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Document 62021TJ0757

Urteil des Gerichts (Siebte Kammer) vom 26. April 2023 (Auszüge).
Activa - Grillküche GmbH gegen Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum.
Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Nichtigkeitsverfahren – Eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster, das ein Grillgerät darstellt – Offenbarung des älteren Geschmacksmusters – Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002.
Rechtssache T-757/21.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2023:216

 URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

26. April 2023 ( *1 )

„Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Nichtigkeitsverfahren – Eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster, das ein Grillgerät darstellt – Offenbarung des älteren Geschmacksmusters – Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002“

In der Rechtssache T‑757/21,

Activa – Grillküche GmbH mit Sitz in Selb (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwälte F. Stangl und M. Würth,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch G. Sakalaitė-Orlovskienė und J. Ivanauskas als Bevollmächtigte,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin im Verfahren vor dem Gericht:

Targa GmbH, mit Sitz in Soest (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt M.‑H. Hoffmann,

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin K. Kowalik-Bańczyk sowie der Richter G. Hesse (Berichterstatter) und I. Dimitrakopoulos,

Kanzler: A. Juhász-Tóth, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2022,

folgendes

Urteil ( 1 )

1

Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die Activa – Grillküche GmbH, die Aufhebung der Entscheidung der Dritten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 4. Oktober 2021 (Sache R 1651/2020-3) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

Vorgeschichte des Rechtsstreits

2

Die Streithelferin, die Targa GmbH, meldete am 5. April 2016 beim EUIPO gemäß der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. 2002, L. 3, S. 1) ein eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster an.

3

Das streitige Geschmacksmuster wurde vom EUIPO unter der Nr. 3056449-0001 für „Grillgeräte“ in der Klasse 07.02 nach dem Abkommen von Locarno vom 8. Oktober 1968 zur Errichtung einer Internationalen Klassifikation für gewerbliche Muster und Modelle in geänderter Fassung eingetragen. Es wird in den folgenden drei Ansichten dargestellt:

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4

Am 14. November 2018 stellte die Klägerin einen Antrag auf Nichtigerklärung des angegriffenen Geschmacksmusters und machte geltend, diesem fehle es an Neuheit und Eigenart im Sinne der Art. 5 und 6 der Verordnung Nr. 6/2002.

5

Zur Stützung ihres Vorbringens berief sich die Klägerin auf drei ältere Geschmacksmuster, darunter das unter dem Aktenzeichen CN 204410600 eingetragene chinesische Gebrauchsmuster (im Folgenden: chinesisches Gebrauchsmuster), das am 24. Juni 2015 von Guangzhou Hungkay in China veröffentlicht wurde und u. a. in folgenden Ansichten wiedergegeben wird:

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6

Nach seiner Veröffentlichung war das chinesische Gebrauchsmuster Gegenstand von zwei Übertragungsverträgen (im Folgenden zusammen: Übertragungsverträge). Mit einem ersten Vertrag vom 26. November 2016 übertrug Guanghzou Hungkay mit Wirkung vom 7. Oktober 2014 alle Rechte des geistigen Eigentums an dem chinesischen Gebrauchsmuster für das Gebiet der Europäischen Union, einschließlich des Vereinigten Königreichs auf die Streithelferin. Mit einem zweiten Vertrag vom 28. November 2016 übertrug A, der ursprüngliche Entwerfer des chinesischen Gebrauchsmusters und Angestellter von Guangzhou Hungkay, ebenfalls mit Wirkung vom 7. Oktober 2014 alle Rechte des geistigen Eigentums an dem genannten chinesischen Gebrauchsmuster auf Guangzhou Hungkay.

7

Mit Entscheidung vom 12. Juni 2020 wies die Nichtigkeitsabteilung den Antrag auf Nichtigerklärung zurück und erlegte der Klägerin die Kosten auf.

8

Am 4. August 2020 legte die Klägerin gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung Beschwerde ein.

