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Document 62020TJ0742

Urteil des Gerichts (Siebte Kammer) vom 15. Februar 2023 (Auszüge).
UPL Europe Ltd und Indofil Industries (Netherlands) BV gegen Europäische Kommission.
Pflanzenschutzmittel – Wirkstoff Mancozeb – Nichterneuerung der Genehmigung – Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 und Durchführungsverordnung (EU) Nr. 844/2012 – Verfahren zur Bewertung des Antrags auf Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs – Bestimmung eines neuen berichterstattenden Mitgliedstaats aufgrund des Austritts des früheren berichterstattenden Mitgliedstaats aus der Union – Verteidigungsrechte – Grundsatz der guten Verwaltung – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Verfahren zur harmonisierten Einstufung und Kennzeichnung – Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 – Berechtigtes Vertrauen.
Rechtssache T-742/20.

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2023:74

 URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)

15. Februar 2023 ( *1 )

„Pflanzenschutzmittel – Wirkstoff Mancozeb – Nichterneuerung der Genehmigung – Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 und Durchführungsverordnung (EU) Nr. 844/2012 – Verfahren zur Bewertung des Antrags auf Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs – Bestimmung eines neuen berichterstattenden Mitgliedstaats aufgrund des Austritts des früheren berichterstattenden Mitgliedstaats aus der Union – Verteidigungsrechte – Grundsatz der guten Verwaltung – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Verfahren zur harmonisierten Einstufung und Kennzeichnung – Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 – Berechtigtes Vertrauen“

In der Rechtssache T‑742/20,

UPL Europe Ltd mit Sitz in Warrington (Vereinigtes Königreich),

Indofil Industries (Netherlands) BV mit Sitz in Amsterdam (Niederlande),

vertreten durch Rechtsanwälte C. Mereu und P. Sellar,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch A. Dawes, G. Koleva und F. Castilla Contreras als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten R. da Silva Passos, des Richters V. Valančius und der Richterin I. Reine (Berichterstatterin),

Kanzler: I. Kurme, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2022

folgendes

Urteil ( 1 )

1

Mit ihrer auf Art. 263 AEUV gestützten Klage beantragen die Klägerinnen, die UPL Europe Ltd und die Indofil Industries (Netherlands) BV, die Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung (EU) 2020/2087 der Kommission vom 14. Dezember 2020 zur Nichterneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff Mancozeb gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Änderung des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission (ABl. 2020, L 423, S. 50; im Folgenden: angefochtene Durchführungsverordnung).

[nicht wiedergegeben]

II. Anträge der Parteien

51

Die Klägerinnen beantragen,

die angefochtene Durchführungsverordnung für nichtig zu erklären;

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

52

Die Kommission beantragt,

die Klage abzuweisen;

den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

[nicht wiedergegeben]

A.   Zum ersten und zum zweiten Klagegrund, mit denen eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften und ein Verstoß gegen die Verteidigungsrechte der Klägerinnen geltend gemacht wird

[nicht wiedergegeben]

1. Zur Rüge der Nichteinhaltung des in der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 vorgesehenen Verfahrens zur Erneuerung der Genehmigung

a) Zur Rüge, dass eine öffentliche Konsultation der Bewertung des neuen berichterstattenden Mitgliedstaats (im Folgenden: BMS) und der Schlussfolgerung der EFSA zu dieser Bewertung unterblieben sein soll

95

Die Klägerinnen machen im Wesentlichen geltend, dass die Entscheidung der Kommission, das Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung von Mancozeb weiterzuführen, ohne die Bewertung des neuen BMS einer öffentlichen Konsultation zu unterziehen und ohne eine Schlussfolgerung der EFSA zu dieser Bewertung zu veranlassen, dazu geführt habe, dass die angefochtene Durchführungsverordnung auf einer unvollständigen Bewertung basiere und daher in wissenschaftlicher Hinsicht nicht zuverlässig sei, wodurch die Kommission ihre Regelungsbefugnisse als Risikomanagerin überschritten und die der EFSA zukommende Aufgabe der Risikobewertung zu Unrecht an sich gezogen habe.

96

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Durchführungsverordnung Nr. 844/2012, die die Regelungen für die einzelnen Schritte im Erneuerungsverfahren für einen Wirkstoff festlegt, einschließlich des Schritts, der die Bewertung des Wirkstoffs durch den BMS umfasst (siehe Rn. 59 oben) keine Bestimmung zum Ablauf dieser Schritte für den Fall der Benennung eines neuen BMS während eines laufenden Verfahrens enthält.

97

Aus dem Umstand, dass die Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 den Ablauf des Verfahrens zur Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs für den Fall der Benennung eines neuen BMS während eines laufenden Verfahrens nicht regelt, kann nicht geschlossen werden, dass die Benennung eines neuen BMS den Neubeginn des in den Art. 12 und 13 dieser Verordnung vorgesehenen Bewertungsverfahrens erfordert.

