Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62021CJ0115

    Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 22. Dezember 2022.
    Oriol Junqueras i Vies gegen Europäisches Parlament.
    Rechtsmittel – Institutionelles Recht – Mitglieder des Europäischen Parlaments – Wegfall der Voraussetzung des passiven Wahlrechts infolge einer strafrechtlichen Verurteilung – Bekanntgabe des Freiwerdens des Sitzes eines Europaabgeordneten – Antrag, dringend zur Bestätigung der Immunität eines Europaabgeordneten tätig zu werden – Nichtigkeitsklage – Unzulässigkeit.
    Rechtssache C-115/21 P.

    Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2022:1021

     URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

    22. Dezember 2022 ( *1 )

    „Rechtsmittel – Institutionelles Recht – Mitglieder des Europäischen Parlaments – Wegfall der Voraussetzung des passiven Wahlrechts infolge einer strafrechtlichen Verurteilung – Bekanntgabe des Freiwerdens des Sitzes eines Europaabgeordneten – Antrag, dringend zur Bestätigung der Immunität eines Europaabgeordneten tätig zu werden – Nichtigkeitsklage – Unzulässigkeit“

    In der Rechtssache C‑115/21 P

    betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 25. Februar 2021,

    Oriol Junqueras i Vies, wohnhaft in Sant Joan de Vilatorrada (Spanien), vertreten durch M. Marsal i Ferret und A. Van den Eynde Adroer, Abogados,

    Rechtsmittelführer,

    andere Partei des Verfahrens:

    Europäisches Parlament, vertreten durch N. Görlitz und J.‑C. Puffer als Bevollmächtigte,

    Beklagter im ersten Rechtszug,

    unterstützt durch

    Königreich Spanien, vertreten durch S. Centeno Huerta als Bevollmächtigte,

    Streithelfer im Rechtsmittelverfahren,

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richterin L. S. Rossi, der Richter J.‑C. Bonichot (Berichterstatter) und S. Rodin sowie der Richterin O. Spineanu-Matei,

    Generalanwalt: M. Szpunar,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Juni 2022

    folgendes

    Urteil

    1

    Mit seinem Rechtsmittel beantragt Herr Oriol Junqueras i Vies die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts der Europäischen Union vom 15. Dezember 2020, Junqueras i Vies/Parlament (T‑24/20, im Folgenden: angefochtener Beschluss, EU:T:2020:601), mit dem das Gericht seine Klage als unzulässig abgewiesen hat, die gerichtet war auf Nichtigerklärung der vom Präsidenten des Europäischen Parlaments in der Plenarsitzung des Europäischen Parlaments vom 13. Januar 2020 abgegebenen Erklärung der Kenntnisnahme vom Freiwerden seines Sitzes als Europaabgeordneter (im Folgenden: Erklärung vom 13. Januar 2020) einerseits und der angeblichen Ablehnung durch den Präsidenten des am 20. Dezember 2019 von der Europaabgeordneten Riba i Giner auf der Grundlage von Art. 8 der Geschäftsordnung des Parlaments gestellten Antrags, der Präsident möge dringend zur Bestätigung der Immunität des Rechtsmittelführers tätig werden (im Folgenden: Ablehnung des Antrags vom 20. Dezember 2019), andererseits.

    Rechtlicher Rahmen

    Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen

    2

    Kapitel III („Mitglieder des Europäischen Parlaments“) des dem EU‑Vertrag und dem AEU‑Vertrag beigefügten Protokolls (Nr. 7) über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union (im Folgenden: Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen) enthält u. a. Art. 9 dieses Protokolls, der bestimmt:

    „Während der Dauer der Sitzungsperiode des … Parlaments

    a)

    steht seinen Mitgliedern im Hoheitsgebiet ihres eigenen Staates die den Parlamentsmitgliedern zuerkannte Unverletzlichkeit zu,

    b)

    können seine Mitglieder im Hoheitsgebiet jedes anderen Mitgliedstaats weder festgehalten noch gerichtlich verfolgt werden.

    Die Unverletzlichkeit besteht auch während der Reise zum und vom Tagungsort des … Parlaments.

    Bei Ergreifung auf frischer Tat kann die Unverletzlichkeit nicht geltend gemacht werden; sie steht auch nicht der Befugnis des … Parlaments entgegen, die Unverletzlichkeit eines seiner Mitglieder aufzuheben.“

    Wahlakt

    3

    Art. 6 Abs. 2 des Akts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments im Anhang zum Beschluss 76/787/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 20. September 1976 (ABl. 1976, L 278, S. 1, im Folgenden: Wahlakt in seiner ursprünglichen Fassung) in der durch den Beschluss 2002/772/EG, Euratom des Rates vom 25. Juni 2002 und 23. September 2002 geänderten Fassung (ABl. 2002, L 283, S. 1, im Folgenden: Wahlakt) sieht vor:

    „Die Mitglieder des … Parlaments genießen die Vorrechte und Befreiungen, die nach dem [Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen] für sie gelten.“

    4

    Art. 7 des Wahlakts bestimmt:

    „(1)   Die Mitgliedschaft im … Parlament ist unvereinbar mit der Eigenschaft als

    Mitglied der Regierung eines Mitgliedstaats;

    Mitglied der [Europäischen] Kommission …;

    Richter, Generalanwalt oder Kanzler des Gerichtshofs … oder des Gerichts …;

    Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank;

    Mitglied des [Europäischen] Rechnungshofs …;

    [Europäischer] Bürgerbeauftragter …;

    Mitglied des [Europäischen] Wirtschafts- und Sozialausschusses …;

    Mitglied des Ausschusses der Regionen;

    Mitglied von Ausschüssen und Gremien, die auf Grund der Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft Mittel der Gemeinschaften verwalten oder eine dauernde unmittelbare Verwaltungsaufgabe wahrnehmen;

    Mitglied des Verwaltungsrats oder des Direktoriums oder Bediensteter der Europäischen Investitionsbank;

    im aktiven Dienst stehender Beamter oder Bediensteter der Organe der Europäischen [Union] oder der ihnen angegliederten Einrichtungen, Ämter, Agenturen und Gremien oder der Europäischen Zentralbank.

    (2)   Ab der Wahl zum … Parlament im Jahr 2004 ist die Mitgliedschaft im … Parlament unvereinbar mit der Eigenschaft als Abgeordneter eines nationalen Parlaments.

    (3)   Ferner kann jeder Mitgliedstaat nach Artikel [8] innerstaatlich geltende Unvereinbarkeiten ausweiten.

    …“

    5

    Art. 8 des Wahlakts lautet:

    „Vorbehaltlich der Vorschriften dieses Akts bestimmt sich das Wahlverfahren in jedem Mitgliedstaat nach den innerstaatlichen Vorschriften.

    Diese innerstaatlichen Vorschriften, die gegebenenfalls den Besonderheiten in den Mitgliedstaaten Rechnung tragen können, dürfen das Verhältniswahlsystem insgesamt nicht in Frage stellen.“

    6

    In Art. 12 des Wahlakts heißt es:

    „Das … Parlament prüft die Mandate seiner Mitglieder. Zu diesem Zweck nimmt [es] die von den Mitgliedstaaten amtlich bekanntgegebenen Wahlergebnisse zur Kenntnis und befindet über die Anfechtungen, die gegebenenfalls auf Grund der Vorschriften dieses Akts – mit Ausnahme der innerstaatlichen Vorschriften, auf die darin verwiesen wird – vorgebracht werden könnten.“

    7

    In Art. 13 des Wahlakts heißt es:

    „(1)   Ein Sitz wird frei, wenn das Mandat eines Mitglieds des … Parlaments im Falle seines Rücktritts oder seines Todes oder des Entzugs erlischt.

