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Document 62021TJ0688

Urteil des Gerichts (Siebte Kammer) vom 25. Oktober 2023.
BNP Paribas Public Sector SA gegen Einheitlicher Abwicklungsausschuss.
Schiedsklausel – Einheitlicher Mechanismus für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen (SRM) – Einheitlicher Abwicklungsfonds (SRF) – Verträge über eine unwiderrufliche Zahlungsverpflichtung und eine Sicherheitenregelung – Zurückweisung eines Antrags auf Rückgabe von Sicherheiten für in Form unwiderruflicher Zahlungsverpflichtungen geleistete im Voraus erhobene Beiträge – Institut, dessen Zulassung entzogen wurde – Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/81 – Außervertragliche Haftung – Ungerechtfertigte Bereicherung.
Rechtssache T-688/21.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2023:675

 URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

25. Oktober 2023 ( *1 )

„Schiedsklausel – Einheitlicher Mechanismus für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen (SRM) – Einheitlicher Abwicklungsfonds (SRF) – Verträge über eine unwiderrufliche Zahlungsverpflichtung und eine Sicherheitenregelung – Zurückweisung eines Antrags auf Rückgabe von Sicherheiten für in Form unwiderruflicher Zahlungsverpflichtungen geleistete im Voraus erhobene Beiträge – Institut, dessen Zulassung entzogen wurde – Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/81 – Außervertragliche Haftung – Ungerechtfertigte Bereicherung“

In der Rechtssache T‑688/21,

BNP Paribas Public Sector SA mit Sitz in Paris (Frankreich), vertreten durch Rechtsanwältinnen A. Champsaur und A. Delors,

Klägerin,

unterstützt durch

Französische Republik, vertreten durch A.‑L. Desjonquères und E. Leclerc als Bevollmächtigte,

und durch

Fédération bancaire française mit Sitz in Paris, vertreten durch Rechtsanwalt A. Gosset-Grainville und Rechtsanwältin M. Trabucchi,

Streithelferinnen,

gegen

Einheitlicher Abwicklungsausschuss (SRB), vertreten durch C. De Falco, C. Flynn und J. Kerlin als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwälten H.‑G. Kamann, F. Louis, P. Gey und É. Bruc sowie Rechtsanwältin A. Vallery,

Beklagter,

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin K. Kowalik-Bańczyk, des Richters G. Hesse (Berichterstatter) und der Richterin B. Ricziová,

Kanzler: L. Ramette, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 20. April 2023

folgendes

Urteil

1

Mit ihrer Klage beantragt die BNP Paribas Public Sector SA im Wesentlichen zum einen auf der Grundlage der Art. 272 und 340 Abs. 1 AEUV erstens die Feststellung, dass der Einheitliche Abwicklungsausschuss (SRB) gegen seine Verpflichtung zur Rückzahlung nach Klausel 12.5 der von der Klägerin für die Beitragszeiträume von 2016 bis 2021 eingegangenen unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen verstoßen hat, und zweitens die Erstattung der Beträge, die der SRB unter Verstoß gegen die genannte Vertragspflicht einbehalten haben soll, sowie aller damit verbundenen Kosten, Verzugszinsen und Nebenkosten jeglicher Art, und hilfsweise auf der Grundlage von Art. 340 Abs. 2 AEUV den Ersatz des Schadens, der ihr durch das Verhalten des SRB im Hinblick auf die für die Beitragszeiträume von 2016 bis 2021 eingegangenen unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen entstanden sein soll. Zum anderen beantragt sie auf der Grundlage von Art. 340 Abs. 2 AEUV Ersatz des Schadens, der ihr durch die Weigerung des SRB entstanden sein soll, ihr die Sicherheit für die unwiderrufliche Zahlungsverpflichtung, die sie für den Beitragszeitraum 2015 eingegangen ist, zurückzugeben.

Vorgeschichte des Rechtsstreits

2

Nach der Finanzkrise von 2008, die zur Krise des Euro-Währungsgebiets geführt hatte, wurde ein rechtlicher Rahmen zur Gewährleistung der Stabilität und Sicherheit des Bankensektors in der Europäischen Union geschaffen. Dieser neue Rahmen besteht aus einem einheitlichen Regelungswerk, das in gleicher Weise für die Kreditinstitute aller betroffenen Mitgliedstaaten gilt. Die Bankenunion beruht auf drei Säulen: einem einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM), einem einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM) und einem Europäischen Einlagensicherungssystem.

3

Der SRM wurde mit der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines SRM und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 225, S. 1) geschaffen. Er sieht die Einrichtung eines einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF) vor, zu dessen Finanzierung die Kreditinstitute beitragen müssen. Dieser Fonds wird nur insoweit genutzt, als es für die wirksame Anwendung der Abwicklungsinstrumente erforderlich ist (Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014).

4

Gemäß Art. 70 der Verordnung Nr. 806/2014 errechnet der SRB jährlich die jeweiligen Beiträge der einzelnen Institute, auch „im Voraus erhobene Beiträge“ genannt.

5

Die jährliche Erhebung der Beiträge bei den Kreditinstituten wurde eingeführt, um sicherzustellen, dass bis zum Ende einer Aufbauphase von acht Jahren ab dem 1. Januar 2016 die verfügbaren Mittel des SRF mindestens 1 % der gedeckten Einlagen aller in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Kreditinstitute erreichen (im Folgenden: Zielausstattung).