98

Außerdem ist den Art. 11 bis 14 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 (siehe Rn. 59 oben) zu entnehmen, dass die Bewertung des BMS im Rahmen des Verfahrens zur Erneuerung der Genehmigung eines Stoffes einen verpflichtenden Schritt darstellt. Diese Bewertung ist der EFSA und dem Antragsteller zwingend zu übermitteln. Sie ist einer öffentlichen Konsultation zu unterziehen, gefolgt von der Annahme der Schlussfolgerung der EFSA, außer für den Fall, dass die Kommission der EFSA mitteilt, dass eine Schlussfolgerung nicht erforderlich ist (vgl. Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012).

99

Die Benennung des neuen BMS zur Bewertung von Mancozeb, die am 1. Februar 2020 vorgenommen wurde, und die Bewertung dieses Wirkstoffs durch den neuen BMS erfolgten in diesem Fall nach Abschluss des Verfahrens zur Bewertung der Risiken von Mancozeb durch den ursprünglichen BMS in seinem Entwurf des Berichts über die Bewertung der Erneuerung vom September 2017, in der durch den Entwurf des Berichts über die Bewertung der Erneuerung vom März 2019 und durch die Schlussfolgerung der EFSA vom 12. Juni 2019 aktualisierten Fassung (siehe Rn. 17, 18 und 20 oben). Im vorliegenden Fall ergriffen die Klägerinnen bereits am 16. Juli 2019 die Gelegenheit, eine Stellungnahme zum aktualisierten Entwurf des Berichts über die Bewertung der Erneuerung vom März 2019 sowie zur Schlussfolgerung der EFSA vom 12. Juni 2019 abzugeben und machten so von ihren Rechten nach Art. 12 Abs. 3 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 Gebrauch (siehe Rn. 10 und 21 oben).

100

Dennoch tragen die Klägerinnen im Wesentlichen vor, dass die Kommission dem Ständigen Ausschuss möglicherweise einen anderen Vorschlag vorgelegt hätte, wenn ihnen die Gelegenheit gegeben worden wäre, eine Stellungnahme zur Bewertung des neuen BMS, also zum aktualisierten Entwurf des Berichts über die Bewertung der Erneuerung vom September 2020, abzugeben, und die Kommission die EFSA ersucht hätte, ihre Schlussfolgerung vom 12. Juni 2019 zu aktualisieren. Insoweit weisen die Klägerinnen darauf hin, dass der neue BMS in seinem Bericht vom September 2020 im Kapitel zur menschlichen Gesundheit festgestellt habe, dass die einmalige Anwendung des Stoffes im Bereich der nicht ernährungsbedingten Exposition (also für Nutzer, Arbeiter und Anwohner) ohne Risiko möglich sei. Zu den Rückständen sei in diesem Bericht außerdem ausgeführt worden, dass die Verwendung insbesondere für Getreide, Trauben und Kartoffeln risikofrei sei.

101

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich aus dem Entwurf des Berichts über die Bewertung der Erneuerung vom März 2019 ergibt, dass der ursprüngliche BMS vorgeschlagen hatte, festzustellen, dass Mancozeb die Genehmigungskriterien gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 nicht erfülle, da es in Bezug auf den Menschen als endokrinschädlich angesehen werde, eine nicht ernährungsbedingte Exposition ein Risiko darstelle und auch ein Risiko für Vögel und Säugetiere, für Nichtzielarthropoden und Bodenorganismen bestehe (siehe Rn. 18 oben).

102

Die EFSA brachte in ihrer Schlussfolgerung vom 12. Juni 2019 ebenfalls spezifische Bedenken zum Ausdruck (siehe Rn. 44 oben). Insbesondere kam sie nämlich zu dem Schluss, dass Mancozeb als reproduktionstoxischer Stoff (Kategorie 1B) eingestuft worden sei und dass die neuen Kriterien zur Bestimmung endokrinschädlicher Eigenschaften in Bezug auf Menschen und höchstwahrscheinlich in Bezug auf Nichtzielorganismen erfüllt würden. Darüber hinaus ist sie zu dem Schluss gekommen, dass die Schätzungen für die nicht ernährungsbedingte Exposition die Referenzwerte für repräsentative Verwendungszwecke bei Tomaten, Kartoffeln, Getreide und Trauben überschritten. Die nicht ernährungsbedingte Exposition gegenüber Mancozeb könne daher im Hinblick auf dessen endokrinschädliche Eigenschaft in Bezug auf den Menschen auch für die berücksichtigten repräsentativen Verwendungszwecke nicht als vernachlässigbar angesehen werden (Nr. 3.6.5 des Anhangs II der Verordnung Nr. 1107/2009). Die EFSA vertrat außerdem die Ansicht, dass in Anbetracht der festgestellten Bedenken die Ausnahmeregelung gemäß Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1107/2009 nicht angewendet werden könne.

103

Im Rahmen der Aktualisierung des Entwurfs des Berichts über die Bewertung der Erneuerung im September 2020 stellte der neue BMS nach Durchführung einer eigenen Bewertung der Risiken von Mancozeb zwar fest, dass im Falle der Anpassung der guten landwirtschaftlichen Praxis bei Getreide und der Verwendung wasserlöslicher Beutel wohl von einer risikofreien Verwendung für die menschliche Gesundheit (für die Nutzer, Arbeiter und Anwohner) ausgegangen werden könne (siehe Rn. 38 oben). In ihren Antworten auf prozessleitende Maßnahmen haben die Klägerinnen aber dargetan, dass diese Schlussfolgerung nur die nicht ernährungsbedingte Exposition gegenüber Mancozeb betreffe.