    (2)   Vorbehaltlich der sonstigen Vorschriften dieses Akts legt jeder Mitgliedstaat für den Fall des Freiwerdens eines Sitzes die geeigneten Verfahren fest, um diesen Sitz für den Rest des in Artikel [5] genannten Fünfjahreszeitraums zu besetzen.

    (3)   Ist in den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats ausdrücklich der Entzug des Mandats eines Mitglieds des … Parlaments vorgesehen, so erlischt sein Mandat entsprechend diesen Rechtsvorschriften. Die zuständigen einzelstaatlichen Behörden setzen das … Parlament davon in Kenntnis.

    (4)   Wird ein Sitz durch Rücktritt oder Tod frei, so setzt der Präsident des … Parlaments die zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaates unverzüglich davon in Kenntnis.“

    Geschäftsordnung

    8

    Art. 3 („Prüfung der Mandate“) der Geschäftsordnung des Parlaments (im Folgenden: Geschäftsordnung) bestimmt:

    „1.   Im Anschluss an die allgemeinen Wahlen zum … Parlament fordert der Präsident die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten auf, dem Parlament unverzüglich die Namen der gewählten Mitglieder mitzuteilen, damit sämtliche Mitglieder ihre Sitze im Parlament ab der Eröffnung der ersten Sitzung im Anschluss an die Wahlen einnehmen können.

    3.   Auf der Grundlage eines Berichts seines zuständigen Ausschusses prüft das Parlament unverzüglich die Mandate und entscheidet über die Gültigkeit der Mandate jedes seiner neu gewählten Mitglieder sowie über etwaige Anfechtungen, die aufgrund der Bestimmungen des [Wahlakts] geltend gemacht werden, mit Ausnahme derjenigen, die aufgrund dieses Akts ausschließlich unter die innerstaatlichen Vorschriften fallen, auf die sich der Akt bezieht.

    6.   Der zuständige Ausschuss wacht darüber, dass alle Angaben, die die Wählbarkeit eines Mitglieds bzw. die Wählbarkeit oder die Rangfolge der Stellvertreter beeinflussen können, dem Parlament unverzüglich von den Behörden der Mitgliedstaaten oder der Union – unter Angabe des Zeitpunkts des Wirksamwerdens im Falle einer Benennung – übermittelt werden.

    Falls die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten gegen ein Mitglied ein Verfahren eröffnen, das den Verlust des Mandats zur Folge haben könnte, ersucht der Präsident [des Parlaments] sie darum, ihn regelmäßig über den Stand des Verfahrens zu unterrichten und befasst damit den zuständigen Ausschuss, auf dessen Vorschlag das Parlament Stellung nehmen kann.“

    9

    In Art. 4 („Dauer des Mandats“) Abs. 2, 4 und 7 der Geschäftsordnung heißt es:

    „2.   …

    Ist der zuständige Ausschuss der Auffassung, dass der Rücktritt mit dem [Wahlakt] vereinbar ist, wird das Freiwerden eines Sitzes erklärt, und zwar mit Wirkung von dem Zeitpunkt, der von dem zurücktretenden Mitglied im Rücktrittsprotokoll angegeben wird, und der Präsident unterrichtet das Parlament hierüber.

    Ist der zuständige Ausschuss der Auffassung, dass der Rücktritt nicht mit dem [Wahlakt] vereinbar ist, schlägt er dem Parlament vor, das Freiwerden eines Sitzes nicht zu erklären.

    4.   Geben die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten oder der Union oder das betroffene Mitglied dem Präsidenten eine Ernennung oder eine Wahl in ein Amt bekannt, das mit der Ausübung eines Mandats als Mitglied des … Parlaments im Sinne von Artikel 7 Absätze 1 oder 2 des [Wahlakts] unvereinbar ist, unterrichtet der Präsident hierüber das Parlament, welches das Freiwerden des Sitzes ab dem Zeitpunkt der Unvereinbarkeit feststellt.

    Geben die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten dem Präsidenten das Erlöschen des Mandats eines Mitglieds des … Parlaments entweder aufgrund zusätzlicher Unvereinbarkeiten mit dem Recht dieses Mitgliedstaats gemäß Artikel 7 Absatz 3 des [Wahlakts] oder aufgrund eines Entzugs des Mandats gemäß Artikel 13 Absatz 3 dieses Akts bekannt, unterrichtet dieser das Parlament darüber, dass das Mandat dieses Mitglieds zu dem von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats mitgeteilten Zeitpunkt erloschen ist. Wird kein solcher Zeitpunkt mitgeteilt, gilt als Stichtag für das Erlöschen des Mandats der Zeitpunkt der Benachrichtigung durch den Mitgliedstaat.

    7.   Stehen der Annahme oder Beendigung des Mandats offenbar Fehlerhaftigkeit oder Willensmängel entgegen, kann das Parlament das geprüfte Mandat für ungültig erklären oder sich weigern, das Freiwerden des Sitzes festzustellen.“

    10

    Art. 5 („Vorrechte und Befreiungen“) der Geschäftsordnung sieht vor:

    „1.   Die Mitglieder genießen die Vorrechte und Befreiungen, die im [Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen] vorgesehen sind.

    2.   Bei der Wahrnehmung seiner Befugnisse hinsichtlich der Vorrechte und Befreiungen handelt das Parlament so, dass es seine Integrität als demokratische gesetzgebende Versammlung bewahrt und die Unabhängigkeit seiner Mitglieder bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sicherstellt. Die parlamentarische Immunität ist kein persönliches Vorrecht eines Mitglieds, sondern eine Garantie der Unabhängigkeit des Parlaments als Ganzes und seiner Mitglieder.

    …“

    11

    Art. 7 („Schutz der Vorrechte und der Immunität“) der Geschäftsordnung bestimmt:

    „1.   In Fällen, in denen geltend gemacht wird, dass eine Verletzung der Vorrechte oder der Immunität eines Mitglieds oder eines ehemaligen Mitglieds durch die Behörden eines Mitgliedstaats stattgefunden hat oder bevorsteht, kann ein Antrag auf einen Beschluss des Parlaments, ob eine Verletzung dieser Vorrechte oder der Immunität vorlag oder wahrscheinlich vorliegen wird, gemäß Artikel 9 Absatz 1 eingereicht werden.

    2.   Ein solcher Antrag auf Schutz der Vorrechte und der Immunität kann insbesondere dann gestellt werden, wenn die Auffassung vertreten wird, die Umstände würden eine verwaltungsmäßige oder sonstige Beschränkung der Bewegungsfreiheit der Mitglieder bei der An- oder Abreise zum bzw. vom Tagungsort des Parlaments oder eine verwaltungsmäßige oder sonstige Beschränkung einer in Ausübung ihres Amtes erfolgten Äußerung oder Abstimmung darstellen oder dass die Umstände in den Anwendungsbereich von Artikel 9 des [Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen] fallen.

