Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62020CC0541

Schlussanträge des Generalanwalts G. Pitruzzella vom 14. November 2023.


Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2023:866

 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

GIOVANNI PITRUZZELLA

vom 14. November 2023 ( 1 )

Verbundene Rechtssachen C‑541/20 bis C‑555/20

Republik Litauen (C‑541/20 und C‑542/20),

Republik Bulgarien (C‑543/20 bis C‑545/20),

Rumänien (C‑546/20 bis C‑548/20),

Republik Zypern (C‑549/20 und C‑550/20),

Ungarn (C‑551/20),

Republik Malta (C‑552/20),

Republik Polen (C‑553/20 bis C‑555/20)

gegen

Europäisches Parlament,

Rat der Europäischen Union

„Nichtigkeitsklage – Mobilitätspaket – Verordnung (EU) 2020/1054 – Maximale tägliche und wöchentliche Lenkzeiten – Mindestfahrtunterbrechungen sowie tägliche und wöchentliche Ruhezeiten – Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer – Verbot, die regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten und wöchentliche Ruhezeiten von mehr als 45 Stunden im Fahrzeug zu verbringen – Frist für den Einbau intelligenter Fahrtenschreiber der zweiten Generation (V2) – Zeitpunkt des Inkrafttretens – Verordnung (EU) 2020/1055 – Voraussetzungen für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers – Voraussetzungen für die Anforderung der Niederlassung – Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge in die Betriebsstätte im Niederlassungsstaat – Verpflichtung betreffend die Zahl der Fahrzeuge und der Fahrer, die normalerweise der Betriebsstätte im Niederlassungsmitgliedstaat zugeordnet sind – Kabotagebeförderungen – Wartezeit von vier Tagen für die Kabotage – Abweichung betreffend die Kabotage als Bestandteil des kombinierten Verkehrs – Richtlinie (EU) 2020/1057 – Spezifische Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor – Frist für die Umsetzung – Binnenmarkt – Besondere rechtliche Regelung des Verkehrs – Grundfreiheiten – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Folgenabschätzung – Diskriminierungsverbot – Umweltschutz – Art. 11 AEUV – Art. 37 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Grundsatz der Rechtssicherheit – Art. 91 AEUV – Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer – Art. 94 AEUV“

Inhaltsverzeichnis

 

I. Rechtlicher Rahmen

 

A. Verordnung 2020/1054 (Mobilitätspaket, Teil „Arbeitszeit“)

 

B. Verordnung 2020/1055 (Mobilitätspaket, Teil „Niederlassung“)

 

C. Richtlinie 2020/1057 (Mobilitätspaket, Teil „Entsendung von Arbeitnehmern“)

 

II. Vorgeschichte des Rechtsstreits

 

III. Anträge der Parteien und Verfahren vor dem Gerichtshof

 

IV. Würdigung

 

A. Vorbemerkungen

 

1. Zur besonderen rechtlichen Regelung des Verkehrs im Binnenmarkt

 

2. Zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

a) Zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zum weiten Ermessen des Gesetzgebers und zur gerichtlichen Kontrolle

 

b) Zu den im Gesetzgebungsverfahren zu berücksichtigenden Daten und zur Folgenabschätzung

 

3. Zum Grundsatz der Gleichbehandlung und zum Diskriminierungsverbot

 

4. Zu den unionsrechtlichen Bestimmungen betreffend die Umweltpolitik

 

B. Zur Verordnung 2020/1054 (Rechtssachen C‑541/20, C‑543/20, C‑546/20, C‑551/20 und C‑553/20)

 

1. Zu den Klagegründen, die die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer betreffen

 

a) Zur Zulässigkeit der Klage in der Rechtssache C‑543/20 betreffend Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

b) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

c) Zum Verstoß gegen die vom AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

d) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

1) Zu den Klagegründen in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung

 

– Zu den Zielen der in Rede stehenden Regelung

 

– Zu den negativen Auswirkungen auf die Fahrer

 

– Zu den negativen Auswirkungen auf die Verkehrsunternehmer

 

– Zu den negativen Auswirkungen auf die Umwelt

 

– Zum Bestehen weniger belastender Alternativen

 

2) Zu den Klagegründen in Bezug auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer durch den Unionsgesetzgeber

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung

 

e) Zum Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

i) Zur Tragweite von Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

 

ii) Zu den behaupteten Verstößen gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

 

f) Zum Verstoß gegen die unionsrechtlichen Bestimmungen betreffend die Politik im Bereich Umwelt und Klimawandel

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

g) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

h) Ergebnis zu den Klagegründen in Bezug auf die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer

 

2. Zu den Klagegründen betreffend das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine

 

a) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

i) Vorbemerkungen

 

ii) Zum Urteil Vaditrans und zu seiner Tragweite

 

iii) Zur Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054

 

b) Zum Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

c) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

d) Zum Verstoß gegen die unionsrechtlichen Bestimmungen über den freien Verkehr der Verkehrsdienstleistungen und über den Binnenmarkt

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

e) Ergebnis zu den Klagegründen betreffend das Verbot der wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine

 

3. Zu den Klagegründen betreffend Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054

 

a) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

b) Zum Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

c) Zum Verstoß gegen Art. 151 Abs. 2 AEUV

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

4. Zu den Klagegründen betreffend Art. 3 der Verordnung 2020/1054

 

a) Zur Schlüssigkeit der Klagegründe betreffend Art. 3 der Verordnung 2020/1054

 

b) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

c) Zur Verletzung der Begründungspflicht

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

d) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 EUV

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

5. Ergebnis zu den Klagen in Bezug auf die Verordnung 2020/1054

 

C. Zur Verordnung 2020/1055 (Rechtssachen C‑542/20, C‑545/20, C‑547/20, C‑549/20, C‑551/20, C‑552/20 und C‑554/20)

 

1. Zur Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen (Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit er Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1071/2009 ändert)

 

a) Zu den Klagegründen eines Verstoßes gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV wegen fehlender Anhörung des EWSA und des AdR

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

b) Zu den Klagegründen, mit denen ein Verstoß gegen die Politik der Union im Bereich Umwelt und Klimawandel gerügt wird

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

i) Zum behaupteten Verstoß gegen Art. 3 EUV, die Art. 11 und 191 AEUV und Art. 37 der Charta

 

ii) Zum behaupteten Verstoß gegen die internationalen Verpflichtungen der Union und der Mitgliedstaaten im Bereich des Umweltschutzes

 

iii) Zum behaupteten Verstoß gegen die Umweltpolitik der Union durch die Unvereinbarkeit der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen mit dem abgeleiteten Umweltrecht, den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates und dem europäischen Grünen Deal

 

iv) Ergebnis der Würdigung

 

c) Zu den Klagegründen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

d) Zu den Klagegründen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

1) Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen durch den Unionsgesetzgeber

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung

 

2) Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme

 

e) Zu den Klagegründen eines Verstoßes gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

f) Zu den Klagegründen eines Verstoßes gegen die vom AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

g) Ergebnis

 

2. Zur Verpflichtung, über eine im Verhältnis zum Umfang der Verkehrstätigkeit des Unternehmens angemessene Zahl an Fahrzeugen sowie an Fahrern zu verfügen (Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit er Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1071/2009 einen Buchst. g hinzugefügt hat)

 

a) Zum ersten Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

b) Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

c) Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

d) Ergebnis

 

3. Zur Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei Kabotagezeiträumen (Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055, mit dem in Art. 8 der Verordnung Nr. 1072/2009 ein Abs. 2a eingefügt wurde)

 

a) Zu den Klagegründen, mit denen ein Verstoß gegen die Politik der Union im Bereich Umwelt und Klimawandel gerügt wird

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

b) Zu den Klagegründen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

i) Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Wartezeit zwischen zwei Kabotagezeiträumen durch den Unionsgesetzgeber

 

ii) Zur Verhältnismäßigkeit der Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei Zeiträumen zulässiger Kabotage

 

c) Zu den Klagegründen eines Verstoßes gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

d) Zu den Klagegründen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

e) Zu den Klagegründen eines Verstoßes gegen die Art. 26, 34 bis 36 und Art. 58 Abs. 1 AEUV

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

f) Ergebnis

 

4. Zur Möglichkeit, Beförderungen im kombinierten Verkehr einer Wartezeit zu unterwerfen (Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055, soweit er Art. 10 der Verordnung Nr. 1072/2009 einen Abs. 7 oder die „Schutzklausel“ hinzufügt)

 

a) Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

b) Zu den Klagegründen eines Verstoßes gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

c) Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

d) Ergebnis

 

5. Ergebnis zu den Klagen in Bezug auf die Verordnung 2020/1055

 

D. Zur Richtlinie 2020/1057

 

1. Vorbemerkungen

 

a) Zur Richtlinie 2020/1057 und zu der dort vorgesehenen Regelung für die Entsendung von Kraftfahrern

 

b) Zur Tragweite der Klagen der Republik Bulgarien und der Republik Zypern in den Rechtssachen C‑544/20 bzw. C‑550/20

 

2. Zu den Klagegründen betreffend die besonderen Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern

 

a) Vorbemerkungen

 

b) Zur Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor

 

c) Zum Klagegrund der Nichtanwendbarkeit der Richtlinie 96/71 auf Kraftfahrer im Straßenverkehrssektor

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

d) Zum Verstoß gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

e) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

1) Zu den Klagegründen betreffend einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

i) Vorbringen der Parteien

 

– Zur Ungeeignetheit des auf die Art von Beförderungen gestützten Kriteriums

 

– Zur Ungeeignetheit und mangelnden Erforderlichkeit des „hybriden Modells“, um zu den verfolgten Zielen beizutragen

 

– Zu den unverhältnismäßigen negativen Auswirkungen

 

ii) Würdigung

 

– Vorbemerkungen

 

– Zu den Zielen der in der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen besonderen Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern

 

– Zur Ungeeignetheit des auf die Art von Beförderungen gestützten Kriteriums

 

– Zur Ungeeignetheit und mangelnden Erforderlichkeit des „hybriden Modells“, um zu den verfolgten Zielen beizutragen

 

– Zu den unverhältnismäßigen negativen Auswirkungen

 

2) Zu den Klagegründen in Bezug auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit durch den Unionsgesetzgeber

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung

 

– Vorbemerkungen

 

– Zum Fehlen einer ergänzenden Folgenabschätzung für die endgültige Fassung der Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 für die Entsendung von Kraftfahrern

 

f) Zum Verstoß gegen Art. 90 AEUV (in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV), Art. 91 Abs. 2 AEUV und Art. 94 AEUV

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

g) Zur Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

i) Vorbemerkungen

 

ii) Zum angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von bilateralen Beförderungen und Beförderungen im Dreiländerverkehr (Republik Litauen, Republik Bulgarien, Rumänien und Republik Zypern)

 

iii) Zum angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Beförderungen im kombinierten Verkehr und bilateralen Beförderungen (Ungarn)

 

iv) Ergebnis

 

h) Zum Verstoß gegen den freien Warenverkehr und die Dienstleistungsfreiheit

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

i) Zum Verstoß gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

3. Zu den Klagegründen betreffend Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1057

 

a) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

b) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und gegen Art. 94 AEUV

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung

 

4. Ergebnis zu den Klagen in Bezug auf die Richtlinie 2020/1057

 

V. Kosten

 

VI. Ergebnis

1.

Die vorliegenden Schlussanträge betreffen 15 Klagen, die sieben Mitgliedstaaten – die Republik Litauen, die Republik Bulgarien, Rumänien, die Republik Zypern, Ungarn, die Republik Malta und die Republik Polen – erhoben haben und die auf die Nichtigerklärung bestimmter Bestimmungen oder manchmal hilfsweise der drei Rechtsakte, die Teil des „Mobilitätspakets“ („Mobility Pack“) sind, insgesamt gerichtet sind.

2.

Bei diesen drei Rechtsakten, die alle die rechtliche Regelung des Straßenverkehrs betreffen, handelt es sich erstens um die Verordnung (EU) 2020/1054 betreffend u. a. die maximalen täglichen und wöchentlichen Lenkzeiten, Mindestfahrtunterbrechungen sowie täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten sowie die Positionsbestimmung mittels Fahrtenschreibern ( 2 ), zweitens um die Verordnung (EU) 2020/1055 zur Änderung u. a. der gemeinsamen Regeln für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers und der gemeinsamen Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs ( 3 ) und drittens um die Richtlinie (EU) 2020/1057 zur Festlegung besonderer Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor ( 4 ) (im Folgenden zusammen: drei angefochtene Rechtsakte).

3.

Diese 15 verbundenen Rechtssachen haben einen wahrhaft außergewöhnlichen Umfang. Selten wurde auf ein Gesetzgebungsvorhaben auf Unionsebene mit einem so gebündelten und intensiven Rechtsstreit reagiert. Eine solche Reaktion wurde angesichts der Debatten und mitunter des Widerstands, den zahlreiche Mitgliedstaaten im Gesetzgebungsverfahren zum Erlass der drei das Mobilitätspaket bildenden Rechtsakte geleistet hatten, erwartet. Durch sie kristallisiert sich bei einem für den Binnenmarkt grundlegenden Thema die Gefahr einer Spaltung zwischen zwei Vorstellungen von der Union heraus. Abgesehen von der rechtlichen Bedeutung geht es bei diesen Klagen also in gewisser Weise auch um die Verfolgung eines Willens zum Zusammenleben auf einem gemeinsamen wirtschaftlichen und sozialen Fundament. Daher ist es wichtig, ihnen unabhängig von ihrem Ausgang die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie verdienen. In dieser Verantwortung lege ich dem Gerichtshof die vorliegende Analyse vor.

I. Rechtlicher Rahmen

A. Verordnung 2020/1054 (Mobilitätspaket, Teil „Arbeitszeit“)

4.

Art. 1 Nr. 6 Buchst. c und d sowie Nrn. 8 und 11 der Verordnung 2020/1054 bestimmt:

„Die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 wird wie folgt geändert:

6. Artikel 8 wird wie folgt geändert:

c) Absatz 8 erhält folgende Fassung:

‚(8) Die regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten und jede wöchentliche Ruhezeit von mehr als 45 Stunden, die als Ausgleich für die vorherige verkürzte wöchentliche Ruhezeit eingelegt wird, dürfen nicht in einem Fahrzeug verbracht werden. Sie sind in einer geeigneten geschlechtergerechten Unterkunft mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen zu verbringen.

Alle Kosten für die Unterbringung außerhalb des Fahrzeugs werden vom Arbeitgeber getragen.‘

d) Folgender Absatz wird eingefügt:

‚(8a) Verkehrsunternehmen planen die Arbeit der Fahrer so, dass jeder Fahrer in der Lage ist, innerhalb jedes Zeitraums von vier aufeinanderfolgenden Wochen zu der im Mitgliedstaat der Niederlassung des Arbeitgebers gelegenen Betriebsstätte des Arbeitgebers, der der Fahrer normalerweise zugeordnet ist und an der er seine wöchentliche Ruhezeit beginnt, oder zu seinem Wohnsitz zurückzukehren, um dort mindestens eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder eine wöchentliche Ruhezeit von mehr als 45 Stunden als Ausgleich für eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit zu verbringen.

Hat der Fahrer jedoch zwei aufeinanderfolgende reduzierte wöchentliche Ruhezeiten gemäß Absatz 6 eingelegt, muss das Verkehrsunternehmen die Arbeit des Fahrers so planen, dass dieser in der Lage ist, bereits vor Beginn der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit von mehr als 45 Stunden, die als Ausgleich eingelegt wird, zurückzukehren.

Das Unternehmen dokumentiert, wie es diese Verpflichtung erfüllt, und es bewahrt die betreffenden Unterlagen in seinen Geschäftsräumen auf, damit sie auf Verlangen der Kontrollbehörden vorgelegt werden können.‘

8. Artikel 9 wird wie folgt geändert:

b) Absatz 2 erhält folgende Fassung:

(2) Die von einem Fahrer verbrachte Zeit, um zu einem in den Geltungsbereich dieser Verordnung fallenden Fahrzeug, das sich nicht am Wohnsitz des Fahrers oder der Betriebstätte des Arbeitgebers befindet, der der Fahrer normalerweise zugeordnet ist, anzureisen oder von diesem zurückzureisen, ist nur dann als Ruhepause oder Fahrtunterbrechung anzusehen, wenn sich der Fahrer in einem Zug oder auf einem Fährschiff befindet und Zugang zu einer Schlafkabine, einer Koje oder einem Liegewagen hat.

11. In Artikel 12 werden folgende Absätze angefügt:

‚Sofern die Sicherheit im Straßenverkehr nicht gefährdet wird, kann der Fahrer unter außergewöhnlichen Umständen auch von Artikel 6 Absätze 1 und 2 und von Artikel 8 Absatz 2 abweichen, indem er die tägliche und die wöchentliche Lenkzeit um bis zu eine Stunde überschreitet, um die Betriebsstätte des Arbeitgebers oder den Wohnsitz des Fahrers zu erreichen, um eine wöchentliche Ruhezeit einzulegen.

Unter den gleichen Bedingungen kann der Fahrer die tägliche und die wöchentliche Lenkzeit um bis zu zwei Stunden überschreiten, sofern eine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von 30 Minuten eingelegt wurde, die der zusätzlichen Lenkzeit zur Erreichung der Betriebsstätte des Arbeitgebers oder des Wohnsitzes des Fahrers, um dort eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit einzulegen, unmittelbar vorausgeht.

…‘“

5.

Art. 2 der Verordnung 2020/1054 hat folgenden Wortlaut:

„Die Verordnung (EU) Nr. 165/2014 wird wie folgt geändert:

2. Artikel 3 Absatz 4 erhält folgende Fassung:

‚(4) Spätestens drei Jahre nach Ablauf des Jahres des Inkrafttretens der in Artikel 11 Absatz 2 genannten Einzelvorschriften müssen folgende Kategorien von Fahrzeugen, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat ihrer Zulassung eingesetzt werden, mit einem intelligenten Fahrtenschreiber gemäß den Artikeln 8, 9 und 10 dieser Verordnung ausgerüstet sein:

a)

Fahrzeuge, die mit einem analogen Fahrtenschreiber ausgerüstet sind;

b)

Fahrzeuge, die mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgerüstet sind, der den bis zum 30. September 2011 geltenden Spezifikationen in Anhang IB der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 entspricht;

c)

Fahrzeuge, die mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgerüstet sind, der den ab dem 1. Oktober 2011 geltenden Spezifikationen in Anhang IB der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 entspricht, und

d)

Fahrzeuge, die mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgerüstet sind, der den ab dem 1. Oktober 2012 geltenden Spezifikationen in Anhang IB der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 entspricht.

(4a) Spätestens vier Jahre nach Inkrafttreten der in Artikel 11 Absatz 2 genannten Einzelvorschriften müssen Fahrzeuge, die mit einem intelligenten Fahrtenschreiber gemäß Anhang IC der Durchführungsverordnung (EU) 2016/799 der Kommission (vom 18. März 2016 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Vorschriften über Bauart, Prüfung, Einbau, Betrieb und Reparatur von Fahrtenschreibern und ihren Komponenten [ABl. 2016, L 139, S. 1]) ausgerüstet sind und in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat ihrer Zulassung eingesetzt werden, mit einem intelligenten Fahrtenschreiber gemäß den Artikeln 8, 9 und 10 der vorliegenden Verordnung ausgerüstet sein.‘

8. Artikel 11 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 erhält folgende Fassung:

„Um sicherzustellen, dass der intelligente Fahrtenschreiber den Grundsätzen und Anforderungen dieser Verordnung entspricht, erlässt die Kommission die für die einheitliche Anwendung der Artikel 8, 9 und 10 erforderlichen Einzelvorschriften, mit Ausnahme aller Bestimmungen, in denen die Aufzeichnung zusätzlicher Daten durch den Fahrtenschreiber vorgesehen würde.

Die Kommission erlässt bis zum 21. August 2021 Durchführungsrechtsakte mit genauen Vorschriften für die einheitliche Anwendung der Verpflichtung zur Aufzeichnung und Speicherung der Daten zu sämtlichen Grenzüberschreitungen des Fahrzeugs und Tätigkeiten gemäß Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 1 zweiter und dritter Gedankenstrich und Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 2.

…‘“

6.

Art. 3 der Verordnung 2020/1054 bestimmt:

„Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 1 Nummer 15 und Artikel 2 Nummer 12 gelten ab dem 31. Dezember 2024.“

B. Verordnung 2020/1055 (Mobilitätspaket, Teil „Niederlassung“)

7.

In den Erwägungsgründen 6 bis 8 und 20 bis 22 der Verordnung (EU) 2020/1055 heißt es:

„(6)

Um dem Phänomen der ‚Briefkastenfirmen‘ beizukommen und im Binnenmarkt lauteren Wettbewerb und gleiche Wettbewerbsbedingungen sicherzustellen, muss gewährleistet werden, dass die in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Kraftverkehrsunternehmer sich tatsächlich und dauerhaft in diesem Mitgliedstaat aufhalten und ihre Verkehrstätigkeit von dort ausüben. Daher ist es unter Berücksichtigung der gewonnenen Erfahrungen erforderlich, die Vorschriften für eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung zu präzisieren und zu stärken, zugleich jedoch einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand zu vermeiden.

(7)

Eine tatsächliche und dauerhafte Anwesenheit im Niederlassungsmitgliedstaat sollte insbesondere voraussetzen, dass das Unternehmen Verkehrstätigkeiten mittels einer angemessenen technischen Ausstattung durchführt, die in diesem Mitgliedstaat gelegen ist.

(8)

Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 muss ein Unternehmen seine Tätigkeit tatsächlich und dauerhaft mittels der angemessenen technischen Ausstattung und Einrichtung an einer im Niederlassungsmitgliedstaat gelegenen Betriebsstätte ausüben; außerdem sind zusätzliche Anforderungen auf einzelstaatlicher Ebene zulässig, wobei eine der häufigsten Anforderungen darin besteht, dass Parkflächen im Niederlassungsmitgliedstaat vorhanden sein müssen. Diese uneinheitlich angewandten Anforderungen reichen allerdings nicht aus, um einen echten Zusammenhang mit dem Mitgliedstaat zu gewährleisten, um Briefkastenfirmen wirksam zu bekämpfen und das Risiko der Organisation systematischer Kabotage und eines Systems von ‚Autobahn-Nomaden‘ durch ein Unternehmen, zu dem die Fahrzeuge nicht zurückkehren, zu verringern. Angesichts der Tatsache, dass für die Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts im Verkehrsbereich konkrete Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit und die Erbringung von Dienstleistungen erforderlich sein können, ist es angemessen, die Anforderungen an die Niederlassung und die Anforderungen im Zusammenhang mit der Präsenz von vom Verkehrsunternehmer verwendeten Fahrzeugen im Niederlassungsmitgliedstaat weiter zu harmonisieren. Die Festlegung eines klaren Mindestintervalls für die Rückkehr des Fahrzeugs trägt auch dazu bei, zu gewährleisten, dass diese Fahrzeuge mit der technischen Ausstattung im Niederlassungsmitgliedstaat ordnungsgemäß gewartet werden können, und es erleichtert Kontrollen.

Dieser Rückkehrzyklus sollte mit der Verpflichtung des Verkehrsunternehmens gemäß der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates (vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen [EWG] Nr. 3821/85 und [EG] Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung [EWG] Nr. 3820/85 des Rates [ABl. 2006, L 102, S. 1]), die Arbeit so zu planen dass der Fahrer in der Lage ist, wenigstens alle vier Wochen nach Hause zurückzukehren, synchronisiert werden, sodass beide Anforderungen in Form der Rückkehr des Fahrers mit dem Fahrzeug wenigstens in jedem zweiten Vier-Wochen-Zyklus erfüllt werden können. Diese Synchronisierung stärkt das Recht des Fahrers auf Rückkehr und verringert das Risiko, dass das Fahrzeug nur zurückgebracht wird, damit die neue Niederlassungsanforderung erfüllt ist. Die Anforderung, in den Niederlassungsmitgliedstaat zurückzukehren, sollte jedoch weder dazu führen, dass eine bestimmte Anzahl von Tätigkeiten im Niederlassungsmitgliedstaat durchgeführt werden muss, noch dass die Möglichkeit der Verkehrsunternehmer, Dienstleistungen überall im Binnenmarkt zu erbringen, anderweitig eingeschränkt wird.

(20)

Die Vorschriften für innerstaatlichen Verkehr, der von einem gebietsfremden Verkehrsunternehmer in einem Aufnahmemitgliedstaat zeitweilig durchgeführt wird (‚Kabotage‘), sollten klar, einfach und leicht durchsetzbar sein und gleichzeitig das bisher erreichte Niveau der Liberalisierung wahren.

(21)

Kabotagebeförderungen sollten dazu beitragen, den Ladefaktor von schweren Nutzfahrzeugen zu vergrößern und Leerfahrten zu verringern, und sollten erlaubt sein, solange sie nicht in einer Weise erfolgen, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat entsteht. Um sicherzustellen, dass Kabotagebeförderungen nicht so durchgeführt werden, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit entsteht, sollte es Verkehrsunternehmern nicht gestattet sein, innerhalb einer bestimmten Frist nach Ablauf eines Zeitraums von Kabotagebeförderungen weitere Kabotagebeförderungen in demselben Mitgliedstaat durchzuführen.

(22)

Während die weitere Liberalisierung nach Artikel 4 der Richtlinie 92/106/EWG des Rates [vom 7. Dezember 1992 über die Festlegung gemeinsamer Regeln für bestimmte Beförderungen im kombinierten Güterverkehr zwischen Mitgliedstaaten ( 5 )] im Vergleich zur Kabotage gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 die Förderung des kombinierten Verkehrs begünstigt hat und grundsätzlich beibehalten werden sollte, muss dafür gesorgt werden, dass sie nicht missbraucht wird. Die Erfahrung zeigt, dass diese Bestimmung in einigen Teilen der Union systematisch dazu verwendet wurde, den vorübergehenden Charakter der Kabotage zu umgehen und die Grundlage für die dauerhafte Präsenz von Fahrzeugen in einem anderen Mitgliedstaat als dem Niederlassungsmitgliedstaat des Unternehmens zu schaffen. Solche unfairen Praktiken können zu Sozialdumping führen, und sie gefährden die Achtung des Rechtsrahmens für Kabotage. Daher sollte es den Mitgliedstaaten möglich sein, von Artikel 4 der Richtlinie 92/106/EWG abzuweichen und die Kabotagebestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 anzuwenden, um derartigen Problemen zu begegnen, indem sie eine verhältnismäßige Begrenzung für die dauerhafte Präsenz von Fahrzeugen in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet einführen.“

8.

Art. 1 der Verordnung (EU) 2020/1055 sieht Folgendes vor:

„Die Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 wird wie folgt geändert:

2. Artikel 3 Absatz 2 wird gestrichen.

3. Artikel 5 erhält folgende Fassung:

‚Artikel 5

Voraussetzungen für die Anforderung der Niederlassung

(1) Um die Anforderung des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe a zu erfüllen, muss ein Unternehmen im Niederlassungsmitgliedstaat

a)

über Räumlichkeiten verfügen, in denen es auf die Originale seiner wichtigsten Unternehmensunterlagen entweder in elektronischer oder sonstiger Form zugreifen kann, insbesondere seine Beförderungsverträge, Unterlagen zu den Fahrzeugen, über die das Unternehmen verfügt, Buchführungsunterlagen, Personalverwaltungsunterlagen, Arbeitsverträge, Sozialversicherungsunterlagen, Dokumente mit den Daten über den Einsatz und die Entsendung von Fahrern, Dokumente mit den Daten über Kabotage, Lenk- und Ruhezeiten sowie alle sonstigen Unterlagen, zu denen die zuständige Behörde Zugang haben muss, um überprüfen zu können, ob das Unternehmen die in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen erfüllt;

b)

die Nutzung seiner Fahrzeugflotte so organisieren, dass sichergestellt ist, dass Fahrzeuge, die dem Unternehmen zur Verfügung stehen und in der grenzüberschreitenden Beförderung eingesetzt werden, spätestens acht Wochen nach Verlassen des Mitgliedstaats zu einer der Betriebsstätten in diesem Mitgliedstaat zurückkehren;

c)

im Unternehmensregister des betreffenden Mitgliedstaats oder in einem ähnlichen Register eingetragen sein, wenn das nach innerstaatlichem Recht vorgeschrieben ist;

d)

der Einkommenssteuer unterliegen und, wenn das nach innerstaatlichem Recht vorgeschrieben ist, über eine gültige Mehrwertsteuernummer verfügen;

e)

nach Erhalt der Zulassung über ein oder mehrere Fahrzeuge verfügen, die entsprechend den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats zugelassen sind oder in Betrieb genommen wurden und eingesetzt werden dürfen, unabhängig davon, ob sie sein ausschließliches Eigentum sind oder beispielsweise aufgrund eines Mietkauf- oder Miet- oder Leasingvertrags in seinem Besitz sind;

f)

seine administrativen und gewerblichen Tätigkeiten mittels der angemessenen Ausstattung und Einrichtung in Räumlichkeiten im Sinne des Buchstaben a, die in diesem Mitgliedstaat gelegen sind, tatsächlich und dauerhaft ausüben und seine Beförderungstätigkeit mit den Fahrzeugen nach Buchstabe g mittels der in diesem Mitgliedstaat vorhandenen angemessenen technischen Ausstattung tatsächlich und dauerhaft betreiben;

g)

gewöhnlich und dauerhaft über eine – im Verhältnis zum Umfang der Verkehrstätigkeit des Unternehmens angemessene – Zahl an Fahrzeugen, die den Anforderungen des Buchstaben e genügen, sowie an Fahrern, die normalerweise einer Betriebsstätte in diesem Mitgliedstaat zugeordnet sind, verfügen.

…‘“

9.

Art. 2 der Verordnung 2020/1055 bestimmt:

„Die Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 wird wie folgt geändert:

4. Artikel 8 wird wie folgt geändert:

a) Folgender Absatz wird eingefügt:

‚(2a) Kraftverkehrsunternehmen dürfen innerhalb von vier Tagen nach Ende ihrer Kabotagebeförderung in einem Mitgliedstaat keine Kabotagebeförderungen mit demselben Fahrzeug oder im Fall einer Fahrzeugkombination mit dem Kraftfahrzeug desselben Fahrzeugs im selben Mitgliedstaat durchführen.‘

b) Absatz 3 Unterabsatz 1 erhält folgende Fassung:

‚(3) Innerstaatliche Güterkraftverkehrsdienste, die im Aufnahmemitgliedstaat von gebietsfremden Verkehrsunternehmern durchgeführt werden, gelten nur dann als mit dieser Verordnung vereinbar, wenn der Verkehrsunternehmer eindeutige Belege für die vorhergehende grenzüberschreitende Beförderung sowie für jede durchgeführte darauf folgende Kabotagebeförderung vorweisen kann. Falls sich das Fahrzeug innerhalb der Frist von vier Tagen vor der grenzüberschreitenden Beförderung in dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats befunden hat, muss der Verkehrsunternehmer zudem eindeutige Belege für alle Beförderungen vorlegen, die in diesem Zeitraum durchgeführt wurden.‘

5. Artikel 10 wird wie folgt geändert:

b) Folgender Absatz wird angefügt:

„(7) Zusätzlich zu den Absätzen 1 bis 6 des vorliegenden Artikels und abweichend von Artikel 4 der Richtlinie 92/106/EWG können Mitgliedstaaten, wenn das zur Vermeidung von Missbrauch der letztgenannten Bestimmung durch unbegrenzte und ununterbrochene Verkehrsdienste in Form von Zu- oder Ablaufverkehren auf der Straße innerhalb eines Aufnahmemitgliedstaats als Bestandteil des kombinierten Verkehrs zwischen Mitgliedstaaten erforderlich ist, vorsehen, dass Artikel 8 der vorliegenden Verordnung für Verkehrsunternehmer im Fall solcher Zu- oder Ablaufverkehre auf der Straße innerhalb dieses Mitgliedstaats Anwendung findet. Für derartige Zu- und/oder Ablaufverkehre auf der Straße können die Mitgliedstaaten einen längeren als den in Artikel 8 Absatz 2 der vorliegenden Verordnung vorgesehenen Zeitraum von sieben Tagen und einen kürzeren als den in Artikel 8 Absatz 2a der vorliegenden Verordnung vorgesehenen Zeitraum von vier Tagen vorsehen. Die Anwendung von Artikel 8 Absatz 4 der vorliegenden Verordnung auf derartige Beförderungen berührt nicht die Anforderungen, die sich aus der Richtlinie 92/106/EWG ergeben. Mitgliedstaaten, die von der im vorliegenden Absatz vorgesehenen Abweichung Gebrauch machen, unterrichten hiervon die Kommission, bevor sie ihre einschlägigen einzelstaatlichen Maßnahmen anwenden. Sie überprüfen diese Maßnahmen mindestens alle fünf Jahre und unterrichten die Kommission über die Ergebnisse dieser Überprüfung. Sie machen die Vorschriften, einschließlich der jeweiligen Fristen, in transparenter Weise öffentlich zugänglich.“

C. Richtlinie 2020/1057 (Mobilitätspaket, Teil „Entsendung von Arbeitnehmern“)

10.

In Art. 1. („Besondere Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern“) der Richtlinie 2020/1057 heißt es in den Abs. 1 bis 7:

„(1)   Dieser Artikel legt besondere Regeln für bestimmte Aspekte der Richtlinie 96/71/EG, die die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor betreffen, sowie der Richtlinie 2014/67/EU, die Verwaltungsanforderungen und Kontrollmaßnahmen für die Entsendung dieser Kraftfahrer betreffen, fest.

(2)   Diese besonderen Regeln gelten für Kraftfahrer, die bei in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmen beschäftigt sind, die die länderübergreifende Maßnahme nach Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe a der Richtlinie 96/71/EG treffen.

(3)   Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 1 der Richtlinie 96/71/EG gilt ein Kraftfahrer nicht als entsandt im Sinne der Richtlinie 96/71/EG, wenn er bilaterale Beförderungen von Gütern durchführt.

Für die Zwecke dieser Richtlinie bedeutet eine bilaterale Beförderung von Gütern die Verbringung von Gütern auf der Grundlage eines Beförderungsvertrags vom Niederlassungsmitgliedstaat im Sinne des Artikels 2 Nummer 8 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 in einen anderen Mitgliedstaat oder ein Drittland oder von einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittland in den Niederlassungsmitgliedstaat.

Ab dem 2. Februar 2022, welcher dem Tag entspricht, ab dem Kraftfahrer die Daten über den Grenzübertritt gemäß Artikel 34 Absatz 7 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Fahrtenschreiber im Straßenverkehr, zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates über das Kontrollgerät im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABl. 2014, L 60, S. 1] manuell aufzeichnen müssen, wenden die Mitgliedstaaten die Ausnahme für bilaterale Beförderungen von Gütern im Sinne der Unterabsätze 1 und 2 des vorliegenden Absatzes auch dann an, wenn der Kraftfahrer über eine bilaterale Beförderung hinaus in den Mitgliedstaaten oder Drittländern, durch die er fährt, eine Tätigkeit der Be- und/oder Entladung vornimmt, sofern der Fahrer die Waren nicht in demselben Mitgliedstaat lädt und entlädt.

Erfolgt im Anschluss an eine bilaterale Beförderung, die im Niederlassungsmitgliedstaat beginnt und während der keine zusätzliche Tätigkeit ausgeführt wird, eine bilaterale Beförderung in den Niederlassungsmitgliedstaat, so gilt die Ausnahmeregelung für zusätzliche Tätigkeiten gemäß Unterabsatz 3 für höchstens zwei zusätzliche Be- und/oder Entladungen gemäß den Voraussetzungen des Unterabsatzes 3.

Die Ausnahmeregelung für zusätzliche Tätigkeiten gemäß den Unterabsätzen 3 und 4 des vorliegenden Absatzes gilt nur bis zu dem Tag, ab dem Fahrzeuge, die in einem Mitgliedstaat erstmals zugelassen werden, gemäß Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 mit intelligenten Fahrtenschreibern ausgerüstet sein müssen, die die Anforderungen an die Aufzeichnung von Grenzüberschreitungen und zusätzlichen Tätigkeiten gemäß Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 1 derselben Verordnung erfüllen. Ab diesem Tag gelten die Ausnahmeregelungen für zusätzliche Tätigkeiten gemäß den Unterabsätzen 3 und 4 des vorliegenden Absatzes nur noch für Kraftfahrer, die Fahrzeuge nutzen, die mit intelligenten Fahrtenschreibern gemäß den Artikeln 8, 9 und 10 der genannten Verordnung ausgestattet sind.

(4)   Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 1 der Richtlinie 96/71/EG, ist ein Kraftfahrer nicht als „entsandt“ im Sinne der Richtlinie 96/71/EG anzusehen, wenn er bilaterale Beförderungen von Fahrgästen ausführt.

Für die Zwecke dieser Richtlinie ist eine bilaterale Beförderung von Fahrgästen im grenzüberschreitenden Gelegenheits- oder Linienverkehr im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1073/2009 dann gegeben, wenn ein Kraftfahrer eine der folgenden Tätigkeiten ausführt:

a)

Fahrgäste im Niederlassungsmitgliedstaat aufnimmt und in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittland wieder absetzt;

b)

Fahrgäste in einem Mitgliedstaat oder in einem Drittland aufnimmt und sie im Niederlassungsmitgliedstaat wieder absetzt oder

c)

Fahrgäste im Niederlassungsmitgliedstaat aufnimmt und wieder absetzt, um örtliche Ausflüge in einen anderen Mitgliedstaat oder in ein Drittland gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1073/2009 durchzuführen.

Ab dem 2. Februar 2022, was dem Zeitpunkt entspricht, ab dem Kraftfahrer gemäß Artikel 34 Absatz 7 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 Angaben zu Grenzübertritten manuell aufzeichnen müssen, wenden die Mitgliedstaaten die Ausnahmeregelung auf bilaterale Beförderungen von Fahrgästen nach den Unterabsätzen 1 und 2 des vorliegenden Absatzes auch an, wenn der Kraftfahrer zusätzlich zu einer bilateralen Beförderung einmal Fahrgäste aufnimmt; und/oder einmal in den Mitgliedstaaten oder Drittländern, durch die er fährt, Fahrgäste wieder absetzt, sofern Kraftfahrer keine Beförderung von Fahrgästen zwischen zwei Orten innerhalb des Durchfuhrmitgliedstaats anbietet. Dasselbe gilt für die Rückfahrt.

Die Ausnahmeregelung für zusätzliche Tätigkeiten gemäß Unterabsatz 3 des vorliegenden Absatzes gilt nur bis zu dem Tag, ab dem Fahrzeuge, die in einem Mitgliedstaat erstmals zugelassen werden, mit einem den in Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 genannten Spezifikationen entsprechenden intelligenten Fahrtenschreiber ausgerüstet sein müssen, der die in Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 4 derselben Verordnung genannten Anforderungen an die Aufzeichnung von Grenzüberschreitungen und zusätzlichen Tätigkeiten erfüllt. Ab diesem Tag gilt die Ausnahmeregelung für zusätzliche Tätigkeiten nach Unterabsatz 3 des vorliegenden Absatzes nur noch für Kraftfahrer, die Fahrzeuge nutzen, die mit intelligenten Fahrtenschreibern im Sinne der Artikel 8, 9 und 10 der genannten Verordnung ausgestattet sind.

(5)   Abweichend von Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 96/71/EG gilt ein Kraftfahrer nicht als für die Zwecke der Richtlinie 96/71/EG entsandt, wenn der Kraftfahrer das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats im Transit durchfährt, ohne Güter zuzuladen oder zu entladen und ohne Fahrgäste aufzunehmen oder abzusetzen.

(6)   Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 1 der Richtlinie 96/71/EG gilt ein Kraftfahrer nicht als entsandt im Sinne der Richtlinie 96/71/EG, wenn [der] Kraftfahrer im kombinierten Verkehr im Sinne der Richtlinie 92/106/EWG [des Rates vom 7. Dezember 1992 über die Festlegung gemeinsamer Regeln für bestimmte Beförderungen im kombinierten Güterverkehr zwischen Mitgliedstaaten, ABl. 1992, L 368, S. 38] die Zu- oder Ablaufstrecke auf der Straße zurücklegt, sofern die auf der Straße zurückgelegte Teilstrecke selbst aus bilateralen Beförderungen im Sinne von Absatz 3 des vorliegenden Artikels besteht.

(7)   Ein Kraftfahrer, der eine Kabotagebeförderung im Sinne der Verordnungen (EG) Nr. 1072/2009 und (EG) Nr. 1073/2009 durchführt, gilt als entsandt im Sinne der Richtlinie 96/71/EG.“

II. Vorgeschichte des Rechtsstreits

11.

Am 31. Mai 2017 nahm die Europäische Kommission mehrere Vorschläge an, die Teil eines „Mobilitätspakets“ sind, mit dem bestimmte Aspekte der Rechtsvorschriften der Union für den Verkehrssektor geändert werden sollten. Dazu gehörten u. a. der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/22/EG bezüglich der Durchsetzungsanforderungen und zur Festlegung spezifischer Regeln im Zusammenhang mit der Richtlinie 96/71/EG und der Richtlinie 2014/67/EU für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor (COM[2017] 278 final, im Folgenden: Vorschlag für eine Entsenderichtlinie), der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 hinsichtlich der Mindestanforderungen in Bezug auf die maximalen täglichen und wöchentlichen Lenkzeiten, Mindestfahrtunterbrechungen sowie täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten und der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 in Bezug auf die Positionsbestimmung mittels Fahrtenschreibern (COM[2017] 277 final, im Folgenden: Vorschlag für eine Arbeitszeitverordnung) und der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1071/2009, (EG) Nr. 1072/2009 und (EU) Nr. 1024/2012 im Hinblick auf ihre Anpassung an die Entwicklungen im Kraftverkehrssektor (COM[2017] 281 final, im Folgenden: Vorschlag für eine Niederlassungsverordnung). Diesen Vorschlägen waren zwei Folgenabschätzungen beigefügt ( 6 ).

12.

Nach langen Beratungen sowohl im Europäischen Parlament und im Rat der Europäischen Union als auch zwischen diesen beiden Organen wurde während der Verhandlungen vom 11. und 12. Dezember 2019 im Rahmen des interinstitutionellen Trilogs zwischen dem Rat, dem Parlament und der Kommission ein Kompromiss über die drei angefochtenen Rechtsakte erzielt.

13.

Am 7. April 2020 erhielten diese bei der Abstimmung im Rat über den Erlass dieser Rechtsakte die Unterstützung einer qualifizierten Mehrheit der Mitgliedstaaten, wobei allerdings neun von ihnen, nämlich die Republik Bulgarien, die Republik Zypern, die Republik Estland, Ungarn, die Republik Lettland, die Republik Litauen, die Republik Malta, die Republik Polen und Rumänien, sich gegen diesen Erlass aussprachen.

14.

Am 15. Juli 2020 nahmen das Parlament und der Rat den endgültigen Text der drei angefochtenen Rechtsakte an.

III. Anträge der Parteien und Verfahren vor dem Gerichtshof

15.

In der Rechtssache C‑541/20 beantragt die Republik Litauen, unterstützt durch die Republik Lettland und Rumänien ( 7 ), erstens Art. 1 Nr. 6 Buchst. d und Art. 3 der Verordnung 2020/1054 oder, hilfsweise, die Verordnung in vollem Umfang für nichtig zu erklären und zweitens Art. 1 Abs. 3 und 7 der Richtlinie 2020/1057 oder, hilfsweise, diese Richtlinie in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

16.

In der Rechtssache C‑542/20 beantragt die Republik Litauen, unterstützt durch die Republik Estland, die Republik Lettland und Rumänien ( 8 ), Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, und Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären.

17.

In der Rechtssache C‑543/20 beantragt die Republik Bulgarien, unterstützt durch Rumänien und die Republik Lettland ( 9 ), Art. 1 Nr. 6 Buchst. c und d der Verordnung 2020/1054 oder, hilfsweise, die Verordnung in ihrer Gesamtheit für nichtig zu erklären.

18.

In der Rechtssache C‑544/20 beantragt die Republik Bulgarien, unterstützt durch die Republik Estland, die Republik Lettland und Rumänien ( 10 ), die Richtlinie 2020/1057 für nichtig zu erklären.

19.

In der Rechtssache C‑545/20 beantragt die Republik Bulgarien, unterstützt durch die Republik Estland, die Republik Lettland, die Republik Litauen und Rumänien ( 11 ), Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, oder, hilfsweise, Art. 1 Nr. 3 zur Gänze für nichtig zu erklären, Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären oder, hilfsweise, Art. 2 Nr. 4 zur Gänze für nichtig zu erklären und, äußerst hilfsweise, die Verordnung 2020/1055 zur Gänze für nichtig zu erklären.

20.

In der Rechtssache C‑546/20 beantragt Rumänien, unterstützt durch die Republik Lettland ( 12 ), Art. 1 Nr. 6 Buchst. c und d der Verordnung 2020/1054 oder, hilfsweise, die Verordnung insgesamt für nichtig zu erklären.

21.

In der Rechtssache C‑547/20 beantragt Rumänien, unterstützt durch die Republik Estland, die Republik Lettland und die Republik Litauen ( 13 ), Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, Art. 2 Nr. 4 Buchst. a, b und c der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären und hilfsweise, die Verordnung 2020/1055 insgesamt für nichtig zu erklären.

22.

In der Rechtssache C‑548/20 beantragt Rumänien, unterstützt durch die Republik Estland und die Republik Lettland ( 14 ), Art. 1 Abs. 3 bis 6 der Richtlinie 2020/1057 oder, hilfsweise, diese Richtlinie insgesamt für nichtig zu erklären, falls der Gerichtshof entscheiden sollte, dass diese Bestimmungen untrennbar mit den anderen Bestimmungen dieser Richtlinie verbunden sind.

23.

In der Rechtssache C‑549/20 beantragen die Republik Zypern unterstützt durch die Republik Estland, die Republik Lettland, die Republik Litauen und Rumänien ( 15 ), Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, soweit damit ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, oder, hilfsweise, Art. 1 Nr. 3 insgesamt für nichtig zu erklären und äußerst hilfsweise, die Verordnung 2020/1055 in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

24.

In der Rechtssache C‑550/20 beantragt die Republik Zypern, unterstützt durch die Republik Estland, die Republik Lettland und Rumänien ( 16 ), die Richtlinie 2020/1057 für nichtig zu erklären.

25.

In der Rechtssache C‑551/20 beantragt Ungarn, unterstützt durch die Republik Estland, die Republik Lettland, die Republik Litauen und Rumänien ( 17 ), erstens Art. 1 Nr. 6 Buchst. c und Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054 sowie gegebenenfalls die Bestimmungen dieser Verordnung, die mit diesen ein untrennbares Ganzes bilden, für nichtig zu erklären, zweitens Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, soweit damit ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung 1071/2009 eingefügt wird, sowie gegebenenfalls die Bestimmungen dieser Verordnung, die mit diesen ein untrennbares Ganzes bilden, und drittens Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 oder, hilfsweise, deren Art. 1 Abs. 6 sowie gegebenenfalls die Bestimmungen dieser Richtlinie, die mit diesen ein untrennbares Ganzes bilden, für nichtig zu erklären.

26.

In der Rechtssache C‑552/20 beantragt die Republik Malta, unterstützt durch das Königreich Belgien, die Republik Estland, die Republik Lettland, die Republik Litauen und Rumänien ( 18 ), Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, soweit damit ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung 1071/2009 eingefügt wird, und Art. 2 Nr. 4 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären ( 19 ).

27.

In der Rechtssache C‑553/20 beantragt die Republik Polen, unterstützt durch Rumänien und die Republik Lettland ( 20 ), Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 oder, hilfsweise, die Verordnung insgesamt für nichtig zu erklären.

28.

In der Rechtssache C‑554/20 beantragt die Republik Polen, unterstützt durch die Republik Estland, die Republik Lettland, die Republik Litauen und Rumänien ( 21 ), Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, soweit damit Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 ein Abs. 1 Buchst. b und g hinzugefügt wird, Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, oder, hilfsweise, die Verordnung 2020/1055 insgesamt für nichtig zu erklären.

29.

In der Rechtssache C‑555/20 beantragt die Republik Polen, unterstützt durch die Republik Estland, die Republik Lettland und Rumänien ( 22 ), Art. 1 Abs. 3, 4, 6 und 7 sowie Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1057 oder, hilfsweise, diese Richtlinie insgesamt für nichtig zu erklären.

30.

In allen diesen Rechtssachen beantragen die klagenden Mitgliedstaaten, dem Parlament und dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

31.

Das Parlament und der Rat beantragen, alle genannten Klagen abzuweisen und den klagenden Mitgliedstaaten die Kosten aufzuerlegen.

32.

Mit Beschlüssen vom 13., 21., 22., 26., 27. und 29. April 2021 sowie vom 12. Mai 2022 hat der Präsident des Gerichtshofs die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Österreich, das Königreich Schweden, das Großherzogtum Luxemburg, die Hellenische Republik, das Königreich der Niederlande, die Französische Republik, das Königreich Dänemark und die Italienische Republik als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments und des Rates zugelassen.

33.

Die Republik Bulgarien, die Republik Zypern, die Republik Litauen, Ungarn, die Republik Malta, die Republik Polen, Rumänien, die Republik Estland, die Republik Lettland einerseits und der Rat, das Parlament, die Französische Republik, die Italienische Republik und das Königreich Schweden andererseits haben in der Sitzung vom 24. und 25. April 2023 mündlich verhandelt.

34.

Mit Beschluss des Präsidenten vom 13. Oktober 2023 sind die Rechtssachen C‑541/20 bis C‑555/20 nach Art. 54 Abs. 2 der Verfahrensordnung verbunden worden.

IV. Würdigung

A. Vorbemerkungen

35.

Die 15 Klagen, die die sieben klagenden Mitgliedstaaten gegen die drei angefochtenen Rechtsakte erhoben haben, betreffen querschnittsmäßig eine Reihe von Bestimmungen und tragenden Grundsätzen des Unionsrechts.

36.

In diesem Kontext halte ich es für angebracht, vorab allgemeine Erwägungen zu diesen Bestimmungen und Grundsätzen im Licht der Rechtsprechung des Gerichtshofs anzustellen. Auf der Grundlage dieser Erwägungen werde ich sodann die Prüfung dieser Klagen für jeden der drei angefochtenen Rechtsakte vornehmen.

37.

In den folgenden Absätzen werde ich zunächst die besondere rechtliche Regelung untersuchen, zu der der Verkehrsbereich im Rahmen der Binnenmarktvorschriften der Union gehört. Sodann werde ich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bzw. den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot prüfen, wie sie in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelt worden sind. Verschiedene Mitgliedstaaten berufen sich nämlich in ihren Klagen mehrfach auf diese Grundsätze. Schließlich werde ich einige Überlegungen zu den Bestimmungen des Umweltrechts der Union anstellen, deren Verletzung von mehreren klagenden Mitgliedstaaten ebenfalls übergreifend geltend gemacht worden ist.

1.   Zur besonderen rechtlichen Regelung des Verkehrs im Binnenmarkt

38.

Der Bereich des Verkehrs, insbesondere der des Straßenverkehrs, ist für die Gesellschaft, die Wirtschaft und die europäische Integration von entscheidender Bedeutung. Der Begriff „Verkehr“ ist weder durch den Unionsgesetzgeber noch durch den Gerichtshof allgemein und allumfassend definiert worden ( 23 ). Gleichwohl bezieht sich der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung auf die Verkehrsdienstleistung als die „körperliche… Handlung der Beförderung von Personen oder Waren von einem Ort zum anderen mittels eines Verkehrsmittels“ ( 24 ).

39.

Der Bereich des Verkehrs ist durch bestimmte Besonderheiten dieses Wirtschaftssektors gekennzeichnet, die seine Unterwerfung unter eine besondere rechtliche Regelung im Rahmen des Binnenmarkts rechtfertigen ( 25 ).

40.

Im Primärrecht der Union kommt die Notwendigkeit, den Besonderheiten des Bereichs des Verkehrs Rechnung zu tragen, erstens in dem Erfordernis zum Ausdruck, das dem Unionsgesetzgeber durch Art. 91 Abs. 1 AEUV – der die Rechtsgrundlage für die Implementierung der gemeinsamen Verkehrspolitik bildet – ausdrücklich und allgemein auferlegt ist, bei der Durchführung dieser gemeinsamen Politik die „Besonderheiten“ des Verkehrs zu berücksichtigen.

41.

Andere Bestimmungen in Titel VI des Dritten Teils des AEU-Vertrags (Art. 90 bis 100) über die gemeinsame Verkehrspolitik – deren Verletzung von den klagenden Mitgliedstaaten mehrfach geltend gemacht wird – konkretisieren einige Aspekte, die der Gesetzgeber bei der Durchführung dieser Politik besonders zu berücksichtigen hat. So wird nach Art. 91 Abs. 2 AEUV beim Erlass von Maßnahmen im Rahmen dieser gemeinsamen Politik der ernstlichen Beeinträchtigung des Lebensstandards und der Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie des Betriebs der Verkehrseinrichtungen Rechnung getragen, und nach Art. 94 AEUV ist beim Erlass von Maßnahmen auf dem Gebiet der Beförderungsentgelte und ‑bedingungen der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer Rechnung zu tragen.

42.

Im Übrigen hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass die Verträge dem Unionsgesetzgeber ein weites Ermessen in Bezug auf das Ziel und die Mittel der gemeinsamen Verkehrspolitik ( 26 ) sowie beim Erlass zweckdienlicher Maßnahmen im Hinblick auf eine gemeinsame Verkehrspolitik überlassen ( 27 ).

43.

In diesem Zusammenhang ist noch hervorzuheben, dass Art. 91 Abs. 1 AEUV in seinen Buchst. a und b zum einen zwischen internationalem und innerstaatlichem Verkehr und zum anderen zwischen gebietsansässigen und nicht ansässigen Verkehrsunternehmern unterscheidet. Während insbesondere Art. 91 Abs. 1 Buchst. a AEUV den Erlass „gemeinsame[r] Regeln“ für den internationalen Verkehr vorsieht, sieht Art. 91 Abs. 1 Buchst. b AEUV vor, „für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, die Bedingungen fest[zu]legen“. Das Unionsrecht sieht somit auf der Ebene des Primärrechts im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik einen unterschiedlichen Ansatz für die Regelung des internationalen Verkehrs und die Regelung des innerstaatlichen Verkehrs vor.

44.

Zweitens hat das Erfordernis, den Besonderheiten des Bereichs des Verkehrs Rechnung zu tragen, die Verfasser des Vertrags dazu veranlasst, diesem Bereich im Rahmen der Regelung des Binnenmarkts, insbesondere im Hinblick auf den freien Dienstleistungsverkehr, einen Sonderstatus einzuräumen ( 28 ).

45.

Im Verkehrsbereich wird daher der freie Dienstleistungsverkehr nicht durch Art. 56 AEUV geregelt, der den freien Dienstleistungsverkehr im Allgemeinen betrifft, sondern durch die Sondervorschrift des Art. 58 Abs. 1 AEUV, wonach „[f]ür den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs … die Bestimmungen des Titels über den Verkehr [gelten]“ ( 29 ).

46.

Daraus folgt, dass, wie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung wiederholt anerkannt hat, im Bereich des Verkehrs die Anwendung der Grundsätze der Dienstleistungsfreiheit nach dem AEU-Vertrag durch die Verwirklichung der gemeinsamen Verkehrspolitik erreicht werden muss ( 30 ). Die Dienstleistungsfreiheit, wie sie durch die Art. 56 und 57 AEUV gewährleistet wird, kann daher auf Verkehrsdienstleistungen nur insoweit Anwendung finden, als das abgeleitete Recht sie für anwendbar erklärt hat ( 31 ). Nicht liberalisierte Verkehrsdienstleistungen sind daher vom Anwendungsbereich des Art. 56 AEUV auszunehmen ( 32 ).

47.

Dagegen haben die Verfasser der Verträge den Verkehr keiner Sonderregelung in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit unterworfen. Wie der Gerichtshof nämlich ausdrücklich hervorgehoben hat, finden die Vorschriften des AEU-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit auf den Verkehr unmittelbar Anwendung ( 33 ).

48.

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass sich der Sonderstatus des Verkehrs im Rahmen der primärrechtlichen Regelung des Binnenmarkts dadurch unterscheidet, dass ein Niederlassungsrecht in jedem Mitgliedstaat, das auf dem AEU-Vertrag beruht, mit einem Recht der Verkehrsunternehmer auf freie Erbringung von Verkehrsdienstleistungen kombiniert wird, das nur insoweit garantiert wird, als dieses Recht durch vom Unionsgesetzgeber im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik erlassene Maßnahmen des abgeleiteten Rechts gewährt wurde.

49.

Was speziell den Bereich des Straßenverkehrs betrifft, zielte die Tätigkeit des Unionsgesetzgebers zur Verwirklichung der gemeinsamen Verkehrspolitik einerseits darauf ab, den Sektor zu liberalisieren und die Vollendung des Binnenmarkts für den Straßenverkehr, seine Effizienz und seine Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen. Während die grenzüberschreitenden Beförderungen vollständig liberalisiert wurden, sind die innerstaatlichen Beförderungen für nicht ansässige Verkehrsunternehmer noch teilweise durch Beschränkungen der Kabotagebeförderungen eingeschränkt, und zwar im Einklang mit dem Sonderstatus, über den der Verkehr nach dem Primärrecht gemäß Art. 58 Abs. 1 AEUV verfügt ( 34 ).

50.

Dieser Sonderstatus schränkt somit die Möglichkeit ein, vorübergehend Straßenverkehrsdienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als dem Niederlassungsmitgliedstaat zu erbringen, lässt jedoch den Staatsangehörigen aller Mitgliedstaaten die Möglichkeit, sich dauerhaft in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen und dort den Beruf des Verkehrsunternehmers zu den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats auszuüben, zur Gänze offen.

51.

Andererseits hat der Unionsgesetzgeber einen umfassenden Rahmen von Sozialvorschriften für Güterkraftverkehrsunternehmen und Personenkraftverkehrsunternehmer entwickelt, der insbesondere darauf abzielt, die Arbeitsbedingungen von Fahrpersonal im Straßenverkehrssektor (d. h. der Fahrer) zu verbessern, die Straßenverkehrssicherheit für alle Straßenverkehrsteilnehmer zu verbessern und einen fairen Wettbewerb zwischen den Kraftverkehrsunternehmen im Binnenmarkt zu gewährleisten ( 35 ).

2.   Zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

a)   Zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zum weiten Ermessen des Gesetzgebers und zur gerichtlichen Kontrolle

52.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, verlangt nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Handlungen der Unionsorgane zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet sind und nicht über die Grenzen dessen hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die dadurch bedingten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen ( 36 ). Auf diesen Grundsatz verweist Art. 5 Abs. 4 EUV und Art. 1 des Protokolls (Nr. 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, das den Verträgen beigefügt ist.

53.

Was die gerichtliche Nachprüfbarkeit der Einhaltung dieser Voraussetzungen betrifft, hat der Gerichtshof dem Unionsgesetzgeber im Rahmen der Ausübung der ihm übertragenen Zuständigkeiten ein weites Ermessen in Bereichen wie der gemeinsamen Verkehrspolitik zugebilligt ( 37 ), in denen seine Tätigkeit sowohl politische als auch wirtschaftliche oder soziale Entscheidungen verlangt und in denen er komplexe Prüfungen und Beurteilungen vornehmen muss. Es geht somit nicht darum, ob eine in diesem Bereich erlassene Maßnahme die einzig mögliche oder die bestmögliche war; sie ist vielmehr nur dann rechtswidrig, wenn sie gemessen an dem Ziel, das die zuständigen Organe zu verfolgen beabsichtigen, offensichtlich ungeeignet ist ( 38 ).

54.

Außerdem bezieht sich das weite Ermessen des Unionsgesetzgebers, das eine begrenzte gerichtliche Kontrolle seiner Ausübung impliziert, nicht ausschließlich auf die Art und die Tragweite der zu erlassenden Bestimmungen, sondern in bestimmtem Umfang auch auf die Feststellung der Grunddaten ( 39 ).

55.

Auch bei einem weiten Ermessen ist der Unionsgesetzgeber jedoch verpflichtet, seine Entscheidung auf objektive Kriterien zu stützen und zu untersuchen, ob die mit der gewählten Maßnahme verfolgten Ziele nachteilige, oder gar erhebliche, wirtschaftliche Folgen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen können. Nach Art. 5 des Protokolls (Nr. 2) zu den Verträgen über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit müssen nämlich die Entwürfe von Gesetzgebungsakten berücksichtigen, dass die Belastung der Wirtschaftsteilnehmer so gering wie möglich gehalten wird und in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen muss ( 40 ).

56.

Was den Gegenstand der vom Gerichtshof auszuübenden gerichtlichen Kontrolle angeht, hat der Gerichtshof festgestellt, dass er nicht berufen ist, die Beurteilung des Unionsgesetzgebers durch seine eigene zu ersetzen, wenn der Unionsgesetzgeber in einem Bereich tätig wird, in dem von ihm politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen verlangt werden und in dem er komplexe Beurteilungen vornehmen muss ( 41 ). Nach der in den Nrn. 53 bis 55 angeführten Rechtsprechung ist es Sache des Gerichtshofs, zu überprüfen, ob der Unionsgesetzgeber offensichtlich das ihm zustehende weite Ermessen bei den Beurteilungen und den komplexen Bewertungen, die er im vorliegenden Fall durchzuführen hatte, überschritten hat, indem er sich für gemessen an dem verfolgten Ziel offensichtlich ungeeignete Maßnahmen entschieden hat ( 42 ).

57.

Der Gerichtshof könnte daher die normative Entscheidung des Gesetzgebers allenfalls dann beanstanden, wenn diese offensichtlich fehlerhaft erschiene oder wenn die Nachteile, die sich aus ihr für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer ergeben, zu den im Übrigen mit ihr verbundenen Vorteilen völlig außer Verhältnis stünden ( 43 ).

58.

Ferner ist nach ständiger Rechtsprechung auch für eine begrenzte gerichtliche Kontrolle erforderlich, dass die Unionsorgane, die den in Rede stehenden Rechtsakt erlassen haben, in der Lage sind, vor dem Gerichtshof zu belegen, dass sie beim Erlass des Rechtsakts ihr Ermessen tatsächlich ausgeübt haben, was voraussetzt, dass alle erheblichen Faktoren und Umstände der Situation, die mit diesem Rechtsakt geregelt werden sollten, berücksichtigt worden sind. Daraus folgt, dass die Unionsorgane zumindest in der Lage sein müssen, die Grunddaten, die zur Begründung der angefochtenen Maßnahmen dieses Rechtsakts zu berücksichtigen waren und von denen die Ausübung ihres Ermessens abhing, beizubringen und klar und eindeutig darzulegen ( 44 ).

59.

Es ist jedoch Sache des Klägers, aufzuzeigen, dass die sich aus der normativen Entscheidung des Unionsgesetzgebers ergebenden Nachteile im Vergleich zu den im Übrigen mit ihr verbundenen Vorteilen unverhältnismäßig sind ( 45 ).

60.

Außerdem ist der Unionsgesetzgeber nicht verpflichtet, die besondere Situation eines Mitgliedstaats zu berücksichtigen, wenn der betreffende Unionsrechtsakt Auswirkungen in allen Mitgliedstaaten hat und die Wahrung eines Gleichgewichts zwischen den verschiedenen betroffenen Interessen unter Berücksichtigung der mit dem Rechtsakt verfolgten Ziele voraussetzt. Der Versuch, ein solches Gleichgewicht herzustellen, indem nicht die besondere Situation nur eines Mitgliedstaats, sondern die Situation aller Mitgliedstaaten der Union berücksichtigt wird, kann daher für sich genommen nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angesehen werden ( 46 ).

b)   Zu den im Gesetzgebungsverfahren zu berücksichtigenden Daten und zur Folgenabschätzung

61.

In mehreren Klagen beanstanden die klagenden Mitgliedstaaten das Fehlen oder die Unzulänglichkeit der Folgenabschätzungen, die die Kommission im Hinblick auf die drei angefochtenen Rechtsakte oder einige ihrer Bestimmungen durchgeführt hat ( 47 ). Die Frage, ob der Gesetzgeber alle erheblichen Faktoren und Umstände der Situation, die mit dem Rechtsakt geregelt werden sollte, berücksichtigt hat und ob er eine Folgenabschätzung durchführen oder ergänzen musste, fällt unter den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ( 48 ).

62.

Die Vorschriften über die Folgenabschätzungen sind in der Interinstitutionellen Vereinbarung zwischen dem Parlament, dem Rat und der Kommission über bessere Rechtsetzung vom 13. April 2016 ( 49 ) (im Folgenden: Interinstitutionelle Vereinbarung) und speziell in Teil III dieser Vereinbarung festgelegt.

63.

Aus dieser Vereinbarung ergibt sich, dass die Kommission ihre Gesetzgebungsinitiativen, bei denen mit erheblichen wirtschaftlichen, ökologischen oder sozialen Auswirkungen zu rechnen ist, einer Folgenabschätzung unterziehen wird ( 50 ). Demnach bildet die Erstellung von Folgenabschätzungen einen Abschnitt des Rechtsetzungsverfahrens, der im Allgemeinen durchgeführt werden muss, sobald eine Gesetzgebungsinitiative solche Auswirkungen haben kann ( 51 ).

64.

Wie sich jedoch aus der Rechtsprechung ergibt, sind die Bestimmungen der Interinstitutionellen Vereinbarung nicht zwingend ( 52 ). Zwar sind Folgenabschätzungen ein wichtiges und nützliches Instrument im Prozess der Rechtsetzung, da sie den Prozess einer gut begründeten und transparenten Rechtsetzung erleichtern, aus der Interinstitutionellen Vereinbarung geht jedoch nicht hervor, dass Folgenabschätzungen unter allen Umständen Voraussetzung dafür sind, Rechtsvorschriften vorschlagen oder zu erlassen zu dürfen ( 53 ). Insoweit hat der Gerichtshof ausdrücklich festgestellt, dass sich aus dem Wortlaut der Interinstitutionellen Vereinbarung keine Verpflichtung ergibt, unter allen Umständen eine Folgenabschätzung durchzuführen ( 54 ).

65.

In diesem Kontext hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass die Nichtdurchführung einer Folgenabschätzung nicht als Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingestuft werden kann, wenn sich der Unionsgesetzgeber in einer besonderen Lage befindet, die es erforderlich macht, davon abzusehen, und über ein ausreichendes Maß an Informationen verfügt, die es ihm ermöglichen, die Verhältnismäßigkeit einer erlassenen Maßnahme zu beurteilen. ( 55 )

66.

Was die Tragweite der Folgenabschätzung betrifft, geht zwar aus der Interinstitutionellen Vereinbarung und der Rechtsprechung hervor, dass das Parlament und der Rat bei der Prüfung der Gesetzgebungsvorschläge der Kommission in vollem Umfang die Folgenabschätzungen der Kommission berücksichtigen werden ( 56 ), doch hat der Gerichtshof ausdrücklich klargestellt, dass das Parlament und der Rat durch eine Folgenabschätzung nicht gebunden sind ( 57 ). Insoweit ergibt sich aus der Interinstitutionellen Vereinbarung, dass, wenn das Europäische Parlament und der Rat wesentliche Abänderungen am Kommissionsvorschlag vornehmen, sie selbst Folgenabschätzungen durchführen können, wenn sie dies für zweckmäßig und erforderlich halten ( 58 ).

67.

Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber grundsätzlich auch ohne eine Folgenabschätzung handeln kann ( 59 ) und dass das Fehlen einer Folgenabschätzung nicht automatisch dazu führt, dass später erlassene Unionsvorschriften ungültig sind ( 60 ).

68.

Die vorstehenden Erwägungen, die für den Fall des völligen Fehlens einer Folgenabschätzung im Hinblick auf den Erlass eines Gesetzgebungsakts angestellt wurden, gelten erst recht im Hinblick auf den Erlass einer besonderen Bestimmung eines Rechtsakts, die als solche nicht Gegenstand der dem Vorschlag der Kommission für einen Rechtsakt beigefügten Folgenabschätzung war.

69.

In Bezug auf vom Unionsgesetzgeber vorgesehene Maßnahmen, die nicht zu den Maßnahmen gehörten, die die Kommission in ihrem Vorschlag für einen Gesetzgebungsakt ursprünglich ins Auge gefasst hatte, hat der Gerichtshof nämlich ausdrücklich entschieden, dass es dem Unionsgesetzgeber unbenommen bleibt, andere Maßnahmen als die zu treffen, die Gegenstand der Folgenabschätzung waren, und dass somit der Umstand, dass er eine andere, gegebenenfalls belastendere Maßnahme als die von der Kommission vorgesehenen getroffen hat, kein geeigneter Beweis dafür ist, dass er offensichtlich die Grenzen dessen überschritten hat, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich war ( 61 ).

70.

Da Folgenabschätzungen, wie sich aus den vorstehenden Nrn. 64 und 66 ergibt, Dokumente der Kommission sind, die die politisch bevorzugte Lösung dieses Organs darlegen und das Parlament und den Rat nicht binden, steht es diesen als Mitgesetzgebern gemäß Art. 294 AEUV und innerhalb der durch das Initiativrecht der Kommission gesetzten Grenzen frei, zu einer anderen Beurteilung der Situation zu gelangen und somit einen anderen politischen Standpunkt einzunehmen. Daraus folgt, dass selbst dann, wenn das Parlament und der Rat vom Vorschlag der Kommission sowie der ihm zugrunde liegenden Folgenabschätzung abweichen und wesentliche Aspekte dieses Vorschlags ändern, der Umstand, dass sie die Folgenabschätzung nicht aktualisiert haben, nicht automatisch und zwangsläufig dazu führt, dass die erlassenen Unionsvorschriften ungültig sind ( 62 ).

71.

Allerdings setzt, wie sich aus den vorstehenden Nrn. 58 und 65 ergibt, eine tatsächliche Ausübung des Ermessens durch den Unionsgesetzgeber die Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren und Umstände der Situation voraus, die mit diesem Rechtsakt geregelt werden sollte.

72.

In diesem Zusammenhang ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Form, in der die vom Unionsgesetzgeber berücksichtigten Ausgangsdaten aufgeführt sind, ohne Bedeutung ist, so dass der Unionsgesetzgeber nicht nur die Folgenabschätzung, sondern auch jede andere Informationsquelle berücksichtigen kann ( 63 ).

73.

Aus der Rechtsprechung ergibt sich jedoch, dass die Mitgesetzgeber, um ihr Ermessen tatsächlich auszuüben, im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens verfügbar gewordene wissenschaftliche Daten und weitere Feststellungen, einschließlich der von den Mitgliedstaaten bei den Sitzungen des Rates verwendeten wissenschaftlichen Unterlagen, die sich nicht in dessen Besitz befinden, berücksichtigen müssen ( 64 ). Der Gesetzgeber kann auch Informationen berücksichtigen, die allgemein und allen Personen oder Unternehmen zugänglich sind, die an diesem Thema interessiert sind ( 65 ).

74.

Außerdem ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Gültigkeit eines Unionsrechtsakts gemessen an den Informationen, über die der Unionsgesetzgeber zum Zeitpunkt des Erlasses der betreffenden Regelung verfügte, zu beurteilen ( 66 ).

3.   Zum Grundsatz der Gleichbehandlung und zum Diskriminierungsverbot

75.

In mehreren Rechtssachen machen einige Mitgliedstaaten geltend, dass einige Bestimmungen der drei angefochtenen Rechtsakte unter Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot erlassen worden seien.

76.

Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, der in Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) ( 67 ) verankert ist; das Diskriminierungsverbot des Art. 21 Abs. 1 der Charta stellt eine besondere Ausprägung dieses Grundsatzes dar ( 68 ).

77.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist ( 69 ).

78.

Eine unterschiedliche Behandlung ist gerechtfertigt, wenn sie auf einem objektiven und angemessenen Kriterium beruht, d. h., wenn sie im Zusammenhang mit einem rechtlich zulässigen Ziel steht, das mit der betreffenden Regelung verfolgt wird, und wenn diese unterschiedliche Behandlung in angemessenem Verhältnis zu dem mit der betreffenden Behandlung verfolgten Ziel steht ( 70 ).

79.

Die Vergleichbarkeit verschiedener Sachverhalte ist anhand aller Merkmale zu beurteilen, die sie kennzeichnen. Diese Merkmale sind u. a. im Licht des Gegenstands und des Ziels der Unionsmaßnahme, mit der die fragliche Unterscheidung eingeführt wird, zu bestimmen und zu beurteilen. Außerdem sind die Grundsätze und Ziele des Regelungsbereichs zu berücksichtigen, in den diese Maßnahme fällt ( 71 ).

80.

Ebenso wie dies – wie sich aus der vorstehenden Nr. 53 ergibt – bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen, die in Bereichen erlassen wurden, in denen der Gesetzgeber über ein weites Ermessen verfügt, wie dem Bereich der Verkehrspolitik ( 72 ), der Fall ist, hat der Gerichtshof auch in Bezug auf die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes eine begrenzte gerichtliche Kontrolle dieser Maßnahmen anerkannt, indem er klargestellt hat, dass in einem solchen Kontext der Unionsrichter die Beurteilung des Unionsgesetzgebers nicht durch seine eigene ersetzen darf, sondern sich auf die Prüfung beschränken muss, ob sie mit einem offensichtlichen Fehler oder einem Ermessensmissbrauch behaftet ist oder ob der Gesetzgeber die Grenzen seiner Rechtsetzungsbefugnis offensichtlich überschritten hat. ( 73 ).

4.   Zu den unionsrechtlichen Bestimmungen betreffend die Umweltpolitik

81.

Einige der klagenden Mitgliedstaaten haben in ihren Klagen mehrfach geltend gemacht, dass einige Bestimmungen der drei angefochtenen Rechtsakte unter Verstoß gegen die unionsrechtlichen Bestimmungen betreffend die Umweltpolitik erlassen worden seien. Diese Mitgliedstaaten machen insbesondere Verstöße gegen Art. 3 Abs. 3 EUV, Art. 11 und Art. 191 Abs. 1 AEUV sowie gegen Art. 37 der Charta geltend.

82.

Zunächst ist festzustellen, dass die Rechtsprechung immer wieder auf die Bedeutung des Ziels des Umweltschutzes, das sie als „wesentlich“ einstuft ( 74 ), sowie auf seinen Querschnittscharakter und seine grundlegende Bedeutung ( 75 ) hingewiesen hat.

83.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 191 Abs. 1 AEUV die Umweltpolitik der Union als einen Beitrag zur Verfolgung der Ziele der Erhaltung und des Schutzes der Umwelt sowie der Verbesserung ihrer Qualität, des Schutzes der menschlichen Gesundheit, der umsichtigen und rationellen Verwendung der natürlichen Ressourcen sowie der Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme und insbesondere zur Bekämpfung des Klimawandels definiert.

84.

Art. 191 Abs. 2 AEUV bestimmt, dass die Umweltpolitik der Union „auf ein hohes Schutzniveau“ unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Union abzielt. Im gleichen Sinne sieht Art. 3 Abs. 3 EUV vor, dass die Union insbesondere auf „ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität“ hinwirkt ( 76 ).

85.

Außerdem berücksichtigt die Union nach Art. 191 Abs. 3 AEUV bei der Erarbeitung ihrer Umweltpolitik die verfügbaren wissenschaftlichen Daten, das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Tätigwerdens bzw. eines Nichttätigwerdens sowie die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Union insgesamt sowie die ausgewogene Entwicklung ihrer Regionen. In Art. 192 AEUV sind die Voraussetzungen aufgeführt, unter denen die Union zur Verwirklichung der Ziele der Umweltpolitik der Union tätig werden kann.

86.

Art. 11 AEUV sieht vor, dass „[d]ie Erfordernisse des Umweltschutzes … bei der Festlegung und Durchführung der Unionspolitiken und ‑maßnahmen insbesondere zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung einbezogen werden [müssen]“. Was die Tragweite von Art. 11 AEUV betrifft, so haben die Parteien die Schlussanträge von Generalanwalt Geelhoed ( 77 ), der eine Auslegung von Art. 6 EGV, dem Art. 11 AEUV nachgefolgt ist, vorgeschlagen hat, auf die einzugehen sein wird, ausführlich zitiert und kommentiert.

87.

