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Document 62020TJ0631

Urteil des Gerichts (Achte erweiterte Kammer) vom 6. Juli 2022.
MZ gegen Europäische Kommission.
Öffentlicher Dienst – Beamte – Auswahlverfahren EPSO/AD/363/18 Beamte der Funktionsgruppe Administration im Fachgebiet Steuern – Beschränkung der Wahl der zweiten Sprache, in der die Prüfungen abgehalten werden – Nichtaufnahme in die Reserveliste – Einrede der Rechtswidrigkeit – Zulässigkeit – Diskriminierung aufgrund der Sprache – Besonderheiten der zu besetzenden Stellen – Rechtfertigung – Interesse des Dienstes – Verhältnismäßigkeit.
Rechtssache T-631/20.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2022:426

 URTEIL DES GERICHTS (Achte erweiterte Kammer)

6. Juli 2022 ( *1 )

„Öffentlicher Dienst – Beamte – Auswahlverfahren EPSO/AD/363/18 Beamte der Funktionsgruppe Administration im Fachgebiet Steuern – Beschränkung der Wahl der zweiten Sprache, in der die Prüfungen abgehalten werden – Nichtaufnahme in die Reserveliste – Einrede der Rechtswidrigkeit – Zulässigkeit – Diskriminierung aufgrund der Sprache – Besonderheiten der zu besetzenden Stellen – Rechtfertigung – Interesse des Dienstes – Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache T‑631/20,

MZ, vertreten durch Rechtsanwältin M. Velardo,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch T. Lilamand, D. Milanowska und A.‑C. Simon als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt A. Dal Ferro,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Svenningsen (Berichterstatter), der Richter R. Barents und C. Mac Eochaidh, der Richterin T. Pynnä sowie des Richters J. Laitenberger,

Kanzler: P. Núñez Ruiz, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 2022

folgendes

Urteil

1

Mit ihrer auf Art. 270 AEUV gestützten Klage beantragt die Klägerin die Aufhebung der Entscheidung vom 10. Dezember 2019, mit der der Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren EPSO/AD/363/18 es nach Überprüfung abgelehnt hat, ihren Namen in die Reserveliste für die Einstellung von Beamten der Funktionsgruppe Administration der Besoldungsgruppe AD 7 im Fachgebiet Steuern aufzunehmen.

I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

2

Am 11. Oktober 2018 veröffentlichte das Europäische Amt für Personalauswahl (EPSO) im Amtsblatt der Europäischen Union die Bekanntmachung des allgemeinen Auswahlverfahrens auf der Grundlage von Befähigungsnachweisen und Prüfungen EPSO/AD/363/18 zur Einstellung von Beamten der Funktionsgruppe Administration (AD 7) in den Fachgebieten Zoll und Steuern (ABl. 2018, C 368 A, S. 1) (im Folgenden: Bekanntmachung des Auswahlverfahrens) zur Erstellung zweier Reservelisten, von denen die Europäische Kommission, hauptsächlich die Generaldirektion (GD) Steuern und Zollunion, neue Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes als Beamte der Funktionsgruppe Administration einstellen wird.

3

In der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens wurde unter anderem als Zulassungsbedingung für das Auswahlverfahren die Beherrschung von mindestens zwei Amtssprachen der Europäischen Union gefordert. Diese Zulassungsbedingung war wie folgt formuliert:

„Sie müssen Kenntnisse in mindestens zwei EU-Amtssprachen haben; d. h., in einer der beiden Sprachen benötigen Sie mindestens gründliche Kenntnisse (Niveau C1), in der anderen mindestens ausreichende Kenntnisse (Niveau B2).

Bitte beachten Sie, dass die oben genannten Mindestniveaus sich auf alle im Bewerbungsbogen genannten sprachlichen Kompetenzen (Sprechen, Schreiben, Lesen und Hörverstehen) beziehen. Diese entsprechen den im Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen genannten Kompetenzen …

In der vorliegenden Bekanntmachung werden diese Sprachen wie folgt bezeichnet:

Sprache 1: Sprache, in der die computergestützten Multiple-Choice-Tests absolviert werden;

Sprache 2: Sprache, in der die Auswahl anhand der Befähigungsnachweise (‚Talent Screener‘ – Talentfilter) stattfindet und die Assessment-Center-Prüfungen absolviert werden. In dieser Sprache erfolgt auch die Kommunikation zwischen EPSO und den Bewerbern, die eine gültige Bewerbung eingereicht haben. Diese Sprache darf nicht mit Sprache 1 identisch sein.

Sprache 2 muss Englisch oder Französisch sein.“

4

In der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens wurde der Grund für die Beschränkung der Wahl der zweiten Sprache auf Englisch oder Französisch wie folgt erläutert:

„Die Bewerber, die in den genannten Fachgebieten eingestellt werden, müssen über ausreichende Englisch- oder Französischkenntnisse (mindestens Niveau B2) verfügen. Zwar können Kenntnisse weiterer Sprachen unter Umständen von Vorteil sein, aber die meisten für Zoll und Steuern zuständigen Abteilungen der Kommission verwenden für ihre Analysen, die interne und externe Kommunikation, Veröffentlichungen und Berichte, Rechtsvorschriften oder Papiere zu Wirtschaftsthemen Englisch oder Französisch; siehe hierzu auch den Abschnitt ‚Welche Aufgaben erwarten mich?‘ und Anhang I. Deshalb ist eine ausreichende Kenntnis von Englisch oder Französisch unabdingbar. Ohne diese ausreichenden Englisch- oder Französischkenntnisse wären erfolgreiche Bewerber nicht unmittelbar in der Lage, ihre jeweilige Tätigkeit aufzunehmen.“

5

Unter der Überschrift „Wie läuft das Auswahlverfahren ab?“ heißt es in Nr. 5, dass im Assessment-Center vier Prüfungen durchgeführt würden, nämlich ein Gespräch zu den allgemeinen Kompetenzen, ein Gespräch zu den Fachkompetenzen, eine Gruppenübung und eine Fallstudie. Die acht allgemeinen Kompetenzen („Analyse und Problemlösung“, „Kommunikationsfähigkeit“, „Qualitäts- und Ergebnisorientierung“, „Persönliche und berufliche Weiterbildung“, „Setzen von Schwerpunkten und Organisationsfähigkeit“, „Belastbarkeit“, „Teamarbeit“, „Führungsqualitäten“) würden jeweils mit 10 Punkten bewertet, die fachbezogenen Kompetenzen mit 100 Punkten. Die erforderliche Mindestpunktzahl betrage für die allgemeinen Kompetenzen 3 von 10 pro Kompetenz und 40 von 80 insgesamt, für die fachbezogenen Kompetenzen betrage sie 50 von 100.

6

Am 10. November 2018 bewarb sich die Klägerin für dieses Auswahlverfahren im Fachgebiet Steuern.