    5.   In Fällen, in denen ein Beschluss gefasst wurde, die Vorrechte und die Immunität eines Mitglieds nicht zu schützen, kann das Mitglied durch die Vorlage neuen Beweismaterials gemäß Artikel 9 Absatz 1 ausnahmsweise einen Antrag auf Überprüfung des Beschlusses stellen. Der Antrag auf Überprüfung ist unzulässig, wenn gemäß Artikel 263 [AEUV] gegen den Beschluss Klage erhoben wurde oder wenn der Präsident [des Parlaments] die Auffassung vertritt, dass das neu vorgelegte Beweismaterial nicht hinreichend substantiiert ist, um eine Überprüfung zu rechtfertigen.“

    12

    Art. 8 („Dringliche Maßnahmen des Präsidenten zur Bestätigung der Immunität“) der Geschäftsordnung lautet:

    „1.   In dringenden Fällen kann der Präsident [des Parlaments], falls ein Mitglied unter mutmaßlichem Verstoß gegen seine Vorrechte und seine Immunität festgenommen oder in seiner Bewegungsfreiheit beschränkt wurde, nach Rücksprache mit dem Vorsitz und dem Berichterstatter des zuständigen Ausschusses von sich aus tätig werden, um die Vorrechte und die Immunität des betreffenden Mitglieds zu bestätigen. Der Präsident [des Parlaments] teilt dem Ausschuss seine Maßnahme mit und unterrichtet das Parlament.

    …“

    13

    Art. 9 („Immunitätsverfahren“) der Geschäftsordnung sieht vor:

    „1.   Jeder an den Präsidenten [des Parlaments] gerichtete Antrag einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaates, die Immunität eines Mitglieds aufzuheben, oder eines Mitglieds oder ehemaligen Mitglieds, Vorrechte und Immunität zu schützen, wird dem Parlament mitgeteilt und an den zuständigen Ausschuss überwiesen.

    2.   Mit Zustimmung des betroffenen Mitglieds oder ehemaligen Mitglieds kann der Antrag von einem anderen Mitglied gestellt werden, das das betroffene Mitglied oder ehemalige Mitglied in sämtlichen Stadien des Verfahrens vertritt.

    3.   Der Ausschuss prüft die Anträge auf Aufhebung der Immunität oder auf Schutz der Vorrechte und der Immunität unverzüglich, aber unter Berücksichtigung ihrer relativen Komplexität.

    4.   Der Ausschuss unterbreitet einen Vorschlag für einen mit Gründen versehenen Beschluss, in dem die Annahme oder Ablehnung des Antrags auf Aufhebung der Immunität oder auf Schutz der Vorrechte und der Immunität empfohlen wird. Änderungsanträge sind nicht zulässig. Wird ein Vorschlag abgelehnt, gilt der gegenteilige Beschluss als angenommen.

    5.   Der Ausschuss kann die betreffende Behörde um jede Information oder Auskunft ersuchen, die er für erforderlich hält, um sich eine Meinung darüber bilden zu können, ob die Immunität aufzuheben oder zu schützen ist.

    6.   Das betreffende Mitglied erhält die Möglichkeit, gehört zu werden, und kann alle Schriftstücke vorlegen, die ihm in diesem Zusammenhang zweckmäßig erscheinen.

    Der Vorsitz des Ausschusses lädt das Mitglied unter Angabe eines Datums und Zeitpunkts zur Anhörung. Das betreffende Mitglied kann auf das Anhörungsrecht verzichten.

    7.   Wurde der Antrag auf Aufhebung oder Schutz der Immunität aufgrund von mehreren Anklagepunkten formuliert, kann jeder davon Gegenstand eines gesonderten Beschlusses sein. In Ausnahmefällen kann im Bericht des Ausschusses vorgeschlagen werden, dass die Aufhebung oder der Schutz der Immunität ausschließlich die Strafverfolgung betrifft, ohne dass gegen das Mitglied, solange das Urteil nicht rechtskräftig ist, Maßnahmen wie Festnahme, Haft oder sonstige Maßnahmen ergriffen werden können, die es an der Ausübung des Mandats hindern.

    8.   Der Ausschuss kann eine mit Gründen versehene Stellungnahme zur Zuständigkeit der betreffenden Behörde und zur Zulässigkeit des Antrags abgeben, doch äußert er sich in keinem Fall zur Schuld oder Nichtschuld des Mitglieds bzw. zur Zweckmäßigkeit einer Strafverfolgung der dem Mitglied zugeschriebenen Äußerungen oder Tätigkeiten, selbst wenn der Ausschuss durch die Prüfung des Antrags umfassende Kenntnis von dem zugrunde liegenden Sachverhalt erlangt.

    9.   Der Vorschlag des Ausschusses für einen Beschluss wird auf die Tagesordnung der unmittelbar auf seine Vorlage folgenden Sitzung gesetzt. Änderungsanträge zu einem derartigen Vorschlag sind nicht zulässig.

    Unbeschadet der Bestimmungen des Artikels 173 [der Geschäftsordnung] darf ein Mitglied, dessen Vorrechte oder Immunität Gegenstand des Falls sind, in der Aussprache nicht das Wort ergreifen.

    Über den in dem Bericht enthaltenen Vorschlag bzw. die Vorschläge für einen Beschluss wird in der ersten Abstimmungsstunde nach der Aussprache abgestimmt.

    Nach Prüfung durch das Parlament findet eine gesonderte Abstimmung über jeden einzelnen in dem Bericht enthaltenen Vorschlag statt. Im Falle der Ablehnung eines Vorschlags gilt der gegenteilige Beschluss als angenommen.

    10.   Der Präsident [des Parlaments] teilt den Beschluss des Parlaments unverzüglich dem betroffenen Mitglied und der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaates mit und ersucht darum, dass er über alle Entwicklungen und Gerichtsentscheidungen in dem betreffenden Verfahren unterrichtet wird. Sobald der Präsident [des Parlaments] diese Information erhält, unterrichtet er das Parlament, gegebenenfalls nach Rücksprache mit dem zuständigen Ausschuss, auf dem Wege, der ihm am angemessensten erscheint.

    11.   Der Ausschuss behandelt den Vorgang und die eingegangenen Unterlagen mit größter Vertraulichkeit. Die Prüfung von Anträgen im Zusammenhang mit Immunitätsverfahren durch den Ausschuss findet stets unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

    12.   Das Parlament prüft nur solche Anträge auf Aufhebung der Immunität eines Mitglieds, die ihm von der Justiz oder den Ständigen Vertretungen der Mitgliedstaaten übermittelt wurden.

    14.   Jede Anfrage einer zuständigen Behörde zum Geltungsbereich der Vorrechte oder Immunität der Mitglieder wird gemäß den vorstehenden Bestimmungen geprüft.“

    Vorgeschichte des Rechtsstreits

    14

    Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 15 bis 31 des angefochtenen Beschlusses dargelegt und lässt sich wie folgt zusammenfassen.