6

Gemäß Art. 8 Abs. 3 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/81 des Rates vom 19. Dezember 2014 zur Festlegung einheitlicher Modalitäten für die Anwendung der Verordnung Nr. 806/2014 im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zum SRF (ABl. 2015, L 15, S. 1) gestattet der SRB während der Aufbauphase unter normalen Umständen die Inanspruchnahme unwiderruflicher Zahlungsverpflichtungen auf Antrag eines Instituts. Der SRB teilt die Inanspruchnahme unwiderruflicher Zahlungsverpflichtungen gleichmäßig auf die Institute, die sie beantragen, auf. Die aufgeteilten unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen belaufen sich auf mindestens 15 % aller Zahlungsverpflichtungen des betreffenden Instituts. Bei der Berechnung der jährlichen Beiträge der einzelnen Institute stellt der SRB sicher, dass die Summe dieser unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen in einem bestimmten Jahr 30 % des Gesamtbetrags der gemäß Art. 70 der Verordnung Nr. 806/2014 erhobenen jährlichen Beiträge nicht übersteigt.

7

Die Klägerin war bis zum 24. März 2021, an dem ihr die Europäische Zentralbank (EZB) antragsgemäß die Zulassung entzog, ein zugelassenes französisches Kreditinstitut.

8

Vor der Einführung des SRM entrichtete die Klägerin für das Jahr 2015 einen Teil ihrer im Voraus erhobenen Beiträge in Form einer unwiderruflichen Zahlungsverpflichtung. Zu diesem Zweck ging sie gegenüber dem SRB, der Autorité de contrôle prudentiel et de résolution (Aufsichts- und Abwicklungsbehörde, Frankreich, im Folgenden: ACPR) und dem Fonds de garantie des dépôts et de résolution (französischer Einlagensicherungs- und Abwicklungsfonds, im Folgenden: FGDR) eine unwiderrufliche Zahlungsverpflichtung (im Folgenden: IPC 2015) ein.

9

Für die Beitragszeiträume von 2016 bis 2021 entrichtete die Klägerin zumindest einen Teil ihrer im Voraus erhobenen Beiträge in Form einer unwiderruflichen Zahlungsverpflichtung. Zu diesem Zweck ging sie gegenüber dem SRB für jeden dieser Beitragszeiträume unwiderrufliche Zahlungsverpflichtungen (im Folgenden: IPC 2016‑2021) ein.

10

Mit E‑Mail vom 1. April 2021 setzte die Klägerin den SRB davon in Kenntnis, dass ihr die EZB auf ihren Antrag hin die Zulassung entzogen hatte. Die Klägerin ersuchte daher den SRB um Informationen über die zu unternehmenden Schritte, um die Rückgabe der Sicherheiten für die von ihr eingegangenen unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen zu erreichen.

11

Mit Schreiben vom 14. April 2021 wies der SRB die Klägerin auf die zu befolgenden Formalitäten hin, um die Rückgabe der Sicherheiten zu erreichen, die die von ihr eingegangenen unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen abdeckten.

12

Nach einem längeren Schriftwechsel erklärte die Klägerin am 29. Juli 2021 dem SRB die Aufhebung der IPC 2015 und der IPC 2016‑2021.

13

Nach einem weiteren Schriftwechsel äußerte der SRB mit Schreiben vom 13. August 2021 (im Folgenden: Schreiben vom 13. August 2021) gegenüber der Klägerin, dass er ihr die Sicherheiten für die IPC 2015 und die IPC 2016‑2021 nach dem Erhalt des Barbetrags, der dem Betrag der eingegangenen Verpflichtungen entspreche, zurückgeben werde.

14

In diesem Schreiben wies der SRB darauf hin, dass die Klägerin ihm gegenüber mehrere unwiderrufliche Zahlungsverpflichtungen eingegangen sei. Für jede dieser Verpflichtungen gab der SRB den zugesicherten Betrag an. Nach dieser Aufzählung der Beträge führte er insbesondere aus, dass in Anbetracht von Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014, wonach die ordnungsgemäß erhaltenen Beiträge den Unternehmen nicht rückerstattet würden, und von Art. 7 Abs. 1 der Durchführungsverordnung 2015/81, wonach die Inanspruchnahme unwiderruflicher Zahlungsverpflichtungen in keiner Weise die finanzielle Kapazität und die Liquidität des SRF beeinträchtigen dürfe, die Aufhebung der IPC 2016‑2021 und die anschließende Rückgabe der diese Verpflichtungen abdeckenden Sicherheiten erst nach der Zahlung eines Barbetrags in Höhe des Betrags der betreffenden unwiderruflichen Zahlungsverpflichtung erfolgen könne. Der SRB forderte die Klägerin auf, ihm einen bestimmten Betrag zu überweisen und ihn per E‑Mail davon in Kenntnis zu setzen. Nach Erhalt dieses Betrags werde er ihr die Sicherheiten abzüglich des Betrags der aufgelaufenen Negativzinsen innerhalb einer Frist von 14 Banktagen nach dem Tag des Erhalts der Aufhebungsmitteilung zurückgeben.

15

Am 25. Oktober 2021 teilte die Klägerin dem SRB im Wesentlichen mit, dass sie die fragliche Überweisung nicht vornehmen werde, da sie ihrem Verständnis des anwendbaren Rechtsrahmens nach nicht verpflichtet sei, ihm einen Geldbetrag in Höhe der Gesamtsumme der mit der IPC 2015 und den IPC 2016‑2021 zugesicherten Beträge zu überweisen, um die Sicherheiten zurückzuerhalten.