104

Wie von der Kommission dargelegt und von den Klägerinnen nicht bestritten, führte die Bewertung des neuen BMS zum gleichen Ergebnis wie die Bewertung des ursprünglichen BMS in dessen Entwurf des Berichts über die Bewertung der Erneuerung vom März 2019, nämlich, dass Mancozeb die Genehmigungskriterien gemäß Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 nicht erfülle. In seiner Bewertung wies der neue BMS nämlich insbesondere darauf hin, dass Mancozeb in Bezug auf den Menschen und auf Nichtzielorganismen als endokrinschädlich anzusehen sei und dass ein Risiko für Vögel, Säugetiere und Nichtzielarthropoden bestehe (siehe Rn. 38 oben).

105

Wie in Rn. 98 oben erläutert, obliegt die Vornahme einer wissenschaftlichen Bewertung im Rahmen des Verfahrens zur Erneuerung der Genehmigung eines Stoffes dem BMS und der EFSA. Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass sich das Ergebnis, zu dem der neue BMS gelangte, hinsichtlich zweier dargelegter Bedenken nicht wesentlich von der Schlussfolgerung der EFSA unterscheidet; zum einen werde Mancozeb in Bezug auf den Menschen und auf Nichtzielorganismen als endokrinschädlich angesehen und zum anderen bestehe ein Risiko für Vögel, Säugetiere und Nichtzielarthropoden.

106

Diese Bedenken wurden also bereits vom ursprünglichen BMS sowie von der EFSA bewertet und der neue BMS vertritt in dieser Frage den gleichen Standpunkt.

107

Außerdem hat die Kommission im Rahmen der mündlichen Verhandlung geltend gemacht – ohne dass die Klägerinnen dies bestritten hätten –, dass jedes Risiko, das ermittelt werde, für sich allein ausreiche, um die Erneuerung der Genehmigung von Mancozeb zu verhindern. Die vom neuen BMS in seiner Bewertung aufgezeigte Möglichkeit, in Bezug auf die nicht ernährungsbedingte Exposition gegenüber Mancozeb auf eine risikofreie Verwendung für die menschliche Gesundheit zu schließen (siehe Rn. 103 oben), könnte, wie von den Klägerinnen im Rahmen des Verfahrens zur Erneuerung der Genehmigung des in Rede stehenden Stoffes ausgeführt (siehe Rn. 39 oben), bedeuten, dass diese die Anwendung der Ausnahmeregelung gemäß Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1107/2009 beantragen könnten. Diese Ausnahmeregelung kommt jedoch nicht im Zuge der wissenschaftlichen Bewertung, sondern im Rahmen des Risikomanagements zur Anwendung.

108

Im Genehmigungsverfahren für Pflanzenschutzmittel auf Unionsebene führt, wie dem 12. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1107/2009 zu entnehmen ist, die Kommission die Aufgabe des Risikomanagements durch und trifft die endgültige Entscheidung über einen Wirkstoff.

109

Unter den oben in den Rn. 99 bis 108 beschriebenen Umständen und angesichts des großen Beurteilungsspielraums, der der Kommission durch die Verordnung Nr. 1107/2009 für das Ergreifen geeigneter Schutzmaßnahmen zum Umgang mit den im Rahmen der wissenschaftlichen Bewertung ermittelten Risiken eingeräumt wird, konnte die Kommission entscheiden, das Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung von Mancozeb fortzusetzen, ohne die Bewertung des neuen BMS einer öffentlichen Konsultation zu unterziehen und ohne eine Schlussfolgerung der EFSA zu dieser Bewertung zu veranlassen.

110

Nach alledem ist das Vorbringen der Klägerinnen, dass die Kommission ihre Regelungsbefugnisse als Risikomanagerin überschritten und die der EFSA zukommende Aufgabe der Risikobewertung zu Unrecht an sich gezogen habe, zurückzuweisen. Auch ihr Argument, dass die übliche Praxis der Kommission darin bestehe, die EFSA mit einer Aktualisierung ihrer Schlussfolgerungen zu beauftragen, kann nicht zum Erfolg führen. Im vorliegenden Fall hat die Kommission die ihr gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 obliegende Aufgabe erfüllt. Darüber hinaus stellen die Klägerinnen nicht klar, wie die vier von ihnen angeführten Beispiele mit der Situation im vorliegenden Fall vergleichbar wären und inwiefern daraus geschlossen werden könnte, dass die Entscheidung der Kommission, dieses Verfahren fortzusetzen, dazu geführt hätte, dass die angefochtene Durchführungsverordnung auf einer unvollständigen Bewertung beruhe, und daher in Hinblick auf die Risiken wissenschaftlich nicht zuverlässig sei.