Art. 37 der Charta sieht vor, dass ein „hohes Umweltschutzniveau und die Verbesserung der Umweltqualität … in die Politik der Union einbezogen und nach dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung sichergestellt werden [müssen]“.

88.

Art. 52 Abs. 2 der Charta bestimmt, dass die Ausübung der durch sie anerkannten Rechte, die in den Verträgen geregelt sind, im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Bedingungen und Grenzen erfolgt. Dies gilt auch für Art. 37 der Charta, der im Wesentlichen auf Art. 3 Abs. 3 EUV und auf den Art. 11 und 191 AEUV beruht. Folglich ist das Vorbringen der klagenden Mitgliedstaaten zu Art. 37 der Charta im Licht der Voraussetzungen und Grenzen zu prüfen, die sich aus Art. 191 AEUV ergeben ( 78 ).

B. Zur Verordnung 2020/1054 (Rechtssachen C‑541/20, C‑543/20, C‑546/20, C‑551/20 und C‑553/20)

89.

Fünf Mitgliedstaaten, nämlich die Republik Litauen (Rechtssache C‑541/20), die Republik Bulgarien (Rechtssache C‑543/20), Rumänien (Rechtssache C‑546/20), Ungarn (Rechtssache C‑551/20) und die Republik Polen (Rechtssache C‑553/20) beantragen die Nichtigerklärung mehrerer Bestimmungen der Verordnung 2020/1054 oder, hilfsweise, dieser Verordnung insgesamt. Ihre Klagen richten sich gegen vier Bestimmungen dieser Verordnung.

90.

Erstens richten sich die Klagen der Republik Bulgarien, Rumäniens und Ungarns gegen Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054, mit dem Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 geändert wurde. Diese Bestimmung verbietet es den Kraftfahrern, ihre regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten und wöchentliche Ruhezeiten von mehr als 45 Stunden im Fahrzeug zu verbringen (im Folgenden: Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine).

91.

Zweitens richten sich die Klagen der Republik Litauen, der Republik Bulgarien, Rumäniens und der Republik Polen gegen Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054, mit dem in Art. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 ein neuer Abs. 8a eingefügt wurde. Diese Bestimmung sieht für die Kraftverkehrsunternehmen die Verpflichtung vor, die Arbeit der Fahrer so zu planen, dass jeder Fahrer in der Lage ist, normalerweise alle vier Wochen zu der im Mitgliedstaat der Niederlassung des Arbeitgebers gelegenen Betriebsstätte des Arbeitgebers, der der Fahrer normalerweise zugeordnet ist und an der er seine wöchentliche Ruhezeit beginnt, oder zu seinem Wohnsitz zurückzukehren (im Folgenden: Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer).

92.

Drittens richtet sich die von Ungarn erhobene Klage auch gegen Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054, mit dem der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verpflichtung zum Einbau intelligenter Fahrtenschreiber der zweiten Generation (im Folgenden: Fahrtenschreiber V2) vorverlegt wurde.

93.

Viertens bezieht sich die Klage der Republik Litauen auch auf Art. 3 der Verordnung 2020/1054. Diese Bestimmung legt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung auf den 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung (d. h. den 20. August 2020) fest, ohne einen Übergangszeitraum für das Inkrafttreten des Verbots der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine und für die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer vorzusehen.

94.

Ich werde meine Würdigung mit der Prüfung der Klagegründe beginnen, die geltend gemacht werden, um die Bestimmung der Verordnung 2020/1054 über die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer anzufechten. Anschließend werde ich die Klagegründe prüfen, mit denen die übrigen Bestimmungen dieser Verordnung beanstandet werden.

1.   Zu den Klagegründen, die die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer betreffen

95.

Die Republik Litauen (Rechtssache C‑541/20), die Republik Bulgarien (Rechtssache C‑543/20), Rumänien (Rechtssache C‑546/20) und die Republik Polen (Rechtssache C‑553/20) wenden sich gegen Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054, der die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer vorsieht. Diese vier Mitgliedstaaten machen gegen diese Bestimmung mehrere Klagegründe geltend.

96.

Vor der Prüfung dieser verschiedenen Klagegründe ist die vom Rat in der Rechtssache C‑543/20 erhobene Einrede der Unzulässigkeit zu prüfen.

a)   Zur Zulässigkeit der Klage in der Rechtssache C‑543/20 betreffend Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054

1) Vorbringen der Parteien

97.

In der Rechtssache C‑543/20 erhebt der Rat eine Einrede der Unzulässigkeit im Hinblick auf die von der Republik Bulgarien erhobene Klage, soweit sie Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 betrifft. Nach Ansicht des Rates zielt die Klage dieses Mitgliedstaats nämlich nicht darauf ab, die Gültigkeit dieser Bestimmung in Frage zu stellen, sondern darauf, deren genaue Auslegung zu klären. Im Übrigen bringe dieser Mitgliedstaat vor, dass, falls die fragliche Bestimmung in einer bestimmten Weise auszulegen sein sollte, der Gerichtshof die gegen diese Bestimmung gerichteten Klagegründe nicht prüfen müsse. Die Republik Bulgarien nutze ihre privilegierte Stellung nach Art. 263 AEUV aus, um Handlungen allein zu dem Zweck anzufechten, deren Bedeutung zu klären, was gegen Sinn und Zweck dieser Bestimmung verstoße. Wie der Gerichtshof in Bezug auf Art. 267 AEUV entschieden habe, dürfe Art. 263 AEUV auch nicht herangezogen werden, um hypothetische Fragen aufzuwerfen.

98.

Nach Ansicht der Republik Bulgarien ist die vom Rat erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

2) Würdigung

99.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Ziel der Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV nach ständiger Rechtsprechung darin besteht, die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des Vertrags zu sichern ( 79 ).

100.

Außerdem muss nach Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 120 Buchst. c der Verfahrensordnung die Klageschrift den Streitgegenstand, die geltend gemachten Klagegründe und Argumente sowie eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Nach der Rechtsprechung müssen diese Angaben so klar und deutlich sein, dass sie dem Beklagten die Vorbereitung seines Verteidigungsvorbringens und dem Gerichtshof die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe ermöglichen; es müssen sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die eine Klage gestützt wird, zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben, und die Anträge der Klageschrift müssen eindeutig formuliert sein ( 80 ).

101.

Im vorliegenden Fall geht aus den Anträgen und dem Wortlaut der Klageschrift ausdrücklich hervor, dass die Republik Bulgarien mit ihrer Klage in der Rechtssache C‑543/20 u. a. die Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 beantragt, hilfsweise die vollständige Nichtigerklärung dieser Verordnung. Dieser Mitgliedstaat stützt seinen Antrag auf Nichtigerklärung auf mehrere Klagegründe.

102.

Wie der Rat jedoch hervorhebt, macht die Republik Bulgarien in einem einleitenden Teil ihrer Klage zwei mögliche Auslegungen der in Rede stehenden Bestimmung geltend. Dieser Mitgliedstaat bringt nämlich zum einen vor, dass, wenn der Gerichtshof feststellen sollte, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 dahin auszulegen sei, dass die Kraftfahrer verpflichtet seien, an ihren Wohnsitz oder an die im Mitgliedstaat der Niederlassung des Arbeitgebers gelegene Betriebsstätte des Arbeitgebers, der sie normalerweise zugeordnet seien, zurückzukehren, diese Bestimmung gegen ihre im AEU-Vertrag vorgesehenen Grundfreiheiten sowie gegen mehrere Grundsätze des Unionsrechts verstoße. Zum anderen macht die Republik Bulgarien geltend, dass, wenn der Gerichtshof jedoch feststellen sollte, dass diese Bestimmung keine Verpflichtung für die Fahrer begründe, an diese beiden Orte zurückzukehren, und dass es ihnen daher freistehe, ihre Ruhezeit zu dort nehmen, wo sie dies wollten, die auf diese Verstöße gestützten Klagegründe nicht geprüft zu werden brauchten.

103.

Unter diesen Umständen bin ich der Ansicht, dass, wie aus den Anträgen der Republik Bulgarien ausdrücklich hervorgeht, die von diesem Mitgliedstaat erhobene Klage sehr wohl darauf gerichtet ist, die Rechtmäßigkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 gemäß Art. 263 AEUV in Frage zu stellen.

104.

Außerdem besteht meines Erachtens bei der Lektüre der Klageschrift kein Zweifel daran, dass die Republik Bulgarien die Klagegründe und Argumente, auf die sie diesen Nichtigkeitsantrag stützt, sowie eine kurze Darstellung der zu diesem Zweck geltend gemachten Klagegründe klar und genau angibt. Daraus folgt meines Erachtens, dass die Anforderungen von Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 120 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichtshofs erfüllt sind.

105.

Der bloße Umstand, dass dieser Mitgliedstaat in diesem Zusammenhang die Auslegung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1 klären möchte, kann meines Erachtens nicht dazu führen, dass die Klage für unzulässig erklärt wird. Im Einklang mit dem unter Punkt 2) der vorliegenden Schlussanträge angeführten Ziel der Nichtigkeitsklage impliziert die Rechtmäßigkeitskontrolle nach Art. 263 AEUV nämlich zwangsläufig, dass der Unionsrichter in Ausübung seiner Zuständigkeit zur Auslegung ( 81 ) die Bestimmungen, deren Nichtigerklärung beantragt wird, auslegt und gegebenenfalls deren Tragweite klarstellt.

106.

Entgegen dem, was das Vorbringen des Rates voraussetzt, betrifft die Bestimmung des genauen Umfangs der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer, wie sie in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehen ist, somit nicht die Zulässigkeit der Klage, sondern deren Begründetheit.

107.

Aus diesen Erwägungen folgt meines Erachtens, dass die von der Republik Bulgarien in der Rechtssache C‑543/20 erhobene Klage in Bezug auf Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 als zulässig anzusehen ist.

108.

Aus dem oben in Nr. 102 angeführten Vorbringen in der Klage dieses Mitgliedstaats geht jedoch hervor, dass es für den Fall, dass der Gerichtshof Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 dahin auslegen sollte, dass diese Bestimmung keine Verpflichtung für die Fahrer begründe, an ihren Wohnsitz oder an die im Mitgliedstaat der Niederlassung des Arbeitgebers gelegene Betriebsstätte des Arbeitgebers, der der Fahrer normalerweise zugeordnet ist, zurückzukehren, nicht mehr erforderlich wäre, die von der Republik Bulgarien geltend gemachten Klagegründe im Hinblick auf diese Bestimmung in der Sache zu prüfen.

109.

Unter diesen Umständen bin ich der Ansicht, dass zunächst die Klagegründe zu prüfen sind, mit denen einige Mitgliedstaaten geltend machen, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoße. Diese Analyse wird es nämlich ermöglichen, den genauen Umfang der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer, wie sie in dieser Bestimmung vorgesehen ist, zu bestimmen.

b)   Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

1) Vorbringen der Parteien

110.

In ihren Klagen machen die Republik Litauen (Rechtssache C‑541/20), die Republik Bulgarien (Rechtssache C‑543/20) und die Republik Polen (Rechtssache C‑553/20) geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 nicht den Anforderungen genüge, die sich aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ergäben.

111.

Die Republik Litauen ( 82 ) macht geltend, der Gesetzgeber habe nicht festgelegt, wie die Bestimmung, die die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer vorsehe, in der Praxis anzuwenden sei. So würden weder die Modalitäten der Rückkehr des Fahrers, wie die Kosten und der Nachweis der Rückkehr, noch die einer Rückkehrverweigerung und ihre Folgen in Bezug auf Sanktionen gegen den Arbeitgeber und gegebenenfalls den Arbeitnehmer präzisiert. Auch der Begriff „Wohnsitz“ des Fahrers sei nicht klar definiert. Insbesondere sei unklar, ob ein Fahrer aus einem Drittland in dieses oder den vorübergehenden Wohnsitz des betreffenden Mitgliedstaats zurückkehren müsse, und es sei allgemein ungewiss, ob sich dieser Ausdruck auf den betreffenden Mitgliedstaat oder auf eine bestimmte Anschrift des Wohnsitzes beziehe. All diese Unsicherheiten würden eine einheitliche Anwendung der Verordnung 2020/1054 unmöglich machen.

112.

Die Republik Bulgarien macht geltend, dass es bei der genauen Auslegung dieser Bestimmung und den Pflichten, die den Fahrern und den Verkehrsunternehmern auferlegt würden, grundlegende Unklarheiten gebe. So sei unklar, erstens, ob die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer auf die beiden in dieser Bestimmung genannten Orte (d. h. die Betriebsstätte des Unternehmens oder den Wohnsitz des Fahrers) beschränkt bleibe oder ob die Fahrer einen anderen Ort wählen könnten, zweitens, ob diese Verpflichtung den Fahrern oder den Verkehrsunternehmern obliege, und drittens, ob es sich im letztgenannten Fall um eine Handlungs- oder Ergebnispflicht handele. Die vom Rat und vom Parlament in ihren Schriftsätzen vorgeschlagene Auslegung der in Rede stehenden Bestimmung widerspreche den in früheren Dokumenten sowohl von diesen Organen als auch von der Kommission vertretenen Standpunkten. Das Fehlen von Rechtssicherheit werde im Übrigen durch die auf nationaler Ebene vorgenommene Auslegung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 belegt. So gehe aus einem Bericht der belgischen Polizei hervor, dass Sanktionen allein deshalb verhängt worden seien, weil ein Fahrer nach 13 Wochen nicht zurückgekehrt sei, ohne dass geprüft worden wäre, ob er sich dafür entschieden hätte, seine Ruhezeit anderswo zu verbringen ( 83 ).

113.

Die Republik Polen macht erstens geltend, die Natur der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Verpflichtung des Verkehrsunternehmers sei nicht klar definiert. Es sei unklar, ob das Unternehmen nur verpflichtet sei, dem Fahrer ein Verkehrsmittel zur Verfügung zu stellen, damit er seine Ruhezeit an einem der angegebenen Orte nehmen könne, oder ob es – wie der 14. Erwägungsgrund dieser Verordnung nahezulegen scheine – sicherstellen müsse, dass sich der Fahrer tatsächlich an einen dieser Orte begebe. Im letztgenannten Fall sei nicht klar, wie der Verkehrsunternehmer den Fahrer verpflichten müsse, von der ihm angebotenen Rückkehrmöglichkeit Gebrauch zu machen, und auch nicht, welches Fahrzeug zu diesem Zweck verwendet werden solle. Diese Bestimmung könnte somit den Verkehrsunternehmern Verpflichtungen auferlegen, die sie nicht erfüllen könnten, ohne gegen die persönliche Freiheit der Arbeitnehmer zu verstoßen.

114.

Zweitens ist die Republik Polen der Ansicht, dass die Frage, ob der Rückkehr an den Wohnsitz nicht die Rückkehr an die Betriebsstätte vorausgehen müsse, Anlass zu Zweifeln gebe. Es sei unklar, ob das Unternehmen dadurch, dass es den Fahrern die unmittelbare Rückkehr zu ihrem Wohnsitz erlaube, der Verpflichtung nachkomme, ihnen eine Ruhezeit zu garantieren, da die Fahrer an der Betriebsstätte „ihre wöchentliche Ruhezeit beginnen“.

115.

Drittens werfe auch der Unterabs. 3 der in Rede stehenden Bestimmung Zweifel auf. So sei nicht klar, ob der Fahrtenschreiber, dessen Aufzeichnungen die nach dieser Bestimmung erforderlichen Nachweise darstellten, der des Fahrzeugs sei, mit dem der Fahrer an die Betriebsstätte oder seinen Wohnsitz zurückgekehrt sei, oder der Fahrtenschreiber des gewöhnlich vom Fahrer benutzten Fahrzeugs. Die angefochtene Bestimmung lege nicht fest, wie lange die Unterlagen aufbewahrt würden, auf die das Unternehmen nach dem 14. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054 zurückgreifen könne, um die Einhaltung der Verpflichtung nachzuweisen. Die Republik Polen ist der Ansicht, dass die mangelnde Bestimmtheit der in diesem Unterabsatz enthaltenen Bestimmung deren Durchführung verhindere. In den Verordnungen sollte der Inhalt der nationalen Durchführungsmaßnahmen hinreichend genau festgelegt werden. Dies sei hier nicht der Fall, da die fragliche Bestimmung den nationalen Behörden ein zu weites Ermessen einräume. Die Präzisierungen der Bestimmungen der Verordnung 2020/1054 durch diese Behörden führe zu unterschiedlichen Anwendungen, die den Zustand der Rechtsunsicherheit verstärkten, was dem Ziel dieser Verordnung zuwiderliefe, die Rechtssicherheit in Bezug auf die den Verkehrsunternehmern obliegenden Verpflichtungen zu erhöhen, um eine einheitliche Anwendung im Binnenmarkt zu gewährleisten.

116.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, alle diese Klagegründe zurückzuweisen.

2) Würdigung

117.

Nach ständiger Rechtsprechung gebietet der Grundsatz der Rechtssicherheit, dass Rechtsvorschriften – vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen haben können – klar und bestimmt sowie in ihrer Anwendung für den Einzelnen vorhersehbar sind. Insbesondere verlangt dieser Grundsatz, dass eine Regelung es den Betroffenen ermöglicht, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen, und dass die Betroffenen ihre Rechte und Pflichten eindeutig erkennen und sich darauf einstellen können ( 84 ), vor allem dann, wenn die Regelung nachteilige Folgen für Einzelne und Unternehmen haben kann ( 85 ).

118.

Die Erfordernisse der Rechtssicherheit sind jedoch weder dahin zu verstehen, dass sie den Unionsgesetzgeber darin hindern, im Rahmen einer von ihm erlassenen Norm einen abstrakten Rechtsbegriff zu verwenden, noch dahin, dass sie gebieten, dass in einer solchen abstrakten Norm die verschiedenen konkreten Fälle genannt werden, auf die sie angewandt werden kann, sofern der Gesetzgeber nicht alle diese Fälle im Voraus bestimmen kann ( 86 ).

119.

Es ist außerdem nicht erforderlich, dass ein Gesetzgebungsakt selbst Angaben technischer Natur enthält, und der Unionsgesetzgeber kann einen allgemeinen Rechtsrahmen schaffen, der gegebenenfalls später konkretisiert wird ( 87 ).

120.

Folglich verletzt die Tatsache, dass ein Gesetzgebungsakt den Behörden, die mit seiner Durchführung betraut sind, ein Ermessen verleiht, als solche nicht das Erfordernis der Vorhersehbarkeit, sofern der Umfang dieses Ermessens und die Modalitäten seiner Ausübung im Hinblick auf das in Rede stehende legitime Ziel hinreichend deutlich festgelegt sind, um angemessenen Schutz vor Willkür zu bieten ( 88 ).

121.

Im vorliegenden Fall ist im Rahmen von Klagen wie den vorliegenden kein konkreter Sachverhalt zu beurteilen, und es werden nur hypothetische Sachverhalte berücksichtigt. In einem solchen Rahmen ist meines Erachtens in Anwendung der in den vorstehenden Nummern angeführten Rechtsprechung zur Beurteilung der Vereinbarkeit einer Bestimmung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit zu prüfen, ob diese Bestimmung derart unklar ist, dass ihre Adressaten etwaige Zweifel in Bezug auf ihre Reichweite oder ihren Sinn nicht mit hinreichender Sicherheit ausräumen können, so dass sie nicht in der Lage wären, ihre Rechte und Pflichten aus dieser Bestimmung eindeutig zu bestimmen ( 89 ).

122.

Zunächst ist das Vorbringen zu prüfen, wonach sich Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 zum einen nicht entnehmen lasse, ob die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer den Fahrern oder Verkehrsunternehmern obliege, und zum anderen, ob es den Fahrern freistehe, einen anderen Ort als die Betriebsstätte des Unternehmens oder ihren Wohnsitz zu wählen, um ihre Ruhezeiten zu beginnen.

123.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 in seinem Abs. 1 vorsieht, dass „Verkehrsunternehmen … die Arbeit der Fahrer so [planen], dass jeder Fahrer in der Lage ist, innerhalb jedes Zeitraums von vier aufeinanderfolgenden Wochen zu der im Mitgliedstaat der Niederlassung des Arbeitgebers gelegenen Betriebsstätte des Arbeitgebers, der der Fahrer normalerweise zugeordnet ist und an der er seine wöchentliche Ruhezeit beginnt, oder zu seinem Wohnsitz zurückzukehren, um dort mindestens eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder eine wöchentliche Ruhezeit von mehr als 45 Stunden als Ausgleich für eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit zu verbringen“.

124.

Außerdem muss nach Unterabs. 2 dieser Bestimmung in Verbindung mit Art. 1 Nr. 6 Buchst. a dieser Verordnung der Fahrer, wenn er zwei aufeinanderfolgende reduzierte wöchentliche Ruhezeiten eingelegt hat, in der Lage sein, in der dritten Woche zurückzukehren, um die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit von mehr als 45 Stunden, die als Ausgleich eingelegt wird, zu nehmen.

125.

Meines Erachtens geht aus dem Wortlaut dieser Bestimmung klar hervor, dass sie sich nicht an die Fahrer, sondern an die Verkehrsunternehmen richtet, indem sie ihnen vorschreibt, die Arbeit der Fahrer so zu planen, dass diese je nach Fall die Möglichkeit haben, ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit entweder an der Betriebsstätte des Arbeitgebers oder am Wohnsitz des Fahrers zu beginnen.

126.

Daraus folgt, dass die sich aus der in Rede stehenden Bestimmung ergebende Verpflichtung zweifellos den Verkehrsunternehmern obliegt. Es handelt sich um eine Organisationspflicht in dem Sinne, dass der Verkehrsunternehmer verpflichtet ist, die Rückkehr des Fahrers an einen der beiden angegebenen Orte, nämlich die Betriebsstätte des Unternehmens oder den Wohnsitz des Fahrers, zu planen. Außerdem ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, dass die Verpflichtung des Verkehrsunternehmens auf die Organisation der Rückkehr an einen dieser beiden Orte beschränkt ist und sich daher nicht auf andere Orte erstreckt.

127.

Unter diesen Umständen hat die dem Verkehrsunternehmer durch die in Rede stehende Bestimmung auferlegte Verpflichtung keine Auswirkung auf die Freiheit des Fahrers, den Ort zu wählen, an dem er seine Ruhezeit beginnen und verbringen möchte. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung muss der Fahrer die Möglichkeit haben, seine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit an einem dieser beiden Orte zu beginnen, ist dazu aber sicher nicht verpflichtet. Den Fahrern steht es daher frei, ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit an dem Ort, an dem sie dies wünschen, zu beginnen und zu verbringen, was jedoch keinen Einfluss auf die Organisationspflicht des Verkehrsunternehmens hat.

128.

Die Tragweite der in Rede stehenden Bestimmung, wie sie in den beiden vorstehenden Nummern beschrieben ist, ergibt sich im Übrigen nicht nur ausdrücklich aus ihrem Wortlaut, sondern wird durch den 14. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054 bestätigt. Aus diesem Erwägungsgrund geht nämlich zum einen ausdrücklich hervor, dass die „Verkehrsunternehmen die Arbeit der Fahrer … planen“ und „Verpflichtungen zur Organisation der regelmäßigen Rückkehr“ haben. Dieser Erwägungsgrund bestätigt somit, dass diese Verpflichtung dem Verkehrsunternehmer obliegt. Zum anderen heißt es in diesem Erwägungsgrund, dass „[d]ie Rückkehr … so organisiert werden [sollte], dass es möglich ist, eine Betriebsstätte des Verkehrsunternehmens im Mitgliedstaat seiner Niederlassung oder den Wohnsitz des Fahrers zu erreichen; den Fahrern sollte es freigestellt sein zu wählen, wo sie ihre Ruhezeit verbringen“ ( 90 ). Auch die Verwendung des Ausdrucks „dass es möglich ist“ bestätigt, dass diese Bestimmung nur eine Möglichkeit und keine Verpflichtung für die Fahrer vorsieht.

129.

Die vorstehenden Erwägungen erlauben es auch, auf das Vorbringen der Mitgliedstaaten zum angeblichen Mangel an Klarheit im Hinblick auf die Natur der Verpflichtung einzugehen. Zum einen ergibt sich nämlich aus den vorstehenden Ausführungen in Beantwortung der von der Republik Bulgarien geäußerten Zweifel, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer eine Ergebnispflicht in Bezug auf die Organisation der Rückkehr des Fahrers ist, nicht aber in Bezug auf die Rückkehr als solche, da es dem Fahrer freisteht, sich dafür zu entscheiden, nicht an einen der beiden angegebenen Orte zurückzukehren und seine Ruhezeit zu beginnen, wo er dies wünscht.

130.

Zum anderen geht in Beantwortung der ersten Rüge der Republik Polen aus diesen Erwägungen hervor, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 den Verkehrsunternehmern in keiner Weise vorschreibt, den Fahrer zu verpflichten, von der ihm gebotenen Rückkehrmöglichkeit Gebrauch zu machen, und somit keine Verpflichtungen auferlegt, die sie nicht erfüllen könnten, ohne das Grundrecht der Fahrer auf persönliche Freiheit zu verletzen.

131.

Aus diesen Erwägungen folgt auch, dass es entgegen dem, was die Republik Litauen in Betracht zieht, keine Sanktionen gegen den Fahrer geben kann, wenn die Rückkehr verweigert wird. Es kann auch keine Sanktion gegen den Verkehrsunternehmer geben, falls der Fahrer nicht zurückkehrt, wenn dieser Verkehrsunternehmer der ihm obliegenden Organisationspflicht nachgekommen ist.

132.

Außerdem legt, wie sowohl die Republik Litauen als auch die Republik Polen ausführen, Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 weder die Modalitäten der Rückkehr des Fahrers noch das Beförderungsmittel fest, das der Fahrer für die Rückkehr benutzt. Diese Entscheidung des Gesetzgebers schafft jedoch keine Rechtsunsicherheit, sondern soll den Verkehrsunternehmern die Flexibilität einräumen, die erforderlich ist, um die Rückkehr des Fahrers in der im Hinblick auf die Kosten vernünftigsten Weise zu organisieren, unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Unternehmens und seiner organisatorischen Modalitäten.

133.

Mit ihrer zweiten Rüge macht die Republik Polen ferner geltend, es sei unklar, ob der Rückkehr an den Wohnsitz die Rückkehr an die Betriebsstätte vorausgehen müsse. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es nach dem Wortlaut von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 möglich ist, dass der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nachkommt, die Rückkehr des Fahrers möglich zu machen, indem er den Fahrer auffordert, zu seiner Betriebsstätte in den Niederlassungsmitgliedstaat zurückzukehren. Im Rahmen des Arbeitsvertrags kann das Verkehrsunternehmen als Arbeitgeber den Fahrer stets verpflichten, während seiner Arbeitszeit ( 91 ) an die Betriebsstätte zurückzukehren, bevor dieser seine Ruhezeit beginnt.

134.

Hierzu ist erstens festzustellen, dass das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Verkehrsunternehmer und Fahrer durch das auf den Arbeitsvertrag anwendbare nationale Arbeitsrecht geregelt wird. Die Modalitäten der Abhängigkeit sind daher im Einklang mit diesem Recht zu bestimmen. Zweitens verbietet es die Verordnung 2020/1054 nicht, dass der Arbeitgeber den Fahrer verpflichtet, zur Betriebsstätte zurückzukehren, sofern eine solche Verpflichtung während der Arbeitszeit auferlegt wird und nicht in die Ruhezeiten des Fahrers eingreift. Diese Verpflichtung berührt jedoch nicht das Recht des Fahrers, den Ort zu wählen, an dem er seine Ruhezeit verbringen möchte. Drittens verpflichtet Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 den Verkehrsunternehmer nicht dazu, den Fahrer zu verpflichten, zur Betriebsstätte zurückzukehren, um der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer nachkommen zu können. In dieser Bestimmung wird das Wort „oder“ und nicht das Wort „und“ verwendet. Sie lässt dem Verkehrsunternehmer die Flexibilität bei der Wahl des einen oder des anderen dort genannten Zielorts.

135.

Zur Rüge der Republik Litauen, der Begriff „Wohnsitz“ sei nicht klar definiert, genügt der Hinweis, dass sich nach ständiger Rechtsprechung der Wohnsitz danach bestimmt, wo sich der gewöhnliche Mittelpunkt der Interessen des Betroffenen befindet ( 92 ). Aus dieser Definition ergibt sich, dass sich der Begriff des „Wohnsitzes“ auf einen bestimmten Ort bezieht und nicht, wie von diesem Mitgliedstaat in Betracht gezogen, das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erfasst. Was die besondere Situation der Fahrer aus Drittstaaten betrifft, kann im Licht der oben in Nr. 118 angeführten Rechtsprechung und der Ausführungen unten in den Nrn. 142 und 143 nicht geltend gemacht werden, dass der Umstand, dass die in Rede stehende Bestimmung diese Situation nicht regelt, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit darstellt. Diese Situation kann auf nationaler Ebene geregelt werden. Jedenfalls erscheint es nicht sinnvoll, die den Verkehrsunternehmern obliegende Rückkehrverpflichtung so weit auszudehnen, dass ihnen Rückfahrten aus der Europäischen Union hinaus auferlegt werden. Insoweit weise ich darauf hin, dass es, wie ich in der vorstehenden Nummer ausgeführt habe, dem Verkehrsunternehmen freisteht, zwischen den beiden in der in Rede stehenden Bestimmung genannten Orten zu wählen, so dass, wenn sich die Rückkehr zum Wohnsitz als wirtschaftlich nicht vertretbar erweisen sollte, dieses Unternehmen der Verpflichtung immer noch dadurch nachkommen kann, dass es die Rückkehr zur Betriebsstätte organisiert.

136.

Mit ihrer dritten Rüge macht die Republik Polen geltend, Art. 1 Nr. 6 Buchst d Unterabs. 3 der Verordnung 2020/1054 sei hinsichtlich der Art und Weise, in der die Verkehrsunternehmer nachweisen müssten, dass sie ihre in den vorstehenden Unterabsätzen vorgesehene Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer erfüllten, unklar.

137.

Insoweit weise ich darauf hin, dass Unterabs. 3 dieser Bestimmung vorsieht, dass „[d]as Unternehmen dokumentiert, wie es diese Verpflichtung erfüllt, und es bewahrt die betreffenden Unterlagen in seinen Geschäftsräumen auf, damit sie auf Verlangen der Kontrollbehörden vorgelegt werden können“.

138.

Hierzu heißt es im 14. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054, dass „[f]ür den Nachweis, dass das Verkehrsunternehmen seinen Verpflichtungen zur Organisation der regelmäßigen Rückkehr nachkommt, … das Verkehrsunternehmen auf Fahrtenschreiberaufzeichnungen, Dienstpläne der Fahrer oder andere Unterlagen zurückgreifen können [sollte]. Diese Belege sollten in den Geschäftsräumen des Verkehrsunternehmens verfügbar sein, damit sie auf Verlangen der Kontrollbehörden vorgelegt werden können“.

139.

Die Republik Polen macht im Wesentlichen geltend, dass die mangelnde Bestimmtheit der in diesem Unterabs. 3 enthaltenen Regelung die Verkehrsunternehmen daran hindere, sie durchzuführen. Dieser Mitgliedstaat weist insbesondere auf die Zweifel hinsichtlich der Aufzeichnungen des Fahrtenschreibers, die verwendet werden könnten, um die Einhaltung der Rückkehrverpflichtung des Fahrers zu dokumentieren, sowie auf die mangelnde Festlegung der Aufbewahrungsdauer der Dokumente, die diese Einhaltung nachweisen könnten, hin.

140.

Aus der Auslegung der in Rede stehenden Bestimmung im Licht des einschlägigen Teils des 14. Erwägungsgrundes der Verordnung 2020/1054 ergibt sich jedoch, dass der Unionsgesetzgeber den Verkehrsunternehmern einen Flexibilitätsspielraum einräumen wollte, indem er ihnen die Möglichkeit einräumte, die Einhaltung der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer unter Verwendung aller einschlägigen Unterlagen nachzuweisen. Diese Flexibilität hinsichtlich der Art und Weise, wie die Einhaltung dieser Verpflichtung nachzuweisen ist, steht im Übrigen im Einklang mit der Flexibilität, die der Unionsgesetzgeber, wie sich aus der vorstehenden Nr. 132 ergibt, den Verkehrsunternehmern geboten hat, um die Rückkehr des Fahrers zu den Verkehrsunternehmern in der in wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht vernünftigsten Weise zu organisieren.

141.

Insoweit bedeutet der Umstand, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d Unterabs. 3 der Verordnung 2020/1054 nicht festlegt, wie die Verkehrsunternehmer nachweisen müssen, dass sie ihrer Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer nachkommen, nicht, dass diese Bestimmung gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstößt.

142.

Erstens sind nämlich, wie sich aus der oben in den Nrn. 118 bis 120 angeführten Rechtsprechung ergibt, die Erfordernisse des Grundsatzes der Rechtssicherheit nicht dahin zu verstehen, dass sie gebieten, dass in einer Norm immer die verschiedenen konkreten Fälle genannt werden, auf die sie angewandt werden kann, sofern der Gesetzgeber nicht alle diese Fälle im Voraus bestimmen kann. Eine Bestimmung wie Art. 1 Nr. 6 Buchst. d Unterabs. 3 der Verordnung 2020/1054, die auf eine Vielzahl unterschiedlicher Sachverhalte anwendbar ist, kann oder muss nicht im Einzelnen angeben, auf welche Sachverhalte sie Anwendung findet.

143.

Zweitens ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Durchführung einer Verordnung erlassen können, auch wenn diese Verordnung sie dazu nicht ausdrücklich ermächtigt, wenn sie deren unmittelbare Anwendbarkeit nicht vereiteln, deren unionsrechtliche Natur nicht verbergen und die Ausübung des ihnen durch die betreffende Verordnung verliehenen Wertungsspielraums innerhalb der Grenzen dieser Vorschriften konkretisieren ( 93 ). Daraus folgt, dass die Mitgliedstaaten, wenn sie es für erforderlich halten, diese Bestimmung zu integrieren und den Verkehrsunternehmern weitere Angaben zu machen, dies innerhalb dieser Grenzen tun können, wobei sie jedoch die Flexibilität zu wahren haben, die diese ihnen hinsichtlich der Art und Weise des Nachweises der Erfüllung der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer einräumt.

144.

Drittens ist es, sofern es an einer präzisen Regelung auf Unionsebene oder auf nationaler Ebene hinsichtlich der Art und Weise, in der die Verkehrsunternehmer nachweisen müssen, dass sie ihre Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer erfüllen, fehlt, Sache der Verkehrsunternehmer selbst, im Rahmen der vom Unionsgesetzgeber gebotenen Flexibilität, eine zuverlässige Methode festzulegen, mit der die Einhaltung der Anforderung, die sich aus dieser Vorschrift ergibt, sichergestellt werden kann ( 94 ).

145.

Was sodann das Vorbringen der Republik Bulgarien betrifft, wonach die vom Rat und vom Parlament in ihren Schriftsätzen vor dem Gerichtshof vorgeschlagene Auslegung sich von derjenigen unterscheide, die sie in früheren Dokumenten vorgeschlagen hätten, bezieht sich dieser Mitgliedstaat auf Zwischenhandlungen, die diese Organe während des Gesetzgebungsverfahrens erlassen haben, deren Zweck allein darin besteht, den Erlass eines endgültigen Rechtsakts vorzubereiten, ohne den Standpunkt, den das in Rede stehende Organ einnehmen wird, endgültig festzulegen ( 95 ), und die daher keine Rechtsunsicherheit schaffen können. Auch die von der Kommission auf der Website der GD „Mobilität und Verkehr“ veröffentlichten Dokumente mit dem Titel „Fragen und Antworten zur Umsetzung des Mobilitätspakets“, auf die sowohl die Republik Bulgarien als auch die Republik Polen Bezug genommen haben, haben keinen rechtlich verbindlichen Charakter ( 96 ) und können somit nicht belegen, dass die beanstandete Bestimmung den Erfordernissen der Rechtssicherheit nicht genügt.

146.

Was schließlich die auf nationaler Ebene vorgenommenen Auslegungen der in Rede stehenden Bestimmung betrifft, auf die sich die Republik Litauen und die Republik Bulgarien berufen, sowie den Bericht der belgischen Polizei, den die Republik Bulgarien als Beweis für das Fehlen von Rechtssicherheit vorgelegt hat, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die von diesen Mitgliedstaaten vorgelegten Informationen und insbesondere dieses letztere Dokument in Ermangelung anderer Belege nicht die Feststellung erlauben, ob in den genannten Fällen die Geldbußen auf der Grundlage einer zutreffenden oder fehlerhaften Auslegung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 verhängt wurden. Zum anderen kann, selbst wenn in den genannten Fällen Geldbußen auf der Grundlage einer unrichtigen Auslegung dieser Bestimmung verhängt worden wären, eine etwaige fehlerhafte Anwendung der in Rede stehenden Bestimmung als solche keinen Mangel an Rechtssicherheit belegen. Es könnte sich nämlich um einfache Fehler der nationalen Behörden bei der Anwendung dieser Bestimmung handeln, die unter Heranziehung der in den fraglichen nationalen Rechtsordnungen zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe berichtigt werden könnten.

147.

Nach alledem sind meines Erachtens die von der Republik Litauen, der Republik Bulgarien und der Republik Polen geltend gemachten Klagegründe eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 zurückzuweisen.

148.

Aus der oben in den Nrn. 125 bis 129 angeführten Auslegung der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer ergibt sich auch, dass es im Einklang mit den Ausführungen oben in den Nrn. 102 und 108 meines Erachtens nicht erforderlich sein wird, dass der Gerichtshof die anderen von der Republik Bulgarien geltend gemachten Klagegründe im Hinblick auf diese Bestimmung der Verordnung 2020/1054 in der Sache prüft.

149.

Ebenso scheint die Republik Litauen sowohl in ihrer Erwiderung ( 97 ) als auch in der mündlichen Verhandlung den Umfang ihrer Klage gegen diese Bestimmung auf den Fall beschränkt zu haben, dass der Gerichtshof entscheiden sollte, dass diese Bestimmung den Fahrern eine Rückkehrverpflichtung auferlegt, was, wie in den vorstehenden Nummern der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, nicht der Fall ist. Unter diesen Umständen bin ich der Ansicht, dass der Gerichtshof auch die anderen von der Republik Litauen geltend gemachten Klagegründe nicht im Hinblick auf diese Bestimmung der Verordnung 2020/1054 in der Sache prüfen sollte.

150.

Folglich werde ich im Folgenden die von diesen beiden Mitgliedstaaten gegen die in Rede stehende Bestimmung vorgebrachten Klagegründe nur hilfsweise prüfen.

c)   Zum Verstoß gegen die vom AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten

1) Vorbringen der Parteien

151.

In ihren Klagen machen die Republik Litauen (Rechtssache C‑541/20), die Republik Bulgarien (Rechtssache C‑543/20) und Rumänien (Rechtssache C‑546/20), insoweit unterstützt durch die Republik Lettland, geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 gegen mehrere durch den AEU-Vertrag garantierte Grundfreiheiten verstoße.

152.

Erstens macht die Republik Litauen geltend, Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 verletze die in Art. 45 AEUV vorgesehene Freizügigkeit der Arbeitnehmer und das Recht der Fahrer, frei über ihre Ruhezeiten zu verfügen, da er die verpflichtende Rückkehr der Fahrer an ihren Wohnsitz oder an die Betriebsstätte des Unternehmens vorschreibe, ohne die Möglichkeit vorzusehen, dass die Fahrer selbst wählen könnten, wo sie ihre Ruhezeit verbringen wollten. Ebenso macht die Republik Litauen einen Verstoß gegen Art. 26 AEUV geltend. Die Republik Bulgarien macht in diesem Sinne einen Verstoß gegen Art. 21 Abs. 1, Art. 45 AEUV und Art. 45 Abs. 1 der Charta geltend.

153.

Zweitens macht Rumänien, insoweit unterstützt durch die Republik Lettland, geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 die Niederlassungsfreiheit ungerechtfertigt einschränke und somit gegen Art. 49 AEUV verstoße.

154.

Nach Ansicht Rumäniens führt diese Bestimmung für die Kraftverkehrsunternehmer zum einen zu neuen Verwaltungspflichten hinsichtlich des Nachweises der regelmäßigen Rückkehr der Kraftfahrer und zum anderen zu höheren Kosten und Einnahmeverlusten. Über die zusätzlichen Kosten hinaus, die die Einhaltung der neuen Beweisanforderungen mit sich bringe, müssten die Verkehrsunternehmer nämlich die Kosten der Fahrten der Fahrer sowie einen Rückgang der Einnahmen im Hinblick auf die Zeiträume tragen, in denen die Fahrer aufgrund ihrer normalerweise leeren Rückkehr keine gewinnbringende Tätigkeit ausübten. Da es sich bei den meisten Verkehrsunternehmern um kleine und mittlere Unternehmen (KMU) handele, habe die Notwendigkeit, diese Bestimmung einzuhalten, noch größere Auswirkungen.

155.

Daraus folge, dass die Gründung eines Unternehmens in einem Staat an der geografischen Peripherie der Union weniger rentabel sei als die Gründung eines Unternehmens in einem mittel- und westeuropäischen Staat, und zwar im Hinblick auf die Kosten der alle vier Wochen für die Organisation der Rückkehr aus den Ländern, in denen sich die Verkehrsnachfrage konzentriere, über Tausende von zusätzlichen Kilometern durchgeführten Fahrten sowie die oben genannten zusätzlichen Verwaltungskosten und Einnahmeverluste.

156.

So schaffe Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 insbesondere dadurch, dass er je nach Mitgliedstaat unterschiedliche Kosten verursache, zum einen für die in den Mitgliedstaaten an der geografischen Peripherie der Union niedergelassenen Verkehrsunternehmen einen Anreiz, Tochtergesellschaften oder Zweigniederlassungen in den Mitgliedstaaten Mittel- und Westeuropas zu gründen oder sogar ihre Tätigkeit zu verlagern. Diese Verlagerung beruhe jedoch nicht auf einer wirklichen Entscheidung der Unternehmen. Diese seien angesichts der neuen Bedingungen zur Verlagerung gezwungen. Zum anderen habe diese Bestimmung eine abschreckende Wirkung auf die in den mittel- und westeuropäischen Mitgliedstaaten ansässigen Wirtschaftsteilnehmer in Bezug auf die Gründung von Gesellschaften in den Mitgliedstaaten an der geografischen Peripherie der Union. Diese Bestimmung sei zwar unterschiedslos anwendbar, beeinträchtige aber den Marktzugang von Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten.

157.

Im Rahmen seines auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gestützten Vorbringens macht Rumänien ferner geltend, dass die Verpflichtung der Verkehrsunternehmer, ihre Tätigkeit so zu planen, dass die Ruhezeiten den Anforderungen von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 entsprächen, zu ungerechtfertigten Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs führen könne.

158.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, alle diese Klagegründe zurückzuweisen.

2) Würdigung

159.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass das Verbot von Beschränkungen der vom AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten nicht nur für nationale Maßnahmen, sondern auch für Maßnahmen der Unionsorgane gilt ( 98 ).

160.

Daraus folgt, dass die in Rede stehende Maßnahme, d. h. die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer, die von den klagenden Mitgliedstaaten angeführten Bestimmungen des AEU-Vertrags beachten muss.

161.

Was zunächst die von der Republik Litauen geltend gemachten Klagegründe eines Verstoßes gegen die Art. 26 und 45 AEUV und die von der Republik Bulgarien geltend gemachten Klagegründe eines Verstoßes gegen Art. 21 Abs. 1, Art. 45 AEUV und Art. 45 Abs. 1 der Charta betrifft, so stützen sie sich alle ausdrücklich auf eine Auslegung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054, wonach diese Bestimmung die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrer an ihren Wohnsitz oder an die Betriebsstätte des Unternehmens vorschreibt, ohne die Möglichkeit vorzusehen, dass die Fahrer selbst wählen können, wo sie ihre Ruhezeit verbringen wollen. Aus den vorstehenden Nrn. 125 bis 129 geht jedoch hervor, dass dies nicht die Tragweite dieser Bestimmung ist. Folglich sind alle diese Klagegründe, da sie auf einem falschen Verständnis der in Rede stehenden Bestimmung beruhen, als unbegründet zurückzuweisen.

162.

Was sodann den von Rumänien geltend gemachten Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 49 AEUV betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung als Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit alle Maßnahmen anzusehen sind, die die Ausübung der in Art. 49 AEUV garantierten Freiheit unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen ( 99 ).

163.

Insbesondere geht der Begriff der Beschränkung (oder Behinderung) über eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit hinaus und umfasst Maßnahmen, die, obwohl sie unterschiedslos anwendbar sind, den Marktzugang für Wirtschaftsteilnehmer aus Mitgliedstaaten beeinträchtigen und damit den innergemeinschaftlichen Handel behindern ( 100 ). Eine solche Beschränkung liegt u. a. vor, wenn der Marktzugang im Aufnahmemitgliedstaat durch die in Rede stehende Maßnahme erschwert wird ( 101 ) oder wenn den Wirtschaftsteilnehmern der Zugang zum Markt dieses Aufnahmemitgliedstaats unter normalen und wirksamen Wettbewerbsbedingungen verwehrt wird ( 102 ).

164.

Außerdem unterscheidet sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Niederlassungsfreiheit von der Dienstleistungsfreiheit in erster Linie durch die Stabilität und Kontinuität der betreffenden Tätigkeit im Gegensatz zu einer zeitlich begrenzten Tätigkeit ( 103 ).

165.

Der Begriff der „Niederlassung“ im Sinne der Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit impliziert die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung im Aufnahmemitgliedstaat auf unbestimmte Zeit. Daher setzt er eine tatsächliche Ansiedlung des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers und die Ausübung einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem Mitgliedstaat voraus ( 104 ).

166.

Nach gefestigter Rechtsprechung ist schließlich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nur dann zulässig, wenn sie erstens aus einem zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und zweitens verhältnismäßig ist, was bedeutet, dass sie geeignet sein muss, die Erreichung der verfolgten Zielsetzung in kohärenter und systematischer Weise zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen darf, was hierzu erforderlich ist ( 105 ).

167.

Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Bestimmung, die die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer vorsieht, unterschiedslos für jedes Verkehrsunternehmen gilt, das Beförderungen im Straßenverkehr durchführt, die in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 561/2006 fallen ( 106 ).

168.

Diese Bestimmung als solche regelt weder noch beschränkt sie in irgendeiner Weise die Freiheit der in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmer, sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, z. B. durch die Gründung von Agenturen oder anderen Niederlassungen in diesem Hoheitsgebiet.

169.

Das Recht, sich gegebenenfalls durch die Gründung von Tochtergesellschaften in jedem Mitgliedstaat seiner Wahl niederzulassen, um die Arbeit im Einklang mit der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer optimal zu organisieren, wird hingegen jedem Verkehrsunternehmen durch Art. 49 AEUV garantiert, der, wie oben aus Nr. 47 hervorgeht, unmittelbar für den Straßenverkehrssektor gilt und in diesem Sektor durch die Verordnung Nr. 1071/2009 umgesetzt wurde.

170.

Im Übrigen bestätigt Rumänien selbst, dass diese Bestimmung die Möglichkeit für Verkehrsunternehmen eines Mitgliedstaats, sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, nicht einschränkt, wenn es im Rahmen seines Vorbringens ausführt, dass diese Verpflichtung die in Rumänien niedergelassenen Verkehrsunternehmen dazu veranlassen werde, Tochtergesellschaften und Zweigniederlassungen in anderen Mitgliedstaaten zu gründen.

171.

Gleichwohl ist diese Verpflichtung laut diesem Mitgliedstaat geeignet, den Verkehrsunternehmern je nach Mitgliedstaat unterschiedliche Kosten aufzuerlegen, was zum einen die in den peripheren Mitgliedstaaten der Union ansässigen Verkehrsunternehmen dazu zwinge, sich in die Mitgliedstaaten Mittel- und Westeuropas zu verlagern, und zum anderen eine abschreckende Wirkung auf die in den letztgenannten Mitgliedstaaten ansässigen Wirtschaftsteilnehmer habe, sich in den peripheren Mitgliedstaaten niederzulassen. Daraus folge, dass diese Verpflichtung den Zugang zum Markt anderer Mitgliedstaaten durch diese Niederlassungen erschwere.

172.

Insoweit weise ich darauf hin, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer, auch wenn sie unterschiedslos für Unternehmen gilt, die Beförderungen im Straßenverkehr in dem oben in Nr. 167 genannten Sinn durchführen, zweifellos einen größeren Einfluss auf die Verkehrsunternehmen haben kann, deren Fahrer lange Fahrten außerhalb ihres Dienstortes oder Wohnsitzes zurücklegen.

173.

Meines Erachtens bedeutet diese Feststellung jedoch keineswegs, dass die in Rede stehende Bestimmung dadurch die Niederlassungsfreiheit dieser Unternehmen nach Art. 49 AEUV verletzen würde, dass sie diesen Unternehmen die Möglichkeit, unter normalen und wirksamen Wettbewerbsbedingungen Zugang zu den Märkten anderer Mitgliedstaaten zu erhalten, wie in der oben in Nr. 163 angeführten Rechtsprechung dargelegt, nähme.

174.

Wie der Rat zutreffend ausgeführt hat, sind die organisatorischen, administrativen und wirtschaftlichen Nachteile, die sich aus der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer ergeben, die Rumänien im Rahmen seines Vorbringens geltend macht – nämlich die Kosten der von den Fahrern für ihre Rückkehr unternommenen Fahrten, etwaige Einnahmeverluste und zusätzliche Verwaltungskosten – eher die Folge der Tatsache, dass sich ein Verkehrsunternehmen aus ihm eigenen wirtschaftlichen Gründen dafür entschieden hat, sich in einem Mitgliedstaat an der Peripherie der Union niederzulassen und seine Tätigkeiten jedoch ständig oder überwiegend in anderen, entfernten Mitgliedstaaten auszuüben, in denen es den wesentlichen Teil seiner Verkehrsdienstleistungen erbringt.

175.

Die in Rede stehende Bestimmung schränkt jedoch keineswegs die Freiheit dieses Unternehmens ein, sich in diesen Mitgliedstaaten niederzulassen, indem es sich dort ansiedelt und dort die Tätigkeit eines Verkehrsunternehmers mittels einer festen Einrichtung auf unbestimmte Zeit tatsächlich ausübt. Trotz dieser Verpflichtung steht es diesen Unternehmen nämlich immer noch frei, sich in jedem Mitgliedstaat ihrer Wahl niederzulassen, wenn sie dies wünschen. Diese Bestimmung ist allenfalls geeignet, ein Wirtschaftsmodell wie das in der vorstehenden Nummer dargelegte weniger attraktiv zu machen.

176.

Selbst wenn man aber annähme, dass diese Bestimmung geeignet gewesen wäre, die Erbringung von Verkehrsdienstleistungen, die unter das oben genannte Geschäftsmodell fallen, weniger attraktiv zu machen, würde dies keinen Verstoß gegen die Vorschriften des AEU-Vertrags im Bereich der Grundfreiheiten darstellen. Wie nämlich oben in den Nrn. 44 ff. im Einzelnen ausgeführt, unterliegt der freie Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs einer Sonderregelung. Die Verkehrsunternehmer haben ein Recht auf Dienstleistungsfreiheit im Bereich Verkehr (hier: Straßenverkehr) ausschließlich insoweit, als dieses Recht durch vom Unionsgesetzgeber im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik erlassene Maßnahmen des abgeleiteten Rechts gewährt wurde.

177.

Unter diesen Umständen ist der Unionsgesetzgeber durchaus berechtigt, durch die Anpassung eines Gesetzgebungsakts zur Verbesserung des sozialen Schutzes der betroffenen Arbeitnehmer die Bedingungen zu ändern, unter denen die Dienstleistungsfreiheit im Bereich des Straßenverkehrs ausgeübt wird, da der Grad der Liberalisierung nach Art. 58 Abs. 1 AEUV nicht unmittelbar durch Art. 56 AEUV, sondern, wie oben in den Nrn. 45 und 46 dargelegt, vom Unionsgesetzgeber selbst im Rahmen der Durchführung der gemeinsamen Verkehrspolitik bestimmt wird.

178.

Insoweit weise ich darauf hin, dass der Gerichtshof bereits hervorgehoben hat, dass die vom Unionsgesetzgeber u. a. auf dem Gebiet des freien Dienstleistungsverkehrs erlassenen Maßnahmen nicht nur bezwecken können, die Ausübung dieser Freiheit zu erleichtern, sondern gegebenenfalls auch, den Schutz anderer von der Union anerkannter grundlegender Interessen zu gewährleisten, die durch diese Freiheit beeinträchtigt werden können ( 107 ).

179.

In diesem Zusammenhang weise ich insbesondere auf Art. 9 AEUV hin, wonach der Gesetzgeber bei der Festlegung und Durchführung seiner Politik und seiner Maßnahmen der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes Rechnung trägt.

180.

Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber im Rahmen der zur Durchführung der gemeinsamen Verkehrspolitik erlassenen Maßnahmen sehr wohl Maßnahmen erlassen kann, um der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die Fahrer, die sich aus einem Geschäftsmodell wie dem oben in Nr. 174 dargelegten ergibt, entgegenzuwirken, um diesen Fahrern einen angemessenen sozialen Schutz zu gewährleisten, wobei der Unionsgesetzgeber berechtigt ist, die betroffenen Interessen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit abzuwägen. Die Frage der Einhaltung dieses Grundsatzes wird im folgenden Abschnitt behandelt.

181.

Nach alledem verstößt Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 meines Erachtens entgegen dem Vorbringen Rumäniens weder gegen Art. 49 AEUV noch gegen die Bestimmungen des AEU-Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr. Folglich sind alle von den klagenden Mitgliedstaaten geltend gemachten Klagegründe eines Verstoßes gegen die vom AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten zurückzuweisen.

d)   Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

182.

In ihren Klagen machen die Republik Litauen (Rechtssache C‑541/20), die Republik Bulgarien (Rechtssache C‑543/20), Rumänien (Rechtssache C‑546/20) und die Republik Polen (Rechtssache C‑553/20) geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 nicht den Anforderungen genüge, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gemäß Art. 5 Abs. 4 EUV ergäben.

183.

Diese vier Mitgliedstaaten bestreiten zum einen die Verhältnismäßigkeit der in dieser Bestimmung vorgesehenen Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer als solche. Sie machen insbesondere geltend, dass diese Maßnahme zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten legitimen Ziele offensichtlich ungeeignet sei und über das hinausgehe, was zur Erreichung dieser erklärten Ziele erforderlich sei.

184.

Zum anderen beanstanden Rumänien und die Republik Polen auch die vom Unionsgesetzgeber vorgenommene Prüfung der Verhältnismäßigkeit und insbesondere das Fehlen einer Folgenabschätzung zur endgültigen Fassung der Bestimmung, wie sie letztlich erlassen wurde.

185.

Diese beiden Aspekte sind getrennt zu prüfen.

1) Zu den Klagegründen in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer

i) Vorbringen der Parteien

186.

Erstens machen die Republik Litauen, die Republik Bulgarien, Rumänien und die Republik Polen geltend, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer angesichts ihrer negativen Auswirkungen auf die Fahrer nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sei.

187.

Als Erstes tragen diese vier Mitgliedstaaten vor, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, da sie dadurch, dass sie das Recht der Fahrer einschränke, selbst zu wählen, wo sie ihre Ruhezeit verbringen wollten, und damit ihre Freizügigkeit beeinträchtige, eine offensichtlich ungeeignete Maßnahme sei, die über das hinausgehe, was zur Erreichung des Ziels, der Verbesserung der Bedingungen, unter denen Arbeitnehmer sich erholen könnten, erforderlich sei. In diesem Rahmen macht die Republik Polen geltend, dass diese Verpflichtung somit gegen Art. 4 Buchst. f der Verordnung Nr. 561/2006 verstoße, wonach der Ausdruck „,Ruhepause‘ jeden ununterbrochenen Zeitraum, in dem ein Fahrer frei über seine Zeit verfügen kann“ bezeichne. Die Republik Polen macht ferner geltend, der Unionsgesetzgeber habe in der in Rede stehenden Bestimmung willkürlich die Orte bestimmt, an denen die Fahrer ihre Ruhezeit nehmen müssten.

188.

Als Zweites machen die vier Mitgliedstaaten geltend, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer eine höhere Zahl von Fahrten mit sich bringe, die zur Ermüdung der Fahrer führten, die in die Mitgliedstaaten an der geografischen Peripherie der Union zurückkehren müssten. Das durch diese Verpflichtung verursachte Ungleichgewicht für den Fahrer beeinträchtige ihre Gesundheit und ihre Arbeitsfähigkeit angesichts der Erschöpfung, die der intensive Rhythmus der Rückkehr bei ihnen verursache. Dies hätte auch negative Auswirkungen auf die Sicherheit des Straßenverkehrs. Daraus folge, dass die in Rede stehende Maßnahme nicht geeignet sei, die Ziele der Verordnung 2020/1054 zu erreichen, die Arbeitsbedingungen der Fahrer in der Union und die Straßenverkehrssicherheit zu verbessern.

189.

Als Drittes macht Rumänien geltend, obwohl eines der Ziele der Verordnung 2020/1054, wie sich aus ihrem ersten Erwägungsgrund ergebe, darin bestehe, qualifizierte Arbeitskräfte im Straßenverkehr anzuziehen, laufe, weil Verkehrsunternehmen wegen der mit der neuen Verpflichtung verbundenen Kosten zwangsweise verlagert würden, eine große Zahl von ihnen in Wirklichkeit Gefahr, ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder in einen anderen Mitgliedstaat auswandern zu müssen, um die Tätigkeit, für die sie qualifiziert seien, weiterhin ausüben zu können. Nach den Informationen, die Rumänien zur Verfügung stünden, beabsichtigten mehr als 45 % der Verkehrsunternehmen in Rumänien, Gesellschaften oder Tochtergesellschaften zu gründen oder ihre Tätigkeit in andere Staaten Westeuropas zu verlagern, um die negativen Auswirkungen der Maßnahmen des ersten Mobilitätspakets abzumildern. Diese negativen Auswirkungen entstünden in einem Sektor, der für die Volkswirtschaft von entscheidender Bedeutung sei, da die Güterkraftverkehrsdienstleistungen zu den Sektoren gehörten, die die wichtigsten rumänischen Ausfuhren erzeugten, und erheblich zum Gleichgewicht der nationalen Handelsbilanz beitrügen.

190.

Zweitens sind die Republik Bulgarien, Rumänien und die Republik Polen der Ansicht, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer im Hinblick auf ihre negativen Auswirkungen auf die Verkehrsunternehmer nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sei. Diese Verpflichtung verursache den Verkehrsunternehmern erhebliche finanzielle Kosten. Zum einen führe diese Verpflichtung zu Betriebskosten im Zusammenhang mit der Organisation der Rückkehr sowie zu Einkommensverlusten im Zusammenhang mit der Zeit für die Rückkehr in den Niederlassungsmitgliedstaat, in der die Fahrer, die leer reisten, keine gewinnbringende Tätigkeit ausübten, was zu einer Beschränkung der Geschäftstätigkeit und zu einem Rückgang der Einnahmen führe. Zum anderen würde die den Verkehrsunternehmern durch den dritten Unterabsatz der in Rede stehenden Bestimmung auferlegte Verpflichtung, zu dokumentieren, wie sie der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer nachkämen, auch erhebliche zusätzliche Belastungen mit sich bringen. Die Verkehrsunternehmer seien überwiegend KMU, für die alle diese Belastungen besonders schwerwiegend seien. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) habe auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Verfahren zu begrenzen, und der Europäische Ausschuss der Regionen (AdR) habe auch darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union größere Schwierigkeiten hätten, das Zentrum des Binnenmarkts zu erreichen. Außerdem sei die angefochtene Bestimmung in der Zeit der durch die Covid‑19-Pandemie ausgelösten Wirtschaftskrise erlassen worden, was ihre negativen Auswirkungen vergrößere.

191.

Drittens sind die Republik Bulgarien, Rumänien und die Republik Polen der Ansicht, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer im Hinblick auf ihre negativen Auswirkungen auf die Umwelt nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sei. Diese drei Mitgliedstaaten machen geltend, dass diese Verpflichtung die Planung zusätzlicher Fahrten für die Abfahrt und Rückkehr von Tausenden von Fahrern pro Tag impliziere. Die Fahrer, die aus Ländern an der geografischen Peripherie der Union kämen, seien objektiv verpflichtet, sehr weite Strecken zu reisen, die weit über die Strecken ihrer Kollegen in Mittel- und Westeuropa hinausgingen, wo der Großteil der Beförderungen in der Union stattfinde. Außerdem würden die Rückfahrten wahrscheinlich mit einer verringerten Ladung oder sogar ohne Ladung erfolgen, wodurch Tausende von Fahrzeugen gezwungen würden, leer zu reisen. Dieser erhebliche Anstieg der Zahl der Fahrten würde zu einer Erhöhung der CO2-Emissionen führen und erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben.

192.

Viertens machen die Republik Bulgarien, Rumänien und die Republik Polen geltend, dass es für die Fahrer und die Verkehrsunternehmer weniger belastende Alternativen gegeben hätte. Die Freiheit der Fahrer hätte gewahrt werden können, indem eine Verpflichtung der Verkehrsunternehmer vorgesehen worden wäre, die Rückkehr nur in den Fällen zu organisieren, in denen die Fahrer zurückkehren wollten. Auf diese Weise trügen die Verkehrsunternehmer keine übermäßigen zusätzlichen Kosten. Diese Alternative gewährleiste mehr Flexibilität und damit einen angemessenen Schutz der Rechte der Fahrer. Die Republik Polen bezieht sich speziell auf eine vom Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Parlaments vorgeschlagene Maßnahme in diesem Sinne.

193.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, alle diese Klagegründe zurückzuweisen.

ii) Würdigung

194.

Aus der oben in den Nrn. 52 ff. angeführten Rechtsprechung geht hervor, dass der Gerichtshof im vorliegenden Fall, um auf die Klagegründe eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 antworten zu können, prüfen muss, ob der Unionsgesetzgeber, indem er eine Verpflichtung vorsieht, die Verkehrsunternehmen vorschreibt, die Arbeit der Fahrer so zu planen, dass jeder Fahrer in der Lage ist, entweder zu der im Mitgliedstaat der Niederlassung des Arbeitgebers gelegenen Betriebsstätte des Arbeitgebers, der der Fahrer normalerweise zugeordnet ist, oder zu seinem Wohnsitz zurückzukehren, offensichtlich das ihm zustehende weite Ermessen, über das er im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik verfügt, überschritten hat ( 108 ), indem er sich für eine Maßnahme entschieden hat, die zur Erreichung der Ziele, die er verfolgen wollte, offensichtlich ungeeignet ist oder die Nachteile verursachte, die in unangemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen.

195.

Unter diesen Umständen sind zunächst die Ziele zu bestimmen, die mit der in Rede stehenden Regelung und insbesondere mit Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 verfolgt werden – Ziele, deren Rechtmäßigkeit von den klagenden Mitgliedstaaten nicht bestritten wird –, um anschließend die Klagegründe prüfen zu können, mit denen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht wird.

– Zu den Zielen der in Rede stehenden Regelung

196.

Die Verordnung 2020/1054 wurde im Rahmen des Mobilitätspakets angenommen, um den Rechtsrahmen im Bereich des Straßenverkehrs unter Berücksichtigung seiner besonderen Natur und insbesondere seines äußerst mobilen Charakters an die Entwicklungen im Straßenverkehrssektor ( 109 ) anzupassen.

197.

In diesem Rahmen nahm die Verordnung 2020/1054 Änderungen an der Verordnung Nr. 561/2006 vor, um drei als „politisch“ bezeichnete Ziele zu erreichen. So geht aus ihren Erwägungsgründen 1, 6 und 36 hervor, dass diese Verordnung erstens die Arbeitsbedingungen der Fahrer verbessern, zweitens einen unverfälschten und fairen Wettbewerb sowie faire Geschäftsbedingungen für Verkehrsunternehmen gewährleisten und drittens einen Beitrag zur Sicherheit im Straßenverkehr für alle Straßenverkehrsteilnehmer leisten soll.

198.

Diese Ziele sind eng miteinander verknüpft, wobei die sozialen Fragen und Wettbewerbsfragen eindeutig voneinander abhängig sind, da die Geschäftspraktiken, die es Wirtschaftsteilnehmern gestatten, einen unverhältnismäßigen Wettbewerbsvorteil zu erlangen, den Fahrern häufig ihre Grundrechte auf sozialen Schutz und angemessene Arbeitsbedingungen nehmen und die rechtswidrigen Praktiken auch das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts behindern ( 110 ).

199.

Wie sich aus der Folgenabschätzung – Sozialer Teil ergibt, sollten die legislativen Änderungen im Vorschlag für eine Arbeitszeitverordnung zu folgenden politischen Zielen beitragen, die sich aus dem AEU-Vertrag ergeben: nachhaltige Entwicklung des Binnenmarkts auf der Grundlage einer in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft (Art. 3 EUV), freier Dienstleistungsverkehr über die Grenzen hinaus (Art. 56 AEUV), Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Art. 151 AEUV) und Festlegung gemeinsamer, gerechter und sicherer Regeln für den internationalen Verkehr (Art. 91 AEUV) ( 111 ).

200.

In diesem Kontext dient die Bestimmung, die die Verpflichtung des Verkehrsunternehmers vorsieht, die Arbeit der Fahrer so zu planen, dass jeder Fahrer in der Lage ist, regelmäßig zur Betriebsstätte des Arbeitgebers, der der Fahrer normalerweise zugeordnet ist, oder zu seinem Wohnsitz zurückzukehren, wie aus dem 14. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054 hervorgeht, dem spezifischen Ziel, zu gewährleisten, dass Zeiträume der Abwesenheit der Fahrer vom Wohnsitz nicht übermäßig lang sind.

201.

Diese Bestimmung soll speziell dem Fehlen von Vorschriften über die Rückkehr von Fahrern an ihren Wohnsitz in der früheren Regelung abhelfen. Dieses Fehlen war zum einen als einer der Faktoren identifiziert worden, die zur Verschlechterung der sozialen Bedingungen der Fahrer beitragen. In der Folgenabschätzung hatte die Kommission nämlich festgestellt, dass die langen Zeiträume, die die Fahrer außerhalb ihres Wohnsitzes verbracht hätten, zum Stress und zur Ermüdung der Fahrer und letztlich zur Verschlechterung ihres Gesundheitszustands und zu einem Ungleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben beitrügen ( 112 ).

202.

Zum anderen wurden auch die fehlenden Bestimmungen über die Rückkehr der Fahrer als eines der Elemente identifiziert, die zu unterschiedlichen Auslegungen und Durchsetzungspraktiken in den Mitgliedstaaten geführt hatten ( 113 ).

203.

Somit fügt sich die Vorgabe der Verpflichtung der Verkehrsunternehmer betreffend die Rückkehr der Fahrer in das allgemeinere strategische Ziel der Verordnung 2020/1054 ein, gute Arbeitsbedingungen für die Fahrer zu gewährleisten und diese Bedingungen zu verbessern, ein Ziel, das seinerseits mit dem oben in Nr. 179 genannten Erfordernis zusammenhängt, einen angemessenen sozialen Schutz nach Art. 9 AEUV zu gewährleisten.

204.

In diesem Kontext trägt das Ziel der in Rede stehenden Maßnahme, das Gleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben der Fahrer und damit ihren Lebensstandard zu verbessern, angesichts des allgemeinen Mangels an qualifizierten Fahrern in der Union, ebenfalls zu dem Ziel bei, qualifizierte Arbeitskräfte anzuziehen ( 114 ). Wie aus der Folgenabschätzung hervorgeht, wird dieser Mangel zumindest teilweise durch die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen verursacht, die dem Image und der Attraktivität des Berufs des Kraftfahrers schadet ( 115 ).

205.

Schließlich fügt sich die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer angesichts des unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Gewährleistung einer angemessenen Ruhezeit für die Fahrer und der Straßenverkehrssicherheit auch in das strategische Ziel der Verordnung 2020/1054 ein, „einen Beitrag zur Sicherheit im Straßenverkehr für alle Straßenverkehrsteilnehmer zu leisten“ ( 116 ). Dieses strategische Ziel steht im Einklang mit dem in Art. 91 Abs. 1 Buchst. c AEUV genannten Ziel der Verbesserung der Verkehrssicherheit.

206.

Die von der Republik Litauen, der Republik Bulgarien, Rumänien und der Republik Polen geltend gemachten Klagegründe eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind daher im Licht der vorstehenden Erwägungen zu prüfen. Diese Mitgliedstaaten machen geltend, dass die in Rede stehende Bestimmung im Hinblick auf die negativen Auswirkungen, die sie erstens auf die Fahrer, zweitens auf die Verkehrsunternehmer, drittens auf die Umwelt und viertens in Bezug auf das Bestehen weniger einschneidender Alternativen habe, nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sei.

– Zu den negativen Auswirkungen auf die Fahrer

207.

Was erstens die Rüge anbelangt, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, da sie das Recht der Fahrer einschränke, zu wählen, wo sie ihre Ruhezeit verbringen wollten, beruht diese Rüge auf der falschen Prämisse, dass die in Rede stehende Bestimmung die Freiheit der Fahrer, ihre Ruhezeiten am Ort ihrer Wahl zu verbringen, einschränke. Aus den vorstehenden Nrn. 125 bis 129 geht nämlich hervor, dass diese Bestimmung keine Auswirkung auf die freie Wahl des Ortes hat, an dem die Fahrer ihre Ruhezeit verbringen wollen. Somit ist diese Rüge als unbegründet zurückzuweisen ( 117 ).

208.

Außerdem bin ich der Ansicht, dass auch die von der Republik Polen erhobene Rüge zurückzuweisen ist, wonach die beiden vom Gesetzgeber in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 gewählten alternativen Orte, nämlich die im Mitgliedstaat der Niederlassung des Arbeitgebers gelegene Betriebsstätte des Arbeitgebers, der der Fahrer normalerweise zugeordnet ist, und der Wohnsitz des Fahrers, willkürlich seien.

209.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass diese beiden Orte, wie der Rat hervorhebt, bereits in der Verordnung Nr. 561/2006, insbesondere in Art. 9 Abs. 2 und 3, selbst in der Fassung vor den Änderungen durch die Verordnung 2020/1054 als zwei Orte genannt wurden, die normalerweise mit dem Beginn oder dem Ende der Ruhezeit des Fahrers in Verbindung stehen ( 118 ). Daraus folgt, dass die Bezugnahme auf diese beiden Orte in der in Rede stehenden Bestimmung als Orte, an denen die Ruhezeit beginnt, keine Neuerung darstellt, sondern sich auf die bereits bestehende Regelung stützt.

210.

Was sodann speziell die Bezugnahme auf die Betriebsstätte, der der Fahrer normalerweise zugeordnet ist, betrifft, ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass sie dem Ort entspricht, an den sich der Fahrer bei normaler Ausübung seines Dienstes regelmäßig begibt, um ein mit einem Kontrollgerät ausgestattetes Fahrzeug zu übernehmen und zu lenken ( 119 ). Der Gerichtshof hat klargestellt, dass der Ort, dem der Fahrer konkret zugeordnet ist, die Einrichtung des Verkehrsunternehmens ist, von der aus er – im Rahmen der normalen Ausübung seines Dienstes und nicht auf besondere Weisung seines Arbeitgebers – regelmäßig seinen Dienst verrichtet und zu der er bei Beendigung des Dienstes zurückkehrt ( 120 ). Dieser Ort entspricht auch dem Ort nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und g der Verordnung Nr. 1071/2009, in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung, dem die Fahrer normalerweise zugeordnet sind und an den die Fahrzeuge regelmäßig zurückkehren.

211.

Es erscheint jedoch keineswegs willkürlich, dass der Gesetzgeber den Ort, dem der Fahrer konkret zugeordnet ist, an den er im Rahmen der normalen Ausübung seines Dienstes zurückkehrt, als einen der Orte gewählt hat, in Bezug auf den der Fahrer das Recht haben müsste, zurückkehren zu können, um seine Ruhezeit zu beginnen. Obwohl nämlich die Arbeit der Fahrer durch eine extreme Mobilität gekennzeichnet ist und diese daher veranlasst sind, Dienstleistungen an verschiedenen Orten zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu erbringen, ändert dies nichts daran, dass diese Arbeitnehmer dauerhaft einer Betriebsstätte zugeordnet sind, an die sie sich normalerweise begeben, um das Fahrzeug zu übernehmen und zurückzugeben. Dieser Ort stellt somit zweifellos einen Ort dar, der in einem tatsächlichen Zusammenhang mit dem Beginn und dem Ende der vom Fahrer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses mit seinem Arbeitgeber, dem Verkehrsunternehmer, angebotenen Dienstleistungen steht.

212.

Auch die Bezugnahme auf den Wohnsitz des Fahrers scheint nicht das Ergebnis einer willkürlichen Entscheidung zu sein. Aus der Definition des Begriffs „Wohnsitz“ in der oben in Nr. 135 angeführten Rechtsprechung ergibt sich, dass es sich um einen festen Ort handelt, an den sich der Fahrer aller Wahrscheinlichkeit nach regelmäßig begibt, um dort seine Ruhezeiten zu verbringen. Wenn der Fahrer gelegentlich wünschen kann, sich zu Freizeitzwecken oder zu anderen Zwecken an andere Orte zu begeben, kann er dies tun, ohne dass das Unternehmen verpflichtet wäre, ihm zu ermöglichen, sich an diese Orte zu begeben, die sich häufig ändern können. Dies ändert jedoch nichts an der Feststellung, dass der Wohnsitz zweifellos auch ein Ort ist, der in einem tatsächlichen Zusammenhang mit der Ruhezeit steht.

213.

Daraus folgt, dass es weder willkürlich noch offensichtlich unangemessen ist, dass der Gesetzgeber die Betriebsstätte und den Wohnsitz des Fahrers als die Orte gewählt hat, in Bezug auf die der Verkehrsunternehmer verpflichtet ist, die Rückkehr der Fahrer im Rahmen der ihm obliegenden Organisationspflicht zu planen.

214.

Was zweitens die Rüge betrifft, die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer sei ungeeignet, um die Ziele der Verordnung 2020/1054 im Hinblick auf die Erschöpfung und Ermüdung zu erreichen, die die höhere Zahl der mit der Rückkehr verbundenen Fahrten bei den Fahrern verursache, ist festzustellen, dass die in Rede stehende Bestimmung, wie oben in Nr. 201 ausgeführt, gerade in dem Bestreben erlassen wurde, die sozialen Bedingungen der Fahrer zu verbessern, um gerade zu verhindern, dass die langen Zeiträume der Abwesenheit vom Wohnsitz zu Stress, zu Ermüdung und damit zur Verschlechterung ihres Gesundheitszustands beitragen.

215.

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die Ruhezeit erst beginnt, wenn der Fahrer zu seinem Wohnsitz oder zur Betriebsstätte des Arbeitgebers zurückgekehrt ist, was sich schon aus dem Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmung ergibt, die sich ausdrücklich auf den Beginn der Ruhezeit bezieht. Außerdem ergibt sich aus Art. 9 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 561/2006, dass die Lenkzeit, die der Fahrer benötigt, um zu einem Fahrzeug anzureisen oder von diesem zurückzureisen, grundsätzlich nicht als Ruhezeit anzusehen ist. So wird die für das Lenken des Fahrzeugs aufgewendete Zeit, wenn dies das für die Rückkehr des Fahrers zur Betriebsstätte oder zum Wohnsitz verwendete Mittel ist, ebenso wie jede andere Zeit, die für das Lenken des Fahrzeugs an einem beliebigen anderen Ort aufgewendet wird, als Lenkzeit und damit als Arbeitszeit gerechnet. Daraus folgt, dass die Rückkehrverpflichtung in keiner Weise zusätzliche Lenkzeiten umfassen wird, so dass sie nicht zu einer zusätzlichen Ermüdung für die Fahrer führen kann. Daraus folgt auch, dass auch diese Maßnahme keine negativen Auswirkungen auf die Straßenverkehrssicherheit hat.

216.