Anträge der Parteien

16

Die Klägerin beantragt,

auf der Grundlage der Art. 256 und 263 AEUV das Schreiben vom 13. August 2021 für nichtig zu erklären;

ihrem auf der Grundlage von Art. 272 und Art. 340 Abs. 1 AEUV gestellten Antrag stattzugeben, indem das Gericht feststellt, dass der im Schreiben vom 13. August 2021 zum Ausdruck gebrachte Standpunkt den Bestimmungen der IPC 2016‑2021 widerspricht, und dem SRB aufgibt, ihr die Beträge, die den von ihm unter Verstoß gegen seine vertraglichen Pflichten einbehaltenen Barsicherheiten für diese Verpflichtungen entsprechen, sowie alle damit verbundenen Kosten, Verzugszinsen und Nebenkosten jeglicher Art zu erstatten;

ihrem auf der Grundlage von Art. 340 Abs. 2 AEUV gestellten Antrag stattzugeben, indem das Gericht feststellt, dass die Weigerung des SRB, ihr die den Barsicherheiten für die IPC 2015 entsprechenden Beträge zu erstatten, eine ungerechtfertigte Bereicherung darstellt, und dem SRB aufgibt, ihr diese Beträge als Schadensersatz zu zahlen sowie alle damit verbundenen Kosten, Verzugszinsen und Nebenkosten jeglicher Art zu erstatten;

hilfsweise, ihrem auf der Grundlage von Art. 340 Abs. 2 AEUV gestellten Antrag stattzugeben, indem das Gericht feststellt, dass die Weigerung des SRB, ihr die den Barsicherheiten für die IPC 2016‑2021 entsprechenden Beträge zu erstatten, eine ungerechtfertigte Bereicherung darstellt, und dem SRB aufgibt, ihr diese Beträge als Schadensersatz zu zahlen sowie alle damit verbundenen Kosten, Verzugszinsen und Nebenkosten jeglicher Art zu erstatten;

dem SRB die Kosten aufzuerlegen.

17

Der SRB beantragt,

den Antrag auf Nichtigerklärung als unzulässig zurückzuweisen;

die gemäß Art. 272 AEUV gestellten Anträge als unbegründet zurückzuweisen;

die gemäß Art. 340 AEUV gestellten Anträge als unzulässig und hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen;

der Klägerin sämtliche Kosten und Aufwendungen des SRB aufzuerlegen, insbesondere die im Zusammenhang mit dem ursprünglich gemäß Art. 263 AEUV gestellten und später zurückgenommenen Antrag auf Nichtigerklärung entstandenen.

18

Die Französische Republik beantragt, der Klage stattzugeben.

19

Die Fédération bancaire française (Französischer Bankenverband, im Folgenden: FBF) beantragt,

festzustellen, dass der SRB mit der Weigerung, die den Barsicherheiten für die IPC 2016‑2021 entsprechenden Beträge zu erstatten, gegen die ihm nach den genannten Verpflichtungen obliegende Erstattungspflicht verstoßen hat;

dem SRB aufzugeben, der Klägerin die Beträge zu erstatten, die den von ihm unter Verstoß gegen seine vertraglichen Pflichten einbehaltenen Barsicherheiten entsprechen.

Rechtliche Würdigung

20

In der Klageschrift beantragte die Klägerin gemäß der Art. 256 und 263 AEUV die Nichtigerklärung des Schreibens vom 13. August 2021, bevor sie davon im Laufe des Verfahrens Abstand nahm.

21

Unter diesen Umständen sind die anderen Klageanträge der Klägerin zu prüfen.

Zu dem auf Art. 272 und Art. 340 Abs. 1 AEUV gestützten Klageantrag

22

Das Gericht ist für die Entscheidung über den von der Klägerin auf der Grundlage von Art. 272 AEUV gestellten Antrag aufgrund der Schiedsklauseln jeweils in Klausel 13.2 der IPC 2016‑2021 zuständig, die dem Gericht die Zuständigkeit für die Entscheidung über alle Streitigkeiten betreffend die Rechtmäßigkeit, die Gültigkeit, die Auslegung oder die Durchführung dieser Vereinbarungen zuweisen.

23

Zur Begründung ihres auf Art. 272 und Art. 340 Abs. 1 AEUV gestützten Klageantrags macht die Klägerin, unterstützt durch die Französische Republik und die FBF, geltend, dass der SRB gegen die ihm nach Klausel 12.5 der IPC 2016‑2021 obliegende Rückerstattungspflicht verstoßen habe.

24

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 806/2014 und die Durchführungsverordnung 2015/81 gemäß Art. 288 AEUV allgemeine Geltung haben, in allen ihren Teilen verbindlich sind und in allen betreffenden Mitgliedstaaten unmittelbar gelten. Der Klägerin und dem SRB steht es daher nicht frei, Vereinbarungen zu schließen, die den Bestimmungen dieser beiden Verordnungen in der Auslegung durch die Unionsgerichte zuwiderlaufen würden.

25

Die von der Klägerin angeführte Klausel 12.5 der IPC 2016‑2021 bestimmt, dass „[d]iese Vereinbarung … die Anwendung von Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2015/81 unberührt [lässt]“. Diese Klausel weist somit darauf hin, dass die IPC 2016‑2021 unter keinen Umständen gegen Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2015/81 verstoßen dürfen.

26

Indem die Klägerin einen Verstoß gegen Klausel 12.5 der IPC 2016‑2021 vorbringt, macht sie also in Wirklichkeit geltend, dass ihre Lage, nämlich die eines Instituts, das aus dem Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 ausscheidet, unter Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2015/81 fällt. Nach der von der Klägerin vertretenen Auslegung ist diese Rechtsvorschrift eindeutig und enthält keinerlei Bedingung für die Rückgabe der die unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen abdeckenden Barsicherheiten. Der im Schreiben vom 13. August 2021 zum Ausdruck gebrachte Standpunkt, wonach der SRB die Barsicherheiten für die IPC 2016‑2021 erst nach Zahlung eines Betrags in Höhe des Beitrags, für den diese Instrumente genutzt worden seien, zurückgeben könne, verstoße daher gegen Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2015/81.

27

Der SRB tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und beruft sich, wie oben in Rn. 14 dargelegt, auf eine andere als die von der Klägerin vertretene Auslegung.

28

Erstens ist darauf hinzuweisen, dass sich aus Art. 70 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 ergibt, dass die in einem teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassenen Kreditinstitute – wie ursprünglich auch die Klägerin – für jedes Beitragsjahr den ordentlichen Beitrag an den SRF entrichten müssen.