    15

    Herr Junqueras i Vies war zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Ley 19/2017 del Parlamento de Cataluña, reguladora del referéndum de autodeterminación (Gesetz 19/2017 des Parlaments von Katalonien über das Referendum über die Selbstbestimmung) vom 6. September 2017 (DOGC Nr. 7449A vom 6. September 2017, S. 1) und der Ley 20/2017 del Parlamento de Cataluña, de transitoriedad jurídica y fundacional de la República (Gesetz 20/2017 des Parlaments von Katalonien über den Rechtsübergang und die Gründung der Republik) vom 8. September 2017 (DOGC Nr. 7451A vom 8. September 2017, S. 1) sowie zu dem Zeitpunkt, als das Referendum über die Selbstbestimmung am 1. Oktober 2017 gemäß dem erstgenannten Gesetz durchgeführt wurde, dessen Bestimmungen in der Zwischenzeit durch eine Entscheidung des Tribunal Constitucional (Verfassungsgericht, Spanien) außer Vollzug gesetzt worden waren, Vizepräsident des Gobierno autonómico de Cataluña (Autonome Regierung von Katalonien, Spanien).

    16

    Nach dem Erlass dieser Gesetze und der Durchführung dieses Referendums strengten das Ministerio Fiscal (Staatsanwaltschaft, Spanien), der Abogado del Estado (Vertreter des öffentlichen Interesses, Spanien) und der Partido político VOX (politische Partei VOX) ein Strafverfahren gegen mehrere Personen an, u. a. gegen Herrn Junqueras i Vies. Sie vertraten die Auffassung, dass diese Personen sich an einem Abspaltungsprozess beteiligt und die Straftaten „Rebellion“ oder „Aufruhr“, „Gehorsamsverweigerung“ und „Veruntreuung öffentlicher Gelder“ begangen hätten.

    17

    Herr Junqueras i Vies wurde während dieses Ermittlungsverfahrens gemäß einer am 2. November 2017 auf der Grundlage von Art. 503 der Ley de Enjuiciamiento Criminal (Strafprozessordnung, Spanien) erlassenen Entscheidung in Untersuchungshaft genommen.

    18

    Als sich das genannte Verfahren im Stadium des Hauptverfahrens befand, trat der Rechtsmittelführer bei den Wahlen zum Europäischen Parlament an, die am 26. Mai 2019 stattfanden, und wurde als Europaabgeordneter gewählt, wie sich aus der gemäß Art. 224 Abs. 1 der Ley orgánica 5/1985, de Régimen Electoral General (Gesetz 5/1985 über die allgemeine Regelung für Wahlen) vom 19. Juni 1985 (BOE Nr. 147 vom 20. Juni 1985, S. 19110, im Folgenden: spanisches Wahlgesetz) ergangenen Entscheidung der Junta Electoral Central (Zentrale Wahlkommission) vom 13. Juni 2019 über die „Bekanntgabe der bei den Wahlen zum Europäischen Parlament vom 26. Mai 2019 gewählten Abgeordneten“ (BOE Nr. 142 vom 14. Juni 2019, S. 62477) ergibt. Mit dieser Entscheidung teilte die Zentrale Wahlkommission außerdem den gewählten Personen, einschließlich des Rechtsmittelführers, die Sitze zu, über die das Königreich Spanien im Parlament verfügt.

    19

    Mit Beschluss vom 14. Juni 2019 wies das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) den Antrag des Rechtsmittelführers auf Erteilung einer außerordentlichen Erlaubnis zurück, die Haftanstalt unter polizeilicher Aufsicht verlassen zu dürfen, um bei der Zentralen Wahlkommission vorstellig werden und vor ihr, wie in Art. 224 Abs. 2 des spanischen Wahlgesetzes vorgeschrieben, den Eid bzw. das Gelöbnis zur Achtung der spanischen Verfassung leisten zu können.

    20

    Am 20. Juni 2019 stellte die Zentrale Wahlkommission fest, dass der Rechtsmittelführer den fraglichen Eid bzw. das fragliche Gelöbnis nicht geleistet habe, erklärte gemäß Art. 224 Abs. 2 des spanischen Wahlgesetzes den ihm zugewiesenen Sitz als Europaabgeordneter für frei geworden und setzte alle etwaigen ihm aufgrund seines Amtes zustehenden Befugnisse aus.

    21

    Der Rechtsmittelführer focht beim Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) den in Rn. 19 des vorliegenden Urteils genannten Beschluss an, wobei er sich auf die in Art. 9 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen vorgesehenen Immunitäten berief.

    22

    Am 1. Juli 2019 beschloss das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof), das Verfahren über den genannten Rechtsbehelf auszusetzen und dem Gerichtshof im Rahmen der Rechtssache, in der das Urteil vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:1115), ergangen ist, Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.

    23

    Am 2. Juli 2019 eröffnete der Präsident des Parlaments in Abwesenheit von Herrn Junqueras i Vies die erste Sitzung der sich aus den Wahlen zum Parlament vom 26. Mai 2019 ergebenden Legislaturperiode.

    24

    Am 4. Juli 2019 beantragte die Europaabgeordnete Frau Riba i Giner beim Präsidenten des Parlaments im Namen von Herrn Junqueras i Vies, auf der Grundlage von Art. 8 der Geschäftsordnung dringend Maßnahmen zur Bestätigung der Immunität des Rechtsmittelführers zu ergreifen.

    25

    Am 22. August 2019 lehnte der Präsident des Parlaments diesen Antrag ab.

    26

    Mit Urteil vom 14. Oktober 2019 verhängte das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) gegen Herrn Junqueras i Vies eine Freiheitsstrafe von 13 Jahren und erkannte ihm außerdem für die Dauer von 13 Jahren die Fähigkeit ab, öffentliche Ämter zu bekleiden, was zum endgültigen Verlust all seiner Ämter und öffentlichen Funktionen einschließlich seiner Wahlmandate führte und es ihm unmöglich machte, neue zu erlangen oder auszuüben.

    27

    Mit Urteil vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:1115), hat der Gerichtshof die in Rn. 22 des vorliegenden Urteils angeführten Vorlagefragen beantwortet. Er entschied, dass eine Person, deren Wahl ins Parlament amtlich bekannt gegeben worden ist, als sie sich im Rahmen eines Verfahrens wegen schwerer Straftaten in Untersuchungshaft befand, der aber nicht gestattet wurde, bestimmten Anforderungen nachzukommen, die nach dem innerstaatlichen Recht nach einer solchen Bekanntgabe vorgesehen sind, und sich zum Parlament zu begeben, um an dessen erster Sitzung teilzunehmen, Immunität nach Art. 9 Abs. 2 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen genießt. Der Gerichtshof stellte klar, dass es diese Immunität verlangt, die gegen die betreffende Person verhängte Untersuchungshaft aufzuheben, um es ihr zu ermöglichen, sich zum Parlament zu begeben und dort die vom Unionsrecht vorgeschriebenen Formalitäten zu erfüllen. Schließlich stellte der Gerichtshof fest, dass das zuständige nationale Gericht, wenn es der Auffassung ist, dass die genannte Maßnahme aufrechtzuerhalten ist, nachdem diese Person die Eigenschaft als Mitglied des Parlaments erworben hat, unverzüglich auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 3 dieses Protokolls die Aufhebung der fraglichen Immunität beim Parlament beantragen muss.

    28

    Am 20. Dezember 2019 beantragte die Europaabgeordnete Riba i Giner im Namen des Rechtsmittelführers erneut beim Präsidenten des Parlaments, auf der Grundlage von Art. 8 der Geschäftsordnung dringend Maßnahmen zur Bestätigung der Immunität des Rechtsmittelführers zu ergreifen (im Folgenden: Antrag vom 20. Dezember 2019).