7

Die Aufgaben, die erfolgreiche Teilnehmer des Auswahlverfahrens im Bereich Steuern voraussichtlich ausüben werden, sind in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens wie folgt beschrieben:

„Als Sachbearbeiter/-in in einem Referat der Direktion für indirekte oder direkte Steuern der [GD ‚Steuern und Zollunion‘] oder in einem der Referate für steuerliche Beihilfen der [GD ‚Wettbewerb‘] wird von Ihnen erwartet, dass Sie sofort einsatzfähig sind und unter Anleitung Ihrer Vorgesetzten Unterlagen auf Ihrem Fachgebiet ausarbeiten und an Sitzungen mit Vertretern der Mitgliedstaaten und anderen Beteiligten teilnehmen können, auf denen Sie den Standpunkt der Europäischen Kommission erläutern/vertreten. Sie werden für Ihr Referat an Sitzungen mit Vertretern anderer Dienststellen der Europäischen Kommission teilnehmen und Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern sowie von Abgeordneten des Europäischen Parlaments beantworten. Ferner wird von Ihnen erwartet, gegebenenfalls an Briefings für Ihren Kommissar, Ihren Generaldirektor oder Direktor mitzuarbeiten. Abhängig von dem Referat, in dem Sie arbeiten, werden Sie Rechtsvorschriften, Beschlüsse, Arbeitsdokumente oder Papiere zu Wirtschaftsthemen verfassen.“

8

Im Übrigen werden im Anhang I („Aufgaben“) der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens diese Aufgaben wie folgt erläutert:

„Die allgemeine Aufgabe von AD-Beamten (AD 7) im Steuerbereich besteht darin, die Entscheidungsträger bei der Erfüllung des ihrem Organ übertragenen Auftrags zu unterstützen und Rechtsgutachten sowie wirtschaftliche und/oder statistische Analysen zu erstellen, die für die Einführung, Entwicklung, Verwaltung und/oder Bewertung der EU-Maßnahmen im Bereich der direkten und/oder indirekten Besteuerung, auch auf dem Gebiet der Verrechnungspreise oder der steuerlichen Beihilfen, erforderlich sind.

Die erfolgreichen Bewerber werden Aspekte der direkten und/oder indirekten Steuern analysieren, sie unter rechtlichen Gesichtspunkten auf der Grundlage der geltenden Steuer- oder Beihilfevorschriften und ‑verfahren bewerten, ihre Auswirkungen untersuchen und entsprechende Rechtsakte ausarbeiten oder Analysen der wirtschaftlichen Aspekte vornehmen. Des Weiteren können sie aufgefordert werden, ihr Sachgebiet betreffende Kommunikationsaufgaben zu übernehmen, an Konferenzen und anderen Veranstaltungen teilzunehmen sowie in folgenden Bereichen im Zusammenhang mit der Steuerpolitik der Europäischen Union Koordinierungs- und Verhandlungsaufgaben auf internationaler Ebene zu übernehmen: Analyse und Bewertung der Steuerpolitik aus wirtschaftlicher Sicht [in Bezug auf die direkten und die indirekten Steuern, die Mehrwertsteuer und andere indirekte Steuern (Umwelt, Verkehr, Energie und Verbrauchsteuern)] …“

9

Die Klägerin, eine italienische Staatsangehörige, wählte Italienisch als Sprache 1 und Französisch als Sprache 2 (im Folgenden: zweite Sprache), in der sie auch ihre Bewerbung verfasste. Bei dieser Gelegenheit erklärte sie, Französisch auf demselben Niveau wie Italienisch zu beherrschen, d. h. auf dem Niveau „C2“ gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen, mit Ausnahme des schriftlichen Ausdrucks, für den sie angab, Französisch auf dem Niveau „C1“ zu beherrschen.

10

Am 4. April und 4. Juni 2019 nahm die Klägerin an den Prüfungen des Assessment-Centers teil, die aus einer Fallstudie, einer Gruppenübung und zwei Einzelgesprächen mit dem Prüfungsausschuss bestanden. Diese Prüfungen wurden in der zweiten Sprache abgehalten.

11

Mit Schreiben vom 17. Juli 2019 teilte der Vorsitzende des Prüfungsausschusses der Klägerin die Entscheidung des Prüfungsausschusses mit, ihren Namen nicht in die Reserveliste aufzunehmen, da sie nicht die in jeder Prüfung erforderliche Mindestpunktzahl erreicht habe (im Folgenden: Entscheidung vom 17. Juli 2019). Diesem Schreiben war ein Kompetenzpass beigefügt, aus dem insbesondere hervorgeht, dass die Klägerin bei der Bewertung der acht allgemeinen Kompetenzen eine zum Ausschluss führende Note von 37 von 80 und bei der Bewertung der Kompetenzen in Bezug auf das von ihr gewählte Fachgebiet eine Note von 80 von 100 erzielt hatte.

12

Mit Schreiben vom 27. Juli 2019 reichte die Klägerin beim Prüfungsausschuss einen in Französisch verfassten Antrag auf Überprüfung ein, der mit Entscheidung des Prüfungsausschusses vom 10. Dezember (im Folgenden: Entscheidung vom 10. Dezember 2019“) abgelehnt wurde.

13

Mit E‑Mail vom 9. März 2020 reichte die Klägerin gemäß Art. 90 Abs. 2 des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) bei der Anstellungsbehörde eine in Italienisch verfasste Beschwerde ein.

14

Mit E‑Mail vom 1. April 2020 teilte EPSO der Klägerin mit, dass ihre Beschwerde gemäß Anhang III Nr. 4.3.1 der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens in der zweiten Sprache, nämlich in Französisch, hätte eingereicht werden müssen und dass ihre in Italienisch verfasste Beschwerde folglich nicht berücksichtigt werde, wenn der Anstellungsbehörde nicht bis zum 1. Mai eine Übersetzung ins Französische übermittelt werde.

15

Mit E‑Mail vom 9. April 2020 übermittelte die Klägerin der Anstellungsbehörde eine Übersetzung ihrer Beschwerde ins Französische; diese Beschwerde wurde mit Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 8. Juli 2020 zurückgewiesen (im Folgenden: Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde).

II. Anträge der Parteien

16

Die Klägerin beantragt,

die Entscheidungen vom 17. Juli und 10. Dezember 2019 sowie die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde aufzuheben,

der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

17

Die Kommission beantragt,

die Klage abzuweisen,

der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

A. Zum Streitgegenstand

18

Nach der Rechtsprechung stellt, wenn ein Bewerber eines Auswahlverfahrens die Überprüfung einer von einem Prüfungsausschuss getroffenen Entscheidung beantragt, die von diesem nach erneuter Prüfung der Situation des Bewerbers getroffene Entscheidung die ihn beschwerende Maßnahme im Sinne von Art. 90 Abs. 2 oder gegebenenfalls Art. 91 Abs. 1 des Statuts dar. Die nach der Überprüfung getroffene Entscheidung tritt insoweit an die Stelle der ursprünglichen Entscheidung des Prüfungsausschusses (vgl. Urteil vom 5. September 2018, Villeneuve/Kommission, T‑671/16, EU:T:2018:519, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19

Im vorliegenden Fall ist die die Klägerin beschwerende Maßnahme die nach einer Überprüfung getroffene Entscheidung vom 10. Dezember 2019, ihren Namen nicht in die Reserveliste des Auswahlverfahrens aufzunehmen (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