29

Gemäß Art. 69 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 wurde die jährliche Erhebung der im Voraus erhobenen Beiträge der Kreditinstitute eingeführt, um sicherzustellen, dass die verfügbaren Mittel des SRF bis zum Ende der Aufbauphase die Zielausstattung erreichen.

30

In Anbetracht dieses Ziels hat der Unionsgesetzgeber in Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 klargestellt, dass die „ordnungsgemäß … erhaltenen“ im Voraus erhobenen Beiträge nicht rückerstattet werden. Mit dieser Formulierung hat der Unionsgesetzgeber eine Regel ohne Ausnahme aufgestellt. Daher wird darin keine Möglichkeit zur nachträglichen Anpassung der im Voraus erhobenen Beiträge genannt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. September 2022, ABLV Bank/SRB, C‑202/21 P, EU:C:2022:734, Rn. 56). Daraus folgt, dass sich eine Statusänderung eines Instituts während des Beitragszeitraums nicht auf die Höhe des für das betreffende Jahr zu entrichtenden Beitrags auswirkt. Diese Regel ist im Übrigen in Art. 12 Abs. 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/63 der Kommission vom 21. Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zu Abwicklungsfinanzierungsmechanismen (ABl. 2015, L 11, S. 44) übernommen worden, die, wie sich aus deren siebtem Erwägungsgrund ergibt, auch den SRB in Bezug nimmt.

31

Insoweit hat das Unionsgericht insbesondere entschieden, dass der Umstand, dass ein Unternehmen während des Beitragszeitraums aufgrund des Entzugs seiner Zulassung seine Tätigkeit als Kreditinstitut einstellt, keine Auswirkung auf seine Verpflichtung hat, den gesamten für diesen Beitragszeitraum im Voraus erhobenen Beitrag zu entrichten (Urteil vom 20. Januar 2021, ABLV Bank/SRB, T‑758/18, EU:T:2021:28, Rn. 85).

32

Zweitens haben die Kreditinstitute, wie die Klägerin ausführt, zur Erfüllung ihrer Beitragspflicht zum SRF gemäß Art. 70 Abs. 3 der Verordnung Nr. 806/2014 die Möglichkeit, entweder ihre Beiträge direkt zu entrichten oder eine unwiderrufliche Zahlungsverpflichtung einzugehen.

33

Drittens enthält Art. 7 der Durchführungsverordnung 2015/81 bestimmte Regeln für unwiderrufliche Zahlungsverpflichtungen, die die Besonderheit aufweisen, dass es sich um unbefristete Verträge handelt, die es den Instituten ermöglichen, die Zahlung ihres Beitrags aufzuschieben. Diese Besonderheit hat den Unionsgesetzgeber dazu veranlasst, eine spezifische Regelung für diese Verpflichtungen einzuführen.

34

Art. 7 der Durchführungsverordnung 2015/81 lautet:

„(1)   Die Inanspruchnahme unwiderruflicher Zahlungsverpflichtungen nach Artikel 70 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 darf in keiner Weise die finanzielle Kapazität und die Liquidität des Fonds beeinträchtigen.

(2)   Wenn der Fonds gemäß Artikel 76 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 an einer Abwicklungsmaßnahme beteiligt ist, ruft der [SRB] alle oder einen Teil der unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 ab, um den Anteil der unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen an den verfügbaren Finanzmitteln des Fonds wiederherzustellen, der vom [SRB] im Rahmen des Schwellenwerts nach Artikel 70 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 festgelegt wurde.

Sobald der Fonds den mit den abgerufenen unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen verbundenen Beitrag ordnungsgemäß erhält, wird die Sicherheit, durch die solche Zahlungsverpflichtungen abgesichert sind, zurückgegeben. Falls der Fonds den erforderlichen Geldbetrag nicht bei der ersten Anfrage ordnungsgemäß erhält, beschlagnahmt der [SRB] die Sicherheit, durch welche die unwiderrufliche Zahlungsverpflichtung gemäß Artikel 70 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 abgesichert ist.

(3)   Die unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen eines Instituts, das nicht mehr in den Geltungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 fällt, werden aufgehoben[,] und die Sicherheit, durch welche diese Zahlungsverpflichten abgesichert ist, wird zurückgegeben.“

35

Vor diesem Hintergrund macht die Klägerin, unterstützt durch die Französische Republik und die FBF, geltend, dass die in Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2015/81 vorgesehene Aufhebung der unwiderruflichen Zahlungsverpflichtung und die ebenfalls dort vorgesehene Rückgabe der Sicherheit bedeuteten, dass der Teil des im Voraus erhobenen Beitrags, für den eine unwiderrufliche Zahlungsverpflichtung eingegangen worden sei, nicht zu entrichten sei, da das beitragende Institut nicht mehr in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 falle und die Verpflichtung nicht vom SRB im Zusammenhang mit einer Abwicklungsmaßnahme abgerufen worden sei. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin klargestellt, dass sie nicht die Rückerstattung ihrer Barbeiträge verlange. 85 % ihres Beitrags habe sie auf diese Weise gezahlt. Sie verlange nur die Rückerstattung der Beträge, die sie jedes Jahr gezahlt habe, um die von ihr eingegangenen unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen abzusichern. Deshalb stehe ihr Antrag nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung der Urteile vom 20. Januar 2021, ABLV Bank/SRB (T‑758/18, EU:T:2021:28), und vom 29. September 2022, ABLV Bank/SRB (C‑202/21 P, EU:C:2022:734).

36

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass „unwiderruflich“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch für etwas verwendet wird, das nicht in Frage gestellt werden kann. Eine unwiderrufliche Zahlungsverpflichtung bedeutet somit eine nicht in Frage zu stellende Verpflichtung zur Zahlung des Betrags, für den diese Verpflichtung eingegangen wurde.