    29

    Mit Entscheidung vom 3. Januar 2020 erklärte die Zentrale Wahlkommission den Rechtsmittelführer wegen seiner Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe durch das in Rn. 26 des vorliegenden Urteils genannte Urteil vom 14. Oktober 2019 für nicht wählbar. Der Rechtsmittelführer erhob gegen diese Entscheidung Klage beim Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof), wobei er die Aussetzung ihres Vollzugs beantragte.

    30

    Mit Beschluss vom 9. Januar 2020 befand das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) über die Konsequenzen, die aus dem Urteil vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:1115), hinsichtlich des den Rechtsmittelführer betreffenden Strafverfahrens zu ziehen sind. Es vertrat die Ansicht, dass beim Parlament u. a. deshalb kein Antrag auf Aufhebung der parlamentarischen Immunität des Rechtsmittelführers habe gestellt werden müssen, weil das gegen ihn gerichtete Strafverfahren, als die Wahl des Rechtsmittelführers bekannt gegeben worden sei, zu seinem Abschluss gelangt sei und das Gericht mit der Beratung begonnen habe. Da der Rechtsmittelführer die Eigenschaft als Europaabgeordneter zu einem Zeitpunkt erlangt habe, als sich das Strafverfahren bereits im Hauptverfahren befunden habe, könne er sich nicht auf Immunität berufen, um die Fortsetzung dieses Verfahrens zu verhindern. Im Tenor seines Beschlusses befand das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) insbesondere, dass weder ein Anlass dafür bestehe, dem Rechtsmittelführer zu gestatten, sich zum Sitz des Parlaments zu begeben, noch dafür, dass er freigelassen werde, oder dafür, das Urteil vom 14. Oktober 2019 für nichtig zu erklären bzw. eine Aufhebung der Immunität beim Parlament zu beantragen. Außerdem entschied es, der Zentralen Wahlkommission und dem Parlament seinen Beschluss zuzuleiten. Am selben Tag entschied es, den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung der Zentralen Wahlkommission vom 3. Januar 2020 im Wege des ordentlichen Verfahrens zu prüfen und die vom Rechtsmittelführer gestellten Anträge, Maßnahmen wegen äußerster Eilbedürftigkeit zu erlassen, zurückzuweisen.

    31

    Am 10. und 13. Januar 2020 ergänzte die Europaabgeordnete Frau Riba i Giner den im Namen von Herrn Junqueras i Vies gestellten Antrag vom 20. Dezember 2019, wobei sie beim Präsidenten des Parlaments u. a. beantragte, die Feststellung zu verweigern, dass der Sitz des Rechtsmittelführers frei geworden sei, und zusätzliche Unterlagen vorlegte.

    32

    Mit der Erklärung vom 13. Januar 2020 gab der Präsident des Parlaments in der Plenarsitzung bekannt, dass dieses Organ erstens im Nachgang des Urteils vom 19. Dezember 2019, Junqueras Vies (C‑502/19, EU:C:2019:1115), von der Wahl des Rechtsmittelführers zum Mitglied des Parlaments mit Wirkung vom 2. Juli 2019 und zweitens nach der Entscheidung der Zentralen Wahlkommission vom 3. Januar 2020 und im Anschluss an den Beschluss des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) vom 9. Januar 2020 vom Freiwerden des Sitzes des Rechtsmittelführers ab dem 3. Januar 2020 Kenntnis nehme.

    Verfahren vor dem Gericht und angefochtener Beschluss

    33

    Mit Klageschrift, die am 17. Januar 2020 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Herr Junqueras i Vies Klage auf Nichtigerklärung der Erklärung vom 13. Januar 2020 und der Ablehnung des Antrags vom 20. Dezember 2019.

    34

    Mit gesondertem Schriftsatz vom selben Tag fügte der Rechtsmittelführer diesem Antrag einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gemäß den Art. 278 und 279 AEUV bei, der auf Aussetzung des Vollzugs der Erklärung vom 13. Januar 2020 und der Ablehnung des Antrags vom 20. Dezember 2019 gerichtet war, dem Präsidenten des Parlaments aufzugeben, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um seine Vorrechte und Befreiungen zu schützen und ihnen Geltung zu verschaffen sowie sein Grundrecht auf vollumfängliche Ausübung seines Mandats als Mitglied des Parlaments zu schützen, und schließlich, dem Königreich Spanien aufzugeben, ihn sofort freizulassen, damit er sein Mandat als Mitglied des Parlaments ausüben könne.

    35

    Mit Beschluss vom 3. März 2020, Junqueras i Vies/Parlament (T‑24/20 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:78), hat der Vizepräsident des Gerichts diesen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Voraussetzung des fumus boni iuris nicht erfüllt sei.

    36

    Mit Beschluss vom 8. Oktober 2020, Junqueras i Vies/Parlament (C‑201/20 P[R], nicht veröffentlicht, EU:C:2020:818), hat die Vizepräsidentin des Gerichtshofs das vom Rechtsmittelführer gegen diesen Beschluss vom 3. März 2020 eingelegte Rechtsmittel zurückgewiesen.

    37

    Am 15. Dezember 2020 hat das Gericht den angefochtenen Beschluss erlassen, mit dem es den vom Parlament zur Verteidigung erhobenen Einreden der Unzulässigkeit stattgegeben und die Anträge von Herrn Junqueras i Vies auf Nichtigerklärung der Erklärung vom 13. Januar 2020 und der Ablehnung des Antrags vom 20. Dezember 2019 zurückgewiesen hat, weil sie sich gegen Handlungen richteten, die nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV sein könnten.

    38

    Im Einzelnen hat das Gericht hinsichtlich des Antrags auf Nichtigerklärung der Erklärung vom 13. Januar 2020 befunden, dass er gegen eine Handlung mit rein informativem Charakter gerichtet sei, die keine rechtliche Auswirkung auf die Situation von Herrn Junqueras i Vies habe, da mit ihr lediglich gemäß Art. 13 Abs. 3 des Wahlakts der allein auf der Grundlage des nationalen Rechts erfolgte Entzug des Mandats des Betroffenen nach seiner strafrechtlichen Verurteilung zur Kenntnis genommen werde.

    39

    Hinsichtlich des Antrags auf Nichtigerklärung der Ablehnung des Antrags vom 20. Dezember 2019 hat das Gericht befunden, dass er mangels einer ausdrücklichen ablehnenden Entscheidung gegen eine nicht existierende Handlung gerichtet sei. Hilfsweise hat das Gericht jedenfalls befunden, dass in Anbetracht dessen, dass die durch Art. 8 der Geschäftsordnung eröffnete Möglichkeit, zur Bestätigung der Immunität eines Europaabgeordneten tätig zu werden, im Ermessen des Präsidenten des Parlaments liege, was das Recht ausschließe, von ihm zu verlangen, dass er insoweit tätig werde, die Ablehnung eines solchen Antrags nicht als anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 263 AEUV angesehen werden könne.

    Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

    40

    Mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofs vom 9. Juni 2021 ist das Königreich Spanien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments zugelassen worden.

    41

    Mit Beschluss vom 28. September 2021 hat der Präsident des Gerichtshofs den Antrag von Herrn Carles Puigdemont i Casamajó und von Herrn Antoni Comín i Oliveres auf Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge von Herrn Junqueras i Vies zurückgewiesen.

