelegt und ausgezahlt worden seien ( 13 ).

    43.

    Folglich ist in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens zum einen festzustellen, dass die Parameter, anhand deren die Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen berechnet wird, nicht zuvor in objektiver und transparenter Weise festgelegt wurden. Dieser Betrag hängt nämlich von den aus dem Staatshaushalt zugewiesenen Mitteln ab, die von einem Jahr zum anderen schwanken können und sich nach Kriterien richten, die in keinem Zusammenhang mit der Erfüllung des dem Betreiber des öffentlichen Dienstes erteilten Dienstleistungsauftrags stehen. Wie im neunten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1370/2007 dargelegt, müssen jedoch, wenn Ausgleichsleistungen oder ausschließliche Rechte gewährt werden, zur Gewährleistung der Anwendung der Grundsätze der Transparenz, der Gleichbehandlung konkurrierender Betreiber und der Verhältnismäßigkeit in einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag der zuständigen Behörde an den ausgewählten Betreiber eines öffentlichen Dienstes die Art der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und die vereinbarten Gegenleistungen festgelegt werden.

    44.

    Zum anderen berücksichtigt insbesondere im Fall direkt vergebener öffentlicher Dienstleistungsaufträge die Voraussetzung, dass die Mittel im zentralen Haushalt festgelegt sein und aus diesem ausgezahlt werden müssen, um dem Betreiber eine Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen gewähren zu können, nicht die auf die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen zurückzuführenden finanziellen Nettoauswirkungen auf die Kosten und Einnahmen, wie Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1370/2007 und deren Anhang dies verlangen. Ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag kann jedoch nicht dazu führen, eine Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen, deren Logik „vergütungsorientiert“ ist ( 14 ), auf den Betrag zu begrenzen, der der zuständigen Behörde aus dem Staatshaushalt zugewiesen wird, nachdem diese Verpflichtung vertraglich festgelegt worden ist.

    45.

    Ich möchte hinzufügen, dass ein Mitgliedstaat, sollten seine Haushaltsmittel hierfür nicht ausreichen, für die Zukunft beschließen kann, die Vergabe öffentlicher Aufträge zu beschränken oder gar keine öffentlichen Dienstleistungsaufträge mehr zu erteilen, wie die bulgarische Regierung und die Kommission ausgeführt haben. Für die Vergangenheit liegt es hingegen meines Erachtens auf der Hand, dass der Betreiber eines öffentlichen Dienstes, sofern er seinen Auftrag – wie im Ausgangsverfahren – erfüllt hat, gemäß der Verordnung Nr. 1370/2007 einen Anspruch auf eine Ausgleichsleistung für die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen hat, zu denen er herangezogen wurde. Über die Anwendung dieser Verordnung hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, insbesondere gebietet, dass Rechtsvorschriften klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen voraussehbar sein müssen ( 15 ).

    46.

    Außerdem handelt es sich bei einer „gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung“ nach Art. 2 Buchst. e der Verordnung Nr. 1370/2007 ganz allgemein um eine von der zuständigen Behörde festgelegte oder bestimmte Anforderung im Hinblick auf die Sicherstellung von im allgemeinen Interesse liegenden öffentlichen Personenverkehrsdiensten, die der Betreiber unter Berücksichtigung seines eigenen wirtschaftlichen Interesses nicht oder nicht im gleichen Umfang oder nicht zu den gleichen Bedingungen ohne Gegenleistung übernommen hätte. Ohne Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen wäre also kein Betreiber bereit, solche Dienste von allgemeinem Interesse zu erbringen. Der Ansatz, die Zahlung einer bestimmten Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen daran zu knüpfen, dass der Mitgliedstaat der zuständigen Behörde eine Subvention überweist, könnte unter den Gegebenheiten des Ausgangsverfahrens dazu führen, dass es zu einer zu geringen oder zu gar keiner Ausgleichsleistung kommt, wodurch öffentliche Dienstleistungsaufträge und die mit ihnen verbundenen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen geradezu existenziell gefährdet würden.

    47.