9

Mit der angefochtenen Entscheidung wies die Dritte Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück und erlegte der Klägerin die Kosten auf.

Anträge der Parteien

10

Die Klägerin beantragt,

die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

das angegriffene Geschmacksmuster für nichtig zu erklären;

dem EUIPO und der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

11

Das EUIPO und die Streithelferin beantragen,

die Klage abzuweisen;

der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

[nicht wiedergegeben]

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002

13

Die Klägerin macht geltend, dass die Beschwerdekammer gegen Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 verstoßen habe, indem sie ihre Entscheidung auf die Schonfrist gestützt habe, obwohl das chinesische Gebrauchsmuster, auf das sich die Klägerin zur Begründung ihres Antrags auf Nichtigerklärung berufe, erst nach Einreichung der Anmeldung des angegriffenen Geschmacksmusters auf die Streithelferin übertragen worden sei. Sie ist im Wesentlichen der Ansicht, dass der Status eines Rechtsnachfolgers im Sinne des genannten Artikels nur auf der Grundlage der tatsächlichen Situation zum Zeitpunkt dieser Einreichung beurteilt werden könne. Nach diesem Zeitpunkt getroffene Vereinbarungen könnten unabhängig davon, ob sie vordatiert worden seien oder nicht, nicht den Status eines Rechtsnachfolgers verleihen oder das Fehlen dieses Status zum Zeitpunkt der Einreichung heilen. Die Klägerin fügt hinzu, dass die Frage der Neuheit und des individuellen Charakters objektiv beurteilt werden müsse.

14

Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

15

Nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 gilt ein eingetragenes Geschmacksmuster als neu, wenn der Öffentlichkeit vor dem Tag der Anmeldung zur Eintragung des Geschmacksmusters, das geschützt werden soll, kein identisches Geschmacksmuster zugänglich gemacht worden ist.

16

Gemäß Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 gilt ein Geschmacksmuster im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wenn es nach der Eintragung oder auf andere Weise bekannt gemacht, oder wenn es ausgestellt, im Verkehr verwendet oder auf sonstige Weise offenbart wurde, und zwar vor dem Tag der Anmeldung zur Eintragung des Geschmacksmusters, das geschützt werden soll, es sei denn, dass dies den in der Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf nicht bekannt sein konnte. Ein Geschmacksmuster gilt jedoch nicht als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wenn es lediglich einem Dritten unter der ausdrücklichen oder stillschweigenden Bedingung der Vertraulichkeit offenbart wurde.

17

Nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 bleibt eine Offenbarung bei der Anwendung von Art. 5 der Verordnung unberücksichtigt, wenn ein Geschmacksmuster, das als eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützt werden soll, während der zwölf Monate vor dem Anmeldetag oder dem Prioritätstag als Folge von Informationen oder Handlungen des Entwerfers oder seines Rechtsnachfolgers zugänglich gemacht wurde.

18

Nach der Rechtsprechung muss der Inhaber des von dem Nichtigkeitsantrag betroffenen Geschmacksmusters nachweisen, dass er entweder der Entwerfer des zur Begründung dieses Antrags geltend gemachten Geschmacksmusters oder der Rechtsnachfolger dieses Entwerfers ist, damit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens anwendbar sein kann (Urteile vom 14. Juni 2011, Sphere Time/HABM – Punch [An einem Riemen befestigte Uhr], T‑68/10, EU:T:2011:269, Rn. 26, und vom 18. November 2015, Liu/HABM – DSN Marketing [Laptop-Hülle], T‑813/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:868, Rn. 23).

19

Im vorliegenden Fall war die Beschwerdekammer der Ansicht, dass die am 24. Juni 2015 erfolgte Veröffentlichung des chinesischen Gebrauchsmusters eine Offenbarung darstelle. Diese Offenbarung sei auch dem Rechtsnachfolger des Entwerfers zuzurechnen und sei innerhalb der Schonfrist von zwölf Monaten vor dem Anmeldetag des angegriffenen Geschmacksmusters erfolgt, die sich vom 5. April 2015 bis zum 4. April 2016 erstreckt habe. Sie schloss daraus, dass die in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 vorgesehene Ausnahme im vorliegenden Fall anwendbar sei.