Was drittens das Vorbringen Rumäniens zu den negativen Auswirkungen auf die Fahrer und die rumänische Wirtschaft aufgrund des möglichen Verlusts von Arbeitsplätzen in Rumänien infolge der angeblichen zwangsweisen Verlagerung der Verkehrsunternehmen in die westeuropäischen Mitgliedstaaten betrifft, habe ich oben in den Nrn. 172 und 174 darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer, obwohl sie unterschiedslos anwendbar ist, einen größeren Einfluss auf bestimmte Verkehrsunternehmen haben kann, deren Geschäftsmodell vorsieht, dass die Fahrer lange Fahrten außerhalb ihres Dienstortes oder Wohnsitzes zurücklegen.

217.

Zum einen geht jedoch aus der Folgenabschätzung hervor, dass die meisten Fahrer, insbesondere der sogenannten Mitgliedstaaten der „EU‑13“ ( 121 ), bereits vor Erlass der in Rede stehenden Bestimmung weniger als vier Wochen von ihrem Wohnsitz abwesend waren ( 122 ), so dass vermutet werden kann, dass die Unternehmen, die sich für ein solches Geschäftsmodell entscheiden, eine nicht vernachlässigbare Zahl, aber die Minderheit ausmachen. Daraus folgt, dass eine mögliche Auswirkung auf die Beschäftigung, die sich aus einer angeblichen erzwungenen Änderung des Geschäftsmodells ergeben soll, eher begrenzt zu sein scheint.

218.

Zum anderen geht, wie ich oben in Nr. 201 ausgeführt habe, aus der Folgenabschätzung hervor, dass ein normatives Eingreifen in dieser Hinsicht als notwendig angesehen wurde, um der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die Fahrer entgegenzuwirken, die lange Zeiträume der Abwesenheit von ihrem Wohnsitz verbrachten. Es ist auch bereits darauf hingewiesen worden, dass sich die Vorgabe der Verpflichtung der Verkehrsunternehmer betreffend die Rückkehr der Fahrer in das allgemeinere strategische Ziel einfügt, gute Arbeitsbedingungen für die Fahrer zu gewährleisten und diese Bedingungen, im Einklang mit dem von Art. 9 AEUV verfolgten allgemeinen Ziel, zu verbessern ( 123 ).

219.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kann der Unionsgesetzgeber im Hinblick auf seine Aufgabe, über den Schutz der im AEU-Vertrag anerkannten allgemeinen Interessen zu wachen, nicht daran gehindert sein, einen Rechtsakt, u. a. im Sektor der gemeinsamen Verkehrspolitik, den veränderten Umständen oder neuen Erkenntnissen anzupassen und die übergreifenden Ziele der Union in Art. 9 AEUV zu berücksichtigen, zu denen u. a. die Erfordernisse im Zusammenhang mit der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus und der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes gehören ( 124 ).

220.

Insbesondere hat der Gerichtshof insoweit bereits anerkannt, dass der Unionsgesetzgeber unter Berücksichtigung der wesentlichen Veränderung des Binnenmarktes, vor allem durch die schrittweisen Erweiterungen der Union, berechtigt ist, einen Rechtsakt anzupassen, um einen Ausgleich der betroffenen Interessen vorzunehmen, um den sozialen Schutz der Fahrer durch eine Änderung der Bedingungen, unter denen die Dienstleistungsfreiheit ausgeübt wird, zu erhöhen ( 125 ).

221.

Daraus folgt meines Erachtens, dass der Gesetzgeber im Rahmen des weiten Ermessens, über das er im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik verfügt, unter Abwägung der verschiedenen betroffenen Ziele und Interessen der Auffassung sein kann, dass eine spezifische Maßnahme zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Fahrer zu erlassen ist, trotz möglicher negativer Auswirkungen in einem oder mehreren Mitgliedstaaten und trotz der höheren Kosten, die die Maßnahme für eine Minderheit, wenn auch eine nicht vernachlässigbare, von Unternehmen mit Sitz in diesen Mitgliedstaaten verursachen könnte, die Autobahn-Nomaden in Anspruch nehmen, um Dienstleistungen mehr oder weniger dauerhaft in anderen Mitgliedstaaten zu erbringen, und die somit möglicherweise das Geschäftsmodell ändern müsste, was potenziell begrenzte Auswirkungen auf die Beschäftigung haben könnte. Ein solcher Ansatz steht im Einklang mit den sozialen Zielen der Union, wie sie u. a. in Art. 9 AEUV genannt sind, und scheint nicht das Ergebnis einer offensichtlichen Überschreitung des weiten Ermessens zu sein, über das der Unionsgesetzgeber verfügt.

222.

Außerdem ergibt sich aus der oben in Nr. 60 angeführten Rechtsprechung, dass der Unionsgesetzgeber nicht verpflichtet ist, die besondere Situation jedes Mitgliedstaats zu berücksichtigen, wenn der betreffende Unionsrechtsakt Auswirkungen in allen Mitgliedstaaten hat und die Wahrung eines Gleichgewichts zwischen den verschiedenen betroffenen Interessen unter Berücksichtigung der mit dem Rechtsakt verfolgten Ziele voraussetzt. Der Versuch, ein solches Gleichgewicht herzustellen, indem nicht die besondere Situation der einzelnen Mitgliedstaaten, sondern die Situation aller Mitgliedstaaten der Union berücksichtigt wird, kann daher für sich genommen nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angesehen werden.

223.

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt meines Erachtens, dass alle Rügen betreffend den angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die negativen Auswirkungen, die die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer für die Fahrer hätte, zurückzuweisen sind.

– Zu den negativen Auswirkungen auf die Verkehrsunternehmer

224.

Drei der klagenden Mitgliedstaaten machen geltend, Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die negativen Auswirkungen, die die darin vorgesehene Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer unter Berücksichtigung der höheren Kosten und Einnahmeverluste, die diesen durch diese Verpflichtung entstünden, auf die Verkehrsunternehmer habe.

225.

Diese Mitgliedstaaten nennen zwei Arten von Kosten im Zusammenhang mit der Erfüllung dieser Verpflichtung: zum einen die zusätzlichen Kosten und die Einnahmeverluste, die sich aus der Organisation der Rückkehr des Fahrers ergäben; zum anderen die Kosten, die sich aus der den Verkehrsunternehmern durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d Unterabs. 3 der Verordnung 2020/1054 auferlegten Verpflichtung ergäben, zu dokumentieren, wie sie der Verpflichtung betreffend die Rückkehr nachkommen.

226.

Was erstens die zusätzlichen Kosten betrifft, die die Verkehrsunternehmer tragen müssen, um die Rückkehr der Fahrer zu organisieren, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber den Verkehrsunternehmern ein gewisses Maß an Flexibilität im Hinblick auf die Erfüllung der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer gewährleistet hat. Zum einen können die Verkehrsunternehmer, wie oben in Nr. 134 dargelegt, zwischen zwei Orten wählen, um die Rückkehr des Fahrers zu organisieren, von denen einer die Betriebsstätte des Unternehmens und somit ein Ort ist, der eine direkte Verbindung zum Verkehrsunternehmer selbst hat. Zum anderen hat der Gesetzgeber, wie ich bereits oben in Nr. 132 ausgeführt habe, dadurch, dass er die Modalitäten für die Durchführung der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer nicht genau festgelegt hat, dem Unternehmen einen Handlungsspielraum eingeräumt, indem er ihm ermöglicht hat, die Art und Weise zu wählen, die es zur Erfüllung dieser Verpflichtung für die beste hält. Im Übrigen weise ich auch darauf hin, dass der in der in Rede stehenden Bestimmung genannte Zeitraum für die regelmäßige Rückkehr der Fahrer nicht offensichtlich unverhältnismäßig erscheint und tatsächlich von keinem Mitgliedstaat in Frage gestellt wird.

227.

Außerdem hat der Gesetzgeber die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer mit Maßnahmen verknüpft, die diese Rückkehr erleichtern. In Art. 12 der Verordnung Nr. 561/2006 in der durch die Verordnung 2020/1054 geänderten Fassung wurden vier neue Unterabsätze eingefügt, die es einem Fahrer erlauben, die tägliche und die wöchentliche Lenkzeit um bis zu eine Stunde zu überschreiten, um die Betriebsstätte des Arbeitgebers oder den Wohnsitz des Fahrers zu erreichen, um eine wöchentliche Ruhezeit einzulegen. Sofern zusätzliche Bedingungen erfüllt sind, kann diese Dauer betreffend eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit auf zwei Stunden verlängert werden. Aus der Folgenabschätzung geht hervor, dass die Rechtfertigung für diese Änderung darin bestand, es den Fahrern, insbesondere denen, die lange grenzüberschreitende Fahrten durchführen, zu ermöglichen, zu ihrem Wohnsitz oder ihrer Basis zu gelangen, um eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit an ihrem Wohnsitz (oder an einem anderen privaten Ort ihrer Wahl) zu nehmen ( 126 ).

228.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass der Gesetzgeber dadurch, dass er eine erhebliche Flexibilität hinsichtlich der Modalitäten der konkreten Umsetzung der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer eingeräumt hat, im Einklang mit der oben in Nr. 55 angeführten Rechtsprechung sicherstellen wollte, dass die Belastung der Wirtschaftsteilnehmer so gering wie möglich gehalten wird und in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Ziel steht.

229.

Außerdem geht, wie ich oben in Nr. 217 ausgeführt habe, aus der Folgenabschätzung zum einen hervor, dass die meisten Fahrer, insbesondere der Mitgliedstaaten der EU‑13, bereits vor Erlass der in Rede stehenden Bestimmung weniger als vier Wochen von ihrem Wohnsitz abwesend waren ( 127 ). Unter diesen Umständen kann vernünftigerweise davon ausgegangen werden, dass die Auswirkungen dieser Maßnahme in Form von zusätzlichen Kosten im Vergleich zur bestehenden Situation eher begrenzt wären.

230.

Insoweit weise ich darauf hin, dass diese Feststellung entgegen dem Vorbringen der Republik Polen die Erforderlichkeit der in Rede stehenden Maßnahme nicht in Frage stellen kann. Zum einen war nämlich, wie in den vorstehenden Nrn. 201 und 203 ausgeführt, die Maßnahme erforderlich, um das Phänomen des „Nomadentums der Fahrer“ zu bekämpfen, das eine nicht vernachlässigbare Zahl, wenn auch die Minderheit der Fahrer, betraf und als einer der Faktoren identifiziert worden war, die zur Verschlechterung der sozialen Bedingungen der Fahrer beitrugen, aber auch als eines der Elemente, die zu unterschiedlichen Auslegungen und Durchsetzungspraktiken in den Mitgliedstaaten geführt hatten. Außerdem hatte die Folgenabschätzung eine Zunahme der Zeiträume außerhalb der Wohnsitze und damit eine Zunahme dieses Phänomens des „Nomadentums“ gezeigt ( 128 ).

231.

Zum anderen hatte die Folgenabschätzung auch gezeigt, dass es aufgrund der Effizienzgewinne bei der Organisation der Arbeit sogar möglich ist, dass Kostensenkungen eintreten ( 129 ). Unter diesem Blickwinkel stelle ich zu dem auf die Einnahmeverluste gestützten Argument fest, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer eine Organisationspflicht darstellt. Abgesehen von den Erwägungen, die ich unten in Nr. 234 anstellen werde, ist es aber keineswegs offensichtlich und erst recht nicht erwiesen, dass die Wirtschaftsteilnehmer die Arbeit nicht wirtschaftlich rentabel planen und gleichzeitig den Fahrern die Ausübung ihres Rechts auf Rückkehr ermöglichen können.

232.

Was zweitens die Kosten betrifft, die sich aus der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d Unterabs. 3 der Verordnung 2020/1054 angeführten Verpflichtung ergeben, zu dokumentieren, wie die Verkehrsunternehmer der Verpflichtung betreffend die Rückkehr nachkommen, ist darauf hinzuweisen, dass, wie oben in Nr. 140 ausgeführt, auch hier der Unionsgesetzgeber den Unternehmen einen Handlungsspielraum eingeräumt hat. Er hat sich nämlich dafür entschieden, die Unterlagen, die erforderlich sind, um dem Erfordernis des Nachweises der Erfüllung der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer zu genügen, nicht genau zu präzisieren und damit auch den Mitgliedstaaten den Erlass etwaiger Durchführungsmaßnahmen zu gestatten. Im 14. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054 werden jedoch zwei Dokumente genannt, die zusammen mit allen „anderen Unterlagen“ vom Verkehrsunternehmen für den Nachweis verwendet werden können, dass es seinen Verpflichtungen zur Organisation der regelmäßigen Rückkehr nachkommt: die Fahrtenschreiberaufzeichnungen und die Dienstpläne der Fahrer.

233.

Jedoch war ein Verkehrsunternehmen bereits nach den Rechtsvorschriften, die vor Erlass der Verordnung 2020/1054 ( 130 ) galten, verpflichtet, Fahrtenschreiberaufzeichnungen und Dienstpläne für seine Fahrer in seinen Geschäftsräumen aufzubewahren. Daraus folgt, dass grundsätzlich kein neues Verfahren erforderlich ist, um den Anforderungen an den Nachweis der Erfüllung der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer nachzukommen. Ganz im Gegenteil hat der Gesetzgeber einen zusätzlichen Grad an Flexibilität eingeführt, indem er den Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt hat, diesen Anforderungen auf andere Weise nachzukommen, und den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt hat, erforderlichenfalls zusätzliche Durchführungsmodalitäten unter Berücksichtigung etwaiger Besonderheiten des nationalen Kontexts vorzusehen. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die in Rede stehende Bestimmung insoweit offensichtlich unverhältnismäßige Folgen für die Transportunternehmen gehabt hätte.

234.

Schließlich weise ich jedenfalls im Hinblick auf die beiden oben angeführten Kostenkategorien noch darauf hin, dass die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Bestimmung, wie bereits mehrfach ausgeführt, gerade erlassen wurde, um die sozialen Rechte der Fahrer zu schützen und zu fördern und um zu gewährleisten, dass Zeiträume der Abwesenheit der Fahrer vom Wohnsitz nicht übermäßig lang sind. Jede Gewährung von sozialen Rechten ist jedoch mit Kosten verbunden. Es erscheint daher nicht überraschend, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer den Unternehmen, die sie einhalten müssen, möglicherweise zusätzliche Kosten verursachen kann. Wie sich jedoch aus der oben in den Nrn. 57 und 60 angeführten Rechtsprechung ergibt, kann der Gerichtshof die normative Entscheidung des Gesetzgebers allenfalls dann beanstanden, wenn diese offensichtlich fehlerhaft erscheint oder wenn die Nachteile, die sich aus ihr für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer ergeben, zu den im Übrigen mit ihr verbundenen Vorteilen völlig außer Verhältnis stehen, was der Kläger nachzuweisen hat. Die klagenden Mitgliedstaaten haben jedoch keinen Beweis dafür erbracht, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer den Verkehrsunternehmern derartige Nachteile verursachen würde.

– Zu den negativen Auswirkungen auf die Umwelt

235.

Die Republik Bulgarien, Rumänien und die Republik Polen machen ferner geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 im Hinblick auf die negativen Auswirkungen, die die darin vorgesehene Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer auf die Umwelt habe, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße.

236.

Zu dem Argument, diese Verpflichtung bedeute, dass zusätzliche Fahrten für die Rückkehr von Tausenden von Fahrern pro Tag geplant werden müssten, ist festzustellen, dass, wie ich oben in den Nrn. 217 und 229 ausgeführt habe, die Folgenabschätzung gezeigt hatte, dass die meisten Fahrer, insbesondere aus den Mitgliedstaaten der EU‑13, bereits vor Erlass der in Rede stehenden Bestimmung innerhalb eines Zeitraums von weniger als vier Wochen an den Wohnsitz zurückkehrten. Daraus folgt, dass die Auswirkungen der Maßnahme auf die Umwelt aufgrund der Erhöhung der CO2-Emissionen auf die zusätzlichen Rückreisen beschränkt wären, die sich aus der Durchführung der in Rede stehenden Maßnahme ergeben.

237.

Dieser Erwägung ist hinzuzufügen, dass es, anders als die drei Mitgliedstaaten anzunehmen scheinen, nicht unvermeidlich ist, dass die Fahrer leere Fahrzeuge benutzen, um ihr Recht auf Rückkehr auszuüben, da es den Fahrern im Rahmen der Flexibilität, die die in Rede stehende Bestimmung den Verkehrsunternehmern bei der Organisation der Rückkehr des Fahrers lässt ( 131 ), durchaus möglich ist, für die Rückfahrt auf andere Transportmittel wie öffentliche Verkehrsmittel zurückzugreifen, deren Verwendung keine zusätzlichen Emissionen mit sich bringt. Außerdem ist nicht ausgeschlossen, dass das Recht auf Rückkehr mit der Rückkehr der Fahrzeuge des Unternehmens zur Betriebsstätte im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit gekoppelt werden kann. Es handelt sich also eher um eine Frage der Organisation der Rückkehr, da die Emissionen möglicherweise nur nach Maßgabe der von den Verkehrsunternehmern getroffenen organisatorischen Entscheidungen steigen.

238.

Unter demselben Blickwinkel ergibt sich aus dem Umstand, dass die in Rede stehende Maßnahme geeignet ist, sich stärker auf bestimmte Verkehrsunternehmen auszuwirken, die sich für das oben in den Nrn. 172 und 174 dargelegte Geschäftsmodell entschieden haben, ohne ihr – vom Unionsrecht garantiertes ( 132 ) – Recht auszuüben, sich in den Mitgliedstaaten niederzulassen, in denen sie den Großteil ihrer Verkehrsleistungen anbieten, dass eine etwaige Erhöhung der Emissionen keinen unmittelbaren Zusammenhang mit der in Rede stehenden Maßnahme aufweist, sondern vielmehr das Ergebnis der wirtschaftlich-organisatorischen Entscheidung der Unternehmen ist.

239.

In einem solchen Kontext bin ich der Ansicht, dass nach der Rechtsprechung ( 133 ) der Gesetzgeber im Rahmen des weiten Ermessens, über das er im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik verfügt, nach Abwägung der verschiedenen betroffenen Ziele und Interessen, ohne dieses weite Ermessen offensichtlich zu überschreiten, eine spezifische Maßnahme zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Fahrer auf der Grundlage der Schlussfolgerung erlassen kann, dass eine etwaige relativ moderate Erhöhung der Emissionen im Zusammenhang mit der in Rede stehenden Bestimmung durch die Vorteile ausgeglichen werden kann, die den Fahrern durch die Maßnahme in sozialer Hinsicht geboten werden.

240.

Es ist nämlich Sache des Gesetzgebers – ohne dass der Gerichtshof die Beurteilung des Gesetzgebers durch seine eigene ersetzen könnte ( 134 ) –, ein Gleichgewicht zwischen u. a. den sozialen Zielen und den Umweltzielen zu finden, wobei zu berücksichtigen ist, dass, wie unten in den Nrn. 317 und 318 näher ausgeführt werden wird, das Unionsrecht, und insbesondere Art. 11 AEUV, der eine nachhaltige Entwicklung zum Ziel hat, keine systematische Verpflichtung vorsieht, beim Erlass jeder einzelnen Bestimmung stets den Erfordernissen des Umweltschutzes Vorrang vor anderen Anforderungen einzuräumen, die der Gesetzgeber auch aufgrund von primärrechtlichen Bestimmungen zu berücksichtigen hat, wie dem Erfordernis, einen angemessenen sozialen Schutz nach Art. 9 AEUV zu gewährleisten ( 135 ).

– Zum Bestehen weniger belastender Alternativen

241.

Einige Mitgliedstaaten machen geltend, es gebe weniger belastende Alternativen als die Auferlegung einer Rückkehrverpflichtung, wie sie in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehen sei. Diese Mitgliedstaaten verweisen insbesondere auf die Möglichkeit, eine Verpflichtung des Verkehrsunternehmers einzuführen, die Rückkehr nur in den Fällen zu organisieren, in denen die Fahrer zurückkehren möchten.

242.

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass, wie einige dieser Mitgliedstaaten selbst ausgeführt haben und wie sich aus den Akten ergibt, diese Alternative im Gesetzgebungsverfahren in Betracht gezogen, letztlich aber verworfen wurde. Der Vorschlag des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Parlaments, auf den die Republik Polen in ihrer Klage Bezug nimmt, belegt dies.

243.

Sodann stellt der Fahrer, wie der Rat zu Recht hervorhebt, die schwächere Partei des Vertragsverhältnisses zwischen dem Arbeitgeber (Verkehrsunternehmer) und dem Arbeitnehmer (Fahrer) dar. Eine gesetzgeberische Lösung, wie sie von diesen Mitgliedstaaten in Betracht gezogen wird, könnte dazu führen, dass die Wahl des Arbeitnehmers als schwächere Partei des Arbeitsverhältnisses mit dem Verkehrsunternehmer nicht völlig frei wäre und dass dieser Druck ausgesetzt werden könnte, um eine Wahl zu treffen, die den Interessen des Arbeitgebers entspricht. In der Folgenabschätzung wurde außerdem auf die Schwierigkeit hingewiesen, die tatsächliche Wahlfreiheit der Fahrer nachzuweisen ( 136 ).

244.

Daraus folgt, dass die von einigen Mitgliedstaaten ins Auge gefasste Alternative keine geeignete Maßnahme zur Erreichung der mit Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 verfolgten spezifischen Ziele darstellt.

245.

Nach alledem bin ich der Ansicht, dass alle Klagegründe zurückzuweisen sind, mit denen geltend gemacht wird, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer offensichtlich ungeeignet sei, um die mit der in Rede stehenden Regelung verfolgten legitimen Ziele zu erreichen, und über das hinausgehe, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sei.

2) Zu den Klagegründen in Bezug auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer durch den Unionsgesetzgeber

i) Vorbringen der Parteien

246.

Rumänien und die Republik Polen machen geltend, der Unionsgesetzgeber habe mehrere relevante Umstände der Situation, die Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 regeln solle, nicht untersucht, da er keine angemessene Folgenabschätzung durchgeführt habe. Die endgültige Fassung der in Rede stehenden Bestimmung sei nämlich nicht Gegenstand einer Folgenabschätzung gewesen, so dass die Wirkungen dieser endgültigen Fassung nicht berücksichtigt worden seien, was einen Verstoß gegen die Interinstitutionelle Vereinbarung darstelle.

247.

Erstens macht die Republik Polen geltend, der Gesetzgeber habe keine angemessene Analyse der Auswirkungen der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer auf die Sicherheit der Fahrer vorgenommen. Der Gesetzgeber habe eine Stellungnahme des EWSA außer Acht gelassen, der bedauert habe, dass die vorgeschlagenen Änderungen nicht auf einer gründlichen Bewertung der Sicherheit der Fahrgäste und Fahrer sowie der Straßenverkehrssicherheit in Bezug auf die Ermüdung von Fahrern beruhten ( 137 ). Rumänien macht geltend, die Auswirkungen wiederholter langer Reisen über kurze Zeiträume auf die Arbeitnehmer seien beim Erlass von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 nicht berücksichtigt worden.

248.

Zweitens macht die Republik Polen geltend, der Gesetzgeber habe nicht geprüft, ob die Erfüllung der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer nicht zu einer Intensivierung des Verkehrs beitragen würde. In der Praxis werde diese Verpflichtung über den Straßenverkehr erfüllt, so dass die Einhaltung dieser Verpflichtung 8880000 Rückreisen in einem Jahr nach sich ziehe. Außerdem habe der Gesetzgeber die beträchtlichen Entfernungen, die die Fahrer aus den peripheren Staaten der Union für die Erfüllung dieser Verpflichtung zurücklegen müssten, nicht berücksichtigt.

249.

Drittens macht die Republik Polen geltend, im Gegensatz zu ihrer ursprünglichen Fassung verpflichte der endgültige Text der in Rede stehenden Bestimmung die Verkehrsunternehmer in ihrem dritten Unterabsatz, ohne dass insoweit eine Folgenabschätzung durchgeführt worden sei, dazu, zu dokumentieren, wie sie der darin vorgesehenen Verpflichtung nachkämen, und diese Unterlagen aufzubewahren, um sie im Fall einer Kontrolle vorlegen zu können. Dieser Art von Belastungen sollte eine umfassende Analyse der Auswirkungen vorausgehen, bei der die Tatsache berücksichtigt wird, dass es sich bei den Verkehrsunternehmen überwiegend um KMU handele.

250.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, alle diese Klagegründe zurückzuweisen.

ii) Würdigung

251.

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall feststeht, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass der Verordnung 2020/1054 über eine Folgenabschätzung verfügte und dass die Bestimmung, die die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer vorsah, von dieser Folgenabschätzung erfasst war.

252.

Der Unionsgesetzgeber hat jedoch eine endgültige Fassung dieser Bestimmung angenommen, die sich von der Fassung im Vorschlag für eine Arbeitszeitverordnung unterscheidet ( 138 ) und nicht Gegenstand einer spezifischen Folgenabschätzung war.

253.

Diese endgültige Fassung enthielt grundsätzlich drei Unterschiede zu der von der Kommission vorgeschlagenen Bestimmung.

254.

Erstens verpflichtete der Vorschlag für eine Arbeitszeitverordnung die Verkehrsunternehmen, die Arbeit so zu planen, dass der Fahrer ausschließlich „an seinen Wohnort“ zurückkehren konnte. Die endgültige Fassung dieser in der Verordnung 2020/1054 angenommenen Bestimmung sieht vor, dass die Verkehrsunternehmen zwischen zwei Orten wählen können, um die Rückkehr des Fahrers zu planen, nämlich dem Wohnsitz des Fahrers und der Betriebsstätte, die oben in den Nrn. 210 bis 212 eingehend analysiert wurden.

255.

Zweitens verlangte dieser Vorschlag der Kommission, dass das Unternehmen die Rückkehr des Fahrers innerhalb jedes Zeitraums von drei aufeinanderfolgenden Wochen erlauben musste. Die endgültige Fassung der in Rede stehenden Bestimmung erlaubt dagegen die Rückkehr des Fahrers normalerweise ( 139 ) innerhalb jedes Zeitraums von vier aufeinanderfolgenden Wochen.

256.

Drittens wurde in der endgültigen Fassung der in Rede stehenden Bestimmung ein Unterabs. 3 hinzugefügt, der im Vorschlag der Kommission nicht vorgesehen war und wonach das Unternehmen dokumentiert, wie es die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer erfüllt, und es die betreffenden Unterlagen in seinen Geschäftsräumen aufbewahrt, damit sie auf Verlangen der Kontrollbehörden vorgelegt werden können.

257.

Daraus folgt, dass die endgültige Fassung dieser vom Gesetzgeber erlassenen Bestimmung, abgesehen von der Einführung von Unterabs. 3, weitgehend der Fassung entsprach, die die Kommission in ihrem auf der Grundlage der Folgenabschätzung ausgearbeiteten Vorschlag ins Auge gefasst hatte. Wie der Rat hervorhebt, ist diese endgültige Fassung jedoch für die Verkehrsunternehmen weniger belastend. Indem die endgültige Fassung einen zweiten Ort, an den die Rückkehr stattfinden kann, und einen längeren Zeitraum vorsieht, bietet sie diesen Unternehmen nämlich einen höheren Grad an Flexibilität bei der Erfüllung der ihnen auferlegten Verpflichtung betreffend die Rückkehr.

258.

In diesem Kontext ist im Licht der Rügen der Mitgliedstaaten zu prüfen, ob der Gesetzgeber im vorliegenden Fall im Hinblick darauf, dass die endgültige Fassung der in Rede stehenden Bestimmung nicht Gegenstand einer Aktualisierung der Folgenabschätzung war und für den hinzugefügten Unterabs. 3 keine spezifische Folgenabschätzung durchgeführt wurde, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat.

259.

Was erstens die Rüge betrifft, der Gesetzgeber habe keine angemessene Analyse der Auswirkungen der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer auf ihre Sicherheit im Zusammenhang mit der zusätzlichen Ermüdung, die die Rückreisen bei ihnen verursachten, vorgenommen, verweise ich auf meine Ausführungen in den Nrn. 214 und 215 der vorliegenden Schlussanträge. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Rückkehrverpflichtung in keiner Weise zusätzliche Lenkzeiten umfassen wird, so dass sie nicht zu einer zusätzlichen Ermüdung für die Fahrer und daher nicht zu größeren Risiken für ihre Sicherheit führen kann. Vielmehr zielt diese Bestimmung, wie bereits mehrfach ausgeführt, gerade darauf ab, ihre soziale Lage zu verbessern.

260.

Außerdem hat, wie oben in den Nrn. 217 und 229 ausgeführt, die Folgenabschätzung gezeigt, dass die meisten Fahrer, insbesondere der Mitgliedstaaten der EU‑13, bereits vor Erlass der in Rede stehenden Bestimmung weniger als vier Wochen von ihrem Wohnsitz abwesend waren, so dass sie bereits auf der Grundlage dieser Folgenabschätzung vernünftigerweise erwarten konnten, dass der Erlass der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer Auswirkungen auf eine begrenzte, wenn auch nicht vernachlässigbare Zahl von Fahrern haben würde.

261.

Was den Verweis der Republik Polen auf die Stellungnahme des EWSA betrifft, weise ich darauf hin, dass dieser Ausschuss zwar eine sehr wichtige Rolle im Gesetzgebungsverfahren spielt, aus Art. 13 Abs. 4 EUV und Art. 300 Abs. 1 AEUV jedoch hervorgeht, dass dieser Ausschuss beratende Aufgaben wahrnimmt. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, in jedem Fall den in einer Stellungnahme dieses Ausschusses enthaltenen Empfehlungen zu folgen, insbesondere wenn er meint, über ausreichende Informationen zu verfügen, um unwesentliche Änderungen einer Bestimmung gegenüber der im Vorschlag der Kommission auf der Grundlage einer Folgenabschätzung vorgesehenen vorzunehmen.

262.

Zweitens rügen die Mitgliedstaaten, dass der Gesetzgeber nicht geprüft habe, ob die Erfüllung der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer nicht zu einer Intensivierung des Verkehrs beitragen würde, die insbesondere für die Umwelt nachteilig sei ( 140 ).

263.

Hierzu ist als Erstes festzustellen, dass die Folgenabschätzung ausdrücklich zu dem Ergebnis gelangte, dass „keine Umweltauswirkungen festgestellt [wurden]“ ( 141 ). Mangels weiterer Erläuterungen erscheint eine solche Behauptung nicht ausreichend, um eine Beurteilung der Auswirkungen der in Rede stehenden Bestimmung auf die Umwelt zu rechtfertigen, die im Rahmen der erforderlichen Abwägung der verschiedenen betroffenen Ziele und Interessen den Schluss zulässt, dass diese Maßnahme im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Umwelt verhältnismäßig ist. Aus den Akten geht jedoch meines Erachtens hervor, dass der Gesetzgeber auf der Grundlage anderer Informationen, über die er zum Zeitpunkt des Erlasses der in Rede stehenden Bestimmung verfügte, eine solche Bewertung vornehmen konnte.

264.

Als Zweites zeigte nämlich, wie ich mehrfach ausgeführt habe ( 142 ), die Folgenabschätzung, dass die Mehrheit der Fahrer sowohl in den sogenannten Mitgliedstaaten der „EU‑15“ als auch in den Mitgliedstaaten der EU‑13 bereits vor Erlass der in Rede stehenden Bestimmung weniger als vier Wochen von ihrem Wohnsitz abwesend waren, so dass die Auswirkungen der Maßnahme auf die Umwelt aufgrund der Erhöhung der CO2-Emissionen auf die zusätzlichen Rückreisen beschränkt wären, die sich aus der Durchführung der in Rede stehenden Maßnahme ergeben.

265.

Als Drittes ergab sich auch aus den dem Gesetzgeber zur Verfügung stehenden Informationen, ohne dass diese Information von den betroffenen Mitgliedstaaten tatsächlich bestritten worden wäre, dass die Anwendung der in Rede stehenden Maßnahme geeignet war, den Lkw-Verkehr um weniger als 0,1 % zu steigern ( 143 ).

266.

Unter diesen Umständen bin ich der Ansicht, dass dem Gesetzgeber nicht vorgeworfen werden kann, seine Prüfung nicht auf die erheblichen Faktoren und Umstände der Situation gestützt zu haben, die mit der in Rede stehenden Bestimmung geregelt werden sollte.

267.

Drittens macht die Republik Polen geltend, es fehle an einer Folgenabschätzung in Bezug auf Art. 1 Nr. 6 Buchst. d Unterabs. 3 der Verordnung 2020/1054, der die Verkehrsunternehmer verpflichte, zu dokumentieren, wie sie der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer nachkämen.

268.

Insoweit weise ich jedoch als Erstes darauf hin, dass die Kommission in ihrer Folgenabschätzung durch die Vorlage präziser Daten ausdrücklich hervorgehoben hatte, dass die Nichteinhaltung der Rechtsvorschriften der Union im Sozial‑, Handels- und Beschäftigungsbereich sowie die Schwierigkeit, die Einhaltung der geltenden Vorschriften durchzusetzen, zu den Hauptproblemen im Bereich des Straßenverkehrs gehörten ( 144 ). Mit der Bestimmung dieses Unterabs. 3 soll einem Unternehmen der Nachweis vorgeschrieben werden, dass es seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachgekommen ist. Die Einführung einer solchen Bestimmung entspricht somit einem Problem, das in der Folgenabschätzung klar hervorgehoben wird.

269.

Als Zweites ergibt sich aus den vorstehenden Nrn. 232 und 233, dass mit dieser Bestimmung kein neues Verfahren eingeführt wurde, um den Anforderungen an den Nachweis der Erfüllung der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer nachzukommen, sondern dass der Gesetzgeber für die Unternehmen einen hohen Grad an Flexibilität eingeführt hat.

270.

Unter diesen Umständen kann meines Erachtens nicht davon ausgegangen werden, dass der Unionsgesetzgeber dadurch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat, dass er keine spezifische Folgenabschätzung im Hinblick auf eine Bestimmung durchgeführt hat, die sich darauf beschränkt, einem Unternehmen den Nachweis vorzuschreiben, dass es seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachgekommen ist, ohne ein neues Verfahren einzuführen, um den Beweisanforderungen zu genügen. Dies gilt umso mehr in einer Situation, in der die Einführung der Bestimmung einem Problem entspricht, das in der Folgenabschätzung ausdrücklich hervorgehoben wurde.

271.

Im Ergebnis folgt aus den vorstehenden Erwägungen, dass meines Erachtens alle Klagegründe, mit denen geltend gemacht werden soll, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen nicht erfüllt, zurückzuweisen sind.

e)   Zum Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

1) Vorbringen der Parteien

272.

In ihren Klagen machen die Republik Polen (Rechtssache C‑553/20) und Rumänien (Rechtssache C‑546/20) geltend, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 die sich aus Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV ergebenden Anforderungen nicht beachtet habe.

273.

Zum Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV macht die Republik Polen geltend, der oberflächliche Charakter der Folgenabschätzung und das Fehlen einer Folgenabschätzung in Bezug auf die in Rede stehende Bestimmung ließen nicht die Annahme zu, dass deren Auswirkungen auf den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie auf den Betrieb der Verkehrseinrichtungen Rechnung getragen worden seien. Trotz des Ermessensspielraums des Gesetzgebers könne sich die Verpflichtung zur Berücksichtigung der in Art. 91 Abs. 2 AEUV genannten Gesichtspunkte nicht darauf beschränken, von diesen Umständen Kenntnis zu nehmen, da dieser Bestimmung sonst ihre Wirksamkeit genommen würde.

274.

Was erstens die Auswirkungen auf den Betrieb der Verkehrseinrichtungen betreffe, seien in der Folgenabschätzung insbesondere nicht die Folgen des Anstiegs der Zahl der Reisen auf den Haupttransitstrecken der Union berücksichtigt worden, der sich aus der Verpflichtung ergebe, 8880000 Rückreisen in einem Jahr durchzuführen. Diese zusätzlichen Fahrten erhöhten die Überlastung auf den Straßen und verstärkten so die Verschlechterung des Zustands der Straßeninfrastruktur, die die Kommission bereits festgestellt habe. In diesem Zusammenhang sei das „Vierte-Potenz-Gesetz“ ( 145 ) zu berücksichtigen, wonach die Verschlechterung der Straßen exponentiell mit der Erhöhung des Gewichts des Fahrzeugs zur vierten Potenz steige. Obwohl Lastkraftwagen weniger zahlreich seien als Personenkraftwagen, sei ihre Auswirkung auf die Infrastruktur sehr viel größer.

275.

Was zweitens die Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Lebensstandard angehe, so beeinträchtige die Zunahme des Straßenverkehrs auch die Lebensqualität in den Gebieten in der Nähe der wichtigsten Verkehrsknoten und die Straßenverkehrssicherheit. Ebenso wenig seien die nachteiligen Folgen für die Fahrer und die in den peripheren Staaten der Union ansässigen Unternehmen, bei denen die durchschnittliche Dauer der Rückfahrten zur Betriebsstätte erheblich höher sei, noch der zusätzliche administrative und organisatorische Aufwand für die Verkehrsunternehmen, bei denen mehr als die Hälfte KMU seien, berücksichtigt worden, so dass sehr wahrscheinlich die Gefahr bestehe, dass zahlreiche Verkehrsunternehmen insolvent würden oder in Staaten mit Sitz im Zentrum der Union verlegt würden. Die in der Folgenabschätzung enthaltene Bewertung sei eingeschränkt und zusammenfassend und zu oberflächlich, um Schlussfolgerungen zu den Auswirkungen der in Rede stehenden Bestimmung auf die Beschäftigung in bestimmten Regionen zu ermöglichen.

276.

Zum Verstoß gegen Art. 94 AEUV macht die Republik Polen geltend, dass der Gesetzgeber beim Erlass der in Rede stehenden Maßnahme der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer nicht Rechnung getragen habe und dass die Folgenabschätzung die Auswirkungen der vorgeschlagenen Regelung auf die KMU zu oberflächlich geprüft habe. Die Erhöhung der Kilometerzahl, die sich zwangsläufig aus der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer ergebe, sollte vor dem Hintergrund des Mobilitätspakets insgesamt gesehen werden, zu dem auch die Verordnung 2020/1055 gehöre. Nach Ansicht der Republik Polen führt die Anwendung der Bestimmungen dieser Verordnung zu Fahrten von 2035200000 km jährlich nur für Fahrzeuge, die zu den Betriebsstätten in Polen zurückkehrten. Unter der Annahme, dass 60 % dieser Fahrten ohne Ladung durchgeführt würden, würden diese Fahrzeuge im Laufe eines Jahres 1221120000 km leer fahren. Die Republik Polen ist der Ansicht, dass der Unionsgesetzgeber von den zahlreichen verfügbaren Maßnahmen, die gewährleisten sollten, dass die Arbeitnehmer ihr Recht auf Erholung ausübten, diejenige gewählt habe, die für die Unternehmen am belastendsten sei.

277.

Eine der Auswirkungen dieser Situation sei der Rückzug vom Markt eines Teils der Verkehrsunternehmen aus dem KMU-Sektor mit Sitz in den peripheren Staaten der Union, bei denen es aufgrund ihrer Entfernung vom geografischen Zentrum der Union besonders schwierig sei, die organisatorischen Anforderungen an die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer an die Betriebsstätte oder an ihren Wohnsitz zu erfüllen. Ein Teil der Unternehmen könnte auch beschließen, ihre Betriebsstätte in die Staaten im Zentrum der Union zu verlegen. Die Annahme, dass die unternehmerische Entscheidung, das Unternehmen zu verlagern, ihnen nicht schaden könne, kann nicht geteilt werden. Die Verlegung des Unternehmenssitzes stelle eine erhebliche Belastung für den Betrieb des Unternehmens dar. Außerdem komme die Besonderheit der KMU im Unterschied zu multinationalen Unternehmen u. a. darin zum Ausdruck, dass sie an den Ort gebunden seien, von dem aus sie ihre Dienstleistungen erbrächten.

278.

Auch der Erlass der angefochtenen Bestimmung während der Covid‑19-Pandemie zeige, dass die wirtschaftliche Lage der Verkehrsunternehmer nicht berücksichtigt worden sei. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie seien aber besonders im Verkehrssektor spürbar gewesen, da dieser einem Rückgang der Nachfrage und den Beschränkungen des Überschreitens der Binnengrenzen ausgesetzt gewesen sei, die von den Mitgliedstaaten wieder eingeführt worden seien. Diese Wirkungen seien aber bereits während des Gesetzgebungsverfahrens eingetreten, da das Mobilitätspaket im Juli 2020 angenommen worden sei.

279.

Rumänien macht ferner geltend, dass die gewählte gesetzgeberische Lösung gegen die Anforderungen von Art. 91 Abs. 2 AEUV und Art. 94 AEUV verstoße, da sie die Situation der Verkehrsunternehmer beeinträchtige. Da die Organisation der Rückkehr der Fahrer für die Unternehmen mit Sitz in Mitgliedstaaten an der geografischen Peripherie der Union höhere Verluste mit sich brächte, wären diese nämlich gezwungen, ihre Tätigkeiten, um ihre Kosten zu senken, auf die westeuropäischen Staaten auszurichten, indem sie dort Tochtergesellschaften oder Zweigniederlassungen gründeten oder sogar ihre Tätigkeit dorthin verlagern. Der Verkehrssektor sei aber für die nationale Wirtschaft, insbesondere für Rumänien und andere Mitgliedstaaten an der geografischen Peripherie der Union, insbesondere in Bezug auf die Ausfuhren, von wesentlicher Bedeutung.

280.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, alle diese Klagegründe zurückzuweisen.

2) Würdigung

i) Zur Tragweite von Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

281.

Sowohl Art. 91 Abs. 2 als auch Art. 94 AEUV gehören zu Titel VI des Dritten Teils des AEU-Vertrags, der die gemeinsame Verkehrspolitik betrifft, und sehen vor, dass beim Erlass von Maßnahmen im Rahmen dieser Politik bestimmte darin aufgeführte Aspekte zu berücksichtigen sind.

282.

Was erstens Art. 91 Abs. 2 AEUV betrifft, sieht diese Bestimmung vor, dass beim Erlass von Maßnahmen zur Durchführung der gemeinsamen Verkehrspolitik nach Abs. 1 dieses Artikels den Fällen Rechnung getragen wird, in denen die Anwendung den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie den Betrieb der Verkehrseinrichtungen ernstlich beeinträchtigen könnte.

283.

Diese Bestimmung des AEU-Vertrags wurde durch den Vertrag von Lissabon grundlegend überarbeitet. Während die Vorgängerbestimmung, nämlich Art. 71 Abs. 2 EG, ein besonderes Gesetzgebungsverfahren, das die Einstimmigkeit verlangte, für Maßnahmen vorsah, die die Lebenshaltung und die Beschäftigungslage in bestimmten Gebieten sowie den Betrieb der Verkehrseinrichtungen ernstlich beeinträchtigen könnten, sieht Art. 91 Abs. 2 AEUV nunmehr lediglich vor, dass den Fällen „Rechnung getragen wird“, in denen die Anwendung der Maßnahme diese Parameter ernstlich beeinträchtigt.

284.

Weder im AEU-Vertrag noch in der Rechtsprechung werden die Begriffe „Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen“ oder „Betrieb der Verkehrseinrichtungen“ definiert. Insoweit kann jedoch darauf hingewiesen werden, dass die „Regionen“, in denen die ernstliche Beeinträchtigung des Lebensstandards und der Beschäftigungslage zu beurteilen ist, aus einem oder mehreren Mitgliedstaaten bestehen können. Daher kann der Begriff „Betrieb der Verkehrseinrichtungen“ meines Erachtens so verstanden werden, dass er die Land‑, See- und Luftverkehrsinfrastruktur umfasst, die als Einrichtungen betrieben werden, die den Nutzern offenstehen.

285.

Jedenfalls muss, wie sich aus der Verwendung des Wortes „ernstlich“ ergibt, die Auswirkung der Anwendung der in Rede stehenden Maßnahme auf die in der Bestimmung angegebenen Parameter ziemlich groß sein. Ein bloßes Betroffensein dieser Parameter durch eine Maßnahme reicht nicht aus, um die Anwendung dieser Bestimmung auszulösen.

286.

Was zweitens Art. 94 AEUV betrifft, sieht diese Bestimmung vor, dass jede Maßnahme auf dem Gebiet der Beförderungsentgelte und ‑bedingungen, die im Rahmen der Verträge getroffen wird, der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer Rechnung zu tragen hat. Diese Bestimmung hat zum Ziel, dass eine Maßnahme auf dem Gebiet der Beförderungsentgelte und ‑bedingungen nicht allein den Interessen der Verkehrsteilnehmer oder anderen öffentlichen Interessen dient ( 146 ), und damit die wirtschaftliche Situation der Verkehrsunternehmen völlig außer Acht lässt.

287.

Zum Inhalt der in Art. 94 AEUV vorgesehenen Verpflichtung macht der Rat geltend, dass die Festsetzung der Preise im Güterkraftverkehr dereguliert worden sei ( 147 ) und dass die in Rede stehende Bestimmung, nämlich Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054, nicht die Beförderungsentgelte als solche betreffe. Insoweit ist allerdings fraglich, ob die in Art. 94 AEUV vorgesehene Verpflichtung sich nur auf Maßnahmen bezieht, die unmittelbar Beförderungsentgelte und ‑bedingungen zum Gegenstand haben, oder auch auf solche Maßnahmen, die die Kosten steigern und sich damit auf die Rentabilität von Verkehrsunternehmen auswirken, also mittelbar die Entgelte beeinflussen ( 148 ). Wenn dieser Auslegung zu folgen ist, würde auch eine Maßnahme mit mittelbaren Auswirkungen auf die Beförderungsentgelte in den Anwendungsbereich von Art. 94 AEUV fallen.

288.

Sowohl Art. 91 Abs. 2 als auch Art. 94 AEUV sehen ein bloßes „Berücksichtigungsgebot“ vor und haben daher keinen absoluten Charakter ( 149 ).

289.

Diese Bestimmungen verpflichten den Unionsgesetzgeber, beim Erlass von Maßnahmen im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik die dort angegebenen spezifischen Parameter und Ziele zu berücksichtigen. Sie begründen das gleiche Maß an Rechtspflicht wie die Querschnittsklauseln der Art. 8 ff. AEUV, die den Unionsgesetzgeber ebenfalls verpflichten, bei der Festlegung und Durchführung aller seiner Politiken und Maßnahmen bestimmten politischen Zielen „Rechnung zu tragen“ ( 150 ).

290.

Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV erfordern daher eine Abwägung der mit einer Maßnahme verfolgten Ziele und der betroffenen Interessen durch den Gesetzgeber und setzen diese voraus ( 151 ).

291.

Wie das Parlament und die Bundesrepublik Deutschland zu Recht ausgeführt haben, enthält die in diesen beiden Bestimmungen vorgesehene Verpflichtung, die dort genannten Gesichtspunkte zu berücksichtigen, jedoch keine Beschränkung des Ermessens, über das der Gesetzgeber im Rahmen der Zuständigkeiten verfügt, die ihm in Bereichen wie der gemeinsamen Verkehrspolitik übertragen sind ( 152 ), in denen seine Tätigkeit politische, wirtschaftliche oder soziale Entscheidungen verlangt und in denen er komplexe Prüfungen und Beurteilungen vornehmen muss, indem er ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen betroffenen Interessen anstrebt.

292.

Die Notwendigkeit, dieses Gleichgewicht zu finden, schließt daher keineswegs aus, dass der Gesetzgeber Rechtsakte erlassen kann, die negative Auswirkungen auf die in diesen beiden Bestimmungen genannten Parameter haben. Die sich aus diesen Bestimmungen ergebende Verpflichtung des Gesetzgebers besteht darin, die nachteiligen Auswirkungen auf diese Parameter – in den von Art. 91 Abs. 2 AEUV erfassten Fällen nur in Fällen einer „ernstlichen“ Beeinträchtigung dieser Parameter – bei der Gewichtung der mit einer Maßnahme verfolgten Ziele und der betroffenen Interessen, die letztlich zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme gehört, zu berücksichtigen.

293.

Da in diesem Kontext diese verschiedenen Ziele und Interessen gegeneinander abgewogen werden müssen und die Anwendung der Kriterien komplex ist, muss sich die gerichtliche Nachprüfung zwangsläufig auf die Frage beschränken, ob der Unionsgesetzgeber hinsichtlich der Anwendungsvoraussetzungen von Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat ( 153 ).

294.

Im Licht dieser Erwägungen sind die Klagegründe zu prüfen, mit denen ein Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV geltend gemacht wird.

ii) Zu den behaupteten Verstößen gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

295.

Was erstens den von der Republik Polen geltend gemachten Verstoß gegen das in Art. 91 Abs. 2 AEUV vorgesehene Erfordernis betrifft, der ernstlichen Beeinträchtigung der Verkehrseinrichtungen Rechnung zu tragen, ist festzustellen, dass dieser Mitgliedstaat weder nachgewiesen hat, dass die Anwendung der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer nach Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 zu einer solchen ernstlichen Beeinträchtigung führen würde, noch, dass der Gesetzgeber insoweit einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hätte, als er die in Rede stehende Maßnahme erlassen hat.

296.

Die Republik Polen macht einen erheblichen Anstieg der Zahl der Reisen auf den Haupttransitstrecken der Union geltend, bestreitet aber nicht wirklich das Vorbringen des Rates, wonach sich aus den dem Gesetzgeber zur Verfügung stehenden Informationen ergebe, dass die Anwendung der in Rede stehenden Maßnahme geeignet gewesen sei, den Lkw-Verkehr um weniger als 0,1 % zu steigern ( 154 ). Selbst unter der Annahme, dass diese Zahl nach dem von der Republik Polen angeführten „Vierte-Potenz-Gesetz“ anzupassen wäre, ist festzustellen, dass unter diesen Umständen nicht davon ausgegangen werden kann, dass die in Rede stehende Bestimmung ernstliche Auswirkungen auf die Straßeninfrastruktur haben könnte.

297.

Im Übrigen macht die Republik Polen lediglich geltend, dass dieser Anstieg der Zahl der Fahrten den Zustand der Verkehrsinfrastruktur verschlechtern würde, die sich bereits in einem unbefriedigenden Zustand befinde. Sie erbringt jedoch keinen Beweis dafür, dass die Auswirkungen, die sich aus der Anwendung der in Rede stehenden Maßnahme auf diese Infrastrukturen ergeben, so bedeutend wären, dass die Feststellung einer „ernstlichen“ Beeinträchtigung im Sinne von Art. 91 Abs. 2 AEUV gerechtfertigt wäre.

298.

Was zweitens den geltend gemachten Verstoß gegen das in Art. 91 Abs. 2 AEUV vorgesehene Erfordernis betrifft, der ernstlichen Beeinträchtigung des Lebensstandards und der Beschäftigungslage in bestimmten Regionen Rechnung zu tragen, kann im Licht der oben in Nr. 265 angeführten Erwägungen und Zahlen auch nicht behauptet werden, dass die in Rede stehende Bestimmung ernstliche Auswirkungen auf die Lebensqualität in den Gebieten in der Nähe der wichtigen Straßenverkehrsachsen und auf die Straßenverkehrssicherheit habe.

299.

Hinsichtlich der Rüge, dass die nachteiligen Folgen für die Fahrer nicht berücksichtigt worden seien, verweise ich auf die Nrn. 201 ff. und die Nrn. 214 und 215 oben, aus denen hervorgeht, dass die in Rede stehende Bestimmung gerade erlassen wurde, um die sozialen Bedingungen der Fahrer zu verbessern. Selbst wenn im Übrigen Art. 91 Abs. 2 AEUV auf die Beschäftigung und den Lebensstandard in bestimmten Regionen Bezug nimmt, die, wie ich dargelegt habe ( 155 ), einem oder mehreren Mitgliedstaaten entsprechen können, ändert dies nichts daran, dass der Unionsgesetzgeber andere Regionen oder die Lage der Union insgesamt nicht ignorieren kann ( 156 ).

300.

Was die Rüge betrifft, wonach die Folgen für die in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union ansässigen Verkehrsunternehmen aufgrund der Erhöhung ihrer Kosten nicht berücksichtigt worden seien, verweise ich auf die Nrn. 224 bis 234 und die Nrn. 216ff., aus denen hervorgeht, dass bei der Interessenabwägung, die der Unionsgesetzgeber im Rahmen seines weiten Ermessens im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik vorgenommen hat – eine Abwägung, die Art. 91 Abs. 2 AEUV voraussetzt ( 157 ) – die etwaigen negativen Auswirkungen, die sich aus der in Rede stehenden Bestimmung für Unternehmen ergeben, die ein Geschäftsmodell wie das oben in Nr. 174 beschriebene gewählt haben, keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begründen können.

301.

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass auch die Struktur von Angebot und Nachfrage nach Arbeitskräften in der Folgenabschätzung geprüft wurde ( 158 ). Auch die Marktstruktur, einschließlich des großen Anteils von KMU, wurde in der Folgenabschätzung ausdrücklich berücksichtigt, was zeigte, dass die in Rede stehende Maßnahme unterschiedliche Auswirkungen auf die verschiedenen Teile der Union hätte ( 159 ).

302.

Was drittens den angeblichen Verstoß gegen Art. 94 AEUV betrifft, sind das Vorbringen zur mangelnden Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer und die Kritik an der Folgenabschätzung im Hinblick auf die Berücksichtigung der KMU in den vorstehenden Absätzen der vorliegenden Schlussanträge geprüft worden.

303.

Im Übrigen weise ich darauf hin, dass das Vorbringen zur Verordnung 2020/1055 in dem Teil der vorliegenden Schlussanträge geprüft wird, der den gegen diese Verordnung gerichteten Klagen gewidmet ist. Hierzu ist festzustellen, dass die Verordnungen 2020/1055 und 2020/1054, auch wenn sie Teil eines Maßnahmenpakets sind, das in koordinierter Weise erlassen wurde, Ziele verfolgen, die nicht vollständig übereinstimmen. Während die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer im Rahmen der allgemeinen Ziele der Verordnung 2020/1054 die oben in den Nrn. 196 bis 205 im Einzelnen genannten grundsätzlich sozialen Ziele verfolgt, zielt die Verordnung 2020/1055 auf die unten in den Nrn. 578 und 693 angeführten unterschiedlichen Ziele ab. Daraus folgt, dass die Analyse betreffend die Interessenabwägung durch den Gesetzgeber und die Verhältnismäßigkeit der in den beiden Verordnungen erlassenen Maßnahmen nicht notwendigerweise die gleichen sind und dass daher grundsätzlich keine Argumente aus einer Verordnung abgeleitet werden können, um die Rechtmäßigkeit der anderen in Frage zu stellen.

304.

Zur Rüge, der Unionsgesetzgeber habe die für die Verkehrsunternehmen belastendere Alternative gewählt, ist festzustellen, dass die Republik Polen, abgesehen von der in den Nrn. 241 bis 244 erörterten Alternative, nicht angibt, welche anderen, weniger belastenden Alternativen möglich gewesen wären.

305.

Was das Vorbringen zu den Risiken eines Rückzugs vom Markt oder der Sitzverlegung eines Teils der Verkehrsunternehmen aus dem KMU-Sektor mit Sitz in den peripheren Staaten der Union betrifft, verweise ich auf die Ausführungen in den Nrn. 172 bis 180, 216 ff. und 234 der vorliegenden Schlussanträge.

306.

Was schließlich das Vorbringen der Republik Polen zur Covid‑19-Pandemie betrifft, weise ich darauf hin, dass diese Pandemie zwar schwerwiegende Auswirkungen auf mehrere Wirtschaftssektoren hatte, zu denen auch der Straßenverkehrssektor gehört, doch handelt es sich um eine außergewöhnliche und vorübergehende Situation, die den Unionsgesetzgeber nicht vom Erlass geeigneter langfristig anwendbarer Sozialvorschriften abhalten kann. Daraus folgt, dass die Covid‑19-Pandemie nicht geltend gemacht werden kann, um einen mutmaßlichen Verstoß gegen Art. 94 AEUV geltend zu machen.

307.

Nach alledem sind die Klagegründe, mit denen ein Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV gerügt wird, meines Erachtens zurückzuweisen.

f)   Zum Verstoß gegen die unionsrechtlichen Bestimmungen betreffend die Politik im Bereich Umwelt und Klimawandel

1) Vorbringen der Parteien

308.

In ihren Klagen machen die Republik Litauen (Rechtssache C‑541/20) und die Republik Polen (Rechtssache C‑553/20) geltend, Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 verstoße gegen verschiedene unionsrechtliche Bestimmungen betreffend die Politik im Bereich Umwelt und Klimawandel. Die Republik Litauen macht einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 EUV sowie gegen die Art. 11 und 191 AEUV geltend. Die Republik Polen macht einen Verstoß gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta geltend.

309.

Die Republik Litauen macht geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054, indem er eine Verpflichtung zur regelmäßigen Rückkehr der Fahrer vorschreibe, gegen Art. 3 Abs. 3 EUV, die Art. 11 und 191 AEUV sowie die die Umweltpolitik und die Politik der Union zum Klimawandel verstoße, da er mit dieser und der Verpflichtung, die Vereinbarkeit der Maßnahmen der Verkehrspolitik der Union mit den anderen Unionspolitiken sicherzustellen, unvereinbar sei. Der Umweltschutz sei eines der wesentlichen Ziele der Union und die Erfordernisse in diesem Bereich müssten in die Durchführung der gemeinsamen Verkehrspolitik einbezogen werden. Darüber hinaus hatte die Kommission, als das Verfahren zur Annahme der Verordnung 2020/1054 im Gang war, bereits einen europäischen Grünen Deal ausgearbeitet ( 160 ), in dem sich die Union das Ziel gesetzt hätte, die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Nach den Daten der Kommission entfalle ein Viertel der gesamten Treibhausgasemissionen in der Union auf den Verkehrssektor und dieser Anteil steige weiter. Um Klimaneutralität zu erreichen, müssten die verkehrsbedingten Emissionen bis 2050 um 90 % gesenkt werden ( 161 ). Am 12. Dezember 2019 habe der Europäische Rat dieses Ziel unterstützt und den Rat ausdrücklich ersucht, die Arbeit in diesem Bereich voranzubringen ( 162 ). Beim Erlass von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 habe der Unionsgesetzgeber diese Ziele nicht berücksichtigt. In Anbetracht des Umstands, dass der größte Teil der Nachfrage nach Güterkraftverkehr nach den Daten der Kommission von den Mitgliedstaaten im Zentrum der Union oder um dieses Zentrum stamme, während der größte Teil der Nachfrage nach Transportpersonal aus peripheren Mitgliedstaaten der Union stamme, erlege diese Bestimmung nämlich eine Verpflichtung auf, die den Verkehr auf Straßen, die Zahl der Lastkraftwagen, die ohne Güter führen, oder die Zahl anderer Fahrzeuge, die zur Beförderung der Arbeitnehmer bestimmt seien, den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen in die Umwelt künstlich erhöhe und so die Effizienz des Transportsystems verringere und die Umweltverschmutzung und die Überlastung auf den Straßen steigere. Die Probleme, die diese Bestimmung für die Umwelt und das Klima mit sich bringen werde, würden zweifellos von großem Ausmaß sein, da nach den Angaben der Kommission im Verkehrssektor etwa 2,9 Millionen Arbeitnehmer beschäftigt seien.

310.

Die Republik Polen macht in der Rechtssache C‑553/20 geltend, Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta seien dadurch verletzt worden, dass die Erfordernisse des Umweltschutzes nicht berücksichtigt worden seien. Aus diesen beiden Bestimmungen ergebe sich, dass die Unionsorgane verpflichtet seien, keine Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet seien, die Verwirklichung der Ziele des Umweltschutzes zu gefährden, und zwar über die bloßen Maßnahmen hinaus, die an die Art. 191 und 192 AEUV anknüpften. Der Grundsatz der Einbeziehung der Umwelterfordernisse in die anderen Politikbereiche der Union, der sich aus diesen Bestimmungen ergebe, ermögliche es, die Ziele und Erfordernisse des Umweltschutzes mit den anderen Interessen und Zielen der Union sowie mit der Verfolgung einer nachhaltigen Entwicklung in Einklang zu bringen. Ein solcher Grundsatz stelle an sich einen Grund für die Nichtigerklärung eines Unionsrechtsakts dar, wenn die Umweltinteressen offensichtlich nicht berücksichtigt worden oder völlig außer Acht gelassen worden seien. Angesichts des Querschnittcharakters von Art. 11 AEUV sei bei der Prüfung, ob eine bestimmte Maßnahme einen ausreichenden Beitrag zum Umweltschutz leiste, diese Maßnahme nicht isoliert von den anderen Maßnahmen der Union zu betrachten, die zu diesem Zweck in Bezug auf die betreffende Tätigkeit erlassen worden seien, sondern die Gesamtheit der von der Union in diesem Bereich erlassenen Maßnahmen bilde den geeigneten Rahmen für eine solche Beurteilung. Die gerichtliche Kontrolle, ob das Handeln des Unionsgesetzgebers mit diesem Grundsatz der Einbeziehung vereinbar sei, müsse der Kontrolle entsprechen, die das Gericht vorgenommen habe, als es zu prüfen gehabt habe, ob das Handeln der Kommission im Einklang mit dem Grundsatz der Energiesolidarität gewesen sei. Eine Auslegung von Art. 11 AEUV dahin, dass er nur Rechtsbereiche und keine besonderen Maßnahmen beträfe, würde dessen Bedeutung erheblich relativieren. Den Erfordernissen des Umweltschutzes sollte auch bei der Bestimmung der verschiedenen Maßnahmen, die in den betreffenden Bereich des Unionsrechts fallen, Rechnung getragen werden. Unter diesen Umständen sei es Sache des Gesetzgebers gewesen, vor dem Erlass der Rückkehrverpflichtung die Umwelterfordernisse zu berücksichtigen, was u. a. eine Prüfung der Auswirkungen der geplanten Vorschriften auf die Umwelt und die Feststellung impliziere, dass diese nicht die Verwirklichung der Ziele beeinträchtigten, die in den anderen im Umweltbereich erlassenen Rechtsakten des abgeleiteten Rechts festgelegt seien. Das Parlament und der Rat seien sodann verpflichtet gewesen, die widerstreitenden Interessen gegeneinander abzuwägen und gegebenenfalls geeignete Änderungen vorzunehmen.

311.

Es sei allgemein bekannt, dass die Luftverschmutzung durch die Emissionen des Verkehrs zu zahlreichen gesundheitlichen Problemen führe, zu denen hauptsächlich der Straßenverkehr beitrage. Die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 aufgestellte Rückkehrverpflichtung führe zu zusätzlichen Reisen, die zu einer Erhöhung der CO2-Emissionen und der Luftschadstoffe führten, was erhebliche Auswirkungen auf die Verwirklichung der Umweltziele der Union haben könne, die sich insbesondere aus dem europäischen Grünen Deal, dem Ziel einer klimaneutralen Union bis 2050 durch eine Verringerung der Gesamtemissionen des Verkehrs um 90 % gegenüber dem Niveau von 1990 und den Zielen der einschlägigen Unionsvorschriften für die Mitgliedstaaten ergäben. Die zusätzlichen Stickstoffoxid- und Staubemissionen, die in Anwendung dieser Bestimmung und der in der Verordnung 2020/1055 vorgesehenen Pflicht zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen entstünden, könnten die Wirksamkeit der von den Mitgliedstaaten in den nationalen Plänen für die Umwelt festgelegten Maßnahmen in Frage stellen. Diese negativen Auswirkungen seien in den Analysen der Umweltauswirkungen der Pflicht zur Rückkehr von Fahrzeugen alle acht Wochen, die im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens u. a. von den Mitgliedstaaten, im Schreiben der IRU, im von einem bulgarischen Verband in Auftrag gegebenen KPMG-Bericht und im Vermerk des European Centre for International Political Economy (ECIPE) vorgelegt worden seien, dokumentiert worden. Die Kommission habe über Kommissarin Vălean ( 163 ) die Vereinbarkeit der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen mit den Zielen des europäischen Grünen Deals und den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von 2019 in Frage gestellt. Gleichwohl hätten das Parlament und der Rat keine angemessene Analyse der Auswirkungen der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer auf die Verwirklichung der Umweltziele der Union und die Einhaltung der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus Rechtsakten im Umweltbereich vorgenommen. Das Fehlen einer Folgenabschätzung stelle einen offensichtlichen Verstoß gegen ihre sich aus Art. 11 AEUV ergebende Pflicht zur Vornahme einer solchen Bewertung dar ( 164 ).

312.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, alle diese Klagegründe zurückzuweisen.

2) Würdigung

313.

Die Frage des Verstoßes gegen die Politik der Union im Bereich Umwelt und Klimawandel wird im Rahmen der Klagen gegen Art. 1 Nr. 3 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 umfassend geprüft werden, der die Verkehrsunternehmer verpflichtet, eine Rückkehr der Fahrzeuge in den Staat der Niederlassung alle acht Wochen vorzusehen. Auf diese Prüfung möchte ich angesichts der Ähnlichkeit der von der Republik Litauen und der Republik Polen in ihren jeweiligen Parallelklagen vorgebrachten Argumente weitgehend verweisen ( 165 ).

314.

Daher beschränke ich mich auf den Hinweis, dass, da Art. 52 Abs. 2 der Charta bestimmt, dass die Ausübung der durch sie anerkannten Rechte, die in den Verträgen geregelt sind, im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Bedingungen und Grenzen erfolgt, das in der Charta verankerte Recht auf ein hohes Umweltschutzniveau im Rahmen der Bedingungen und Grenzen zu verstehen und auszulegen ist, die gegebenenfalls in Art. 3 Abs. 3 EUV und den Art. 11 und 191 AEUV vorgesehen sind ( 166 ). Art. 37 der Charta stellt somit keine eigenständige Rechtsnorm dar, die von diesen anderen Bestimmungen des Primärrechts unabhängig wäre.

315.

Was Art. 3 Abs. 3 EUV betrifft, so schließt seine programmatische Dimension ihn von den Parametern aus, anhand deren die Vereinbarkeit einer Bestimmung des abgeleiteten Rechts mit dem Primärrecht beurteilt werden kann. Er kann meines Erachtens gegenüber den spezifischen Vorschriften des Vertrags, die die dort aufgeführten allgemeinen Ziele konkretisieren, keine selbständige Anwendung finden ( 167 ).

316.

Was Art. 11 AEUV betrifft, bin ich trotz eines zwingend scheinenden Wortlauts nicht davon überzeugt, dass diese Bestimmung so genaue Verpflichtungen für den Unionsgesetzgeber begründen kann, wie sie von den Klägern geltend gemacht werden, da er lediglich verpflichtet ist, die Erfordernisse des Umweltschutzes, ohne weitere Einzelheiten, einzubeziehen. Aus dieser Unklarheit ergibt sich, dass die von der Republik Polen erhobene Rüge eines Verstoßes gegen Art. 11 AEUV wegen des angeblichen Fehlens einer Folgenabschätzung – von der im Übrigen nicht wirklich bekannt ist, ob sie die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer als solche oder die davon unterschiedliche Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge betrifft – keinen Erfolg haben kann ( 168 ).

317.

Außerdem bezieht sich Art. 11 AEUV zwar auf die Unionspolitiken und ‑maßnahmen, doch kann eine solche Bezugnahme nicht als systematische Verpflichtung ausgelegt werden, für den Erlass jeder einzelnen Bestimmung die Erfordernisse des Umweltschutzes einzubeziehen oder ihnen sogar Vorrang einzuräumen. In Anbetracht des Querschnittscharakters von Art. 11 AEUV lässt sich letztlich anhand der Art und Weise, in der die Union diese Erfordernisse in ihre Politik einbezieht und ihnen Rechnung trägt, feststellen, ob sie im Einklang mit den Vorgaben dieser Bestimmung handelt und ob ihr Gesetzgeber seine Befugnisse unter Beachtung des ihm in dieser Bestimmung gesetzten Ziels ausgeübt hat.

318.

Eine solche Auslegung scheint mir durch die Natur der gesetzgeberischen Tätigkeit bestätigt zu werden, die darin besteht, in einem bestimmten Bereich zwischen widerstreitenden Interessen vermitteln zu müssen und oft widersprüchliche Ziele gegeneinander abzuwägen. Selbst wenn also die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer für sich genommen negative Folgen für die Umwelt hätte ( 169 ), würde diese Feststellung allein nicht ausreichen, um auf einen Verstoß gegen Art. 11 AEUV zu schließen, da der Unionsgesetzgeber im Übrigen verschiedene Maßnahmen ergriffen hat, um die negativen Auswirkungen des Güterkraftverkehrs einzudämmen ( 170 ), und diese behaupteten Folgen die Umweltkosten eines sozialen Fortschritts darstellen würden.

319.

Ich weise auch darauf hin, dass die verschiedenen von der Republik Polen angeführten Studien und Analysen insbesondere darauf abzielen, die behaupteten negativen Auswirkungen auf die Umwelt zu beschreiben und zu bewerten, die sich daraus ergeben sollen, dass der Unionsgesetzgeber die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge in den Mitgliedstaat der Niederlassung alle acht Wochen erlassen hat. Dies sind dieselben wie die, die im Rahmen der Klagen gegen Art. 1 Nr. 3 Buchst. a der Verordnung 2020/1055, auf die ich verweise, ausführlich zitiert und kommentiert werden. Die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer ist jedoch nicht mit derjenigen der Fahrzeuge gleichzusetzen ( 171 ).

320.

Zu Art. 191 AEUV weise ich darauf hin, dass die Verordnung 2020/1054 keine im Rahmen der Umweltpolitik der Union erlassene Maßnahme ist und dass nicht geltend gemacht worden ist, dass die beklagten Organe über die Rechtsgrundlage geirrt hätten. Außerdem ist eine Maßnahme nicht allein deshalb als Handlung im Umweltbereich anzusehen, weil sie den Erfordernissen des Umweltschutzes Rechnung trägt ( 172 ). Unter diesen Umständen erscheint die Berufung auf Art. 191 AEUV unerheblich.

321.

Was schließlich das Vorbringen betrifft, die Rückkehrverpflichtung laufe den Zielen zuwider, die im Übrigen vom Europäischen Rat, dem europäischen Grünen Deal und den anderen Instrumenten des abgeleiteten Rechts festgelegt worden seien, ist auf Folgendes hinzuweisen. Erstens kann die materielle Rechtmäßigkeit eines Sekundärrechtsakts nicht anhand eines anderen Unionsrechtsakts derselben normativen Ebene geprüft werden ( 173 ), es sei denn, dass er in Anwendung des letztgenannten Rechtsakts erlassen wurde oder in einem dieser beiden Rechtsakte ausdrücklich vorgesehen ist, dass der eine Vorrang gegenüber dem anderen hat ( 174 ), was bei der Verordnung 2020/1054 nicht der Fall ist. Außerdem könnten etwaige Spannungen der Mitgliedstaaten zwischen den Zielen, die ihnen durch die verschiedenen auf sie anwendbaren Unionsvorschriften gesetzt werden, nur zur Feststellung führen, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus einer der genannten Regelungen verstoßen hat, ohne dass eine dieser Regelungen für mit einer anderen Regelung derselben normativen Ebene unvereinbar erklärt werden könnte ( 175 ). Zweitens könnte in Anbetracht ihrer im Wesentlichen politischen Natur und des Fehlens einer gesetzgeberischen Tätigkeit des Europäischen Rates keine für den Ausgang der vorliegenden Klagen nützliche Schlussfolgerung gezogen werden, wenn der behauptete Widerspruch zu den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates bestätigt werden müsste ( 176 ). Drittens ergibt sich der europäische Grüne Deal aus einer Mitteilung der Kommission, die nicht zu den Parametern gehört, die der Unionsgesetzgeber beim Erlass der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer zu beachten hatte.

322.

Folglich sind die Klagegründe, mit denen ein Verstoß gegen die Politik der Union im Bereich Umwelt und Klimawandel gerügt wird, zurückzuweisen.

g)   Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot

1) Vorbringen der Parteien

323.

In ihren Klagen machen die Republik Litauen (Rechtssache C‑541/20), die Republik Bulgarien (Rechtssache C‑543/20) und Rumänien (Rechtssache C‑546/20) geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 nicht den Anforderungen genüge, die sich aus dem in Art. 18 AEUV vorgesehenen Diskriminierungsverbot ergäben. Die Republik Bulgarien verweist auch auf die Art. 20 und 21 der Charta, den Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 2 EUV sowie den freien Dienstleistungsverkehr nach Art. 95 Abs. 1 AEUV.

324.

Als Erstes machen diese drei Mitgliedstaaten geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 gegen das Diskriminierungsverbot verstoße, da er eine Diskriminierung zwischen den Verkehrsunternehmern mit Sitz in den Mitgliedstaaten an der geografischen Peripherie der Union und denjenigen mit Sitz in den Mitgliedstaaten im Zentrum der Union erlaube. Die Organisation der Arbeit der Lastkraftwagen in einer Weise, dass sie mindestens alle vier Wochen an ihren Sitz oder in den Mitgliedstaat der Niederlassung zurückkehren könnten, sei nämlich für die Verkehrsunternehmer mit Sitz in Mitgliedstaaten mit einem großen nationalen Markt, deren Fahrer Beförderungen im Mitgliedstaat der Niederlassung des Verkehrsunternehmers in der Nähe ihres Wohnsitzes durchführten, deutlich weniger belastend als für Verkehrsunternehmer mit Sitz in peripheren Mitgliedstaaten, deren nationaler Markt begrenzt sei und die sich auf die grenzüberschreitenden Beförderungen konzentrierten. Insbesondere macht Rumänien geltend, dass die Verpflichtung, die Rückkehr der Fahrer zu gewährleisten, zu erheblichen Verlusten für die in den Mitgliedstaaten an der geografischen Peripherie der Union ansässigen Unternehmen führe, die jedenfalls deutlich höher seien als die der in Mittel- oder Westeuropa ansässigen Gesellschaften.

325.

Die Republik Litauen macht außerdem geltend, dass die durch die in Rede stehende Bestimmung geschaffene Diskriminierung gegenüber den Unternehmen der Mitgliedstaaten, die an der Peripherie der Union gelegen seien, die Ausübung der Freiheiten des Binnenmarkts behindere, da sich diese Unternehmen im Vergleich zu den Unternehmen des Zentrums der Union und der dieses Zentrum umgebenden Regionen in einer nachteiligen Situation befänden. Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 sei somit eine protektionistische Maßnahme, mit der die Unternehmen der peripheren Staaten vom Markt für die Beförderung eines Teils des Unionsgebiets verdrängt würden und die dazu bestimmt sei, den Umfang der Tätigkeiten dieser Unternehmen zu verringern, da sie den Fahrern nicht nur Arbeitsbedingungen anbieten müssten, die ihren freien Verkehr beschränkten, sondern auch ihre Tätigkeit so planen müssten, dass ein Teil der Fahrten, die mit den Fahrzeugen durchgeführt würden, unrentabel seien oder die Fahrzeuge leer blieben, bis die Fahrer ersetzt würden oder von der Betriebsstätte oder dem Wohnsitzstaat nach ihrer Ruhezeit zurückkehrten.

326.

Als Zweites machen die Republik Bulgarien und die Republik Litauen geltend, die angefochtene Bestimmung führe zu einer Diskriminierung zwischen den Fahrern, die für Verkehrsunternehmer arbeiteten, die in Mitgliedstaaten an der geografischen Peripherie der Union ansässig seien, und solchen, die für Verkehrsunternehmer aus Mitgliedstaaten mit Sitz im Zentrum der Union arbeiteten, da die Rückkehr in den Wohnsitzstaat eine weite Reise innerhalb kurzer Zeiträume erfordere, was möglicherweise unerwünscht sei und die Situation des Fahrers verschlechtern könne. Innerhalb desselben Mitgliedstaats diskriminiere das fragliche Erfordernis zwischen den örtlichen Fahrern und solchen aus anderen Mitgliedstaaten. Außerdem befänden sich die Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten, die an der Peripherie der Union gelegen seien, in einer objektiv komplizierteren Lage, da sie, um ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen, größere Entfernungen zurücklegen und mehr Zeit verlieren müssten als die Arbeitnehmer aus den Regionen um das Zentrum der Union.

327.

Als Drittes macht die Republik Bulgarien geltend, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer auch gegen den Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten verstoße, da sich die Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union in einer deutlich ungünstigeren Lage befänden.

328.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, alle diese Klagegründe zurückzuweisen.

2) Würdigung

329.