111

Angesichts dieser Erwägungen ist die Rüge, dass das Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung nicht eingehalten worden sei, weil die Kommission entschieden habe, das Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung von Mancozeb fortzusetzen, ohne die Bewertung des neuen BMS einer öffentlichen Konsultation zu unterziehen und ohne eine Schlussfolgerung der EFSA zu dieser Bewertung zu veranlassen, zurückzuweisen.

b) Zum Vorwurf des Unterlassens einer öffentlichen Konsultation zur etwaigen aktualisierten Fassung der Schlussfolgerung der EFSA

112

Die Klägerinnen tragen vor, dass eine öffentliche Konsultation zur etwaigen aktualisierten Fassung der Schlussfolgerung der EFSA gemäß Art. 12 Abs. 3 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 erforderlich sei.

113

Wie die Kommission aber richtig eingewandt hat, erfordert diese Bestimmung nicht, dass in Bezug auf die Schlussfolgerung der EFSA oder deren aktualisierte Fassung eine öffentliche Konsultation durchgeführt wird; diese Bestimmung erfordert eine solche Konsultation nämlich lediglich in Bezug auf den Entwurf des Berichts über die Bewertung der Erneuerung. Diese Rüge ist folglich zurückzuweisen.

c) Zur vor dem Abschluss der Bewertung durch den neuen BMS erfolgten Annahme des Entwurfs des Berichts zur Erneuerung vom Januar 2020 durch die Kommission

114

Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, ihren Bericht zur Erneuerung im Januar 2020 und damit vor Abschluss der Bewertung des neuen BMS angenommen zu haben. Zwar trifft es zu, dass die Kommission im Januar 2020 und damit vor dem Abschluss dieser Bewertung und vor dem Ablauf der von der Kommission hierfür auf Anfang März 2020 festgelegten Frist einen Entwurf des Berichts zur Erneuerung nach Art. 14 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 angenommen hat. Sie hat diesen Entwurf den Klägerinnen am 16. Januar 2020 zur Stellungnahme übermittelt, ihnen dafür eine Frist bis zum 31. Januar 2020 eingeräumt und den Entwurf der Durchführungsverordnung mit dem Vorschlag, die Genehmigung von Mancozeb nicht zu erneuern, dem Ständigen Ausschuss zur Aufnahme in die Tagesordnung der Sitzung vom 23. und 24. März 2020 vorgelegt (siehe Rn. 26, 31 und 32 oben).

115

Aus den Akten geht aber hervor, dass die Kommission im späteren Verlauf des Verfahrens zur Erneuerung der Genehmigung von Mancozeb, nämlich im Oktober 2020, den Klägerinnen und dem Ständigen Ausschuss die aktualisierte Fassung ihres Entwurfs des Berichts über die Erneuerung übermittelt hat, nachdem der neue BMS die aktualisierte Fassung des Entwurfs des Berichts über die Bewertung der Erneuerung vom September 2020 vorgelegt hatte (siehe Rn. 38 bis 42 oben).

116

Vor diesem Hintergrund kann nicht geltend gemacht werden, dass die Kommission ihren Bericht über die Erneuerung angenommen habe, bevor der neue BMS seine Bewertung der Risiken abgeschlossen hatte. Diese Rüge ist daher zurückzuweisen, da sie in tatsächlicher Hinsicht unbegründet ist.

117

Nach alledem ist die Rüge der Nichteinhaltung des in der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 vorgesehenen Verfahrens zur Erneuerung der Genehmigung als unbegründet zurückzuweisen, so dass auch der erste Klagegrund zurückzuweisen ist.

2. Zum Vorwurf der Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerinnen

118

Es ist darauf hinzuweisen, dass sich das Vorbringen der Klägerinnen in den obigen Rn. 95 bis 111 im Wesentlichen mit ihrem Vorbringen zum zweiten Klagegrund überschneidet, der auf einen Verstoß gegen ihre Verteidigungsrechte gestützt ist, der darin bestehen soll, dass den Klägerinnen nicht die Gelegenheit geboten worden sei, zum Entwurf des Berichts über die Bewertung der Erneuerung vom September 2020 Stellung zu nehmen, wie in Art. 12 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 vorgesehen. Die Klägerinnen machen im Rahmen des zweiten Klagegrundes nämlich keine konkreten Aussagen zu den Gesichtspunkten, zu denen sie in diesem Zusammenhang hätten Stellung nehmen wollen. Sie bestreiten erneut die Einhaltung des Verfahrensablaufs nach der Erstellung des Entwurfs des Berichts über die Bewertung der Erneuerung vom September 2020, und machen insbesondere geltend, dass zu diesem Entwurf des Berichts über die Bewertung der Erneuerung keine öffentliche Konsultation nach Art. 12 der Verordnung Nr. 1107/2009 stattgefunden habe. Angesichts der Schlussfolgerung in der obigen Rn. 111 ist auch der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

[nicht wiedergegeben]

B.   Zum vierten Klagegrund, mit dem ein offensichtlicher Beurteilungsfehler geltend gemacht wird

130

Die Klägerinnen machen geltend, dass der Kommission im Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung von Mancozeb aus drei Gründen ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen sei.