    42

    Mit seinem Rechtsmittel beantragt Herr Junqueras i Vies,

    den angefochtenen Beschluss aufzuheben,

    die Zulässigkeit der beim Gericht erhobenen Klage festzustellen,

    die Sache an das Gericht zurückzuverweisen, damit es über die Klagegründe entscheidet, zu denen es sich noch nicht geäußert hat, und

    dem Parlament die Kosten aufzuerlegen, die im Verfahren über die in der Rechtssache T‑24/20 erhobene Einrede der Unzulässigkeit und im Rechtsmittelverfahren entstanden sind.

    43

    Das Parlament beantragt,

    das Rechtsmittel insgesamt als unbegründet zurückzuweisen,

    dem Rechtsmittelführer die Kosten aufzuerlegen, die im Rechtsmittelverfahren entstanden sind.

    Zum Rechtsmittel

    44

    Herr Junqueras i Vies stützt sein Rechtsmittel auf vier Gründe. Mit seinen ersten drei Rechtsmittelgründen wendet er sich gegen die Begründung, mit der das Gericht seinen Antrag auf Nichtigerklärung der Erklärung vom 13. Januar 2020 für unzulässig erklärt hat. Mit seinem vierten Rechtsmittelgrund wendet er sich gegen die Begründung, mit der das Gericht seinen Antrag auf Nichtigerklärung der Ablehnung des Antrags vom 20. Dezember 2019 für unzulässig erklärt hat.

    Zur Zulässigkeit

    Vorbringen der Parteien

    45

    Das Parlament macht in erster Linie geltend, der erste, der dritte und der vierte Rechtsmittelgrund seien unzulässig, da sie nicht den Anforderungen von Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 1 AEUV, von Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie von Art. 168 Abs. 1 Buchst. d und Art. 169 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entsprächen, da die beanstandeten Punkte der Begründung des angefochtenen Beschlusses und die rechtliche Argumentation zur Begründung seines Antrags nicht hinreichend genau angegeben seien. Der erste Rechtsmittelgrund sei auch deshalb unzulässig, weil er nicht darauf abziele, die vom Gericht vorgenommene Auslegung von Art. 13 Abs. 3 des Wahlakts in Frage zu stellen, sondern darauf, seine Lesart der Entscheidung der Zentralen Wahlkommission vom 3. Januar 2020 in Frage zu stellen, was zur Tatsachenwürdigung oder zur Auslegung des nationalen Rechts gehöre, die nicht der Überprüfung durch den Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren unterliege.

    46

    Der Rechtsmittelführer tritt diesem Vorbringen entgegen.

    Würdigung durch den Gerichtshof

    47

    Zwar trifft zu, dass das Vorbringen von Herrn Junqueras i Vies zur Stützung des ersten, des dritten und des vierten Rechtsmittelgrundes stellenweise unklar erscheint, doch ist festzustellen, dass die Rechtsmittelschrift die beanstandeten Punkte der Begründung des angefochtenen Beschlusses nennt und die rechtliche Argumentation, mit der der Rechtsmittelführer diese Punkte in Frage stellen will, so genau angibt, dass der Gerichtshof in die Lage versetzt wird, zu entscheiden.

    48

    Ferner ist zum ersten Rechtsmittelgrund festzustellen, dass der Rechtsmittelführer mit seiner Argumentation nicht die Tatsachenwürdigung oder die Auslegung des nationalen Rechts, sondern die Auslegung des Wahlakts durch das Gericht in Frage stellen will.

    49

    Folglich sind der erste, der dritte und der vierte Rechtsmittelgrund entgegen dem Vorbringen des Parlaments zulässig.

    Zu den ersten drei Rechtsmittelgründen

    Vorbringen der Parteien

    50

    Die ersten drei Rechtsmittelgründe, die zusammen zu prüfen sind, richten sich – wie in Rn. 44 des vorliegenden Urteils ausgeführt – gegen die Begründung des angefochtenen Beschlusses, mit der das Gericht befunden hat, dass der Antrag von Herrn Junqueras i Vies auf Nichtigerklärung der Erklärung vom 13. Januar 2020 unzulässig sei.

    51

    Im Einzelnen wirft der Rechtsmittelführer mit seinem ersten Rechtsmittelgrund dem Gericht vor, befunden zu haben, dass seine Situation als eine Unvereinbarkeit oder ein Entzug des Mandats im Sinne von Art. 7 Abs. 3 und Art. 13 Abs. 3 des Wahlakts anzusehen sei. Richtigerweise sei sie als eine nachträglich eingetretene Unvereinbarkeit anzusehen, die unter keine dieser Bestimmungen falle. Mit seinem zweiten Rechtsmittelgrund trägt der Rechtsmittelführer vor, das Gericht habe einen Rechtsfehler im Hinblick auf Art. 4 Abs. 7 der Geschäftsordnung begangen, der die Fälle vorsehe, in denen das Parlament die Feststellung des Freiwerdens des Sitzes eines seiner Mitglieder ablehnen könne. Mit seinem dritten Rechtsmittelgrund trägt Herr Junqueras i Vies schließlich vor, dass sich entgegen des Befundes des Gerichts weder aus den Art. 8 und 12 des Wahlakts noch aus Art. 3 Abs. 3 der Geschäftsordnung ergebe, dass das Parlament die Entscheidung eines Mitgliedstaats, wie sie in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehe, nicht in Frage stellen könne.

    52

    Das Parlament und das Königreich Spanien sind der Auffassung, dass diese Rechtsmittelgründe zurückzuweisen seien.

    Würdigung durch den Gerichtshof

    53

    Nach Art. 7 Abs. 1 und 2 des Wahlakts ist die Mitgliedschaft im Parlament mit der Ausübung der in dieser Bestimmung aufgeführten Ämter unvereinbar. Nach Art. 7 Abs. 3 des Wahlakts können die Mitgliedstaaten zusätzliche Unvereinbarkeiten vorsehen, indem sie innerstaatlich geltende Unvereinbarkeiten ausweiten.

    54

    Art. 13 des Wahlakts regelt die Fälle, in denen der Sitz eines Mitglieds des Parlaments durch Rücktritt, Tod oder Entzug des Mandats seines Mandatsinhabers frei wird. Nach Art. 13 Abs. 3 erlischt das Mandat, wenn sein Entzug in den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats ausdrücklich vorgesehen ist, aufgrund dieser Rechtsvorschriften und setzen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden das Parlament davon in Kenntnis.

    55

    Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Geschäftsordnung stellt klar, dass dann, wenn die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten dem Präsidenten das Erlöschen des Mandats eines Europaabgeordneten entweder aufgrund unter Art. 7 Abs. 3 des Wahlakts fallender zusätzlicher Unvereinbarkeiten oder aufgrund eines Entzugs des Mandats gemäß Art. 13 Abs. 3 des Wahlakts bekannt geben, der Präsident des Parlaments das Parlament darüber unterrichtet, dass das Mandat des Betroffenen zu dem von den einzelstaatlichen Behörden mitgeteilten Zeitpunkt erloschen ist.