Die Republik Litauen, die Republik Bulgarien und Rumänien machen geltend, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr des Fahrers in dreierlei Hinsicht gegen Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot verstoße: erstens schaffe sie eine Diskriminierung zwischen den Verkehrsunternehmern; zweitens führe sie zu einer Diskriminierung zwischen den Fahrern; und drittens schaffe sie eine Diskriminierung zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten.

330.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass, wie sich aus der oben in Nr. 79 angeführten Rechtsprechung ergibt, die Vergleichbarkeit verschiedener Sachverhalte im Licht des Gegenstands und des Ziels der Unionsmaßnahme, mit der die fragliche Unterscheidung eingeführt wird, zu beurteilen ist. Die Ziele der in Rede stehenden Bestimmung sind oben in den Nrn. 196 ff. dargelegt worden, auf die ich verweise.

331.

Was als Erstes die Diskriminierung zwischen den Verkehrsunternehmern betrifft, die durch die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrer entstanden sein soll, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass, wie oben in Nr. 167 ausgeführt, die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer unterschiedslos und in gleicher Weise für jedes Verkehrsunternehmen gilt, das Beförderungen im Straßenverkehr durchführt, die in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 561/2006 fallen. Die Bestimmung gilt unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Arbeitgebers (und auch des Fahrers).

332.

Daraus folgt, dass diese Verpflichtung als solche nicht ausdrücklich zwischen Verkehrsunternehmen unterscheidet.

333.

Gleichwohl machen diese drei Mitgliedstaaten im Wesentlichen geltend, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer, obwohl sie unterschiedslos für alle Verkehrsunternehmen gelte, die Verkehrsunternehmen, die in den Mitgliedstaaten an der geografischen Peripherie der Union niedergelassen seien, stärker beeinträchtige, was zu einer nach dem Unionsrecht verbotenen Diskriminierung führe.

334.

Hierzu habe ich oben in Nr. 174 ausgeführt, dass sich die Verpflichtung betreffend die Fahrer eher auf die Verkehrsunternehmen auswirken kann, die sich aus ihnen eigenen wirtschaftlichen Gründen dafür entschieden habe, sich in einem Mitgliedstaat an der Peripherie der Union niederzulassen und ihre Tätigkeiten jedoch ständig oder überwiegend in anderen, entfernten Mitgliedstaaten auszuüben, in denen sie den wesentlichen Teil ihrer Verkehrsdienstleistungen erbringen, ohne jedoch von ihrem Recht Gebrauch zu machen, sich in diesen Mitgliedstaaten niederzulassen, das ihnen das Unionsrecht garantiert ( 177 ).

335.

Im Übrigen geht aus der Folgenabschätzung, wie oben in Nr. 229 ausgeführt, hervor, dass ein großer Teil der Verkehrsunternehmen, einschließlich derjenigen an der Peripherie der Union, ihre Tätigkeiten bereits in einer Weise ausübte, die mit der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer vereinbar war.

336.

Unter diesen Umständen wollte der Unionsgesetzgeber, wie oben in Nr. 230 ausgeführt, gerade die Praktiken des „Nomadentums der Fahrer“, die eine nicht vernachlässigbare Zahl der Fahrer betrafen und als einer der Faktoren identifiziert worden waren, die zur Verschlechterung der sozialen Bedingungen der Fahrer beitrugen, regulieren, um die politischen Ziele der Verordnung 2020/1054 zu verfolgen, nämlich die Arbeitsbedingungen der Fahrer zu verbessern sowie insbesondere einen unverfälschten und fairen Wettbewerb zwischen den Verkehrsunternehmern zu gewährleisten und einen Beitrag zur Sicherheit im Straßenverkehr für alle Straßenverkehrsteilnehmer zu leisten ( 178 ).

337.

Wie ich oben in Nr. 220 ausgeführt habe, hat der Gerichtshof bereits anerkannt, dass der Unionsgesetzgeber berechtigt ist, einen Rechtsakt anzupassen, um einen Ausgleich der betroffenen Interessen vorzunehmen, um den sozialen Schutz der Fahrer durch eine Änderung der Bedingungen, unter denen die Dienstleistungsfreiheit ausgeübt wird, zu erhöhen.

338.

Eine Harmonisierungsmaßnahme der Union hat aber zwangsläufig unterschiedliche Auswirkungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten ( 179 ). Der Gesetzgeber kann nicht verpflichtet sein, die Kostenunterschiede zwischen den Wirtschaftsteilnehmern auszugleichen, die sich aus ihrer Wahl des Geschäftsmodells und den unterschiedlichen Bedingungen ergeben, unter denen sie aufgrund dieser Wahl stehen ( 180 ), wie etwa solche, die sich aus den geografischen Gegebenheiten ergeben ( 181 ).

339.

Sodann darf der Unionsrichter im Rahmen der begrenzten gerichtlichen Kontrolle, die der Gerichtshof in einem Bereich wie der Verkehrspolitik auch in Bezug auf die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes anerkannt hat ( 182 ), die Beurteilung des Unionsgesetzgebers nicht durch seine eigene ersetzen, indem er die Entscheidung des Gesetzgebers in Frage stellt, durch den Erlass einer unterschiedslos auf alle Verkehrsunternehmen anwendbaren Bestimmung bestimmten Praktiken entgegenzuwirken, die als Beitrag zur Verschlechterung der sozialen Bedingungen der Fahrer identifiziert wurden, auch wenn diese Wahl beinhaltet, dass bestimmte Unternehmen, die sich für eine bestimmte Art von Geschäftsmodell entschieden haben, höhere Kosten tragen müssen.

340.

Was das Vorbringen der Republik Litauen betrifft, dass die durch die in Rede stehende Bestimmung geschaffene Diskriminierung gegenüber den Unternehmen der Mitgliedstaaten, die an der Peripherie der Union gelegen seien, die Ausübung der Freiheiten des Binnenmarkts behindere, verweise ich auf die oben in den Nrn. 167 bis 180 angestellten Erwägungen, in denen ich die Gründe dargelegt habe, aus denen die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer nicht gegen die Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Grundfreiheiten verstößt.

341.

Was als Zweites die Diskriminierung zwischen den Fahrern betrifft, die nach Ansicht der Republik Litauen und der Republik Bulgarien durch die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer geschaffen werde, weise ich hilfsweise ( 183 ) darauf hin, dass die Situation der Fahrer, die in Verkehrsunternehmen mit Sitz in Mitgliedstaaten an der geografischen Peripherie der Union beschäftigt sind, und die Situation der Fahrer, die für Verkehrsunternehmer mit Sitz in Mitgliedstaaten im Zentrum der Union tätig sind, in Bezug auf das Recht, innerhalb einer angemessenen Frist an ihren Wohnsitz zurückkehren zu können, vergleichbar ist.

342.

Unter diesen Umständen kann schwerlich angenommen werden, dass der Unionsgesetzgeber einen offensichtlichen Fehler begangen oder sein Ermessen klar überschritten hat, indem er es unterlassen hat, zwischen den verschiedenen Arbeitnehmern nach der mehr oder weniger großen Entfernung zu unterscheiden, die diese Arbeitnehmer zurücklegen müssen, um nach Hause oder zur Betriebsstätte ihres Arbeitgebers zurückzukehren, und somit einer Gruppe von Arbeitnehmern das Rückkehrrecht aufgrund des von ihrem Arbeitgeber gewählten Geschäftsmodells zu versagen oder einzuschränken.

343.

Ich teile insoweit die Auffassung des Rates, dass sich alle Fahrer des Straßenverkehrssektors in Bezug auf ihr Recht auf Rückkehr in einer vergleichbaren Situation befinden und daher trotz der unterschiedlichen Belastungen, die die Ausübung dieses Rechts für ihre jeweiligen Arbeitgeber nach Maßgabe der von ihnen gewählten Geschäftsmodelle mit sich bringt, dieselben Rechte erhalten müssen.

344.

Was als Drittes die Diskriminierung zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten betrifft, die durch die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer verursacht worden sein soll, selbst wenn man unterstellt, dass, wie ich soeben ausgeführt habe, einige Mitgliedstaaten von der in Rede stehenden Bestimmung mittelbar mehr als andere betroffen wären, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass ein Rechtsakt der Union, der dazu bestimmt ist, die Normen der Mitgliedstaaten einander anzugleichen, sofern er in allen Mitgliedstaaten in gleicher Weise gilt, nicht als diskriminierend angesehen werden kann, da eine solche Harmonisierungsmaßnahme zwangsläufig je nach dem bisherigen Stand der verschiedenen nationalen Rechtsvorschriften unterschiedliche Auswirkungen zeigt ( 184 ).

345.

Nach alledem bin ich der Ansicht, dass alle gegen Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgebrachten Klagegründe eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot zurückzuweisen sind.

h)   Ergebnis zu den Klagegründen in Bezug auf die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer

346.

Nach alledem sind meines Erachtens alle Klagegründe zurückzuweisen, die die Republik Litauen in der Rechtssache C‑541/20, die Republik Bulgarien in der Rechtssache C‑543/20, Rumänien in der Rechtssache C‑546/20 und die Republik Polen in der Rechtssache C‑553/20 gegen Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 geltend machen, der die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer vorsieht.

2.   Zu den Klagegründen betreffend das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine

347.

Die Republik Bulgarien (Rechtssache C‑543/20), Rumänien (Rechtssache C‑546/20) und Ungarn (Rechtssache C‑551/20) wenden sich gegen Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054, der das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine vorsieht ( 185 ). Diese drei Mitgliedstaaten machen mehrere Klagegründe gegen diese Bestimmung geltend.

a)   Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

1) Vorbringen der Parteien

348.

Die Republik Bulgarien, Rumänien und Ungarn machen geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 nicht den Anforderungen genüge, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergäben.

349.

Diese drei Mitgliedstaaten bestreiten zum einen die Verhältnismäßigkeit des in dieser Bestimmung vorgesehenen Verbots der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine als solche. Sie machen insbesondere geltend, dass diese Maßnahme zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten legitimen Ziele offensichtlich ungeeignet sei, dass sie zur Erreichung dieser Ziele nicht erforderlich sei und über das hinausgehe, was zur Erreichung dieser erklärten Ziele erforderlich sei. Zum anderen beanstanden Rumänien und Ungarn auch die vom Unionsgesetzgeber vorgenommene Prüfung der Verhältnismäßigkeit. Sie machen insbesondere geltend, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass der in Rede stehenden Bestimmung wesentliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt habe.

350.

Was erstens die Klagegründe betreffend die Verhältnismäßigkeit des Verbots der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine anbelangt, machen die Republik Bulgarien, Rumänien und Ungarn geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, da das dort vorgesehene Verbot aufgrund des derzeitigen Zustands der europäischen Infrastruktur eine übermäßig schwierige oder gar unmöglich zu erfüllende Verpflichtung darstelle. In Anbetracht der unzureichenden Zahl gesicherter Parkflächen und geeigneter Unterkünfte in deren Nähe würden die Fahrer und Verkehrsunternehmen oftmals mit Anforderungen konfrontiert, die unmöglich zu erfüllen seien. Unter diesen Umständen könne diese Maßnahme nicht so durchgeführt werden, dass die verfolgten Ziele erreicht würden, was zeige, dass sie offensichtlich ungeeignet sei. Außerdem würden sie die Fahrer und die Verkehrsunternehmen offensichtlich unverhältnismäßig belasten. Folglich sei dem Unionsgesetzgeber ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, indem er ein solches in der Praxis unanwendbares Erfordernis vorgesehen habe.

351.

Die Republik Bulgarien und Ungarn weisen darauf hin, dass die Kommission bereits in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil an mehreren Stellen darauf hingewiesen habe, dass es der Union generell an geeigneten Ruheeinrichtungen und gesicherten Parkflächen fehle ( 186 ). Der unzureichende Zustand der Einrichtungen in der Union ergebe sich auch aus einer von der Kommission im Februar 2019 veröffentlichten Studie über sichere und gesicherte Parkplätze (im Folgenden: Studie von 2019) ( 187 ), auf die sich die drei oben genannten Mitgliedstaaten beziehen. Nach dieser Studie seien von 300000 Parkplätzen, die in der Union für Lastkraftwagen bestimmt seien, nur etwa 47000 teilweise gesichert und nur 7000 wiesen ein zertifiziertes Sicherheitsniveau auf. Da die durchschnittliche Nachfrage nach Nachtparkplätzen auf fast 400000 Plätze geschätzt werde, führe dies zu einem Fehlen von etwa 100000 Plätzen, wobei im Übrigen ganz wenige der bestehenden Parkflächen ein angemessenes Sicherheits- und Sicherungsniveau gewährleisteten. Außerdem ergebe sich aus dieser Studie eine ungleiche Verteilung der sicheren und gesicherten Parkplätze gegenüber den europäischen Transitkorridoren, da sich die 7000 zertifizierten Parkplätze nur in einigen Mitgliedstaaten befänden. Im Übrigen hätten der EWSA sowie mehrere Mitgliedstaaten diese Situation während des Gesetzgebungsverfahrens hervorgehoben.

352.

Die Frage der Parkflächen und die Frage der geeigneten Unterkünfte sei, wenn auch verschieden, insofern eng miteinander verbunden, als für den Fahrer nur eine Unterkunft geeignet sei, die sich in der Nähe einer geeigneten und gesicherten Parkfläche befinde, von der er wisse, dass seine Ladung dort in Sicherheit sein werde. Die begrenzte Zahl solcher Parkflächen würde die Zahl der potenziellen Unterkünfte, die der Fahrer nutzen könne, um seine wöchentliche Ruhezeit zu nehmen, noch weiter verringern.

353.

Die Republik Bulgarien weist auch darauf hin, dass die Unzulänglichkeit der Infrastruktur durch die Verpflichtung der Kommission nach Art. 1 Nr. 7 der Verordnung 2020/1054 hervorgehoben werde, dem Parlament und dem Rat bis zum 31. Dezember 2024 einen Bericht über die Verfügbarkeit geeigneter Ruheeinrichtungen für Fahrer vorzulegen. Rumänien fügt hinzu, dass die Kommission nach diesem Artikel verpflichtet sei, eine Liste aller Parkflächen zu veröffentlichen. Bis heute sei hierfür jedoch keine Internetseite eingerichtet worden.

354.

Rumänien macht auch geltend, um die in Rede stehende Bestimmung einzuhalten, hätten Fahrer, die sich auf Fahrten ohne sichere Parkflächen befänden, keine andere Wahl, als unsichere Flächen zu nutzen, auf denen sie die Fahrzeuge während ihrer Ruhezeit in einer geeigneten Unterkunft ohne Überwachung ließen und damit das Fahrzeug der Kriminalität aussetzten. Nach dem am 19. Mai 1956 in Genf unterzeichneten Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) hafte der Verkehrsunternehmer für den vollständigen oder teilweisen Verlust oder die Beschädigung, die zwischen der Übernahme des Gutes und dem der Lieferung eintrete, sowie für die verspätete Lieferung. Beim gegenwärtigen Stand der Infrastruktur verbesserte die erlassene gesetzgeberische Lösung somit nicht die Arbeitsbedingungen der Fahrer, sondern könnte im Gegenteil dazu führen, dass ihre Ermüdung und ihr Stress sowie die Gefahren für ihre Sicherheit, ihre Güter und ihr Fahrzeug erhöht würden. Im gleichen Sinne macht die Republik Bulgarien geltend, dass der Mangel an gesicherten Parkflächen für die Lastkraftwagen in der Union das Diebstahlrisiko erhöhen und Versicherungsprobleme für die Verkehrsunternehmer verursachen würde.

355.

Die Republik Bulgarien fügt hinzu, dass die Unmöglichkeit, das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine einzuhalten, die Fahrer und Verkehrsunternehmer der Gefahr von Sanktionen aussetze, die zum Verlust der Zuverlässigkeit und damit des Zugangs zum Güterkraftverkehrsmarkt der Union führen könnten. Insoweit sei es unerheblich, dass die Liste der schwersten Verstöße gegen die Unionsvorschriften den Verstoß gegen das Verbot, eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Fahrzeug einzulegen, nicht umfasse.

356.

In diesem Zusammenhang verweisen Rumänien und Ungarn auf die Verordnung (EU) Nr. 1315/2013 ( 188 ), insbesondere auf ihren Art. 38 Abs. 3 und ihren Art. 39 Abs. 2 Buchst. c, sowie auf die darin festgelegten und im 19. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054 genannten überarbeiteten Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes. Diese Bestimmungen belegten auch, dass der derzeitige Zustand der europäischen Infrastruktur unzureichend sei.

357.

Ungarn weist außerdem darauf hin, dass Art. 8a Abs. 3 und 4 der Verordnung 2020/1054 wiederholte Aufforderungen zur Schaffung sicherer und gesicherter Parkflächen enthielten ( 189 ). Überdies könnten die Maßnahmen zur Schaffung sicherer und gesicherter Parkflächen ihre Wirkungen erst in der Zukunft entfalten, während keine angemessene Übergangsfrist vorgesehen sei, wobei das in Rede stehende Verbot im Übrigen absolut sei. Die Republik Bulgarien beanstandet auch das Fehlen einer Übergangszeit für das Inkrafttreten der in Rede stehenden Bestimmung.

358.

Die Republik Bulgarien macht sodann geltend, dass die Mitgliedstaaten zumindest bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht verpflichtet seien, ausreichende geeignete Unterkünfte sowie sichere und gesicherte Parkflächen zu gewährleisten. So könnte ein Mitgliedstaat dazu veranlasst werden, die Zahl der Infrastrukturen nicht zu erhöhen, um die Erbringung von Verkehrsdienstleistungen durch ausländische Verkehrsunternehmer in seinem Hoheitsgebiet zu beschränken.

359.

Die Republik Bulgarien macht ferner geltend, dass das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine für die Verkehrsunternehmer, bei denen es sich überwiegend um KMU handele, erhebliche zusätzliche Kosten mit sich bringe, da der Verkehrsunternehmer verpflichtet sei, eine angemessene Unterkunft für die wöchentlichen Ruhezeiten der Fahrer zu zahlen, wenn diese von ihrem Wohnsitz entfernt seien ( 190 ). Daraus ergäben sich auch Kosten für etwaige Umwege und Leerfahrten, die allein durch das Bestreben gerechtfertigt seien, eine angemessene Unterkunft zu finden. Die Kosten, die den bulgarischen Verkehrsunternehmern aufgrund der Maßnahme entstünden, würden auf 143 Mio. Euro geschätzt. Im gleichen Sinn macht Rumänien geltend, dass die Maßnahme im Hinblick auf das Ziel, den Verwaltungsaufwand und finanziellen Aufwand für die Verkehrsunternehmen zu verringern, offensichtlich ungeeignet sei.

360.

Die Republik Bulgarien macht außerdem geltend, dass die Auslegung des Begriffs „geeignete Unterkunft“ zu Rechtsunsicherheit führe, was, wie die Kommission selbst einräumt, zu Anwendungsproblemen führen würde ( 191 ). Rumänien macht geltend, dass der Unterschied zwischen den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Sanktionen für Verstöße gegen das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine, der in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil hervorgehoben werde ( 192 ), in der Verordnung 2020/1054 nicht gelöst sei, so dass die Mitgliedstaaten weiterhin unterschiedliche Sanktionen verhängten und damit die Situation der Rechtsunsicherheit für die Verkehrsunternehmer und Fahrer verlängert werde. Die gesetzgeberische Lösung sei daher auch unter diesem Gesichtspunkt ungeeignet, da sie dem Ziel der Verordnung 2020/1054 zuwiderlaufe, die Auslegung und Anwendung der Vorschriften zu vereinheitlichen und die grenzüberschreitende Anwendung des Sozialrechts in kohärenter Weise zu erleichtern.

361.

Die drei oben angeführten Mitgliedstaaten bezweifeln sodann die Relevanz des Urteils Vaditrans ( 193 ). Somit ist dieses Urteil nach Ansicht Ungarns und Rumäniens in den vorliegenden Rechtssachen unerheblich. Die Lektüre dieses Urteils zeige vielmehr, dass dem Gerichtshof im gerichtlichen Verfahren keine Daten zu den in den Mitgliedstaaten verfügbaren Ruheeinrichtungen vorgelegt und deshalb vom Gerichtshof nicht berücksichtigt worden seien. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass der Gerichtshof die Frage der Verhältnismäßigkeit nicht geprüft habe, da er einen für die Anwendung der in Rede stehenden Regelung erheblichen Umstand nicht geprüft habe, nämlich dass das Verbot der wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine oft wegen der unzureichenden Zahl der in den Mitgliedstaaten verfügbaren Ruheeinrichtungen praktisch nicht angewandt werden könne. Der Gerichtshof habe eine Auslegungsfrage beantwortet, während es im vorliegenden Fall darum gehe, festzustellen, ob der Gesetzgeber im Licht der verfügbaren Informationen sein Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt und das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit beachtet habe.

362.

Rumänien weist auch darauf hin, dass die Verordnung Nr. 561/2006 nach diesem Urteil jedenfalls dahin auszulegen sei, dass sie die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit in der Fahrzeugkabine verbiete. Zwar sei in Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 dieses Verbot verankert, jedoch mit weiteren Anordnungen. Auch die Republik Bulgarien macht geltend, dass sich die Verordnung 2020/1054 nicht darauf beschränke, das Urteil Vaditrans durchzuführen, sondern das Erfordernis hinzufüge, dass die Ruhezeiten in einer geeigneten geschlechtergerechten Unterkunft mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen zu verbringen seien.

363.

Schließlich bringen die Republik Bulgarien und Rumänien vor, dass es alternative geeignete Maßnahmen gebe, die weniger belastend seien. So sei als Erstes nach Ansicht der Kommission selbst den Fahrern die Möglichkeit zu geben, ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit in der Kabine zu verbringen, sofern es sich um eine freie Wahl des Fahrers handele oder dies nach den Umständen gerechtfertigt sei ( 194 ). Als Zweites sei eine andere mögliche Maßnahme die Einführung einer Ausnahme in den Fällen, in denen geeignete Unterkünfte in einem bestimmten Umkreis vom Standort des Fahrers fehlten. Als Drittes bestünde ein anderer Ansatz, wie vom AdR vorgeschlagen, darin, das Verbot der Ruhezeit in der Kabine nicht anzuwenden, wenn die wöchentliche Ruhezeit von 45 Stunden an einem Ort verbracht werde, an dem ein ausreichendes Sicherheitsniveau und angemessene sanitäre Einrichtungen vorhanden seien, und die Kabine des Fahrers den Vorgaben entspreche, die vom Ausschuss für den Straßenverkehr festzulegen seien. Als Viertes sei es möglich, einen Übergangszeitraum festzulegen, nach dessen Ablauf die Kommission feststellen würde, dass Unterkünfte und gesicherte und sichere Parkflächen in der gesamten Union ausreichend seien. Dieser Übergangszeitraum könnte mit der Verpflichtung der Mitgliedstaaten einhergehen, sicherzustellen, dass sie die erforderlichen Schritte unternehmen, um eine angemessene Infrastruktur zu schaffen.

364.

Was zweitens die Klagegründe betrifft, die sich auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Verbots der Ruhezeit in der Kabine durch den Unionsgesetzgeber beziehen, machen Rumänien und Ungarn geltend, der Unionsgesetzgeber habe wesentliche Gesichtspunkte beim Erlass der in Rede stehenden Bestimmung nicht berücksichtigt.

365.

Diese beiden Mitgliedstaaten tragen vor, aus den zum Zeitpunkt des Erlasses von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 verfügbaren Informationen gehe hervor, dass der Unionsgesetzgeber Kenntnis von der derzeitigen Lückenhaftigkeit der europäischen Infrastruktur gehabt habe. Die Folgenabschätzung stelle das Fehlen von Parkflächen und geeigneten Unterkünften als einen Faktor dar, der die Praxis begünstige, die Ruhezeit in der Fahrzeugkabine zu verbringen. Die Kommission habe sogar klargestellt, dass die Fahrer aufgrund dieser Situation bessere Bedingungen für die Ruhezeit in der Kabine hätten, als wenn sie andere verfügbare Lösungen in Anspruch nähmen ( 195 ). Außerdem sei das Ausmaß dieses Fehlens von der Kommission in der Studie von 2019 festgestellt worden. Darüber hinaus enthielten Art. 8a Abs. 3 und 4 von der Verordnung Nr. 561/2006 in der durch die Verordnung 2020/1054 geänderten Fassung wiederholte Aufforderungen zur Schaffung sicherer und gesicherter Parkflächen, was zeige, dass der Gesetzgeber die beanstandete Anforderung in dem Bewusstsein der unzureichenden Zahl von Parkflächen geeigneter Qualität erlassen habe. Daraus folge, dass der Unionsgesetzgeber einen offensichtlichen Fehler begangen habe, indem er wesentliche Gesichtspunkte, nämlich die Daten über das Fehlen von sicheren und gesicherten Parkplätzen, außer Acht gelassen und die einschlägigen Beweise nicht gewürdigt habe.

366.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, alle diese Klagegründe zurückzuweisen.

2) Würdigung

i) Vorbemerkungen

367.

Durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054, dessen Verhältnismäßigkeit von der Republik Bulgarien, Rumänien und Ungarn in Frage gestellt wird, wurde Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 geändert.

368.

In seiner alten Fassung sah Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 vor, dass „[s]ofern sich ein Fahrer hierfür entscheidet, … nicht am Standort eingelegte tägliche Ruhezeiten[ ( 196 )] und reduzierte wöchentliche Ruhezeiten [ ( 197 )] im Fahrzeug verbracht werden [können], sofern das Fahrzeug über geeignete Schlafmöglichkeiten für jeden Fahrer verfügt und nicht fährt.“

369.

Wie sich aus ihrem Wortlaut ergibt, zielte diese Bestimmung ausschließlich auf tägliche Ruhezeiten und reduzierte wöchentliche Ruhezeiten ab, indem sie es den Fahrern unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichte, diese Ruhezeiten im Fahrzeug zu verbringen. Sie bezog sich dagegen nicht ausdrücklich auf die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit.

370.

Im Urteil Vaditrans hat der Gerichtshof jedoch entschieden, dass diese Bestimmung, da sie nach ihrem Wortlaut ausdrücklich nur das Verbringen der täglichen Ruhezeiten und reduzierten wöchentlichen Ruhezeiten im Fahrzeug erlaubt (sofern das Fahrzeug über geeignete Schlafmöglichkeiten für jeden Fahrer verfügt und nicht fährt), dahin auszulegen ist, dass sie das Verbringen regelmäßiger wöchentlicher Ruhezeiten im Fahrzeug verbietet ( 198 ).

371.

Im Anschluss an dieses Urteil hat Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 – dessen Rechtmäßigkeit in den vorliegenden Rechtssachen bestritten wird – Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 geändert, indem er nunmehr ausdrücklich das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine vorsieht. So bestimmt die neue Fassung dieser Bestimmung in ihrer geänderten Fassung, dass „[d]ie regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten und jede wöchentliche Ruhezeit von mehr als 45 Stunden, die als Ausgleich für die vorherige verkürzte wöchentliche Ruhezeit eingelegt wird, … nicht in einem Fahrzeug verbracht werden [dürfen]“, sondern „in einer geeigneten geschlechtergerechten Unterkunft mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen“ zu verbringen sind. Es wird auch klargestellt, dass „[a]lle Kosten für die Unterbringung außerhalb des Fahrzeugs … vom Arbeitgeber getragen [werden]“.

372.

Vor diesem Hintergrund bestreiten die Republik Bulgarien, Rumänien und Ungarn die Verhältnismäßigkeit dieser Bestimmung. Insoweit ergibt sich aus der oben in den Nrn. 52 ff. angeführten Rechtsprechung, dass der Gerichtshof bei der Untersuchung der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme prüfen muss, ob der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass einer solchen Maßnahme offensichtlich das weite Ermessen, über das er im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik verfügt ( 199 ), überschritten hat, indem er sich für eine Maßnahme entschieden hat, die zur Erreichung der Ziele, die er verfolgen wollte, offensichtlich ungeeignet ist oder die Nachteile verursachte, die in unangemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen.

373.

Was die Ziele der in Rede stehenden Bestimmung betrifft, steht fest, dass mit ihr die politischen Ziele der Verordnung 2020/1054 verfolgt werden sollen, die ich bereits oben in Nr. 197 angeführt habe. Wie sich insbesondere aus dem 13. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054 ergibt ( 200 ), zielt diese Bestimmung darauf ab, den sozialen Fortschritt durch Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Fahrer zu fördern, was auch zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit und zur Angleichung der Wettbewerbsbedingungen im Straßenverkehrsgewerbe beiträgt.

374.

Die drei oben angeführten Mitgliedstaaten stellen die Rechtmäßigkeit dieser Ziele nicht in Frage. Sie bestreiten vielmehr die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahme und machen auch geltend, dass sie über das hinausgehe, was zur Erreichung dieser erklärten Ziele erforderlich sei.

375.

Der Rat und das Parlament entgegnen jedoch, dass mit Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine nicht wirklich in die Unionsrechtsordnung eingeführt worden sei, da dieses Verbot bereits nach der früheren Fassung von Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil Vaditrans bestanden habe. Der Unionsgesetzgeber habe sich daher einfach darauf beschränkt, diese Auslegung zu kodifizieren.

376.

Diese drei Mitgliedstaaten bestreiten jedoch die Relevanz des Urteils Vaditrans für die vorliegende Rechtssache. Unter diesen Umständen bin ich der Ansicht, dass vor einer eingehenden Prüfung des Vorbringens dieser Mitgliedstaaten betreffend einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zunächst dieses Urteil zu prüfen und seine Relevanz für die vorliegenden Rechtssachen zu klären ist.

ii) Zum Urteil Vaditrans und zu seiner Tragweite

377.

In der Rechtssache Vaditrans hatte der belgische Staatsrat dem Gerichtshof im Rahmen eines bei ihm anhängigen Rechtsstreits, der von einem Verkehrsunternehmen, Vaditrans, eingeleitet worden war, das die Nichtigerklärung eines Königlichen Erlasses beantragte, nach dem eine Geldbuße verhängt werden konnte, wenn der Fahrer eines Lastkraftwagens seine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Fahrzeug verbrachte, Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

378.

In diesem Kontext wollte der belgische Staatsrat vom Gerichtshof wissen, ob Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 in seiner früheren, oben in Nr. 368 angeführten Fassung dahin auszulegen ist, dass die regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten nicht im Fahrzeug verbracht werden dürfen.

379.

Wie oben in Nr. 370 dargelegt, hat der Gerichtshof in seinem Urteil entschieden, dass diese Bestimmung dahin auszulegen ist, dass sie das Verbringen regelmäßiger wöchentlicher Ruhezeiten im Fahrzeug verbietet ( 201 ). Nach der Feststellung, dass eine solche Auslegung durch die Entstehungsgeschichte der Bestimmung und den Kontext, in dem sie steht, bestätigt wird, hat der Gerichtshof hervorgehoben, dass mit dieser Auslegung „offensichtlich die Ziele [der] Verordnung [Nr. 561/2006] erreicht werden [sollen], die in der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Fahrer und der Straßenverkehrssicherheit bestehen“ ( 202 ). Insoweit hat der Gerichtshof sodann klargestellt, dass, auch wenn sich die Fahrzeugkonzeption und die Einrichtung der Kabinen erheblich verbessert hat, trotz allem eine Lkw‑Kabine „offensichtlich kein geeigneter Ort für längere Ruhezeiträume als die täglichen Ruhezeiten und die reduzierten wöchentlichen Ruhezeiten [ist]“ und dass die Fahrer die Möglichkeit haben müssten, ihre regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten „an einem Ort zu verbringen, der geeignete und angemessene Unterbringungsbedingungen bietet“ ( 203 ).

380.

Der Gerichtshof hat ferner festgestellt, dass eine gegenteilige Auslegung bedeutet hätte, dass ein Fahrer alle seine Ruhezeiten in der Fahrzeugkabine verbringen dürfte, und dass somit die Ruhezeiten dieses Fahrers an einem Ort eingelegt würden, der keine geeigneten Unterbringungsbedingungen bietet, was aber nicht zur Erreichung des Ziels der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Fahrer beitragen könne ( 204 ).

381.

Der Gerichtshof hat sodann hinzugefügt, dass die etwaige Verschlechterung der Bedingungen, unter denen die Fahrer die wöchentlichen Ruhezeiten einlegen dürften, oder die Schwierigkeit, den Nachweis für die Einhaltung dieses Erfordernisses zu erbringen, keinen Grund dafür liefern können, die zwingenden Bestimmungen der Verordnung Nr. 561/2006 über die Ruhezeiten der Fahrer zu missachten ( 205 ).

382.

Die drei Mitgliedstaaten, die die Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Bestimmung bestreiten, bringen jedoch mehrere Argumente vor, um die Relevanz des Urteils Vaditrans in den vorliegenden Rechtssachen in Frage zu stellen.

383.

Als Erstes machen Ungarn und Rumänien geltend, dass die Rechtssache Vaditrans nicht einschlägig sei, da der Gerichtshof in dieser Rechtssache, in der es um ein Vorabentscheidungsersuchen zur Auslegung gegangen sei, die Frage der Verhältnismäßigkeit der mit der Verordnung Nr. 561/2006 eingeführten Verpflichtung in Bezug auf die konkreten Möglichkeiten der Umsetzung dieser Bestimmung nicht geprüft habe. Der Gerichtshof habe nicht beurteilt, ob es unmöglich sei, das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine anzuwenden.

384.

Ich bin jedoch der Ansicht, dass ein solches Vorbringen im Wesentlichen darauf hinausläuft, das Urteil des Gerichtshofs in Frage zu stellen, und sogar im Nachhinein die Gültigkeit der Bestimmung der Verordnung Nr. 561/2006, die Gegenstand der Auslegung durch den Gerichtshof in diesem Urteil ist, beanstanden soll. Mit diesem Vorbringen machen diese Mitgliedstaaten nämlich letztlich geltend, dass die alte Fassung von Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006, wie sie vom Gerichtshof im Urteil Vaditrans ausgelegt worden sei, wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ungültig gewesen sei, da der Gerichtshof bei seiner Analyse nicht berücksichtigt habe, dass es unmöglich oder übermäßig schwierig sei, das sich aus der Auslegung dieser Bestimmung im Urteil Vaditrans ergebende Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug einzuhalten.

385.

Ein im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gegen eine Bestimmung vorgebrachtes Argument, das sich auf die Ungültigkeit der früheren Fassung dieser Bestimmung in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof in einem früheren Urteil stützt, ist meines Erachtens zweifellos unzulässig. Im vorliegenden Fall ist Gegenstand der von den in Rede stehenden Mitgliedstaaten erhobenen Klagen der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 und nicht ein Antrag auf Nichtigerklärung der früheren Fassung von Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006, der durch diese Bestimmung ersetzt wurde.

386.

Außerdem und unter einem ähnlichen Blickwinkel kann ein Mitgliedstaat im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gegen eine Bestimmung eines Unionsrechtsakts meines Erachtens auch nicht versuchen, die vom Gerichtshof in einem Vorabentscheidungsurteil vorgenommene Auslegung der früheren Fassung dieser Bestimmung in Frage zu stellen.

387.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Regierungen der Mitgliedstaaten nach Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Möglichkeit haben, sich am Vorabentscheidungsverfahren zu beteiligen und insbesondere in diesem Verfahren Erklärungen abzugeben. Will ein Mitgliedstaat geltend machen, dass eine Unionsvorschrift, die Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens ist, ungültig ist, oder möchte er sich für eine bestimmte Auslegung dieser Bestimmung aussprechen, so kann er dem Vorabentscheidungsverfahren beitreten und sein Vorbringen geltend machen. Er kann dies jedoch nicht in einer späteren Klage tun, die einen Antrag auf Nichtigerklärung einer neuen Bestimmung, durch die die frühere Bestimmung geändert wurde, zum Gegenstand hat.

388.

Daraus folgt, dass die oben angeführten Mitgliedstaaten, wenn sie der Ansicht waren, dass die frühere Fassung von Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 ungültig war oder in einer bestimmten Weise hätte ausgelegt werden müssen, ihre Argumente mit ihrem Beitritt als Streithelfer in der Rechtssache Vaditrans hätten geltend machen können und müssen. Diese Mitgliedstaaten können weder die Gültigkeit dieser Bestimmung noch die vom Gerichtshof in diesem Urteil vorgenommene Auslegung im Rahmen der vorliegenden Klagen, die einen Antrag auf Nichtigerklärung u. a. von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 zum Gegenstand haben, in Frage stellen.

389.

Als Zweites machen die Republik Bulgarien und Rumänien auch geltend, dass sich Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 nicht darauf beschränke, das Urteil Vaditrans zu kodifizieren, sondern zusätzliche Anforderungen hinzufüge.

390.

Insoweit ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054, dass die neue Bestimmung gegenüber der alten Fassung von Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil Vaditrans drei zusätzliche Erfordernisse hinzuzufügen scheint. Erstens bezieht sich die neue Fassung der Bestimmung nicht nur auf die „regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten“, sondern auch auf „jede wöchentliche Ruhezeit von mehr als 45 Stunden, die als Ausgleich für die vorherige verkürzte wöchentliche Ruhezeit eingelegt wird“. Zweitens heißt es dort, dass diese Ruhezeiten „in einer geeigneten geschlechtergerechten Unterkunft mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen zu verbringen“ sind. Drittens bestimmt sie, dass „[a]lle Kosten für die Unterbringung außerhalb des Fahrzeugs … vom Arbeitgeber getragen [werden]“.

391.

Zum ersten Erfordernis ist festzustellen, dass es von der Auslegung der alten Fassung von Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 durch den Gerichtshof im Urteil Vaditrans erfasst ist. Wie ich nämlich oben in Nr. 379 ausgeführt habe, hat der Gerichtshof in diesem Urteil ausdrücklich entschieden, dass eine Lkw‑Kabine kein geeigneter Ort für längere Ruhezeiträume als die täglichen Ruhezeiten und die reduzierten wöchentlichen Ruhezeiten ist ( 206 ). Daraus folgt, dass auch vor dem Erlass der Verordnung 2020/1054 eine wöchentliche Ruhezeit von mehr als 45 Stunden, die als Ausgleich für die vorherige verkürzte wöchentliche Ruhezeit eingelegt wird, nicht im Fahrzeug hätte verbracht werden dürfen.

392.

Auch das zweite oben in Nr. 390 angeführte Erfordernis ergibt sich unmittelbar aus dem Urteil Vaditrans. In diesem Urteil hat der Gerichtshof nämlich ausdrücklich entschieden, dass die Fahrer die Möglichkeit haben müssten, ihre regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten „an einem Ort zu verbringen, der geeignete und angemessene Unterbringungsbedingungen bietet“ ( 207 ). Dies schließt implizit, aber unzweifelhaft das Erfordernis ein, dass dieser Ort eine geschlechtergerechte Unterkunft ist, und, soweit es sich um eine „geeignete Unterkunft“ handelt, dass dieser Ort mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen ausgestattet ist.

393.

Was drittens das Erfordernis betrifft, dass der Arbeitgeber alle Kosten für die Unterbringung außerhalb des Fahrzeugs zu tragen hat, so geht dieses meines Erachtens auch implizit aus dem Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine hervor, wie es sich aus dem Urteil Vaditrans, ausgelegt im Licht des Zwecks der in Rede stehenden Bestimmung, ergibt. Zum einen soll nämlich der vom Gerichtshof in diesem Urteil angeführte „geeignete Ort für längere Ruhezeiträume“ bei den regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten an die Stelle der Kabine des Lastkraftwagens treten. Die Kabine wird jedoch grundsätzlich vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt, wird aber vom Gerichtshof als Ort angesehen, der für solche Zeiträume keine geeigneten Unterbringungsbedingungen bietet ( 208 ). Logischerweise müsste daher auch der „geeignete Ort für Ruhezeiträume“, der sie ersetzen soll, vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden. Zum anderen liefe es, wenn dem Fahrer die Kosten für die Unterbringung an einem „geeigneten Ort für längere Ruhezeiträume“ auferlegt würden, meines Erachtens den Zielen der Bestimmung zuwider, die der Gerichtshof anerkannt hat, nämlich die Arbeitsbedingungen der im Straßenverkehrsgewerbe beschäftigten Arbeitnehmer und die allgemeine Straßenverkehrssicherheit zu verbessern ( 209 ).

394.

Nach alledem hat der Gesetzgeber mit dem Erlass von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 nicht das in dieser Bestimmung vorgesehene Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine in die Unionsrechtsordnung eingeführt, sondern lediglich das bestehende Recht kodifiziert, das sich aus der alten Fassung von Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 in seiner Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil Vaditrans ergibt.

395.

Unter diesen Umständen wird gemäß der oben in den Nrn. 52 ff. angeführten Rechtsprechung und im Einklang mit der vorstehenden Nr. 372 die Prüfung der von der Republik Bulgarien, Rumänien und Ungarn geltend gemachten Klagegründe eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf die Feststellung gerichtet sein, ob der Unionsgesetzgeber durch die Kodifizierung des bestehenden Rechts das weite Ermessen, über das er im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik verfügt, offensichtlich überschritten hat, indem er sich für eine Maßnahme entschieden hat, die zur Erreichung der Ziele, die er verfolgen wollte, offensichtlich ungeeignet ist oder die Nachteile verursachte, die in unangemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen. Unter diesem Blickwinkel sind daher die verschiedenen Argumente der drei betroffenen Mitgliedstaaten zu prüfen, mit denen die Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 in Frage gestellt werden soll.

iii) Zur Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054

396.

Diese drei Mitgliedstaaten tragen zunächst vor, die in Rede stehende Maßnahme sei aufgrund des derzeitigen Zustands der europäischen Infrastruktur unangemessen und unverhältnismäßig, insbesondere wegen der unzureichenden Zahl gesicherter Parkflächen und geeigneter Unterkünfte in deren Nähe, die es übermäßig schwierig, wenn nicht unmöglich mache, das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine einzuhalten.

397.

Insoweit hat der Gerichtshof die Angemessenheit der Maßnahme zur Erreichung der verfolgten Ziele, deren Rechtmäßigkeit nicht bestritten wird, bereits in Rn. 43 des Urteils Vaditrans bestätigt, in der der Gerichtshof entschieden hat, dass mit dem Verbot, die regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten im Fahrzeug zu verbringen, offensichtlich die Ziele der Verordnung Nr. 561/2006 erreicht werden sollen, die in der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Fahrer und der Straßenverkehrssicherheit bestehen.

398.

Zur etwaigen Unverhältnismäßigkeit der Entscheidung des Gesetzgebers, das bestehende Recht zu kodifizieren, ist festzustellen, dass jeder andere Ansatz als die Aufrechterhaltung des Verbots, die regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten im Fahrzeug zu verbringen, zu einer Verringerung des sozialen Schutzes der Fahrer und damit zu einer Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen im Vergleich zu den bestehenden geführt hätte, was den Zielen der in Rede stehenden Regelung und dem Urteil Vaditrans zuwiderliefe.

399.

Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof ausdrücklich entschieden hat, dass die Fahrzeugkabine einen Ort darstellt, der keine geeigneten Unterbringungsbedingungen für längere Ruhezeiträume als die täglichen Ruhezeiten und die reduzierten wöchentlichen Ruhezeiten bietet ( 210 ). Daher wäre jede normative Lösung, die es ermöglichen würde, solche Ruhezeiten in der Kabine zu verbringen, mit dieser Beurteilung unvereinbar.

400.

Ein etwaiger gegenwärtiger Mangel an geeigneten Infrastrukturen kann jedoch meines Erachtens keine Rechtfertigung dafür darstellen, um den Fahrern auf gesetzgeberischem Wege zu gestatten (oder sogar vorzuschreiben), ihre regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten im Fahrzeug zu verbringen, d. h. an einem Ort, der kein geeigneter Ort ist, um so lange Ruhezeiträume zu verbringen. Mögliche Infrastrukturprobleme sollten nicht zulasten der sozialen Rechte der Fahrer und letztlich ihrer Gesundheit gelöst werden. Daraus folgt, dass dem Gesetzgeber meines Erachtens nicht vorgeworfen werden kann, dadurch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen zu haben, dass er das bestehende Recht nicht geändert hat, indem er die sozialen Rechte der Fahrer dadurch eingeschränkt hat, dass er ihnen gestattet, ihre regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten an einem ungeeigneten Ort zu verbringen.

401.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die in Rede stehende Bestimmung es den Fahrern nicht verbietet, jede beliebige Ruhezeit im Fahrzeug zu verbringen, sondern ausschließlich für die regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten gilt. Diese Ruhezeiten werden nur alle zwei oder drei Wochen genommen ( 211 ). Außerdem stellen sie die Art der Ruhezeit dar, die die Fahrer nach Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 aufgrund der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer an ihren Wohnsitz verbringen können müssen, was den angeblich durch die in Rede stehende Maßnahme ausgeübten Druck auf die Parkflächen verringert.

402.

Im Übrigen sind alle von den betreffenden Mitgliedstaaten genannten alternativen normativen Lösungen nicht geeignet, um die mit der in Rede stehenden Regelung verfolgten Ziele des sozialen Schutzes zu verfolgen, und würden alle zu einer Verringerung dieses sozialen Schutzes für die Fahrer führen. Was erstens die Möglichkeit betrifft, den Fahrern die freie Wahl zu lassen, ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit in der Kabine zu verbringen, bin ich der Ansicht, dass sie auf der Grundlage ähnlicher Erwägungen, wie ich sie oben in Nr. 243 zur Gefahr dargelegt habe, dass die Wahl des Arbeitnehmers als schwächere Partei des Arbeitsverhältnisses mit dem Verkehrsunternehmer nicht völlig frei wäre und dass dieser Druck ausgesetzt werden könnte, um eine Wahl zu treffen, die den Interessen des Arbeitgebers entspricht, nicht angemessen ist. Zweitens würde die Einführung der Abweichungen, wie sie in der zweiten und der dritten oben in Nr. 363 genannten Alternativlösung in Betracht gezogen werden, bedeuten, dass es den Fahrern gestattet wäre, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit an einem ungeeigneten Ort zu verbringen, was zu einer Verringerung der sozialen Rechte der Fahrer führen würde. Drittens erscheint auch die Festlegung eines Übergangszeitraums aus den Gründen, die unten in den Nrn. 499 ff. der vorliegenden Schlussanträge im Rahmen der Prüfung der Klagegründe gegen Art. 3 der Verordnung 2020/1054 betreffend den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens ausführlich dargelegt werden, nicht angemessen.

403.

Unter diesen Umständen kann das übrige Vorbringen der drei betreffenden Mitgliedstaaten, mit dem die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme in Frage gestellt werden soll, meines Erachtens keinen Erfolg haben.

404.

Auch mit dem Vorbringen, das erstens die Gefahren für die Sicherheit des Gutes und damit die Haftung der Verkehrsunternehmer für deren Verlust, zweitens die Gefahr für die Verkehrsunternehmer und die Fahrer, mit Sanktionen belegt zu werden, und drittens die sich aus der in Rede stehenden Bestimmung ergebenden zusätzlichen Kosten für die Verkehrsunternehmer betrifft, kann kein Verstoß des Unionsgesetzgebers gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dargetan werden. Da sich nämlich zum einen Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 darauf beschränkt hat, das bereits bestehende Recht zu kodifizieren, konnte sein Erlass keineswegs zu einer Erhöhung dieser Gefahren und Kosten führen. Unter diesen Umständen kann nicht geltend gemacht werden, dass sich der Erlass dieser Bestimmung gegenüber der früheren Lage nachteilig auf die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer auswirke. Zum anderen haben die fraglichen Mitgliedstaaten nicht nachgewiesen, dass nach der oben in Nr. 57 angeführten Rechtsprechung die Nachteile für die Verkehrsunternehmen, die sich aus dem Erlass dieser Bestimmung ergeben, völlig außer Verhältnis stünden, so dass die Entscheidung des Gesetzgebers, das bestehende Recht zu kodifizieren, offensichtlich fehlerhaft wäre.

405.

Außerdem geht insbesondere in Bezug auf Sanktionen aus Art. 1 Nr. 16 der Verordnung 2020/1054 hervor, dass der Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen hat, dass diese Sanktionen verhältnismäßig sein müssen ( 212 ). Insoweit trifft es zwar zu, dass die Verordnung 2020/1054, wie Rumänien ausführt, die Sanktionen nicht harmonisiert, doch bedeutet dies nicht, dass diese Entscheidung des Gesetzgebers zu einer solchen Rechtsunsicherheit führen würde, dass gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen würde. Wie sich nämlich aus der oben in Nr. 119 angeführten Rechtsprechung ergibt, kann der Unionsgesetzgeber sehr wohl einen allgemeinen Rechtsrahmen schaffen, der gegebenenfalls später, insbesondere von den Mitgliedstaaten, konkretisiert wird.

406.

Auf der Grundlage entsprechender Erwägungen ist meines Erachtens auch das Vorbringen der Republik Bulgarien zurückzuweisen, dass im Hinblick auf den Begriff „geeignete Unterkunft“ Rechtsunsicherheit bestehe, da der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, jeden Begriff einer Regelung im Einzelnen zu definieren. Im Übrigen hat der Unionsgesetzgeber dadurch, dass er diesen Begriff nicht genau definiert hat, bei der Anwendung der Bestimmung hinsichtlich der Art der Unterkunft, die die Fahrer nutzen können, einen Flexibilitätsspielraum eingeräumt, wodurch die möglichen Folgen eines etwaigen lückenhaften Zustands der europäischen Infrastrukturen abgeschwächt werden können.

407.

Zunächst kann das Vorbringen, die Kommission habe die Liste aller zertifizierten Parkflächen nicht veröffentlicht, zu deren Veröffentlichung sie nach dem neuen Art. 8a Abs. 1 der Verordnung Nr. 561/2006 in der durch Art. 1 Nr. 7 der Verordnung 2020/1054 geänderten Fassung verpflichtet sei, zwar dazu dienen, ein etwaiges Versäumnis der Kommission geltend zu machen, doch kann damit nicht dargetan werden, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 sein weites Ermessen offensichtlich überschritten hat.

408.

Die in Art. 8a Abs. 4 der Verordnung Nr. 561/2006 in der durch die Verordnung 2020/1054 geänderten Fassung vorgesehene besondere Berichtspflicht der Kommission, wonach sie dem Parlament und dem Rat bis zum 31. Dezember 2024 einen Bericht u. a. über die Verfügbarkeit geeigneter Ruheeinrichtungen für Fahrer und über die Verfügbarkeit gesicherter Parkeinrichtungen vorlegen wird, belegt in keiner Weise, dass die in Rede stehende Maßnahme unverhältnismäßig ist. Sie zeigt lediglich, dass der Gesetzgeber angegeben hat, dass es sich um einen Bereich handelt, in dem er über jede Situation informiert werden muss, die eine Neubewertung erfordern könnte.

409.

Was sodann das Argument der Republik Bulgarien betrifft, ein Mitgliedstaat könnte dazu veranlasst werden, die Zahl der Infrastrukturen nicht zu erhöhen, um die Erbringung von Verkehrsdienstleistungen durch ausländische Verkehrsunternehmer in seinem Hoheitsgebiet zu beschränken, weise ich darauf hin, dass dieses Argument offensichtlich hypothetisch ist und nicht auf einen Anhaltspunkt gestützt, der dafür spräche, dass es zu einer solchen Situation kommen könnte. Jedenfalls betrifft dieses Vorbringen etwaige Verhaltensweisen der Mitgliedstaaten und nicht eine offensichtliche Überschreitung des weiten Ermessens durch den Unionsgesetzgeber.

410.

Was schließlich die Klagegründe in Bezug auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit durch den Unionsgesetzgeber betrifft, weise ich darauf hin, dass der Rat und das Parlament nicht bestreiten, dass sich der Gesetzgeber beim Erlass von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 der allgemeinen Frage des Fehlens einer angemessenen Infrastruktur in der gesamten Union bewusst war. Wie Rumänien und Ungarn ausführen, wurde auf dieses Problem nämlich im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens sowohl in der Folgenabschätzung als auch in anderen Studien wie der Studie von 2019 hingewiesen.

411.

Es ist jedoch festzustellen, dass die Kommission trotz dieser Problematik in ihrem auf die Ergebnisse der Folgenabschätzung gestützten Vorschlag für eine Arbeitszeitverordnung eine Bestimmung vorgesehen hatte, die derjenigen entsprach, die schließlich in Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 enthalten war, die auch das Verbot vorsah, die längeren Ruhezeiten und damit die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Fahrzeug zu verbringen ( 213 ).

412.

In der Zwischenzeit hat der Gerichtshof das Urteil Vaditrans erlassen, das jede Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der alten Fassung von Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 beseitigt und diese Bestimmung ex tunc ( 214 ) in dem oben in Nr. 370 dargelegten Sinne ausgelegt hat, indem er klargestellt hat, dass ein Verbot wie das in diesem Vorschlag der Kommission vorgesehene – das letztlich in der Verordnung 2020/1054 übernommen wurde – im Unionsrecht bereits bestand.

413.

Unter diesen Umständen kann meines Erachtens nicht geltend gemacht werden, dass der Unionsgesetzgeber dadurch, dass er Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 erlassen und damit das bestehende Recht im Übrigen entsprechend dem auf eine Folgenabschätzung gestützten Vorschlag für eine Arbeitszeitverordnung kodifiziert habe, wesentliche Gesichtspunkte, nämlich die Daten über das Fehlen von sicheren und gesicherten Parkplätzen, die während des Gesetzgebungsverfahrens hervorgehoben worden seien, außer Acht gelassen habe.

414.

Nach alledem sind meines Erachtens alle Klagegründe, mit denen geltend gemacht werden soll, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen nicht erfüllt, zurückzuweisen.

b)   Zum Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

1) Vorbringen der Parteien

415.

Rumänien macht geltend, Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 verstoße gegen die Anforderungen, die sich aus Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV ergäben, da diese Bestimmung die Interessen von Verkehrsunternehmern und Fahrern ernstlich beeinträchtige.

416.

Was zunächst die Verkehrsunternehmer angehe, so überstiegen deren Kosten weit die Kosten der Bereitstellung einer Unterkunft für die Fahrer. Diese Kosten hätten nämlich auch die Änderungen der Strecken je nach Verfügbarkeit geeigneter Unterkünfte und Parkflächen, die Erhöhung der Versicherungsprämien aufgrund erhöhter Risiken im Zusammenhang mit der Sicherheit der beförderten Güter, die Notwendigkeit für die Fahrer, zusätzliche Entfernungen für die Suche nach einer geeigneten Parkfläche zurückzulegen, sowie die Kosten für den Transfer des Fahrers von der Parkfläche zur Unterkunft, die sich angesichts der in der Studie von 2019 beschriebenen Situation in einer erheblichen Entfernung befinden könnte, abzudecken. Im Übrigen würden die Einnahmen der Verkehrsunternehmer sinken, da der Mangel an Infrastruktur Auswirkungen auf die konkrete Möglichkeit habe, längere Strecken zu planen und Transporte auf bestimmten Strecken sicher durchzuführen.

417.

Was sodann die Fahrer angehe, so führten die Auswirkungen auf die Verkehrsunternehmer zu Arbeitsplatzverlusten und der Notwendigkeit, in die westeuropäischen Staaten auszuwandern. Außerdem erhöhe die in Rede stehende Bestimmung wegen des Mangels an Infrastruktur die Ermüdung und den Stress der Fahrer.

418.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, diesen Klagegrund zurückzuweisen.

2) Würdigung

419.

Hinsichtlich der Prüfung von Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV und ihrer Tragweite verweise ich auf meine Ausführungen oben in den Nrn. 281 bis 293.

420.

Zu den Rügen Rumäniens habe ich oben in Nr. 394 ausgeführt, dass der Gesetzgeber mit dem Erlass von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 nicht das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine in die Unionsrechtsordnung eingeführt hat, sondern lediglich das bestehende Recht kodifiziert, das sich aus der alten Fassung von Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 in seiner Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil Vaditrans ergibt.

421.

Unter diesen Umständen kann, da das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine bereits vor Erlass von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 in Kraft war, nicht geltend gemacht werden, dass der Erlass dieser Bestimmung eine Erhöhung der Kosten oder einen Rückgang der Einnahmen für die Verkehrsunternehmer oder nachteilige Folgen für die Fahrer mit sich bringe.

422.

Daraus folgt, dass der Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, der Erlass von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 verstoße gegen die sich aus Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV ergebenden Anforderungen, da er die Interessen der Verkehrsunternehmer und der Fahrer ernstlich beeinträchtige, zurückzuweisen ist.

c)   Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot

1) Vorbringen der Parteien

423.

In ihren Klagen machen die Republik Bulgarien (Rechtssache C‑543/20) und Rumänien (Rechtssache C‑546/20) geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 nicht den Anforderungen genüge, die sich aus dem in Art. 18 AEUV vorgesehenen Diskriminierungsverbot ergäben. Die Republik Bulgarien verweist auch auf die Art. 20 und 21 der Charta, den Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 2 EUV sowie auf Art. 95 Abs. 1 AEUV.

424.

Die Republik Bulgarien und Rumänien machen geltend, das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine verstoße sowohl für die Verkehrsunternehmen an der geografischen Peripherie der Union als auch für die für diese Unternehmen tätigen Fahrer gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot. Für Verkehrsunternehmen mit Sitz in Mitgliedstaaten im Zentrum der Union und für ihre Fahrer sei es nämlich deutlich einfacher, dieses Verbot einzuhalten als für Verkehrsunternehmer mit Sitz in Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union und ihre Fahrer. In ein und demselben Mitgliedstaat diskriminiere das Verbot zwischen den örtlichen Fahrern und solchen aus anderen Mitgliedstaaten. Die nationalen Fahrer seien nicht dadurch beeinträchtigt, dass es an geeigneten Unterkünften sowie gesicherten und sicheren Parkflächen fehle, da sie in ihrer Wohnung schlafen und ihre Lastkraftwagen in der Betriebsstätte des Verkehrsunternehmers parken könnten. Dies sei nicht der Fall bei Fahrern, die bei Verkehrsunternehmern mit Sitz in Staaten an der Peripherie der Union beschäftigt seien, die wegen des Fehlens geeigneter Unterkünfte sowie gesicherter und sicherer Parkflächen gezwungen seien, dieses Verbot nicht einzuhalten, das die Ausgaben der Verkehrsunternehmer erhöhe, von denen die meisten KMU seien.

425.

Zudem könne eine Bewertung der Auswirkungen der Bestimmungen der Verordnung 2020/1054 auf den Beförderungsmarkt nicht ohne Berücksichtigung der Verordnung 2020/1055 und der Richtlinie 2020/1057 erfolgen, die auch Teil des Mobilitätspakets seien. Eine Gesamtwürdigung des ersten Mobilitätspakets mache somit deutlich, dass die Regelung zu Lasten der Letzteren im Hinblick auf die konkrete Möglichkeit, Verkehrsdienstleistungen in der Union zu erbringen, diskriminierenden Charakter habe.

426.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, alle diese Klagegründe zurückzuweisen.

2) Würdigung

427.

Die Republik Bulgarien und Rumänien machen geltend, der Unionsgesetzgeber habe durch den Erlass von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 und damit durch die Beibehaltung des Verbots der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot verstießen, da dieses Verbot zu einer Diskriminierung sowohl der Fahrer als auch der Verkehrsunternehmer führe.

428.

Insoweit weise ich zunächst darauf hin, dass das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine unterschiedslos und in gleicher Weise für jedes Verkehrsunternehmen gilt, das Beförderungen im Straßenverkehr durchführt, die in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 561/2006 fallen, und für alle unter diese Verordnung fallenden Fahrer ( 215 ). Die Bestimmung gilt unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Fahrers oder des Arbeitgebers. Daraus folgt, dass diese Verpflichtung als solche weder zwischen Fahrern noch zwischen Verkehrsunternehmen ausdrücklich unterscheidet.

429.

Sodann befinden sich meines Erachtens die Fahrer, die grenzüberschreitende Beförderungen zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten durchführen, und die Fahrer, die innerstaatliche Beförderungen im Mitgliedstaat der Niederlassung ihres Arbeitgebers durchführen, nicht unbedingt in vergleichbaren Situationen, insbesondere im Zusammenhang mit den Zielen der Bestimmung, die das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine vorsieht.

430.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass, wie sich aus der oben in Nr. 79 angeführten Rechtsprechung ergibt, die Vergleichbarkeit verschiedener Sachverhalte im Licht des Gegenstands und des Ziels der betreffenden Unionsmaßnahme zu beurteilen ist. Zum anderen geht aus der vorstehenden Nr. 373 hervor, dass das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine im Wesentlichen darauf abzielt, die Arbeitsbedingungen der Fahrer zu verbessern, was auch zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit beiträgt.

431.

Das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine soll aber ganz offensichtlich die Fahrer schützen, die lange Zeiträume der Abwesenheit von ihrem Wohnsitz verbringen und somit aufgrund ihrer Arbeit ihre wöchentliche Ruhezeit weit von diesem Ort entfernt verbringen müssen. Kann ein Fahrer seine wöchentliche Ruhezeit zu Hause verbringen, so ist dieses Verbot nicht einschlägig. Unter diesem Blickwinkel sind die Situationen der oben in Nr. 429 angeführten zwei Arten von Fahrern daher nicht vergleichbar.

432.

Außerdem weise ich darauf hin, dass, wie oben in Nr. 43 ausgeführt, die Unterscheidung zum einen zwischen internationalem und innerstaatlichem Verkehr und zum anderen zwischen gebietsansässigen und nicht ansässigen Verkehrsunternehmen ausdrücklich in Art. 91 Abs. 1, insbesondere Buchst. a und b AEUV, vorgesehen ist. Das Unionsrecht sieht somit auf der Ebene des Primärrechts im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik einen unterschiedlichen Ansatz für die Regelung des internationalen Verkehrs und die Regelung des innerstaatlichen Verkehrs vor.

433.

Folgte man im Übrigen der Logik der beiden genannten Mitgliedstaaten, würde es, wenn den Fahrern im internationalen Verkehr gestattet würde, ihre regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten im Fahrzeug zu verbringen, zu einem noch höheren Maß an Diskriminierung zwischen den inländischen Fahrern, die ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit in ihrer Wohnung verbringen können, und den Fahrern aus anderen Mitgliedstaaten führen, die ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit in der Kabine verbringen müssten, d. h. an einem Ort, der kein geeigneter Ort ist, um so lange Ruhezeiträume zu verbringen ( 216 ).

434.

Schließlich geht aus dem Vorbringen der beiden genannten Mitgliedstaaten hervor, dass sich die von ihnen geltend gemachten Diskriminierungen nicht aus dem Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine als solchem ergeben, sondern vielmehr aus dem etwaigen gegenwärtigen Zustand der europäischen Infrastruktur und insbesondere aus der unzureichenden Zahl gesicherter Parkflächen und geeigneter Unterkünfte in deren Nähe.

435.

Im Rahmen der begrenzten gerichtlichen Kontrolle, die der Gerichtshof in einem Bereich wie der Verkehrspolitik auch in Bezug auf die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes anerkannt hat ( 217 ), darf der Unionsrichter jedoch die Beurteilung des Unionsgesetzgebers nicht durch seine eigene ersetzen, indem er – wegen eines etwaigen gegenwärtigen Mangels an geeigneten Infrastrukturen – die Entscheidung des Gesetzgebers in Frage stellt, dass er das bestehende Recht nicht geändert hat und die sozialen Rechte der Fahrer dadurch eingeschränkt hat, dass er ihnen gestattet, ihre regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten an einem für so lange Ruhezeiträume ungeeigneten Ort zu verbringen.

436.

Nach alledem bin ich der Ansicht, dass die gegen Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 vorgebrachten Klagegründe eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot zurückzuweisen sind.

d)   Zum Verstoß gegen die unionsrechtlichen Bestimmungen über den freien Verkehr der Verkehrsdienstleistungen und über den Binnenmarkt

1) Vorbringen der Parteien

437.

Rumänien macht geltend, Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 verstoße gegen die unionsrechtlichen Bestimmungen über den freien Verkehr der Verkehrsdienstleistungen und über den Binnenmarkt. In Bezug auf den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs, wie er in Art. 58 Abs. 1 AEUV vorgesehen sei, führe die Umsetzung des Verbots der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine zu einer Beschränkung dieser Freiheit, da die Transportrouten auf unbestimmte Zeit auf die Fahrten beschränkt seien, die innerhalb einer Frist durchgeführt werden könnten, die den Fahrer nicht verpflichte, eine wöchentliche Ruhezeit zu verbringen, oder die nach Maßgabe des Vorhandenseins sicherer und gesicherter Parkflächen bestimmt würden. Aufgrund dieser Beschränkung würde die Maßnahme de facto zur Fragmentierung des Binnenmarktes führen. Daraus ergebe sich ein Rückschritt bei der Verwirklichung des Ziels einer nachhaltigen Entwicklung dieses Marktes im Sinne von Art. 3 EUV, das auch eines der von der Kommission in ihrer Folgenabschätzung festgelegten Ziele sei ( 218 ).

438.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, diesen Klagegrund zurückzuweisen.

2) Würdigung

439.

Wie sich aus den vorstehenden Nrn. 44 ff. ergibt, ist auf dem Gebiet des Verkehrs die Anwendung der Grundsätze des freien Dienstleistungsverkehrs nach dem AEU-Vertrag durch die Durchführung der gemeinsamen Verkehrspolitik zu verwirklichen, und die Dienstleistungsfreiheit im Bereich Verkehr ist nur insoweit gewährleistet, als dieses Recht durch vom Unionsgesetzgeber im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik erlassene Maßnahmen des abgeleiteten Rechts gewährt wurde.

440.

Daraus folgt, dass selbst unter der Annahme, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054, wie Rumänien geltend macht, zu einer Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs führte, dieser Umstand keinen Verstoß gegen die unionsrechtlichen Bestimmungen über den freien Verkehr der Verkehrsdienstleistungen und den Binnenmarkt darstellen würde, da es dem Unionsgesetzgeber im Rahmen seines weiten Ermessens freisteht, durch die Durchführung der gemeinsamen Verkehrspolitik den Grad der Liberalisierung dieses Sektors zu erreichen, den er für angebracht hält. Daraus folgt meines Erachtens, dass auch dieser Klagegrund zurückzuweisen ist.

e)   Ergebnis zu den Klagegründen betreffend das Verbot der wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine

441.

Nach alledem sind meines Erachtens alle von der Republik Bulgarien (Rechtssache C‑543/20), Rumänien (Rechtssache C‑546/20) und Ungarn (Rechtssache C‑551/20) gegen Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 geltend gemachten Klagegründe zurückzuweisen.

3.   Zu den Klagegründen betreffend Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054

442.

Mit seiner Klage in der Rechtssache C‑551/20 beantragt Ungarn die Nichtigerklärung von Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054, mit dem der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verpflichtung zum Einbau der Fahrtenschreiber V2, d. h. der intelligenten Fahrtenschreiber der zweiten Generation, vorverlegt wurde.

443.

Während es nach der geltenden Regelung vor Erlass der Verordnung 2020/1054 möglich gewesen wäre, die Verpflichtung zum Einbau der Fahrtenschreiber V2 bis zum 15. Juni 2034 zu erfüllen ( 219 ), ergibt sich aus Art. 2 Nr. 2 dieser Verordnung in Verbindung mit Nr. 8 dieses Artikels, der die Fristen für den Erlass der Spezifikationen für die Fahrtenschreiber V2 durch die Kommission festlegt, dass, wenn die Kommission die Durchführungsverordnung mit diesen Spezifikationen innerhalb der vorgesehenen Fristen erlässt und anwendet, die Fahrzeuge, die mit einem digitalen oder analogen Fahrtenschreiber ausgerüstet sind, bis zum 31. Dezember 2024 mit einem Fahrtenschreiber V2 ausgerüstet sein müssen, und die Fahrzeuge, die mit intelligenten Fahrtenschreibern ausgerüstet sind, spätestens 2025. Die Kommission nahm die technischen Spezifikationen für die intelligenten Fahrtenschreiber am 16. Juli 2021 an ( 220 ) und änderte sie am 16. Mai 2023 ( 221 ).

444.

Ungarn stützt seinen Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054 auf drei Klagegründe, mit denen es erstens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zweitens einen Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit und drittens einen Verstoß gegen Art. 151 Abs. 2 AEUV rügt.

a)   Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

1) Vorbringen der Parteien

445.

Mit seinem ersten Klagegrund macht Ungarn mit Unterstützung Rumäniens, der Republik Lettland und der Republik Estland geltend, der Unionsgesetzgeber habe mit dem Erlass von Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054 gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem er die wirtschaftlichen Folgen der erheblichen Vorverlegung der Frist für den Einbau der Fahrtenschreiber V2 nicht beurteilt habe. Da diese Bestimmung nicht im Vorschlag für eine Arbeitszeitverordnung enthalten sei, sei in diesem Punkt keine Folgenabschätzung durchgeführt worden. Die Bestimmungen zur Änderung der Frist für den Einbau des Fahrtenschreibers seien aufgrund der vom Parlament und vom Rat erzielten Einigung in den Textentwurf aufgenommen worden, ohne dass diese Organe auch eine Folgenabschätzung durchgeführt hätten.

446.

Aus der Rechtsprechung ergebe sich, dass die Folgenabschätzung entfallen könne, wenn der Gesetzgeber über objektive Informationen verfüge, die es ihm gestatteten, die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu beurteilen. Ungarn macht jedoch geltend, es habe weder Kenntnis von der Existenz solcher Informationen noch von einer Analyse der Gesetzgeber.

447.

Ungarn macht ferner geltend, dass die vom Parlament und vom Rat vorgeschlagenen Bestimmungen wesentliche Abänderungen dieses Vorschlags der Kommission im Sinne der oben in den Nr. 62ff. angeführten Interinstitutionellen Vereinbarung darstellten und dass es daher gerechtfertigt gewesen wäre, zusätzlich eine Folgenabschätzung durchzuführen oder die Kommission mit der Durchführung einer Folgenabschätzung zu beauftragen. Zwei Studien, die im Februar und März 2018 durchgeführt worden seien, hätten die Kosten der Einhaltung der Bestimmungen geprüft, aber seien nicht ausdrücklich auf die Frage der Verhältnismäßigkeit eingegangen, auch wenn in der zweiten Studie die Möglichkeit einer Unverhältnismäßigkeit angesprochen worden sei. Darüber hinaus hält Ungarn es in diesem Zusammenhang für besonders problematisch, dass die neue Technologie (V2) noch nicht auf dem Markt sei, und dass nicht mit Sicherheit bekannt sei, wann sie dies sein werde.

448.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, diesen Klagegrund zurückzuweisen.

2) Würdigung

449.

Mit diesem Klagegrund wirft Ungarn dem Unionsgesetzgeber grundsätzlich vor, Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054 erlassen und damit die Frist für den Einbau der Fahrtenschreiber V2 erheblich vorverlegt zu haben, ohne eine Folgenabschätzung verlangt zu haben und ohne über ein ausreichendes Maß an Informationen zu verfügen, die es ermöglichten, die Verhältnismäßigkeit der letztlich erlassenen Maßnahme zu beurteilen.

450.

Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Folgenabschätzung – Sozialer Teil, die von der Kommission im Hinblick auf die Änderung der Verordnungen Nr. 561/2006 und 165/2014 durchgeführt wurde, die Frist für den Einbau der Fahrtenschreiber V2 nicht erfasst hat, da die Kommission in ihrem Vorschlag zur Änderung der letzteren Verordnung die Vorverlegung des Zeitpunkts des Inkrafttretens der Verpflichtung zum Einbau von Fahrtenschreibern V2 nicht in Betracht gezogen hat.

451.

Aus der oben in den Nrn. 65 und 72 angeführten Rechtsprechung ergibt sich jedoch zum einen, dass die Nichtdurchführung einer Folgenabschätzung nicht als Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingestuft werden kann, wenn der Unionsgesetzgeber über ein ausreichendes Maß an Informationen verfügt, die es ihm ermöglichen, die Verhältnismäßigkeit einer erlassenen Maßnahme zu beurteilen, und zum anderen, dass der Unionsgesetzgeber bei der tatsächlichen Ausübung seines Ermessens nicht nur die Folgenabschätzung, sondern auch jede andere Informationsquelle berücksichtigen kann.

452.

Im vorliegenden Fall hat die Kommission, wie der Rat und das Parlament geltend machen, obwohl die in Rede stehende Maßnahme weder im Vorschlag der Kommission noch in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil enthalten war, im März 2018 den Abschlussbericht einer Studie über die Maßnahmen zur Förderung der Umsetzung des intelligenten Fahrtenschreibers veröffentlicht. Ungarn bestreitet nicht, dass das Ziel dieser Studie darin bestand, verschiedene strategische Optionen zur Beschleunigung der Umsetzung des intelligenten Fahrtenschreibers zu bewerten und insbesondere die wirtschaftlichen, sozialen und die Straßenverkehrssicherheit betreffenden Auswirkungen zu bewerten, die es gebieten, vor Juni 2019 zugelassene Fahrzeuge in Übereinstimmung mit den Bestimmungen zu bringen ( 222 ). Diese Studie der Kommission umfasste eine detaillierte Kosten-Nutzen-Analyse, bei der die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Verkehrsunternehmer und die nationalen Behörden, die Auswirkungen auf die Straßenverkehrssicherheit, die sozialen Auswirkungen und die Auswirkungen auf den Binnenmarkt berücksichtigt wurden. Darüber hinaus hat das Parlament im Laufe des Jahres 2018 eine Studie durchgeführt, um die Kosten und Vorteile des Einbaus eines intelligenten Fahrtenschreibers in Lastkraftwagen im internationalen Verkehr bis Januar 2020 zu bewerten ( 223 ). Aus den Akten geht auch hervor, dass der Gesetzgeber diese Studien im Gesetzgebungsverfahren, das zum Erlass der Verordnung 2020/1054 führte, geprüft und berücksichtigt hat.

453.

Unter diesen Umständen bin ich der Ansicht, dass die Unionsorgane, die den in Rede stehenden Rechtsakt erlassen haben, vor dem Gerichtshof belegt haben, dass sie beim Erlass der in Rede stehenden Maßnahme ihr Ermessen tatsächlich ausgeübt haben, und die Grunddaten, die sie zur Begründung der angefochtenen Maßnahmen berücksichtigt haben, beigebracht und klar und eindeutig dargelegt haben.

454.

Das übrige Vorbringen Ungarns vermag diese Beurteilung nicht in Frage zu stellen.

455.

Erstens ist nämlich der von Ungarn angeführte Umstand, dass in den beiden oben genannten Studien die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht spezifisch geprüft worden sei, unerheblich. Es ist nämlich Sache des Gesetzgebers, auf der Grundlage der verfügbaren Daten die notwendige Abwägung zwischen den verschiedenen betroffenen Interessen vorzunehmen, um unter Berücksichtigung der mit der in Rede stehende Maßnahme verfolgten Ziele ein Gleichgewicht zwischen ihnen sicherzustellen. Es kann daher nicht verlangt werden, dass die Grunddaten, auf die sich die Ausübung des Ermessens des Gesetzgebers stützt, im Rahmen einer spezifischen Beurteilung der Verhältnismäßigkeit dargestellt werden. Insoweit weise ich auch darauf hin, dass, wie sich aus der oben in Nr. 72 angeführten Rechtsprechung ergibt, die Form, in der die vom Unionsgesetzgeber berücksichtigten Ausgangsdaten aufgeführt sind, ohne Bedeutung ist.

456.

Zweitens kann der von Ungarn angeführte Umstand, dass die Technologie (V2) noch nicht auf dem Markt sei, selbst wenn er erwiesen wäre – was nicht der Fall ist –, die Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Maßnahme nicht in Frage stellen.

457.

Zum einen ist nämlich daran zu erinnern, dass nach der oben in Nr. 74 angeführten ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs die Gültigkeit eines Unionsrechtsakts gemessen an den Informationen, über die der Unionsgesetzgeber zum Zeitpunkt des Erlasses der betreffenden Regelung verfügte, zu beurteilen ist. Die Unionsorgane haben von Ungarn unwidersprochen nachgewiesen, dass die dem Gesetzgeber während des Gesetzgebungsverfahrens zur Verfügung stehende Information darin bestand, dass die fragliche Technologie 2022 bereit gewesen wäre und dass der Einbau der Fahrtenschreiber V2 bis Ende des Jahres 2024 hätte abgeschlossen werden können ( 224 ).

458.