    Unter diesen Umständen ist unter Berücksichtigung der in den Nrn. 32 und 33 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung festzustellen, dass die in Rede stehende nationale Regelung nicht in den Rahmen des den einzelnen Mitgliedstaaten eingeräumten Ermessens beim Erlass von Maßnahmen zur Durchführung einer Verordnung fällt, nämlich im vorliegenden Fall zur Durchführung der Verordnung Nr. 1370/2007 in Bezug auf die Festlegung der Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen, auf die ein Betreiber eines öffentlichen Dienstes Anspruch hat.

    48.

    Nach alledem schlage ich vor, auf die erste Frage zu antworten, dass die Verordnung Nr. 1370/2007 dahin auszulegen ist, dass sie es einem Mitgliedstaat verwehrt, Bestimmungen zu erlassen, nach denen einem Betreiber eines öffentlichen Dienstes eine Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Sinne dieser Verordnung nur dann gewährt werden kann, wenn die entsprechenden Mittel im Staatshaushaltsgesetz für das betreffende Jahr vorgesehen und an die zuständige Behörde gezahlt worden sind.

    B.   Zweite Vorlagefrage

    49.

    Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Verordnung Nr. 1370/2007 dahin auszulegen ist, dass er die Zahlung einer Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen an den Betreiber eines öffentlichen Dienstes zulässt, wenn die Parameter, anhand deren die Ausgleichsleistung berechnet wird, nicht in einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag festgelegt sind, sondern zuvor in allgemeinen Vorschriften aufgestellt wurden, die die Höhe dieser Ausgleichsleistung im Einklang mit den Bestimmungen dieser Verordnung festlegen.

    50.

    Zunächst ist festzustellen, dass Art. 2 Buchst. l der Verordnung Nr. 1370/2007 eine „allgemeine Vorschrift“ als eine Maßnahme definiert, die diskriminierungsfrei für alle öffentlichen Personenverkehrsdienste derselben Art in einem bestimmten geografischen Gebiet, das im Zuständigkeitsbereich einer zuständigen Behörde liegt, gilt.

    51.

    Zur Beantwortung der vorgelegten Frage ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs bei der Auslegung einer unionsrechtlichen Vorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Kontext und die Ziele zu berücksichtigen sind, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden ( 16 ).

    52.

    Was erstens den Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Verordnung Nr. 1370/2007 betrifft, legt diese Bestimmung fest, dass in den öffentlichen Dienstleistungsaufträgen „und“ den allgemeinen Vorschriften zuvor in objektiver und transparenter Weise die Parameter aufzustellen sind, anhand deren gegebenenfalls die Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen berechnet wird, wobei eine übermäßige Ausgleichsleistung zu vermeiden ist. Mir scheint klar zu sein, dass der Unionsgesetzgeber durch die Verwendung der Konjunktion „und“ die „allgemeinen Vorschriften“ als eine der Grundlagen einbeziehen wollte, anhand deren die Höhe der Ausgleichsleistung bestimmt werden kann. Der Wortlaut dieser Bestimmung verlangt mit anderen Worten nicht, dass alle Parameter für die Berechnung der Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen in einem einzigen Dokument festgelegt werden, sondern nur, dass diese Parameter zuvor auf objektive und transparente Weise bestimmt werden.

    53.

    Was zweitens den Kontext betrifft, in den sich Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Verordnung Nr. 1370/2007 einfügt, ist festzustellen, dass Art. 2 Buchst. i dieser Verordnung den „öffentlichen Dienstleistungsauftrag“ als einen oder mehrere rechtsverbindliche Akte definiert, die die Übereinkunft zwischen einer zuständigen Behörde und einem Betreiber eines öffentlichen Dienstes bekunden, diesen Betreiber eines öffentlichen Dienstes mit der Verwaltung und Erbringung von öffentlichen Personenverkehrsdiensten zu betrauen, die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unterliegen. In dieser Bestimmung heißt es weiter, dass diese rechtsverbindlichen Akte gemäß der jeweiligen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten auch in einer Entscheidung der zuständigen Behörde bestehen können, die die Form eines Gesetzes oder einer Verwaltungsregelung für den Einzelfall haben kann oder die Bedingungen enthält, unter denen die zuständige Behörde diese Dienstleistungen selbst erbringt oder einen internen Betreiber mit der Erbringung dieser Dienstleistungen betraut. In diesem Sinne heißt es im neunten Erwägungsgrund dieser Verordnung, dass die Form oder Benennung dieses Vertrags je nach den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten variieren kann.