37

Außerdem trifft es zwar zu, dass, wie die Klägerin hervorhebt, Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2015/81 nicht ausdrücklich bestimmt, dass die Institute zunächst ihren Beitrag zahlen müssen, um dann ihre Sicherheit zurückzuerhalten. Wie oben in den Rn. 28 und 29 ausgeführt, müssen die in einem teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassenen Institute jedoch während der Aufbauphase einen jährlichen Beitrag an den SRF entrichten, damit dieser bis zum Ende dieses Zeitraums die Zielausstattung erreicht.

38

Daraus folgt, dass, wenn die Sicherheit für eine unwiderrufliche Zahlungsverpflichtung ohne vorherigen Erhalt des Beitrags, für den diese Verpflichtung eingegangen wurde, zurückgegeben würde, nicht nur das Institut seiner Verpflichtung zur Entrichtung des gesamten für den Zeitraum, in dem es in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 fiel, geschuldeten Beitrags nicht nachkommen würde, sondern auch der im Voraus erhobene Beitrag in Form einer unwiderruflichen Zahlungsverpflichtung nicht das Ziel erreichen würde, den SRF mit Finanzmitteln in der vom Unionsgesetzgeber vorgesehenen Höhe auszustatten.

39

Wie in der oben in Rn. 31 angeführten Rechtsprechung klargestellt wurde, hat der Umstand, dass ein Unternehmen während des Beitragszeitraums aufgrund des Entzugs seiner Zulassung seine Tätigkeit als Kreditinstitut einstellt, keine Auswirkung auf seine Verpflichtung, den gesamten für diesen Beitragszeitraum im Voraus erhobenen Beitrag zu entrichten.

40

Bei der Prüfung, wie weit die Pflicht zur Entrichtung des gesamten Beitrags reicht, ist es nicht angebracht, sich entsprechend dem Vortrag der Klägerin auf den Teil der sofort geleisteten Zahlung zu beschränken, ohne den anderen, im Wege einer unwiderruflichen Zahlungsverpflichtung erbrachten Teil zu berücksichtigen.

41

Art. 7 Abs. 1 der Durchführungsverordnung 2015/81 bestimmt nämlich ausdrücklich, dass die Inanspruchnahme unwiderruflicher Zahlungsverpflichtungen in keiner Weise die finanzielle Kapazität und die Liquidität des SRF beeinträchtigen darf. Die durch das Ausscheiden des Instituts aus dem Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 verursachte Aufhebung einer unwiderruflichen Zahlungsverpflichtung und die Rückgabe der entsprechenden Sicherheit nach Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2015/81 dürfen daher nicht zulasten des SRF erfolgen (Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache ABLV Bank/SRB, C‑202/21 P, EU:C:2022:327, Nr. 87). Andernfalls würde Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2015/81 das mit der jährlichen Erhebung der im Voraus erhobenen Beiträge verfolgte Ziel, wie es sich aus den Art. 69 und 70 der Verordnung Nr. 806/2014 ergibt, missachten.

42

Entgegen dem Vorbringen der Französischen Republik gilt Art. 7 Abs. 1 der Durchführungsverordnung 2015/81 somit für die Behandlung von unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen eines Instituts, das nicht mehr in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 fällt, und folglich ist Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2015/81 im Licht dieser Bestimmung auszulegen.

43

Diese Auslegung steht im Einklang mit dem von Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2015/81 verfolgten Ziel. Wie oben in Rn. 33 ausgeführt wurde und wie sich aus Klausel 11.2 der IPC 2016‑2021 ergibt, wurden die unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen für einen unbefristeten Zeitraum eingegangen. Es ist jedoch nicht wünschenswert, dass diese Verträge fortbestehen, wenn, wie im Beispiel der Klägerin, ein Unternehmen seine Tätigkeit als Kreditinstitut einstellt und damit aus dem Kreis der Unternehmen ausscheidet, die in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 fallen und beitragspflichtig sind. Daher bezweckt die in Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2015/81 vorgesehene Aufhebung der unwiderruflichen Zahlungsverpflichtung – wie der SRB zu Recht geltend macht – die Beendigung dieser Verpflichtung, so dass diese nach dem Ausscheiden des beitragenden Instituts aus dem Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 nicht fortbesteht.

44

Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2015/81 hat somit nicht zum Ziel, es Instituten, die aus dem Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 ausscheiden, zu ermöglichen, sich ihrer Verpflichtung zur Zahlung des gesamten geschuldeten Beitrags zu entziehen, wie die Klägerin und die Streithelferinnen meinen, sondern er soll sicherstellen, dass die Finanzmittel des SRF dem SRB im Fall einer Abwicklung so schnell wie möglich zur Verfügung stehen, also die finanzielle Kapazität und die Liquidität des SRF sichern.

45

Im Übrigen entbindet auch der Umstand, dass das Ausscheiden eines Instituts den Gesamtbetrag der gedeckten Einlagen und damit die Zielausstattung verringern würde – angenommen, er wäre erwiesen –, dieses Institut nicht von der Zahlung des gesamten für den Beitragszeitraum geschuldeten im Voraus erhobenen Beitrags.

46

In dieser Hinsicht steht fest, dass die Klägerin an jedem 1. Januar der Jahre 2016 bis 2021 in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 fiel und somit den Beitrag zum SRF schuldete.