20

Was den formell gegen die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde gerichteten Antrag betrifft, ist daran zu erinnern, dass die Klage bewirkt, selbst wenn sie formal gegen die Zurückweisung der Beschwerde gerichtet ist, dass das Gericht mit der beschwerenden Maßnahme befasst wird, gegen die die Beschwerde gerichtet ist (Urteil vom 17. Januar 1989, Vainker/Parlament, 293/87, EU:C:1989:8, Rn. 8), es sei denn, die Zurückweisung der Beschwerde hat einen anderen Umfang als die Maßnahme, gegen die sich die Beschwerde richtet (vgl. Urteil vom 21. Mai 2014, Mocová/Kommission, T‑347/12 P, EU:T:2014:268, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21

Da hier mit der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde die Beschwerde zurückgewiesen und die Entscheidung des Prüfungsausschusses, den Namen der Klägerin nicht in die Reserveliste aufzunehmen, bestätigt wird, hat sie keinen von der angefochtenen Entscheidung unabhängigen Inhalt. In einem solchen Fall ist die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung daher unter Berücksichtigung der in der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde enthaltenen Begründung zu prüfen, wobei davon auszugehen ist, dass diese Begründung mit der genannten Maßnahme übereinstimmt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. März 2021, BK/EASO, T‑277/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:161, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

B. Zur Begründetheit

22

Die Klägerin macht fünf Klagegründe zur Stützung ihrer Klage geltend. Der erste Klagegrund betrifft die Einrede der Rechtswidrigkeit der in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens vorgesehenen Sprachenregelung, der zweite die Verletzung des Grundsatzes der Beständigkeit des Prüfungsausschusses, der dritte einen Verstoß gegen die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens, der vierte einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 5 des Anhangs III des Statuts und der fünfte eine Verletzung der Begründungspflicht.

23

Im Rahmen des ersten Klagegrundes rügt die Klägerin die Rechtswidrigkeit der Bestimmungen der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens, die zum einen die Wahl der zweiten Sprache, in der die Prüfungen des Assessment-Centers abgehalten werden, auf Französisch und Englisch beschränken (im Folgenden: streitige Beschränkung), und zum anderen die Bewerber verpflichten, diese Sprache im Schriftverkehr mit EPSO zu verwenden (im Folgenden: streitige Verpflichtung).

24

Die Kommission beantragt, die Einrede der Rechtswidrigkeit als unzulässig und in jedem Fall unbegründet zurückzuweisen.

1.   Zur Zulässigkeit des ersten Klagegrundes: Einrede der Rechtswidrigkeit der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens

25

Im Hinblick auf ihre jeweilige Tragweite muss die Einrede der Rechtswidrigkeit der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens getrennt behandelt werden, soweit darin zum einen die streitige Beschränkung und zum anderen die streitige Verpflichtung aufgestellt werden.

a)   Zur Zulässigkeit der Einrede der Rechtswidrigkeit der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens, soweit darin die streitige Beschränkung aufgestellt wird

26

Die Kommission macht unter Berufung auf die aus dem Urteil vom 14. Dezember 2017, PB/Kommission (T‑609/16, EU:T:2017:910), hervorgegangene Rechtsprechung geltend, dass die Einrede der Rechtswidrigkeit der streitigen Beschränkung als unzulässig zurückgewiesen werden müsse.

27

In diesem Zusammenhang macht sie geltend, dass aufgrund des Fehlens eines engen Zusammenhangs zwischen der Begründung der angefochtenen Entscheidung und dem ersten Klagegrund, der auf die Rechtswidrigkeit der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens gestützt wird, dieser Klagegrund als verspätet zurückgewiesen werden müsse. Um die Bestimmungen zur Festlegung der Sprachenregelung für die Prüfungen des Auswahlverfahrens anfechten zu können, müsse ein Bewerber gegen die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens innerhalb von drei Monaten nach ihrer Veröffentlichung eine Beschwerde einreichen.

28

Die Kommission ist der Ansicht, dass die angefochtene Entscheidung nicht auf Elementen beruhe, die eng mit der Sprachregelung der Prüfungen verbunden seien, sondern nur auf der ungenügenden Note, mit der die allgemeinen Kompetenzen der Klägerin bewertet worden seien, so dass es keinen engen Zusammenhang zwischen den Gründen der angefochtenen Entscheidung und dem Klagegrund der Rechtswidrigkeit der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens gebe.

29

Sie fügt hinzu, dass die bei den Prüfungen festgestellten erheblichen Schwächen bei der Beherrschung bestimmter allgemeiner Kompetenzen auch dann bemerkt worden wären, wenn die Klägerin die Prüfungen in einer anderen Sprache abgelegt hätte. Jedenfalls habe die Klägerin nicht durch konkrete Anhaltspunkte dargetan, dass sie durch die Verwendung der französischen Sprache bei den Prüfungen benachteiligt worden sei oder dass sie bessere Ergebnisse hätte erzielen können, wenn sie die Prüfungen in einer anderen Sprache abgelegt hätte.

30

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

31

Vorab ist daran zu erinnern, dass Art. 277 AEUV Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes ist, der jeder Partei das Recht gewährleistet, die Gültigkeit früherer Rechtsakte, die Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung sind, anzufechten, wenn diese Partei zweifellos nicht über das Recht verfügte, eine direkte Klage gegen diese Akte zu erheben, deren Auswirkungen sie unterliegt, ohne deren Aufhebung beantragen zu können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juli 2003, Kommission/EZB, C‑11/00, EU:C:2003:395, Rn. 75, vom 17. Dezember 2020, BP/FRA, C‑601/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:1048, Rn. 26, und vom 22. April 2004, Schintgen/Kommission, T‑343/02, EU:T:2004:111, Rn. 26).

32

Da im vorliegenden Fall die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit auf der Prämisse beruht, dass die Klägerin die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens nicht rechtzeitig, d. h. nicht innerhalb von drei Monaten nach ihrer Veröffentlichung, angefochten hat, muss zunächst geprüft werden, ob die Klägerin zweifelsfrei über eine solche Möglichkeit verfügte.

33

Im vorliegenden Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Zulässigkeit einer Aufhebungsklage der Klägerin gegen die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens, soweit darin die streitige Beschränkung aufgestellt wird, selbstverständlich gewesen wäre. Denn es ist daran zu erinnern, dass eine Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens nur ausnahmsweise Gegenstand einer Aufhebungsklage sein kann, wenn sie, indem sie Bedingungen aufstellt, die die Bewerbung einer Partei ausschließen, eine diese Partei beschwerende Entscheidung im Sinne der Art. 90 und 91 des Statuts darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 1975, Küster/Parlament, 79/74, EU:C:1975:85, Rn. 5 bis 8, und Beschluss vom 24. Juni 2013, Mateo Pérez/Kommission, F‑144/11, EU:F:2013:86, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34

Die streitige Beschränkung führt jedoch nicht dazu, dass die Bewerbung eines Bewerbers ausgeschlossen wird, der, wie die Klägerin, der Ansicht ist, mindestens zwei Amtssprachen der Union auf dem in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens geforderten Niveau zu beherrschen. Da die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens somit keine Bedingungen aufstellt, die die Bewerbung der Klägerin ausschließen, stellt sie keine sie beschwerende Entscheidung dar und konnte daher nicht Gegenstand einer Aufhebungsklage der Klägerin sein.