20

In dieser Hinsicht ist zum maßgeblichen Sachverhalt zunächst festzustellen, dass aus den von der Streithelferin vorgelegten Beweisen hervorgeht, dass A, ein Angestellter von Guangzhou Hungkay, der Entwerfer des chinesischen Gebrauchsmusters ist und seine Rechte des geistigen Eigentums an dem Gebrauchsmuster im Rahmen eines am 28. November 2016 geschlossenen Vertrags mit Wirkung vom 7. Oktober 2014 auf seinen Arbeitgeber, Guangzhou Hungkay, übertragen hat, wie aus seinen Erklärungen hervorgeht. Das Eigentumsrecht von Guangzhou Hungkay an dem chinesischen Gebrauchsmuster wird durch das chinesische Patentrecht bestätigt, wonach eine Erfindungsschöpfung, die bei der Ausübung der Tätigkeit eines Arbeitnehmers oder unter Verwendung der materiellen und technischen Bedingungen eines Arbeitgebers gemacht wird, als eine Erfindungsschöpfung der Arbeitsstelle gilt, für die der Arbeitgeber das Recht hat, ein Patent anzumelden.

21

Am 24. Juni 2015 machte Guangzhou Hungkay als Entwerfer oder zumindest Rechtsnachfolger des Entwerfers das chinesische Gebrauchsmuster nach seiner Registrierung in China öffentlich zugänglich. Die Parteien räumen ein, dass das öffentlich zugänglich gemachte chinesische Gebrauchsmuster mit dem angegriffenen Geschmacksmuster identisch ist.

22

Schließlich übertrug Guangzhou Hungkay im Rahmen eines am 26. November 2016 geschlossenen Vertrags einen Teil der Rechte des geistigen Eigentums an dem Muster eines Grills, das dem chinesischen Gebrauchsmuster entsprach, auf die Streithelferin. Nach diesem Vertrag wurden „alle Rechte an dem Geschmacksmuster für das Gebiet der … Europäischen [Union], einschließlich [des Vereinigten Königreichs], am 7. Oktober 2014 von [Guangzhou] Hungkay auf [die Streithelferin] übertragen“ und „[die Streithelferin] ist … berechtigt …, alle in diesem Vertrag festgelegten Rechte gegenüber jedem Dritten …, der Rechte des geistigen Eigentums an dem Geschmacksmuster verletzt, auszuüben und durchzusetzen …“.

23

Zur Frage, ob die in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 vorgesehene Ausnahme im vorliegenden Fall anwendbar ist, ist zunächst klarzustellen, dass die Übertragungsverträge dem anwendbaren nationalen Recht unterliegen und dass die Klägerin weder substantiiert ihre Gültigkeit noch ihre Wirksamkeit gegenüber Dritten im Hinblick auf dieses nationale Recht bestreitet.

24

Sodann ist zum einen auf die Rolle des Grundsatzes der Vertragsfreiheit im Unionsrecht und zum anderen auf die Ziele der Verordnung Nr. 6/2002 hinzuweisen.

25

Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass das Recht der Parteien zum Abschluss von Verträgen, mit denen Eigentumsrechte übertragen werden, auf dem Grundsatz der Vertragsfreiheit beruht und daher nicht eingeschränkt werden kann, wenn es keine Unionsregelung gibt, die in dieser Beziehung besondere Beschränkungen festlegt. Daher kann eine solche Vertragsbestimmung, die eine solche Übertragung vorsieht, nicht als unzulässig angesehen werden, solange der Zweck der Bestimmung nicht dem von der anwendbaren Unionsregelung verfolgten Zweck zuwiderläuft und keine Betrugsgefahr hervorruft (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 5. Oktober 1999, Spanien/Kommission, C‑240/97, EU:C:1999:479, Rn. 99 und 100).