    56

    Was zunächst die Rechtsgrundlage der Erklärung vom 13. Januar 2020 anbelangt, geht aus den Rn. 57 bis 67 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass das Gericht befunden hat, dass das Mandat von Herrn Junqueras i Vies als Europaabgeordneter wegen des Entzugs seines Mandats, wie er sich aus der Anwendung der nationalen Rechtsvorschriften nach dem in Art. 13 Abs. 3 des Wahlakts vorgesehenen Fall ergebe, erloschen sei. Wenn das Gericht in den Rn. 57 und 58 des Beschlusses auch Art. 7 Abs. 3 des Wahlakts angeführt hat, dann nur deshalb, weil Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Geschäftsordnung an das Auftreten einer zusätzlichen Unvereinbarkeit im Sinne dieser Bestimmung und eines Mandatsentzugs nach Art. 13 Abs. 3 des Wahlakts dieselben Folgen knüpft.

    57

    Damit hat das Gericht – entgegen dem Vorbringen des Rechtsmittelführers – keinen Fehler in Bezug auf die Rechtsgrundlage der Erklärung vom 13. Januar 2020 begangen. Denn unabhängig von der Terminologie im einzelstaatlichen Recht stellt das auf der Grundlage dieses Rechts erfolgende Erlöschen des Mandats eines Europaabgeordneten infolge einer strafrechtlichen Verurteilung sehr wohl einen Fall des Mandatsentzugs im Sinne von Art. 13 Abs. 3 des Wahlakts dar (vgl. in diesem Sinne in Bezug auf den Wahlakt in seiner ursprünglichen Fassung Urteil vom 7. Juli 2005, Le Pen/Parlament, C‑208/03 P, EU:C:2005:429, Rn. 49) und keine Unvereinbarkeit im Sinne von Art. 7 des Wahlakts, da es sich nicht aus der Nichtbeachtung des Verbots der Kumulierung bestimmter Ämter ergibt.

    58

    Daher kann dem Gericht nicht vorgeworfen werden, das Recht des Rechtsmittelführers auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz oder sein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verletzt und ihm sein Mandat willkürlich entzogen zu haben, als es befunden hat, dass die Erklärung vom 13. Januar 2020 auf Art. 13 Abs. 3 des Wahlakts gestützt sei.

    59

    Was sodann den Ermessensspielraum anbelangt, über den das Parlament hinsichtlich der Konsequenzen verfügt, die aus einem Mandatsentzug zu ziehen sind, der seinen Ursprung im nationalen Recht hat, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Parlament nach Art. 5 Abs. 1 und 2 und Art. 13 Abs. 2 EUV nach Maßgabe der ihm durch die Verträge übertragenen Zuständigkeiten handelt.

    60

    Desgleichen ist darauf hinzuweisen, dass sich das Verfahren zur Wahl der Mitglieder des Parlaments mangels Annahme eines einheitlichen Wahlverfahrens gemäß Art. 8 des Wahlakts vorbehaltlich der Vorschriften des Wahlakts in jedem Mitgliedstaat weiter nach den innerstaatlichen Vorschriften bestimmt.

    61

    Aus dem Wortlaut von Art. 13 Abs. 3 des Wahlakts und von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Geschäftsordnung geht hervor, dass dann, wenn sich das Freiwerden des Sitzes eines Mitglieds des Parlaments aus dem ausdrücklich von einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehenen Entzug seines Mandats ergibt, das Mandat allein auf der Grundlage dieser Rechtsvorschriften erlischt, da die einzelstaatlichen Behörden das Parlament vom Verlust der Eigenschaft des Betroffenen als Europaabgeordneter lediglich in Kenntnis setzen.

    62

    In diesem Fall ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die zu Art. 12 Abs. 2 des Wahlakts in seiner ursprünglichen Fassung ergangen, aber auf Art. 13 Abs. 3 des Wahlakts in seiner für den Rechtsstreit anwendbaren Fassung übertragbar ist, dass das Parlament über keinen Ermessensspielraum verfügt, was die Erklärung des Freiwerdens eines Sitzes aufgrund einzelstaatlichen Rechts angeht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. April 2009, Italien und Donnici/Parlament, C‑393/07 und C‑9/08, EU:C:2009:275, Rn. 56), da seine Rolle darin besteht, die durch die einzelstaatlichen Behörden bereits getroffene Feststellung, dass der Sitz frei geworden ist, lediglich zur Kenntnis zu nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2005, Le Pen/Parlament, C‑208/03 P, EU:C:2005:429, Rn. 50).

    63

    Denn es ist Sache der zuständigen nationalen Gerichte, gegebenenfalls nach einem Vorabentscheidungsersuchen auf der Grundlage von Art. 267 AEUV an den Gerichtshof, oder des Gerichtshofs, falls er auf der Grundlage von Art. 258 AEUV mit einer Vertragsverletzungsklage befasst wird, die Vereinbarkeit des vom einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Verfahrens, das zum Entzug des Mandats eines Mitglieds des Parlaments führt, mit dem Unionsrecht zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Beschluss der Vizepräsidentin des Gerichtshofs vom 8. Oktober 2020, Junqueras i Vies/Parlament, C‑201/20 P(R), nicht veröffentlicht, EU:C:2020:818, Rn. 66).

    64

    Dass Art. 13 Abs. 3 des Wahlakts in seiner auf den Rechtsstreit anwendbaren Fassung im Unterschied zum Wahlakt in seiner ursprünglichen Fassung nicht mehr den Ausdruck „Kenntnis nehmen“ verwendet, kann die vorstehende Analyse nicht in Frage stellen, da sich bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung sowie aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Geschäftsordnung ergibt, dass im Fall des im einzelstaatlichen Recht ausdrücklich vorgesehenen Entzugs des Mandats das Parlament von den einzelstaatlichen Behörden über das Erlöschen des Mandats aufgrund einzelstaatlichen Rechts lediglich in Kenntnis gesetzt wird.

    65

    Dagegen hat das Parlament eine aktivere Rolle, wenn das Erlöschen des Mandats auf dem Rücktritt oder dem Tod eines seiner Mitglieder beruht; in diesen Fällen ist es nach Art. 13 Abs. 4 des Wahlakts Sache dieses Organs, selbst das Freiwerden des Sitzes festzustellen und die einzelstaatlichen Behörden hierüber zu unterrichten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2005, Le Pen/Parlament, C‑208/03 P, EU:C:2005:429, Rn. 50).

    66

    In diesem Zusammenhang kann die in Art. 4 Abs. 7 der Geschäftsordnung vorgesehene Befugnis des Parlaments, sich im Fall der Fehlerhaftigkeit oder von Willensmängeln zu weigern, das Freiwerden des Sitzes eines seiner Mitglieder festzustellen, jedenfalls nicht in den Fällen ausgeübt werden, in denen das Parlament von vornherein nicht befugt ist, ein solches Freiwerden festzustellen. Wie in Rn. 62 des vorliegenden Urteils ausgeführt, verfügt das Parlament aber nicht über eine solche Befugnis, wenn sich das Freiwerden des Sitzes aus einem unter Art. 13 Abs. 3 des Wahlakts fallenden Entzug des Mandats ergibt.

    67

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Geschäftsordnung eine Maßnahme der internen Organisation ist, die keine Zuständigkeiten zugunsten des Parlaments einführen kann, die nicht durch einen Rechtsakt, im vorliegenden Fall den Wahlakt, verliehen worden sind, ohne gegen die Normenhierarchie zu verstoßen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. April 2009, Italien und Donnici/Parlament, C‑393/07 und C‑9/08, EU:C:2009:275, Rn. 47 und 48).