35

Unter Berücksichtigung des in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes, der impliziert, dass eine Handlung, die nicht Gegenstand einer Aufhebungsklage nach Art. 270 AEUV sein kann, Gegenstand einer Einrede der Rechtswidrigkeit nach Art. 277 AEUV sein können muss, unterliegt die Zulässigkeit der Einrede der Rechtswidrigkeit eines Rechtsakts mit allgemeiner Geltung in einem solchen Fall lediglich der doppelten Voraussetzung, dass der angefochtene individuelle Rechtsakt in unmittelbarer Anwendung des Rechtsakts mit allgemeiner Geltung erlassen wurde und dass der Kläger ein Interesse daran hat, die individuelle Entscheidung anzufechten, die Gegenstand des Hauptverfahrens ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2007, Wils/Parlament, F‑105/05, EU:F:2007:128, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36

Hinsichtlich der ersten Voraussetzung, die auf die Feststellung abzielt, ob die angefochtene Entscheidung in unmittelbarer Anwendung der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens erlassen wurde, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof anerkannt hat, dass die Einrede der Rechtswidrigkeit gegenüber den Bestimmungen eines Rechtsakts mit allgemeiner Geltung erhoben werden kann, auf denen die individuelle Entscheidung beruht oder die in einem unmittelbaren rechtlichen Zusammenhang mit einer solchen individuellen Entscheidung stehen (vgl. Urteil vom 8. September 2020, Kommission und Rat/Carreras Sequeros u. a., C‑119/19 P und C‑126/19 P, EU:C:2020:676, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37

Insoweit genügt der Hinweis, dass, da der Wortlaut der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens sowohl den Rahmen der Rechtmäßigkeit als auch den Rahmen für das Ermessen des Prüfungsausschusses des Auswahlverfahrens bildet (vgl. Urteil vom 14. Dezember 2018, UR/Kommission, T‑761/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:968, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung), diese Bekanntmachung zwar nicht die eigentliche Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung, aber doch zumindest einer der Rechtsakte ist, die den rechtlichen Rahmen bilden, in dem diese angefochtene Entscheidung erlassen werden musste.

38

Da die angefochtene Entscheidung im Übrigen nach dem in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens vorgesehenen Verfahren erlassen wurde, ergibt sich daraus, dass die streitige Beschränkung auch einen unmittelbaren rechtlichen Zusammenhang mit der angefochtenen Entscheidung aufweist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juli 2021, Carbajo Ferrero/Parlament, T‑670/19, nicht veröffentlicht, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2021:435, Rn. 56).

39

Hinsichtlich der zweiten Voraussetzung betreffend das Rechtsschutzinteresse ist – unter der Annahme, dass die Argumentation der Kommission so verstanden werden kann, dass sie das Interesse der Klägerin in Frage stellt, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung mit der Begründung zu beantragen, dass die streitige Beschränkung rechtswidrig sei –, daran zu erinnern, dass ein Kläger zwar nicht berechtigt ist, im Interesse des Gesetzes oder der Organe tätig zu werden, und zur Begründung einer Aufhebungsklage nur die Rügen geltend machen kann, die ihn persönlich betreffen (Urteil vom 30. Juni 1983, Schloh/Rat, 85/82, EU:C:1983:179, Rn. 14).

40

Dieses Erfordernis setzt jedoch nur voraus, dass die Rügen des Klägers geeignet sind, eine Aufhebung zu stützen, die ihm einen Vorteil verschaffen kann, d. h. im vorliegenden Fall, dass die Einrede der Rechtswidrigkeit im Ergebnis der Partei, die sie erhoben hat, einen Vorteil verschaffen kann (Urteil vom 29. November 2006, Campoli/Kommission, T‑135/05, EU:T:2006:366, Rn. 132). Nach der von der Kommission angeführten Rechtsprechung ist jedenfalls nur dann, wenn kein enger Zusammenhang zwischen der Begründung der angefochtenen Entscheidung und dem auf die Rechtswidrigkeit der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens gestützten Klagegrund besteht, dieser für unzulässig zu erklären (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Dezember 2017, PB/Kommission, T‑609/16, EU:T:2017:910, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41

In diesem Punkt kann jedoch auf die Gefahr hin, von ihr Beweise zu verlangen, deren Erbringung unmöglich ist, nicht gefordert werden, dass die Klägerin nachweist, dass sie bei Durchführung eines Aufhebungsurteils gemäß Art. 266 AEUV zwangsläufig eine bessere Note in den Prüfungen des Assessment-Centers erhalten würde, sondern nur, dass eine solche Möglichkeit nicht ausgeschlossen wäre, wobei im Übrigen daran erinnert sei, dass es nicht Sache des Gerichts ist, seine Beurteilung an die Stelle derjenigen des Prüfungsausschusses zu setzen.

42

Insoweit ist klarzustellen, dass die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens die Bewerber nicht dazu verpflichtete, die am besten beherrschte Sprache als Sprache 1 zu wählen. Der Vorzug, der Englisch oder Französisch unter Ausschluss aller anderen Amtssprachen der Union gegeben wurde, ist daher, wie die Klägerin geltend macht, geeignet, den Bewerbern, die eine dieser beiden Sprachen am besten beherrschen, bei den Prüfungen einen Vorteil zu verschaffen, was die anderen Bewerber, für die dies nicht der Fall ist, benachteiligt.

43

Es ist nämlich bereits entschieden worden, dass sich die Kenntnisse der Bewerber in der zweiten Sprache unvermeidlich und notwendigerweise in den Prüfungen widerspiegeln, mit denen die allgemeinen Kompetenzen und die Fachkompetenzen, wie im in Rede stehenden Auswahlverfahren vorgesehen, geprüft werden sollen und die sie in dieser Sprache ablegen müssen (Urteil vom 9. Juni 2021, Calhau Correia de Paiva/Kommission, T‑202/17, Rechtsmittel anhängig EU:T:2021:323, Rn. 55).

44

In diesem Rahmen kann insbesondere festgestellt werden, dass aus den für die Bewertung der allgemeinen Kompetenzen verwendeten Bögen, die von der Kommission als Antwort auf eine prozessleitende Maßnahme übermittelt worden sind, hervorgeht, dass die Beherrschung einer Sprache einen Einfluss auf die Bewertung der allgemeinen Kompetenzen der Bewerber haben kann.

45

Insbesondere bei dem auf allgemeine Kompetenzen ausgerichteten Gespräch sollte der Prüfungsausschuss bei der Bewertung der Kompetenz „Kommunikationsfähigkeit“ berücksichtigen, ob der Bewerber Schwierigkeiten hat, sich mündlich verständlich oder ausreichend präzise auszudrücken. Das Gleiche gilt für die Bewertung dieser Kompetenz bei der Fallstudie, da vorgesehen ist, dass der Prüfungsausschuss die Note eines Bewerbers herabsetzt, wenn er der Ansicht ist, dass „Sprache, Wortschatz, Stil und Ausdrucksweise nicht angemessen sind“.

46

Wie bereits oben in Rn. 9 ausgeführt wurde, hat die Klägerin in ihrem Bewerbungsbogen selbst erklärt, dass sie sich in Französisch weniger gut schriftlich ausdrücken könne als in Italienisch, der Sprache, die sie am besten beherrsche, und es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die unvollkommene Beherrschung dieser zweiten Sprache ihre Bewertung in der schriftlichen Prüfung beeinträchtigen konnte.