    54.

    So hat sich der Unionsgesetzgeber in Anbetracht der Unterschiede zwischen den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten für ein weites und flexibles Verständnis des Begriffs „Dienstleistungsauftrag“ im Sinne der Verordnung Nr. 1370/2007 entschieden ( 17 ), das sowohl vertragliche als auch andere Arten von Rechtsakten umfasst ( 18 ), indem er eine Kombination aus einem allgemeinen Rechtsakt, mit dem einem Betreiber die Erbringung von Dienstleistungen übertragen wird, und einem Verwaltungsakt, in dem die detaillierte Leistungsbeschreibung für die zu erbringenden Dienstleistungen sowie die für die Ausgleichsberechnung anzuwendende Methode enthalten sind, anerkennt ( 19 ). Dieser Kontext stützt somit die Auslegung, dass die Parameter für die Berechnung der Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen durch Verweis auf allgemeine Rechts- oder Verwaltungsvorschriften aufgestellt werden können, sofern diese Vorschriften diese Parameter im Voraus objektiv und transparent festlegen.

    55.

    Was drittens die mit der Verordnung Nr. 1370/2007 verfolgten Ziele betrifft, ist das Ziel der Transparenz, wie aus den Erwägungsgründen 9 und 30 dieser Verordnung hervorgeht, bei der Aufstellung der Parameter für die Berechnung der Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen von besonderer Bedeutung. Zur Erreichung dieses Ziels ist es jedoch nicht erforderlich, dass alle Parameter für die Berechnung der Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen in dem zwischen der zuständigen Behörde und dem Betreiber eines öffentlichen Dienstes geschlossenen Vertrag enthalten sind. Wenn nämlich allgemeine Vorschriften über die Parameter der Ausgleichsberechnung, wie in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i dieser Verordnung gefordert, zuvor in objektiver und transparenter Weise aufgestellt wurden und die im Anhang vorgesehenen Bedingungen erfüllen, kann der Betreiber eines öffentlichen Dienstes die Höhe der Ausgleichsleistung, die er erhalten kann, selbst ermitteln. Außerdem müssen diese allgemeinen Vorschriften im Rahmen der Anwendung dieser Bestimmung für die betroffenen Betreiber leicht zugänglich sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie im Amtsblatt des betreffenden Mitgliedstaats veröffentlicht worden sind.

    56.

    Daher schlage ich vor, auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Verordnung Nr. 1370/2007 dahin auszulegen ist, dass er die Zahlung einer Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen an einen Betreiber eines öffentlichen Dienstes zulässt, wenn die Parameter, anhand deren die Ausgleichsleistung berechnet wird, nicht in einem Dienstleistungsauftrag festgelegt sind, sondern zuvor in objektiver und transparenter Weise in allgemeinen Vorschriften aufgestellt wurden, die die Höhe dieser Ausgleichsleistung im Einklang mit den Bestimmungen dieser Verordnung festlegen.

    V. Ergebnis

    57.

    Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die vom Okrazhen sad – Burgas (Regionalgericht Burgas, Bulgarien) zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen wie folgt zu antworten:

    1.

    Die Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates

    ist dahin auszulegen, dass

    sie es einem Mitgliedstaat verwehrt, Vorschriften zu erlassen, nach denen einem Betreiber eines öffentlichen Dienstes eine Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Sinne dieser Verordnung nur gewährt werden kann, wenn die diesem Ausgleich entsprechenden Mittel im Staatshaushaltsgesetz für das betreffende Jahr vorgesehen und an die zuständige Behörde gezahlt worden sind.

    2.

    Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Verordnung Nr. 1370/2007

    ist dahin auszulegen, dass

    er die Zahlung einer Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen an einen Betreiber eines öffentlichen Dienstes zulässt, wenn die Parameter, anhand deren die Ausgleichsleistung berechnet wird, nicht in einem Dienstleistungsauftrag festgelegt sind, sondern zuvor in objektiver und transparenter Weise in allgemeinen Vorschriften aufgestellt wurden, die die Höhe dieser Ausgleichsleistung im Einklang mit den Bestimmungen dieser Verordnung festlegen.


    ( 1 ) Originalsprache: Französisch.