26

Was im vorliegenden Fall erstens den Inhalt der anwendbaren Unionsregelung betrifft, verbietet es keine Bestimmung dieser Regelung, insbesondere der Verordnung Nr. 6/2002, im Rahmen eines Antrags auf Nichtigerklärung Verträge zu berücksichtigen, die nach dem Tag der Einreichung einer Anmeldung eines eingetragenen Geschmacksmusters unterzeichnet wurden und eine rückwirkende Übertragung von Rechten des geistigen Eigentums an einem älteren Geschmacksmuster, das einem nationalen Recht unterliegt, bewirken.

27

Was zweitens das Ziel der anwendbaren Unionsregelung betrifft, ist Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 im Licht des 20. Erwägungsgrundes dieser Verordnung auszulegen, der darauf hinweist, dass es auch notwendig ist, dass der Entwerfer oder sein Rechtsnachfolger die Erzeugnisse, in denen das Geschmacksmuster verwendet wird, vor der Entscheidung darüber, ob der Schutz durch ein eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster wünschenswert ist, auf dem Markt testen können.

28

Daraus folgt, dass der Zweck der in Art. 7 der Verordnung Nr. 6/2002 vorgesehenen Ausnahme darin besteht, dem Entwerfer oder seinem Rechtsnachfolger die Möglichkeit zu geben, ein Geschmacksmuster während eines Zeitraums von zwölf Monaten auf dem Markt vorzustellen, bevor er die Formalitäten der Anmeldung vornehmen muss. Somit kann sich der Entwerfer oder sein Rechtsnachfolger des wirtschaftlichen Erfolgs des betreffenden Geschmacksmusters vergewissern, bevor er die mit der Eintragung verbundenen Kosten auf sich nimmt, ohne befürchten zu müssen, dass die damit erfolgte Offenbarung in einem nach der eventuellen Eintragung des betreffenden Geschmacksmusters veranlassten Nichtigkeitsverfahren mit Erfolg geltend gemacht werden könnte (Urteile vom 14. Juni 2011, An einem Riemen befestigte Uhr, Τ-68/10, EU:T:2011:269, Rn. 24 und 25, und vom 18. November 2015, Laptop-Hülle, T‑813/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:868, Rn. 21 und 22). Folglich soll die in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 vorgesehene Ausnahme die Interessen des Entwerfers und seines Rechtsnachfolgers schützen.

29

Im vorliegenden Fall soll die Berücksichtigung der Übertragungsverträge zwischen zum einen A und Guangzhou Hungkay und zum anderen Guangzhou Hungkay und der Streithelferin gerade die Interessen des Entwerfers und seiner aufeinanderfolgenden Rechtsnachfolger schützen.

30

Drittens ist in Bezug auf die Betrugsgefahr zum einen festzustellen, dass die Streithelferin plausibel und von der Klägerin vor dem Gericht nicht bestritten dargelegt hat, dass sie bereits vor dem Anmeldetag des angegriffenen Geschmacksmusters in einer Geschäftsbeziehung mit Guangzhou Hungkay gestanden habe, wie Rn. 33 der angefochtenen Entscheidung zu entnehmen ist. Tatsächlich waren sie bereits Geschäftspartner, Guangzhou Hungkay war der Lieferant der Streithelferin, und zwischen ihnen bestand seit 2014 ein Schriftwechsel über die Gestaltung dieses Grills. Zum anderen wurden die Verträge über das chinesische Gebrauchsmuster im November 2016 geschlossen, also zwei Jahre bevor am 14. November 2018 der Antrag auf Nichtigerklärung des angegriffenen Geschmacksmusters eingereicht wurde.