47

Unter diesen Umständen kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die Klägerin, die für die allgemeinen Kompetenzen eine deutlich niedrigere Gesamtnote (37 von 80) erhielt als für die fachbezogenen Kompetenzen (80 von 100) und die insbesondere die Note 4,5 von 10 bei der Bewertung der Kompetenz „Kommunikationsfähigkeit“ erhielt, die ebenfalls niedriger ist als die Note für die Bewertung der fachbezogenen Kompetenzen, eine Chance auf eine bessere Note gehabt hätte, wenn sie die Prüfungen in ihrer Muttersprache, d. h. in Italienisch, hätte ablegen können. Denn wie aus den Rn. 44 und 45 oben hervorgeht, kann sich die Beherrschung einer Sprache, die über die Fachterminologie eines bestimmten Bereichs hinausgeht, besonders auf die Bewertung der allgemeinen Kompetenzen der Bewerber auswirken. Daher stellt der erhebliche Unterschied zwischen der Note der Klägerin für die allgemeinen Kompetenzen und ihrer Note für die fachbezogenen Kompetenzen einen konkreten Hinweis darauf dar, dass dies vorliegend der Fall gewesen sein konnte.

48

Nach alledem ist die Einrede der Rechtswidrigkeit der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens, soweit darin die streitige Beschränkung aufgestellt wird, zulässig.

b)   Zur Zulässigkeit der Einrede der Rechtswidrigkeit der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens, soweit darin die streitige Verpflichtung aufgestellt wird

49

Die Kommission trägt vor, dass die Einrede der Rechtswidrigkeit der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens, soweit darin die streitige Verpflichtung aufgestellt wird, unzulässig sei, denn die Klägerin habe kein Interesse daran, die angebliche Rechtswidrigkeit geltend zu machen. Die angefochtene Entscheidung hänge weder von dem Umstand ab, dass die Kommunikation der Klägerin mit EPSO in der zweiten Sprache habe stattfinden müssen, noch davon, dass sie ihre Beschwerde in Französisch habe einreichen müssen.

50

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

51

Es ist daran zu erinnern, dass der Umfang einer Einrede der Rechtswidrigkeit auf das beschränkt werden muss, was für die Entscheidung des Rechtsstreits unerlässlich ist (Urteil vom 10. Juni 2020, Oosterbosch/Parlament, T‑131/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:250, Rn. 54). Da Art. 277 AEUV nicht dazu dient, einer Partei zu gestatten, die Anwendbarkeit irgendeines Rechtsakts mit allgemeiner Geltung mittels einer beliebigen Klage anzufechten, muss der Rechtsakt, dessen Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, mittelbar oder unmittelbar auf den Sachverhalt anwendbar sein, der den Gegenstand der Klage bildet (vgl. Urteil vom 8. September 2020, Kommission und Rat/Carreras Sequeros u. a., C‑119/19 P und C‑126/19 P, EU:C:2020:676, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52

Insoweit genügt – unabhängig davon, dass Art. 20 Abs. 2 Buchst. d AEUV und Art. 41 Abs. 4 der Charta der Grundrechte das Recht verankern, sich in einer der Sprachen der Verträge an die Organe der Union zu wenden und eine Antwort in derselben Sprache zu erhalten – die Feststellung, dass die streitige Verpflichtung keinen unmittelbaren oder mittelbaren Einfluss auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung ausgeübt hat. Die Entscheidung des Prüfungsausschusses, den Namen der Klägerin nach Abschluss der Prüfungen nicht in die Reserveliste aufzunehmen, steht nämlich in keinem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit der Verpflichtung, mit EPSO in der zweiten Sprache des Auswahlverfahrens zu kommunizieren.

53

Da keine Verbindung – und schon gar nicht eine unmittelbare rechtliche Verbindung – zwischen der angefochtenen Entscheidung und der streitigen Verpflichtung besteht, kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass diese Entscheidung eine Maßnahme zur Umsetzung der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens darstellt, soweit darin die genannte Verpflichtung aufgestellt wird.

54

Die Einrede der Rechtswidrigkeit der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens, soweit darin die streitige Verpflichtung aufgestellt wird, ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

55

Nach alledem ist der erste Klagegrund, der auf die Einrede der Rechtswidrigkeit der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens gestützt ist, nur insoweit für zulässig zu erklären, als er die streitige Beschränkung betrifft.

2.   Zur Begründetheit der Einrede der Rechtswidrigkeit der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens, soweit darin die streitige Beschränkung aufgestellt wird

56

Zur Stützung der Einrede der Rechtswidrigkeit macht die Klägerin geltend, dass die streitige Beschränkung eine nach Art. 1d des Statuts verbotene Diskriminierung aufgrund der Sprache darstelle. In diesem Rahmen ist erstens zu prüfen, ob die streitige Beschränkung eine Ungleichbehandlung aufgrund der Sprache bewirkt, und gegebenenfalls zweitens, ob diese Ungleichbehandlung durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist, und schließlich, ob sie zur Erreichung des möglicherweise verfolgten legitimen Ziels verhältnismäßig ist.

a)   Zum Vorliegen einer Diskriminierung aufgrund der Sprache

57

Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die streitige Beschränkung sie bei den Prüfungen gegenüber Bewerbern benachteiligt habe, für die Englisch oder Französisch Mutter- oder Hauptsprache sei, d. h. die Sprache, die am besten beherrscht werde.

58

Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen und trägt im Wesentlichen vor, dass die Kenntnis einer Sprache auf einem Niveau, das über dem in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens geforderten Mindestniveau liege, nicht zu den Kenntnissen und Fähigkeiten gehöre, die in den Prüfungen des Assessment-Centers bewertet würden.

59

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 1d Abs. 1 Unterabs. 1 des Statuts bei der Anwendung des Statuts jede Diskriminierung, wie insbesondere eine Diskriminierung aufgrund der Sprache, verboten ist.

60

Im vorliegenden Fall stellt die Tatsache, dass den Bewerbern vorgeschrieben wurde, bei der zweiten Sprache des Auswahlverfahrens ausschließlich zwischen der englischen oder der französischen Sprache zu wählen, eine Ungleichbehandlung aufgrund der Sprache dar, die nach dieser Bestimmung grundsätzlich verboten ist.

61

Es ist nämlich daran zu erinnern, dass die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens den Bewerbern, für die Englisch oder Französisch die Sprache ist, die sie am besten beherrschen, nicht verbot, diese Sprache als zweite Sprache zu wählen. Daraus folgt, dass, wie oben in Rn. 42 ausgeführt wurde, die Bevorzugung von Englisch oder Französisch als zweiter Sprache den Bewerbern, für die eine dieser beiden Sprachen die Sprache ist, die sie am besten beherrschen, bei den Prüfungen einen Vorteil verschaffen kann, was die anderen Bewerber, die zwar über ausreichende Kenntnisse in mindestens zwei Amtssprachen der Union verfügen, aber dennoch nicht die Möglichkeit hatten, die Prüfungen in der Sprache abzulegen, die sie am besten beherrschen, benachteiligt.