    68

    Nach alledem hat das Gericht jedenfalls rechtsfehlerfrei befunden, dass das Parlament nicht von der in Art. 4 Abs. 7 der Geschäftsordnung vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machen konnte, um die Feststellung des Freiwerdens des Sitzes von Herrn Junqueras i Vies abzulehnen.

    69

    Diese Analyse wird – wie das Gericht in Rn. 60 des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat – durch den Wortlaut der Art. 8 und 12 des Wahlakts sowie von Art. 3 Abs. 3 der Geschäftsordnung gestützt, wonach sich das Wahlverfahren weiter nach innerstaatlichem Recht bestimmt und das Parlament über Anfechtungen nur befinden darf, soweit sie sich auf die Anwendung des Wahlakts beziehen, nicht aber, soweit sie die Anwendung innerstaatlicher Vorschriften betreffen.

    70

    Insoweit ist hervorzuheben, dass das Wort „Wahlverfahren“ in Art. 8 Abs. 1 des Wahlakts nicht nur die Vorschriften über die Abstimmung und über die Vergabe der Mandate bezeichnet, sondern auch – entgegen dem Vorbringen des Rechtsmittelführers – die Vorschriften über das passive Wahlrecht der Mitglieder des Parlaments. Folglich fällt der Verlust des passiven Wahlrechts, der nach dem spanischen Wahlgesetz zum Entzug des Mandats von Herrn Junqueras i Vies geführt hat, sehr wohl – wie das Gericht befunden hat – unter das nach innerstaatlichem Recht geregelte „Wahlverfahren“ im Sinne von Art. 8 Abs. 1 des Wahlakts, dessen Einhaltung das Parlament nicht zu kontrollieren hat.

    71

    Was schließlich die Einrede der Rechtswidrigkeit anbelangt, die der Rechtsmittelführer in Bezug auf Art. 13 Abs. 3 des Wahlakts und auf Art. 4 Abs. 7 der Geschäftsordnung hilfsweise erhoben hat, ist festzustellen, dass sie als unzulässig zurückzuweisen ist, da sie erstmals im Rechtsmittelverfahren erhoben worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. März 2020, Marine Harvest/Kommission, C‑10/18 P, EU:C:2020:149, Rn. 124 bis 126).

    72

    Nach alledem hat das Gericht in Anbetracht dessen, dass die Erklärung vom 13. Januar 2020 rein informativen Charakter hat und daher keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeugt, die die Interessen des Rechtsmittelführers durch eine qualifizierte Änderung seiner Rechtsstellung beeinträchtigen können, keinen Rechtsfehler begangen, als es befunden hat, dass der Antrag von Herrn Junqueras i Vies auf Nichtigerklärung dieser Erklärung gegen eine Handlung gerichtet war, die nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV sein kann.

    73

    Folglich sind die ersten drei Rechtsmittelgründe zurückzuweisen.

    Zum vierten Rechtsmittelgrund

    Vorbringen der Parteien

    74

    Mit seinem vierten Rechtsmittelgrund beanstandet Herr Junqueras i Vies die Begründung, mit der das Gericht seinen Antrag auf Nichtigerklärung der Ablehnung des Antrags vom 20. Dezember 2019 als unzulässig zurückgewiesen hat. Er wirft dem Gericht vor, im angefochtenen Beschluss rechtsfehlerhaft befunden zu haben, dass eine auf der Grundlage von Art. 8 der Geschäftsordnung ergriffene Initiative des Präsidenten des Parlaments für die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nicht verbindlich sei und sich nicht auf die Rechtsstellung des betreffenden Europaabgeordneten ausgewirkt habe.

    75

    Nach Ansicht des Parlaments und des Königreichs Spanien ist dieser Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

    Würdigung durch den Gerichtshof

    76

    Aus den Rn. 103 bis 106 des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass sich das Gericht bei der Zurückweisung des Antrags auf Nichtigerklärung der Ablehnung des Antrags vom 20. Dezember 2019 als unzulässig in erster Linie darauf gestützt hat, dass dieser Antrag mangels seiner ausdrücklichen Beantwortung durch den Präsidenten des Parlaments und mangels spezifischer Bestimmungen oder Umstände, aus denen sich die Entstehung einer stillschweigenden ablehnenden Entscheidung ergebe, gegen eine nicht existierende Handlung gerichtet sei. Nur ergänzend hat das Gericht in den Rn. 107 bis 137 des angefochtenen Beschlusses klargestellt, dass selbst unter der Annahme, dass die Erklärung vom 13. Januar 2020 das Vorliegen einer stillschweigenden ablehnenden Entscheidung über den Antrag vom 20. Dezember 2019 erkennen ließe, der Antrag des Rechtsmittelführers auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung jedenfalls auch deshalb als unzulässig zurückzuweisen sei, weil er gegen eine Handlung gerichtet sei, die nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein könne. Denn eine auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 1 der Geschäftsordnung ergriffene Initiative zur Bestätigung der Vorrechte und Befreiungen eines Europaabgeordneten stehe im Unterschied zu einer Beantwortung eines auf der Grundlage von Art. 9 der Geschäftsordnung gestellten Antrags auf Schutz der Vorrechte und Befreiungen im Ermessen des Präsidenten des Parlaments und habe daher weder verbindlichen Charakter für die zuständigen innerstaatlichen Behörden noch rechtliche Auswirkungen auf die Situation des betreffenden Abgeordneten.

    77

    Hinsichtlich der vom Gericht in erster Linie angeführten Begründung beschränkt sich der Rechtsmittelführer auf einen Hinweis auf den zeitlichen Ablauf des vor dem Antrag vom 20. Dezember 2019 liegenden Sachverhalts, ohne zu erläutern, inwiefern dieser zeitliche Ablauf zu der Annahme führen sollte, dass das Schweigen des Präsidenten des Parlaments in Bezug auf diesen Antrag eine stillschweigende ablehnende Entscheidung habe entstehen lassen. Daher ist eine solche Argumentation als unzulässig anzusehen. Sie kann den Schluss des Gerichts, dass die Klage des Rechtsmittelführers auf Nichtigerklärung der Ablehnung des Antrags vom 20. Dezember 2019 gegen eine nicht existierende Handlung gerichtet gewesen sei, nicht in Frage stellen.

    78

    Unter diesen Umständen ist die von Herrn Junqueras i Vies zur Stützung des vierten Rechtsmittelgrundes im Übrigen vorgetragene Argumentation, die sich gegen die vom Gericht in den Rn. 107 bis 137 des angefochtenen Beschlusses ergänzend angeführte Begründung richtet, als ins Leere gehend zurückzuweisen.

    79

    Folglich sind der vierte Rechtsmittelgrund und das Rechtsmittel zurückzuweisen.

    Kosten

    80

    Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist.

    81

    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

    82

    Da das Parlament die Verurteilung des Rechtsmittelführers beantragt hat und dieser mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm neben seinen eigenen Kosten die Kosten des Parlaments aufzuerlegen.

    83

    Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Folglich trägt das Königreich Spanien als Streithelfer im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels seine eigenen Kosten.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

     

    1.

    Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

     

    2.

    Herr Oriol Junqueras i Vies trägt neben seinen eigenen Kosten die Kosten des Europäischen Parlaments.

     

    3.

    Das Königreich Spanien trägt seine eigenen Kosten.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Spanisch.

    Top