    ( 2 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. 2007, L 315, S. 1). Die Verordnung Nr. 1370/2007 trat gemäß ihrem Art. 12 am 3. Dezember 2009 in Kraft.

    ( 3 ) DV Nr. 82 vom 17. September 1999.

    ( 4 ) DV Nr. 33 vom 15. April 2005.

    ( 5 ) DV Nr. 51 vom 7. Juli 2015.

    ( 6 ) Vgl. Urteil vom 22. Januar 2020, Ursa Major Services (C‑814/18, EU:C:2020:27, Rn. 33 und 34 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 7 ) Vgl. Urteil vom 22. Januar 2020, Ursa Major Services (C‑814/18, EU:C:2020:27, Rn. 35 und 36 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 8 ) Vgl. Urteil vom 8. September 2022, Lux Express Estonia (C‑614/20, EU:C:2022:641, Rn. 73 und 74).

    ( 9 ) In dieser Hinsicht heißt es im 27. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1370/2007, dass eine zuständige Behörde, wenn sie die Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags ohne wettbewerbliches Vergabeverfahren beabsichtigt, auch detaillierte Bestimmungen einhalten sollte, mit denen die Angemessenheit der Ausgleichsleistung gewährleistet wird und die der angestrebten Effizienz und Qualität der Dienste Rechnung tragen. Darüber hinaus sollte gemäß dem 30. Erwägungsgrund dieser Verordnung bei direkt vergebenen öffentlichen Dienstleistungsaufträgen für größere Transparenz gesorgt werden.

    ( 10 ) In diesem Sinne besagt auch der 27. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1370/2007, dass die von den zuständigen Behörden gewährten Ausgleichsleistungen zur Deckung der Kosten, die durch die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen verursacht werden, so berechnet werden sollten, dass übermäßige Ausgleichsleistungen vermieden werden.

    ( 11 ) Vgl. Urteil vom 8. September 2022, Lux Express Estonia (C‑614/20, EU:C:2022:641, Rn. 71).

    ( 12 ) In der mündlichen Verhandlung ist nicht in Abrede gestellt worden, dass im vorliegenden Fall der Umstand, dass die zustehende Ausgleichsleistung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen nicht vollständig gezahlt wurde, endgültiger Natur ist.

    ( 13 ) In ihren schriftlichen Erklärungen macht die bulgarische Regierung geltend, dass eine Gemeinde im Fall unzureichender ihr aus dem zentralen Haushalt zugewiesener Ausgleichsmittel den Fehlbetrag mit Mitteln aus dem Gemeindehaushalt ausgleichen könne. Da dieser Fall jedoch nicht Gegenstand der vom vorlegenden Gericht gestellten Vorlagefragen ist, soll er hier nicht weiter untersucht werden.

    ( 14 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Campos Sánchez-Bordona in der Rechtssache Lux Express Estonia (C‑614/20, EU:C:2022:180, Nrn. 39 bis 42).

    ( 15 ) Vgl. Urteil vom 27. April 2023, BVAEB (Höhe des Ruhebezugs) (C‑681/21, EU:C:2023:349, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 16 ) Urteil vom 4. Mai 2023, Bundesrepublik Deutschland (Elektronisches Gerichtsfach) (C‑60/22, EU:C:2023:373, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 17 ) Vgl. in der Lehre Vieu, P., „A propos de l’intégration de l’Europe des transports. Observations sur l’interprétation et l’application de la norme européenne: le cas du règlement OSP“, RTD eur., 2010, Nr. 2, S. 297 bis 331, insbesondere S. 320.

    ( 18 ) Vgl. in der Lehre Franco Escobar, S. E., „Las compensaciones económicas por obligaciones de servicio público en el transporte regular de viajeros por carretera“, in Financiación de las obligaciones de servicio público: ayudas públicas a las telecomunicaciones, televisión, correos y transporte aéreo, marítimo y terrestre, Tirant lo Blanch, Madrid, 2009, S. 201 bis 230, insbesondere S. 211.

    ( 19 ) Vgl. in diesem Sinne Mitteilung der Kommission über die Auslegungsleitlinien zu der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 (ABl. 2014, C 92, S. 1), insbesondere Nr. 2.2.1.

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