62

Nach Art. 1d Abs. 6 Satz 1 des Statuts sind jedoch Einschränkungen des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung möglich, sofern sie durch „objektive und vertretbare Gründe zu rechtfertigen“ sind und legitimen Zielen des Allgemeininteresses im Rahmen der Personalpolitik dienen.

63

So werden dem weiten Gestaltungsspielraum, über den die Unionsorgane bei der Organisation ihrer Dienststellen und insbesondere bei der Festlegung der Kriterien für die Fähigkeiten, die für die zu besetzenden Stellen gefordert werden, und den Bedingungen und Modalitäten der Organisation von Auswahlverfahren entsprechend den Kriterien und im Interesse des Dienstes durch Art. 1d des Beamtenstatuts zwingende Grenzen gesetzt, so dass Ungleichbehandlungen aufgrund der Sprache durch eine Beschränkung der Sprachenregelung eines Auswahlverfahrens auf eine begrenzte Zahl von Amtssprachen nur zulässig sein können, sofern die Einschränkung objektiv gerechtfertigt ist und sich nach den tatsächlichen dienstlichen Anforderungen richtet (vgl. Urteil vom 26. März 2019, Kommission/Italien, C‑621/16 P, EU:C:2019:251, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung).

64

Es ist somit zu prüfen, ob die Diskriminierung aufgrund der Sprache, die sich aus der streitigen Beschränkung ergibt, durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und sich gegebenenfalls nach den tatsächlichen dienstlichen Anforderungen, wie sie in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens beschrieben werden, richtet.

b)   Zur Rechtfertigung der Diskriminierung aufgrund der Sprache

65

Die Klägerin trägt vor, dass es Sache der Anstellungsbehörde sei, zu beweisen, dass die streitige Beschränkung objektiv gerechtfertigt sei und sich nach den tatsächlichen dienstlichen Anforderungen richte, indem sie sich auf Elemente stütze, die mit den Anforderungen der zu besetzenden Stellen in Zusammenhang stünden und die zum einen gerichtlich überprüfbar und zum anderen für die Bewerber verständlich seien.

66

Sie macht insoweit geltend, dass die von der Anstellungsbehörde in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens angeführte Rechtfertigung, dass die Einstellung von Beamten, die sofort einsatzbereit seien, ermöglicht werden solle, nicht den Zusammenhang erläutere, der zwischen der streitigen Beschränkung und der Art der auszuübenden Tätigkeiten, wie diese in Anhang I der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens beschrieben sei, bestehe. Es sei nicht ausgeschlossen, dass bestimmte Aufgaben u. a. in italienischer Sprache ausgeführt werden könnten. Darüber hinaus könne die streitige Beschränkung angesichts ihrer allgemeinen Formulierung auch nicht durch die Art der Prüfungen des Assessment-Centers gerechtfertigt werden.

67

Zu den von der Kommission im Laufe des Verfahrens vorgelegten Daten vertritt die Klägerin die Ansicht, dass diese nicht relevant seien und dass jedenfalls nicht nachgewiesen sei, dass Englisch und Französisch die am häufigsten verwendeten Sprachen bei der Ausübung der Funktionen der zu besetzenden Stellen seien, unter Ausschluss aller anderen Sprachen der Union.

68

Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen und trägt im Wesentlichen vor, dass die streitige Beschränkung durch zwei legitime Ziele gerechtfertigt sei, die durch Beweise untermauert würden, die aus einer Tabelle mit Einzelheiten zu den von den Mitarbeitern der GD Steuern und Zollunion und der GD Wettbewerb gesprochenen Sprachen, aus Tabellen mit Einzelheiten zu den von den Mitarbeitern dieser Generaldirektionen bei der Ausübung ihrer Aufgaben verwendeten Sprachen und aus den von diesen Generaldirektionen zwischen dem 1. Januar 2016 und dem 9. Januar 2020 veröffentlichten Stellenausschreibungen bestünden.

69

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 28 Buchst. f des Statuts niemand zum Beamten ernannt werden kann, der nicht nachweist, dass er gründliche Kenntnisse in einer Sprache der Union und ausreichende Kenntnisse in einer weiteren Sprache der Union in dem Umfang besitzt, in dem dies für die Ausübung seines Amtes erforderlich ist. Dieser Artikel enthält allerdings keine Angaben zu den Kriterien, die berücksichtigt werden können, um die Wahl dieser Sprache unter den Amtssprachen einzuschränken, die in Art. 1 der Verordnung Nr. 1 des Rates vom 15. April 1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. 1958, 17, S. 385) in der geänderten Fassung aufgeführt sind (vgl. Urteil vom 15. September 2016, Italien/Kommission, T‑353/14 und T‑17/15, EU:T:2016:495, Rn. 85 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Beschluss vom 5. September 2019, Italien/Kommission, T‑313/15 und T‑317/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:582, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70

Solche Kriterien ergeben sich auch nicht aus Art. 27 des Statuts, in dessen erstem Absatz es ohne Bezugnahme auf Sprachkenntnisse heißt: „Bei der Einstellung ist anzustreben, dem Organ die Mitarbeit von Beamten zu sichern, die in Bezug auf Befähigung, Leistung und Integrität höchsten Ansprüchen genügen; sie sind unter den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Union auf möglichst breiter geografischer Grundlage auszuwählen. Kein Dienstposten darf den Staatsangehörigen eines bestimmten Mitgliedstaats vorbehalten werden“. Dies gilt auch für den zweiten Absatz dieses Artikels, in dem es lediglich heißt: „Gemäß dem Grundsatz der Gleichheit aller Unionsbürger kann jedes Organ geeignete Maßnahmen ergreifen, wenn eine bedeutende Unausgewogenheit in der Zusammensetzung der Beamtenschaft nach Staatsangehörigkeit festgestellt wird, die nicht durch objektive Kriterien gerechtfertigt ist.“ Klargestellt wird dabei insbesondere: „Diese geeigneten Maßnahmen müssen gerechtfertigt sein und dürfen nicht zu anderen Einstellungskriterien als den auf der Eignung begründeten führen.“

71

Aus Art. 1 Abs. 1 Buchst. f des Anhangs III des Statuts geht zwar hervor, dass in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens gegebenenfalls die Sprachkenntnisse angegeben werden können, die „aufgrund der besonderen Art der zu besetzenden Dienstposten“ erforderlich sind, diese Bestimmung stellt aber keineswegs eine allgemeine Ermächtigung dar, die es erlaubt, die Wahl der zweiten Sprache eines Auswahlverfahrens auf eine begrenzte Anzahl von Amtssprachen aus den in Art. 1 der Verordnung Nr. 1 genannten Sprachen zu beschränken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2016, Italien/Kommission, T‑353/14 und T‑17/15, EU:T:2016:495, Rn. 86 [nicht veröffentlicht] und die dort angeführte Rechtsprechung, vgl. auch Beschluss vom 5. September 2019, Italien/Kommission, T‑313/15 und T‑317/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:582, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72

Im vorliegenden Fall hat die Kommission ausgeführt, dass die streitige Beschränkung zum einen – wie sich aus den Allgemeinen Leitlinien des Kollegiums der Verwaltungschefs für die Sprachenregelung bei EPSO-Auswahlverfahren in Anhang II der Allgemeinen Vorschriften für allgemeine Auswahlverfahren (ABl. 2015, C 70A, S. 1, im Folgenden: Anhang II) ergibt – durch die Art der Prüfungen des Assessment-Centers und zum anderen – wie sich aus dem Inhalt der oben in Rn. 4 wiedergegebenen Bekanntmachung des Auswahlverfahrens ergibt – durch das Ziel gerechtfertigt sei, über sofort einsatzfähige Bewerberinnen und Bewerber zu verfügen.