31

Unter diesen Umständen, unter Berücksichtigung dieser Geschäftsbeziehung, der Chronologie der relevanten Fakten und aller anderen objektiven Umstände des Einzelfalls, gibt es keinen Hinweis auf Betrug oder kollusives Verhalten bei der Übertragung von Eigentumsrechten durch die Übertragungsverträge.

32

Daher stand das Unionsrecht im vorliegenden Fall dem nicht entgegen, dass die Parteien ihren Verträgen Rückwirkung verliehen.

33

Folglich ist mit der Beschwerdekammer festzustellen, dass, da Guangzhou Hungkay das chinesische Gebrauchsmuster durch die Veröffentlichung dieses Musters in China am 24. Juni 2015 offenbarte und die Streithelferin als Rechtsnachfolgerin von Guangzhou Hungkay am 5. April 2016, also weniger als zwölf Monate später, ein identisches Geschmacksmuster als Gemeinschaftsgeschmacksmuster anmeldete, in diesem Fall die Ausnahme von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 anwendbar war.

34

Diese Schlussfolgerung kann nicht durch das Argument der Klägerin in Frage gestellt werden, dass Verträge, die nach dem Anmeldetag geschlossen würden, unabhängig davon, ob sie rückdatiert würden, nicht den Status des Rechtsnachfolgers verleihen oder das Fehlen dieses Status zum Zeitpunkt der Anmeldung beheben könnten. Insbesondere macht die Klägerin geltend, dass, wenn der Inhaber eines Geschmacksmusters die fehlende Neuheit und Eigenart im Sinne der Art. 5 und 6 der Verordnung Nr. 6/2002 dadurch beheben könne, dass er ältere Geschmacksmuster nach der Einreichung seiner Anmeldung erwerbe und übertrage und so die Anwendung der genannten Artikel umgehe, dies zu Folge hätte, dass er in jedem Nichtigkeitsverfahren die Nichtigkeit seines Geschmacksmusters aufgrund fehlender Neuheit und Eigenart dadurch umgehen könne, dass er sich später an den Inhaber des älteren Geschmacksmusters wende, um die Übertragung des fraglichen Geschmacksmusters zu erwirken. Schließlich vertritt die Klägerin im Wesentlichen die Auffassung, dass die Beurteilung der Neuheit und der Eigenart keine objektive Prüfung des Sachverhalts darstelle, sondern willkürlich den Inhabern des älteren Rechts und den Anmeldern nicht gültiger Geschmacksmuster überlassen werde.

35

In Übereinstimmung mit der Beschwerdekammer ist nämlich festzustellen, dass die Tatsache, dass die Übertragungsverträge nach dem Anmeldetag des angegriffenen Geschmacksmusters unterzeichnet wurden, als solche irrelevant ist, da zum einen aus dem Inhalt dieser Verträge klar hervorgeht, dass die Übertragung der Rechte bereits ab dem 7. Oktober 2014 wirksam war, und zum anderen im vorliegenden Fall keine Gefahr eines Betrugs oder einer Umgehung des Ziels von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 nachgewiesen wurde (siehe oben, Rn. 31).

36

Außerdem verbietet es, wie das EUIPO in seiner Klagebeantwortung ausgeführt hat, Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 nicht, ein eingetragenes Geschmacksmuster zu erwerben, das der „Schonfrist“ unterliegt, und in den Genuss dieser Ausnahme zu kommen.

37

Daher hat die Beschwerdekammer in Rn. 34 der angefochtenen Entscheidung zu Recht Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 angewandt und festgestellt, dass die Offenbarung des chinesischen Gebrauchsmusters CN 204410600 der Neuheit und Eigenart des angegriffenen Geschmacksmusters nicht entgegenstehe.

38

Der erste Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

[nicht wiedergegeben]

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Klage wird abgewiesen.

 

2.

Die Activa – Grillküche GmbH trägt die Kosten.

 

Kowalik-Bańczyk

Hesse

Dimitrakopoulos

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. April 2023.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

( 1 ) Es werden nur die Randnummern des vorliegenden Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.

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