Zum anderen wurde die Frist für den Einbau von Fahrtenschreibern V2 in der Verordnung 2020/1054 ziemlich untypisch definiert, da sie nicht unter Bezugnahme auf einen bestimmten Zeitpunkt festgelegt wurde, sondern unter Bezugnahme auf eine Frist ab dem Erlass der erforderlichen detaillierten technischen Vorschriften durch die Kommission, um sicherzustellen, dass genügend Zeit für die Entwicklung dieser neuen Fahrtenschreiber bleibt. Wie ich jedoch oben in Nr. 443 ausgeführt habe, hat die Kommission die technischen Spezifikationen für intelligente Fahrtenschreiber am 16. Juli 2021 angenommen und sie kürzlich sogar geändert, um trotz einiger technisch bedingter Verzögerungen ein gemeinsames Funktionieren dieser intelligenten Fahrtenschreiber der zweiten Generation zu gewährleisten. Diese Ausführungen zeigen meines Erachtens, dass die Entscheidung des Gesetzgebers im Hinblick auf die Art und Weise der Festsetzung der Frist für den Einbau der Fahrtenschreiber V2, die eine Flexibilität bei der Durchführung dieser Verpflichtung gewährleisten sollten, angemessen war.

459.

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich meiner Meinung nach, dass der Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, dass der Unionsgesetzgeber durch den Erlass von Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054 gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe, zurückzuweisen ist.

b)   Zum Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit

1) Vorbringen der Parteien

460.

Mit seinem zweiten Klagegrund macht Ungarn geltend, dass die Vorverlegung der Frist für den Einbau von Fahrtenschreibern V2 die berechtigten Erwartungen der Wirtschaftsteilnehmer und damit die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit verletze. Nach der vor dem Erlass der Verordnung 2020/1054 geltenden Regelung ( 225 ) hätten die Wirtschaftsteilnehmer nämlich berechtigterweise annehmen dürfen, dass sie nach dem Erlass der Durchführungsbestimmungen über eine Frist von 15 Jahren verfügten, um der Anforderung des Einbaus intelligenter Fahrtenschreiber zu genügen. Die Wirtschaftsteilnehmer hätten nicht einfach auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation vertraut, sondern der Gesetzgeber habe in Ausübung seines Ermessens selbst eine Frist festgelegt, auf die sie ihre wirtschaftlichen Entscheidungen hätten stützen können. Diese Frist könne daher nur aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses geändert werden. In Ungarn betreffe die Verpflichtung zum Einbau des Fahrtenschreibers V2 wegen der vorverlegten Fristen etwa 60 % der Flotte mit Kosten je Einheit, die auf etwa 2000 Euro geschätzt würden.

461.

Da der Gesetzgeber die Verordnung 2020/1054 am 15. Juli 2020 erlassen habe, hätte der neue Zeitpunkt der Verpflichtung zur Einhaltung der Bestimmungen ab diesem Zeitpunkt mit Sicherheit bekannt sein können. Folglich könne nur dieser Zeitpunkt den Beginn des Zeitraums kennzeichnen, über den die Wirtschaftsteilnehmer zur Anpassung verfügten, und nicht der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Studien, die sich erstmals mit der Frage befasst hätten. Die Wirtschaftsteilnehmer hätten, selbst wenn sie diese Studien gekannt hätten, nicht mit Sicherheit wissen können, welche Lösung gewählt werde.

462.

Keiner der Gründe, die im 27. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054 als Rechtfertigung für die Änderung der Fristen für die Einführung der Fahrtenschreiber V2 angeführt seien, stelle einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar. Was erstens die Kostenwirksamkeit der Durchsetzung der Sozialvorschriften betreffe, so sei diese im Gesetzgebungsverfahren nicht wirklich geprüft worden. Zweitens stellten die rasche Entwicklung neuer Technologien und die Digitalisierung in der gesamten Wirtschaft keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses dar, die eine Verletzung des berechtigten Vertrauens der Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen könnten. Außerdem seien die Fahrtenschreiber V2 noch nicht entwickelt, und ihr Datum der Markteinführung sei unbekannt. Was drittens die Notwendigkeit betreffe, für gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen den Unternehmen im internationalen Straßenverkehr zu sorgen, sei schwer nachvollziehbar, warum die internationalen Unternehmen aus Drittländern dieser Verpflichtung nicht unterlägen. Das Europäische Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (Accord Européen sur les Transports Routiers, im Folgenden: AETR-Übereinkommen) sehe nämlich gegenwärtig die Verpflichtung zum Einbau eines digitalen Fahrtenschreibers vor.

463.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, diesen Klagegrund zurückzuweisen.

2) Würdigung

464.

Ich habe bereits oben in den Nrn. 117 ff. der vorliegenden Schlussanträge, auf die ich verweise, die Grundsätze untersucht, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zum Grundsatz der Rechtssicherheit dargelegt hat.

465.

Was den Grundsatz des Vertrauensschutzes angeht, der Ausfluss des Grundsatzes der Rechtssicherheit ist, kann sich nach ständiger Rechtsprechung auf diesen Grundsatz jeder Wirtschaftsteilnehmer berufen, bei dem ein Organ begründete Erwartungen geweckt hat. Zusicherungen, die solche Erwartungen wecken können, sind gemäß der ständigen Rechtsprechung präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte von zuständiger und zuverlässiger Seite, unabhängig von der Form ihrer Mitteilung ( 226 ).

466.

Ist jedoch ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer in der Lage, den Erlass einer Unionsmaßnahme, die seine Interessen berühren kann, vorherzusehen, so kann er sich im Fall ihres Erlasses nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen ( 227 ).

467.

Was die Berufung auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes bei Handlungen des Unionsgesetzgebers betrifft, ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof diesem im Rahmen der Ausübung der ihm übertragenen Zuständigkeiten ein weites Ermessen zugebilligt hat, wenn seine Tätigkeit politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen beinhaltet und wenn er komplexe Beurteilungen und Prüfungen vornehmen muss ( 228 ).

468.

Der Gerichtshof hat auch entschieden, dass ein Wirtschaftsteilnehmer nicht auf das völlige Ausbleiben von Gesetzesänderungen vertrauen, sondern nur die Modalitäten der Durchführung einer solchen Änderung in Frage stellen kann ( 229 ).

469.

Desgleichen verlangt der Grundsatz der Rechtssicherheit nicht das Absehen von Gesetzesänderungen, sondern erfordert vielmehr, dass der Gesetzgeber die besondere Situation der Wirtschaftsteilnehmer berücksichtigt und gegebenenfalls Anpassungen der Anwendung der neuen Rechtsvorschriften vorsieht ( 230 ).

470.

Außerdem darf nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Anwendungsbereich des Grundsatzes des Vertrauensschutzes nicht so weit erstreckt werden, dass die Anwendung einer neuen Regelung auf die künftigen Auswirkungen von unter der Geltung der früheren Regelung entstandenen Sachverhalten schlechthin ausgeschlossen ist ( 231 ), insbesondere in Bereichen, deren Ziel eine ständige Anpassung erfordert ( 232 ).

471.

Im vorliegenden Fall kann meines Erachtens nicht davon ausgegangen werden, dass die betreffenden Wirtschaftsteilnehmer präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung erhalten hätten, die es gerechtfertigt hätten, ein berechtigtes Vertrauen darauf zu begründen, dass das Regelungsumfeld unverändert bleibe, und dass sie somit jedenfalls über eine Frist von 15 Jahren nach Erlass der Durchführungsbestimmungen verfügt hätten, um dem Erfordernis des Einbaus intelligenter Fahrtenschreiber zu genügen.

472.

Es ergibt sich nämlich in keiner Weise, dass der Gesetzgeber eine nicht an Bedingungen geknüpfte Verpflichtung dahin gehend eingegangen wäre, dass der für die Fahrtenschreiber geltende Regelungsrahmen 15 Jahre lang unverändert bliebe. Hierzu ist festzustellen, dass es keineswegs ungewöhnlich ist, dass der Regelungsrahmen mehrfach angepasst wird, insbesondere in Bereichen, die sich schnell entwickelnde technische und/oder technologische Fragen behandeln und die durch einen schnellen und kontinuierlichen technischen Fortschritt gekennzeichnet sind.

473.

Ich teile außerdem die Auffassung der Organe, dass ein umsichtiger und besonnener Kraftverkehrsunternehmer im Licht der beiden oben in Nr. 452 angeführten Dokumente, die auf der Konsultation der Vertreter des betreffenden Wirtschaftssektors und der interessierten Kreise beruhten, zumindest seit der Veröffentlichung dieser Studien nicht in Unkenntnis darüber sein konnte, dass der Unionsgesetzgeber mögliche Änderungen der Regelung über Fahrtenschreiber in Betracht zog. Ein solcher Wirtschaftsteilnehmer war daher durchaus in der Lage, diese Möglichkeit im Rahmen seiner wirtschaftlichen Entscheidungen zu berücksichtigen.

474.

Außerdem kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die in Rede stehende Bestimmung einen besonderen Vorteil, den die Regelung den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern gewährte, mit sofortiger Wirkung und ohne Vorwarnung abgeschafft hätte. Vielmehr verfügen die Wirtschaftsteilnehmer nach der Verordnung 2020/1054 über einen Zeitraum von vier bis fünf Jahren, um die neuen Vorschriften für intelligente Fahrtenschreiber einzuhalten.

475.

Nach alledem bin ich der Ansicht, dass der von Ungarn geltend gemachte Klagegrund, wonach Art. 2 Abs. 2 der Verordnung 2020/1054 unter Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit erlassen worden sei, auch zurückzuweisen ist.

c)   Zum Verstoß gegen Art. 151 Abs. 2 AEUV

1) Vorbringen der Parteien

476.

Ungarn trägt vor, Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054 verstoße gegen die in Art. 151 Abs. 2 AEUV vorgesehene Verpflichtung, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Union zu erhalten. Auch wenn diese Verordnung im Rahmen der Verkehrspolitik erlassen worden sei und ihre Rechtsgrundlage Art. 91 Abs. 1 AEUV sei, falle sie zweifellos unter die Sozialpolitik. Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch eine Angleichung der Rechtsvorschriften könne aber nicht erfolgen, ohne gleichzeitig der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Union zu erhalten. Derzeit gälten jedoch entsprechende Anforderungen betreffend den Fahrtenschreiber V2 nicht für Fahrzeuge von Unternehmen, die nicht in einem Mitgliedstaat niedergelassen seien, während nach dem AETR-Übereinkommen die Fahrzeuge von Unternehmen, die in den Ländern niedergelassen seien, für die es gelte, nur über einen digitalen Fahrtenschreiber verfügen müssten, was ihnen daher einen Wettbewerbsvorteil verschaffe. Während der Gesetzgeber im 34. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054 selbst die Notwendigkeit anerkannt habe, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen der Union zu erhalten, erlege der Gesetzestext der Kommission insoweit weder eine konkrete Verpflichtung noch eine bestimmte Frist auf, so dass keine Gewähr dafür bestehe, dass das AETR-Übereinkommen entsprechend geändert werde oder dass zumindest die entsprechenden Verhandlungen in naher Zukunft aufgenommen werden könnten. Der Gesetzgeber habe zwar keine Erfolgspflicht, aber eine Sorgfaltspflicht in dem Sinne, dass er alles in seiner Macht Stehende tun müsse, um sicherzustellen, dass sich die Union nicht in einem Wettbewerbsnachteil befinde. Um dieser Pflicht nachzukommen, reiche es nicht aus, einen Erwägungsgrund anzunehmen, der keine bindende Wirkung habe.

2) Würdigung

477.

Art. 151 AEUV, dessen Verletzung Ungarn mit dem vorliegenden Klagegrund rügt, ist der erste Artikel des Titels X des Dritten Teils des AEU-Vertrags, der der „Sozialpolitik“ gewidmet ist. Nach seinem Abs. 2 „führen die Union und die Mitgliedstaaten [zu den Zwecken der Ziele der Sozialpolitik] Maßnahmen durch, die der Vielfalt der einzelstaatlichen Gepflogenheiten, insbesondere in den vertraglichen Beziehungen, sowie der Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Union zu erhalten, Rechnung tragen“.

478.

Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, dass sie eine bloße Verpflichtung vorsieht, Umständen „Rechnung zu tragen“. Wie sich oben aus den Nrn. 288 ff. ergibt – und wie dies im Übrigen bei Art. 91 Abs. 1 und Art. 94 AEUV der Fall ist –, hat eine solche Verpflichtung keinen absoluten Charakter, sondern verpflichtet den Unionsgesetzgeber lediglich, beim Erlass von Maßnahmen im Bereich der Sozialpolitik die dort angegebenen spezifischen Parameter und Ziele, und u. a. die Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Union zu erhalten, zu berücksichtigen.

479.

Ungarn wirft dem Gesetzgeber vor, dieser Notwendigkeit nicht im Zusammenhang mit dem Umstand Rechnung getragen zu haben, dass nach dem AETR-Übereinkommen die Fahrzeuge von Unternehmen, die in den Drittländern niedergelassen seien, für die dieses Übereinkommen gelte, nicht über einen Fahrtenschreiber V2 verfügen müssten, was ihnen einen Wettbewerbsvorteil verschaffe.

480.

Aus dem 34. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054 geht jedoch hervor, dass der Gesetzgeber ausdrücklich davon ausging, dass „[e]s … wichtig [ist], dass in Drittländern niedergelassene Verkehrsunternehmen bei Beförderungen im Straßenverkehr im Gebiet der Union Vorschriften unterliegen, die den Rechtsvorschriften der Union gleichwertig sind“, und dass „[d]ie Kommission … die Anwendung dieses Grundsatzes auf Unionsebene bewerten und angemessene Lösungen vorschlagen [sollte], die im Rahmen des [AETR-Übereinkommens] ausgehandelt werden sollten“.

481.

Unter diesen Umständen kann nicht geltend gemacht werden, dass der Gesetzgeber den Unterschieden nicht „Rechnung getragen“ hat, die in der Regelung, einschließlich in Bezug auf die Fahrtenschreiber, bestehen, die zum einen für die Verkehrsunternehmen der Union und zum anderen für Verkehrsunternehmen aus Drittländern gilt, wenn sie Beförderungen im Straßenverkehr im Gebiet der Union durchführen.

482.

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt meines Erachtens, dass auch der dritte von Ungarn gegen Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054 geltend gemachte Klagegrund zurückzuweisen ist, ohne dass auf die Frage eingegangen zu werden braucht, ob Art. 151 AEUV, der in Titel X („Sozialpolitik“) enthalten ist, auf einen Gesetzgebungsakt anwendbar ist, der im Rahmen der in Titel IV vorgesehenen gemeinsamen Verkehrspolitik erlassen wurde und dessen Rechtsgrundlage Art. 91 Abs. 1 AEUV ist.

483.

Nach alledem bin ich der Ansicht, dass der von Ungarn im Rahmen der Rechtssache C‑551/20 gestellte Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054 insgesamt zurückzuweisen ist.

4.   Zu den Klagegründen betreffend Art. 3 der Verordnung 2020/1054

484.

Mit ihrer Klage in der Rechtssache C‑541/20 beantragt die Republik Litauen die Nichtigerklärung von Art. 3 der Verordnung 2020/1054, wonach diese Verordnung – abgesehen von zwei Ausnahmen, die in diesem Zusammenhang nicht einschlägig sind ( 233 ) – am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft tritt. Diese Verordnung wurde am 17. Juli 2020 im Amtsblatt veröffentlicht und trat daher am 20. August 2020 in Kraft.

485.

Die Republik Litauen stützt ihre Klage auf drei Klagegründe. Vor der Prüfung dieser Klagegründe ist zunächst ihre Schlüssigkeit zu prüfen.

a)   Zur Schlüssigkeit der Klagegründe betreffend Art. 3 der Verordnung 2020/1054

486.

Mit ihren drei Klagegründen stellt die Republik Litauen Art. 3 der Verordnung 2020/1054 in Frage, der eine Frist für das Inkrafttreten dieser Verordnung von 20 Tagen vorsieht. Der Rat und das Parlament machen jedoch geltend, dass, selbst wenn dieser Artikel für nichtig erklärt würde, nach Art. 297 Abs. 1 Unterabs. 3 AEUV jedenfalls der Zeitpunkt des Inkrafttretens für diese Verordnung weiterhin gelten würde ( 234 ).

487.

Insoweit weise ich darauf hin, dass nach Art. 297 Abs. 1 Unterabs. 3 AEUV Gesetzgebungsakte „zu dem durch sie festgelegten Zeitpunkt oder anderenfalls am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft [treten]“.

488.

Wie die Vizepräsidentin des Gerichtshofs in dem von der Republik Litauen eingeleiteten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ausgeführt hat, stellt Art. 3 der Verordnung 2020/1054 aber nur eine bloße Durchführung von Art. 297 Abs. 1 Unterabs. 3 AEUV dar ( 235 ).

489.

Dieser Umstand bedeutet jedoch nicht automatisch, dass die Nichtigerklärung von Art. 3 zur Folge hätte, dass jedenfalls die Frist von 20 Tagen Anwendung fände, wie sich aus Art. 297 Abs. 1 Unterabs. 3 AEUV ergibt. Auch diese Bestimmung des AEUV sieht nämlich vor, dass der Gesetzgeber, wenn er dies für angebracht hält, beschließen kann, eine andere Frist für das Inkrafttreten eines Gesetzgebungsakts anzuwenden. Mit ihren Klagegründen stellt die Republik Litauen jedoch gerade die Entscheidung des Unionsgesetzgebers in Frage, „standardmäßig“ diese Frist von 20 Tagen ab der Veröffentlichung im Amtsblatt für das Inkrafttreten der Verordnung 2020/1054 zu wählen, ohne hingegen eine längere Frist für das Inkrafttreten vorzusehen, wie es nach dieser Bestimmung des AEUV ausdrücklich zulässig ist. Die Republik Litauen macht nämlich geltend, dass ein ausreichender Übergangszeitraum erforderlich sei, um es den Mitgliedstaaten und den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern zu ermöglichen, sich an die neuen Vorschriften dieser Verordnung anzupassen, insbesondere an die Bestimmungen über das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine und über die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer.

490.

Daraus folgt, dass entgegen dem Vorbringen der beiden Unionsorgane, wenn der Gerichtshof den Klagegründen der Republik Litauen stattgeben und Art. 3 der Verordnung 2020/1054 für nichtig erklären und feststellen sollte, dass die Anwendung der dort vorgesehenen Frist von 20 Tagen nicht mit dem Unionsrecht vereinbar sei, eine solche Nichtigerklärung keineswegs die Anwendung dieser für rechtswidrig erachteten Frist und damit dieses Zeitpunkts des Inkrafttretens nach Art. 297 Abs. 1 Unterabs. 3 AEUV nach sich ziehen könnte. Ganz im Gegenteil würde das gesamte Inkrafttreten dieser Verordnung in Frage gestellt.

491.

Folglich gehen die von der Republik Litauen in Bezug auf Art. 3 der Verordnung 2020/1054 geltend gemachten Klagegründe meines Erachtens nicht ins Leere.

b)   Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

1) Vorbringen der Parteien

492.

Mit ihrem ersten Klagegrund macht die Republik Litauen geltend, der Unionsgesetzgeber habe dadurch, dass er in Art. 3 der Verordnung 2020/1054 die Verpflichtung vorgesehen habe, die Bestimmungen über das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine und über die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer (vorgesehen in Art. 1 Nr. 6 Buchst. c bzw. d der Verordnung 2020/1054) innerhalb der gesetzten Frist von 20 Tagen anzuwenden, nicht berücksichtigt, dass sich die Mitgliedstaaten und die Verkehrsunternehmer mangels eines Übergangszeitraums nicht an diese Verpflichtungen hätten anpassen können, und kein Argument angeführt, das eine solche Dringlichkeit für ihr Inkrafttreten rechtfertigen würde. Durch die Wahl eines ungeeigneten Mechanismus zur Durchführung der Verordnung 2020/1054 (indem sie weder einen Aufschub ihrer Anwendung noch einen Übergangszeitraum vorgesehen hätten) hätten die Unionsorgane somit untragbare Rechtsvorschriften geschaffen, deren Einhaltung aus verschiedenen objektiven Gründen besonders schwer zu gewährleisten sei, und damit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.

493.

Erstens habe der Unionsgesetzgeber nicht berücksichtigt, dass es derzeit nicht genügend geeignete und sichere Parkflächen gebe, auf denen den Fahrern angemessene Bedingungen für die Ruhezeit außerhalb der Kabine zur Verfügung stehen könnten. Daraus folge, dass die Verkehrsunternehmen ungerechtfertigte und unverhältnismäßige Risiken eingehen müssten, indem sie die Fahrer anwiesen, den Lastkraftwagen auf Flächen zu belassen, auf denen die Sicherheit der Ladung nicht gewährleistet sei. Außerdem habe die Kommission in der Folgenabschätzung selbst die Schwierigkeiten bestätigt, die sich aus der Unzulänglichkeit von Unterkünften und sicheren Parkflächen ergäben. Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 sei keine bloße Kodifizierung des Urteils Vaditrans, da die Verpflichtung, die vorgeschriebenen Ruhezeiten in einer geeigneten geschlechtergerechten Unterkunft mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen zu verbringen, eine neue Verpflichtung darstelle. Jedenfalls müsse der Gesetzgeber, selbst um eine Bestimmung zu kodifizieren, das ordentliche Gesetzgebungsverfahren einhalten, in dessen Verlauf er u. a. die Verhältnismäßigkeit der vorgeschlagenen Maßnahme beurteilen und prüfen müsse, ob diese leicht umzusetzen sei.

494.

Zweitens bezieht sich die Republik Litauen auf die Studie von 2019 und die oben in Nr. 351 angeführten Daten.

495.

Drittens macht die Republik Litauen geltend, dass der Unionsgesetzgeber, obwohl er über die Schwierigkeiten bei der Anwendung der Verordnung 2020/1054 durch den EWSA, die Ausschüsse für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten sowie für Verkehr und Tourismus des Parlaments informiert worden sei, diese Informationen außer Acht gelassen habe.

496.

Viertens macht die Republik Litauen geltend, das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine werfe auch andere wichtige Rechtsfragen auf, z. B. in Bezug auf die Vorsorgemaßnahmen und den Versicherungsschutz, da der Fahrer die Ladung in den meisten Fällen ohne Überwachung auf einem ungesicherten Parkplatz lassen müsse.

497.

Fünftens macht die Republik Litauen geltend, der ungerechtfertigte Charakter von Art. 3 der Verordnung 2020/1054 werde auch durch das Fehlen eines Auslegungsdokuments belegt, nach dem die Verkehrsunternehmen die Rückkehr der Fahrer an ihren Wohnsitz oder an die Betriebsstätte des Unternehmens organisieren könnten. Ohne diese Dokumente wäre die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer schwer umzusetzen, was zu unterschiedlichen Praktiken zwischen den Mitgliedstaaten und zwischen den Verkehrsunternehmen führen würde.

498.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, diesen Klagegrund zurückzuweisen.

2) Würdigung

499.

Nach der oben in den Nrn. 52 ff. angeführten Rechtsprechung muss die Prüfung des von der Republik Litauen geltend gemachten Klagegrundes eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf die Feststellung gerichtet sein, ob der Unionsgesetzgeber dadurch, dass er in Art. 3 der Verordnung 2020/1054 eine Frist für das Inkrafttreten dieser Verordnung von 20 Tagen nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union vorgesehen hat und keinen Übergangszeitraum speziell für das Inkrafttreten der Bestimmungen über das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine und über die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer vorgesehen hat, das weite Ermessen, über das er im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik verfügt, offensichtlich überschritten hat, indem er sich für eine Maßnahme entschieden hat, die zur Erreichung der Ziele, die er verfolgen wollte, offensichtlich ungeeignet ist oder die Nachteile verursachte, die in unangemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen.

500.

Was zunächst die mit der Verordnung 2020/1054 und speziell mit den Bestimmungen über das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine und die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer verfolgten Ziele betrifft, verweise ich auf die Nrn. 196 ff. und Nr. 373 der vorliegenden Schlussanträge.

501.

Was sodann erstens die Frist für das Inkrafttreten der Verpflichtung nach Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 betrifft, habe ich oben in Nr. 394 darauf hingewiesen, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass dieser Bestimmung nicht das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine in die Unionsrechtsordnung eingeführt hat, sondern lediglich das bestehende Recht kodifiziert, das sich aus der alten Fassung von Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 in seiner Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil Vaditrans ergibt.

502.

Daraus folgt, dass die Rüge der Republik Litauen im Wesentlichen darauf hinausläuft, dem Gesetzgeber vorzuwerfen, keinen Übergangszeitraum für eine Regelung vorgesehen zu haben, die in der Unionsrechtsordnung bereits in Kraft war und die die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer somit bereits beachten mussten.

503.

Ich teile jedoch die Auffassung der Republik Litauen, dass der Gesetzgeber selbst, wenn er das bestehende Recht kodifiziert, nicht von seiner Verpflichtung befreit ist, die Verhältnismäßigkeit der vorgeschlagenen Maßnahme zu prüfen. Aus den Erwägungen, die ich in den Nrn. 398 ff. angestellt habe, ergibt sich jedoch zum einen, dass jeder andere Ansatz, selbst ein vorübergehender, als der, das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten in der Kabine aufrechtzuerhalten, dazu geführt hätte, den Fahrern auf gesetzgeberischem Wege zu gestatten, diese Ruhezeiten an einem Ort zu verbringen, der, wie der Gerichtshof ausdrücklich anerkannt hat ( 236 ), kein geeigneter Ort ist, um so lange Ruhezeiträume zu verbringen. Dies hätte zu einer Verringerung des sozialen Schutzes der Fahrer und damit zu einer Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen geführt, was den Zielen der in Rede stehenden Regelung und dem Urteil Vaditrans zuwiderläuft.

504.

Zum anderen habe ich bereits oben in Nr. 400 dargelegt, dass meines Erachtens ein etwaiger gegenwärtiger Mangel an geeigneten Infrastrukturen keine Rechtfertigung dafür darstellen kann, um den Fahrern auf gesetzgeberischem Wege zu gestatten, ihre regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten im Fahrzeug zu verbringen, d. h. an einem Ort, der kein geeigneter Ort ist, um lange Ruhezeiträume zu verbringen.

505.

Was das Vorbringen zu den Informationen betrifft, die der EWSA und die Ausschüsse des Parlaments im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens über den Zustand der Infrastrukturen in Europa geliefert haben, verweise ich auf die oben in den Nrn. 261 und 410 dargelegten Erwägungen. Auch betreffend das Vorbringen in Bezug auf die Vorsorgemaßnahmen und den Versicherungsschutz konnte, wie ich oben in Nr. 404 dargelegt habe, da sich Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 darauf beschränkt hat, das bereits bestehende Recht zu kodifizieren, sein Erlass keineswegs zu einer Erhöhung dieser Gefahren und Kosten für die Verkehrsunternehmen führen.

506.

Was zweitens die Frist für das Inkrafttreten der Verpflichtung nach Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 betrifft, macht die Republik Litauen lediglich geltend, dass die Unverhältnismäßigkeit von Art. 3 dieser Verordnung auch durch das Fehlen eines Auslegungsdokuments belegt werde, nach dem die Verkehrsunternehmen die Rückkehr der Fahrer an ihren Wohnsitz organisieren könnten. Aus der in den Nrn. 125 ff. der vorliegenden Schlussanträge vorgenommenen Analyse geht jedoch hervor, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 den Erfordernissen der Rechtssicherheit genügt und gleichzeitig den Verkehrsunternehmen eine gewisse Flexibilität bei seiner Durchführung lässt. Unter diesen Umständen sind, da diese Bestimmung hinreichend klar ist, um von den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern umgesetzt zu werden, Auslegungsdokumente, die den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern bei der Erfüllung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Verpflichtung helfen können, zwar sicherlich nützlich, doch kann ihr Fehlen im Hinblick auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung keinesfalls zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit führen.

507.

Nach alledem ist der Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, dass Art. 3 der Verordnung 2020/1054 unter Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erlassen worden sei, zurückzuweisen.

c)   Zur Verletzung der Begründungspflicht

1) Vorbringen der Parteien

508.

Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die Republik Litauen geltend, Art. 3 der Verordnung 2020/1054 sei mit einem Begründungsmangel im Sinne von Art. 296 AEUV behaftet. Bei der Prüfung des Vorschlags der Kommission hätten die Unionsorgane dank der Folgenabschätzung und anderer Quellen zum einen gewusst, dass das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine zu praktischen Problemen bei der Umsetzung dieser Bestimmung führen werde, und zum anderen, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ungerechtfertigt einschränke und es keine klaren Regeln für die Umsetzung dieser Verpflichtung gebe. Da diese Informationen bekannt gewesen seien, hätten die Unionsorgane Argumente für das Fehlen einer Übergangsfrist oder die Nichtverschiebung der Regelung vorbringen müssen. Zwar seien die im Vorschlag der Kommission genannten Ziele wichtig, doch rechtfertigten sie nicht die Dringlichkeit des Inkrafttretens der neuen Vorschriften.

509.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, diesen Klagegrund zurückzuweisen.

2) Würdigung

510.

Art. 296 Abs. 2 AEUV bestimmt, dass die Rechtsakte der Unionsorgane mit einer Begründung zu versehen sind. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass diese Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts und dem Kontext, in dem er erlassen wurde, angepasst sein muss ( 237 ).

511.

Wie ich oben in Nr. 487 ausgeführt habe, stellt die Frist von 20 Tagen ab der Veröffentlichung des Rechtsakts im Amtsblatt die „standardmäßig“ in Art. 297 Abs. 1 Unterabs. 3 AEUV für das Inkrafttreten von Gesetzgebungsakten vorgesehene Frist dar, unbeschadet der Möglichkeit des Unionsgesetzgebers, einen anderen Zeitpunkt zu wählen, wenn er dies für angebracht hält.

512.

Meines Erachtens ergibt sich aus dieser Bestimmung, dass diese „standardmäßige“ Frist im Allgemeinen und abgesehen von Ausnahmen nach dem Willen der Verfasser des AEU-Vertrags für das Inkrafttreten jedes Gesetzgebungsakts vorgesehen werden soll.

513.

Unter diesen Umständen neige ich zu der Auffassung, dass der Unionsgesetzgeber grundsätzlich nur, wenn er gegebenenfalls beschließt, diese „standardmäßige“ Frist nicht heranzuziehen, verpflichtet sein könnte, die Gründe zu erläutern, aus denen er beschlossen hat, keine Frist heranzuziehen und eine andere Frist anzuwenden.

514.

Trotz dieser Erwägungen bin ich der Ansicht, dass das Vorbringen der Republik Litauen jedenfalls keinen Verstoß des Unionsgesetzgebers gegen die Begründungspflicht im vorliegenden Fall belegen kann.

515.

Was nämlich die Frist für das Inkrafttreten der Verpflichtung nach Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 betrifft, kann diese Bestimmung, da sie lediglich das bestehende Recht kodifiziert hat und daher das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Kabine zum Zeitpunkt ihres Erlasses bereits in Kraft war ( 238 ), nicht zu praktischen Problemen bei ihrer Durchführung „führen“, wie sie von der Republik Litauen geltend gemacht werden und eine besondere Begründungspflicht rechtfertigen würden. Solche praktischen Probleme hätten möglicherweise bereits bestanden.

516.

Was die Frist für das Inkrafttreten der Verpflichtung nach Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 betrifft, beruht das Argument, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ungerechtfertigt einschränke, auf einem falschen Verständnis dieser Bestimmung, wie sich aus den vorstehenden Nrn. 125 bis 129 ergibt. Das Vorbringen, es gebe keine klaren Regeln für die Umsetzung dieser Verpflichtung, ist oben in Nr. 506 geprüft und zurückgewiesen worden.

517.

Nach alledem ist auch der Klagegrund einer Verletzung der Begründungspflicht in Bezug auf Art. 3 der Verordnung 2020/1054 zurückzuweisen.

d)   Zum Verstoß gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 EUV

1) Vorbringen der Parteien

518.

Mit ihrem dritten Klagegrund wirft die Republik Litauen dem Parlament und dem Rat als Mitgesetzgeber vor, durch den Erlass von Art. 3 der Verordnung 2020/1054 gegen den in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verstoßen zu haben. Erstens hätten die Unionsorgane bei der Prüfung dieser Verordnung nicht nur in keiner Weise die Notwendigkeit gerechtfertigt, das Verbot, die Nacht in der Kabine während der betreffenden Zeiträume zu verbringen, und die Verpflichtung, die Fahrer zu ihrem Wohnsitz oder zur Betriebsstätte des Unternehmens zurückkehren zu lassen, unverzüglich in Kraft zu setzen, sondern sie hätten auch nicht geprüft, wie es möglich gewesen wäre, angemessene Bedingungen zu schaffen, indem sie einen Übergangszeitraum vorgesehen hätten, damit sich die Mitgliedstaaten und die Verkehrsunternehmen an die neuen Verpflichtungen anpassen könnten. Insbesondere hätten die Unionsorgane keine Maßnahmen geprüft, die es ermöglichten, die bestehende Situation zu mildern, indem sie den Mitgliedstaaten gestatteten, sich schrittweise an diese neuen Verpflichtungen anzupassen, und die gewährleisteten, dass die Verkehrsunternehmen nicht wegen unzureichender geeigneter Unterkünfte sanktioniert würden. Zweitens hätten sie nicht berücksichtigt, dass die ordnungsgemäße Umsetzung der Verpflichtung, die Fahrer zurückkehren zu lassen, nicht klar gewesen sei und dass daher zur Gewährleistung einer kohärenten Umsetzung dieser Verpflichtung der Erlass zusätzlicher Maßnahmen erforderlich sei. Drittens sei auch die Pflicht zu gegenseitiger Amtshilfe verletzt, da die Mitgliedstaaten eine ausreichende Infrastruktur offenkundig nicht objektiv gewährleisten könnten. Außerdem seien die Unionsorgane grundsätzlich verpflichtet, mit den Mitgliedstaaten in einen Dialog zu treten und die Zurückweisung der von diesen erhobenen Einwände zu begründen.

519.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, diesen Klagegrund zurückzuweisen.

2) Würdigung

520.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Union und die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 3 EUV gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben, achten und unterstützen.

521.

Zur Tragweite dieses Grundsatzes im Rahmen des Erlasses von Gesetzgebungsakten geht aus der Rechtsprechung hervor, dass in Bereichen, in denen der Unionsgesetzgeber über ein weites Ermessen verfügt, der Gerichtshof nur überprüft, ob die Urheber des angefochtenen Rechtsakts in der Lage sind, zu belegen, dass sie beim Erlass des Rechtsakts ihr Ermessen tatsächlich ausgeübt haben, und zu diesem Zweck die Grunddaten, die zur Begründung der angefochtenen Maßnahmen dieses Rechtsakts zu berücksichtigen waren und von denen die Ausübung ihres Ermessens abhing, klar und eindeutig darzulegen. Die Tragweite der Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit kann nicht in dem Sinne ausgedehnt werden, dass sie den Unionsgesetzgeber unter allen Umständen zwingen würde, auf Antrag eines Mitgliedstaats angeblich fehlende Dokumente und Informationen beizubringen oder die Informationen, über die er verfügt, zu berichtigen, bevor er einen Rechtsakt erlassen kann. Eine solche Auslegung liefe nämlich Gefahr, die Organe an der Ausübung ihres Ermessens zu hindern und das Gesetzgebungsverfahren zu blockieren. Es trifft zwar zu, dass die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit die Pflicht zu gegenseitiger Amtshilfe umfasst, zu der insbesondere der Austausch relevanter Informationen zwischen den Organen und den Mitgliedstaaten im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens gehört. Diese Pflicht erlaubt es einem dieser Staaten aber nicht, im Fall der Meinungsverschiedenheit darüber, ob die verfügbaren Informationen ausreichend, relevant oder zutreffend sind, allein aus diesem Grund die Rechtmäßigkeit des Entscheidungsprozesses in Frage zu stellen ( 239 ).

522.

Unter diesen Umständen hat der Gerichtshof klargestellt, dass, wie aus der ständigen Rechtsprechung hervorgeht, der Erlass eines Rechtsakts im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen des AEU-Vertrags kein Verstoß gegen die Pflicht des Parlaments und des Rates zur loyalen Zusammenarbeit sein kann, nur weil ihm eine Minderheit von Mitgliedstaaten widersprochen hat ( 240 ).

523.

Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass der Vorschlag für eine Arbeitszeitverordnung und die Folgenabschätzung – Sozialer Teil im Rat Gegenstand von Erörterungen in mehreren Sitzungen waren. Es ist auch unstreitig, dass die Republik Litauen während des Gesetzgebungsverfahrens Zugang zu sämtlichen Unterlagen hatte, auf die sich der Unionsgesetzgeber im Hinblick auf den Erlass dieser Verordnung gestützt hat, und zu den in diesen Unterlagen enthaltenen Daten und den zugrunde gelegten Annahmen Stellung nehmen konnte. Daraus folgt, dass im vorliegenden Fall der Informationsaustausch über die Bestimmungen, die später zur Verordnung 2020/1054 wurden, ein Austausch, der auf die Pflicht zu gegenseitiger Amtshilfe gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV gestützt ist, ordnungsgemäß abgelaufen ist. Diese Feststellung kann nicht durch die Argumente der Republik Litauen in Frage gestellt werden, die im Übrigen alle Fragen betreffen, die bereits im Rahmen der Prüfung der Klagegründe betreffend die in Rede stehenden Bestimmungen in der Sache zurückgewiesen worden sind. Das Bestehen dieser Pflicht zu gegenseitiger Amtshilfe impliziert nämlich keineswegs die Verpflichtung für den Gesetzgeber, mit jedem Mitgliedstaat in jeder Frage übereinzustimmen.

524.

Im Licht dieser Erwägungen bin ich der Meinung, dass der Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 EUV im Hinblick auf den Erlass von Art. 3 der Verordnung 2020/1054 ebenfalls zurückzuweisen ist.

525.

Nach alledem bin ich der Ansicht, dass der von der Republik Litauen im Rahmen der Rechtssache C‑541/20 gestellte Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 3 der Verordnung 2020/1054 insgesamt zurückzuweisen ist.

5.   Ergebnis zu den Klagen in Bezug auf die Verordnung 2020/1054

526.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Klagen der Republik Bulgarien in der Rechtssache C‑543/20, Rumäniens in der Rechtssache C‑546/20 und der Republik Polen in der Rechtssache C‑553/20 in vollem Umfang abzuweisen und die Klagen der Republik Litauen in der Rechtssache C‑541/20 und Ungarns in der Rechtssache C‑551/20 abzuweisen, soweit diese beiden letzteren Klagen die Verordnung 2020/1054 betreffen.

C. Zur Verordnung 2020/1055 (Rechtssachen C‑542/20, C‑545/20, C‑547/20, C‑549/20, C‑551/20, C‑552/20 und C‑554/20)

527.

Diese sieben Klagen konzentrieren sich im Wesentlichen auf zwei Bestimmungen der Verordnung 2020/1055, nämlich auf Art. 1 Nr. 3 Buchst. a, soweit er eine Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen einführt (Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1071/2009, in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung), und auf Art. 2 Nr. 4 Buchst. a, der eine Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei Zeiträumen zulässiger Kabotage vorsieht (Art. 8 Abs. 2a der Verordnung Nr. 1071/2009, in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung). Außerdem bestreitet nur die Republik Polen die Gültigkeit von zwei anderen Bestimmungen, nämlich Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit er die Verpflichtung einführt, über eine im Verhältnis zum Umfang der Verkehrstätigkeit des Unternehmens angemessene Zahl an Fahrzeugen sowie an Fahrern zu verfügen (Art. 5 Abs. 1 Buchst. g der geänderten Verordnung Nr. 1071/2009), und Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055, der die Möglichkeit betrifft, Beförderungen im kombinierten Verkehr einer Wartezeit zu unterwerfen (Art. 10 Abs. 7 der geänderten Verordnung Nr. 1072/2009).

528.

Ich werde als Erstes die Klagegründe prüfen, die gegen die neuen Voraussetzungen für die Anforderung der Niederlassung (Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009, in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung) gerichtet sind, d. h. die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen und die Verpflichtung, über eine im Verhältnis zum Umfang der Verkehrstätigkeit des Unternehmens angemessene Zahl an Fahrzeugen sowie an Fahrern zu verfügen, bevor ich als Zweites die Klagegründe betreffend die Regelung des Kabotageverkehrs behandle, die sich gegen die Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei Zeiträumen zulässiger Kabotage und sodann gegen die Einführung der Möglichkeit richten, Beförderungen im kombinierten Verkehr einer Wartezeit zu unterwerfen.

1.   Zur Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen (Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit er Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1071/2009 ändert).

529.

Die Republik Litauen, die Republik Bulgarien, Rumänien, die Republik Zypern, Ungarn, die Republik Malta und die Republik Polen bestreiten die Rechtmäßigkeit von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit er Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1071/2009 ändert.

530.

Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1071/2009 regelt die Voraussetzungen für die Anforderung der Niederlassung. Nach dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1055 sieht er nunmehr vor, dass „[u]m die Anforderung des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe a ( 241 ) zu erfüllen, … ein Unternehmen im Niederlassungsmitgliedstaat … die Nutzung seiner Fahrzeugflotte so organisieren [muss], dass sichergestellt ist, dass Fahrzeuge, die dem Unternehmen zur Verfügung stehen und in der grenzüberschreitenden Beförderung eingesetzt werden, spätestens acht Wochen nach Verlassen des Mitgliedstaats zu einer der Betriebsstätten in diesem Mitgliedstaat zurückkehren“. Daher hat Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 in die Verordnung Nr. 1071/2009 eine Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen eingeführt.

531.

Im Wesentlichen lassen sich die von den klagenden Mitgliedstaaten geltend gemachten Klagegründe in sechs Hauptthemen gliedern, nämlich die Beachtung wesentlicher Formvorschriften, die Umweltpolitik der Union, den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die spezifischen Verpflichtungen des Unionsgesetzgebers nach Art. 91 Abs. 1 und Art. 94 AEUV und die wirtschaftlichen Grundfreiheiten.

a)   Zu den Klagegründen eines Verstoßes gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV wegen fehlender Anhörung des EWSA und des AdR

1) Vorbringen der Parteien

532.

Die Republik Bulgarien ( 242 ) trägt vor, Art. 91 Abs. 1 AEUV, der die Rechtsgrundlage der Verordnung 2020/1055 darstelle, verlange vom Unionsgesetzgeber, gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des EWSA und des AdR zu entscheiden. Der Rat und das Parlament hätten dadurch, dass sie diese beiden Ausschüsse nicht zu den während des Gesetzgebungsverfahrens eingeführten Änderungen angehört hätten, gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV verstoßen und ein wesentliches Formerfordernis verletzt. Eine solche Anhörungspflicht ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur beratenden Rolle des Europäischen Parlaments ( 243 ), als dieses noch nicht Mitgesetzgeber gewesen sei, die für den EWSA und den AdR entsprechend gelte, sowie aus den Arbeitsunterlagen zur Arbeitsweise des AdR. Die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen stelle eine wesentliche Änderung dar, und die fehlende Anhörung dieser beiden Ausschüsse habe sich auf den Inhalt und den Wesensgehalt der neuen Regelung ausgewirkt. In ihrer Erwiderung macht die Republik Bulgarien geltend, dass die Schlussfolgerungen des Urteils in der Rechtssache C‑65/90 ( 244 ) auf die Modalitäten der Anhörung des AdR und des EWSA übertragbar seien und dass die damals vom Gerichtshof ausgelegte Bestimmung wortgleich mit Art. 91 Abs. 1 AEUV sei. Die Verpflichtung zur Anhörung dieser beiden Ausschüsse ergebe sich aus einem wesentlichen, eindeutigen und klaren Verfahrenserfordernis. Eine wesentliche Änderung im Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewertung von Gesundheitstechnologien und zur Änderung der Richtlinie 2011/24/EU ( 245 ) hätte den Mitgesetzgeber dazu veranlasst, eine erneute Anhörung des EWSA zu beschließen. Das Fehlen einer erheblichen Auswirkung der unterbliebenen Anhörung auf den Inhalt der letztlich angepassten Bestimmung könne, auch wenn sie, entgegen dem Vorbringen des Parlaments, nicht erwiesen sei, jedenfalls den obligatorischen Charakter der Anhörung nicht beeinträchtigen. Der Rat habe zu Unrecht geltend gemacht, dass die Verpflichtung zur Anhörung der Ausschüsse die angefochtene Maßnahme nicht betreffe, da Art. 91 Abs. 1 AEUV keine solche Unterscheidung einführe.

533.

Die Republik Zypern macht ein in allen Punkten ähnliches Vorbringen wie die Republik Bulgarien geltend ( 246 ).

534.

Das Parlament und der Rat sowie ihre Streithelfer beantragen, diese Klagegründe eines Verstoßes gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV wegen fehlender Anhörung des EWSA und des AdR zurückzuweisen.

2) Würdigung

535.

Nach Art. 91 Abs. 1 AEUV sind das Parlament und der Rat, wenn sie auf dieser Grundlage tätig werden, verpflichtet, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Europäischen Ausschuss der Regionen anzuhören. Die Stellungnahmen des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Europäischen Ausschusses der Regionen ( 247 ) zum Vorschlag der Kommission wurden am 18. Januar 2018 ( 248 ) bzw. am 1. Februar 2018 ( 249 ) eingeholt.

536.

Die Republik Bulgarien und die Republik Zypern machen im Wesentlichen geltend, dass die Stellungnahme dieser beiden Ausschüsse nach den wesentlichen Änderungen, die in der Einführung der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen und, nur in Bezug auf die Republik Bulgarien, einer Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei Zeiträumen zulässiger Kabotage während des Gesetzgebungsverfahrens bestünden, erneut hätte eingeholt werden müssen.

537.

Vorab weise ich darauf hin, dass sich eine solche Verpflichtung zur erneuten Anhörung dieser beiden Ausschüsse im Fall einer wesentlichen Änderung eines Gesetzgebungsvorschlags weder aus Art. 91 AEUV noch aus irgendeiner anderen Bestimmung des Primärrechts ergibt.

538.

Was erstens die von der Republik Bulgarien und der Republik Zypern angeführten Arbeitsunterlagen betrifft, beschränkt sich der vom AdR veröffentlichte Praktische Leitfaden für die Verletzung des Subsidiaritätsprinzips auf den Hinweis, dass er normalerweise auch im Fall wesentlicher Änderungen eines Gesetzgebungsvorschlags, zu dem sich der Ausschuss bereits geäußert habe ( 250 ), angehört werden müsse, ohne nähere Erläuterungen betreffend u. a. die Rechtsgrundlage für eine solche Anhörung. Die Geschäftsordnung des AdR, auf die ebenfalls Bezug genommen wird, beschränkt sich ihrerseits darauf, die Bedingungen für die Weiterverfolgung der Stellungnahmen des Ausschusses und die Möglichkeit für diesen Ausschuss festzulegen, die Entwicklung der Gesetzgebungsarbeiten nach seiner Stellungnahme zu verfolgen und gegebenenfalls einen revidierten Entwurf der Stellungnahme anzunehmen ( 251 ). Ich möchte hinzufügen, dass diese Geschäftsordnung dem AdR auch die Möglichkeit einräumt, beim Gerichtshof Klage zu erheben, wenn er der Ansicht ist, in den durch den AEU-Vertrag vorgesehenen Fällen nicht angehört worden zu sein ( 252 ). Es ist jedoch festzustellen, dass es der AdR, wie das Parlament ausgeführt hat, offensichtlich nicht für angebracht gehalten hat, im Anschluss an die Einführung der beiden oben angeführten Maßnahmen eine revidierte Stellungnahme abzugeben oder beim Gerichtshof eine Klage auf Feststellung der Verletzung seiner Rechte im Gesetzgebungsverfahren, das zum Erlass der Verordnung (EU) 2020/1055 geführt hat, zu erheben.

539.

Zweitens haben die Parteien ausführlich die Frage erörtert, ob die Erkenntnisse aus dem Urteil Parlament/Rat ( 253 ) auf die Voraussetzungen für die Anhörung des EWSA und des AdR übertragbar seien, da Art. 75 EWG, den der Gerichtshof in diesem Urteil ausgelegt habe, genauso formuliert sei wie Art. 91 Abs. 1 AEUV.

540.

Ebenso wie das Parlament und der Rat bin ich nicht davon überzeugt, dass dieses Urteil übertragbar ist.

541.

Man darf nämlich nicht außer Acht lassen, dass die Voraussetzungen, unter denen der Rat verpflichtet war, das Parlament zu einer Zeit, als es nur angehört wurde, erneut anzuhören, noch in einem späteren Urteil Parlament/Rat ( 254 ) präzisiert worden sind, aus dem sich ergibt, dass „die ordnungsgemäße Anhörung des Parlaments in den vom Vertrag vorgesehenen Fällen eine wesentliche Formvorschrift darstellt, deren Nichtbeachtung die Nichtigkeit der betreffenden Handlung zur Folge hat. Die wirksame Beteiligung des Parlaments am Gesetzgebungsverfahren der Gemeinschaft gemäß den im Vertrag vorgesehenen Verfahren stellt nämlich ein wesentliches Element des vom Vertrag gewollten institutionellen Gleichgewichts dar. Diese Befugnis ist Ausdruck eines grundlegenden demokratischen Prinzips, nach dem die Völker durch eine zu ihrer Vertretung berechtigte Versammlung an der Ausübung der Hoheitsgewalt beteiligt sind. Das Erfordernis der Anhörung des Europäischen Parlaments während des Gesetzgebungsverfahrens … schließt aber das Erfordernis ein, das Europäische Parlament immer dann erneut anzuhören, wenn der endgültig verabschiedete Text als Ganzes gesehen in seinem Wesen von demjenigen abweicht, zu dem das Parlament bereits angehört worden ist, es sei denn, die Änderungen entsprechen im Wesentlichen einem vom Parlament selbst geäußerten Wunsch“ ( 255 ).

542.

Ohne dem EWSA und dem AdR zu nahe zu treten, ist darauf hinzuweisen, dass sie weder Organe der Union ( 256 ) im Sinne von Art. 13 Abs. 2 EUV sind noch die Beteiligung der Völker an der Ausübung der Hoheitsgewalt verkörpern, wie dies 1995 beim Parlament bereits der Fall war. Folglich kann die Verpflichtung zur erneuten Anhörung dieser beiden Ausschüsse nicht auf diese Rechtsprechung des Gerichtshofs gestützt werden.

543.

Der EWSA und der AdR konnten meines Erachtens zu den geplanten Gesetzesentwürfen hinreichend Stellung nehmen.

544.

So hat der EWSA, wie der Rat zu Recht geltend macht, in seiner Stellungnahme vom 18. Januar 2018 seine Unterstützung für das in dem Vorschlag und im Mobilitätspaket insgesamt verfolgte Ziel ( 257 ) zum Ausdruck gebracht. Er befürwortete auch die Ziele des Vorschlags zur Aufnahme von Niederlassungsanforderungen, mit denen die Nutzung von Briefkastenfirmen für Beförderungen im Straßenverkehr verhindert würden ( 258 ), und begrüßte die grundlegende Zielsetzung der für die Verordnung Nr. 1072/2009 vorgeschlagenen Änderungen, namentlich die Vereinfachung und Präzisierung von Kabotagevorschriften ( 259 ). Er konnte sich zu den im Vorschlag der Kommission enthaltenen Maßnahmen äußern und gegebenenfalls Vorbehalte äußern, und zwar sowohl in Bezug auf die Überarbeitung von Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 als auch in Bezug auf die Änderung der Verordnung Nr. 1072/2009 in Bezug auf die Kabotage. In Bezug auf die Letztere bedauerte der EWSA insbesondere, dass „in diesem Vorschlag die Frage gänzlich ausgeklammert wird, wann eine Kabotagetätigkeit nicht mehr zeitweilig ist, sondern in eine derart kontinuierliche und dauerhafte Tätigkeit übergeht, dass das Recht …, Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als in dem Mitgliedstaat zu erbringen, in dem das Unternehmen niedergelassen ist, nicht mehr zutrifft“ ( 260 ), und forderte dazu auf, „dass eindeutig festgelegt wird, was ‚zeitweilig‘ bedeutet“ ( 261 ), was durch die Festlegung einer „Sperrfrist zwischen Gruppen von Kabotagebeförderungen“ ( 262 ) erfolgen könnte. Gerade dies wurde die vom Unionsgesetzgeber letztlich im endgültigen Text der Verordnung 2020/1055 gewählte Möglichkeit.

545.

Der AdR hat sich in seiner Stellungnahme vom 1. Februar 2018 dafür entschieden, sich auf arbeitsrechtliche Aspekte des Straßengüterverkehrs zu konzentrieren, wobei er auf die wichtigsten Besonderheiten des Güterkraftverkehrsmarktes in der Union hinweist ( 263 ) und die Bemühungen um die Verabschiedung klarerer Vorschriften für die Kabotage begrüßt ( 264 ).

546.

Meines Erachtens geht aus dem Inhalt dieser beiden Stellungnahmen klar hervor, dass die Einführung einer Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen und einer Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei Zeiträumen zulässiger Kabotage an den Vorschlag der Kommission anknüpft, zu dem sich die beiden Ausschüsse äußern konnten und von dem sie nicht in einer Weise abweicht, dass dies eine erneute Einholung der Stellungnahmen der beiden Ausschüsse erforderlich gemacht hätte. Mit anderen Worten wurde das System des Entwurfs insgesamt nicht berührt ( 265 ).

547.

Ich schlage daher vor, die Klagegründe eines Verstoßes gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV wegen fehlender Anhörung des EWSA und des AdR zurückzuweisen.

b)   Zu den Klagegründen, mit denen ein Verstoß gegen die Politik der Union im Bereich Umwelt und Klimawandel gerügt wird

1) Vorbringen der Parteien

548.

Mit ihrem ersten Klagegrund macht die Republik Litauen geltend, die durch Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 eingeführte Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen verstoße gegen Art. 3 Abs. 3 EUV, die Art. 11 und 191 AEUV, Art. 37 der Charta sowie ganz allgemein die Politik der Union im Bereich Umwelt und Bekämpfung des Klimawandels. Die Republik Litauen macht geltend, dass der Umweltschutz eines der wesentlichen Ziele der Union sei und dass die Erfordernisse dieses Schutzes in die Durchführung der gemeinsamen Verkehrspolitik einbezogen werden müssten. Die geltend gemachten Bestimmungen der Verträge und der europäische Grüne Deal müssten berücksichtigt werden, da der Umweltschutz ein zwingendes Erfordernis sei, so dass die vom Unionsgesetzgeber erlassenen Maßnahmen, auch wenn sie andere Ziele verfolgten, ihm nicht offensichtlich widersprechen könnten.

549.

Der europäische Grüne Deal, der im Verfahren zum Erlass der Verordnung 2020/1055 vorgelegt wurde, habe für die Union das Ziel festgelegt, die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen; dieses Ziel sei vom Europäischen Rat bekräftigt worden ( 266 ). Um dieses Ziel zu erreichen, müssten die verkehrsbedingten Emissionen bis dahin um 90 % gesenkt werden ( 267 ). Darüber hinaus sei das Ziel der Klimaneutralität auch in Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2021/1119 festgelegt ( 268 ). Abs. 2 dieses Artikels verpflichte die Organe der Union und die Mitgliedstaaten, auf Unionsebene bzw. auf nationaler Ebene die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die gemeinsame Verwirklichung dieses Ziels zu ermöglichen, und dabei die Bedeutung der Förderung sowohl von Fairness als auch von Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten und von Kostenwirksamkeit bei der Verwirklichung dieses Ziels zu berücksichtigen. Die Kommission selbst habe im Übrigen bedauert ( 269 ), dass die vom Rat und vom Parlament erzielte politische Einigung Elemente enthalte, darunter die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge, die mit den Zielen des europäischen Grünen Deals und dem Ziel, bis 2050 eine klimaneutrale Union zu verwirklichen, nicht im Einklang stünden. Im Übrigen habe sich die Kommission nach der Annahme des Mobilitätspakets verpflichtet, die Auswirkungen dieser Verpflichtung auf das Klima und die Umwelt zu analysieren und einen gezielten Gesetzgebungsvorschlag vorzulegen, bevor die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge in Kraft trete ( 270 ). Diese Folgenabschätzung habe die erheblichen Auswirkungen dieser Verpflichtung auf die Umwelt bestätigt, so dass die Behauptungen des Parlaments und des Rates, wonach die angefochtene Bestimmung nur zu einer gemäßigten Zunahme der Emissionen führe, offensichtlich unbegründet seien ( 271 ).

550.

Die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen gehe in eine Richtung, die dem europäischen Grünen Deal und dem Ziel der Neutralität widerspreche, da eine solche Verpflichtung zu einem erheblichen Anstieg der Zahl der zurückgelegten Fahrten führe, von denen der größte Teil leer erfolge. Dies würde zu einem starken Anstieg der CO2-Emissionen des Verkehrssektors führen, bei dem sich zwei Drittel des gesamten Arbeitskräftebedarfs in der zentralen geografischen Region der Union konzentrierten, während die meisten Fahrer aus den peripheren Mitgliedstaaten der Union stammten ( 272 ).

551.

In ihrer Erwiderung macht die Republik Litauen geltend, dass Art. 3 Abs. 3 EUV und die Art. 11 und 191 AEUV nicht so eng ausgelegt werden könnten, wie es der Rat und das Parlament in ihrer Klagebeantwortung vorgeschlagen hätten, und macht geltend, dass die Rechtmäßigkeit der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen anhand dieser Bestimmungen zu beurteilen sei. Außerdem sei der Standpunkt dieser Organe in Bezug auf den europäischen Grünen Deal inkohärent. Die Republik Litauen weist darauf hin, dass der Umweltschutz nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein zwingendes Erfordernis sei. Zwar könne der Gesetzgeber Maßnahmen treffen, die von den Zielen des Umweltschutzes abwichen, doch dürften diese Maßnahmen nicht, wie im vorliegenden Fall, offensichtlich unvereinbar sein oder diesen Zielen widersprechen. Die Auswirkungen der streitigen Verpflichtung auf die Umwelt seien offensichtlich unterschätzt worden.

552.

Die Republik Bulgarien macht im Rahmen ihres aus zwei Teilen bestehenden ersten Klagegrundes geltend, dass die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen zum einen gegen Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV, Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta und zum anderen gegen Art. 3 Abs. 5 EUV, Art. 208 Abs. 2 und Art. 216 Abs. 2 AEUV sowie das Übereinkommen von Paris, das „von der Konferenz der Vertragsparteien des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (COP 21) im Dezember 2015 angenommen und am 22. April 2016 unterzeichnet wurde“, verstoße. Während die gemeinsame Verkehrspolitik unter Umweltgesichtspunkten von besonderer Bedeutung sei, behindere die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen die Erreichung des Ziels des europäischen Grünen Deals, da sie zu einem erheblichen Anstieg der CO2-Emissionen und einer Zunahme der Leerfahrten sowie des Straßenverkehrs führe, wie die Kommission hervorgehoben habe. Es sei für die Mitgliedstaaten auch schwierig, den Verpflichtungen aus der Verordnung (EU) 2018/842 ( 273 ) nachzukommen.

553.

Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes trägt die Republik Bulgarien vor, dass die geltend gemachten Bestimmungen von den Organen verlangten, dass sie die in den Verträgen festgelegten Ziele im Rahmen einer gemeinsamen Verkehrspolitik verfolgten. Art. 11 AEUV stelle eine horizontale Bestimmung dar, die den Querschnittscharakter und die grundlegende Bedeutung des Ziels des Umweltschutzes hervorhebe. Die Einbeziehung von Erwägungen in Bezug auf ein hohes Umweltschutzniveau in die Politiken der Union werde im Übrigen durch Art. 37 der Charta bestätigt, wodurch die herausragende Bedeutung dieses Schutzes in der Unionsrechtsordnung hervorgehoben werde. Die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen würde, durch die damit verbundenen Umweltschäden und die damit einhergehende Erhöhung der Treibhausgasemissionen, offensichtlich die Verfolgung der im Umweltbereich mit den Verträgen verfolgten Ziele gefährden und zahlreiche andere Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und zur Verringerung der Schadstoffemissionen sinnlos machen. Der Rat und das Parlament hätten daher gegen die angeführten Bestimmungen verstoßen, indem sie eine Bestimmung erlassen hätten, die weder zugunsten eines hohen Umweltschutzniveaus wirke noch die mit einem solchen Schutz verbundenen Erfordernisse berücksichtige.

554.

Was den zweiten Teil angehe, so hätten das Parlament und der Rat selbst eingeräumt, dass, um zu den Zielen des Übereinkommens von Paris beizutragen, der Übergang vom gesamten Verkehrssektor auf ein Emissionsniveau von null zu beschleunigen sei und dass die Emissionen von Luftschadstoffen aus dem Verkehr schnell und drastisch verringert werden müssten, wie es die Art. 2 und 4 des Übereinkommens von Paris verlangten. Die streitige Verpflichtung stehe daher im Widerspruch zu den Zielen des Übereinkommens von Paris und verstoße daher gegen Art. 208 Abs. 2 AEUV. Ebenso verstoße diese Verpflichtung gegen Art. 216 Abs. 2 AEUV, wobei die Kommission im Übrigen festgestellt habe, dass diese Verpflichtung das Ziel einer klimaneutralen Union bis 2050 nicht erfülle ( 274 ). Da die Union nach Art. 3 Abs. 5 EUV zur Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts einen Beitrag leisten müsse und beim Erlass eines Rechtsakts das gesamte Völkerrecht zu beachten habe, verstoße die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen gegen diese Bestimmungen. Die im Jahr 2021, d. h. nach der Annahme der Verordnung 2020/1055, durchgeführte Folgenabschätzung habe die durch diese Verordnung verursachte ökologische Tragödie bestätigt. Nicht das bloße Fehlen positiver Auswirkungen der streitigen Verpflichtung auf die Umwelt, sondern der Umstand, dass diese Verpflichtung eindeutig im Widerspruch zu den zu verfolgenden Umweltzielen steht, wird beanstandet.

555.

Mit dem ersten Klagegrund rügt die Republik Zypern einen Verstoß gegen die Umweltziele und die internationalen Verpflichtungen. Die Republik Zypern argumentiert ebenso wie die Republik Bulgarien.

556.

In der Rechtssache C‑551/20 trägt Ungarn in Bezug auf den ersten Klagegrund, mit dem ein offensichtlicher Beurteilungsfehler sowie ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Vorsorgeprinzip gerügt wird, Argumente im Zusammenhang mit der Thematik des Umweltschutzes und der Umweltpolitik der Union vor, die ich hier prüfen werde. Ungarn macht u. a. geltend, Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 verstoße gegen das Vorsorgeprinzip, das ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts sei, der sich aus Art. 11 AEUV, Art. 168 Abs. 1 AEUV, Art. 169 Abs. 1 und 2 AEUV und Art. 191 Abs. 1 und 2 AEUV ergebe. Aus diesem Grundsatz ergebe sich, dass die betreffenden Behörden verpflichtet seien, bei der Ausübung der ihnen zugewiesenen Befugnisse geeignete Maßnahmen zu treffen, um bestimmte potenzielle Risiken für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt auszuschließen, indem sie den mit dem Schutz dieser Interessen verbundenen Erfordernissen Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen einräumten. Aufgrund des sehr hohen Umfangs der zusätzlichen CO2-Emissionen, zu dem sie führen würde, liefe die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge eindeutig der Verpflichtung der Union zur Verringerung der Treibhausgase zuwider, insbesondere dem europäischen Grünen Deal, der gemäß den von der Union im Rahmen des Übereinkommens von Paris eingegangenen internationalen Verpflichtungen gleichwohl die Klimaneutralität der Union bis 2050 zum Ziel habe. Zu berücksichtigen sei auch Art. 11 AEUV, der den Querschnittscharakter und die grundlegende Bedeutung des Ziels des Umweltschutzes hervorhebe und daher als Standard für die Kontrolle der Gültigkeit der Rechtsvorschriften der Union dienen müsse, wenn die Umweltinteressen offensichtlich nicht berücksichtigt oder wenn sie völlig außer Acht gelassen worden seien. Eine Maßnahme, die in vielerlei Hinsicht negative Auswirkungen auf die Umwelt habe aufgrund des überflüssigen Verkehrs von Lastkraftwagen, den sie verursache – ob dies die Luftverschmutzung, die illegale Ablagerung von Abfällen oder die Abnutzung von Infrastrukturen betreffe –, könne nicht durch bloße Kontrollziele gerechtfertigt werden. Die Daten, die sich aus der Folgenabschätzung von 2021 ergäben, zeigten die erheblichen Auswirkungen der Verpflichtung zur Rückkehr des Fahrzeugs alle acht Wochen, die im Widerspruch zu den vom Rat und vom Parlament behaupteten vernachlässigbaren Auswirkungen im Verhältnis zu den Gesamtemissionen stünden. Im Übrigen änderten die zur Verringerung der Treibhausgase erlassenen Maßnahmen nichts an diesem Ergebnis, sondern die Verpflichtung zur Rückkehr des Fahrzeugs alle acht Wochen beeinträchtige die Verwirklichung der mit diesen Maßnahmen verfolgten Ziele erheblich. Diese Maßnahmen zeigten vielmehr, dass die Verringerung der Menge dieser Gase in der Atmosphäre ein vorrangiges Ziel der Union sei, von dem nur in besonders begründeten Fällen abgewichen werden könne, aufgrund eines Ziels, das zumindest denselben Rang wie das Umweltinteresse habe, und unter der Voraussetzung, dass keine andere geeignete Lösung in Betracht komme, was bei der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen nicht der Fall sei.

557.

In der Rechtssache C‑552/20 macht die Republik Malta geltend, dass die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta verstoße. Art. 91 Abs. 2 AEUV, der die Rechtsgrundlage der Verordnung 2020/1055 sei, sei in Verbindung mit anderen Bestimmungen des Unionsrechts auszulegen, die den Unionsgesetzgeber verpflichteten, andere relevante Umstände zu berücksichtigen, u. a. solche im Zusammenhang mit dem Umweltschutz, der einen entscheidenden Platz unter den Zielen und Politiken der Union einnehme und auch ein zwingendes Erfordernis darstelle. Art. 11 AEUV begründe eine spezifische Verpflichtung zur Einbeziehung des Umweltschutzes in die Politiken der Union und eine Verpflichtung der Organe, darauf zu achten, dass die Umweltperspektive bei allen Unionspolitiken und ‑maßnahmen berücksichtigt werde, unabhängig davon, welcher Sektor betroffen sei und ob sie unmittelbar mit der Umwelt zusammenhingen. Art. 11 AEUV sei durch Art. 37 der Charta ergänzt und verstärkt worden. Art. 11 AEUV enthalte sowohl eine formelle Verpflichtung, Umweltaspekte vor dem Erlass jedes Beschlusses zu berücksichtigen, als auch eine materielle Verpflichtung, sicherzustellen, dass die Maßnahmen der Union mit der Verwirklichung der Umweltziele im Einklang stünden. Keine dieser Verpflichtungen sei vom Rat und vom Parlament erfüllt worden.

558.

Die formelle Verpflichtung aus Art. 11 AEUV in Verbindung mit Art. 37 der Charta verlange, dass Folgenabschätzungen erstellt würden, um die Qualität und Kohärenz der Entwürfe von Gesetzgebungsakten der Union mit den vom Vertrag verfolgten Umweltzielen sowie die Vereinbarkeit dieser Entwürfe mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu gewährleisten. Die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen sei jedoch nicht Gegenstand einer solchen Folgenabschätzung gewesen und ohne jede vorherige Erwägung zu ihren potenziellen Auswirkungen auf die Umwelt erlassen worden.

559.

Die materielle Verpflichtung aus Art. 11 AEUV bedeute, dass alle politischen Entscheidungen der Union, die die Umweltziele beeinträchtigen könnten, notwendig, verhältnismäßig und hinreichend begründet sein müssten. Politische Entscheidungen, die die Verwirklichung von Umweltzielen der Union behinderten, obwohl alternative Maßnahmen bestünden, oder wenn die Umweltbeeinträchtigung unverhältnismäßig erscheine, verstießen gegen Art. 11 AEUV. Die negativen Umweltauswirkungen der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen, die durch die unnötigen leeren Rückfahrten der Fahrzeuge verursacht würden, würden die Verwirklichung von Umweltzielen gefährden, die die Union ansonsten mit dem Übereinkommen von Paris selbst oder mit der Verordnung 2018/842 verfolge, in der verbindliche jährliche Ziele zur Verringerung von Emissionen im Verkehrssektor für jeden Mitgliedstaat festgelegt seien. Diese Verpflichtung liefe auch dem Ziel, die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen um 60 % zu vermindern ( 275 ), sowie den in den Rechtsvorschriften der Union festgelegten Zielen der Verbesserung der Luftqualität und den in der Richtlinie 2008/98/EG ( 276 ) festgelegten Zielen betreffend die Vermeidung und Verringerung der Erzeugung von Abfällen zuwider. Die Nichtberücksichtigung all dieser Ziele bei der Festlegung der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen und die erhebliche Beeinträchtigung dieser Ziele durch eine solche Verpflichtung verstießen gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta.

560.

Die Republik Malta macht ferner im Wesentlichen geltend, das Parlament und der Rat hätten weder nachgewiesen noch erläutert, wie die Erfordernisse des Umweltschutzes in die Festlegung und Umsetzung der Rückkehrverpflichtung einbezogen worden seien. Die Ex‑post-Bewertung der Auswirkungen dieser Verpflichtung durch die Kommission beweise, dass sich die Regelung der Rückkehr der Fahrzeuge in den Niederlassungsstaat sehr negativ und sehr schwer auf den Klimawandel und die Luftqualität auswirke. Diese Auswirkungen würden die Politiken und Vorschriften der Union im Bereich des Klimawandels und des Umweltschutzes untergraben.

561.

Schließlich macht die Republik Polen in der Rechtssache C‑554/20 einen allen von ihr angefochtenen Bestimmungen gemeinsamen Klagegrund geltend, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta rügt, da die Erfordernisse des Umweltschutzes nicht berücksichtigt worden seien. Aus diesen beiden Bestimmungen ergebe sich, dass die Unionsorgane verpflichtet seien, keine Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet seien, die Verwirklichung der Ziele des Umweltschutzes zu gefährden, und zwar über die bloßen Maßnahmen hinaus, die an die Art. 191 und 192 AEUV anknüpften. Der Grundsatz der Einbeziehung der Umwelterfordernisse in die anderen Politikbereiche der Union, der sich aus diesen Bestimmungen ergebe, ermögliche es, die Ziele und Erfordernisse des Umweltschutzes mit den anderen Interessen und Zielen der Union sowie mit der Verfolgung einer nachhaltigen Entwicklung in Einklang zu bringen. Ein solcher Grundsatz stelle an sich einen Grund für die Nichtigerklärung eines Unionsrechtsakts dar, wenn die Umweltinteressen offensichtlich nicht berücksichtigt worden oder völlig außer Acht gelassen worden seien. Angesichts des Querschnittcharakters von Art. 11 AEUV sei bei der Prüfung, ob eine bestimmte Maßnahme einen ausreichenden Beitrag zum Umweltschutz leiste, diese Maßnahme nicht isoliert von den anderen Maßnahmen der Union zu betrachten, die zu diesem Zweck in Bezug auf die betreffende Tätigkeit erlassen worden seien, sondern in Bezug auf die Gesamtheit der von der Union in diesem Bereich erlassenen Maßnahmen, die den geeigneten Rahmen für eine solche Beurteilung bilde. Die gerichtliche Kontrolle, ob das Handeln des Unionsgesetzgebers mit diesem Grundsatz der Einbeziehung vereinbar sei, müsse der Kontrolle entsprechen, die das Gericht vorgenommen habe, als es zu prüfen gehabt habe, ob das Handeln der Kommission im Einklang mit dem Grundsatz der Energiesolidarität gestanden sei ( 277 ). Unter diesen Umständen sei es Sache des Gesetzgebers gewesen, vor dem Erlass der Rückkehrverpflichtung die Umwelterfordernisse zu berücksichtigen, was u. a. eine Prüfung der Auswirkungen der geplanten Vorschriften auf die Umwelt und die Feststellung impliziere, dass diese nicht die Verwirklichung der Ziele beeinträchtigten, die in den anderen im Umweltbereich erlassenen Rechtsakten des abgeleiteten Rechts festgelegt seien. Das Fehlen einer Folgenabschätzung stelle einen offensichtlichen Verstoß gegen seine sich aus Art. 11 AEUV ergebende Pflicht zur Vornahme einer solchen Bewertung dar ( 278 ).

562.

Das Parlament und der Rat seien sodann verpflichtet gewesen, die widerstreitenden Interessen gegeneinander abzuwägen und gegebenenfalls geeignete Änderungen vorzunehmen. Eine Auslegung von Art. 11 AEUV dahin, dass er nur Rechtsbereiche und keine besonderen Maßnahmen beträfe, würde dessen Bedeutung erheblich relativieren. Den Erfordernissen des Umweltschutzes sollte auch bei der Bestimmung der verschiedenen Maßnahmen, die in den betreffenden Bereich des Unionsrechts fallen, Rechnung getragen werden. Das Argument, dass die anderen Rechtsakte des abgeleiteten Rechts im Bereich der Luftverschmutzung nicht den Rahmen für die Beurteilung der Verordnung 2020/1055 bilden könnten, sei zurückzuweisen, weil andernfalls erneut die Wirksamkeit von Art. 11 AEUV in Frage gestellt würde, da die Organe dann einen Rechtsakt erlassen könnten, der die Verwirklichung von Zielen, die in den im Umweltbereich erlassenen Rechtsakten festgelegt seien, erschweren oder behindern könne, obwohl die Klimakrise die wichtigste Herausforderung der Umweltpolitik der Union sei und die Organe bestrebt sein müssten, die Verwirklichung der von der Union angenommenen Klimaziele konsequent zu verfolgen. Es sei allgemein bekannt, dass die Luftverschmutzung durch die Emissionen des Verkehrs zu zahlreichen gesundheitlichen Problemen führe, zu denen hauptsächlich der Straßenverkehr beitrage. Die Rückkehrverpflichtung führe dadurch, dass die Fahrzeuge alle acht Wochen in den Niederlassungsmitgliedstaat zurückkehren müssten, zu zusätzlichen Reisen, die zu einer Erhöhung der CO2-Emissionen und der Luftschadstoffe führten, was erhebliche Auswirkungen auf die Verwirklichung der Umweltziele der Union haben könne, die sich insbesondere aus dem europäischen Grünen Deal, dem Ziel einer klimaneutralen Union bis 2050 durch eine Verringerung der Gesamtemissionen des Verkehrs um 90 % gegenüber dem Niveau von 1990 und den Zielen der einschlägigen Unionsvorschriften für die Mitgliedstaaten ergäben. Die zusätzlichen Stickstoffoxid- und Staubemissionen, die in Anwendung der angefochtenen Bestimmungen entstünden, könnten die Wirksamkeit der von den Mitgliedstaaten in den Plänen für den Schutz von Luft festgelegten Maßnahmen, insbesondere Pläne für die Gebiete und Ballungsräume in der Nähe der im internationalen Verkehr genutzten Verkehrswege, in Frage stellen. Daher verstoße die Verpflichtung zur Rückkehr des Fahrzeugs alle acht Wochen gegen den in Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta niedergelegten Grundsatz der Einbeziehung. Die Folgenabschätzung von 2021 genüge für die Feststellung, dass der Unionsgesetzgeber gegen diese beiden Bestimmungen verstoßen habe, da sie die negativen Auswirkungen der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen auf die Umwelt bestätige, was insbesondere im Widerspruch zum europäischen Grünen Deal stehe.

563.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, sämtliche Klagegründe eines Verstoßes gegen die Politik der Union im Bereich Umwelt und Klimawandel zurückzuweisen.

2) Würdigung

564.

Das Vorbringen der Kläger lässt sich im Wesentlichen in drei Kategorien unterteilen ( 279 ). Zunächst verstoße die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen gegen primärrechtliche Bestimmungen, in denen das Erfordernis des Umweltschutzes verankert sei. Sodann stehe diese Verpflichtung auch im Widerspruch zu den internationalen Verpflichtungen der Union und der Mitgliedstaaten im Bereich des Umweltschutzes. Schließlich verstoße die Rückkehrverpflichtung gegen die Umweltpolitik der Union, da sie die Verwirklichung der mit einer ganzen Reihe von Sekundärrechtsakten verfolgten Ziele im Umweltbereich gefährde.

i) Zum behaupteten Verstoß gegen Art. 3 EUV, die Art. 11 und 191 AEUV und Art. 37 der Charta

565.