131

Zunächst tragen sie vor, dass die Kommission in der angefochtenen Durchführungsverordnung vorgeschlagen habe, eine Einstufung vorzunehmen, die auf den Eigenschaften des Metabolits ETU basiere anstatt auf den Eigenschaften des Stoffes selbst. Dadurch habe die Kommission in ihrem Entscheidungsprozess hinsichtlich Mancozeb nicht relevante Faktoren berücksichtigt. Die Klägerinnen machen insoweit geltend, dass aus Art. 3 Nr. 32 der Verordnung Nr. 1107/2009 klar hervorgehe, dass Metaboliten im Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs kein relevanter Faktor seien. Dieser Ansatz der Kommission widerspreche außerdem dem Grundsatz, wonach jeder Stoff einzeln auf der Grundlage der ihm inhärenten Eigenschaften bewertet werden müsse.

132

Ferner werfen die Klägerinnen der Kommission vor, neue wichtige Aspekte, die im Rahmen des CLH-Dossiers für die Einstufung von Mancozeb als reproduktionstoxischer Stoff der Kategorie 2 sprächen, nicht berücksichtigt zu haben. Außerdem stützen sie sich auf wissenschaftliche Schwächen bei der Einstufung von Mancozeb als reproduktionstoxischem Stoff der Kategorie 1B und auf die Mitteilung der Republik Malta hinsichtlich deren Absicht, zur Einstufung dieses Stoffes bei der ECHA im März 2020 ein neues Dossier einzureichen, das die Einstufung in die Kategorie 2 bestätige. Die Klägerinnen berufen sich außerdem auf spätere Einträge vom 4. Mai und vom 13. Juli 2020 im Verzeichnis der Absichtserklärungen der ECHA. Sie sind auch der Ansicht, dass die Kommission die neuen Studien, auf die sie in ihren Stellungnahmen zur Schlussfolgerung der EFSA verwiesen hätten, ignoriert habe, obwohl diese Studien die Ergebnisse einer Studie aus dem Jahr 1980 widerlegten, auf die der Ausschuss für Risikobeurteilung seinen Vorschlag für die Einstufung von Mancozeb als reproduktionstoxischer Stoff der Kategorie 1B gestützt habe.

133

Schließlich sei die Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung zur Einstufung dieses Stoffes als reproduktionstoxischer Stoff der Kategorie 1B nicht verbindlich; vielmehr seien nur die im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten delegierten Rechtsakte über das Verfahren zur Einstufung eines Stoffes rechtsverbindlich.

134

Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

135

Zunächst sind die Rügen zum einen hinsichtlich des nicht rechtsverbindlichen Charakters der Einstufung von Mancozeb als reproduktionstoxischer Stoff der Kategorie 1B und zum anderen hinsichtlich der Nichtberücksichtigung neuer wichtiger Aspekte betreffend die Einstufung von Mancozeb als toxischer Stoff durch die Kommission zu prüfen.

1. Zur Rüge hinsichtlich des nicht rechtsverbindlichen Charakters der Einstufung von Mancozeb als reproduktionstoxischer Stoff der Kategorie 1B

136

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Schlussfolgerung der EFSA, die im 12. Erwägungsgrund der angefochtenen Durchführungsverordnung wiedergegeben wird und nach der Mancozeb „als reproduktionstoxischer Stoff der Kategorie 1B eingestuft“ wurde (siehe Rn. 44 oben), auf der Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung beruhte (siehe Rn. 47 oben), die im November 2018 zum Vorschlag des ursprünglichen BMS vom August 2017 abgegeben wurde (siehe Rn. 45 oben), der gemäß der Verordnung Nr. 1272/2008 der ECHA übermittelt wurde.

137

Die Verordnung Nr. 1272/2008 regelt die unterschiedlichen Stufen des Verfahrens zur Harmonisierung der Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen. Wird ein Einstufungsvorschlag an die ECHA übermittelt, gibt der gemäß Art. 76 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. 2006, L 396, S. 1, berichtigt im ABl. 2007, L 136, S. 3), eingesetzte Ausschuss für Risikobeurteilung nach Art. 37 Abs. 4 eine Stellungnahme zu diesem Einstufungsvorschlag ab, die die ECHA zusammen mit den Bemerkungen der Beteiligten an die Kommission weiterleitet. Nach Abs. 5 dieser Bestimmung unterbreitet die Kommission, wenn sie zu der Auffassung gelangt, dass eine Harmonisierung der Einstufung des betreffenden Stoffes angezeigt ist, einen Entwurf für eine Entscheidung über die Aufnahme dieses Stoffes zusammen mit den relevanten Einstufungselementen in die Liste der harmonisierten Einstufungen gefährlicher Stoffe.

138

Wie von den Klägerinnen im Wesentlichen geltend gemacht, handelt es sich bei der Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung nur um eine Empfehlung im Rahmen des Verfahrens zur harmonisierten Einstufung und Kennzeichnung eines Wirkstoffs; eine rechtsverbindliche Wirkung kommt nur den delegierten Rechtsakten zu, die im Rahmen des Verfahrens zur Einstufung eines Stoffes erlassen und im Amtsblatt veröffentlicht werden. Wie im Übrigen auch den Informationen in der Akte entnommen werden kann, war zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Durchführungsverordnung – dem 14. Dezember 2020 – im Anschluss an die Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung noch kein delegierter Rechtsakt über das Verfahren zur Einstufung des Stoffes erlassen worden. Daraus folgt, dass Mancozeb hinsichtlich der Entwicklungstoxizität zu diesem Zeitpunkt formell als reproduktionstoxischer Stoff der Kategorie 2 eingestuft war, was von der Kommission auch nicht bestritten wird.