47

Für jedes dieser Jahre errechnete der SRB gemäß Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 den individuellen Beitrag der Klägerin, insbesondere auf der Grundlage der von ihm im betreffenden Jahr vorgenommenen Hochrechnung der bis zum Ende der Aufbauphase zu erreichenden Zielausstattung. Daher kann sich der Umstand, dass sich die Zielausstattung nach dem Ausscheiden der Klägerin aus dem Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 ändern kann, nicht auf die Berechnung und damit auf die Höhe der Beiträge auswirken, die für den Zeitraum vor ihrem Ausscheiden aus dem System geschuldet werden. Folglich könnte entgegen dem Vorbringen der Französischen Republik und der FBF der Umstand, dass das Ausscheiden der Klägerin aus dem Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 die Zielausstattung beeinflussen könnte – sofern er erwiesen wäre –, eine Änderung der Höhe der von ihr für die Jahre 2016 bis 2021 geschuldeten Beiträge nicht rechtfertigen. Ebenso wenig könnte dies die Rückgabe der Sicherheiten für die IPC 2016‑2021 ohne vorherige Zahlung der Beiträge, für die diese Verpflichtungen eingegangen wurden, rechtfertigen.

48

Außerdem wurde bereits entschieden, dass das Ausscheiden eines Instituts aus dem Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 diesem keinen Anspruch auf eine Neuberechnung des im Voraus erhobenen Beitrags verleiht, da der SRB, müsste er die Entwicklung der rechtlichen und finanziellen Lage der Kreditinstitute während des betreffenden Beitragszeitraums berücksichtigen, die von jedem von ihnen geschuldeten Beiträge kaum zuverlässig und stabil berechnen und das Ziel verfolgen könnte, am Ende der Aufbauphase mindestens 1 % der gedeckten Einlagen aller im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zugelassenen Institute zu erreichen (Urteil vom 20. Januar 2021, ABLV Bank/SRB,T‑758/18, EU:T:2021:28, Rn. 75 und 76).

49

Aus demselben Grund können die Klägerin und die Streithelferinnen nicht geltend machen, dass der SRB der Klägerin die Sicherheiten für die IPC 2016‑2021 ohne vorherigen Erhalt der Beiträge, für die diese Verpflichtungen eingegangen wurden, zurückgeben und die künftigen einzelnen Beiträge der anderen Institute anpassen müsse, um die Erreichung der Zielausstattung sicherzustellen.

50

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die in Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2015/81 vorgesehene Aufhebung der unwiderruflichen Zahlungsverpflichtung und die dort vorgesehene Rückgabe der Sicherheit nicht bedeuten können, dass der Teil des im Voraus erhobenen Beitrags, für den eine unwiderrufliche Zahlungsverpflichtung eingegangen wurde, nicht geleistet werden muss, wenn das beitragende Institut aus dem Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 ausscheidet (Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache ABLV Bank/SRB, C‑202/21 P, EU:C:2022:327, Nr. 87). Ein solches Institut bleibt verpflichtet, den gesamten vom SRB für den betreffenden Zeitraum ordnungsgemäß berechneten individuellen Beitrag zu zahlen, und darf nicht nur einen Teil davon zahlen.

51

Folglich verstößt der vom SRB im Schreiben vom 13. August 2021 zum Ausdruck gebrachte Standpunkt, wonach er die Barsicherheiten für die IPC 2016‑2021 erst nach Zahlung eines Betrags in Höhe des Beitrags, für den diese Instrumente genutzt worden seien, zurückgeben könne, weder gegen Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2015/81 noch gegen Klausel 12.5 der IPC 2016‑2021, die auf diese Bestimmung verweist.

52

Auch die verschiedenen Argumente der Klägerin und der Streithelferinnen für eine andere Auslegung überzeugen nicht.

53

Was erstens das Vorbringen betrifft, der SRB habe Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 falsch ausgelegt, da er die Barbeiträge und die Barsicherheiten für die IPC 2016‑2021 verwechselt habe, ist festzustellen, dass der SRB im Schreiben vom 13. August 2021 zwar Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 806/2014 erwähnt hat, aus diesem Schreiben jedoch nicht hervorgeht, dass er diese Bestimmung auf die Barsicherheiten für die IPC 2016‑2021 angewandt hätte. In diesem Schreiben beschränkte sich der SRB darauf, die Klägerin zur Zahlung eines Barbetrags in Höhe der IPC 2016‑2021 aufzufordern – entsprechend ihrer Verpflichtung zur Zahlung der gesamten Beiträge, die für den Zeitraum, in dem sie in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 fiel, geschuldet waren (vgl. oben, Rn. 28 bis 31). Daher hat der SRB den ihm vorgeworfenen Auslegungsfehler nicht begangen.

54

Was zweitens das Vorbringen zur Nichtanwendbarkeit von Art. 7 Abs. 2 der Durchführungsverordnung 2015/81 auf die Situation der Klägerin angeht, genügt in Anbetracht des Schreibens vom 13. August 2021 die Feststellung, dass der SRB diese Bestimmung nicht angewandt hat. Dieses Vorbringen geht somit ins Leere.

55

Was drittens das auf den Grundsatz der Gleichbehandlung gestützte Vorbringen betrifft, es bestehe ein Unterschied bei der rechtlichen Situation zwischen den Instituten, die sich für die sofortige Zahlung ihrer Beiträge in bar entschieden hätten, und denen, die es vorgezogen hätten, unwiderrufliche Zahlungsverpflichtungen einzugehen, so ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass das Gericht im Urteil vom 20. Januar 2021, ABLV Bank/SRB (T‑758/18, EU:T:2021:28, Rn. 111), festgestellt hat, der Unionsgesetzgeber habe es für erforderlich gehalten, die unwiderruflichen Zahlungsverpflichtungen einer „besonderen Regelung“ zu unterwerfen, es für sich genommen nicht zulässt, zwischen den Instituten, die sich für die sofortige Zahlung ihrer Beiträge in bar entschieden haben, und denen, die unwiderrufliche Zahlungsverpflichtungen eingegangen sind, zu unterscheiden. Im vorliegenden Fall fiel die Klägerin an jedem 1. Januar der Jahre 2016 bis 2021 in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 und unterlag der Verpflichtung, einen Beitrag an den SRF zu entrichten. Der Umstand, dass die Klägerin nicht sofort ihren gesamten Beitrag für die betreffenden Jahre zahlte, änderte nichts an ihrer Situation im Hinblick auf ihre aus der Verordnung Nr. 806/2014 folgenden Zahlungspflichten. Somit befand sich die Klägerin entgegen ihrem Vorbringen in einer vergleichbaren Situation wie alle Kreditinstitute, die am 1. Januar jedes dieser Jahre in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 fielen. Ihr gegenteiliges Vorbringen kann nicht überzeugen. Daher ist sie ebenso wie diese Kreditinstitute verpflichtet, die gesamten für den Beitragszeitraum 2016‑2021 geschuldeten einzelnen Beiträge zu entrichten.