Was Art. 37 der Charta betrifft, ergibt sich aus den Erläuterungen zu Art. 37, dass sich die in diesem Artikel enthaltenen Grundsätze auf die Art. 2, 6 und 174 EG, jetzt Art. 3 Abs. 3 EUV, sowie die Art. 11 und 191 AEUV stützten. Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass, da Art. 52 Abs. 2 der Charta bestimmt, dass die Ausübung der durch sie anerkannten Rechte, die in den Verträgen geregelt sind, im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Bedingungen und Grenzen erfolgt, das in der Charta verankerte Recht auf ein hohes Umweltschutzniveau im Rahmen der Bedingungen und Grenzen zu verstehen und auszulegen ist, die gegebenenfalls in Art. 3 Abs. 3 EUV und den Art. 11 und 191 AEUV vorgesehen sind ( 280 ). Wie das Parlament vorgetragen hat ( 281 ) und wie ich bereits ausgeführt habe ( 282 ), stellt Art. 37 der Charta somit keine eigenständige Rechtsnorm dar, die von diesen anderen Bestimmungen des Primärrechts unabhängig wäre.

566.

Bei Art. 3 Abs. 3 EUV handelt es sich um eine im Wesentlichen programmatische Bestimmung, die keine Hierarchie zwischen den Zielen aufstellt, die sie der Union zuweist. Selbst wenn man sich also fragen sollte, ob die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen mit dem Ziel eines hohen Maßes an Umweltschutz und der Verbesserung der Umweltqualität vereinbar ist, müsste gleichzeitig festgestellt werden, dass eine solche Verpflichtung im Übrigen das Ziel eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums innerhalb einer sozialen Marktwirtschaft verfolgt. Die programmatische Dimension von Art. 3 Abs. 3 EUV schließt ihn meines Erachtens von den Rechtsmäßigkeitsmaßstäben für die Beurteilung, ob die streitige Verpflichtung vollständig mit dem Primärrecht vereinbar ist, aus. Die Verwirklichung des Umweltziels muss das Ergebnis von Politiken und Handlungen der Union sowie der Mitgliedstaaten sein ( 283 ), und Art. 3 Abs. 3 EUV kann gegenüber den spezifischen Vorschriften des Vertrags, die die dort aufgeführten allgemeinen Ziele konkretisieren, keine selbständige Anwendung finden ( 284 ).

567.

Was Art. 11 AEUV anbelangt, so hat die von den Parteien ausführlich zitierte Analyse von Generalanwalt Geelhoed meines Erachtens seine volle Relevanz und Aktualität behalten, obwohl sie die diesem Art. 11 entsprechende frühere Bestimmung betraf. So hat der Generalanwalt ausgeführt, dass „[d]iese Vorschrift … zwar in imperativer Form formuliert [ist], doch legt sie … keinen Maßstab fest, nach dem bei der Festlegung von Gemeinschaftspolitiken der Umweltschutz immer als der vorrangige Belang zu gelten hätte. Eine solche Auslegung würde das Ermessen der Gemeinschaftsorgane und des Gemeinschaftsgesetzgebers unangemessen einschränken. Die Vorschrift kann höchstens als Verpflichtung der Kommission betrachtet werden, in anderen Politikbereichen als dem Umweltschutz im engeren Sinn ökologische Belange angemessen zu berücksichtigen. Nur wenn ökologische Belange offensichtlich nicht berücksichtigt oder vollständig außer Acht gelassen wurden, kann Artikel 6 EG als Maßstab für die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Rechtsvorschriften der Gemeinschaft dienen. Darüber hinaus sollte Artikel 6 EG aufgrund seines Querschnittcharakters bei der Prüfung, ob eine Maßnahme einen ausreichenden Beitrag zum Umweltschutz leistet, nicht isoliert von anderen Maßnahmen der Gemeinschaft betrachtet werden, die zu diesem Zweck in Bezug auf die betreffende Tätigkeit erlassen worden sind. Der zutreffende Beurteilungsrahmen wird durch die Gesamtheit der einschlägigen Gemeinschaftsmaßnahmen gebildet“ ( 285 ).

568.

Die Parteien sind sich zwar über diese Auslegung einig, die der Gerichtshof nicht bestätigen konnte ( 286 ), sie sind sich jedoch nicht darüber einig, welche Folgen daraus im Rahmen der vorliegenden Klagen zu ziehen sind.

569.

Ich möchte auf die Bedeutung des Ziels des Umweltschutzes hinweisen, wie dies im Übrigen aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervorgeht, die auf seinen wesentlichen Charakter hinweist ( 287 ) und den Querschnittscharakter und die grundlegende Bedeutung dieses Ziels hervorhebt ( 288 ). Diese Bedeutung wird hier nicht in Frage gestellt.

570.

Die Frage der Bedeutung des Ziels unterscheidet sich jedoch von der Intensität seiner Einklagbarkeit. Insoweit stelle ich in Übereinstimmung mit Generalanwalt Geelhoed fest, dass Art. 11 AEUV trotz eines imperativen Wortlauts eine Querschnittsbestimmung darstellt, die zwar die Wirkung hat, auf die genaueren Bestimmungen über andere Politiken und Maßnahmen der Union auszustrahlen, wie der Gerichtshof bereits z. B. im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik ( 289 ), der gemeinsamen Fischereipolitik ( 290 ) oder auch im Kernenergiesektor ( 291 ) festgestellt hat, ohne jedoch die Voraussetzungen, die Formen und die Intensität dieser Ausstrahlung zu präzisieren. So muss der Gesetzgeber unabhängig von seinem Tätigkeitsbereich die Erfordernisse des Umweltschutzes einbeziehen, ohne dass Art. 11 AEUV die Verpflichtungen des Gesetzgebers näher bestimmt ( 292 ). Ohne dass es in diesem Stadium erforderlich wäre, sich dazu zu äußern, ob der Unionsgesetzgeber die Auswirkungen der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen auf die Umwelt geprüft hat, und ohne dass nähere Ausführungen zur Tragweite der in Art. 11 AEUV enthaltenen Anforderung gemacht werden, sind die Rügen der Republik Polen und der Republik Malta, mit denen ein Verstoß gegen Art. 11 AEUV wegen fehlender Folgenabschätzung geltend gemacht wird, bereits zurückzuweisen.

571.

Zwar bezieht sich Art. 11 AEUV, wie einige Kläger ausführen konnten, auf die Unionspolitiken und ‑maßnahmen. Jedoch kann eine solche Bezugnahme nicht als systematische Verpflichtung ausgelegt werden, für den Erlass jeder einzelnen gesetzgeberischen Maßnahme die Erfordernisse des Umweltschutzes zu berücksichtigen oder ihnen sogar Vorrang einzuräumen. Zunächst sind die in Art. 11 AEUV genannten Politiken und Maßnahmen als diejenigen zu verstehen, die in Teil 3 des AEU-Vertrags genannt sind, dessen Überschrift gerade so lautet ( 293 ), und Art. 11 AEUV kann gerade nicht als Maßstab für die Beurteilung der Vereinbarkeit jeder einzelnen Bestimmung eines Gesetzgebungsakts der Union herangezogen werden. Sodann hat diese Bestimmung Querschnittscharakter, da die Erfordernisse des Umweltschutzes vieldimensional sind. Letztlich lässt sich anhand der Art und Weise, in der die Union diese Erfordernisse in ihre Politik einbezieht, feststellen, ob sie im Einklang mit den Vorgaben von Art. 11 AEUV handelt und ob ihr Gesetzgeber seine Befugnisse unter Beachtung des ihm in dieser Bestimmung gesetzten Ziels ausgeübt hat.

572.

Hierzu haben die beklagten Organe geltend gemacht, dass, wenn jede Bestimmung, die negative Auswirkungen auf die Umwelt haben könnte, für mit Art. 11 AEUV unvereinbar zu erklären sei, ohne den weiteren normativen Kontext der betreffenden Bestimmung zu berücksichtigen, jede Maßnahme, die den Güterkraftverkehr gestatte, wegen ihres gegenwärtig äußerst umweltschädlichen Charakters Gefahr liefe, auf dieser Grundlage beanstandet zu werden.

573.

Das Argument soll gewiss ein wenig provokant sein. Es zeigt meines Erachtens jedoch eine Wahrheit: Wie Generalanwalt Geelhoed ausgeführt hat, war es nicht die Absicht der Verfasser der Verträge, den Unionsgesetzgeber insoweit anzuleiten, dass das Ziel des Umweltschutzes zu einem übergeordneten Ziel werden könnte, während, wie ich bereits ausgeführt habe, eine solche Hierarchie zwischen den der Union zugewiesenen Zielen im Übrigen nicht aus den Verträgen hervorgeht.

574.

Wie ich bereits ausgeführt habe ( 294 ), liegt es im Übrigen in der Natur der gesetzgeberischen Tätigkeit, in einem bestimmten Bereich zwischen widerstreitenden Interessen vermitteln zu müssen und möglicherweise widersprüchliche Ziele gegeneinander abzuwägen. Dies ist eine Aufgabe, deren Komplexität die Rechtsprechung anerkennt, indem sie dem Ermessen des Gesetzgebers einen weiten Spielraum lässt; dies erklärt, dass sich die Kontrolle des Unionsrichters auf die Kontrolle eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers, eines Ermessensmissbrauchs und auf die Prüfung beschränkt, ob der Gesetzgeber die Grenzen seines Ermessens nicht überschritten hat ( 295 ).

575.

Selbst wenn die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen in den Niederlassungsmitgliedstaat negative Folgen für die Umwelt hätte ( 296 ), würde diese Feststellung allein nicht ausreichen, um auf einen Verstoß gegen Art. 11 AEUV zu schließen, da der Unionsgesetzgeber im Übrigen verschiedene Maßnahmen ergriffen hat, um die negativen Auswirkungen des Güterkraftverkehrs einzudämmen. Die Verpflichtung zur Rückkehr alle acht Wochen ist daher in dem weiteren normativen Kontext zu sehen, in den sie sich einfügt. Zum Zeitpunkt der Annahme der Verordnung 2020/1055 waren die Mitgliedstaaten gemäß der Verordnung 2018/842 verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 in einem in dieser Verordnung festgelegten Prozentsatz zu reduzieren. Diese Verordnung wies darauf hin, dass dieses Ziel vom Europäischen Rat gesamtwirtschaftlich gebilligt worden war ( 297 ). Die Richtlinie 2004/107/EG ( 298 ) hat das übergeordnete Ziel, die Luftqualität zu erhalten und zu verbessern, indem unter anderem Zielwerte festgelegt werden, für die die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen ergreifen müssen, um diese Werte zu erreichen, ohne dass dies zu unverhältnismäßigen Kosten führt ( 299 ). Die Richtlinie 2008/50/EG ( 300 ) hat Luftqualitätsziele definiert und festgelegt, wobei die Luftqualität anhand einheitlicher Methoden und Kriterien sowie einer Information der Öffentlichkeit beurteilt werden muss ( 301 ). Die Richtlinie 2008/98 ( 302 ) hat zum Gegenstand, zu organisieren, dass die schädlichen Auswirkungen der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen vermieden oder verringert, die Gesamtauswirkungen der Ressourcennutzung reduziert und die Effizienz der Ressourcennutzung verbessert werden ( 303 ). Was insbesondere den Verkehrssektor betrifft, wurde die Richtlinie 1999/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 1999 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge ( 304 ) im Jahr 2011 durch die Richtlinie 2011/76/EU geändert ( 305 ), um Erwägungen im Zusammenhang mit der Förderung des nachhaltigen Verkehrs aufzunehmen, der als zentrales Element der gemeinsamen Verkehrspolitik dargestellt wird; der Unionsgesetzgeber war der Ansicht, dass der Beitrag des Verkehrssektors zum Klimawandel reduziert werden sollte ( 306 ), ohne dass jedoch dieses Ziel durch unverhältnismäßige Beeinträchtigungen erreicht werden könnte, da das Funktionierens des Binnenmarktes gewahrt werden muss ( 307 ). Die Richtlinie 2011/76 fügt in die Richtlinie 1999/62 in Bezug auf den Verkehrssektor das Verursacherprinzip („Verschmutzer zahlt“) ein ( 308 ), da der Unionsgesetzgeber der Meinung war, dass Mautgebühren ein gerechtes und wirksames wirtschaftliches Instrument sind, um eine nachhaltige Verkehrspolitik zu erreichen, da sie so festgesetzt werden können, dass ihre Höhe die durch die tatsächliche Fahrzeugnutzung in Form von Verschmutzung und Verkehrsstaus verursachten Kosten widerspiegelt ( 309 ). Außerdem wurden die CO2-Emissionen geregelt, für neue Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge in der Verordnung (EU) 2019/631 ( 310 ) und für neue schwere Nutzfahrzeuge in der Verordnung (EU) 2019/1242 ( 311 ). Der Unionsgesetzgeber hatte auch eine Richtlinie erlassen, deren Gegenstand darin bestand, die Mitgliedstaaten zu verpflichten, die Energie- und Umweltauswirkungen von Kraftfahrzeugen in den öffentlichen Vergabeverfahren zu berücksichtigen ( 312 ). Die Kennzeichnung von Reifen, wie sie von der Verordnung (EU) 2020/740 ( 313 ) geregelt wird, zielt darauf ab, den Kraftstoffverbrauch von Fahrzeugen und damit Treibhausgasemissionen einzudämmen, und trägt zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors bei ( 314 ).

576.

Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung 2020/1055 und damit des Erlasses der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen konnte der Unionsgesetzgeber daher meines Erachtens in voller Ausübung seines weiten Ermessens berechtigterweise davon ausgehen, dass die etwaigen negativen Folgen dieser Verpflichtung für die Umwelt in Anwendung der bestehenden Rechtsvorschriften, die speziell die Umweltaspekte der in Rede stehenden Tätigkeit betreffen und die Verkehrsunternehmer beim technologischen Übergang zu einer weniger umweltschädlichen Mobilität begleiten sollen, eingedämmt werden könnten.

577.

Außerdem geht aus dem achten Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055 hervor, dass der Unionsgesetzgeber die Frage der Verringerung des Risikos angesprochen hat, dass das Fahrzeug nur zurückgebracht wird, damit die neue Niederlassungsanforderung erfüllt ist.

578.

Sollte dem Unionsgesetzgeber auch vorgeworfen werden, dass er seine Bedenken im Umweltbereich in der Verordnung 2020/1055 nicht ausdrücklicher dargelegt hat? Ich denke nicht. Art. 11 AEUV schreibt nicht vor, in welcher Form die Erfordernisse des Umweltschutzes einbezogen werden müssen, und diese Einbeziehung muss jedenfalls auf der Ebene der Durchführung der Politiken der Union erfolgen, für die ich bereits vorgeschlagen habe, dass man sie weit auszulegen hat. Darüber hinaus weise ich darauf hin, dass die Rechtsgrundlage der Verordnung 2020/1055 Art. 91 Abs. 1 AEUV ist und dass das mit der Einführung der Rückkehrverpflichtung in der Verordnung 2020/1055 verfolgte Ziel eindeutig nicht unmittelbar mit den in Art. 11 AEUV zum Ausdruck gebrachten Bedenken verknüpft ist, da eine solche Verpflichtung die Vorschriften der Verordnung Nr. 1071/2009 für eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung präzisiert ( 315 ), wobei die angestrebte Wirkung darin besteht, die Verbindung zwischen dem Verkehrsunternehmer und seinem Niederlassungsmitgliedstaat zu stärken, um zu gewährleisten, dass Verkehrsunternehmer „sich tatsächlich und dauerhaft in diesem Mitgliedstaat aufhalten“ ( 316 ), in einem Kontext, in dem eine Verringerung dieser Verbindung nach der Beurteilung des Gesetzgebers im Binnenmarkt lauteren Wettbewerb und gleiche Wettbewerbsbedingungen bedroht ( 317 ). Es ist anzuerkennen, dass die Vorschriften des Vertrags, mit denen der Union eine Zuständigkeit im Umweltbereich zuerkannt wird, im Übrigen die Zuständigkeiten unberührt lassen, die die Union aufgrund von sonstigen Vorschriften besitzt ( 318 ).

579.

Folglich ist, da mehrere in den Art. 3 EUV und Art. 11 AEUV genannte Ziele und Grundsätze gegeneinander abgewogen werden müssen und die Anwendung der relevanten Kriterien komplex ist ( 319 ), nicht ersichtlich, dass der Rat und das Parlament einen offensichtlichen Beurteilungsfehler im Hinblick auf die beiden angeführten Bestimmungen begangen haben, indem sie die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen erlassen haben.

580.

Diese Schlussfolgerung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich die klagenden Parteien auf die Ricardo-Studie von 2021 berufen, mit der die Auswirkungen der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen bewertet werden sollten, denn selbst wenn diese Studie einen erheblichen Anstieg u. a. der CO2-Emissionen erkennen lassen sollte, ist die Gültigkeit eines Unionsrechtsakts anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen ( 320 ), und diese Gültigkeit kann nicht von nachträglichen Betrachtungen seines Wirkungsgrads abhängen ( 321 ). Jedenfalls müsste, wie ich bereits ausgeführt habe, ein solcher Anstieg in jedem Fall mit der gesamten Regelung in Zusammenhang gebracht werden, die den betreffenden Bereich betrifft, bevor festgestellt werden kann, dass der Unionsgesetzgeber die Erfordernisse des Umweltschutzes offenkundig nicht berücksichtigt hat.

581.

Auch weil die Rechtsgrundlage der Verordnung 2020/1055 Art. 91 Abs. 1 AEUV ist, ist das Vorbringen, mit dem ein Verstoß gegen die Art. 191 und 192 AEUV geltend gemacht wird, für die vorliegenden Klagen nicht relevant. Diese Verordnung ist keine im Rahmen der Umweltpolitik der Union erlassene Maßnahme und es ist nicht geltend gemacht worden, dass die beklagten Organe über die Rechtsgrundlage geirrt hätten. Da die Verordnung 2020/1055 keine Maßnahme der Union nach Art. 191 AEUV ist ( 322 ), ist die Geltendmachung eines angeblichen Verstoßes gegen Art. 192 Abs. 2 Buchst. c AEUV unerheblich ( 323 ). Eine Maßnahme kann nicht allein deshalb in den Bereich der Umwelt fallen, weil sie Umweltanforderungen berücksichtigen muss ( 324 ).

582.

Selbst wenn sich der Gerichtshof zu der von Ungarn behaupteten Verletzung des Vorsorgeprinzips ( 325 ) äußern wollte, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass Art. 191 Abs. 2 AEUV zwar vorsieht, dass die Umweltpolitik u. a. auf dem Vorsorgeprinzip beruht, dieses Prinzip aber auch im Rahmen anderer Politiken der Union anzuwenden ist, insbesondere der Politik zum Schutz der öffentlichen Gesundheit sowie dann, wenn die Unionsorgane aufgrund der gemeinsamen Agrarpolitik oder der Binnenmarktpolitik Maßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit erlassen ( 326 ). Dieses Prinzip bedeutet, dass bei Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken für die menschliche Gesundheit Schutzmaßnahmen getroffen werden können, ohne dass abgewartet werden müsste, dass das Bestehen und die Schwere dieser Risiken vollständig dargelegt werden. Wenn es sich als unmöglich erweist, das Vorliegen oder den Umfang des behaupteten Risikos mit Sicherheit festzustellen, weil die Ergebnisse der durchgeführten Studien unschlüssig sind, die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Schadens für die Gesundheit der Bevölkerung jedoch fortbesteht, falls das Risiko eintreten sollte, rechtfertigt das Vorsorgeprinzip den Erlass beschränkender Maßnahmen ( 327 ). Selbst in Bezug auf die Voraussetzungen, unter denen das Vorsorgeprinzip anzuwenden ist, hat der Gerichtshof anerkannt, dass sich die gerichtliche Nachprüfung, da mehrere Ziele und Grundsätze gegeneinander abgewogen werden müssen und die Anwendung der relevanten Kriterien komplex ist, zwangsläufig auf die Frage beschränken muss, ob der Unionsgesetzgeber einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat ( 328 ). Dies gilt umso mehr, wenn der Unionsgesetzgeber künftige Auswirkungen einer zu erlassenden Regelung zu beurteilen hat, die nicht mit Bestimmtheit vorausgesagt werden können ( 329 ).

583.

Ich gestehe, dass mich der Vorwurf eines Verstoßes gegen das Vorsorgeprinzip durch die Einführung einer Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen überrascht, da dies auf die Feststellung hinausliefe, dass nur der Teil der behaupteten zusätzlichen Emissionen, der sich aus der Umsetzung dieser Verpflichtung ergibt, eine tatsächliche Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen würde, die den Erlass restriktiver Maßnahmen erforderlich gemacht hätte. Jedenfalls ist der Gesetzgeber zwar verpflichtet, das Vorsorgeprinzip zu beachten, wenn er im Rahmen der Binnenmarktpolitik Maßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit erlässt ( 330 ), doch erscheint mir das Verhältnis zwischen zusätzlichen Emissionen, die sich möglicherweise aus der Rückkehrverpflichtung ergeben, und den erwiesenen Gefahren für die Gesundheit durch die Verschmutzung im Allgemeinen zu gering, um gerügt werden zu können. Vor allem ist Art. 1 Nr. 3 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 keine Maßnahme zum Schutz der menschlichen Gesundheit im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs. Aus all diesen Gründen dürfte das Vorbringen, mit dem ein Verstoß gegen das Vorsorgeprinzip geltend gemacht wird, keinen Erfolg haben.

ii) Zum behaupteten Verstoß gegen die internationalen Verpflichtungen der Union und der Mitgliedstaaten im Bereich des Umweltschutzes

584.

Sowohl die Republik Bulgarien als auch die Republik Zypern haben vorgetragen, dass die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen gegen das Übereinkommen von Paris verstoße, und jedenfalls hätten der Rat und das Parlament beim Erlass dieser Verpflichtung die Ziele dieses Übereinkommens nicht berücksichtigt, was einen Verstoß gegen die Umweltpolitik der Union darstelle.

585.

Zur Rüge, der Unionsgesetzgeber habe die im Übereinkommen von Paris festgelegten Ziele nicht berücksichtigt ( 331 ), weise ich mit dem Parlament darauf hin, dass, wie sich aus dem siebten Erwägungsgrund des Beschlusses (EU) 2016/1841 des Rates vom 5. Oktober 2016 über den Abschluss des im Rahmen des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen geschlossenen Übereinkommens von Paris im Namen der Europäischen Union ( 332 ) ergibt, das verbindliche Ziel, die internen Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 40 % im Vergleich zu 1990 zu reduzieren, mit den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 23. und 24. Oktober 2014gesamtwirtschaftlich festgelegt wurde. Das in Art. 2 des Übereinkommens von Paris festgelegte Ziel, dass der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau gehalten wird und Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen ( 333 ), ist daher im Hinblick auf die gesamten von der Union zu diesem Zweck durchgeführten Maßnahmen zu beurteilen. Daher kann nicht geltend gemacht werden, dass die bloße Einführung einer Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen wegen der damit möglicherweise entstehenden zusätzlichen Emissionen per se diesem Ziel und damit der Umweltpolitik der Union zuwiderliefe.

586.

Was die Rüge betrifft, der Unionsgesetzgeber habe gegen das Übereinkommen von Paris verstoßen, ergibt sich aus Art. 216 Abs. 2 AEUV, dass die Organe der Union, wenn von dieser Übereinkünfte geschlossen werden, an solche Übereinkünfte gebunden sind; die Übereinkünfte haben daher gegenüber den Rechtsakten der Union Vorrang ( 334 ). Die Gültigkeit eines Rechtsakts der Union kann somit durch die Unvereinbarkeit dieses Rechtsakts mit solchen völkerrechtlichen Regeln berührt werden, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Zunächst muss die Union an diese Regeln gebunden sein, woran in Bezug auf das Übereinkommen von Paris kein Zweifel besteht ( 335 ). Sodann können die Bestimmungen eines internationalen Vertrags, dessen Vertragspartei die Union ist, zur Begründung einer Klage auf Nichtigerklärung einer Handlung des Sekundärrechts der Union nur unter der Voraussetzung geltend gemacht werden, dass zum einen Art und Struktur des betreffenden Vertrags dem nicht entgegenstehen und zum anderen diese Bestimmungen inhaltlich unbedingt und hinreichend genau erscheinen ( 336 ), was der Fall ist, wenn die geltend gemachte Bestimmung eine klare und eindeutige Verpflichtung enthält, deren Erfüllung oder Wirkungen nicht vom Erlass eines weiteren Akts abhängen ( 337 ).

587.

Das Übereinkommen von Paris tritt zwar an die Stelle des im Rahmen des Kyoto-Protokolls ( 338 ) gewählten Ansatzes, ändert aber dessen Logik nicht grundlegend. Das Übereinkommen von Paris zielt darauf ab, „die weltweite Reaktion auf die Bedrohung durch Klimaänderungen im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung und den Bemühungen zur Beseitigung der Armut zu verstärken“ ( 339 ). Er legt ein quantifiziertes Ziel ( 340 ) auf globaler Ebene fest, sieht aber auch vor, die Fähigkeit zur Anpassung an die nachteiligen Auswirkungen der Klimaänderungen zu erhöhen und die Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimaänderungen zu fördern, wobei es sich meines Erachtens um einen Begriff handelt, dessen rechtlicher Gehalt sich nicht ganz offensichtlich aufdrängt. Es sieht auch vor, dass die Finanzmittelflüsse mit einem Weg hin zu einer hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarmen und auch hier widerstandsfähigen Entwicklung in Einklang gebracht werden ( 341 ). Es wird als Ausdruck der Gerechtigkeit und des Grundsatzes der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und jeweiligen Fähigkeiten angesichts der unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten durchgeführt ( 342 ). Das Abkommen verpflichtet die Vertragsstaaten, ehrgeizige Anstrengungen zu unternehmen und zu übermitteln ( 343 ), und diese Staaten müssen bestrebt sei, so bald wie möglich den weltweiten Scheitelpunkt der Emissionen zu erreichen, um in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ein Gleichgewicht zwischen den anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen und dem Abbau solcher Gase durch Senken unter Berücksichtigung der Lage der Entwicklungsländer herzustellen ( 344 ). Zu diesem Zweck muss jeder Vertragsstaat national festgelegte Beiträge erarbeiten, übermitteln und beibehalten ( 345 ).

588.

Ohne dass es für die Behandlung der vorliegenden Rüge erforderlich wäre, die Prüfung des Übereinkommens weiter fortzusetzen, und ohne dass es erforderlich wäre, sich hier zur Unbedingtheit und hinreichenden Genauigkeit der beiden von der Republik Bulgarien und der Republik Zypern speziell geltend gemachten Bestimmungen des Übereinkommens von Paris zu äußern, scheint mir bereits aus den von mir soeben dargestellten Gesichtspunkten hervorzugehen, dass im Licht der Feststellungen des Gerichtshofs zum Kyoto-Protokoll auch die Art und Struktur des Übereinkommens von Paris seiner Einbeziehung in die Rechtmäßigkeitsmaßstäbe der Unionsrechtsordnung entgegenstehen ( 346 ). Das Übereinkommen von Paris kann daher nicht geltend gemacht werden, um die Rechtmäßigkeit der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen in Frage zu stellen.

589.

Daraus folgt, dass die Berufung auf Art. 3 Abs. 5 EUV, Art. 208 Abs. 2 und Art. 216 Abs. 2 AEUV unerheblich ist.

590.

Folglich sind die Rügen eines Verstoßes gegen das Übereinkommen von Paris und der Nichtberücksichtigung der in diesem Übereinkommen festgelegten Ziele der Union zurückzuweisen.

iii) Zum behaupteten Verstoß gegen die Umweltpolitik der Union durch die Unvereinbarkeit der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen mit dem abgeleiteten Umweltrecht, den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates und dem europäischen Grünen Deal

591.

Die klagenden Parteien machen auch geltend, dass die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen möglicherweise mit einer ganze Reihe von Klima- und Umweltzielen unvereinbar sei, die im Sekundärrecht festgelegt seien, wie u. a. die Verordnungen 2018/842 und 2021/1119 sowie die Richtlinien 2004/107, 2008/50 und 2008/98, und dass eine solche Unvereinbarkeit einen Verstoß gegen die Umweltpolitik der Union darstelle, da die durch diese Verpflichtung verursachten angeblichen zusätzlichen Emissionen die Verwirklichung der von der Union einzeln oder gemeinsam den Mitgliedstaaten zugewiesenen Umweltziele gefährdeten.

592.

Wie insbesondere der Rat und das Parlament in ihren Schriftsätzen geltend gemacht haben, beschränke ich mich darauf festzustellen, wie ich es bereits getan habe, dass die materielle Rechtmäßigkeit eines Sekundärrechtsakts nicht anhand eines anderen Unionsrechtsakts derselben normativen Ebene geprüft werden kann ( 347 ), es sei denn, dass er in Anwendung des letztgenannten Rechtsakts erlassen wurde oder in einem dieser beiden Rechtsakte ausdrücklich vorgesehen ist, dass der eine Vorrang gegenüber dem anderen hat ( 348 ). Dies ist jedoch bei der Verordnung 2020/1054 nicht der Fall. Außerdem könnten etwaige Spannungen der Mitgliedstaaten zwischen den Zielen, die ihnen durch die verschiedenen auf sie anwendbaren Unionsvorschriften gesetzt werden, nur zur Feststellung führen, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus einer der genannten Regelungen verstoßen hat, ohne dass eine dieser Regelungen für mit einer anderen Regelung derselben normativen Ebene unvereinbar erklärt werden könnte ( 349 ).

593.

Zur Rüge eines Verstoßes gegen die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates tragen die Kläger vor, dass die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen den Zielen widerspreche, die der Europäische Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 12. Dezember 2019 festgelegt habe. Da Art. 15 Abs. 1 EUV jedoch klarstellt, dass der Europäische Rat nicht gesetzgeberisch tätig wird und da solche Schlussfolgerungen eine ausschließlich politische Tragweite haben, kann keine für den Ausgang der vorliegenden Klagen nützliche Schlussfolgerung gezogen werden, wenn der behauptete Widerspruch bestätigt werden müsste ( 350 ). Gleiches gilt für die von den Klägern angeführte Erklärung von Kommissarin Vălean, die sich außerdem darauf beschränkt hat, Zweifel an der Vereinbarkeit bestimmter Elemente des Mobilitätspakets mit dem vom Europäischen Rat festgelegten Ziel und den Zielen des europäischen Grünen Deals zum Ausdruck zu bringen ( 351 ).

594.

Dies gilt auch für das Argument, dass die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen der Umweltpolitik der Union zuwiderlaufe, weil sie die Verwirklichung der im europäischen Grünen Deal festgelegten Ziele behindere, da sich dieser aus einer Mitteilung der Kommission ergibt, die den Unionsgesetzgeber nicht bindet und daher nicht zu den Parametern gehörte, deren Einhaltung das Parlament und der Rat beim Erlass der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen zu beachten hatten.

iv) Ergebnis der Würdigung

595.

Nach alledem sind sämtliche Klagegründe, mit denen ein Verstoß gegen die Politik der Union im Bereich Umwelt und Klimawandel gerügt wird, als unbegründet zurückzuweisen.

c)   Zu den Klagegründen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot

1) Vorbringen der Parteien

596.

Die Republik Litauen ist der Ansicht, dass die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen gegen Art. 26 AEUV und das allgemeine Diskriminierungsverbot verstoße. Die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen stelle eine protektionistische Maßnahme dar, die zu einer Fragmentierung des Marktes führe, den Wettbewerb beschränke und die Verkehrsunternehmen der Mitgliedstaaten, die am geografischen Rand der Union gelegen seien, diskriminiere. Der Sektor des internationalen Güterkraftverkehrs werde gegenüber anderen Verkehrssektoren diskriminiert.

597.

Die besondere Stellung des Verkehrssektors für das Funktionieren des Binnenmarkts sei von der Kommission hervorgehoben worden, und das Diskriminierungsverbot sei im Bereich des Niederlassungsrechts durch Art. 49 AEUV, der auch für juristische Personen gelte, umgesetzt worden. Statt einer ausgewogenen Regelung und eines Kompromisses, der zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts führen würde, stelle die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen eine restriktive, unverhältnismäßige und protektionistische Maßnahme dar, die zu einer mittelbaren Diskriminierung von Verkehrsunternehmen aus den peripheren Mitgliedstaaten führe.

598.

Erstens hätten der Rat und das Parlament die geografischen Besonderheiten der Union und ihres Verkehrsmarktes nicht berücksichtigt, da die Rückkehrverpflichtung die Wettbewerbsfähigkeit der Verkehrsunternehmer an der Peripherie der Union und ihr Recht auf freien Dienstleistungsverkehr eingeschränkt und den im Zentrum der Union ansässigen Verkehrsunternehmen einen ungerechtfertigten und unzulässigen Vorteil verschafft habe. Die meisten Transporte würden in den westlichen Mitgliedstaaten und im Zentrum der Union durchgeführt, und der größte Teil der Nachfrage nach Straßengüterverkehr betreffe sieben Mitgliedstaaten ( 352 ). Die Rückkehrverpflichtung betreffe daher die Verkehrsunternehmer dieser Mitgliedstaaten weniger, und die Verkehrsunternehmer aus den peripheren Mitgliedstaaten befänden sich in einer weniger günstigen Lage, da sie wesentlich längere Entfernungen zurücklegen und größere natürliche Hindernisse, insbesondere für die Inselmitgliedstaaten, überwinden müssten. Die Rückkehrverpflichtung stelle für diese Verkehrsunternehmer eine unverhältnismäßige Belastung auf, die unter Berücksichtigung der Entfernung, der Ruhezeiten und der Unwägbarkeiten bis zur Stilllegung der Fahrzeuge für einen erheblichen Zeitraum von acht bis 14 Tagen gehen könne. Diese Stilllegung wäre mit dem Hauptziel der Schaffung eines effizienten und wettbewerbsfähigen Binnenmarktes unvereinbar. Obwohl die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen für alle Verkehrsunternehmer gelte, betreffe sie die Wirtschaftsteilnehmer je nach dem Ort ihrer Niederlassung unterschiedlich. Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 stelle somit für Wirtschaftsteilnehmer, die sich in unterschiedlichen Situationen befänden, identische Anforderungen auf und sei aus diesem Grund diskriminierend. Der Straßenverkehr werde auch deshalb diskriminiert, weil für die anderen Beförderungsarten keine vergleichbare Verpflichtung zur Rückkehr der Verkehrsmittel bestehe.

599.

Zweitens trägt die Republik Litauen vor, dass das behauptete Ziel der Bekämpfung der Briefkastenfirmen die gewählte Maßnahme nicht rechtfertige, während die wirkliche Folge der Rückkehrverpflichtung die Diskriminierung der in den peripheren Mitgliedstaaten ansässigen Verkehrsunternehmer sei. Die Feindseligkeit der westlichen Mitgliedstaaten und der des Zentrums der Union gegenüber den Verkehrsunternehmern aus den peripheren Mitgliedstaaten sei allgemein bekannt. Im Übrigen sei der Verkehrssektor durch eine geringe Gewinnspanne gekennzeichnet, und die Rückkehrverpflichtung bewirke eine Beschränkung des geografischen Gebiets, in dem Verkehrsunternehmen der peripheren Mitgliedstaaten tätig sein könnten, und somit eine künstliche Neuordnung des Güterkraftverkehrsmarktes sowie dessen Fragmentierung, indem die Wirtschaftsteilnehmer an der Peripherie davon abgehalten würden, in den anderen Mitgliedstaaten tätig zu werden.

600.

Drittens macht die Republik Litauen geltend, dass die Rückkehrverpflichtung besonders schwerwiegende negative Folgen für die KMU haben werde, die den größten Teil des Sektors bildeten, da die Unternehmen, die nur einige Arbeitnehmer beschäftigten, nicht angemessen funktionieren und ihre Dienstleistungen kontinuierlich anbieten könnten, während sie sich auf die großen Verkehrsunternehmen, die kaum 1 % aller in der Union niedergelassenen und tätigen Unternehmen ausmachten, insgesamt nicht auswirke. Die Wettbewerbsfähigkeit der in den Mitgliedstaaten der Union ansässigen Unternehmen gegenüber Verkehrsunternehmern aus Drittländern würde ebenfalls eingeschränkt.

601.

Viertens macht die Republik Litauen geltend, die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen führe zu einer faktischen Schließung des Marktes, was gegen den Vertrag über den Beitritt Litauens zur Union verstoße, der vorsehe, dass jede Beschränkung der Erbringung von Dienstleistungen durch litauische Verkehrsunternehmer im Frachtbereich innerhalb von fünf Jahren nach dem Beitritt der Republik Litauen zur Union aufzuheben sei. Diese Marktabschottung wäre auch mit dem Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum unvereinbar ( 353 ).

602.

In ihrer Erwiderung fügt die Republik Litauen hinzu, dass die faktische Diskriminierung durch Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 nicht nur gegen Art. 18 AEUV verstoße, sondern auch gegen den in Art. 4 Abs. 2 EUV verankerten Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten.

603.

Die Republik Bulgarien macht ihrerseits einen Verstoß gegen Art. 18 AEUV, die Art. 20 und 21 der Charta, Art. 4 Abs. 2 EUV und gegebenenfalls, falls der Gerichtshof ihn für einschlägig halten sollte, gegen Art. 95 Abs. 1 AEUV oder die Dienstleistungsfreiheit geltend. Die mit der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen auferlegte Belastung hänge von der geografischen Lage des Mitgliedstaats der Niederlassung ab, wobei die Rückkehr eine wesentlich größere Entfernung und Dauer sowie höhere Ausgaben für Verkehrsunternehmer mit Sitz in einem peripheren Mitgliedstaat oder Inselmitgliedstaat bedeute, da die meisten internationalen Transporte in den zentralen Mitgliedstaaten und nicht in den peripheren Mitgliedstaaten stattfänden. Die geografische Lage sei für das Ziel, eine echte Verbindung zwischen den Verkehrsunternehmern und dem Mitgliedstaat der Niederlassung oder die ordnungsgemäße Wartung der Fahrzeuge zu gewährleisten, ohne Relevanz, doch wenn die geografische Lage als relevant anzusehen sei, würden sich die Situation der zentralen Mitgliedstaaten und die der peripheren Mitgliedstaaten und der Inselmitgliedstaaten als grundlegend unterschiedlich erweisen und könnten nicht gleich behandelt werden.

604.

In der Erwiderung weist die Republik Bulgarien darauf hin, dass selbst verdeckte Formen der Diskriminierung problematisch seien. Es stehe fest, dass sich die Nachfrage nach Beförderungsdienstleistungen im Wesentlichen im Zentrum der Union befinde. Das künstliche Erfordernis einer Rückkehr der Fahrzeuge sei eine verdeckte Form der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und stehe in keinem Zusammenhang mit der Frage, ob die Verkehrsunternehmer in ihrem Niederlassungsmitgliedstaat tatsächlich und dauerhaft niedergelassen seien, sondern schaffe eine Unterscheidung nach dem Niederlassungsstaat zwischen den Verkehrsunternehmern, die Beförderungsleistungen im Binnenmarkt erbringen wollten. Die unterschiedliche wirtschaftliche Belastung ergebe sich unmittelbar aus dem unterschiedlichen Mitgliedstaat der Niederlassung und stelle ein Musterbeispiel ungleicher Behandlung dar.

605.

Rumänien macht geltend, die Rückkehrverpflichtung verstoße gegen das in Art. 18 AEUV verankerte Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Die Rückkehrverpflichtung habe, auch wenn sie dem Anschein nach nicht diskriminierend sei, de facto in den betroffenen Mitgliedstaaten unterschiedliche Auswirkungen und beeinträchtige die wirtschaftliche Tätigkeit der Verkehrsunternehmer mit Sitz in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union erheblich, ungleich und unverhältnismäßig und trage dazu bei, die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten weiter zu verschärfen. Rumänien führt die Daten des Sektors an, die den größeren Teil der in den EU‑13 für grenzüberschreitende Beförderungen zugelassenen Fahrzeuge veranschaulichten. Die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen würde die Durchführung internationaler Warentransporte nach Westeuropa durch Unternehmen an der Peripherie der Union, wie Rumänien, erschweren und kostspielig machen. Für die Verkehrsunternehmer der EU‑15 gälten günstigere Bedingungen für die Durchführung grenzüberschreitender Beförderungen, auch wenn sie im Wesentlichen inländische Beförderungen durchführten. Die Tätigkeit dieser Verkehrsunternehmer sei daher nicht in der gleichen Weise betroffen wie die der Verkehrsunternehmer der EU‑13. Die Rückkehrverpflichtung sei eine Regelung, die im Widerspruch zu den Konvergenzzielen der Union stehe, sie sei protektionistisch, restriktiv und schaffe Hindernisse für den Eintritt in externe Märkte für die gebietsfremden Verkehrsunternehmer, die im Wesentlichen aus den an der Peripherie der Union gelegenen Staaten stammten. Die Wirkungen der Rückkehrverpflichtung seien zusammen mit denen der anderen Bestimmungen des Mobilitätspakets zu betrachten, was den diskriminierenden Charakter dieser Regelung umso deutlicher zeige. Rumänien stellt sich auch hier die Frage, ob das Mobilitätspaket die Vorgaben von Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV erfüllt.

606.

Die Republik Zypern argumentiert ebenso wie die Republik Bulgarien. Sie ergänzt, bei einem zyprischen Transportunternehmen betrage die durchschnittliche Dauer einer Hin- und Rückfahrt von Zypern nach Mitteleuropa mindestens acht Tage ohne etwaige Verzögerungen, die u. a. mit klimatischen Risiken zusammenhingen, und der Vorschlag, dass die zyprischen Verkehrsunternehmen nicht am internationalen Verkehr teilnähmen oder sich an einem anderen Ort als Zypern niederließen, belege für sich genommen den diskriminierenden Charakter der Rückkehrverpflichtung.

607.

Ungarn macht geltend, die Rückkehrverpflichtung verstoße gegen Art. 18 AEUV und Art. 49 AEUV. Es weist auf die bereits erwähnten geografischen Unterschiede hin, die den Güterkraftverkehrsmarkt kennzeichneten, und auf die Unterscheidung zwischen den Mitgliedstaaten der EU‑13 und denen der EU‑15 und macht geltend, dass die Rückkehrverpflichtung die in den peripheren Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen angesichts der längeren Reisezeit und der damit verbundenen höheren Kosten benachteilige. Die EU‑13-Mitgliedstaaten, in denen der grenzüberschreitende Güterkraftverkehr auf dem Arbeitsmarkt einen über dem Durchschnitt der Union liegenden Prozentsatz ausmache, würden automatisch ungünstiger betroffen als die zentraleren Mitgliedstaaten. Ungarn ist der Ansicht, dass etwa zwei Drittel der Straßenfahrten von mehr als 1000 km von peripheren Staaten in die am meisten industrialisierten zentralen und westlichen Regionen der Union durchgeführt würden. Die mit der Rückkehrverpflichtung verbundenen höheren Kosten würden diese Staaten wesentlich stärker beeinträchtigen als die anderen Mitgliedstaaten der Union. Diese Verpflichtung stelle daher eine mittelbare Diskriminierung dieser Mitgliedstaaten dar, die sie in eine viel ungünstigere Lage bringe. Ungarn bestreitet in der Erwiderung die Relevanz des vom Rat und vom Parlament in ihren Klagebeantwortungen angeführten Urteils Fedesa ( 354 ), das einen Unterschied zwischen den Vorschriften der Mitgliedstaaten und nicht ein objektives Kriterium wie die Entfernung bestimmter Mitgliedstaaten von den zentralen Regionen betroffen habe. Mit der Schaffung unterschiedlicher Bedingungen für den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt hätte die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen das angeblich mit der Verordnung 2020/1055 verfolgte Ziel, einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten, nicht erreicht. Nebenbei weist Ungarn auch auf die dem Gesetzgeber obliegenden Verpflichtungen hin, der Gefahr einer ernstlichen Beeinträchtigung des Lebensstandards und der Beschäftigungslage in bestimmten Regionen gemäß Art. 91 Abs. 1 AEUV und der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer beim Erlass von Maßnahmen auf dem Gebiet der Beförderungsentgelte und ‑bedingungen gemäß Art. 94 AEUV Rechnung zu tragen.

608.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, alle diese Klagegründe zurückzuweisen.

2) Würdigung

609.

Die folgende Würdigung wird sich an den in den Nrn. 76 ff. der vorliegenden Schlussanträge angeführten Grundsätzen und den vom Gerichtshof anerkannten und in Nr. 80 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegebenen Grenzen der gerichtlichen Kontrolle orientieren.

610.

Was die von der Republik Litauen, der Republik Bulgarien, der Republik Zypern und Ungarn vorgebrachten Rügen eines Verstoßes gegen die Art. 26 und 49 AEUV und allgemeiner einer Behinderung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts betrifft, verweise ich auf den Teil meiner Prüfung, der sich mit den Klagegründen eines Verstoßes gegen die wirtschaftlichen Freiheiten befasst ( 355 ).

611.

Die von Ungarn im Rahmen des Klagegrundes eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot erhobenen Rügen, mit denen ein Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV geltend gemacht wird, stellen keinen von dem Klagegrund eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot verschiedenen Klagegrund dar. Am Ende seiner Analyse zu diesem Verbot beantragt Ungarn jedoch in Rn. 106 seiner Klageschrift, die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen wegen Verstoßes gegen die „oben angeführten Bestimmungen des AEU-Vertrags“, zu denen Art. 91 Abs. 1 und Art. 94 AEUV gehören, für nichtig zu erklären. Diese Argumente werden, auch wenn sie zusammenfassend dargelegt werden ( 356 ), gegebenenfalls in dem Teil geprüft, der diesen beiden Bestimmungen gewidmet ist. Gleiches gilt für die Berufung Rumäniens auf diese beiden Artikel im Rahmen seines Klagegrundes eines Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot ( 357 ).

612.

In Bezug auf die von der Republik Bulgarien und der Republik Zypern erhobene Rüge eines Verstoßes gegen Art. 95 Abs. 1 AEUV weise ich mit dem Rat darauf hin, dass diese Rüge keinen Erfolg haben kann, da dieser Artikel Diskriminierungen verbietet, die darin bestehen, dass ein Verkehrsunternehmer in denselben Verkehrsverbindungen für die gleichen Güter je nach ihrem Herkunfts- oder Bestimmungsland unterschiedliche Frachten und Beförderungsbedingungen anwendet, wobei weder die Republik Bulgarien noch die Republik Zypern einen Nachweis erbracht haben, dass die Umsetzung der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen eine solche Wirkung hätte, und dass jedenfalls Art. 95 Abs. 1 AEUV die dem Parlament und dem Rat durch Art. 95 Abs. 2 AEUV zuerkannte Möglichkeit unberührt lässt, Maßnahmen zu erlassen, die von diesem spezifischen Diskriminierungsverbot abweichen, auf der Grundlage von Art. 91 Abs. 1 AEUV, der – wie gesagt – gerade die Rechtsgrundlage der Verordnung 2020/1055 darstellt.

613.

Im Übrigen machen die Kläger geltend, dass die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen eine Diskriminierung zwischen Mitgliedstaaten (Rumänien und Ungarn), eine Diskriminierung zwischen Inselmitgliedstaaten und kontinentalen Mitgliedstaaten (Republik Zypern), eine Diskriminierung zwischen großen und kleinen Mitgliedstaaten (Republik Litauen), eine mittelbare Diskriminierung der Verkehrsunternehmer aus den peripheren Mitgliedstaaten (Republik Litauen, Rumänien), eine Diskriminierung zwischen Beförderungsformen (Republik Litauen), eine Diskriminierung zwischen KMU und den anderen Formen, in denen Verkehrsunternehmen errichtet seien (Republik Litauen), und eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Republik Bulgarien, Rumänien, Republik Zypern, Ungarn) darstelle.

614.

Die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen, wie sie in Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 formuliert ist, konkretisiert die notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für die Ausübung des Berufs des Kraftverkehrsunternehmers, dass die Unternehmen „über eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung in einem Mitgliedstaat verfügen“, wie sie sich aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1071/2009 ergibt. Somit müssen alle – kleinen, mittleren oder großen – Unternehmen, die diesen Beruf ausüben, unabhängig von ihrem Niederlassungsmitgliedstaat in einem Mitgliedstaat tatsächlich und dauerhaft niedergelassen sein, was u. a. aufgrund der Entscheidung des Unionsgesetzgebers impliziert, dass ihre Fahrzeuge alle acht Wochen in diesen Mitgliedstaat zurückkehren müssen. Die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen soll somit gewährleisten, dass die in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1071/2009 fallenden Verkehrsunternehmen eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung im Niederlassungsmitgliedstaat haben, die in dieser Hinsicht gleichbehandelt werden. Ich füge hinzu, dass diese Verordnung eine besonders weite Definition des Begriffs „Unternehmen“ ( 358 ) enthält, die alle Formen erfassen kann, in denen ein Verkehrsunternehmer auftreten kann. Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 erlegt diesen Verkehrsunternehmern somit allgemein und unterschiedslos eine Rückkehrverpflichtung auf.

615.

Es bleibt noch zu prüfen, ob die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen nicht zur Folge hat, dass unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, was es erforderlich macht, sich zu fragen, ob die verschiedenen Sachverhalte, die unter den in Nr. 79 der vorliegenden Schlussanträge genannten Voraussetzungen geltend gemacht werden, vergleichbar sind. Besonderes Augenmerk ist daher auf den Gegenstand und das mit der streitigen Verpflichtung verfolgte Ziel sowie auf die Grundsätze und Ziele der Verkehrspolitik zu richten.

616.

Wie das Parlament und der Rat in ihren Schriftsätzen ausgeführt haben, ergibt sich das mit der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen verfolgte Ziel aus den Erwägungsgründen 6 und 8 der Verordnung 2020/1055. Gestützt auf die „gewonnenen Erfahrungen“, die auch in der Folgenabschätzung hervorgehoben worden war, war nach Auffassung des Unionsgesetzgebers eine Präzisierung und Stärkung der Vorschriften für eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung erforderlich, damit gewährleistet ist, dass die in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Kraftverkehrsunternehmer sich tatsächlich in diesem Mitgliedstaat aufhalten, was dazu beitragen sollte, dem Phänomen der „Briefkastenfirmen“ beizukommen und im Binnenmarkt lauteren Wettbewerb und gleiche Wettbewerbsbedingungen sicherzustellen. Der achte Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055 ergänzt, dass das Bestehen eines echten Zusammenhangs mit dem Mitgliedstaat dazu beiträgt, das Risiko der Organisation systematischer Kabotage und eines Systems von „Autobahn-Nomaden“ durch ein Unternehmen, zu dem die Fahrzeuge nicht zurückkehren, zu verringern. Die Rückkehrverpflichtung soll nach Einschätzung des Gesetzgebers auch dazu beitragen, dass die Fahrzeuge ordnungsgemäß gewartet werden können, und sie erleichtert Kontrollen ( 359 ).

617.

Es ist zwar wahrscheinlich, dass die Erfüllung der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen Kosten verursachen wird, doch was die Höhe dieser Kosten bestimmen wird, wird nicht so sehr die zurückgelegte geografische Entfernung sein als vielmehr die vorherige Beachtung der tatsächlichen Niederlassung. Ein Unternehmen, das seine Fahrzeuge nie zurückkehren lässt, wird nämlich mehr Belastungen, die sich aus der Rückkehrverpflichtung ergeben, tragen, als das Unternehmen, das seine Fahrzeuge bereits regelmäßig zurückkehren ließ.

618.

Selbst wenn die Rückkehr teurer wäre, wenn die bei der Rückkehr zurückgelegte Entfernung länger ist, ist festzustellen, dass die Unionsregelung den Verkehrsunternehmern weder vorschreibt, auf einem Markt tätig zu sein, der von ihrem Niederlassungsort entfernt ist, noch sie daran hindert, ihre Niederlassung möglichst nah zu dem Markt hin zu verlagern, auf dem sie tätig sein wollen. Das Vorbringen der Republik Litauen, dass die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen zu einer faktischen Schließung des Marktes führe, ist daher ebenso zurückzuweisen ( 360 ) wie das Argument, mit dem geltend gemacht wird, dass die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen mit dem Weißbuch der Kommission unvereinbar sei, da ein solches Dokument, wie dargelegt, keinen normativen Charakter hat ( 361 ). Wie bereits ausgeführt, ist die Wahl des Ortes der Niederlassung allein eine geschäftliche Entscheidung der Verkehrsunternehmer. Die Rückkehrverpflichtung wird sich daher für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer stärker auswirken, die aus wirtschaftlichen Gründen beschlossen haben, sich an der Peripherie der Union niederzulassen und dabei – entgegen den einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften – dauerhaft oder überwiegend im Hoheitsgebiet entfernter Mitgliedstaaten tätig zu sein, in denen sie die Mehrzahl ihrer Verkehrsdienstleistungen erbringen. Genau dies ist aber die angestrebte Wirkung.

619.

Das Argument einer Diskriminierung aufgrund der Beförderungsform ist zurückzuweisen, da der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass sich nicht alle Beförderungszweige in einer vergleichbaren Lage befinden ( 362 ) und dass folglich die jeweilige Lage der in den verschiedenen Verkehrssektoren tätigen Unternehmen nicht miteinander vergleichbar ist ( 363 ).

620.

Sodann machen die Kläger geltend, dass die Verkehrsunternehmer der peripheren Staaten Europas nicht genauso behandelt werden könnten wie die „westeuropäischen“ Wirtschaftsteilnehmer. Sollte diesem Argument gefolgt werden, müsste es im Hinblick auf das Erfordernis einer tatsächlichen und dauerhaften Niederlassung zu einer unterschiedlichen Behandlung der Verkehrsunternehmer führen, die sich dafür entschieden haben, sich außerhalb des Marktes niederzulassen, auf dem sie Verkehrsdienstleistungen erbringen möchten und auf dem sie ihre Fahrzeuge dauerhaft stationieren wollen.

621.

Erstens würde es sich dabei aber um eine Infragestellung des vom Gesetzgeber verfolgten Ziels handeln, das der Gerichtshof nicht in Frage stellen kann. Zweitens verstoßen die ungleichen Auswirkungen oder die Asymmetrie der Belastungen ( 364 ), die sich für die Verkehrsunternehmer aus der unterschiedslosen Anwendung der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen ergeben, als solche nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung ( 365 ), sondern sind das Ergebnis unterschiedlicher Bedingungen für den Betrieb. Drittens werden Vorteile aus einer Umgehung des Unionsrechts durch diesen Grundsatz nicht geschützt. Viertens kann es nicht Sache des Unionsgesetzgebers sein, die wirtschaftliche Neutralität der Wahl des Mitgliedstaats der Niederlassung zu gewährleisten. Fünftens berücksichtigen die von den Klägern geltend gemachten Kosten aufgrund der Rückkehrverpflichtung offenkundig nicht den entgangenen Gewinn für die Mitgliedstaaten, in deren Hoheitsgebiet die Wirtschaftsteilnehmer nicht niedergelassen sind, dort jedoch eine quasi-dauerhafte Präsenz sicherstellen, die der Unionsgesetzgeber jedoch offenkundig ebenfalls zu berücksichtigen hat ( 366 ), so dass er nicht beabsichtigt hat, bestimmte Mitgliedstaaten gegenüber anderen zu bevorzugen, sondern „einen neuen Ausgleich der Faktoren …, auf deren Grundlage die in den verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen miteinander in Wettbewerb treten können“, vorgenommen hat ( 367 ). Sechstens soll die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge, wie das Parlament zu Recht ausgeführt hat, dadurch, dass sie einen echten Zusammenhang mit dem Mitgliedstaat der Niederlassung verlangt, der sich nach Ansicht des Gesetzgebers insbesondere in einer regelmäßigen Rückkehr der Fahrzeuge in diesen Staat manifestiert, den vorübergehenden Charakter der Dienstleistungsfreiheit der Verkehrsunternehmer, die nicht im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten ansässig sind, gewährleisten und ein Gleichgewicht mit der Ausübung des Rechts auf Niederlassung, das dauerhaft ist, herstellen.

622.

Was die Rügen einer Diskriminierung betrifft, deren Grund ein geografischer sei, werfen sie grundsätzlich ein Definitionsproblem auf, da sich die Peripherie der Union u. a. nicht auf ihren östlichen Teil beschränkt. Wie ist das Zentrum zu qualifizieren? Was ist ein kleiner Staat, wenn das Kriterium nicht mehr das der geografischen Lage, sondern das der Größe wird? Befindet sich der kleine Inselstaat in einer Situation, die sich von der eines kleinen Festlands oder eines großen Inselstaats noch unterscheidet? Es ist unmöglich, vom Unionsgesetzgeber eine unterschiedliche Behandlung der Mitgliedstaaten nach Maßgabe dieser vermeintlichen Besonderheiten zu verlangen. Der Widerspruch, den die meisten Kläger zur Stützung ihrer Beweisführung geltend machen und bei dem einander zwei „geografische“ Europas gegenüberstehen, ergibt sich meines Erachtens aus einem Versuch, geografische Daten künstlich mit einer wirtschaftlichen Realität in Einklang zu bringen. Kennzeichnend für die Mitgliedstaaten der „Peripherie“ der Union, wie sie von den Klägern verstanden wird, ist nicht, dass sie peripher sind, sondern, dass sie deutlich geringere Betriebskosten haben als der „Rest“ der Union. Auf diese Weise ist die in die Folgenabschätzung aufgenommene Kategorisierung zwischen EU‑15 und EU‑13 zu verstehen ( 368 ).

623.

Was schließlich die Ricardo-Studie von 2021 betrifft, die bestätige, dass die in den Mitgliedstaaten der EU‑13 ansässigen Verkehrsunternehmer die negativen Folgen der Rückkehrverpflichtung stärker tragen würden, ist mit dem Parlament festzustellen, dass diese Analyse zum einen anerkennt, dass Art und Umfang der Kosten der Durchführung weitgehend von der Reaktion des Marktes abhängen ( 369 ), und zum anderen, dass die Analyse der Folgen dieser Maßnahme nahelegt, dass die Verkehrsunternehmer „des Ostens“ ihren Wettbewerbsvorteil in Bezug auf die Kosten gegenüber den Verkehrsunternehmern des Westens behalten werden ( 370 ). Diese Kategorisierung beruht nicht auf einem geografischen Kriterium, sondern auf der Höhe der Betriebskosten der Verkehrsunternehmer ( 371 ). Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit vorliegt.

624.

In Bezug auf den Vorwurf einer Verletzung der Gleichheit der Mitgliedstaaten und eines Verstoßes gegen Art. 4 Abs. 2 EUV ( 372 ) habe ich bereits festgestellt, dass die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen in allen Mitgliedstaaten der Union gleichermaßen gilt und dass etwaige unterschiedliche Auswirkungen, die sich aus der Durchführung der Verordnung 2020/1055 ergeben, keine Diskriminierung darstellen können ( 373 ).

625.

Nach alledem sind die Klagegründe eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot durch die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen als unbegründet zurückzuweisen.

d)   Zu den Klagegründen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

626.

Alle Kläger haben in ihren jeweiligen Klagen einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen geltend gemacht. Ich werde zunächst den Vorwurf prüfen, das Parlament und der Rat hätten keine Folgenabschätzung zu dieser Verpflichtung vorgenommen, bevor gegebenenfalls die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme geprüft wird.

1) Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen durch den Unionsgesetzgeber

i) Vorbringen der Parteien

627.

Die Republik Litauen macht, obwohl dies im Rahmen eines anderen Klagegrundes als dem eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geschehen ist, Argumente im Zusammenhang mit einem Verstoß gegen diesen Grundsatz aufgrund des Fehlens einer Folgenabschätzung geltend ( 374 ), was hier zu prüfen ist. Die Republik Litauen macht geltend, der ursprüngliche Vorschlag der Kommission für eine Verordnung habe keine Vorschrift über die Rückkehr von Lastkraftwagen in eine Betriebsstätte des Unternehmens enthalten, so dass dieses Erfordernis von der Kommission in ihrer Folgenabschätzung nicht geprüft worden sei ( 375 ). Der Rat und das Parlament hätten die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen während des Gesetzgebungsverfahrens eingeführt und hätten entsprechend den Vorgaben der Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung eine neue Folgenabschätzung durchführen müssen. Eine solche Verpflichtung ergebe sich auch aus Art. 11 EUV, den Art. 2 und 5 des Protokolls (Nr. 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit sowie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs. Die Republik Litauen macht geltend, die Einführung dieser Verpflichtung stelle eine wesentliche Änderung gegenüber dem ursprünglichen Verordnungsvorschlag der Kommission dar, so dass eine Folgenabschätzung hätte durchgeführt werden müssen. Die Wesentlichkeit der vorgenommenen Änderung ergebe sich aus der wirtschaftlichen und ökologischen Bedeutung der Rückkehrverpflichtung. Der Rat und das Parlament hätten keinen objektiven Grund dafür angeführt, dass eine Folgenabschätzung dieser wesentlichen Änderung weder sachdienlich noch erforderlich gewesen wäre. Die Notwendigkeit einer solchen Folgenabschätzung werde sowohl durch den Standpunkt bestätigt, den die Kommission in Bezug auf die angefochtene Bestimmung stets vertreten habe, als auch durch die Ricardo-Studie von 2021, die auf Initiative der Kommission erstellt worden sei. Das Parlament und der Rat hätten ihre Entscheidung, eine Ausnahme von der Regel zu machen, dass sie eine Folgenabschätzung der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge hätten vornehmen müssen, nicht begründet und weder einen Nachweis für eine besondere Situation vorgelegt, die es erlauben würde, diesen Schritt auszulassen, noch ausreichende Informationen über die Verhältnismäßigkeit des neuen Vorschlags vorgelegt. Die Mitgliedstaaten und die anderen Beteiligten hätten vielmehr dem Parlament und dem Rat während des Gesetzgebungsverfahrens öffentlich Informationen zur Verfügung gestellt, die gezeigt hätten, dass eine Folgenabschätzung erforderlich sei. Während die genaue Häufigkeit der verpflichtenden Rückkehr der Lastkraftwagen noch erörtert worden sei, habe die IRU einen offenen Brief ( 376 ) an die nationalen Entscheidungsträger und an die Union gerichtet, in dem sie diese aufgefordert habe, die Folgen der Verpflichtung zur Rückkehr der Lastkraftwagen zu prüfen, und die Ergebnisse ihrer Berechnungen zu den nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt vorgelegt. Das Parlament und der Rat hätten diese Informationen nicht berücksichtigt. Die in ihren Klagebeantwortungen enthaltenen Gesichtspunkte wie die Erklärungen zu den angeblich geringen Umweltauswirkungen, der wiederholte Verweis auf die Folgenabschätzung der Kommission, die keine Bewertung der angefochtenen Bestimmungen enthalte, unbegründete Annahmen in Bezug auf andere von der Kommission vorgeschlagene Maßnahmen, die nicht in die Verordnung 2020/1055 übernommen worden seien, hypothetische oder gar fehlerhafte Spekulationen über die Kosten der Durchführung der angefochtenen Bestimmungen sowie das völlige Versäumnis, die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft der peripheren Mitgliedstaaten zu berücksichtigen, bestätigten jedoch einen offensichtlichen Verstoß gegen die Pflicht zur Durchführung einer Folgenabschätzung.

628.

Die Republik Bulgarien macht geltend, die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der in Art. 5 Abs. 4 EUV und Art. 1 des Protokolls (Nr. 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit verankert sei. Das Parlament und der Rat hätten weder über wirtschaftliche Analysen noch über andere Daten verfügt, die die Verhältnismäßigkeit dieser Verpflichtung hätten bestätigen können, die nicht Teil des ursprünglichen Vorschlags der Kommission gewesen sei. Sie sei daher trotz wiederholter Aufforderungen einiger Mitgliedstaaten und der dem Parlament und dem Rat zur Kenntnis gebrachten Informationen zu den unverhältnismäßigen Auswirkungen dieser Maßnahme nicht Gegenstand einer Folgenabschätzung gewesen. Eine Anhörung des AdR oder des EWSA sei nicht erfolgt. Die Beklagten könnten daher nicht nachweisen, dass sie ihr Ermessen beim Erlass eines Rechtsakts tatsächlich ausgeübt hätten oder in der Lage gewesen seien, alle erheblichen Faktoren und Umstände der Situation, die mit diesem Rechtsakt geregelt werden sollte, zu berücksichtigen. Sie hätten die Grunddaten, die zur Begründung der streitigen Maßnahmen zu berücksichtigen gewesen seien und von denen die Ausübung ihres Ermessens abgehangen habe, weder beigebracht noch klar und eindeutig dargelegt. Die Ricardo-Studie von 2021 habe bestätigt, dass der Unionsgesetzgeber für den Erlass der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge nicht über ausreichende Informationen verfügt habe, wie der erhebliche Unterschied zwischen seinen Schlussfolgerungen und den vom Rat vorgelegten Zahlen zeige.

629.

Rumänien macht im Rahmen des ersten Teils des ersten Klagegrundes in der Rechtssache C‑547/20 geltend, dass die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße. Rumänien definiert diesen Grundsatz und die sich daraus ergebenden Anforderungen und macht sodann geltend, dass diese Verpflichtung nicht zu den im ursprünglichen Vorschlag der Kommission ins Auge gefassten Maßnahmen gehöre und dass sie weder in diesem Vorschlag noch später Gegenstand einer Folgenabschätzung gewesen sei, als der Rat und das Parlament diesen Vorschlag geändert hätten, um die Rückkehrverpflichtung darin aufzunehmen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs stelle die Nichtdurchführung einer Folgenabschätzung einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar, wenn sich der Gesetzgeber nicht in einer besonderen Situation befinde, die es rechtfertigen würde, davon abzusehen, und wenn er nicht über ein ausreichendes Maß an Informationen verfüge, die es ihm ermöglichten, die Verhältnismäßigkeit einer erlassenen Maßnahme zu beurteilen. Nr. 15 der Interinstitutionellen Vereinbarung sehe auch vor, dass diese Organe eine Folgenabschätzung durchführten, wenn sie dies im Hinblick auf den Gesetzgebungsprozess für zweckmäßig und erforderlich hielten und wenn sie wesentliche Änderungen am Kommissionsvorschlag vornähmen. Die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen stelle eine solche Änderung dar. Die Folgenabschätzung wäre angesichts der Besonderheiten des Bereichs des Verkehrs und der administrativen und finanziellen Folgen, die sich für die Verkehrsunternehmer aus dem Erlass der Verordnung 2020/1055 ergäben, umso notwendiger gewesen. Der Unionsgesetzgeber habe nicht nur keine Folgenabschätzung durchgeführt, wie er es hätte tun müssen, sondern auch die wissenschaftlichen Unterlagen, die von den Mitgliedstaaten während des Verfahrens verwendet worden seien, nicht berücksichtigt, um sein Ermessen tatsächlich ausüben zu können. Der Erlass der Rückkehrverpflichtung trotz des Fehlens einer Folgenabschätzung, von wissenschaftlichen Daten oder Berichten, die die Einführung einer solchen Verpflichtung stützten, verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da der Unionsgesetzgeber die Grenzen seines Ermessens überschritten habe.

630.

Die Republik Zypern argumentiert ebenso wie die Republik Bulgarien.

631.

Ungarn macht geltend, der Gesetzgeber habe mit dem Erlass der Rückkehrverpflichtung sein Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Ungarn wirft dem Unionsgesetzgeber vor, nicht geprüft zu haben, wie sich die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen auf die von den Unternehmen getragenen Kosten, auf die Verkehrstätigkeit, den gesamten Sektor sowie die Umwelt und das Klima auswirke. Ungarn ist keine Studie des Parlaments oder des Rates bekannt, die es diesen ermöglicht hätte, alle diese Elemente zu bewerten. Der Unionsgesetzgeber sei daher weder in der Lage gewesen, die Verhältnismäßigkeit der Rückkehrverpflichtung zu beurteilen, noch, sich zu vergewissern, dass sie nicht offensichtlich unverhältnismäßig sei. Das Fehlen einer Folgenabschätzung werde durch die Erklärung der Kommission bestätigt, in der sie Vorbehalte gegen diese Verpflichtung geäußert habe ( 377 ).

632.

Nach einem Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs sowie auf Art. 5 des Protokolls (Nr. 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit macht die Republik Malta geltend, dass der Unionsgesetzgeber, da keine Folgenabschätzung durchgeführt worden sei, nicht über ein ausreichendes Maß an Informationen im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs verfügt habe, die es ihm ermöglicht hätten, die Verhältnismäßigkeit der beabsichtigten Maßnahme zu beurteilen. Der Rat und das Parlament hätten die wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen nicht beurteilt, obwohl diese Auswirkungen die Kommission besorgt hätten ( 378 ).

633.

Die Republik Polen macht geltend, dass Art. 1 Nr. 3 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße. Nach einem Hinweis auf die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Kriterien für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit macht die Republik Polen geltend, dass die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen nicht Gegenstand der Folgenabschätzung der Kommission gewesen sei. Die Interinstitutionelle Vereinbarung verlange eine integrierte und ausgewogene Bewertung der wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen unter Vornahme einer qualitativen wie auch einer quantitativen Prüfung. Angesichts des erheblichen Einflusses der Verordnung 2020/1055 auf die Tätigkeit im Straßenverkehrssektor hätten die Auswirkungen der darin enthaltenen Verpflichtungen analysiert werden müssen, wozu der Rat und das Parlament verpflichtet gewesen wären, da sie von dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission abweichen wollten, wie dies in Nr. 15 der Interinstitutionellen Vereinbarung vorgesehen sei. Da der Unionsgesetzgeber eine solche Prüfung, die für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Rückkehrverpflichtung von grundlegender Bedeutung sei, nicht vorgenommen habe, habe er gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, da er sich nicht in einer besonderen Lage befinde, die es erforderlich mache, davon abzusehen, oder über ein ausreichendes Maß an Informationen verfüge, die es ihm ermöglichten, die Verhältnismäßigkeit der erlassenen Maßnahme zu beurteilen ( 379 ). Entgegen dem Vorbringen des Rates bezögen sich die Rügen nicht auf die fehlende Berücksichtigung der Situation nur eines Mitgliedstaats, sondern auf die Situation mehrerer Mitgliedstaaten, nämlich derjenigen an der Peripherie der Union. Sollte die angefochtene Regelung so zu verstehen sein, dass mit ihr die tatsächliche Praxis der Fahrer, die selten nach Hause zurückkehrten, verhindert werden solle, hätten die sich daraus ergebenden zusätzlichen Fahrten, insbesondere die Umweltfolgen, eine eingehende Analyse verdient.

634.

Der Rat und das Parlament sowie ihre Streithelfer tragen vor, dass kein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorliege. Die beklagten Organe machen geltend, dass der Begriff der „besonderen Lage“, auf den in Rn. 85 des Urteils Tschechische Republik/Parlament und Rat ( 380 ) Bezug genommen werde, als Bezugnahme auf die damals in Rede stehende spezifische Situation zu verstehen sei und dass dieses Urteil eine völlig andere Situation als die vorliegenden Klagen betreffe, da damals gar keine Folgenabschätzung durchgeführt worden sei. Der Rat weist auf die Rechtsprechung hin, wonach das Parlament und der Rat durch eine Folgenabschätzung der Kommission nicht gebunden seien, denen es unbenommen bleibe, andere Maßnahmen als die zu treffen, die Gegenstand der Folgenabschätzung gewesen seien, und dass der Umstand, dass sie eine andere, gegebenenfalls belastendere Maßnahme als die von der Kommission vorgesehene getroffen hätten, kein geeigneter Beweis dafür sei, dass sie offensichtlich die Grenzen dessen überschritten hätten, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich gewesen sei. Die Interinstitutionelle Vereinbarung enthalte keine Verpflichtung zur Durchführung einer neuen Folgenabschätzung, da sie dem Gesetzgeber lediglich die Möglichkeit einräume, eine solche Folgenabschätzung durchzuführen, wenn das Parlament und der Rat dies im Hinblick auf den Gesetzgebungsprozess für zweckmäßig und erforderlich hielten, und es stehe dem Gesetzgeber frei, nicht nur die Folgenabschätzung, sondern auch jede andere Informationsquelle zu berücksichtigen. Das weite Ermessen des Gesetzgebers gelte somit sowohl für die Art und die Tragweite der zu erlassenden Bestimmungen als auch für die Feststellung der Grunddaten. Für den Standpunkt der Republik Litauen, dass der Gesetzgeber von einer Folgenabschätzung nur absehen dürfe, wenn dies ausdrücklich gerechtfertigt sei, gebe es keine Rechtsgrundlage. Das weite Ermessen des Unionsgesetzgebers sei dahin auszulegen, dass er weder verpflichtet sei, sich nur auf Daten zu stützen, die die fragliche Änderung individuell beträfen, noch die gleichen Schlussfolgerungen wie die ihm zur Verfügung stehenden Berichte und Studien zu ziehen. Der Unionsgesetzgeber habe sich daher auf die in der Folgenabschätzung enthaltenen Informationen zur Lage des Marktes stützen und beschließen können, teilweise andere Maßnahmen zu erlassen. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs sei anerkannt, dass er sich auf globale Feststellungen stützen könne. Im umgekehrten Fall bestünde, wenn eine Folgenabschätzung erforderlich wäre, da die interinstitutionellen Verhandlungen zu einer Einigung über Maßnahmen führen müssten, die dasselbe Ziel etwas anders als die von der Kommission ins Auge gefassten verfolgten, die Gefahr, den Erlass der Gesetzgebungsakte zu verzögern und das institutionelle Gleichgewicht zu stören, da es einen starken Anreiz gäbe, nur die von der Kommission geprüften Lösungen anzunehmen, obwohl das Parlament oder der Rat durch eine Folgenabschätzung der Kommission nicht gebunden seien. Das Ziel der Folgenabschätzung besteht laut dem Rat nicht darin, die Begründung für den Vorschlag der Kommission darzulegen, sondern alternative Lösungswege aufzuzeigen, und die Folgenabschätzung sei nach Nr. 12 der Interinstitutionellen Vereinbarung kein Ersatz für politische Entscheidungen im demokratischen Entscheidungsprozess. Das Parlament trägt vor, dass der Umstand, dass keine Folgenabschätzung durchgeführt werde, keinen Verstoß gegen die Verträge darstelle, es sei denn, es sei nachgewiesen, dass die vom Gesetzgeber erlassene Maßnahme offensichtlich geeignet sei, und dass die angeführten Bestimmungen nicht dahin ausgelegt werden könnten, dass sie eine eigenständige Verfahrenspflicht begründeten, die dem Unionsgesetzgeber die Durchführung von Folgenabschätzungen auferlege.

635.

Die Angemessenheit und Erforderlichkeit der Durchführung einer zusätzlichen Folgenabschätzung sei im Rahmen der Kontrolle der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen und hänge daher von den anderweitig verfügbaren Informationen ab. Die Folgenabschätzung der Kommission enthalte Informationen zu den Problemen, die eine Stärkung der in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 genannten Niederlassungskriterien erforderten, und zu der Notwendigkeit, einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegenüber Verkehrsunternehmern aus Mitgliedstaaten, in denen die Normen strenger seien, zu vermeiden. Diese Folgenabschätzung habe sieben verschiedene Niederlassungskriterien untersucht, von denen einige bereits die Präsenz der Fahrzeuge im Niederlassungsmitgliedstaat verlangten. Die Rückkehrverpflichtung stelle insoweit ein anderes Mittel dar, um dasselbe Ergebnis zu erreichen.

636.