139

Es stellt sich daher die Frage, ob die EFSA und auch die Kommission die Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung zur Einstufung von Mancozeb als reproduktionstoxischem Stoff der Kategorie 1B berücksichtigen durften, obwohl dieser Stoff zum Zeitpunkt der Annahme der Schlussfolgerung der EFSA und der angefochtenen Durchführungsverordnung hinsichtlich der Entwicklungstoxizität formell als reproduktionstoxischer Stoff der Kategorie 2 eingestuft war.

140

Nach der Rechtsprechung können, wie Art. 4 Abs. 1 und 7 sowie Anhang II Nr. 3.6.4 der Verordnung Nr. 1107/2009 zu entnehmen ist, die sich aus dem in der Verordnung Nr. 1272/2008 geregelten Verfahren zur harmonisierten Einstufung und Kennzeichnung eines Wirkstoffs ergebenden Gesichtspunkte gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 materiell-rechtliche Auswirkungen auf die Genehmigung dieses Wirkstoffs haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2019, Probelte/Kommission, T‑67/18, EU:T:2019:873, Rn. 91). Die Frage, ob ein Wirkstoff in eine bestimmte Gefahrenklasse eingestuft ist oder sein sollte, kann nämlich nicht nur für die Ermittlung und Angabe der Gefahren von Stoffen nach der Verordnung Nr. 1272/2008 maßgeblich sein, sondern auch für die Abklärung, ob ein Wirkstoff die in Art. 4 der Verordnung Nr. 1107/2009 vorgesehenen Genehmigungskriterien erfüllt.

141

Aus der Rechtsprechung ergibt sich jedoch auch, dass es sich bei den Verfahren nach der Verordnung Nr. 1272/2008 und der Verordnung Nr. 1107/2009 um zwei unterschiedliche Verfahren handelt, da jedes nach Maßgabe seiner eigenen Regeln ausgestaltet ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2019, Probelte/Kommission, T‑67/18, EU:T:2019:873, Rn. 91). Gemäß der Verordnung Nr. 1272/2008 sind Stoffe oder Gemische auf eine bestimmte Art einzustufen und zu kennzeichnen, wobei die ECHA die zuständige Behörde für Einstufungen oder Wiedereinstufungen von Stoffen als gefährlich ist. Im Rahmen der Verordnung Nr. 1107/2009 hingegen werden Wirkstoffe im Hinblick auf eine Genehmigung für ihr Inverkehrbringen kontrolliert und die Beurteilung, ob sie bestimmten objektiven Gefahrenkategorien oder ‑klassen entsprechen, obliegt der EFSA.

142

Der nicht rechtsverbindliche Charakter der Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung im Rahmen des Verfahrens zur harmonisierten Einstufung und Kennzeichnung von Mancozeb schmälert den wissenschaftlichen Wert dieser Stellungnahme nicht und verhindert folglich auch nicht, dass sie im Rahmen der Genehmigung eines Wirkstoffs gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 berücksichtigt wird. Insoweit ist der Kommission darin beizupflichten, dass eine bestehende formelle Einstufung eines Wirkstoffs für seine Genehmigung gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 nicht entscheidend ist. Gemäß Nr. 3.6.4 des Anhangs II der Verordnung Nr. 1107/2009 wird ein Wirkstoff nur dann zugelassen, wenn er nicht gemäß der Verordnung Nr. 1272/2008 als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 1A oder 1B „eingestuft wird“ oder „einzustufen ist“.

143

Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie im Rahmen des Verfahrens zur Erneuerung der Genehmigung von Mancozeb die Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung zur Einstufung dieses Stoffes als reproduktionstoxisch der Kategorie 1B berücksichtigt hat, obwohl diese für das Verfahren zur Harmonisierung der Einstufung und Kennzeichnung gemäß der Verordnung Nr. 1272/2008 nicht rechtsverbindlich ist.

2. Zur Rüge, dass die Kommission neue wichtige Informationen zur Einstufung von Mancozeb als toxischen Stoff nicht berücksichtigt habe

144

Im Rahmen dieser Rüge beanstanden die Klägerinnen erneut, dass sowohl die EFSA als auch die Kommission die Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung berücksichtigt hätten. Zum einen vertreten sie die Auffassung, dass diese Stellungnahme auf einer alten Studie, der „Gallo“-Studie aus dem Jahr 1980 basiere, die insbesondere in Bezug auf die Anzahl der Tiere, die Dosierung und die Dauer der Exposition nicht den geltenden Leitlinien entspreche. Sie stellen die Glaubwürdigkeit dieser Studie in Frage und verweisen hierzu auf eine jüngere Studie aus dem Jahr 2015 zur Entwicklungstoxizität. Zum anderen würden in der Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung nicht die jüngsten wissenschaftlichen Fortschritte bezüglich der Einstufung von Mancozeb als toxischen Stoff wiedergegeben. Die Kommission hätte nämlich die Mitteilung der Republik Malta über deren Absicht berücksichtigen müssen, im März 2020 ein neues Dossier zur Einstufung dieses Stoffes an die ECHA zu übermitteln, das die Einstufung von Mancozeb als reproduktionstoxischer Stoff der Kategorie 2 bestätige.