56

In Bezug auf den geltend gemachten Unterschied bei der rechtlichen Situation zwischen den Instituten, die im Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 verbleiben, und denen, die daraus ausscheiden, ist zudem zu betonen, dass die Beitragszahlung durch ein Kreditinstitut diesem kein Recht auf eine Inanspruchnahme des SRF verleiht. Eine Abwicklung wird nämlich gemäß Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 allein im öffentlichen Interesse durchgeführt. Der SRF dient somit der Gewährleistung der Finanzstabilität der Bankenunion als solcher. Er ist nicht als Rettungsfonds für einzelne Banken gedacht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Januar 2021, ABLV Bank/SRB,T‑758/18, EU:T:2021:28, Rn. 70 bis 72; vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache ABLV Bank/SRB, C‑202/21 P, EU:C:2022:327, Nr. 64).

57

Folglich besteht kein automatischer Zusammenhang zwischen der Zahlung des im Voraus erhobenen Beitrags einerseits und der Möglichkeit der Inanspruchnahme des SRF andererseits.

58

Unter diesen Umständen ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin die Tatsache, dass sie aufgrund ihres Ausscheidens aus dem Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 den SRF nicht mehr in Anspruch nehmen kann, nicht zum Nachweis geeignet, dass sie sich in einer Situation befindet, in der sie von der Verpflichtung zur Zahlung eines Betrags in Höhe der gesamten für den Beitragszeitraum 2016‑2021 – während dessen sie noch unter die Verordnung fiel – geschuldeten Beiträge befreit werden müsste. Ihr Vorbringen hierzu ist daher zurückzuweisen.

59

Im Übrigen ergibt sich aus Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014, wie Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache ABLV Bank/SRB (C‑202/21 P, EU:C:2022:327, Nrn. 65 und 66) ausgeführt hat, dass, obwohl bei der Berechnung der Höhe des individuellen Beitrags eines jeden Instituts dessen Risikoprofil eine Rolle spielt, die Höhe der Beiträge in erster Linie vom Betrag der Zielausstattung abhängt, da sie im Wesentlichen einem Bruchteil des Betrags der Zielausstattung entspricht.

60

Dies bedeutet, wie im elften Erwägungsgrund der Durchführungsverordnung 2015/81 ausgeführt wird, dass der einzelne Beitrag eines Kreditinstituts immer maßgeblich von den einzelnen Beiträgen der anderen beitragspflichtigen Kreditinstitute im betreffenden Zeitraum abhängt. Die Anpassung des Beitrags eines Kreditinstituts würde daher immer auch eine Korrektur der Beiträge der anderen Kreditinstitute erforderlich machen. Daraus folgt, wie bereits oben in Rn. 48 dargelegt, dass, wenn die Beiträge im Laufe eines Beitragszeitraums kontinuierlich angepasst würden, eine rechtssichere Festsetzung der individuellen Beiträge aller anderen Institute unmöglich wäre. Aus diesem Grund wirkt sich eine Statusänderung während des Beitragszeitraums nicht auf die Höhe des zu entrichtenden Beitrags aus (Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache ABLV Bank/SRB, C‑202/21 P, EU:C:2022:327, Nr. 67).

61

Der jährlich im Voraus erhobene Beitrag zum SRF quantifiziert also nicht das Risiko, welches kontinuierlich während des Beitragszeitraums von einem beitragenden Institut für die Finanzstabilität oder die Inanspruchnahme der Mittel des SRF ausgeht (Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache ABLV Bank/SRB, C‑202/21 P, EU:C:2022:327, Nr. 68). Mit anderen Worten quantifiziert der im Voraus erhobene Beitrag nicht die Möglichkeit eines Eingreifens des SRF zugunsten des beitragenden Instituts.

62

Somit kann sich der Umstand, dass die Klägerin nach ihrem Ausscheiden aus dem Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 806/2014 den SRF nicht in Anspruch nehmen kann, jedenfalls nicht auf ihre Verpflichtung auswirken, den gesamten für den Beitragszeitraum 2016‑2021 geschuldeten individuellen Beitrag zu zahlen.

63

Was viertens das Vorbringen des SRB in seinen Schriftsätzen an das Gericht zur Nichtanwendbarkeit der Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) auf die Situation der Klägerin betrifft, genügt angesichts des Schreibens vom 13. August 2021 die Feststellung, dass der SRB diese Leitlinien nicht auf die Situation der Klägerin angewandt hat. Folglich geht dieses Vorbringen ins Leere.

64

Nach alledem ist der auf Art. 272 und Art. 340 Abs. 1 AEUV gestützte Klageantrag zurückzuweisen.

Zu den auf Art. 340 Abs. 2 AEUV gestützten Klageanträgen

65

Zur Begründung der auf Art. 340 Abs. 2 AEUV gestützten Klageanträge, die die IPC 2015 bzw. die IPC 2016‑2021 betreffen, beruft sich die Klägerin auf eine ungerechtfertigte Bereicherung des SRB.