Die Folgenabschätzung der Kommission liefere auch eine Bewertung der verschiedenen von der Kommission vorgeschlagenen neuen Anforderungen, u. a. der restriktiveren Anforderung, dass im Land der Niederlassung eine nennenswerte Verkehrs- oder Betriebstätigkeit ausgeübt werde oder zumindest ein Handelsvertrag im Niederlassungsstaat und damit verbundene Kosten sowie ihre Verteilung bestehen müssten. Dies habe zur Folge, dass die Verkehrsunternehmer, deren Präsenz im Niederlassungsstaat derzeit bereits tatsächlich und dauerhaft sei, keine hohen oder gar keine zusätzlichen Kosten im Zusammenhang mit der Umsetzung der neuen Verpflichtungen nach der Verordnung 2020/1055 zu tragen hätten ( 381 ). Das Parlament macht geltend, eine der Schlussfolgerungen der Folgenabschätzung habe sich für eine öffentliche politische Lösung ausgesprochen, zu der die sieben von der Kommission in dieser Folgenabschätzung genannten Maßnahmen gehörten, die darauf abzielten, eine nennenswerte Verkehrs- oder Betriebstätigkeit in dem Mitgliedstaat zu gewährleisten, die für die Verkehrsunternehmer der EU‑15 15 % bis 18 % zusätzlicher Kosten und für die Verkehrsunternehmer der EU‑13 33 % bis 36 % zusätzliche Kosten verursachen könnten, also 1,09 Mrd. Euro jährliche Kosten für den Sektor für den Zeitraum 2020 bis 2035, d. h. weniger als 0,03 % der gesamten Betriebskosten ( 382 ).

637.

In Bezug auf das Bestehen einer soliden objektiven Grundlage habe der Unionsgesetzgeber über genügend Dokumente und Informationen verfügt. Die Folgenabschätzung des sozialen Teils des Mobilitätspakets enthalte eine Bewertung der Länge der Verkehrszyklen, was den Unionsgesetzgeber dazu veranlasst habe, auf den Gedanken der Synchronisierung der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge mit derjenigen der Fahrer zu kommen, um deren negative Auswirkungen einzudämmen. Diese Folgenabschätzung sei auch zu dem Ergebnis gelangt, dass es keine negativen Umweltauswirkungen im Zusammenhang mit der häufigeren Rückkehr der Fahrer gebe, da die Fahrer nach Ansicht des Rates bereits regelmäßig (mehr als einmal alle vier Wochen) zurückkehrten und die Marktstruktur Druck auf die Verringerung der Leerfahrten ausübe ( 383 ). Der Rat räumt zwar ein, nicht im Besitz aller Dokumente gewesen zu sein, die von den Mitgliedstaaten verwendet worden seien, um die genauen Auswirkungen der Rückkehrverpflichtung zu beurteilen, doch hätten ihm die Dokumente, die öffentlich verfügbar gewesen seien, ermöglicht, die Auswirkungen der Rückkehrverpflichtung zu beurteilen. Der Unionsgesetzgeber habe auch über verschiedene Studien und Berichte verfügt und verschiedene Konsultationen, Treffen und Anhörungen durchgeführt ( 384 ). Die Verordnungen Nr. 1071/2009 und Nr. 1072/2009 seien im Übrigen Gegenstand einer REFIT‑Ex‑post-Bewertung gewesen, die zu einer genaueren Definition des Begriffs „Hauptbetriebsstätte“ aufgerufen habe. Die Mitgliedstaaten hätten wie andere Beteiligte eigene Bewertungen vorgenommen.

638.

Die IRU habe ihre Analyse ( 385 ) der spezifischen Auswirkungen der Verpflichtung zur Rückkehr alle vier Wochen ( 386 ) mitgeteilt, wonach eine solche Rückkehr zwischen 80 und 135 Mio. Fahrzeugkilometer pro Jahr (d. h. zwischen 45 % und 75 % Erhöhung) und bis zu 100000 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr verursachen würde. Diese Zahlen müssten noch durch zwei geteilt werden, um die Auswirkungen der Verpflichtung zur Rückkehr alle acht Wochen zu bewerten, und die beklagten Organe sind der Ansicht, dass die verursachten zusätzlichen Kosten etwa 50 Mio. Euro betrügen. Dieses Ergebnis ändere die Sachlage im Vergleich zu den Auswirkungen der sieben von der Kommission geprüften Anforderungen nicht grundlegend. Aus ökologischer Sicht machten diese 100000 Tonnen weniger als 0,014 % der im Jahr 2015 vom Straßenverkehr ausgestoßenen Gesamtmenge an Tonnen CO2-Äquivalent und einen noch geringeren Anteil der Reduzierungen gegenüber dem Niveau von 2005 aus, das nach der Verordnung 2018/842 vorgeschrieben sei.

639.

Es sei daher nicht offensichtlich unangemessen, wenn der Unionsgesetzgeber davon ausgehe, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen den Kosten der damit zusammenhängenden Anforderungen entsprächen, die die Kommission geprüft habe, und dass die Verteilung dieser Kosten ähnlich sei. Der Gesetzgeber habe auch über eine kritische Analyse einer polnischen Arbeitgeberorganisation (im Folgenden: Klaus-Bericht) ( 387 ) verfügt sowie über eine positive Reaktion der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF) ( 388 ), die der Sozialpartner der IRU auf europäischer Ebene sei, der die Notwendigkeit einer Kompromisslösung hervorgehoben habe, was der Gesetzgeber getan habe, indem er die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge beibehalten, aber die Häufigkeit dieser Rückkehr reduziert habe.

640.

Die Entwicklung des Vorschlags im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens (von einer Rückkehrverpflichtung alle drei oder vier Wochen mit der Verpflichtung, eine Tätigkeit im Niederlassungsmitgliedstaat auszuführen, zu einer Rückkehr alle acht Wochen ohne entsprechende Verpflichtung) zeige, dass der Gesetzgeber die negativen Auswirkungen der Verschärfung sehr wohl berücksichtigt und gegen die Folgen für die Mitgliedstaaten, in denen zahlreiche Verkehrsunternehmer der EU‑13 dauerhaft tätig seien, und die Notwendigkeit, einen lauteren Wettbewerb zu gewährleisten, abgewogen habe.

641.

Die von den klagenden Staaten vorgebrachten wirtschaftlichen Folgen aus der Ricardo-Studie von 2021 beruhten auf dem Szenario einer erheblichen Umstrukturierung des Marktes, während die geltend gemachten Umweltauswirkungen ihrerseits auf dem Szenario einer fehlenden Marktanpassung beruhten. Diese beiden Szenarien und ihre Wirkungen schlössen sich gegenseitig aus. Der Rat und das Parlament weisen ferner darauf hin, dass die osteuropäischen Mitgliedstaaten, die davon ausgingen, dass sie von der künftigen Reform härter betroffen seien, eher geneigt gewesen seien, an dieser Studie teilzunehmen, die im Übrigen die Synergien mit der Rückkehrverpflichtung der Fahrer außer Acht lasse und sich nur auf bestimmte Betriebskosten konzentriere. Das Parlament ist der Ansicht, dass die Diskussion zwischen den Parteien nicht wirklich die Verfügbarkeit wesentlicher Tatsachen betreffe, sondern vielmehr die Frage, ob die vom Unionsgesetzgeber aufgrund dieser Tatsachen getroffenen Entscheidungen offensichtlich ungeeignet seien, aber die bloße Uneinigkeit über den endgültigen Inhalt des Rechtsakts reiche nicht aus, um zu dem Schluss zu gelangen, dass die Maßnahme offensichtlich ungeeignet sei.

ii) Würdigung

642.

Aus der in den Nr. 62 ff. der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung geht hervor, dass die Interinstitutionelle Vereinbarung zwar eine Folgenabschätzung befürwortet, da die Folgen der beabsichtigten Maßnahme in wirtschaftlicher, ökologischer oder sozialer Hinsicht erheblich sind ( 389 ), diese Vereinbarung für den Unionsgesetzgeber aber keine Verpflichtung enthält, unter allen Umständen eine Folgenabschätzung durchzuführen ( 390 ). Folglich führt das Fehlen einer Folgenabschätzung nicht ipso facto dazu, dass Unionsvorschriften ungültig sind ( 391 ) und, wie die beklagten Organe hervorgehoben haben, wenn eine solche Folgenabschätzung verfügbar ist, ist der Gesetzgeber durch sie nicht gebunden ( 392 ) und behält den gesamten erforderlichen Spielraum, um eine andere, gegebenenfalls belastendere Maßnahme als die in der Folgenabschätzung der Kommission vorgesehene zu treffen, ohne dass automatisch geschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber offensichtlich die Grenzen dessen überschritten hat, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich war ( 393 ), selbst wenn sich diese Änderung im Hinblick auf den ursprünglichen Vorschlag als wesentlich erweist, da Nr. 15 der nicht bindenden Interinstitutionellen Vereinbarung außerdem nur eine bloße Möglichkeit für das Parlament und den Rat vorsieht, die Folgenabschätzung zu aktualisieren, wenn sie dies im Hinblick auf den Gesetzgebungsprozess für zweckmäßig und erforderlich halten ( 394 ). Folglich sind die Rügen eines Verstoßes gegen die Interinstitutionelle Vereinbarung zurückzuweisen.

643.

Die Nichtdurchführung einer Folgenabschätzung könnte jedoch als Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingestuft werden, wenn der Unionsgesetzgeber nicht über ein ausreichendes Maß an Informationen verfügte, die es ihm ermöglichten, die Verhältnismäßigkeit einer erlassenen Maßnahme zu beurteilen ( 395 ), mit anderen Worten, sein Ermessen tatsächlich auszuüben ( 396 ), und zwar auf der Grundlage aller erheblichen Faktoren und Umstände der Situation, die mit dem erlassenen Rechtsakt geregelt werden sollte, und sich der Unionsgesetzgeber nicht in einer besonderen Lage befand, die es erforderlich machte, davon abzusehen. Die Form, in der die Daten aufgeführt sind, ist ohne Bedeutung ( 397 ), und es ist nicht erforderlich, dass der Unionsgesetzgeber die Dokumente, die die relevanten Daten enthalten, selbst besitzt ( 398 ).

644.

Was den Erlass der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen betrifft, steht fest, dass diese Maßnahme nicht Teil des Vorschlags für eine Niederlassungsverordnung war ( 399 ). Im Wesentlichen schlug die Kommission vor, Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 dahin gehend zu ändern, dass die Liste der in der Betriebsstätte der Verkehrsunternehmer aufzubewahrenden Unterlagen erweitert wird (Vorschlag zu Art. 5 Buchst. a), dass verlangt wird, die administrativen und gewerblichen Tätigkeiten tatsächlich und dauerhaft mittels der angemessenen verwaltungstechnischen Ausstattung und Einrichtung in Räumlichkeiten auszuüben, die im Niederlassungsmitgliedstaat gelegen sind (Vorschlag zu Art. 5 Buchst. c), die mit den Fahrzeugen durchgeführte Verkehrstätigkeit mittels der angemessenen technischen Ausstattung aus dem Niederlassungsmitgliedstaat zu leiten (Vorschlag zu Art. 5 Buchst. d) und in einem im Verhältnis zur Größe und Tätigkeit der Niederlassung angemessenen Umfang Vermögenswerte zu halten und Mitarbeiter zu beschäftigen (Vorschlag zu Art. 5 Buchst. e).

645.

Die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen gehörte nicht zu den Maßnahmen, die in der Folgenabschätzung der Kommission in ihrem ursprünglichen Vorschlag enthalten waren ( 400 ). Dies ist ein grundlegender Unterschied zu der oben untersuchten Situation im Zusammenhang mit der Rückkehrverpflichtung der Fahrer ( 401 ).

646.

Unter den in dieser Folgenabschätzung aufgeführten Maßnahmen sah die Maßnahme Nr. 18 („Review reference points for effective and stable establishment“) vor, dass, um sicherzustellen, dass die Niederlassung tatsächlich und dauerhaft ist, von den Verkehrsunternehmern verlangt werden sollte, dass sie im Niederlassungsmitgliedstaat eine wesentliche operative Tätigkeit oder Verkehrstätigkeit ausüben oder im Niederlassungsmitgliedstaat mindestens über einen Handelsvertrag verfügen ( 402 ). Solche Maßnahmen erscheinen in keiner Weise mit derjenigen vergleichbar, die letztlich am Ende des Gesetzgebungsverfahrens getroffen wurde. Daraus folgt meines Erachtens, dass entgegen dem Vorbringen des Parlaments und des Rates keine aus der Bewertung der Auswirkungen der in der Folgenabschätzung analysierten Maßnahmen ( 403 ) gezogene Schlussfolgerung auf die neue Anforderung „übertragen“ werden kann, da sie vom Parlament im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens ( 404 ) mit einer Formulierung eingeführt worden ist, die zudem in der endgültigen Fassung noch geändert wurde.

647.

Ich weise auch darauf hin, dass kein Teil der Folgenabschätzung der Analyse der Umweltauswirkungen der geplanten Maßnahmen gewidmet war.

648.

Der Unionsgesetzgeber konnte sich zwar mit Erfolg auf die Folgenabschätzung – Teil Niederlassung stützen, was die Lage des Marktes, die Ermittlung der Schwierigkeiten und Störungen, die durch sein Eingreifen behoben werden sollten, betrifft, doch ist festzustellen, dass eine Änderung der Verordnung 2020/1055, die in Richtung einer Verpflichtung zu regelmäßigen länderübergreifenden Fahrten ging, die die Nutzung des Straßenfahrzeugs erforderte, von der Kommission weder in Betracht gezogen noch in irgendeiner Weise von der Folgenabschätzung erfasst wurde.

649.

Der Rat und das Parlament tragen vor, der Unionsgesetzgeber habe sich in sachdienlicher Weise auf die Schlussfolgerung in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil ( 405 ) stützen können, wonach sich aus dem Erlass der Rückkehrverpflichtung der Fahrer keine Umweltauswirkungen ergäben.

650.

Abgesehen davon, dass dieses Argument nur einen der Aspekte der potenziellen Auswirkungen der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen erfasst, verlangt die Rückkehrverpflichtung der Fahrer im Gegensatz zu der Verpflichtung, die sich auf Fahrzeuge bezieht, nicht die Verwendung eines bestimmten Beförderungsmittels. Außerdem kann im Licht meiner Ausführungen zu dieser Verpflichtung ( 406 ) die bloße Feststellung in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil, dass die Rückkehrverpflichtung der Fahrer keine Umweltauswirkungen habe, nicht ausreichen, um die Beurteilung der Auswirkungen der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen im Einklang mit dem, was vom Unionsgesetzgeber im Hinblick auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit erwartet wird, zu rechtfertigen.

651.

Die Intensität der Erörterungen vor dem Gerichtshof scheint mir eine echte Frage nach der Intensität der Wirkung der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge zu bezeugen. Es bleiben weiterhin Fragen offen, wie erstens die Frage nach der Bestimmung der zusätzlichen Fahrzeugkilometer pro Jahr und der entsprechenden Emissionen, die tatsächlich erwartet werden, da, wie das Parlament im Zusammenhang mit anderen Klagegründen ausgeführt hat, die Fahrzeuge, wenn sie der Rückkehrverpflichtung nicht nachkommen müssen, nicht stehen bleiben werden; zweitens die Frage nach der Auswirkung der erwarteten Entwicklungen auf die Bewertung der Rückkehrverpflichtung, aufgrund der Umsetzung der europäischen Rechtsvorschriften, die den Verkehrssektor umfassender berühren; drittens die Frage nach der Bestimmung der erwarteten wirtschaftlichen Gesamtauswirkungen auf den Markt und der spezifischeren Folgen im Verhältnis zu den geltend gemachten Zielen; viertens die Frage nach den potenziellen Auswirkungen der beabsichtigten Verpflichtung auf die wirtschaftliche Situation der Staaten, die Verkehrsdienstleistungen von einem Ort aus anbieten, der vom Zentrum der Nachfrage entfernt ist; fünftens die Frage, wie sich der Gesetzgeber letztlich für eine Rückkehrhäufigkeit in den Niederlassungsmitgliedstaat alle acht Wochen entschieden hat.

652.

Zwar verfügt der Unionsgesetzgeber, wie ich bereits ausgeführt habe, hinsichtlich der Form und der Art der Daten, auf die er seine Handlung stützt, angesichts der Bedeutung der betreffenden Politik, des zutiefst fragmentierten Charakters des Marktes und des radikalen Widerspruchs der betroffenen Interessen über einen großen Spielraum, doch halte ich es nicht für ausreichend, dass der Gesetzgeber behauptet, er habe die Folgen, insbesondere für die Umwelt, der betreffenden Maßnahme in Betracht gezogen, indem er sich im Wesentlichen auf einen Brief der IRU beruft, in dem die IRU ihre eigene Schätzung der Zahl der zusätzlichen Fahrzeugkilometer pro Jahr und der zusätzlich ausgestoßenen CO2-Menge, die sich aus der Umsetzung einer Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle drei bis vier Wochen ergäben, angibt, ohne eine Methodik für die auf diese Weise erhaltenen Berechnungen anzugeben, und ohne dass dieser Brief wirklich eine objektive Angabe darstellen könnte. Das Gleiche gilt für die angebliche positive Reaktion des EFT auf die Verpflichtung, alle vier Wochen im Niederlassungsmitgliedstaat eine Be- oder Entladung durchzuführen ( 407 ). Außerdem können diesem Brief und dieser Reaktion keine objektiven und wesentlichen wirtschaftlichen Daten entnommen werden. Bei dem Klaus-Bericht handelt es sich um ein Dokument, das auf Anfrage einer Interessengruppe und als Reaktion auf die Änderung des Verordnungsentwurfs während des Gesetzgebungsverfahrens vorgelegt wurde. Er erläutert nicht die Gründe für die Entscheidung des Gesetzgebers.

653.

Während ich im Begriff bin, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit festzustellen, der sich aus der Nichtdurchführung einer Folgenabschätzung betreffend die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen ergibt, ist noch auf den Einwand einer Beeinträchtigung des institutionellen Gleichgewichts der Union und eines Eingriffs in die Politik einzugehen.

654.

Es erscheint mir daher wichtig, klarzustellen, dass es dem Unionsgesetzgeber in seiner Funktion natürlich freisteht, die von ihm gewünschten Entscheidungen zu treffen, aber es ist wichtig, dass er dies in Kenntnis der Sachlage und in aufschlussreicher Weise tut, was er nachweisen können muss. Dies gilt für die Fähigkeit der künftigen Maßnahme, von allen Interessenträgern verstanden und akzeptiert zu werden, erst recht in einem Bereich, in dem sich, wie bei der Verordnung 2020/1055, Spannungen zwischen widerstreitenden Interessen herauskristallisieren.

655.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, festzustellen, dass das Parlament und der Rat dadurch, dass sie keine Abschätzung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Folgen der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen durchgeführt haben, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen haben, da sie nicht nachgewiesen haben, dass sie zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Verpflichtung über ein ausreichendes Maß an Informationen verfügten, die es ihnen ermöglichten, die Verhältnismäßigkeit dieser Verpflichtung im Hinblick auf die Erreichung der Ziele zu beurteilen, die sie verfolgen wollten, und da sie nicht behauptet haben, dass sie sich in einer besonderen Lage befänden, die es erforderlich machte, davon abzusehen.

656.

Folglich ist dem vierten Klagegrund in der Rechtssache C‑542/20 ( 408 ), dem zweiten Klagegrund in der Rechtssache C‑545/20, dem ersten Klagegrund in der Rechtssache C‑547/20, dem zweiten Klagegrund in der Rechtssache C‑549/20, dem ersten Klagegrund, der sich gegen Art. 1 Nr. 3 Buchst. c der Verordnung 2020/1055 in der Rechtssache C‑551/20 richtet, dem zweiten Klagegrund in der Rechtssache C‑552/20 und dem ersten Klagegrund in der Rechtssache C‑554/20 stattzugeben.

2) Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme

657.

Da der Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit deshalb festgestellt wurde, weil der Unionsgesetzgeber die Verhältnismäßigkeit der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen nicht geprüft hat, brauchen die Rügen der Unverhältnismäßigkeit dieser Verpflichtung nicht geprüft zu werden.

e)   Zu den Klagegründen eines Verstoßes gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

1) Vorbringen der Parteien

658.

Die Republik Litauen macht geltend, dass der Gesetzgeber, da die Verordnung 2020/1055 auf der Grundlage von Art. 91 Abs. 1 AEUV erlassen worden sei, auch verpflichtet sei, die Anforderungen des Abs. 2 dieser Bestimmung zu beachten und den Fällen Rechnung zu tragen, in denen die Anwendung der erlassenen Maßnahme „den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie den Betrieb der Verkehrseinrichtungen ernstlich beeinträchtigen könnte“. Gleiches gelte für Art. 94 AEUV, aus dem sich für den Gesetzgeber eine Verpflichtung ergebe, der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer beim Erlass jeder Maßnahme auf dem Gebiet der Beförderungsentgelte und ‑bedingungen, die im Rahmen der Verträge getroffen wird, Rechnung zu tragen. Die Republik Litauen trägt vor, der Unionsgesetzgeber habe Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 erlassen, ohne seine Auswirkungen auf die an der Peripherie der Union ansässigen Verkehrsunternehmer, auf ihre wirtschaftliche Lage, auf ihre Lebensfähigkeit und damit auf die Beschäftigung in diesem Sektor zu prüfen, obwohl dieser Sektor in der Wirtschaft dieser Staaten einen deutlich größeren Anteil einnehme als in den mittel- und westeuropäischen Staaten ( 409 ). So wären die erwarteten Auswirkungen der Verordnung 2020/1055 auf die Wirtschaft dieser peripheren Mitgliedstaaten, insbesondere in Bezug auf Unternehmensschließungen, Standortverlagerungen und Arbeitsplatzverluste, stärker, ohne jedoch berücksichtigt worden zu sein. Sie seien durch die Ricardo-Studie von 2021 bestätigt worden, wonach die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen 29 % der osteuropäischen Fahrer betreffe und mit besonders hohen Kosten verbunden sei, die auf 3 Mrd. Euro jährlich geschätzt würden ( 410 ). Da der Arbeitsmarkt dieser Mitgliedstaaten gegenüber den Entwicklungen der Verkehrspolitik viel empfindlicher sei, hätte der Gesetzgeber dies berücksichtigen müssen. Der Unionsgesetzgeber habe daher offensichtlich gegen die Verpflichtungen aus Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV verstoßen. Als Bestimmung, die im Titel des Vertrags über den Verkehr enthalten sei, sei der Unionsgesetzgeber verpflichtet gewesen, Art. 94 AEUV beim Erlass der Verordnung 2020/1055 und insbesondere ihres Art. 1 Nr. 3 zu beachten.

659.

Die Republik Bulgarien ( 411 ) macht geltend, dass der Rat und das Parlament die durch den Erlass der Verordnung 2020/1055 verursachten schwerwiegenden Auswirkungen auf die Wirtschaft der peripheren Staaten hätten berücksichtigen müssen und dass diese Organe dadurch, dass sie dies nicht getan hätten, gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV verstoßen hätten. Diese Bestimmung gestatte es, die Sensibilität bestimmter im Rahmen der Verkehrspolitik erlassener Maßnahmen mit erheblichen Auswirkungen anzuerkennen und zu berücksichtigen, die bis zum Inkrafttreten des AEU-Vertrags einstimmig beschlossen worden seien, was ihnen besondere Aufmerksamkeit verschafft habe. Die Republik Bulgarien verweist auf ihr Vorbringen im Rahmen des Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht wird, um diese nachteiligen Auswirkungen auf den Lebensstandard und die Beschäftigungslage der bulgarischen Verkehrsunternehmer und, allgemeiner, auf die wirtschaftliche Situation der Verkehrsunternehmer aus den Mitgliedstaaten des peripheren Europas darzutun. Art. 1 Nr. 3 Verordnung 2020/1055 sei eine „Maßnahme auf dem Gebiet der Beförderungsentgelte und ‑bedingungen“ nach Art. 94 AEUV, deren Erlass es erfordere, der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer Rechnung zu tragen. Außerdem müsse, da Art. 90 AEUV auf die in Art. 3 Abs. 3 EUV genannten Ziele verweise, beim Erlass von verkehrspolitischen Maßnahmen dem wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt und der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, was beim Erlass von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 nicht der Fall gewesen sei. Es sei weder eine Folgenabschätzung durchgeführt worden noch eine ergänzende Anhörung oder Analyse, um zu verstehen, inwieweit der Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen durch die im Erlass befindliche Maßnahme beeinträchtigt werde.

660.

Die Republik Zypern argumentiert in allen Punkten ähnlich wie die Republik Bulgarien, wobei sie außerdem die besondere Situation der Inselstaaten und die erheblichen Folgen für die zyprische Wirtschaft und Beschäftigung hervorhebt.

661.

Ungarn ist der Ansicht, dass die Asymmetrie der nachteiligen Folgen für die Verkehrsunternehmer der Mitgliedstaaten, die an der Peripherie der Union gelegen seien, im Vergleich zu denjenigen für die Verkehrsunternehmen aus Mittel- und Westeuropa zeige, dass die Rückkehrverpflichtung gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV ( 412 ) verstoße, da der Unionsgesetzgeber die besondere Situation der Ersteren nicht berücksichtigt habe.

662.

Die Republik Malta macht geltend, die Nichtberücksichtigung der Umweltauswirkungen der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen verstoße gegen Art. 91 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta, da diese Verpflichtung den Lebensstandard und die Beschäftigungslage insbesondere in einem Inselstaat wie Malta ernstlich beeinträchtige. Der Umstand, dass die Auswirkung der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge nicht die von ihr verdiente Aufmerksamkeit erhalten habe, stelle einen Verstoß dar, dessen materielle Auswirkungen ( 413 ) auch anhand von Art. 91 Abs. 2 AEUV zu beurteilen seien. Die Auswirkungen dieser Verpflichtung auf den Betrieb der Verkehrseinrichtungen seien klar dargelegt, insbesondere in einem Inselmitgliedstaat, dessen Beförderungsrouten Seeabschnitte und erhebliche Entfernungen im Verhältnis zum europäischen Kontinent implizierten. Aufgrund der großen Entfernung zwischen Malta und dem Kontinent beruhe das gesamte maltesische Verkehrssystem auf den Beschränkungen, die durch die Geografie und die vorhandenen Seeverkehrseinrichtungen bedingt seien, und nicht auf geschäftlichen Entscheidungen. Diese Tätigkeiten würden durch die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge revolutioniert, die die maltesischen Verkehrsunternehmer verpflichte, die Logistik der Fahrzeuge radikal umzugestalten und erhebliche Kosten zu tragen. Diese Verpflichtung beeinträchtige daher den Betrieb der Verkehrseinrichtungen in Malta ernstlich. Trotz der Bedenken, die die maltesische Regierung gegenüber dem Rat mehrfach geäußert habe, seien die Auswirkungen dieser Verpflichtung auf den Betrieb der Verkehrseinrichtungen in Malta nicht berücksichtigt worden. Ihr Erlass ohne jedes technische Argument, das ihre Auswirkungen rechtfertigen könne, bestätige, dass das Parlament und der Rat ihrer Verpflichtung aus Art. 91 Abs. 2 AEUV nicht nachgekommen seien.

663.

Die Republik Polen macht geltend, dass die Beschränkungen der Erbringung von Kabotagediensten und von Dienstleistungen zwischen Drittländern, die sich aus der Anwendung der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen ergäben, das Modell der Erbringung von Straßenverkehrsdienstleistungen wesentlich änderten, was negative Auswirkungen auf den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie auf den Betrieb der Verkehrseinrichtungen habe, wobei diese Auswirkungen entgegen Art. 91 Abs. 2 AEUV nicht berücksichtigt worden seien. Die Rückkehrverpflichtung zwinge die Wirtschaftsteilnehmer eher zu einer leeren Rückkehr als zu einer Kabotagebeförderung oder Beförderung im Dreiländerverkehr und beeinträchtige damit die Rentabilität der Tätigkeit der Verkehrsunternehmer. Der Unionsgesetzgeber habe nicht berücksichtigt, dass Beschränkungen betreffend die Kabotage und den Dreiländerverkehr zum Rückzug der Verkehrsunternehmer vom Markt führen könnten und die Beschäftigung in diesem Sektor erheblich beeinflussten. Er habe auch nicht berücksichtigt, dass diese Folgen für die Verkehrsunternehmer der Mitgliedstaaten, die an der Peripherie der Union gelegen seien, besonders spürbar würden. 90 % der Verkehrsunternehmen seien KMU, die 55 % der Beschäftigten im Verkehrssektor beschäftigten. Diese Unternehmen seien besonders den negativen Folgen ausgesetzt, die mit der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen verbunden seien. Der Abbau von Arbeitsplätzen im Verkehrssektor, der infolge der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen eintreten werde, müsste diese Mitgliedstaaten besonders treffen und schwächen, was der Unionsgesetzgeber nicht berücksichtigt habe. Diese Verpflichtung führe auch zu unnötigen zusätzlichen Fahrten, die sich nachteilig auf den Betrieb bestehender Verkehrseinrichtungen auswirkten, dessen Verschlechterung im Zusammenhang mit diesen Fahrten nicht bewertet worden sei. Gleiches gelte für die Zunahme des risikobehafteten Verhaltens der Fahrer. Schließlich wirft die Republik Polen dem Gesetzgeber vor, eine Maßnahme erlassen zu haben, die die Ausübung der Tätigkeit der Verkehrsunternehmer erschwert habe, obwohl die Covid‑19-Pandemie diese bereits in einer Krise gestürzt habe.

664.

In Bezug auf den behaupteten Verstoß gegen Art. 94 AEUV wiederholt die Republik Polen, dass der Tätigkeitsbereich der Verkehrsunternehmen aus den verschiedenen Regionen der Union nicht homogen sei und dass der internationale Verkehr einen größeren Stellenwert in der Struktur des Straßenverkehrs der an der Peripherie der Union gelegenen Mitgliedstaaten einnehme, während die in den Mitgliedstaaten des Zentrums der Union niedergelassenen Verkehrsunternehmer mehr nationale oder bilaterale Beförderungen durchführten. Hohe Kosten müssen daher im Wesentlichen von den Verkehrsunternehmern getragen werden, die in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union, hauptsächlich in Form von KMU, niedergelassen seien, um der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen nachzukommen, wodurch sie besonders geschwächt würden. Der Unionsgesetzgeber hätte die besondere Natur des Marktes berücksichtigen müssen, und zwar erst recht in einem Zeitraum, der bereits durch die besondere Anfälligkeit der Verkehrsunternehmer aufgrund der Covid‑19-Krise gekennzeichnet gewesen sei. Indem er die wirtschaftliche Situation der Verkehrsunternehmer nicht berücksichtigt habe, habe er gegen Art. 94 AEUV verstoßen.

665.

Das Parlament und der Rat sowie ihre Streithelfer beantragen, die Klagegründe eines Verstoßes gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV zurückzuweisen.

2) Würdigung

666.

Die von den Klägern erhobenen Rügen verweisen häufig auf die Rügen in den Klagegründen, mit denen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen geltend gemacht wird. Im Übrigen wird dem Parlament und dem Rat mehrfach vorgeworfen, keine Abschätzung der Folgen dieser Verpflichtung auf die in Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV angeführten Kriterien vorgenommen zu haben.

667.

Dies bestätigt die Beziehung der Verhältnismäßigkeit, die sich aus den Verpflichtungen aus diesen beiden Artikeln ergibt, wie ich sie in Nr. 292 der vorliegenden Schlussanträge ausgelegt habe. Unter diesen Umständen, da bereits festgestellt worden ist, dass die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt ( 414 ), brauchen die Klagegründe, mit denen ein Verstoß gegen diese Artikel geltend gemacht wird, nicht geprüft zu werden.

f)   Zu den Klagegründen eines Verstoßes gegen die vom AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten

1) Vorbringen der Parteien

668.

Die Republik Litauen ist der Ansicht, dass die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen gegen Art. 26 AEUV verstoße. Diese Verpflichtung stelle eine protektionistische Maßnahme dar, die zu einer Fragmentierung des Marktes führe, den Wettbewerb beschränke und die Verkehrsunternehmen der Mitgliedstaaten, die am geografischen Rand der Union gelegen seien, diskriminiere.

669.

Die Rückkehrverpflichtung stelle eine ungerechtfertigte Beschränkung der Ausübung der Freiheiten des Binnenmarkts dar. Diese Verpflichtung sei erlassen worden, ohne zu prüfen, ob die verfolgten Ziele erhebliche negative Folgen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer hätten rechtfertigen können, und ohne sicherzustellen, dass die Belastung der Wirtschaftsteilnehmer so gering wie möglich sei. Die besondere Stellung des Verkehrssektors für das Funktionieren des Binnenmarkts sei von der Kommission hervorgehoben worden ( 415 ), und das Diskriminierungsverbot sei im Bereich des Niederlassungsrechts durch Art. 49 AEUV, der auch für juristische Personen gelte, umgesetzt worden. Der Umstand, dass das Streben nach einem Binnenmarkt im Sinne von Art. 26 AEUV durch andere Vertragsbestimmungen umgesetzt werde, nehme dieser Bestimmung nicht ihre Relevanz, und die Maßnahmen, die in der Sache gegen die in Art. 26 AEUV genannten Ziele verstießen, könnten nicht als mit diesem Artikel vereinbar angesehen werden. Die schädlichen Auswirkungen auf das Streben nach einem Binnenmarkt würden durch die Folgenabschätzung – Teil Niederlassung und die Ricardo-Studie von 2021 bestätigt.

670.

Die Republik Bulgarien macht geltend, Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 stelle erstens einen Verstoß gegen die freie Berufsausübung, die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV sowie gegen die Art. 15 und 16 der Charta dar (sechster Klagegrund in der Rechtssache C‑545/20), zweitens einen Verstoß gegen den freien Verkehr von Verkehrsdienstleistungen auf der Grundlage von Art. 58 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 91 AEUV, hilfsweise Art. 56 AEUV (siebter Klagegrund, erster Teil, in der Rechtssache C‑545/20) und drittens gegen den freien Warenverkehr nach den Art. 34 und 35 AEUV (siebter Klagegrund, zweiter Teil, in der Rechtssache C‑545/20).

671.

Erstens stelle die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen, indem sie den Verkehrsunternehmern zusätzliche Belastungen auferlege, einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit und das Niederlassungsrecht, wie sie in Art. 49 AEUV und Art. 15 Abs. 1 und Art. 16 der Charta anerkannt seien, der Verkehrsunternehmer der Inselmitgliedstaaten und peripheren Mitgliedstaaten dar, da einige gezwungen würden, ihre Tätigkeit einzustellen, während andere gezwungen würden, sich in einem zentralen Mitgliedstaat niederzulassen. Die Verordnung (EU) 2020/1055 würde dadurch, dass sie verschiedene Verkehrsunternehmer aus peripheren Mitgliedstaaten oder Inselmitgliedstaaten von der wirtschaftlichen Tätigkeit ausschließe, das Bestehen der Berufsausübungsfreiheit gefährden. Ein solcher Eingriff sei nicht gerechtfertigt, weil er unverhältnismäßig sei. Die Maßnahmen, die die Ausübung der Niederlassungsfreiheit behinderten oder weniger attraktiv machten, seien als eine Beschränkung dieser Freiheit anzusehen. Die Rückkehrverpflichtung mache aber die Niederlassung in den peripheren Mitgliedstaaten oder Inselmitgliedstaaten für internationale Verkehrsunternehmer weniger attraktiv, während der Sektor des internationalen Verkehrs vollständig liberalisiert sei.

672.

Zweitens beschränke die Rückkehrverpflichtung den freien Verkehr der Verkehrsdienstleistungen erheblich, da die Rückkehr die Verkehrsunternehmer daran hindere, weiterhin Verkehrsdienstleistungen anzubieten, obwohl ihnen der freie Dienstleistungsverkehr primärrechtlich gewährleistet sei. Die Tätigkeiten der Erbringer von Verkehrsdienstleistungen würden viel von ihrer Attraktivität und ihrem Vorteil verlieren. Die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen ohne Berücksichtigung des Vorhandenseins von Fracht zu einem bestimmten Zeitpunkt stelle das gesamte Geschäftsmodell bestimmter Verkehrsunternehmer grundsätzlich in Frage. Damit würde gegen Art. 58 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 91 AEUV verstoßen. Die Auferlegung der Rückkehrverpflichtung führe wieder eine Form der Diskriminierung ein und stelle einen Rückschritt bei der Einführung einer gemeinsamen Verkehrspolitik dar, die den freien Dienstleistungsverkehr gewährleiste. Sollte der Gerichtshof Art. 56 AEUV für anwendbar erklären, wäre auch diese Bestimmung als verletzt anzusehen. In der Erwiderung weist die Republik Bulgarien darauf hin, dass der Gerichtshof das Erfordernis der Niederlassung als notwendige Voraussetzung für die Erbringung der Verkehrsdienstleistungen bereits als eine gegen das Niederlassungsrecht verstoßende Beschränkung angesehen habe.

673.

Drittens macht die Republik Bulgarien geltend, dass die Rückkehrverpflichtung schwerwiegende Folgen haben werde, die den freien Warenverkehr beeinträchtigten und die gleiche Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen hätten, obwohl diese nach den Art. 34 und 35 AEUV verboten seien.

674.

Die Republik Zypern argumentiert ebenso wie die Republik Bulgarien.

675.

Rumänien macht geltend, dass die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen die Gründung von Gesellschaften in Rumänien durch Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten der Union erheblich behindere, da sie erhebliche Betriebskosten und einen Rückgang der Einnahmen für ein Unternehmen mit Sitz in einem peripheren Mitgliedstaat der Union wie Rumänien verursache. Eine solche Verpflichtung verstoße daher gegen Art. 49 AEUV, indem sie die Ausübung der Niederlassungsfreiheit erschwere und weniger attraktiv mache. Dadurch würden die Rentabilität und damit die Attraktivität der Gründung eines Verkehrsunternehmens in diesem Mitgliedstaat beeinträchtigt. Mehr als 45 % der in Rumänien niedergelassenen Verkehrsunternehmen beabsichtigten, eine Gesellschaft oder eine Zweigniederlassung zu gründen oder die Tätigkeit in andere westeuropäische Mitgliedstaaten zu verlagern, um die negativen Auswirkungen des Mobilitätspakets einzudämmen. Auch wenn die Rückkehrverpflichtung nicht zur Folge habe, dass Personen, die ihren Wohnsitz nicht in Rumänien hätten, die Gründung von Verkehrsunternehmen verboten werde, erschwere diese Maßnahme jedoch die Gründung von Gesellschaften in Rumänien und mache sie weniger attraktiv und stelle eine ungerechtfertigte und unverhältnismäßige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar.

676.

In der Erwiderung hebt Rumänien die Unterschiede zwischen den Standpunkten des Rates, wonach die Verordnung Nr. 1071/2009 eine wichtige Maßnahme zur Gewährleistung der Niederlassungsfreiheit sei, und des Parlaments, wonach die Verordnung Nr. 1071/2009 die Niederlassungsfreiheit nicht regele, da Art. 5 dieser Verordnung nur eine Voraussetzung für die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit vorsehe, hervor. Rumänien bestreitet die Behauptung des Parlaments, dass nur nationale Maßnahmen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit darstellen könnten, obwohl der Gerichtshof bereits entschieden habe, dass das Verbot von Beschränkungen des freien Warenverkehrs und des freien Dienstleistungsverkehrs nicht nur für die nationalen Maßnahmen, sondern auch für Maßnahmen der Unionsorgane gelte.

2) Würdigung

677.

Ich habe bereits auf den besonderen Charakter und die besondere Stellung des Verkehrssektors in den Verträgen hingewiesen ( 416 ), einem Sektor, der einer besonderen rechtlichen Regelung im Rahmen des Binnenmarkts unterworfen ist. Ich erinnere insbesondere daran, dass sich der Sonderstatus des Verkehrs im Rahmen der Regelung des Binnenmarkts dadurch unterscheidet, dass ein Niederlassungsrecht in jedem Mitgliedstaat, das auf dem Vertrag beruht, mit einem Recht der Verkehrsunternehmer auf freie Erbringung von Verkehrsdienstleistungen kombiniert wird, das nur insoweit garantiert wird, als dieses Recht durch vom Unionsgesetzgeber im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik erlassene Maßnahmen des abgeleiteten Rechts anerkannt wurde. Somit ist der grenzüberschreitende Verkehr vollständig liberalisiert. Anders verhält es sich bei inländischen Beförderungen, die noch Beschränkungen unterliegen, wenn sie von gebietsfremden Verkehrsunternehmern durchgeführt werden.

678.

Was Art. 26 AEUV betrifft, beziehen sich die in dessen Abs. 1 und 2 aufgestellten allgemeinen Grundsätze jeweils auf die anderen einschlägigen Bestimmungen der Verträge, so dass, wie das Parlament geltend macht, ein Rechtsakt der Union im Bereich des Verkehrs, wie es bei der Verordnung 2020/1055 der Fall ist, nicht allein anhand dieser Bestimmung geprüft werden kann, ohne deren genaue Tragweite zu verkennen und die übrigen einschlägigen Bestimmungen des Vertrags, insbesondere Art. 58 Abs. 1 AEUV, auszublenden.

679.

Die Verkehrsdienstleistungen sind nur insoweit liberalisiert, als sich der Unionsgesetzgeber für sein Handeln auf Art. 91 AEUV stützt, der als lex specialis wirkt. Der Vertrag überträgt dem Gesetzgeber die Aufgabe, „für den internationalen Verkehr aus oder nach dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats oder für den Durchgangsverkehr durch das Hoheitsgebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gemeinsame Regeln“ aufzustellen. Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009, vor seiner Änderung durch die Verordnung 2020/1055, ist eine dieser gemeinsamen Regeln oder Voraussetzungen, die jeder Verkehrsunternehmer einhalten muss, um seine Verkehrsdienstleistungen in der Union erbringen zu dürfen. Ich erinnere daran, dass der Gegenstand der Verordnung Nr. 1071/2009, wie er in ihrem Art. 1 Abs. 1 dargelegt wird, darin besteht, „den Zugang zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers und dessen Ausübung“ ( 417 ) zu regeln. Die Tatsache, dass die Ausübung des Berufs des Verkehrsunternehmers von der Einhaltung von Regeln und Voraussetzungen abhängig gemacht wird, führt de facto nicht zu einem Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit. Meines Erachtens betreffen diese Regeln und Voraussetzungen möglicherweise eher die Frage der Modalitäten der Liberalisierung des Marktes für Verkehrsdienstleistungen, hinsichtlich deren der Gesetzgeber, wie das Parlament geltend macht, über ein weites Ermessen verfügt.

680.

In Bezug auf den Vorwurf eines Verstoßes gegen Art. 49 AEUV bekräftige ich, wie Rumänien geltend macht, dass das Verbot von Beschränkungen der vom Vertrag garantierten Grundfreiheiten nicht nur für nationale Maßnahmen, sondern auch für Maßnahmen der Unionsorgane gilt ( 418 ) und dass die Niederlassungsfreiheit insoweit keine Ausnahme darstellt. Die Prüfung wird sich im Übrigen an den Nrn. 159 ff. der vorliegenden Schlussanträge orientieren, und es können ähnliche Erwägungen wie in Bezug auf die Rückkehrverpflichtung der Fahrer angestellt werden. Die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen wird unterschiedslos jedem Verkehrsunternehmen auferlegt, das Beförderungen im Straßenverkehr innerhalb der Union durchführen möchte. Sie soll eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung der Kraftverkehrsunternehmer gewährleisten. Als solche regelt diese Verpflichtung weder, noch beschränkt in irgendeiner Weise, die – uneingeschränkte – Freiheit der Wirtschaftsteilnehmer eines Mitgliedstaats, sich im Aufnahmemitgliedstaat niederzulassen sowie nach den Bestimmungen des Niederlassungsstaats für dessen eigene Angehörige dort selbständige Erwerbstätigkeiten aufzunehmen und dort Unternehmen zu gründen ( 419 ). Wie der Rat ausführt, ist die Rückkehrverpflichtung nicht dazu bestimmt, während des Genehmigungsverfahrens der Verkehrsunternehmen berücksichtigt zu werden, da diese Unternehmen dieser Verpflichtung nachkommen müssen, nachdem sie sich niedergelassen haben und sobald sie mit der Erbringung ihrer Dienstleistungen beginnen. Es gibt daher keine beschränkende Wirkung der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen auf die Niederlassungsfreiheit.

681.

Die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen hindert die Verkehrsunternehmer nicht daran, von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen, da nicht bestritten wird, dass sie die Freiheit haben, den Sitz ihrer Tätigkeiten zu verlagern, wenn sie dies wünschen. Das Vorbringen, die Niederlassung von Gesellschaften in den peripheren Mitgliedstaaten werde durch den erheblichen Anstieg der Kosten im Zusammenhang mit der Rückkehrverpflichtung verhindert, ist zurückzuweisen, da es auf dem Fortbestehen eines Geschäftsmodells beruht, das in die alleinige Verantwortung dieser Verkehrsunternehmer fällt. Der Anstieg der Kosten ist umso erheblicher, wenn sich ein Verkehrsunternehmer dafür entscheidet, im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats tätig zu werden, der weit von dem Mitgliedstaat entfernt ist, in dem er niedergelassen ist. Es ist nicht Sache des Unionsgesetzgebers, etwaige Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der geografischen Entfernung zwischen dem Sitz des Wirtschaftsteilnehmers und dem tatsächlichen Ort seiner Tätigkeiten auszugleichen.

682.

Was die Berufung auf die Charta betrifft, schützen Art. 15 Abs. 1 und Art. 16 das Recht, zu arbeiten und einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben, bzw. die unternehmerische Freiheit nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten. Die Republik Bulgarien und die Republik Zypern machen im Zusammenhang mit der Behauptung eines Verstoßes gegen Art. 49 AEUV geltend, dass die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen das Bestehen der Berufsausübungsfreiheit gefährde.

683.

Erstens setzt die Ausübung jeder Berufstätigkeit zwangsläufig die Annahme der sie umgebenden Regeln und Voraussetzungen für die Ausübung voraus. Zweitens sieht, selbst unter der Annahme, dass die Rückkehrverpflichtung eine Beschränkung der Berufstätigkeit der betreffenden Wirtschaftsteilnehmer darstellt, Art. 52 Abs. 1 der Charta vor, dass Einschränkungen durch das Gesetz und unter Achtung des Wesensgehalts der in der Charta verankerten Rechte und Freiheiten vorgenommen werden können. Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Rückkehrverpflichtung die Berufsfreiheit des Kraftverkehrsunternehmers in seinem Wesensgehalt unangetastet lässt ( 420 ). Drittens ergibt sich aus dieser Bestimmung, dass jede Einschränkung erforderlich sein und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen tatsächlich entsprechen muss. Da der Gesetzgeber es im Rahmen des ihm eingeräumten weiten Ermessens für erforderlich gehalten hat, tätig zu werden, um u. a. lauteren Wettbewerb und gleiche Wettbewerbsbedingungen sicherzustellen, die das reibungslose Funktionieren des Verkehrsbinnenmarkts gewährleisten sollen, ist festzustellen, dass kein Verstoß gegen die Art. 15 und 16 der Charta vorliegt.

684.

Was den behaupteten Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit betrifft, weise ich darauf hin, dass nach Art. 58 Abs. 1 und Art. 91 AEUV der freie Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs vom Unionsgesetzgeber durchgeführt wird. Die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen kann daher, nochmals, nicht Gegenstand einer gesonderten Prüfung nach Art. 56 AEUV sein, ohne die Besonderheit des Verkehrs im Hinblick auf den freien Dienstleistungsverkehr zu verkennen. Wie ich bereits ausgeführt habe ( 421 ), ist der Unionsgesetzgeber folglich berechtigt, die Bedingungen zu ändern, unter denen die Dienstleistungsfreiheit im Bereich des Straßenverkehrs ausgeübt wird, um u. a. das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten, da der Grad der Liberalisierung dieser Dienstleistungen vom Unionsgesetzgeber selbst im Rahmen der Durchführung der gemeinsamen Verkehrspolitik bestimmt wird. Ich weise darauf hin, dass der Gerichtshof eine Unternehmung des Unionsgesetzgebers bereits als rechtmäßig angesehen hat, mit dem er den freien Dienstleistungsverkehr auf einer fairen Grundlage sicherstellen wollte, d. h. in einem rechtlichen Rahmen, der einen Wettbewerb gewährleistet, der nicht darauf beruht, dass in ein und demselben Mitgliedstaat Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen gelten, deren Niveau sich wesentlich unterscheidet ( 422 ). Die Auferlegung einer Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen soll gewährleisten, dass die Niederlassung des Verkehrsunternehmers tatsächlich und dauerhaft ist, um einen echten Zusammenhang zu dem Niederlassungsmitgliedstaat zu gewährleisten, der u. a. die Steuer- und Sozialvorschriften festlegt, die auf den Verkehrsunternehmer anzuwenden sind. Der Unionsgesetzgeber hat im achten Erwägungsgrund der Verordnung (EU) 2020/1055 klar zum Ausdruck gebracht, dass das Ziel darin bestand, Briefkastenfirmen zu bekämpfen und das Risiko der Organisation systematischer Kabotage und eines Systems von ‚Autobahn-Nomaden‘ zu verringern, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts im Verkehrsbereich zu gewährleisten. Unter diesen Umständen sind die Rügen eines Verstoßes gegen Art. 56 und Art. 58 Abs. 1 AEUV als unbegründet zurückzuweisen.

685.

Was die Geltendmachung einer Beeinträchtigung des freien Warenverkehrs betrifft, haben die Republik Bulgarien und die Republik Zypern meines Erachtens die Auswirkungen der Rückkehrverpflichtung auf den freien Warenverkehr nicht hinreichend nachgewiesen, indem sie sich auf allgemeine Behauptungen beschränkt haben. Ein solcher Nachweis ist nämlich umso schwieriger, als die behaupteten beschränkenden Wirkungen der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen eindeutig zu ungewiss und zu mittelbar erscheinen, als dass Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 als geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern, und somit als Beschränkung im Sinne der Art. 34 und 35 AEUV angesehen werden könnte ( 423 )

686.

Folglich sind die Klagegründe eines Verstoßes gegen die Art. 15 und 16 der Charta sowie gegen die Art. 26, 34, 35, 49, 56 und Art. 58 Abs. 1 AEUV als unbegründet zurückzuweisen.

g)   Ergebnis

687.

Aus den in den Nrn. 642 ff. der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Gründen ist den Klagen der Republik Litauen (C‑542/20), der Republik Bulgarien (C‑545/20), Rumäniens (C‑547/20), der Republik Zypern (C‑549/20), Ungarns (C‑551/20), der Republik Malta (C‑552/20) und der Republik Polen (C‑554/20), soweit sie gegen Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 gerichtet sind, soweit diese Bestimmung Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1071/2009 geändert hat, indem er darin eine Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen eingefügt hat, stattzugeben und diese Bestimmung für nichtig zu erklären.

2.   Zur Verpflichtung, über eine im Verhältnis zum Umfang der Verkehrstätigkeit des Unternehmens angemessene Zahl an Fahrzeugen sowie an Fahrern zu verfügen (Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit er Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1071/2009 einen Buchst. g hinzugefügt hat)

688.

Nur die Republik Polen bestreitet die Rechtmäßigkeit von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit er Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1071/2009 einen Buchst. g hinzugefügt hat, und macht insoweit zwei Klagegründe geltend, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und zweitens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit rügt. Darüber hinaus macht die Republik Polen mit dem übergreifenden gemeinsamen Klagegrund gegen alle mit ihrer Klage in der Rechtssache C‑554/20 angefochtenen Bestimmungen der Verordnung 2020/1055 einen Verstoß gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta geltend.

a)   Zum ersten Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

1) Vorbringen der Parteien

689.

In Bezug auf den Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit macht die Republik Polen geltend, dass die Verpflichtung, im Niederlassungsmitgliedstaat gewöhnlich und dauerhaft über eine – im Verhältnis zum Umfang der Verkehrstätigkeit des Unternehmens angemessene – Zahl an Fahrzeugen, die den festgelegten Anforderungen ( 424 ) genügen, sowie an Fahrern, die normalerweise einer Betriebsstätte in diesem Mitgliedstaat zugeordnet sind, zu verfügen, auf willkürlichen Kriterien beruhe, dass sie nicht geeignet sei, die Ziele der Verordnung 2020/1055 zu erreichen, die im Übrigen nicht näher dargelegt worden seien, und dass sie für die Wirtschaftsteilnehmer im Vergleich zu ihren möglichen positiven Auswirkungen unverhältnismäßige negative wirtschaftliche Folgen hätte. Die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme sei in der Folgenabschätzung nicht hinreichend beurteilt worden, die Gründe für ihre Einführung blieben ebenso unklar wie die verfolgten Ziele. Die Verordnung 2020/1055 sehe bereits eine Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge und eine Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrer vor, so dass der neue Art. 5 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1071/2009 eine zusätzliche Maßnahme darstelle, die die Mobilität der Fahrzeuge, die den Unternehmen zur Verfügung stünden, weiter einschränke. Es handele sich um ein völlig willkürliches Erfordernis, das den Besonderheiten der Tätigkeiten des internationalen Güterkraftverkehrs nicht Rechnung trage, und um ein absurdes Hindernis für die Ausübung solcher Tätigkeiten. Die Republik Polen rügt, dass zwischen dem in Art. 5 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1071/2009 eingeführten Erfordernis und der Frage einer tatsächlichen und dauerhaften Niederlassung kein objektiver Zusammenhang bestehe, und macht geltend, dass ein solches Erfordernis in Wirklichkeit nicht die Regeln für die Bestimmung des Niederlassungsorts betreffe, sondern die Modalitäten der Organisation der Verkehrstätigkeit selbst regele. Außerdem trägt die Republik Polen vor, dieses zwinge die Verkehrsunternehmer dazu, zusätzliche Leerfahrten zu organisieren, räumt aber ein, dass es wegen der Ungenauigkeit dieser Bestimmung schwierig sei, die Zahl der zusätzlichen Fahrten zu ermitteln. Die Einhaltung dieses Erfordernisses würde den Unternehmen Kosten verursachen, sowohl im Zusammenhang mit zusätzlichen Leerfahrten als auch der Vergrößerung ihres Fuhrparks oder der Zahl der Fahrer. Diese zusätzlichen Kosten seien für die KMU schwer zu tragen, aus denen der Sektor überwiegend bestehe, und führten zu Insolvenzen und Standortverlagerungen. Die Folgenabschätzung habe diese Gesichtspunkte nicht berücksichtigt. Da die Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts zum Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen sei, sei der neue Art. 5 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1071/2009 in der durch die Verordnung (EU) 2020/1055 geänderten Fassung während einer Zeit erlassen worden, in der die im Verkehrssektor tätigen Unternehmen aufgrund der Covid‑19-Pandemie geschwächt worden seien. Da der Unionsgesetzgeber über die Daten betreffend die Auswirkungen der Pandemie auf den Verkehrssektor verfügt habe, sei es daher nicht angebracht gewesen, dass er den Unternehmen ungerechtfertigte zusätzliche Ausgaben auferlege.

690.

Der Rat und das Parlament beantragen, den vorliegenden Klagegrund zurückzuweisen.

2) Würdigung

691.

Ich weise darauf hin, dass der neue Art. 5 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1071/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung eine neue Voraussetzung für die Anforderung der Niederlassung enthält, indem er vorsieht, dass ein Unternehmen, damit davon ausgegangen werden kann, dass es im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1071/2009 über eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung im Niederlassungsmitgliedstaat verfügt, gewöhnlich und dauerhaft über eine – im Verhältnis zum Umfang der Verkehrstätigkeit des Unternehmens angemessene – Zahl an Fahrzeugen sowie an Fahrern, die normalerweise einer Betriebsstätte in diesem Mitgliedstaat zugeordnet sind, verfügen muss.

692.

Zunächst weise ich darauf hin, dass Art. 1 Nr. 3 Buchst. d des Vorschlags der Kommission zur Änderung der Verordnung Nr. 1071/2009 vorsah, Art. 5 dieser Verordnung die Verpflichtung hinzuzufügen, in einem im Verhältnis zur Größe und Tätigkeit der Niederlassung angemessenen Umfang Vermögenswerte zu halten und Mitarbeiter zu beschäftigen. Eine solche Verpflichtung war Gegenstand einer umfassenden Analyse ihrer Auswirkungen, die zusammen mit den sechs anderen von der Kommission aufgelisteten Maßnahmen in der Folgenabschätzung zum ursprünglichen Vorschlag der Kommission betrachtet wurde ( 425 ). Obwohl die letztlich vom Unionsgesetzgeber gewählte Formulierung leicht von diesem Vorschlag abweicht ( 426 ), liegt es auf der Hand, dass der Unionsgesetzgeber über ausreichende Daten verfügte, um die Auswirkungen des Erlasses der nunmehr in Art. 5 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1071/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung vorgesehenen Verpflichtung zu erfassen. Wie der Rat ausgeführt hat, gehört diese Bestimmung nicht zu den Bestimmungen des Mobilitätspakets, gegen die die Kommission Vorbehalte geäußert hat ( 427 ).

693.

Dieser neue Art. 5 Abs. 1 Buchst. g trägt meines Erachtens eindeutig zur Verfolgung der im sechsten Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055 genannten Ziele bei, nämlich dem Phänomen der Briefkastenfirmen beizukommen und im Binnenmarkt lauteren Wettbewerb und gleiche Wettbewerbsbedingungen sicherzustellen, wofür gewährleistet werden muss, dass die Verkehrsunternehmer sich tatsächlich und dauerhaft im Niederlassungsmitgliedstaat aufhalten und ihre Verkehrstätigkeit von dort ausüben. Zu diesem Zweck wollte der Unionsgesetzgeber „die Vorschriften für eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung … präzisieren und … stärken, zugleich jedoch einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand … vermeiden“. Die verfolgten Ziele scheinen mir, wie das Parlament und der Rat geltend machen, klar erkennbar zu sein.

694.

Diese Präzisierung und Stärkung erfolgte durch den Erlass mehrerer zentraler Maßnahmen, u. a. der Maßnahme betreffend die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge und der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrer. Insoweit trifft es nicht zu, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1071/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung diese beiden früheren Verpflichtungen verdoppele. Wie der Rat und das Parlament hervorgehoben haben, stellt dieser Artikel eine quantitative Anforderung an die verfügbare Ausrüstung und die verfügbaren personellen Ressourcen, betrifft aber weder den Grad der Mobilität der Fahrzeuge und Fahrer noch die Häufigkeit der Rückkehr, die ihrerseits in Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1071/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung in Bezug auf die Fahrzeuge und in Art. 8 Abs. 8a der Verordnung Nr. 561/2006 in der durch die Verordnung 2020/1054 geänderten Fassung in Bezug auf Fahrer geregelt ist. Aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. g der geänderten Verordnung Nr. 1071/2009 ergibt sich auch nicht, dass eine dauerhafte Präsenz im Mitgliedstaat der Niederlassung der Fahrzeuge oder der Fahrer erforderlich wäre.

695.

Die mit dieser Verpflichtung verbundenen Anforderungen erscheinen nicht unverhältnismäßig. Zunächst muss die Zahl an Fahrzeugen und an Fahrern im Verhältnis zum Umfang der Verkehrstätigkeit des Unternehmens angemessen sein. Es erscheint auf den ersten Blick schwierig, die Unverhältnismäßigkeit einer Bestimmung festzustellen, die ausdrücklich auf das von ihr geschaffene angemessene Verhältnis verweist. Sodann beschränkt sich Art. 5 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1071/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung darauf, die Nutzung von Material und Personal zu verlangen, ohne z. B. die Art der Rechtsbeziehungen vorzuschreiben, die das Unternehmen an seine Fahrer binden müssten. Der Vorwurf der Republik Polen in Bezug auf die ungerechtfertigten wirtschaftlichen Folgen im Zusammenhang mit dem Kauf von Fahrzeugen oder der Einstellung von Fahrern erscheint unbegründet, da von einer großen Mehrheit der Verkehrsunternehmer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass ihre Tätigkeiten bereits auf ausreichenden materiellen und personellen Mitteln beruhen. Schließlich beruht das Argument, wonach dieser Art. 5 Abs. 1 Buchst. g die Modalitäten der Organisation der Verkehrstätigkeit willkürlich regele, auf einem falschen Verständnis dieses Artikels, da dieser Artikel, wie der Rat geltend macht, in keiner Weise den Ort regelt, an dem der Verkehrsdienst erbracht werden soll, sondern lediglich – aus den u. a. in den Erwägungsgründen 6 und 8 der Verordnung 2020/1055 dargelegten Gründen – den Zusammenhang zwischen dem Unternehmen und dem Niederlassungsmitgliedstaat, von dem aus es tätig ist, stärken soll. Es geht insbesondere aus dem achten Erwägungsgrund dieser Verordnung hervor, dass der Unionsgesetzgeber ausdrücklich jede Änderung abgelehnt hat, die dazu führte, die Verkehrsunternehmer zu verpflichten, dass eine bestimmte Anzahl von Tätigkeiten im Niederlassungsmitgliedstaat durchgeführt wird, oder dass die Möglichkeit dieser Verkehrsunternehmer, Dienstleistungen überall im Binnenmarkt zu erbringen, anderweitig eingeschränkt wird. Damit ergibt sich eindeutig, dass die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1071/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung vorgesehene Verpflichtung, wonach ein Unternehmen, damit davon ausgegangen werden kann, dass es über eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung im Niederlassungsmitgliedstaat verfügt, gewöhnlich und dauerhaft über eine – im Verhältnis zum Umfang der Verkehrstätigkeit des Unternehmens angemessene – Zahl an Fahrzeugen sowie an Fahrern, die normalerweise einer Betriebsstätte in diesem Mitgliedstaat zugeordnet sind, verfügen muss, das Ergebnis der Umsetzung des weiten Ermessens des Gesetzgebers in einem Bereich ist, in dem eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen ist.

696.

Schließlich kann dem Unionsgesetzgeber nicht vorgeworfen werden, dass er sich dafür entschieden hat, die Verkehrsunternehmer zu zusätzlichen Ausgaben zu zwingen, obwohl sie bereits durch die wirtschaftlichen Folgen im Zusammenhang mit der Covid‑19-Pandemie geschwächt waren. Denn zum einen sah die Verordnung 2020/1055 ihre Anwendung ab dem 21. Februar 2022 vor, d. h. mehr als 18 Monate nach ihrem Erlass am Ende der ersten Welle im Zusammenhang mit der Pandemie, und zum anderen erläutert die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1071/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung vorgesehene Voraussetzung letztlich nur eine normalerweise von jedem auf dem Kraftverkehrsmarkt tätigen Unternehmen erwartete Voraussetzung, an die sich die meisten Unternehmen bereits hielten.

697.

Folglich ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als unbegründet zurückzuweisen.

b)   Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

1) Vorbringen der Parteien

698.

Nach einem Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs macht die Republik Polen geltend, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1071/2009 in der durch die Verordnung (EU) 2020/1055 geänderten Fassung wegen seiner Ungenauigkeit nicht den Anforderungen des Grundsatzes der Rechtssicherheit genüge. Die darin enthaltenen Begriffe seien zu vage, so dass der Umfang der Verpflichtung, die diese Bestimmung mit sich bringe, dadurch beeinträchtigt werde. Die Unternehmen befänden sich in einer Situation der Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Vereinbarkeit ihrer Handlungen mit der Verpflichtung, gewöhnlich und dauerhaft über eine – im Verhältnis zum Umfang der Verkehrstätigkeit des Unternehmens angemessene – Zahl an Fahrzeugen sowie an Fahrern, die normalerweise einer Betriebsstätte in diesem Mitgliedstaat zugeordnet sind, zu verfügen. Denn die Unmöglichkeit für die Unternehmen, zu wissen, ob sie eine der Voraussetzungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit erfüllten, setze sie schwerwiegenden Rechtsfolgen aus.

699.

Zum einen sei das Kriterium der normalen Zuordnung der Fahrer und Fahrzeuge zu einer Betriebsstätte im Niederlassungsmitgliedstaat sehr vage und interpretationsbedürftig. Da die Rückkehr der Fahrzeuge und Fahrer bereits durch andere Bestimmungen geregelt sei, stelle dieses Kriterium ein gesondertes Erfordernis dar, dessen Tragweite nicht bestimmt werden könne. Zum anderen sei auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit sehr unklar, und es sei unmöglich, die Zahl der Fahrzeuge und Fahrer, auf die sich die Bestimmung beziehe, konkret zu bestimmen.

700.

Schließlich bestehe ein grundlegender Unterschied zwischen Art. 5 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1071/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung und Art. 5 Buchst. c der Verordnung Nr. 1071/2009, wonach der Verkehrsunternehmer seine Tätigkeit von der Betriebsstätte im Niederlassungsmitgliedstaat mittels der „erforderlichen verwaltungstechnischen Ausstattung“ und „der angemessenen technischen Ausstattung und Einrichtung“ ausüben müsse, da diese Ausstattung und Einrichtung für die Verkehrstätigkeit von untergeordneter Bedeutung seien, während die Frage der Zahl der Fahrzeuge und Fahrer für die Unternehmensführung entscheidend sei. Es sei daher besonders wichtig, dass die Verpflichtung genau formuliert sei.

701.

Das Parlament und der Rat beantragen, diesen Klagegrund zurückzuweisen.

2) Würdigung

702.

Aus der in den Nrn. 117 ff. der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung geht hervor, dass die Kontrolle der Beachtung des Grundsatzes der Rechtssicherheit die Prüfung erfordert, ob die untersuchte Bestimmung derart unklar ist, dass ihre Adressaten etwaige Zweifel in Bezug auf ihre Reichweite oder ihren Sinn nicht mit hinreichender Sicherheit ausräumen können, so dass sie nicht in der Lage wären, ihre Rechte und Pflichten aus dieser Bestimmung eindeutig zu bestimmen.

703.

Insoweit weise ich darauf hin, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1071/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung eine der Voraussetzungen für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers enthält, indem er das Erfordernis einer tatsächlichen und dauerhaften Niederlassung im Niederlassungsmitgliedstaat verstärkt.

704.

Zum einen müssen die Verkehrsunternehmen gewöhnlich und dauerhaft über Fahrzeuge und Fahrer verfügen. Ich sehe in diesem Stadium keine Schwierigkeit, aufgrund derer diese Unternehmen nicht in der Lage wären, zu erkennen, dass sie über die für ihre Tätigkeit erforderlichen materiellen und personellen Mittel (d. h. über Fahrzeuge und Fahrer) verfügen – und nicht diese besitzen – müssen. Der Sinn der Bezugnahme auf die Betriebsstätte, der die Fahrer normalerweise zugeordnet sind, kann erforderlichenfalls durch die Lektüre der Rechtsprechung des Gerichtshofs in sachdienlicher Weise geklärt werden ( 428 ).

705.

Zum anderen müssen diese Unternehmen über „im Verhältnis zum Umfang der Verkehrstätigkeit des Unternehmens angemessene“ materielle und personelle Mittel verfügen. Von diesen Unternehmen wird verlangt, dass ihr Fuhrpark in Beziehung zum Umfang ihrer Tätigkeiten steht, ebenso wie ihre Arbeitskräfte, da es sich hier, wie die Republik Polen hervorhebt, um zwei Elemente handelt, die der Tätigkeit des Kraftverkehrsunternehmers innewohnen. Die Republik Polen macht geltend, die Bezugnahme auf die Verhältnismäßigkeit mache es unmöglich, die Zahl der Fahrzeuge und Fahrer zu bestimmen, über die die Unternehmen konkret verfügen müssten. Ich denke vielmehr, dass die Kraftverkehrsunternehmer als Gewerbetreibende den Fluss der Fahrzeuge ständig in Bezug zur Verfügbarkeit der Fahrer verwalten und eine recht genaue Vorstellung von der Zahl der Fahrzeuge und Fahrer haben, die für ihre Tätigkeiten erforderlich sind. Hätte der Unionsgesetzgeber die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1071/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung vorgesehene Verpflichtung genauer geregelt, indem er z. B. eine Zahl von Fahrzeugen und Fahrern festgelegt hätte, über die die Unternehmen z. B. nach Maßgabe ihres Umsatzes verfügen müssten, hätten diese Unternehmen sowie die für die Kontrolle der Einhaltung der Anforderungen von Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung zuständigen Behörden nicht über den erforderlichen Ermessensspielraum und damit über die Flexibilität verfügt, um gegebenenfalls andere Umstände als den Umsatz zu berücksichtigen. Jedenfalls ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Erfordernisse des Grundsatzes der Rechtssicherheit nicht dahin zu verstehen sind, dass sie gebieten, dass in einer Norm immer die verschiedenen konkreten Fälle genannt werden, auf die sie angewandt werden kann, sofern der Unionsgesetzgeber nicht alle diese Fälle im Voraus bestimmen kann ( 429 ).

706.

Aus der Würdigung ergibt sich somit, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1071/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung hinreichend klar, bestimmt und in seinen Auswirkungen vorhersehbar ist, damit sich die Betroffenen bei unter das Unionsrecht fallenden Tatbeständen und Rechtsbeziehungen orientieren können ( 430 ). Der Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit ist als unbegründet zurückzuweisen.

c)   Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta

1) Vorbringen der Parteien

707.

Was den letzten Klagegrund betrifft, und da es sich um einen allen angefochtenen Bestimmungen gemeinsamen Klagegrund handelt, der bereits zusammengefasst worden ist ( 431 ), beschränke ich mich hier im Wesentlichen auf den Hinweis, dass die Republik Polen einen Verstoß gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta geltend macht, weil der Unionsgesetzgeber die Erfordernisse des Umweltschutzes nicht berücksichtigt habe, und vorbringt, dass die neue Verpflichtung zu einem erheblichen Anstieg der Leerfahrten beitrage, der aus wirtschaftlicher Sicht nicht gerechtfertigt sei. Die Republik Polen macht geltend, der Unionsgesetzgeber habe die Auswirkungen der Durchführung der angefochtenen Bestimmungen nicht untersucht, so dass er die mit der Verordnung 2020/1055 verfolgten Ziele nicht mit den Zielen des Umweltschutzes hätte abwägen können.

708.

Der Rat und das Parlament beantragen, diesen Klagegrund zurückzuweisen.

2) Würdigung

709.

Was den Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta betrifft, beschränke ich mich auf die Feststellung, dass die Republik Polen nicht dargetan hat, inwiefern, über die bloße grundsätzliche Behauptung hinaus, die Erfüllung der Verpflichtung, im Niederlassungsmitgliedstaat gewöhnlich und dauerhaft über eine – im Verhältnis zum Umfang der Verkehrstätigkeit des Unternehmens angemessene – Zahl an Fahrzeugen, die den Anforderungen des Art. 5 Buchst. e der Verordnung Nr. 1071/2009 genügen, sowie an Fahrern, die normalerweise einer Betriebsstätte in diesem Mitgliedstaat zugeordnet sind, zu verfügen, zusätzliche Fahrten, gegebenenfalls Leerfahrten, erfordern würde.

710.

Die von der Republik Polen vertretene Auffassung erscheint im Übrigen in zweifacher Hinsicht etwas widersprüchlich. Zum einen macht sie, nachdem sie vorgetragen hat, dass eine solche Verpflichtung zu einer großen Zahl von Leerfahrten führen würde, was erhebliche negative Auswirkungen auf die Umwelt habe, zugleich geltend, dass das Ziel einer solchen Verpflichtung darin bestehe, die Fahrzeuge und ihre Fahrer an ihrer Betriebsstätte zu belassen, und ein „absurdes Hindernis für die Ausübung der Verkehrstätigkeit im Hinblick auf die ihr zugrunde liegende Logik“ darstelle ( 432 ). Zum anderen erscheint es ziemlich paradox, eine These zu vertreten, die zu dem Schluss führt, dass, wenn diese Leerfahrten wirtschaftlich gerechtfertigt wären, die Vereinbarkeit der Bestimmung, aus der sie sich ergeben, mit Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta nicht mehr in Frage gestellt würde.

711.

Was im Übrigen das angebliche Fehlen einer Folgenabschätzung zu Art. 1 Nr. 3 der Verordnung (EU) 2020/1055, mit dem in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 ein Buchst. g eingefügt wurde, betrifft, das einen Verstoß gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta darstellen soll, verweise ich auf Nr. 570 der vorliegenden Schlussanträge. Ergänzend weise ich auch darauf hin, dass die von der Republik Polen vorgelegten Zahlen zum Nachweis der negativen Auswirkungen auf die Umwelt, die sich aus dieser neuen Bestimmung ergäben, praktisch ausschließlich eine Schätzung der Umweltauswirkungen aufgrund der Umsetzung der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen betreffen.

712.

Im Ergebnis scheint mir das Vorbringen der Republik Polen, wie der Rat und das Parlament hervorgehoben haben, auf einem falschen Verständnis des neuen Art. 5 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1071/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung zu beruhen, da diese Bestimmung nicht die Häufigkeit der Anwesenheit in den Betriebsstätten regelt, sondern nur die Zahl der diesen Betriebsstätten zugeordneten Fahrzeuge und Fahrer. Unter diesen Umständen ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta ( 433 ) zurückzuweisen.

d)   Ergebnis

713.

Die Klage der Republik Polen in der Rechtssache C‑554/20, soweit sie gegen Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist, soweit damit Art. 5 Abs. 1 Buchst. g der Verordnung Nr. 1071/2009 eingeführt wurde, wird abgewiesen.

3.   Zur Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei Kabotagezeiträumen (Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055, mit dem in Art. 8 der Verordnung Nr. 1072/2009 ein Abs. 2a eingefügt wurde)

714.

Die Republik Litauen, die Republik Bulgarien, Rumänien ( 434 ), die Republik Malta und die Republik Polen stellen die Rechtmäßigkeit von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 in Abrede, der mit der Einführung eines Abs. 2a in Art. 8 der Verordnung Nr. 1072/2009 nunmehr die Verpflichtung der Verkehrsunternehmer vorsieht, eine Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei Zeiträumen zulässiger Kabotage einzuhalten.

a)   Zu den Klagegründen, mit denen ein Verstoß gegen die Politik der Union im Bereich Umwelt und Klimawandel gerügt wird

1) Vorbringen der Parteien

715.

Die Republik Litauen argumentiert ähnlich wie zur Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen. Somit verstoße die Festlegung einer Wartefrist von vier Tagen gegen Art. 3 Abs. 3 EUV, die Art. 11 und 191 AEUV, Art. 37 der Charta sowie ganz allgemein die Politik der Union im Bereich Umwelt und Bekämpfung des Klimawandels. Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 sei unter Missachtung der für die Umweltpolitik der Union geltenden Grundsätze erlassen worden, ohne dass eine Folgenabschätzung durchgeführt worden sei und ohne dass die negativen Folgen für den Umweltschutz analysiert worden seien. Die Verpflichtung, das Fahrzeug aus dem Land herauszuführen, in dem die Kabotagebeförderung stattgefunden habe, führe zu einer Erhöhung der Zahl der leer fahrenden Lastkraftwagen und damit der CO2-Emissionen, wie dies durch Studien bestätigt werde, die diese zusätzlichen Emissionen auf 4 Mio. Tonnen schätzten ( 435 ).

716.

Art. 3 Abs. 3 EUV und die Art. 11 und 191 AEUV könnten nicht so eng ausgelegt werden, wie es der Rat und das Parlament in ihrer Klagebeantwortung vorschlagen würden. Zwar könne der Gesetzgeber Maßnahmen treffen, die von den Zielen des Umweltschutzes abwichen, doch dürften diese Maßnahmen nicht, wie im vorliegenden Fall, offensichtlich unvereinbar sein oder diesen Zielen widersprechen, da der Umweltschutz ein zwingendes Erfordernis sei. Die Auswirkungen der streitigen Verpflichtung auf die Umwelt seien offensichtlich unterschätzt worden, wie die Ergebnisse der Folgenabschätzung belegten, die nach Inkrafttreten der Verordnung 2020/1055 auf Initiative der Kommission durchgeführt worden sei. Da der Unionsgesetzgeber keine Folgenabschätzung zur streitigen Bestimmung durchgeführt habe, habe er nicht berücksichtigt, dass sich, da das Erfordernis einer Wartezeit zu einer Verringerung der Effizienz der Logistikkette führen musste, daraus eine Erhöhung der Zahl der leer fahrenden Lastkraftwagen, des Kraftstoffverbrauchs und der ausgestoßenen CO2-Menge ergeben würde. Die Wartezeiten für die Fahrzeuge stellten daher offensichtlich eine nicht rationelle Nutzung der Ressourcen dar und trügen zu den negativen Auswirkungen der Rückkehr der Fahrzeuge bei, die in der Folgenabschätzung der Kommission festgestellt worden seien. Zwar leugne der Rat jede Auswirkung der Wartefrist auf die Umwelt, lege aber keine Zahlen vor, was zeige, dass die beklagten Organe zum Zeitpunkt des Erlasses von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 nicht über ausreichende Daten verfügt hätten.