145

Nach Art. 114 Abs. 3 AEUV, auf dem die Verordnung Nr. 1107/2009 insbesondere basiert, geht die Kommission in ihren Vorschlägen zur Angleichung der Rechtsvorschriften, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben, in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz von einem hohen Schutzniveau aus und berücksichtigt dabei insbesondere alle auf wissenschaftliche Ergebnisse gestützten neuen Entwicklungen. Außerdem hat nach der Rechtsprechung dieser Schutz insbesondere der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt vorrangige Bedeutung gegenüber wirtschaftlichen Erwägungen, so dass er sogar beträchtliche negative Folgen wirtschaftlicher Art für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen kann. Aus diesen Grundsätzen, die die Grundlage des allgemeinen Schutzziels der Verordnung Nr. 1107/2009 darstellen, ergibt sich, dass mangels gegenteiliger Anordnung die Entscheidungen, die die Kommission im Rahmen dieser Verordnung zu treffen hat, stets die neusten wissenschaftlichen und technischen Kenntnisse zu berücksichtigen haben (vgl. Urteil vom 17. Mai 2018, Bayer CropScience u. a./Kommission, T‑429/13 und T‑451/13, EU:T:2018:280, Rn. 289 und die dort angeführte Rechtsprechung).

146

Insbesondere hinsichtlich des Verfahrens zur Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs werden diese grundsätzlichen Überlegungen zum einen in Art. 2 Abs. 2 der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 zum Ausdruck gebracht. Wie in der obigen Rn. 58 dargelegt sieht diese Bestimmung vor, dass der Antragsteller im Antrag auf Erneuerung die neuen Informationen aufführt, die er beabsichtigt vorzulegen und die gemäß Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 notwendig sind. Dieser Bestimmung ist zu entnehmen, dass die Notwendigkeit der Übermittlung der neuen Informationen der Erfüllung von Datenanforderungen oder Kriterien dient, die im Rahmen der letzten Genehmigung des Wirkstoffs noch nicht bestanden. Zudem obliegt es dem Antragsteller, diese neuen wissenschaftlichen Informationen zu ermitteln.

147

Zum anderen sieht der 8. Erwägungsgrund der Durchführungsverordnung Nr. 844/2012 zu den für die Erneuerung vorgelegten ergänzenden Dossiers vor, dass diese notwendige neue Daten und neue Risikobewertungen umfassen sollten. Insoweit ergibt sich aus Art. 7 („Inhalt der ergänzenden Dossiers“) dieser Durchführungsverordnung, dass diese Dossiers die Daten und Risikobewertungen zu umfassen haben, die nicht in dem Genehmigungsdossier oder den nachfolgenden Erneuerungsdossiers enthalten waren und die erforderlich sind, um insbesondere Änderungen der rechtlichen Anforderungen seit der Genehmigung oder der letzten Erneuerung der Genehmigung des betreffenden Wirkstoffs sowie Änderungen des wissenschaftlichen und technischen Kenntnisstands seit der Genehmigung Rechnung zu tragen. Die in Rede stehenden neuen Informationen sind ebenfalls vom Antragsteller zu ermitteln.

148

Im vorliegenden Fall erging die Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung im Rahmen des Verfahrens zur Harmonisierung der Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen gemäß der Verordnung Nr. 1272/2008. Wie sich aus der Rn. 137 oben ergibt, nimmt der Ausschuss für Risikobeurteilung eine wissenschaftliche Bewertung jedes im Rahmen dieses Verfahrens eingereichten Vorschlags vor.

149

Die Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung über die Einstufung von Mancozeb als reproduktionstoxischen Stoff der Kategorie 1B – eine Einstufung, die im Rahmen des Verfahrens zur Erneuerung der Genehmigung dieses Wirkstoffs nach der Verordnung Nr. 1107/2009 von der EFSA und in weiterer Folge von der Kommission übernommen wurde – ist also gemäß der Verordnung Nr. 1272/2008 erfolgt, nicht gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009. Jede Rüge, mit der die Unbegründetheit dieser Einstufung durch den Ausschuss für Risikobeurteilung geltend gemacht wird, ist folglich ausschließlich anhand der in der Verordnung Nr. 1272/2008 vorgesehenen Regeln zu prüfen, so dass die Klägerinnen nicht vorbringen können, dass es im Rahmen dieses Verfahrens zu einem materiellen Verstoß gekommen sei, um die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Durchführungsverordnung in Frage zu stellen. Die Rüge, dass die Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung auf einer alten Studie beruhe, ist daher zurückzuweisen.