1) Zur Rechtfertigung aus der Art der Prüfungen des Assessment-Centers

73

Gemäß den allgemeinen Leitlinien des Kollegiums der Verwaltungschefs für die Sprachenregelung bei EPSO-Auswahlverfahren in Anhang II, auf die sich die Kommission bezieht, sei die streitige Beschränkung durch die Art der Prüfungen des Assessment-Centers gerechtfertigt, denn: „Um eine faire Bewertung der Bewerber zu gewährleisten und sicherzustellen, dass die Bewerber unmittelbar mit den Beobachtern und den anderen Prüfungsteilnehmern kommunizieren können, erfordert die Anwendung dieser Methode insbesondere, dass das Assessment-Center in einer Verkehrssprache oder – unter bestimmten Voraussetzungen – in der Hauptsprache des Auswahlverfahrens durchgeführt wird“.

74

Dieser Grund kann jedoch nicht akzeptiert werden, da diese Rechtfertigung aufgrund ihrer allgemeinen Formulierung auf jedes Auswahlverfahren angewendet werden kann, unabhängig von der besonderen Art der Stellen, die am Ende des betreffenden Auswahlverfahrens zu besetzen sind.

75

Im Übrigen geht aus dem genannten Anhang II hervor, dass das seit 2010 eingeführte Auswahlverfahren und insbesondere die Prüfungen des Assessment-Centers darauf abzielen, besser vorherzusagen, ob die Bewerber in der Lage sein werden, ihre Aufgaben zu erfüllen. Daraus folgt, dass dieses Argument, das sich auf die Art des Auswahlverfahrens bezieht, eng mit dem Grund verknüpft ist, der sich auf die Notwendigkeit bezieht, dass die neu eingestellten Personen sofort einsatzbereit sein müssen. Sollte der letztgenannte Grund also fehlen, kann das auf die Natur des Auswahlverfahrens gestützte Argument für sich genommen die Beschränkung der Zahl der Sprachen, die als zweite Sprache des Auswahlverfahrens gewählt werden können, nicht rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juni 2021, Calhau Correia de Paiva/Kommission, T‑202/17, Rechtsmittel anhängig, EU:T:2021:323, Rn. 98 [nicht veröffentlicht]).

76

Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob angesichts der oben in den Rn. 7 und 8 beschriebenen besonderen Art der zu besetzenden Stellen die Notwendigkeit, über sofort einsatzfähige Beamte zu verfügen, eine legitime Rechtfertigung für die streitige Beschränkung darstellt.

2) Zur Rechtfertigung aus der Notwendigkeit, über sofort einsatzfähige Beamte zu verfügen

77

Nach der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass ein dienstliches Interesse daran besteht, dass Personen, die von den Unionsorganen nach einem Auswahlverfahren wie dem hier in Rede stehenden eingestellt werden, sofort einsatzbereit und damit in der Lage sind, rasch die Aufgaben zu übernehmen, die ihnen die genannten Organe übertragen wollen (vgl. Urteil vom 8. September 2021, Spanien/Kommission, T‑554/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:554, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78

Selbst wenn man davon ausgeht, dass immer eine gewisse Zeit für die Anpassung an neue Aufgaben und Arbeitsgewohnheiten sowie für die Integration in eine neue Dienststelle eingeplant werden muss, ist es in diesem Zusammenhang legitim, dass ein Organ bestrebt ist, Personen einzustellen, die bei ihrem Dienstantritt zumindest in der Lage sind, zum einen mit ihren Vorgesetzten und Kollegen zu kommunizieren, und so die Fähigkeit zu haben, die Tragweite der ihnen übertragenen Funktionen und den Inhalt der von ihnen zu erfüllenden Aufgaben so schnell und vollständig wie möglich zu erfassen, und zum anderen in der Lage sind, sich mit den Mitarbeitern und externen Ansprechpartnern der betreffenden Dienststellen auszutauschen. Denn wie bereits entschieden wurde, spielen die Sprachkenntnisse der Beamten eine wesentliche Rolle bei ihrer Karriere. Daher ist es als legitim anzusehen, dass ein Organ bestrebt ist, Personen einzustellen, die die Sprache bzw. die Sprachen, die in dem beruflichen Umfeld, in das sie eingegliedert werden sollen, so gut wie möglich wirksam verwenden und verstehen können (vgl. Urteil vom 8. September 2021, Spanien/Kommission, T‑554/19, nicht veröffentlicht, EU:T:2021:554, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79

Es ist jedoch Sache des Unionsrichters, die Sprachenregelung von Auswahlverfahren, wie die in der streitigen Bekanntmachung in Rede stehende, konkret zu prüfen, da sich nur so ermitteln lässt, welche Sprachkenntnisse von den Organen bei speziellen Aufgaben objektiv im Interesse des Dienstes verlangt werden können, und damit, ob eine etwaige Beschränkung der Sprachen, die verwendet werden können, um sich an den Auswahlverfahren zu beteiligen, objektiv gerechtfertigt ist und sich nach den tatsächlichen dienstlichen Anforderungen richtet (Urteil vom 26. März 2019, Kommission/Italien, C‑621/16 P, EU:C:2019:251, Rn. 94).

80

Genauer gesagt muss der Unionsrichter selbst bei komplexen Beurteilungen nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (vgl. Urteil vom 26. März 2019, Kommission/Italien, C‑621/16 P, EU:C:2019:251, Rn. 104 und die dort angeführte Rechtsprechung).

81

Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass allein die Beschreibung der Art der Aufgaben, die in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens und in Anhang I dieser Bekanntmachung enthalten ist, nicht ausreicht, um nachzuweisen, dass nur die beiden Sprachen, auf die die Wahl der zweiten Sprache des betreffenden Auswahlverfahrens beschränkt ist, es den erfolgreichen Teilnehmern dieses Auswahlverfahrens ermöglichen würden, sofort einsatzbereit zu sein. Denn in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens vermag nichts darzutun, dass diese beiden Sprachen bei der Erfüllung der Aufgaben, die in der genannten Bekanntmachung des Auswahlverfahrens und in deren Anhang I aufgeführt sind, tatsächlich verwendet werden.

82

Im Gegenteil genügt die Feststellung, dass Anhang I der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens, in dem die auszuführenden typischen Aufgaben detailliert beschrieben werden, eine Vielzahl von Aufgaben erfasst, zu denen u. a. Folgendes gehört: „Monitoring der Steuerpolitik in den Mitgliedstaaten … sowie der Steuervorschriften der Mitgliedstaaten und der Durchführung der EU-Vorschriften“, „Bewertung nationaler direkter Steuern aus beihilferechtlicher Sicht“, „Monitoring der nationalen [Mehrwertsteuer]-Gesetzgebung“ und „Bewertung nationaler [indirekter] Steuern aus beihilferechtlicher Sicht“. Diese Vielzahl von Aufgaben deutet eher darauf hin, dass, ohne die Möglichkeit auszuschließen, dass die Beherrschung einer bestimmten Sprache unabdingbar ist, die Einstellung von Beamten mit unterschiedlichen Sprachprofilen für die Arbeit des Dienstes von Vorteil wäre, da sie in der Lage wären, die Steuerpolitik und die Steuergesetzgebung der Mitgliedstaaten in deren Amtssprache(n) zu prüfen.