66

Die Klägerin macht insbesondere geltend, es gebe keine vertragliche oder gesetzliche Rechtsgrundlage dafür, dass der SRB die den Barsicherheiten für die IPC 2015 und die IPC 2016‑2021 entsprechenden Beträge einbehalte. Vielmehr verstoße die vom SRB abgelehnte Rückgabe dieser Sicherheiten gegen Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2015/81. Daraus folge, dass der SRB ohne Rechtsgrund bereichert und die Klägerin im Zusammenhang mit dieser Bereicherung entsprechend entreichert sei.

67

Der SRB ist der Ansicht, dass das Gericht für die Entscheidung über die außervertraglichen Ansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung in Bezug auf die IPC 2015 und die IPC 2016‑2021 nicht zuständig sei. Was die IPC 2015 betreffe, könne die bloße Berufung auf Art. 340 Abs. 2 AEUV nicht dazu führen, dass die vertragliche Natur des Rechtsstreits verändert und dieser somit der Zuständigkeit des im vorliegenden Fall zuständigen nationalen Gerichts entzogen werde. Aus den IPC 2016‑2021 wiederum ergebe sich, dass Ansprüche aus unerlaubter Handlung dem luxemburgischen Recht unterlägen, so dass eine auf das Unionsrecht gestützte außervertragliche Haftung nicht geltend gemacht werden könne. Jedenfalls seien die fraglichen Anträge unbegründet.

68

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht nach Art. 268 AEUV für Streitsachen über den in Art. 340 Abs. 2 AEUV vorgesehenen Schadensersatz zuständig ist. Nach letzterer Vorschrift „ersetzt die Union [im Bereich der außervertraglichen Haftung] den durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind“.

69

Dasselbe gilt für Anträge, mit denen die Union wegen ungerechtfertigter Bereicherung in Haftung genommen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Dezember 2021, KY/Gerichtshof der Europäischen Union, T‑433/20, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:840, Rn. 35).

70

Ein Vertrag kann hieran nichts ändern.

71

Folglich sind die vom SRB erhobenen Einreden der Unzuständigkeit zurückzuweisen.

72

Einer auf ungerechtfertigte Bereicherung gegründeten Klage kann nur stattgegeben werden, wenn der Nachweis einer Bereicherung ohne wirksame Rechtsgrundlage und einer Entreicherung des Klägers im Zusammenhang mit dieser Bereicherung erbracht wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juli 2011, Agrana Zucker, C‑309/10, EU:C:2011:531, Rn. 53).

73

Die erste Voraussetzung ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn die Bereicherung ihre Rechtfertigung in vertraglichen Verpflichtungen findet (vgl. Urteil vom 6. Oktober 2015, Technion und Technion Research & Development Foundation/Kommission, T‑216/12, EU:T:2015:746, Rn. 104 und die dort angeführte Rechtsprechung).

74

Im vorliegenden Fall steht in Bezug auf die IPC 2015 fest, dass diese Verpflichtung das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin auf der einen Seite und dem SRB, der ACPR sowie dem FGDR auf der anderen Seite charakterisiert. Nach Ansicht der Klägerin liegt die Bereicherung des SRB in der Einbehaltung des Betrags, der der Barsicherheit für die IPC 2015 entspricht. Sie legt jedoch keinen Beleg dafür vor, dass es für die geltend gemachte Bereicherung des SRB keine vertragliche Grundlage gibt. Im Übrigen hat sie in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass sie die Gerichte im Zuständigkeitsbereich der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich), die für die Entscheidung etwaiger vertraglicher Streitigkeiten aufgrund der in der IPC 2015 enthaltenen Schiedsklausel zuständig seien, nicht angerufen und auch nicht bei ihnen beantragt habe, das Fehlen jeglicher vertraglicher Grundlage für diese Bereicherung festzustellen. Da somit der Nachweis einer Bereicherung ohne wirksame Rechtsgrundlage nicht erbracht wurde, ist das entsprechende Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen.

75

In Bezug auf die IPC 2016‑2021 ist darauf hinzuweisen, dass die geltend gemachte Bereicherung des SRB, nämlich die Einbehaltung der Beträge, die den Barsicherheiten für diese Verpflichtungen entsprechen, ihre Grundlage in diesen Verpflichtungen findet, die zwischen dem SRB und der Klägerin gelten.

76

Wie sich aus den oben in den Rn. 24 bis 51 dargelegten Feststellungen ergibt, konnten nämlich weder die Anwendung von Art. 7 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2015/81 noch die Anwendung von Klausel 12.5 der IPC 2016‑2021 zur Rückerstattung der Beträge in Höhe der Barsicherheiten für die IPC 2016‑2021 ohne die vorherige Zahlung des Pflichtbeitrags, den die Klägerin gemäß Art. 70 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 schuldete, führen.

77

Daher ist davon auszugehen, dass die Entscheidung des SRB, die Beträge in Höhe der Barsicherheiten für die IPC 2016‑2021 bis zur Zahlung der Beiträge, für die diese Instrumente genutzt wurden, einzubehalten, auf einer wirksamen Rechtsgrundlage beruht und somit keine ungerechtfertigte Bereicherung darstellen kann.

78

Folglich sind die auf Art. 340 Abs. 2 AEUV gestützten Anträge zurückzuweisen.

79

Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Kosten

80

Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des SRB ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des SRB aufzuerlegen.

81

Die Französische Republik trägt gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten.

82

Des Weiteren kann das Gericht nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung entscheiden, dass ein anderer Streithelfer als die in Art. 138 Abs. 1 und 2 genannten seine eigenen Kosten trägt. Im vorliegenden Fall ist zu entscheiden, dass die FBF ihre eigenen Kosten trägt.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Klage wird abgewiesen.

 

2.

Die BNP Paribas Public Sector SA trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten des SRB.

 

3.

Die Französische Republik und die Fédération bancaire française (Französischer Bankenverband, FBF) tragen ihre eigenen Kosten.

 

Kowalik-Bańczyk

Hesse

Ricziová

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 25. Oktober 2023.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

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