150

Zur Frage, ob die Kommission die Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung für die Einstufung von Mancozeb als toxischen Stoff als neuesten Stand der wissenschaftlichen Kenntnisse ansehen durfte, ist darauf hinzuweisen, dass diese Stellungnahme auf Vorschlag des ursprünglichen BMS und vor der Annahme der Schlussfolgerung der EFSA im Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung dieses Stoffs abgegeben wurde (siehe Rn. 45 bis 47 oben), d. h. zu einem Zeitpunkt, in dem die wissenschaftliche Bewertung von Mancozeb in diesem Verfahren noch im Gange war. Daraus ergibt sich, dass die Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung als ein Dokument betrachtet werden konnte, dass die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Einstufung von Mancozeb als toxischen Stoff enthielt, und dies umso mehr, als die Klägerinnen im Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung dieses Stoffs die von der EFSA geforderten Daten erst nach Ablauf der Frist für deren Übermittlung lieferten.

151

Zur Mitteilung der Republik Malta über ihre Absicht, der ECHA im März 2020 ein neues Dossier zur Einstufung von Mancozeb zu übermitteln, ist im Übrigen der Kommission darin beizupflichten, dass die Übermittelung eines Dossiers durch eine zuständige Behörde eines Mitgliedstaats lediglich der ersten Stufe des Verfahrens zur Harmonisierung der Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen gemäß der Verordnung Nr. 1272/2008 entspricht und dem Endergebnis nicht vorgreift. Den Informationen in der Akte zufolge war dieser Vorschlag zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Durchführungsverordnung im Rahmen des Verfahrens zur Harmonisierung der Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen noch nicht wissenschaftlich geprüft worden.

152

Die Kommission hat daher keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie sich hinsichtlich der Einstufung von Mancozeb als toxischen Stoff auf die Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung gestützt hat und nicht auf die in Rede stehende Mitteilung der Republik Malta.

3. Zur Rüge, dass aufgrund der Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung dem Metabolit ETU im Vergleich zum Stoff selbst eine unangemessene Bedeutung beigemessen worden sei

153

Die Klägerinnen machen geltend, dass die Kommission ihren Vorschlag zur Einstufung von Mancozeb als reproduktionstoxischen Stoff der Kategorie 1B auf die Eigenschaften des Metabolits ETU gestützt habe statt auf die Eigenschaften des Stoffs selbst. Hierbei bestätigen sie, dass dieser Vorschlag aus der Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung stammt.

154

Wie in Rn. 149 oben dargelegt, können sich die Klägerinnen nicht darauf berufen, dass es im Verfahren zur Harmonisierung der Einstufung und Kennzeichnung von Stoffen gemäß der Verordnung Nr. 1272/2008 einen materiellrechtlichen Verstoß gegeben habe, um die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Durchführungsverordnung in Frage zu stellen.

155

Zudem machen die Klägerinnen zum einen zwar geltend, dass Art. 3 Nr. 32 der Verordnung Nr. 1107/2009 zu entnehmen sei, dass Metaboliten kein entscheidender Faktor im Verfahren zur Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs seien; aus diesem Artikel ergibt sich jedoch, dass Metaboliten in bestimmten Fällen sehr wohl von entscheidender Bedeutung sein können.

156

Art. 3 Nr. 32 der Verordnung Nr. 1107/2009 sieht nämlich Folgendes vor:

„…

Ein Metabolit wird als relevant eingestuft, wenn Grund zur Annahme besteht, dass er in Bezug auf seine gewünschte biologische Wirksamkeit mit dem Ausgangsstoff vergleichbare inhärente Eigenschaften aufweist oder für Organismen ein höheres oder vergleichbares Risiko wie der Ausgangsstoff darstellt oder über bestimmte toxikologische Eigenschaften verfügt, die als nicht annehmbar erachtet werden. Ein solcher Metabolit ist relevant für die Gesamtentscheidung über die Genehmigung oder für die Festlegung von Maßnahmen zur Risikominderung.“

157

Zum anderen ist hinsichtlich des Vorbringens der Klägerinnen, dass jeder Stoff auf der Grundlage der ihm inhärenten Eigenschaften separat zu prüfen sei, festzustellen, dass es sich bei Mancozeb um einen metabolisierten Stoff handelt. Insoweit wenden sich die Klägerinnen nicht gegen das Vorbringen der Kommission, wonach, wenn ein Stoff metabolisiert ist und die daraus entstehenden Metaboliten kritische Effekte entfalten, dies für die Einstufung eines Wirkstoffs relevant ist, sofern die Exposition gegenüber dem Stoff den kritischen toxischen Effekt herbeiführt (direkt oder bedingt durch die Stoffwechseltätigkeit des Menschen).

158

Die Argumente der Klägerinnen zur vorliegenden Rüge belegen nicht, dass aufgrund der Stellungnahme des Ausschusses für Risikobeurteilung dem Metabolit ETU im Vergleich zum Stoff selbst eine unangemessene Bedeutung beigemessen wurde. Die vorliegende Rüge ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

159

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, weshalb der vierte Klagegrund zurückzuweisen ist.

[nicht wiedergegeben]

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Siebte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Klage wird abgewiesen.

 

2.

Die UPL Europe Ltd und die Indofil Industries (Netherlands) BV tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten, die der Europäischen Kommission im Rahmen dieses Verfahrens entstanden sind.

 

3.

Indofil Industries (Netherlands) trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten, die der Kommission im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes entstanden sind.

 

da Silva Passos

Valančius

Reine

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. Februar 2023.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

( 1 ) Es werden nur die Randnummern des vorliegenden Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.

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