83

Ungeachtet dieser Feststellung ist zu prüfen, ob die drei von der Kommission im Laufe des Verfahrens als Anlagen zur Klagebeantwortung vorgelegten Dokumente geeignet sind, die Sprachkenntnisse festzulegen, die angesichts der besonderen Art der zu besetzenden Stellen für die Einstellung von sofort einsatzbereiten „Sachbearbeitern“ in einem der Referate der Direktion Direkte oder Indirekte Steuern der GD Steuern und Zollunion und von sofort einsatzbereiten „Sachbearbeitern“ in einem der Referate für staatliche Beihilfen mit steuerlichem Charakter der GD Wettbewerb objektiv von der Kommission verlangt werden konnten.

84

In ihrer Gesamtheit betrachtet kann davon ausgegangen werden, dass die von der Kommission vorgelegten Dokumente belegen, dass Englisch und Französisch die beiden Sprachen sind, deren Kenntnis in den Generaldirektionen, in denen die erfolgreichen Teilnehmer des Auswahlverfahrens eingestellt werden sollen, wahrscheinlich am weitesten verbreitet ist.

85

Diese Feststellung reicht jedoch für sich genommen nicht aus, um die Sprachkenntnisse nachzuweisen, die in Bezug auf die besonderen Aufgaben, die die eingestellten Personen ausüben sollen, objektiv verlangt werden konnten. Es ist nämlich zu prüfen, ob angesichts der besonderen Art der zu besetzenden Stellen die Kenntnis nur einer dieser beiden Sprachen als zweite Sprache es einem neu eingestellten Beamten wirksam ermöglicht, „sofort einsatzbereit“ zu sein, und gegebenenfalls zu kontrollieren, ob die Verpflichtung, alle Prüfungen des Assessment-Centers in der zweiten Sprache abzulegen, geeignet war, diesem Bedürfnis gerecht zu werden.

86

Was die besondere Art der zu besetzenden Stellen betrifft, geht aus einer detaillierten Analyse der von der Kommission vorgelegten Dokumente hervor, dass bei der täglichen Ausübung der Aufgaben, die die erfolgreichen Teilnehmer des Auswahlverfahrens wahrnehmen werden, die ausreichende Kenntnis nur einer dieser beiden Sprachen, nämlich Englisch, als unabdingbar dafür angesehen werden kann, dass ein erfolgreicher Teilnehmer „sofort einsatzbereit“ ist.

87

Aus der Stellenbeschreibung der 34 Stellenausschreibungen, die in den betreffenden Generaldirektionen zwischen dem 1. Januar 2016 und dem 9. Januar 2020 veröffentlicht wurden und die in Anhang B.3 der Klagebeantwortung aufgeführt sind, geht nämlich hervor, dass Englischkenntnisse unabdingbar sind, eine solche Anforderung jedoch entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht in ähnlicher Form für Französisch verlangt wird.

88

Es kann nämlich festgestellt werden, dass die Stellenbeschreibung in mehreren Stellenausschreibungen vorsieht, dass „die Arbeitssprachen des Referats (hauptsächlich) Englisch und (in geringerem Maße) Französisch sind“. Im gleichen Sinne heißt es in einer Stellenausschreibung, dass „Englischkenntnisse erforderlich sind“ und „Grundkenntnisse des Französischen“ lediglich „wünschenswert“ sind. Darüber hinaus geht aus mehreren anderen Stellenausschreibungen hervor, dass die Arbeitssprache des Teams Englisch ist, ausreichende Kenntnisse in anderen Sprachen wie Deutsch, Spanisch, Italienisch, Polnisch oder in anderen Amtssprachen jedoch von Vorteil wären.

89

So kann aufgrund der verbreiteten Kenntnis des Französischen in den betreffenden Generaldirektionen zwar nicht ausgeschlossen werden, dass ein erfolgreicher Bewerber, der lediglich über ausreichende Französischkenntnisse verfügt, langfristig einsatzfähig wäre, es kann jedoch angesichts der besonderen Art der zu besetzenden Stellen nicht davon ausgegangen werden, dass ein solcher erfolgreicher Bewerber „sofort einsatzfähig“ wäre, wie es in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens gefordert wird.

90

Die Kommission, die in der mündlichen Verhandlung dazu befragt worden ist, hat keine Angaben dazu machen können, auf welche Stelle ein erfolgreicher Bewerber, der nur über ausreichende Kenntnisse des Französischen als zweite Sprache verfügte, hätte ernannt werden können und als „sofort einsatzbereit“ hätte angesehen werden können.

91

Jedenfalls ist zu betonen, dass nach dem Wortlaut der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens die streitige Beschränkung unabdingbar ist, da „die meisten für Zoll und Steuern zuständigen Abteilungen der Kommission … für ihre Analysen, ihre interne und externe Kommunikation, Veröffentlichungen und Berichte, Rechtsvorschriften oder Papiere zu Wirtschaftsthemen, Englisch oder Französisch [verwenden]; siehe hierzu ‚Welche Aufgaben erwarten mich?‘ und Anhang I“. Auf der Grundlage dieses Wortlauts kommt die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens zu dem Schluss, dass ohne ausreichende Englisch- oder Französischkenntnisse erfolgreiche Bewerber nicht unmittelbar in der Lage wären, ihre jeweilige Tätigkeit aufzunehmen.

92

Daraus folgt, dass das Ziel, „sofort einsatzfähige“ Beamte einzustellen, im Wesentlichen als auf die Kompetenzen im jeweiligen Fachgebiet bezogen und nicht in Bezug auf allgemeine Kompetenzen zu verstehen ist.

93

Es ist jedoch festzustellen, dass die vier Prüfungen des Assessment-Centers in der zweiten Sprache abgehalten werden mussten, obwohl es zur Erreichung des Ziels, „sofort einsatzfähige“ Beamte einzustellen, nicht unbedingt notwendig erscheint, dass die drei Prüfungen, mit denen lediglich die allgemeinen Kompetenzen getestet werden sollen, ebenfalls in der zweiten Sprache abgehalten werden.

94

Nach alledem ist der erste Klagegrund, mit dem eine Einrede der Rechtswidrigkeit der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens erhoben wird, soweit in dieser Bekanntmachung die streitige Beschränkung aufgestellt wird, begründet. Folglich ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben, ohne dass die anderen Klagegründe geprüft werden müssen.

Kosten

95

Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Entscheidung vom 10. Dezember 2019, mit der der Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren EPSO/AD/363/18 es nach Überprüfung abgelehnt hat, den Namen von MZ in die Reserveliste für die Einstellung von Beamten der Funktionsgruppe Administration der Besoldungsgruppe AD 7 im Fachgebiet Steuern aufzunehmen, wird aufgehoben.

 

2.

Die Europäische Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Svenningsen

Barents

Mac Eochaidh

Pynnä

Laitenberger

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 6. Juli 2022.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.

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