717.

Die Republik Bulgarien hat eine gemeinsame Argumentation zu den beiden Bestimmungen vorgetragen, die sie zu diesem Thema angefochten hat ( 436 ). Das, was sie als Ruhezeit zwischen Kabotagebeförderungen bezeichnet, erhöhe die Zahl der Leerfahrten und beschränke die Kabotagebeförderungen, obwohl bekannt sei, dass diese zur Verringerung dieser Art von Fahrten beitrügen, wie die Kommission in ihrem Weißbuch „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ ( 437 ) hervorgehoben habe, indem sie zur Abschaffung von Kabotagebeschränkungen aufgefordert habe. Die Wartezeit ziele weder auf ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität ab, noch schließe sie die Erfordernisse des Schutzes der Umwelt ein. Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 verstoße daher zum einen gegen Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV und Art. 11 AEUV sowie gegen Art. 37 der Charta und zum anderen gegen Art. 3 Abs. 5 EUV, Art. 208 Abs. 2 und Art. 216 Abs. 2 AEUV sowie das Übereinkommen von Paris.

718.

Die Republik Polen hat eine gemeinsame Argumentation zu den vier von ihr angefochtenen Bestimmungen in Bezug auf einen Verstoß gegen Art. 11 und Art. 37 der Charta vorgetragen. Nach einem Hinweis auf den erheblichen Anteil des Straßenverkehrs an den CO2-Emissionen, beim Ausstoß von Luftschadstoffen und den besorgniserregenden Kontext der Klimakrise hebt die Republik Polen die Gefahren der Umweltverschmutzung für die menschliche Gesundheit hervor. Die beklagten Organe hätten eine Abschätzung der Folgen der Bestimmung, mit der eine Wartezeit nach Ende der Kabotagebeförderung in einem Mitgliedstaat eingeführt worden sei, vornehmen und sich vergewissern müssen, dass die geplante Maßnahme nicht die Verwirklichung der in anderen Rechtsakten des abgeleiteten Rechts im Umweltbereich festgelegten Ziele beeinträchtige. Sobald eine Handlung negative Auswirkungen auf die Umwelt haben könne, hätten die beklagten Organe die widerstreitenden Interessen gegeneinander abwägen und angemessene Änderungen vornehmen oder sich zumindest vergewissern müssen, dass diese Regelung die Verwirklichung der Ziele, die in den anderen im Umweltbereich erlassenen Rechtsakten des abgeleiteten Rechts festgelegt seien, nicht beeinträchtige. Die zusätzliche Beschränkung der Kabotage durch Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 führe zu einem Anstieg der Leerfahrten und damit zu einer Erhöhung der CO2-Emissionen, die sich logischerweise aus der Begrenzung der Vorteile der Optimierung der Beförderungen ergebe, die die Kabotagebeförderungen mit sich brächten. Der Zusammenhang zwischen der Kabotagebeförderung und der Verringerung der Leerfahrten werde im Übrigen vom Gesetzgeber selbst anerkannt.

719.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, diese Klagegründe zurückzuweisen.

2) Würdigung

720.

Dem Argument, dass die Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei Zeiträumen zulässiger Kabotage allein deshalb gegen die Umweltpolitik verstoße, weil eine solche Frist die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Kabotage verringere, obwohl die Kabotage es ermögliche, die Beförderungen zu optimieren, wie der Gesetzgeber im 21. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055 anerkannt habe, und damit ihre Auswirkungen auf die Umwelt zu begrenzen, kann nicht gefolgt werden, es sei denn, die Erfordernisse des Umweltschutzes müssten stets Vorrang vor den anderen Zielen der Union haben, was sich weder aus Art. 3 Abs. 3 EUV noch aus Art. 11 AEUV ergibt, da andernfalls dem Gesetzgeber die Möglichkeit abgesprochen würde, im Rahmen der Ausübung seines weiten Ermessens eine Tätigkeit zu regeln, deren vollständige Liberalisierung er bewusst abgelehnt hat ( 438 ), wie nämlich dieser Erwägungsgrund zeigt, laut dem Kabotagebeförderungen „erlaubt sein [sollten], solange sie nicht in einer Weise erfolgen, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat entsteht“. Ich füge hinzu, dass die Definition der Kabotage selbst einen Hinweis auf ihren vorübergehenden Charakter enthält ( 439 ) und dass, wie der Rat ausgeführt hat, die Umwelteffizienzvorteile im Zusammenhang mit der Kabotage im Sinne der Verordnung Nr. 1072/2009 nur so lange sinnvoll sind, als die Kabotagetätigkeit nicht vollständig liberalisiert ist und weiterhin mit einer grenzüberschreitenden Beförderung verbunden ist, die zu einer Rückkehr führt: die Kabotage, die nicht mit einer solchen Beförderung verbunden ist – d. h. die Möglichkeit für einen in einem Staat A ansässigen Verkehrsunternehmer, frei inländische Beförderungen im Staat B zu erbringen – ist daher nicht Teil der logistischen Effizienz des Verkehrs oder des Bemühens, die Rückfahrten zu rationalisieren.

721.

Außerdem kann diese Wartezeit als solche entgegen dem Vorbringen der Republik Litauen nicht als Verpflichtung ausgelegt werden, das Fahrzeug in ihren Heimatmitgliedstaat zurückkehren zu lassen. Wenn die Beförderer beabsichtigen, ihrer Verpflichtung nachzukommen, eine viertägige Wartezeit einzuhalten, indem sie das Fahrzeug in den Mitgliedstaat der Niederlassung, des Verkehrsunternehmers, zurückkehren lassen, würde eine solche Entscheidung auf Erwägungen im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Effizienz ihrer Tätigkeit beruhen, ist aber als solche nicht durch die Verordnung 2020/1055 vorgegeben ( 440 ).

722.

Schließlich stelle ich ein gewisses Paradoxon in der Argumentation der Republik Polen fest, die die Kosten für die Anwendung der Bestimmung beanstandet, die sich aus den Leerfahrten ergeben, die den Lastkraftwagen auferlegt wurden, von denen sie im Übrigen darlegt, dass sie, wenn sie nicht zu einer Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei Zeiträumen zulässiger Kabotage verpflichtet wären, Kabotagebeförderungen und Beförderungen zwischen Drittländern durchführten ( 441 ). Aus rein ökologischer Sicht vermag ich schwer zu erkennen, wie sich eine solche Situation weniger auf die Umwelt auswirken würde ( 442 ).

723.

Jedenfalls dürfen, wie ich bereits in Bezug auf den Vorwurf eines Verstoßes gegen Art. 11 AEUV ausgeführt habe, die angefochtenen Bestimmungen der Verordnung 2020/1055 nicht isoliert betrachtet werden, sondern es muss aus einer Analyse der gesamten Verkehrspolitik hervorgehen, dass den Umweltinteressen angemessen Rechnung getragen wurde. Ich verweise daher hier auf meine Ausführungen zu diesem Punkt, die entsprechend für die Analyse der Wartezeit gelten ( 443 ).

724.

Im Übrigen verweise ich hinsichtlich der Tragweite von Art. 37 der Charta auf Nr. 565 der vorliegenden Schlussanträge; hinsichtlich der Rüge des Fehlens einer Folgenabschätzung verweise ich auf Nr. 570 der vorliegenden Schlussanträge; zur Unerheblichkeit der Berufung auf Art. 191 AEUV verweise ich auf Nr. 581 der vorliegenden Schlussanträge; hinsichtlich der Rüge eines Verstoßes gegen das Übereinkommen von Paris sowie gegen Art. 3 Abs. 5 EUV und Art. 208 und Art. 216 Abs. 2 AEUV verweise ich auf die Nrn. 586 ff. meiner Würdigung; was schließlich die Frage des Verhältnisses zu den anderen Rechtsakten des abgeleiteten Rechts betrifft, verweise ich auf Nr. 594 der vorliegenden Schlussanträge.

725.

Nach alledem sind die Klagegründe, mit denen ein Verstoß gegen die Umweltpolitik der Union geltend gemacht wird, als unbegründet zurückzuweisen.

b)   Zu den Klagegründen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

1) Vorbringen der Parteien

726.

Die Republik Litauen macht geltend, Art. 8 Abs. 2a der Verordnung Nr. 1072/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da der Unionsgesetzgeber diese Bestimmung erlassen habe, ohne über ausreichende Informationen über ihre Auswirkungen zu verfügen und ohne darzulegen, inwieweit die durch diese Bestimmung verursachten negativen Auswirkungen auf die Wirtschaftsteilnehmer gerechtfertigt erscheinen könnten.

727.

Die Republik Litauen macht zunächst, wenn auch im Rahmen eines anderen Klagegrundes als dem des Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Argumente im Zusammenhang mit einem Verstoß gegen diesen Grundsatz durch das Fehlen einer Folgenabschätzung geltend ( 444 ), die hier zu prüfen sind. Weder die Kommission noch der Rat noch das Parlament hätten eine Folgenabschätzung der mit Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 eingeführten Änderung vorgenommen. Eine solche Maßnahme sei im ursprünglichen Vorschlag der Kommission nicht enthalten gewesen, da die Wartezeit erst im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens hinzugefügt worden sei, was eine wesentliche Änderung des Vorschlags der Kommission dargestellt habe, die eine neue Folgenabschätzung erforderlich gemacht habe ( 445 ).

728.

Was die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme selbst betrifft, trägt die Republik Litauen erstens erneut vor, dass die Bestimmung im Hinblick auf die Erhöhung der Zahl der Leerfahrten, die sich aus der Verpflichtung zur Einhaltung einer Wartefrist von vier Tagen ergeben würde, mit der Politik der Union im Bereich des Umweltschutzes und dem europäischen Grünen Deal unvereinbar sei. Zweitens sei Art. 8 Abs. 2a der Verordnung Nr. 1072/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung mit dem Binnenmarkt und dem Markt für Verkehrsdienstleistungen unvereinbar, da er zu einer Zersplitterung des Marktes führe, die peripheren und kleinen Mitgliedstaaten mittelbar diskriminiere und der erheblichen Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Lage nicht Rechnung trage. Drittens habe die Kommission in ihrer Folgenabschätzung eine Schwierigkeit im Zusammenhang mit der Ungenauigkeit und der mangelnden Klarheit der vor dem Erlass der Verordnung 2020/1055 geltenden Kabotagevorschriften festgestellt. Nachdem der Rat und das Parlament die von der Kommission vorgeschlagene Bestimmung abgelehnt hätten, hätten sie jedoch nichts vorgebracht, was die Wahl dieser Maßnahme anstelle der von der Kommission vorgeschlagenen rechtfertigen könnte. Das Ziel, die Kabotagevorschriften anzupassen und die Kontrolle ihrer Anwendung zu verbessern, sollte durch Maßnahmen erreicht werden, die weder zur Schaffung künstlicher Hindernisse für die Erbringung von Verkehrsdienstleistungen noch zu einer ungerechtfertigten Erhöhung des Verwaltungsaufwands und finanziellen Aufwands für die Unternehmen führten.

729.

Zwar sei das Bestehen eines weiten Ermessens des Gesetzgebers anzuerkennen, doch sei die Freiheit des Unionsgesetzgebers weder absolut noch unbegrenzt. Zwar könne der Gesetzgeber nach Nr. 15 der Interinstitutionellen Vereinbarung über die Durchführung einer Folgenabschätzung entscheiden, wenn er dies für erforderlich und zweckmäßig halte, doch müsse eine solche Beurteilung mit objektiv vorhandenen Daten begründet werden, die gewährleisteten, dass der Gesetzgeber sein Ermessen nicht durch den Erlass unbegründeter Maßnahmen missbrauche, was der Rat und das Parlament nicht hätten nachweisen können.

730.

Die Republik Bulgarien macht geltend, die Verpflichtung aus Art. 8 Abs. 2a der Verordnung Nr. 1072/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der in Art. 5 Abs. 4 EUV und Art. 1 des Protokolls (Nr. 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit verankert sei. Das Parlament und der Rat hätten weder über wirtschaftliche Analysen noch über andere Daten verfügt, die die Verhältnismäßigkeit dieser Verpflichtung hätten bestätigen können, die nicht Teil des ursprünglichen Vorschlags der Kommission gewesen sei. Sie sei daher trotz wiederholter Aufforderungen einiger Mitgliedstaaten und der dem Parlament und dem Rat zur Kenntnis gebrachten Informationen zu den unverhältnismäßigen Auswirkungen dieser Maßnahme nicht Gegenstand einer Folgenabschätzung gewesen. Eine Anhörung des AdR oder des EWSA sei nicht erfolgt. Die Beklagten könnten daher nicht nachweisen, dass sie ihr Ermessen beim Erlass eines Rechtsakts tatsächlich ausgeübt hätten oder in der Lage gewesen seien, alle erheblichen Faktoren und Umstände der Situation, die mit diesem Rechtsakt geregelt werden sollte, zu berücksichtigen. Die Folgenabschätzung der Kommission von 2017 ( 446 ), auf die sich die beklagten Organe beriefen, sei nicht geeignet, die Verhältnismäßigkeit der Wartezeit nachzuweisen, da aus dieser Folgenabschätzung hervorgehe, dass eine solche Maßnahme nicht aus Gründen abgelehnt worden sei, die mit ihrer technischen Durchführbarkeit zusammenhingen, sondern weil nicht anerkannt worden sei, dass sie unmittelbar zur Behebung der damals festgestellten Mängel beitrage.

731.

Im Übrigen werde nach dem 20. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055 angenommen, dass die Wartezeit das bisher erreichte Niveau der Liberalisierung wahre, was nicht der Fall sei, da der Kabotage entgegen der Auffassung der Kommission neue Grenzen gesetzt würden. Nach dem 21. Erwägungsgrund dieser Verordnung trügen Kabotagebeförderungen dazu bei, den Ladefaktor von Fahrzeugen zu vergrößern und die Zahl der Leerfahrten zu verringern. Die in Art. 8 Abs. 2a der Verordnung Nr. 1072/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung eingeführte Wartezeit habe jedoch den umgekehrten Effekt. In diesem Erwägungsgrund würde auch das Ziel hervorgehoben, die tatsächliche Niederlassung zu gewährleisten, da die Verordnung 2020/1055 darauf abziele, Briefkastenfirmen zu bekämpfen. Die Organisation eines Systems von „Autobahn-Nomaden“ durch ein Unternehmen, zu dem die Fahrzeuge nicht zurückkehrten, könne jedoch von solchen betrügerischen oder missbräuchlichen Praktiken unterschieden werden, da die wirtschaftliche Realität der Verkehrsdienstleistungen durch ein hohes Maß an Mobilität gekennzeichnet sei. Die Beschränkung dieser Tätigkeit, die sich aus der Umsetzung der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen ergebe, trage keineswegs zu einem legitimen Ziel bei, sondern stelle das Wesen der wirtschaftlichen Realität und des Gemeinsamen Verkehrsmarktes in Frage. Eine solche Verpflichtung zwinge sogar mehrere Verkehrsunternehmen mit Sitz in peripheren Mitgliedstaaten oder Inselmitgliedstaaten dazu, in einen zentralen Mitgliedstaat oder ein Drittland umzusiedeln. Die Anforderungen von Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 reichten bereits aus, um die tatsächliche und dauerhafte Niederlassung sicherzustellen, und die Begrenzung der Zahl der Kabotagebeförderungen auf drei innerhalb eines Zeitraums von sieben Tagen habe es gestattet, eine dauerhafte und ununterbrochene Tätigkeit des Verkehrsunternehmers im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem die Kabotage stattfinde, zu vermeiden. Die Wartezeit sei angesichts des inhärenten Übergangscharakters der Kabotage und des Liberalisierungsziels weder erheblich noch erforderlich. Die Republik Bulgarien macht geltend, dass die Kabotagebeschränkungen im Jahr 1993 hinsichtlich des Luftverkehrs aufgehoben worden seien, was zu einer Erhöhung der Entgelte der Piloten geführt habe. Sinn der rechtlichen Entwicklung sollte eine stärkere Liberalisierung sein. Nach Ansicht der Republik Bulgarien stellt die Wartezeit eine protektionistische Maßnahme dar, und ihre Folgen für den Markt seien negativ ( 447 ). Die Kraftfahrer, die Kabotagebeförderungen durchführten, würden als entsandt angesehen, so dass eine stärkere Liberalisierung unter dem Gesichtspunkt des sozialen Zusammenhalts nicht zu befürchten sei. Die Kabotagebeförderungen machten im Übrigen nur einen sehr kleinen Anteil am innerstaatlichen Verkehr aus, so dass es keinen objektiven Anhaltspunkt für nennenswerte Auswirkungen auf die Beschäftigung von Kraftwagenfahrern gebe, wenn weniger Beschränkungen angewandt würden ( 448 ). Schließlich gingen die negativen Auswirkungen auf die Umwelt, die sich aus der Wartezeit ergäben, über die erwarteten positiven Auswirkungen der Maßnahme hinaus.

732.

Rumänien macht geltend, dass Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung (EU) 2020/1055 ( 449 ) den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht genüge. Erstens trägt Rumänien zu dieser Bestimmung eine ähnliche Argumentation vor wie in Bezug auf die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen, was das Fehlen einer Folgenabschätzung betrifft ( 450 ).

733.

Zweitens macht Rumänien geltend, dass die durch Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 eingeführte zusätzliche Beschränkung zur Erreichung des verfolgten Ziels weder geeignet noch erforderlich sei und nicht die am wenigsten einschränkende Maßnahme sei, die gewählt werden könne. Ihre Anwendung würde einen im Hinblick auf die verfolgten Ziele unverhältnismäßigen Schaden verursachen.

734.

Das verfolgte Ziel ergebe sich aus den Erwägungsgründen 20 und 21 der Verordnung 2020/1055. Art. 2 Nr. 4 Buchst. a dieser Verordnung stelle jedoch einen Rückschritt gegenüber dem derzeitigen Stand der Marktliberalisierung dar und könne zu erheblichen Ungleichgewichten bei der Organisation der Logistikketten von Transportunternehmen führen sowie Ausfallzeiten und die Zahl der Leerfahrten erhöhen und die Effizienz der Versorgungskette verringern, wie im Bericht der Kommission über den Stand des Kraftverkehrsmarkts festgestellt worden sei. Die Kabotagebeförderungen würden nach einer in einem Bericht des Instituts Transport & Mobility Leuven zitierten Analyse um 30 % reduziert ( 451 ). Im rumänischen Verkehrssektor werde aufgrund der zusätzlichen Beschränkung ein Anstieg der Leerfahrten um 5 % erwartet ( 452 ). Unter diesen Umständen trage Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung (EU) 2020/1055 nicht zu dem Ziel bei, den Ladefaktor von Fahrzeugen zu vergrößern und die Zahl der Leerfahrten zu verringern.

735.

In Bezug auf das Ziel, sicherzustellen, dass Kabotagebeförderungen nicht so durchgeführt würden, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit entstehe, ergebe sich aus verschiedenen Analysen, dass die illegale Kabotage 0,56 % der gesamten Kabotagetätigkeit auf Unionsebene ausmache, aber weiterhin vermehrt einige Länder mit Sätzen von fast null bis 6,4 % betreffe ( 453 ). Die illegale Kabotage ergebe sich nicht aus der Öffnung des Marktes, sondern aus Unterschieden bei der Anwendung und Kontrolle der Einhaltung der bestehenden Regelung durch die Mitgliedstaaten. Eine gesetzgeberische Unternehmung zur Erreichung dieses Ziels hätte darin bestehen können, die Anwendung der bestehenden Vorschriften zu klären und zu erleichtern, indem sie die Beschränkungen beseitigt oder die Wirksamkeit der Kontrolle verbessert hätte. Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 sei offensichtlich ungeeignet und die gesetzgeberische Wahl offensichtlich fehlerhaft.

736.

Diese Bestimmung stelle auch keine notwendige Maßnahme dar und sei wegen ihrer negativen Auswirkungen u. a. auf die Unternehmen der Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union ( 454 ) aufgrund des Anstiegs der Betriebskosten, des begrenzten Zugangs zum Verkehrsmarkt, einer Verringerung der Zahl der Verkehrsunternehmer und der Verlagerung der Gesellschaften in die westeuropäischen Staaten ungerechtfertigt. Diese Wirkungen würden durch das Nebeneinander von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 und der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen verstärkt. Was insbesondere den rumänischen Verkehrssektor betrifft, auf den ein Drittel aller rumänischen Dienstleistungsausfuhren, 46 % des Gesamtüberschusses des Außenhandels mit Dienstleistungen und 77 % aller Ausfuhren von Verkehrsdienstleistungen aus dem Güterkraftverkehr entfielen, bezieht sich Rumänien auf Schätzungen der von der UNTRR durchgeführten Analyse, um auf einen Anstieg der Betriebskosten und einen Rückgang der Einnahmen, eine Intensivierung der Krise der Berufskraftfahrer, eine Gefahr einer Einstellung der Tätigkeit für 8 % der Unternehmen, eine Gefahr, dass sich 5 % der Unternehmen aus dem Markt des internationalen Verkehrs zurückziehen, einen Anstieg der CO2-Emissionen, sowie eine Verringerung der Beschäftigtenzahl und unnötigen zusätzlichen Verwaltungsaufwand zu schließen. Diese Folgen wären noch gravierender, da die Analyse der UNTRR aus der Zeit vor der Covid‑19-Pandemie stamme. Die neue Beschränkung auf dem Gebiet der Kabotage würde mittelbar einen wesentlich größeren Anteil der Volkswirtschaften in den mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten im Vergleich zu den Volkswirtschaften der westeuropäischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und die KMU in den erstgenannten stärker beeinträchtigen. Diese Folgen gingen weit über die erwarteten positiven Auswirkungen dieser Bestimmung hinaus und liefen den Zielen des Weißbuchs von 2011 „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ zuwider ( 455 ). Rumänien ist ferner der Auffassung, dass der Erlass von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 außer Verhältnis zu der beträchtlichen Zahl der von diesen Maßnahmen beeinträchtigten Mitgliedstaaten und der Intensität der negativen Auswirkungen auf die Situation der Bürger und Verkehrsunternehmer, die in diesen Staaten niedergelassen seien, stünde.

737.

Im Übrigen hätten der Rat und das Parlament die systematische Kabotage nicht ähnlich beschrieben, und die Rechtswidrigkeit dieses Verhaltens sei nicht nachgewiesen. Die systematische Kabotage sei eine Folge im Zusammenhang mit der großen Zahl der von den Verkehrsunternehmern der EU‑13 durchgeführten Kabotagebeförderungen aufgrund der Marktstruktur, doch stellten diese Beförderungen keinen negativen Umstand dar, der den Erlass restriktiver Maßnahmen gebiete. Die Kabotagebeförderungen seien ursprünglich als Arten von Beförderungen konzipiert worden, die zur Entwicklung des Sektors, zum Wirtschaftswachstum und zur Effizienz des Verkehrs beitrügen. Die Kabotagebeförderungen, die zu einer längeren Anwesenheit des Fahrzeugs im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats führten, entsprächen einer echten Nachfrage. Jedenfalls könne eine große Zahl von Kabotagebeförderungen nicht mit dem Verlust des vorübergehenden Charakters gleichgesetzt werden, wenn diese Beförderungen unter Einhaltung bestehender, ausreichender, Beschränkungen (eine Beförderung in drei Tagen oder drei Beförderungen in sieben Tagen) durchgeführt würden. Ohne eine Prüfung der tatsächlichen Auswirkungen der systematischen Kabotage und mangels Nachweises ihres systemischen Charakters könne nicht geltend gemacht werden, dass die Wartezeit dem Erfordernis einer ausgewogenen Regelung auf Unionsebene entspreche, deren Vorteile die verursachten Nachteile überstiegen. Die geringe Höhe der illegalen Kabotage (0,56 %) rechtfertige weder die Notwendigkeit einer Überregulierung noch die Einführung zusätzlicher Beschränkungen. Entgegen dem Ziel, die Umsetzung von Vorschriften zu erleichtern und zu klären, bereite die Maßnahme den Verkehrsunternehmern Schwierigkeiten hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften und der Nachweise.

738.

Die Republik Malta macht geltend, Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da es sich nicht um die am wenigsten belastende Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Ziels handele. Diese Bestimmung schade im Übrigen den maltesischen Verkehrsunternehmern schwer. Die Wartezeit sei im Hinblick auf das im 21. Erwägungsgrund dieser Verordnung genannte Ziel nicht die am wenigsten belastende Maßnahme. Die Republik Malta bringt vor, dass Art. 2 Abs. 5 des Vorschlags der Kommission nicht die starke Beschränkung der Möglichkeit der Verkehrsunternehmer impliziert hätte, ihre Logistik zu organisieren und einen reibungslosen Betrieb ihres Fuhrparks auf dem Festland sicherzustellen, die Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 mit sich bringe. Internationale maltesische Verkehrsunternehmer seien auf dem Festland tätig, da sie nicht gezwungen seien, die Fahrzeuge auf dem Seeweg nach Malta zu befördern. Auf dem Festland machten sie von ihrer Freizügigkeit Gebrauch, ohne eine spezifische dauerhafte oder nachhaltige Verbindung zu anderen Mitgliedstaaten, wie z. B. Italien, zu haben. Die körperliche Abwesenheit der Fahrzeuge der maltesischen Verkehrsunternehmer von Malta sei allein auf die Insellage dieses Mitgliedstaats zurückzuführen. Die von der Kommission vorgeschlagene Alternative, wonach bei Kabotagebeförderungen die letzte Entladung innerhalb von fünf Tagen nach der letzten Entladung der in den Aufnahmemitgliedstaat eingeführten Lieferung erfolge, würde es ermöglichen, dieselben Ziele zu erreichen, wie sie mit der Verordnung 2020/1055 verfolgt würden, ohne jedoch die maltesischen Verkehrsunternehmer zu verpflichten, während der Wartezeit von vier Tagen ohne klares und vernünftiges Ziel ihren gesamten Betrieb künstlich und regelmäßig zu unterbrechen. Die geografischen Besonderheiten der Inselgebiete seien nicht berücksichtigt worden. Die Ex‑post-Bewertung der Verordnung Nr. 1072/2009 könne nicht an die Stelle einer Folgenabschätzung der Wartezeit treten, zumal einige der in ihr enthaltenen Behauptungen inzwischen widerlegt worden seien, insbesondere was die Begrenzung der zusätzlichen Kosten angehe, die durch eine Klärung der Kabotagebestimmungen verursacht würden. Mangels einer Folgenabschätzung habe der Unionsgesetzgeber nicht dargelegt, inwiefern die Wartezeit besser geeignet sei, obwohl sie offensichtlich restriktiver sei als die ursprünglich von der Kommission vorgeschlagene Maßnahme, die es nach der Folgenabschätzung ermöglicht hätte, die Kabotagetätigkeit um 20 % zu verringern. Die Republik Malta weiß immer noch nicht, mit welcher Maßnahme das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen betroffenen Interessen gewährleistet worden sein soll. Die Wartezeit sei im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens verspätet eingeführt worden, trotz des Fehlens einer Folgenabschätzung, obwohl sich die Mitgliedstaaten regelmäßig gegen den Erlass einer solchen Maßnahme geäußert hätten und ohne dass die beklagten Organe die Republik Malta jemals konsultiert hätten oder mit ihr in einen Dialog getreten seien.

739.

Die Republik Polen macht geltend, Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 führe eine zusätzliche Beschränkung für die Erbringung von Kabotagediensten ein, die auf willkürlichen Kriterien beruhe, nicht durch die mit dieser verfolgten Ziele gerechtfertigt sei und negative Auswirkungen habe, die die erwarteten positiven Auswirkungen bei Weitem überwögen.

740.

Nach Ansicht der Republik Polen gibt es bereits eine hinreichende Rechtsgrundlage in Form von Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1072/2009 vor deren Änderung, um zu verhindern, dass die Kabotagetätigkeit dauerhaft und ununterbrochen durchgeführt werde, so dass Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 über das im 21. Erwägungsgrund dieser Verordnung genannte Ziel hinausgehe. Bereits aus Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1072/2009 ergebe sich, dass die Kabotagebeförderung ausgeschlossen sei, wenn das Fahrzeug während einer grenzüberschreitenden Beförderung unbeladen in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats einfahre. Diese Bestimmung gestatte es hinreichend, zu verhindern, dass die Kabotagebeförderungen so durchgeführt würden, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat entstehe. Ohne Rechtfertigung im Hinblick auf das betreffende Ziel verschärfe Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 die Kabotagebedingungen unverhältnismäßig und beruhe eher auf dem Willen des Unionsgesetzgebers, die Kabotagebeförderungen als solche zu beschränken, und nicht deren Missbrauch. Diese Beschränkung sei auch im Hinblick auf die Vorteile der Kabotage und ihren Beitrag zur Verbesserung der Effizienz des Verkehrs, auf den im 21. Erwägungsgrund der Verordnung (EU) 2020/1055 hingewiesen werde, nicht gerechtfertigt. Die Beschränkung der Kabotage sei auch in Anbetracht der erheblichen negativen Folgen, die sie für die Beschäftigung, die Infrastruktur und die Umwelt mit sich bringe, insbesondere aufgrund des Anstiegs der Zahl der Leerfahrten, zu der sie führe, nicht gerechtfertigt. Der tatsächliche Umfang dieses Anstiegs könne nicht präzisiert werden, da in der Folgenabschätzung eine solche Bewertung nicht berücksichtigt worden sei. Der Unionsgesetzgeber habe auch nicht der besonderen Struktur des Marktes der Verkehrsunternehmer Rechnung getragen, der im Wesentlichen aus KMU an der Peripherie der Union bestehe, die die Erhöhung der Kosten durch die Beschränkung der Kabotagebeförderungen nach Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 in vollem Ausmaß trügen und somit eher der Insolvenzgefahr ausgesetzt seien. Der Anstieg der Betriebskosten wirke sich auch auf einen Anstieg des Warenpreises aus.

741.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, diese Klagegründe zurückzuweisen.

2) Würdigung

i) Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Wartezeit zwischen zwei Kabotagezeiträumen durch den Unionsgesetzgeber

742.

Wie bereits ausgeführt, setzt eine tatsächliche Ausübung des Ermessens durch den Unionsgesetzgeber die Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren und Umstände der Situation voraus, die mit dem von ihm erlassenen Rechtsakt geregelt werden sollte. Was die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Wartezeit zwischen zwei Kabotagezeiträumen durch den Unionsgesetzgeber betrifft, ist ein historischer Hinweis geboten.

743.

Nach Art. 91 Abs. 1 Buchst. b AEUV hat der Unionsgesetzgeber zur Durchführung der gemeinsamen Verkehrspolitik „für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, die Bedingungen“ festzulegen. Diese bis dahin in der Verordnung (EWG) Nr. 3118/93 ( 456 ) festgelegten Bedingungen wurden durch die Verordnung Nr. 1072/2009 geändert, deren 15. Erwägungsgrund die Kabotagebeförderung als „die Erbringung von Dienstleistungen durch einen Verkehrsunternehmer in einem Mitgliedstaat, in dem er nicht niedergelassen ist“, definiert und sie grundsätzlich gestattet, „sofern sie nicht dergestalt durchgeführt wird, dass dadurch eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit in diesem Mitgliedstaat entsteht“ ( 457 ). Zu diesem Zweck wurden die Häufigkeit der Kabotagebeförderungen und der Zeitraum, in dem sie durchgeführt werden können, durch die Verordnung Nr. 1072/2009 klarer bestimmt, wobei der Unionsgesetzgeber damals bereits auf die Schwierigkeiten bei der Feststellung und Gewährleistung des vorübergehenden Charakters der Erbringung solcher Dienstleistungen hingewiesen hat ( 458 ). Wie der Rat ausgeführt hat, erforderte diese Schwierigkeit nämlich bereits im Rahmen der Verordnung Nr. 3118/93 die Annahme einer Mitteilung der Kommission über Auslegungsfragen bezüglich des Begriffs der „Zeitweiligkeit“ der Kabotage im Güterkraftverkehr ( 459 ). Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1072/2009 hat somit die Kabotagebeförderungen auf einen Zeitraum von sieben Tagen nach der grenzüberschreitenden Beförderung und auf drei „inländische“ Dienstleistungen während dieses Zeitraums beschränkt.

744.

Die Verordnung Nr. 1072/2009 war Gegenstand einer Ex‑post-Bewertung ( 460 ), die die Feststellung der systematischen Kabotage, die darin bestand, dass ein ausländisches Unternehmen den Großteil seiner Zeit in einem anderen Land der Union verbringt, solange dieser Verkehrsunternehmer jede Woche eine grenzüberschreitende Beförderung durchführt, als eine unerwartete und unbeabsichtigte Folge der Verordnung Nr. 1072/2009 erlaubte ( 461 ). Die Analyse stellte fest, dass die Definition der zeitweiligen Kabotage in der Verordnung Nr. 1072/2009 es nicht erlaube, die systematische Kabotage auszuschließen ( 462 ).

745.

Wie die beklagten Organe ausgeführt haben, ergibt sich aus diesen Gesichtspunkten, die dem Unionsgesetzgeber zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung 2020/1055 wohlbekannt waren, dass die durch die Verordnung Nr. 1072/2009 in Bezug auf die Kabotage eingeführte Regelung es nicht ermöglicht hat, den vorübergehenden Charakter der Kabotagedienste hinreichend sicherzustellen.

746.

Diese Gesichtspunkte wurden von der Kommission im Rahmen ihrer Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, in dem auch die Entwicklung der Kabotagebeförderungen in quantitativer und geografischer Hinsicht analysiert wurde, gebührend berücksichtigt. In dieser Folgenabschätzung hat die Kommission außerdem einen Zusammenhang zwischen der Zunahme der Kabotagebeförderungen und dem systematischen oder sogar rechtswidrigen Charakter dieser Beförderungen und den Gefahren für den lauteren Wettbewerb zwischen gebietsansässigen und gebietsfremden Verkehrsunternehmen hergestellt ( 463 ). Auch wenn die Wahl der Kommission in ihrem Vorschlag schließlich auf eine Verkürzung des Zeitraums, während dessen die Kabotagebeförderungen im Anschluss an eine grenzüberschreitende Beförderung zulässig waren, und auf eine Streichung der Angabe der Höchstzahl der Kabotagebeförderungen, die während dieses Zeitraums durchgeführt werden konnten ( 464 ), fiel, weise ich mit dem Rat und dem Parlament darauf hin, dass die Kommission auch die Möglichkeit in Betracht gezogen hatte, Art. 8 der Verordnung Nr. 1072/2009 dahin zu ändern, dass eine Wartefrist zwischen zwei Kabotagezeiträumen eingeführt wird, bevor sie diese Möglichkeit wegen der Zweifel der Kommission an ihrer politischen und technischen Durchführbarkeit ausschloss ( 465 ), Zweifel, die der Unionsgesetzgeber möglicherweise nicht teilen konnte. Darüber hinaus wies die Kommission darauf hin, dass sie keine besonderen Probleme festgestellt habe, die eine solche Maßnahme im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit mit sich bringe ( 466 ), und erkannte schließlich an, dass Art. 8 Abs. 2a der Verordnung Nr. 1072/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung „die Durchsetzbarkeit der Kabotagevorschriften im Vergleich zur derzeitigen Situation verbessern [dürfte]“ ( 467 ).

747.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich somit, dass der Unionsgesetzgeber zum Zeitpunkt des Erlasses von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung (EU) 2020/1055 über ein ausreichendes Maß an Informationen verfügte, die es ihm ermöglichten, die Verhältnismäßigkeit dieser Verpflichtung im Hinblick auf die Erreichung der Ziele zu beurteilen, was der Rat und das Parlament vor dem Gerichtshof hinreichend nachgewiesen haben. Die Rügen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wegen fehlender Folgenabschätzung oder wegen unzureichender Dokumentationsgrundlage, die dem Gesetzgeber bei der Ausübung seines Ermessens zur Verfügung stand, sind daher als unbegründet zurückzuweisen.

ii) Zur Verhältnismäßigkeit der Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei Zeiträumen zulässiger Kabotage

748.

Die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 zur Erreichung des mit dieser Verordnung verfolgten Ziels geeignet ist und nicht über die Grenzen dessen hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, wobei der Unionsgesetzgeber verpflichtet ist, die am wenigsten belastende Maßnahme zu wählen, und die dadurch bedingten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen. Aufgrund des weiten Ermessens, das dem Unionsgesetzgeber in den Bereichen zusteht, in denen er komplexe Vorgänge und Prüfungen vornehmen muss, kann nur die offensichtliche Ungeeignetheit dieser Bestimmung beanstandet werden.

749.

Was das verfolgte Ziel betrifft, erinnere ich daran, dass Art. 2 Nr. 4 Buchst. c der Verordnung 2020/1055 die Bedingungen der bestehenden Kabotageregelung, die sich aus der Verordnung Nr. 1072/2009 ergab, aufgrund ihrer Grenzen und der sich daraus ergebenden unerwarteten und unerwünschten Folgen, präzisiert hat. Nach dem 20. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055 wollte der Unionsgesetzgeber die Einhaltung der Vorschriften für innerstaatlichen Verkehr, der von einem gebietsfremden Verkehrsunternehmer in einem Aufnahmemitgliedstaat zeitweilig durchgeführt wird, klar, einfach und leicht durchsetzbar machen und „gleichzeitig das bisher erreichte Niveau der Liberalisierung wahren“. Im 21. Erwägungsgrund dieser Verordnung wiederum wird darauf hingewiesen, dass Kabotagebeförderungen „erlaubt sein [sollten], solange sie nicht in einer Weise erfolgen, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat entsteht“, und dass, um sicherzustellen, dass das nicht der Fall ist, „es Verkehrsunternehmern nicht gestattet sein [sollte], innerhalb einer bestimmten Frist nach Ablauf eines Zeitraums von Kabotagebeförderungen weitere Kabotagebeförderungen in demselben Mitgliedstaat durchzuführen“. Zum einen sind Kabotagebeförderungen nicht vollständig liberalisiert. Zum anderen müssen genaue Bedingungen festgelegt werden, damit die Erbringung solcher Beförderungen vorübergehend bleibt, was durch Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerade sichergestellt werden sollte. Mit dem Rat und dem Parlament weise ich darauf hin, dass der Gerichtshof bereits die zwangsläufig zeitweilige Natur der Kabotage betont hat ( 468 ).

750.

Das Parlament hat die Gründe veranschaulicht, aus denen laut dem Gesetzgeber in Ausübung seines weiten Ermessens die Kabotagebeförderungen noch weiter Beschränkungen unterzogen werden sollten. Gestützt auf die Folgenabschätzung – Teil Niederlassung hat dieses Organ in seinen Schriftsätzen ausgeführt, dass der Kabotagemarkt durch einen erheblichen Anstieg der Kabotagebeförderungen von Verkehrsunternehmen der EU‑13, hauptsächlich in den Mitgliedstaaten der EU‑15, gekennzeichnet sei. Dieser Anstieg scheint mit der Tatsache verbunden zu sein, dass die Verkehrsunternehmen der Mitgliedstaaten mit niedrigen Betriebskosten einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den inländischen Verkehrsunternehmern der EU‑15 haben, die strengere Rechtsvorschriften einhalten und höhere Betriebskosten tragen müssen. Der vorübergehende Charakter der Kabotage muss daher beibehalten und sichergestellt werden, um die Verkehrsunternehmer der EU‑15 vor einem unfairen Wettbewerb zu bewahren. Somit hat der Unionsgesetzgeber die politische Entscheidung getroffen, die Bedingungen für eine vorübergehende Kabotage zu stärken, indem er ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Zugang gebietsfremder Verkehrsunternehmer zum inländischen Verkehrsmarkt und dem Schutz der inländischen Verkehrsunternehmer anstrebte, die höheren Betriebskosten ausgesetzt sind.

751.

Was die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Wartezeit zwischen zwei Kabotagezeiträumen betrifft, ist, wie der Rat und das Parlament geltend gemacht haben, zu berücksichtigen, dass die dem Unionsgesetzgeber zur Verfügung stehenden Daten darauf hinwiesen, dass Art. 8 der Verordnung Nr. 1072/2009 es gebietsfremden Verkehrsunternehmern letztlich gestatten konnte, ihre Tätigkeiten so zu organisieren, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Präsenz im Aufnahmemitgliedstaat gewährleistet ist ( 469 ). Eine solche Anwendung dieser Bestimmung stellte diese Beförderungen in eine „Grauzone“, wie das Parlament sie einstuft, und lief offensichtlich dem bereits in den Erwägungsgründen 13 und 15 der Verordnung Nr. 1072/2009 hervorgehobenen verfolgten Ziel zuwider.

752.

Insoweit weist der Rat darauf hin, dass die Kommission in der Mitteilung der Kommission über Auslegungsfragen bezüglich des Begriffs der „Zeitweiligkeit“ der Kabotage im Güterkraftverkehr ( 470 ) vier Kriterien für die Gewährleistung dieser Natur angegeben habe, nämlich die Dauer, die Häufigkeit, die regelmäßige Wiederkehr und die Kontinuität. Der Rat erläutert, dass die Verordnung Nr. 1072/2009 die Dauer der Dienstleistung geregelt habe, wobei die Kabotage sieben Tage lang möglich gewesen sei. Auch die Häufigkeit der Kabotagebeförderungen während dieses Zeitraums wurde festgelegt, nicht aber die Häufigkeit dieser 7‑Tage-Zeiträume. Der Gesetzgeber hat somit in Ausübung seines weiten Ermessens, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, die Auffassung vertreten, dass der Umstand, einem Verkehrsunternehmer zu gestatten, einen neuen Zeitraum von sieben Tagen, während dessen drei Kabotagebeförderungen erlaubt seien, unmittelbar nach dem Ende eines solchen Zeitraums zu beginnen, die Wirksamkeit der Kabotageregelung einschränke und dem vorübergehenden Charakter der Kabotagebeförderungen zuwiderlaufe, den er weiterhin sicherstellen wollte. Die Verpflichtung, einen „cool-off“-Zeitraum einzuhalten, in dem keine Kabotagetätigkeit ausgeübt werden kann, erscheint geeignet, um das verfolgte Ziel zu erreichen, das darin besteht, den vorübergehenden Charakter der Kabotagebeförderungen sicherzustellen.

753.

Was die Erforderlichkeit betrifft, haben sich der Rat und das Parlament sowohl auf die Ex‑post-Bewertung der Verordnung Nr. 1072/2009 als auch auf die Folgenabschätzung – Teil Niederlassung berufen, um die Hauptmerkmale des Kabotagemarkts hervorzuheben und die mit der systematischen Kabotage verbundenen Probleme zu bestimmen, da die Kabotagebeförderungen nicht vollständig liberalisiert sind, sondern unter den vom Unionsgesetzgeber festgelegten Bedingungen durchzuführen sind, wie es Art. 91 Abs. 1 Buchst. b AEUV vorsieht. Es fällt somit unter das weite Ermessen des Gesetzgebers, sein Tätigwerden als erforderlich anzusehen, um die missbräuchlichen Praktiken bestimmter Verkehrsunternehmer einzudämmen, die auf der Ungenauigkeit oder Unvollständigkeit der bestehenden Regelung beruhen und den lauteren Wettbewerb bedrohen, da die gebietsansässigen Verkehrsunternehmer auf dem inländischen Verkehrsmarkt der nicht mehr vorübergehenden, sondern dauerhaften Präsenz der gebietsfremden Verkehrsunternehmer gegenüberstehen.

754.

Die nunmehr vorgeschriebene Wartezeit (vier Tage) erscheint nicht übermäßig lang, da der Rat darlegt, dass sie der Organisation grenzüberschreitender Beförderungen gewidmet sein müsse, die die notwendige Voraussetzung für jede Kabotagebeförderung sind, da die Kabotage nur erlaubt ist, weil sie mit den grenzüberschreitenden Beförderungen verbunden ist. In der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung war die Kommission der Ansicht, dass die Verkehrsunternehmer noch 3,33 Zeiträume von sieben Tagen, in denen die Kabotagebeförderungen erlaubt, aber begrenzt sind, innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen durchführen könnten ( 471 ). Der Rat ist der Auffassung, dass die Verpflichtung, eine Wartezeit von vier Tagen einzuhalten, diese Zahl auf drei Zeiträume von sieben Tagen innerhalb eines Zeitraums von 29 Tagen reduzieren sollte ( 472 ). Tätigkeiten der Kabotagebeförderung sind daher weiterhin möglich.

755.

Im Übrigen geht aus dem Wortlaut von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 klar hervor, dass nur die Kabotagebeförderungen während der Wartezeit von vier Tagen verboten sind, was mit dem verfolgten Ziel im Einklang steht. Die Verkehrsunternehmer sind nicht verpflichtet, ihre Fahrzeuge in diesem Zeitraum stehen zu lassen oder ihre Tätigkeiten zum Stillstand zu bringen. Sie sind lediglich verpflichtet, diese vier Tage anderen Beförderungsarten als den Kabotagebeförderungen zu widmen, so dass der Eingriff des Unionsgesetzgebers in die Organisation ihrer Tätigkeiten durch die Verkehrsunternehmer entgegen dem Vorbringen der Kläger nicht von solcher Tragweite ist, dass Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 sich als unverhältnismäßig erweist.

756.

Was das Bestehen weniger belastender alternativer Maßnahmen betrifft, kann Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009, wie von der Republik Bulgarien vorgeschlagen, nicht herangezogen werden, da das verfolgte Ziel darin besteht, sicherzustellen, dass die Niederlassung tatsächlich und dauerhaft ist. Die Republik Bulgarien schlägt auch eine vollständige Liberalisierung der Kabotagedienste im Lichte der bereits im Luftverkehrssektor getroffenen Maßnahmen vor. Erstens sind die Regelungen für einen Sektor, in dem eine bestimmte Beförderungsform eingesetzt wird, nicht allein deshalb auf die anderen Beförderungsformen übertragbar, weil es sich um einen mit dem Verkehr zusammenhängenden Sektor handelt, da jeder Markt durch eigene Merkmale gekennzeichnet ist ( 473 ). Zweitens ist es angesichts der insbesondere in der Folgenabschätzung enthaltenen Informationen schwer vorstellbar, inwiefern eine vollständige Liberalisierung geeignet sein soll, die Interessen der Verkehrsunternehmer der EU‑15 ebenso wie die der EU‑13 zu berücksichtigen ( 474 ). Drittens ist der Grad der Liberalisierung der Kabotagebeförderungen Ausdruck einer politischen Entscheidung, die in das weite Ermessen des Gesetzgebers fällt. Schließlich würde viertens der Vorschlag einer vollständigen Liberalisierung des Sektors als Alternative zur Wartezeit zwischen zwei Kabotagezeiträumen in Wirklichkeit darauf hinauslaufen, das Wesen der durch die Verordnung Nr. 1072/2009 festgelegten Kabotageregelung in Frage zu stellen und deren vorübergehenden Charakter zu bestreiten.

757.

Rumänien schlägt vor, die Wirksamkeit der Kontrollen der bestehenden Grenzen für die Erbringung von Kabotagediensten zu verbessern. Wie der Rat und das Parlament ausgeführt haben, wäre jedoch, da die systematische Kabotage zu einer Grauzone gehört, die durch die unzureichende Genauigkeit der Verordnung Nr. 1072/2009 entstanden ist, eine Verstärkung der Kontrollen nicht geeignet, das Ziel einer Klarstellung des vorübergehenden Charakters der Kabotage, auch für die mit der Überwachung betrauten Behörden, mit der gleichen Wirksamkeit zu erreichen.

758.

Die Republik Malta macht geltend, dass dem Vorschlag der Kommission hätte gefolgt werden müssen. Dieser Vorschlag bestand jedoch darin, den Zeitraum, in dem Kabotagebeförderungen zulässig waren, auf fünf Tage zu verkürzen und die Präzisierung der Zahl der Kabotagebeförderungen, die in diesem Zeitraum durchgeführt werden konnten, zu streichen. Eine solche Änderung hätte die Verkehrsunternehmen nicht daran gehindert, die Kabotagezeiträume aneinanderzureihen, hätte die systematische Kabotage nicht bekämpft und wäre daher nicht geeignet gewesen, das angestrebte Ziel zu verfolgen.

759.

Schließlich ist das Vorbringen der Republik Polen, wonach Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1072/2009 in unverändertem Zustand ausreichend sei, zurückzuweisen, da er die u. a. in der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung festgestellten Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der systematischen Kabotage offensichtlich nicht berücksichtigt und es in das weite Ermessen des Unionsgesetzgebers fällt, zu entscheiden, wann sein Tätigwerden erforderlich ist.

760.

Die Kläger haben somit nicht nachgewiesen, dass es weniger belastende alternativer Maßnahmen gäbe.

761.

Was die Nachteile betrifft, die durch Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 verursacht werden, weise ich mit den beklagten Organen darauf hin, dass der einzige derzeit geprüfte Aspekt der Kabotageregelung derjenige ist, der die Verpflichtung betrifft, eine Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei Kabotagezeiträumen einzuhalten, so dass jedes Argument, das darauf abzielt, die Diskussion auf die Kabotagebeschränkungen zu erweitern, die in Art. 8 der Verordnung Nr. 1072/2009 vor seiner Änderung durch die Verordnung 2020/1055 vorgesehen sind, als unzulässig anzusehen ist. Es geht hier also allein um die Frage nach den ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Wartezeit.

762.

Aus ökologischer Sicht verpflichtet Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung (EU) 2020/1055 die Verkehrsunternehmer, wie oben dargelegt, während dieses Zeitraums keine Kabotagebeförderungen durchzuführen, regelt aber nicht anderweitig die Nutzung oder Nichtnutzung der Fahrzeuge in diesem Zeitraum. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich keine Verpflichtung zur Rückkehr in den Niederlassungsmitgliedstaat. Die Verpflichtung, das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats zu verlassen, bevor im Anschluss an eine grenzüberschreitende Beförderung ein neuer Kabotagezeitraum eröffnet wird, ergibt sich ihrerseits aus der bestehenden Regelung der Verordnung Nr. 1072/2009.

763.

Einige Kläger haben geltend gemacht, dass eine zusätzliche Beschränkung der Kabotagebeförderungen die Umwelteffizienz solcher Beförderungen, wie sie im 21. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055 anerkannt wird, einschränken würde. Die Beschränkung der Kabotagedienste führe zu einem Anstieg der Leerfahrten und damit u. a. zu einer ungerechtfertigten Erhöhung der CO2-Emissionen. Eine solche Effizienz kann jedoch keinen Vorrang vor allen anderen Erwägungen haben, was der 21. Erwägungsgrund sehr wohl widerspiegelt, indem er selbst darauf hinweist, dass diese Beförderungen nur erlaubt sein sollten, solange sie nicht zu einer dauerhaften oder ununterbrochenen Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat führen. Außerdem tragen Kabotagebeförderungen nur dazu bei, den Ladefaktor der Fahrzeuge zu vergrößern und die Leerfahrten zu verringern, soweit sie im Anschluss an eine grenzüberschreitende Beförderung erfolgen. Wie der Rat hervorgehoben hat, ergeben sich aus der Kabotage resultierende Effizienzgewinne nur, weil diese Beförderungen mit einer Rückfahrt verbunden sind. Es trifft daher nicht zu, dass die Regelung von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 diese Gewinne in Frage stellt, da sie Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1072/2009 beibehält und klarstellt sowie nichts anderes vorschreibt als die Unterlassung der Erbringung von Kabotagebeförderungen während eines Zeitraums von vier Tagen nach dem Zeitraum von sieben Tagen, in dem solche Beförderungen erlaubt sind. Die Verpflichtung, eine Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei Zeiträumen einzuhalten, in denen Kabotagebeförderungen zulässig sind, verursacht somit offensichtlich keine unverhältnismäßigen Umweltschäden.

764.

Dasselbe gilt für die Prüfung der wirtschaftlichen Folgen von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055. Diese Folgen werden für die Verkehrsunternehmer, die die Kabotagevorschriften der Verordnung Nr. 1072/2009 bereits nicht einhielten, offensichtlich größer sein, wie dies z. B. bei maltesischen Verkehrsunternehmern der Fall zu sein scheint, wie dies in den Schriftsätzen der Republik Malta veranschaulicht wird. Sie haben daher ihren Ursprung nicht in der neuen Verpflichtung nach der Verordnung 2020/1055, sondern ergeben sich aus den wirtschaftlichen Entscheidungen der Unternehmer, systematische Kabotagetätigkeiten durchzuführen, trotz eines klaren Hinweises auf den zeitweiligen Charakter dieser Tätigkeiten bereits in Art. 2 Nr. 6 der Verordnung Nr. 1072/2009 und der vom Parlament hervorgehobenen Notwendigkeit, ihre Tätigkeiten in Einklang mit den Unionsvorschriften zu bringen. Nemo auditur propriam turpitudinem allegans (niemand kann sich auf sein eigenes rechtswidriges Verhalten berufen).

765.

Da im Übrigen die Wartezeit die Verkehrsunternehmer nur verpflichtet, keine Kabotagebeförderungen zu organisieren, können diese Verkehrsunternehmer andere Arten von Beförderungen vorsehen, so dass die wirtschaftliche Tätigkeit während der vier Tage, die dieser Zeitraum andauert, nicht ausgesetzt wird. Darüber hinaus vertrat die Folgenabschätzung die Auffassung, dass alle Auswirkungen der geplanten Maßnahmen auf die Nutzer der Verkehrsdienstleistungen abgewälzt würden, ohne dass sich diese Abwälzung auf den Endpreis der Waren auswirke, deren Beförderung nach der Folgenabschätzung nur einen geringen Anteil darstelle ( 475 ).

766.

In sozialer Hinsicht ging die Folgenabschätzung davon aus, dass die Verkürzung des Zeitraums, in dem Kabotagebeförderungen erlaubt sind, auf vier Tage und die Aufhebung der Obergrenze für die zulässige Kabotage während dieses Zeitraums, wie sie von der Kommission vorgeschlagen worden war und die zu einem Rückgang der Kabotagetätigkeiten um 20 % führen sollten ( 476 ), keine größeren Auswirkungen auf das Gesamtniveau der Verkehrstätigkeit gehabt hätten, da diese Verringerung der Kabotage eine Umstrukturierung zugunsten der inländischen Verkehrsunternehmer ermöglichen würde, während die Verkehrsunternehmer, die bis dahin systematische Kabotage durchführten, ihre Tätigkeiten entweder auf die inländischen Beförderungen in ihren Niederlassungsmitgliedstaaten oder auf die grenzüberschreitenden Beförderungen verlagern würden ( 477 ). Aus der Folgenabschätzung geht hervor, dass keine der geplanten Maßnahmen Auswirkungen auf die Zahl der im Güterkraftverkehrssektor verfügbaren Arbeitsplätze haben sollte ( 478 ). Diese Schlussfolgerung lässt sich auf Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 übertragen, da er keine restriktivere als die von der Kommission vorgeschlagene und bewertete Maßnahme darstellt.

767.

Schließlich möchte ich für den Fall, dass das Vorbringen einiger Kläger als Vorwurf gegen den Unionsgesetzgeber auszulegen ist, ihre besondere Situation nicht berücksichtigt zu haben, drei Bemerkungen machen. Erstens ist der Gesetzgeber nach ständiger Rechtsprechung nicht verpflichtet, die besondere Situation eines Mitgliedstaats zu berücksichtigen, wenn der betreffende Unionsrechtsakt Auswirkungen in allen Mitgliedstaaten hat und die Wahrung eines Gleichgewichts zwischen den verschiedenen betroffenen Interessen unter Berücksichtigung der mit dem Rechtsakt verfolgten Ziele voraussetzt und der Versuch, ein solches Gleichgewicht herzustellen, indem nicht die besondere Situation nur eines Mitgliedstaats, sondern die Situation aller Mitgliedstaaten der Union berücksichtigt wird, kann für sich genommen nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angesehen werden ( 479 ). Zweitens ist der Gesetzgeber noch weniger verpflichtet, die besondere Situation eines Mitgliedstaats zu berücksichtigen, wenn sie auf einem offenkundigen Verstoß gegen die Unionsregelung beruht, wie sich aus der Beschreibung der Tätigkeiten der meisten ihrer Verkehrsunternehmer durch die Republik Malta ergibt. Drittens hat die Verordnung 2020/1055 nichts an der Anforderung geändert, dass der zulässige Kabotagezeitraum nur dann beginnt, wenn es zuvor eine grenzüberschreitende Beförderung gab, die die Präsenz des Fahrzeugs im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats rechtfertigt, und mit dem Verlassen dieses Hoheitsgebiets endet, so dass die Frage der Berücksichtigung der Insellage Maltas im Rahmen einer Klage gegen eine mit der Verordnung (EU) 2020/1055 eingeführte Bestimmung unerheblich ist.

768.

Nach alledem ist es den Klägern nicht gelungen, die offensichtliche Unverhältnismäßigkeit von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 nachzuweisen. Die Klagegründe eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind daher als unbegründet zurückzuweisen.

c)   Zu den Klagegründen eines Verstoßes gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

1) Vorbringen der Parteien

769.

Die Republik Litauen macht erstens geltend, die Organe hätten die Lage auf dem Verkehrsmarkt in der Union sowie die geografischen Besonderheiten der maßgeblichen Mitgliedstaaten in Bezug auf diesen Markt nicht ordnungsgemäß bewertet und die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer, die vom Zentrum und der Peripherie der Union aus tätig seien, nicht gebührend berücksichtigt. Es stehe fest, dass die Einführung der Wartezeit z. B. keine Auswirkungen auf die französischen Verkehrsunternehmer habe, da ihr Anteil an Kabotagebeförderungen in der gesamten Union weniger als 1 % betrage, im Gegensatz zu den polnischen (die 40 % der Kabotagebeförderungen für die gesamte Union durchführten), rumänischen (8,8 %) oder litauischen Verkehrsunternehmern (9,2 %). In der Folgenabschätzung werde der Rückgang der Zahl der Kabotagebeförderungen auf 31 % für 2035 geschätzt ( 480 ). An jedem Tag des Kabotageverbots würden Kosten verursacht, die z. B. für einen belgischen Verkehrsunternehmer auf 679 Euro geschätzt würden, d. h. für den gesamten belgischen Sektor 96 Mio. Euro pro Jahr. Die Einführung der Wartezeit würde zu einem Ausschluss vom Markt der Verkehrsunternehmer der peripheren und kleinen Mitgliedstaaten, zur Zersplitterung des Verkehrsmarktes und zu dessen Schließung gegenüber den in diesen Mitgliedstaaten niedergelassenen Verkehrsunternehmern führen.

770.

Zweitens wirft die Republik Litauen dem Rat und dem Parlament vor, nicht berücksichtigt zu haben, dass die Einhaltung einer Wartezeit zwischen zwei Kabotagezeiträumen den Lebensstandard und die Beschäftigungslage beeinträchtigen werde, weil 35000 litauische Arbeitsplätze bedroht und die Unterschiede zwischen den wirtschaftlich am wenigsten entwickelten Mitgliedstaaten und den weiter entwickelten Mitgliedstaaten in Westeuropa vergrößert würden, da die Ersteren mehr Personen im Verkehrssektor beschäftigten als die Letzteren, was der Rat und das Parlament nicht bestritten hätten. Diese Organe hätten nämlich bestätigt, dass das verfolgte Ziel gerade darin bestehe, den derzeitigen Umfang der Geschäfte der Verkehrsunternehmer mit Sitz im Zentrum oder an der Peripherie der Union zu verringern.

771.

Die Republik Bulgarien macht einen Klagegrund geltend, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV und Art. 94 AEUV geltend macht, die der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen und der Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei zulässigen Kabotagezeiträumen gemeinsam sind. Ich verweise daher hier für eine Zusammenfassung des Vorbringens dieser klagenden Partei auf Nr. 659 der vorliegenden Schlussanträge.

772.

Die Republik Malta wirft dem Parlament und dem Rat vor, bei der Einführung von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 keine Debatte in Gang gesetzt zu haben, die die tatsächlichen Auswirkungen dieser neuen Verpflichtung auf die Inselstaaten wie Malta darlegen könnte, die stark von den Seeverbindungen und den kombinierten Beförderungsrouten abhängig seien. Die Einhaltung dieser Verpflichtung habe jedoch schwerwiegende Auswirkungen auf die maltesischen Verkehrsunternehmer, da sie verpflichtet seien, ihre Tätigkeiten willkürlich zum Stillstand zu bringen. Die schwerwiegenden Folgen würden durch den KPMG-Bericht ( 481 ) veranschaulicht: Verschärfung der logistischen Maßnahmen, Erhöhung der ungenutzten Ressourcen und/oder Leerfahrten und damit der Kosten, Beeinträchtigung der Effizienz der Transaktionen und Steigerung des wirtschaftlichen Drucks auf die maltesischen Wirtschaftsteilnehmer. Indem Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 die Tätigkeit des maltesischen internationalen Verkehrssektors bedrohe, verstoße er gegen die Anforderungen von Art. 91 Abs. 2 AEUV.

773.

Die Republik Polen ist der Ansicht, dass der Unionsgesetzgeber dadurch, dass er die Kabotagebeförderungen auf der Grundlage willkürlicher Kriterien eingeschränkt habe, ohne die Situation der in den peripheren Mitgliedstaaten der Union niedergelassenen Verkehrsunternehmer zu berücksichtigen, gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV verstoßen habe. Sie verweist auf ihr Vorbringen im Rahmen des Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV durch die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen gerügt wird. Dasselbe macht sie in Bezug auf den Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 94 AEUV, auf den ich verweise.

774.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, alle diese Klagegründe zurückzuweisen.

2) Würdigung

775.

Aus den Nrn. 281 ff. der vorliegenden Schlussanträge ergibt sich, dass Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV vom Unionsgesetzgeber verlangten, Parameter und spezifische Ziele zu berücksichtigen, die er verfolgte, und beim Erlass von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 eine Gewichtung dieser Ziele sowie der betroffenen Interessen voraussetzten. So musste er den nachteiligen Auswirkungen der Verpflichtung, eine Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei Zeiträumen zulässiger Kabotagebeförderung einzuhalten, auf die in diesen beiden Bestimmungen genannten Parameter (d. h. zum einen der Gefahr einer ernstlichen Beeinträchtigung des Lebensstandards und der Beschäftigungslage in bestimmten Regionen und des Betriebs der Verkehrseinrichtungen sowie zum anderen der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer) Rechnung tragen.

776.

Aus den Nrn. 742 ff. der vorliegenden Schlussanträge geht hervor, dass der Unionsgesetzgeber über ausreichende Daten verfügte, um die Struktur des Verkehrs- und Kabotagedienstemarktes zu kennen und die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu beurteilen. Wie insbesondere der Rat geltend macht, ergibt sich bereits aus der Lektüre der ersten Seite der Folgenabschätzung eindeutig, dass der Verkehrsmarkt zutiefst unausgewogen ist. Diese Analyse weist auch auf asymmetrische Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen hin ( 482 ). Ich erinnere ferner daran, dass der Unionsgesetzgeber die ununterbrochene Präsenz eines gebietsfremden Verkehrsunternehmers im Hoheitsgebiet eines Aufnahmemitgliedstaats für die Erbringung innerstaatlicher Verkehrsdienstleistungen niemals zugelassen hat und zumindest schon seit der Verordnung Nr. 1072/2009 den nicht dauerhaften Charakter einer solche Tätigkeit betonte. Die Rüge der Republik Litauen betreffend die fehlende angemessene Bewertung der Marktlage und ihrer geografischen Besonderheiten, die Rüge der Republik Malta betreffend die fehlende Debatte und die Rüge der Republik Polen betreffend die Willkürlichkeit der Gesichtspunkte, auf die sich der Unionsgesetzgeber gestützt habe, sind als unbegründet zurückzuweisen.

777.

Im Übrigen betreffen die behaupteten schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen, gerade weil der Unionsgesetzgeber die ununterbrochene Präsenz eines gebietsfremden Verkehrsunternehmers im Hoheitsgebiet eines Aufnahmemitgliedstaats für die Erbringung innerstaatlicher Verkehrsdienstleistungen niemals zugelassen hat, faktisch nur Verkehrsunternehmer, die eine Tätigkeit ausübten, die eindeutig über die mit der Verordnung Nr. 1072/2009 verfolgten Ziele hinausgeht. Außerdem beruht, wie der Rat in Bezug auf das Vorbringen der Republik Litauen zu den zusätzlichen Kosten der belgischen Verkehrsunternehmer bemerkt, die meisten der behaupteten schwerwiegenden Folgen auf einem falschen Verständnis von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055, wonach während der Wartezeit von vier Tagen keine Beförderungstätigkeit zulässig sei, was nicht der Fall ist ( 483 ). Ebenso betrifft die von der Kommission vorgelegte Schätzung, auf die sich die Republik Litauen ebenfalls beruft, einer Verringerung der Kabotagetätigkeiten von 31 % im Jahr 2035, nicht die Hinzufügung einer Wartezeit zu der bestehenden Regelung, die durch die Verordnung Nr. 1072/2009 festgelegt war, sondern vielmehr den Fall, dass der Zeitraum, in dem die Kabotagebeförderungen erlaubt sind, auf vier Tage (statt sieben unter der Geltung der Verordnung Nr. 1072/2009) verkürzt wird ( 484 ).

778.

Was die Behauptung einer Beeinträchtigung des Lebensstandards und der Beschäftigungslage in bestimmten Regionen betrifft, haben die Kläger häufig ihre individuelle Situation geltend gemacht, wie dies insbesondere bei der Republik Malta der Fall ist. Nach einer bereits ausführlich angeführten Rechtsprechung ist der Unionsgesetzgeber nicht verpflichtet, die besondere Situation eines Mitgliedstaats zu berücksichtigen, da ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen betroffenen Interessen zu suchen ist ( 485 ). Die negativen Folgen, die mit der Verpflichtung zur Einhaltung einer Wartezeit von vier Tagen verbunden sind, stehen im Übrigen in keinem Zusammenhang mit der Insellage Maltas, worauf das Parlament hinweist und wie ich bereits festgestellt habe ( 486 ).

779.

Außerdem geht aus den Informationen, die dem Rat und dem Parlament zum Zeitpunkt der Rechtsetzung zur Verfügung standen, hervor, dass sie in Ausübung ihres weiten Ermessens als Mitgesetzgeber annehmen konnten, dass die Kosten für die Umsetzung der Verpflichtung, eine Wartezeit von vier Tagen einzuhalten, selbst wenn sie für die an der Peripherie der Union ansässigen Verkehrsunternehmer höher sein sollten, durch den sozioökonomischen Nutzen, der sich daraus für die gesamte Union ergeben würde, ausgeglichen würden. Die von der Republik Polen geltend gemachte wesentliche Änderung des Modells für die Erbringung von Straßenverkehrsdienstleistungen ist gerade die Wirkung, die der Unionsgesetzgeber anstrebt, nicht um die Verkehrsunternehmer der EU‑15 zu begünstigen, sondern um eine Tendenz des Marktes zu korrigieren, auf der Grundlage zutiefst unausgewogener Strukturen zu operieren. In der Folgenabschätzung wurde hervorgehoben, dass die erwartete Wirkung der Verpflichtung der Änderungen der Kabotageregelung nicht in einer Verringerung der Nachfrage nach Kabotagediensten, sondern in einer Umstrukturierung der Verkehrsdienstleistungen bestehe. Das Argument der Republik Polen, es bestehe ein Anreiz zu einer erzwungenen wirtschaftlichen Auswanderung, ist mit Nachdruck zurückzuweisen: die Verlagerung ist nichts anderes als Ausdruck einer unternehmerischen Entscheidung eines Unternehmens, und die Verpflichtung, eine Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei Zeiträumen einzuhalten, in denen die Kabotagebeförderungen zulässig sind, stellt in keiner Weise einen Anreiz zur Verlagerung dar.

780.

Zur Rüge der Republik Polen, dass der Gefahr einer ernstlichen Beeinträchtigung des Betriebs und der Verkehrseinrichtungen nicht Rechnung getragen worden sei, die sich aus einer Zunahme der Leerfahrten, die die Infrastrukturen verschlechterten und zu einer Zunahme des risikobehafteten Verhaltens beitrügen, ergebe, ist festzustellen, dass das Bestehen einer solchen Gefahr nicht nachgewiesen worden ist. Der Kausalzusammenhang zwischen der Verpflichtung zur Einhaltung einer Wartezeit von vier Tagen und den von der Republik Polen angeführten Gesichtspunkten erscheint nämlich besonders schwach und eher hypothetisch, da es Sache jedes Verkehrsunternehmers sein wird, seine Tätigkeiten während dieses Zeitraums so zu organisieren, wie er es wünscht (außer Kabotagetätigkeiten).

781.

Was schließlich den Vorwurf der Republik Polen betrifft, der Unionsgesetzgeber habe die Covid‑19-Pandemie nicht berücksichtigt, haben die beklagten Organe erstens darauf hingewiesen, dass die politische Einigung über den Inhalt der Verordnung (EU) 2020/1055 am 12. Dezember 2019, also vor Ausbruch der Krise im Zusammenhang mit dieser Pandemie, erzielt wurde; zweitens, dass die Bewältigung dieser Krise, die Gegenstand spezifischer Maßnahmen des Unionsgesetzgebers war ( 487 ), nicht der Gegenstand der Verordnung war und daher auch nicht sein konnte; und drittens, dass die Verordnung 2020/1055 ihre Anwendung erst ab dem21. Februar 2022 vorsah ( 488 ). Unter diesen Umständen kann die Rüge, dass die besondere Situation der Verkehrsunternehmer aufgrund der Covid‑19-Pandemie nicht berücksichtigt worden sei, keinen Erfolg haben.

782.

Aus all diesen Gründen sind die Klagegründe eines Verstoßes gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055, gegen Art. 91 Abs. 2 und/oder Art. 94 AEUV daher als unbegründet zurückzuweisen.

d)   Zu den Klagegründen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot

1) Vorbringen der Parteien

783.

Die Republik Litauen macht einen Verstoß gegen Art. 26 AEUV und das allgemeine Diskriminierungsverbot in Bezug auf die Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei Zeiträumen, in denen die Kabotagebeförderungen zulässig seien, geltend, da sie das Funktionieren des Binnenmarkts behindere und die Effizienz der logistischen Kette beschränke. Daraus ergebe sich eine Aufteilung des Güterkraftverkehrsmarkts, der eine mittelbare Diskriminierung kleiner Mitgliedstaaten und der Staaten am Rande der Europäischen Union bewirke und den großen zentralen Mitgliedstaaten der Europäischen Union nur aufgrund ihrer geografischen Lage einen unrechtmäßigen und ungerechtfertigten Vorteil verschaffe.

784.

Erstens trage die Wartezeit nicht zur Verwirklichung des Ziels der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen bei und verstoße grundlegend gegen die Grundsätze des freien Marktes. Die Republik Litauen habe sich von ihrer Zugehörigkeit zur Union, wie im Vertrag über den Beitritt der Republik Litauen zur Union vereinbart, eine Öffnung des Güterkraftverkehrsmarktes für die in Litauen niedergelassenen Verkehrsunternehmer erwartet. Die Wartezeit sei auch unvereinbar mit den von der Kommission in ihrem „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum“ ( 489 ) festgelegten Zielen, die Beseitigung der Einschränkungen für die Kabotage fortzusetzen, und würde das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und die Dienstleistungsfreiheit im Verkehrssektor grundlegend behindern und gleichzeitig eine mittelbare Diskriminierung der peripheren und kleinen Mitgliedstaaten darstellen.

785.

Zweitens seien alle Kabotagebeschränkungen im Luftverkehrssektor aufgehoben worden, um die Entwicklung des Luftverkehrssektors der Gemeinschaft zu fördern und die den Nutzern angebotenen Dienste zu verbessern. Im Gegensatz dazu trage im Straßenverkehrssektor die Einführung einer Wartezeit zu einem Rückschritt und zu einer Abschottung des Marktes gegenüber gebietsfremden Verkehrsunternehmern bei.

786.

Drittens seien die natürlichen Faktoren nicht berücksichtigt worden, aus denen sich eine Konzentration der Verkehrsnachfrage im zentralen und westlichen Teil der Union ergebe. Die durch die Wartezeit vorgeschriebene Beschränkung schrecke davon ab, dort Dienstleistungen zu erbringen, wo sich objektiv ein größerer Markt und eine höhere Nachfrage nach diesen Dienstleistungen befänden. Die künstliche Umverteilung, zu der die Wartezeit führe, und die Beschränkung der Absatzmöglichkeiten der Verkehrsunternehmer in anderen Mitgliedstaaten führten zu einer mittelbaren Diskriminierung der peripheren und kleinen Mitgliedstaaten.

787.

In ihrer Erwiderung führt die Republik Litauen aus, dass die Wartezeit ihrer Ansicht nach gegen Art. 26 AEUV verstoße, da sie das bereits erreichte Liberalisierungsniveau senke, obwohl die Kommission in der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung darauf hingewiesen habe, dass das verfolgte Ziel darin bestehe, lediglich die Umsetzung der Vorschriften zu verbessern, und sie die Möglichkeit, eine Wartezeit einzuführen, mit der Begründung abgelehnt habe, dass eine solche Wartezeit nicht geeignet sei, die bestehenden Probleme zu lösen. Außerdem verstoße sie gegen Art. 4 Abs. 2 EUV.

788.

Rumänien hat zur Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen und zur Wartezeit von vier Tagen eine gemeinsame Argumentation betreffend einen Verstoß gegen den in Art. 18 AEUV vorgesehenen Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit vorgetragen. Ich verweise daher für eine Zusammenfassung dieser Argumente auf die Nrn. 605 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

789.

Die Republik Malta macht einen Verstoß gegen die Art. 20 und 21 der Charta und gegen das Diskriminierungsverbot geltend, da die Wartezeit aufgrund der Insellage Maltas und ihrer geografischen Lage unterschiedliche Sachverhalte gleichbehandele. Die maltesischen Verkehrsunternehmer brauchten ihre Fahrzeuge nach Durchführung von drei Kabotagebeförderungen nicht nach Malta zurückzubringen, und die Wartezeit zwinge sie dazu, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben oder ihre Tätigkeit auszusetzen. Die Wartezeit schreibe diesen Verkehrsunternehmern eine faktische Aussetzung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten vor. Die Besonderheiten Maltas seien ignoriert worden. Die Republik Malta macht ferner geltend, die Wartezeit sei nicht als eine technische Maßnahme anzusehen, die komplexen wissenschaftlichen Erkenntnissen und streitigen politischen Entscheidungen unterliege, die die Anerkennung eines weiten Ermessens rechtfertigten, sondern stelle eine allgemeine Regel dar, die auf alle Mitgliedstaaten anwendbar sei und darauf abziele, die spezifischen geografischen Besonderheiten eines bestimmten Mitgliedstaats und seines Verkehrssektors außer Acht zu lassen, indem der Erbringung eines wesentlichen Dienstes unangemessene Zwänge auferlegt würden, und die zu einer Unbilligkeit führe, da sie einem Mitgliedstaat auferlegt werde, der bekanntermaßen aus objektiven Gründen daran gehindert sei, ihr nachzukommen. Die Republik Malta sei somit vom Parlament und vom Rat grundlos und unverhältnismäßig diskriminiert worden. Indem das Parlament und der Rat die potenziell diskriminierenden Auswirkungen der Wartezeit außer Acht gelassen hätten, hätten sie gegen die Art. 20 und 21 der Charta und das Diskriminierungsverbot verstoßen. In der Erwiderung fügt die Republik Malta hinzu, es sei offensichtlich falsch, die in einem Inselmitgliedstaat niedergelassenen Verkehrsunternehmer genauso zu behandeln wie die Verkehrsunternehmer, die für die Durchführung ihrer Geschäfte nicht auf einen Seeabschnitt angewiesen seien, da die Situation der Verkehrsunternehmer auf Inseln nicht mit derjenigen der kontinentalen Verkehrsunternehmer vergleichbar sei.

790.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, alle diese Klagegründe zurückzuweisen.

2) Würdigung

791.

Hinsichtlich des Vorbringens der Republik Litauen betreffend einen Verstoß gegen Art. 26 AEUV verweise ich auf die Nrn. 678 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

792.

Hinsichtlich des Vorbringens Rumäniens verweise ich auf die Nrn. 609 ff. der vorliegenden Schlussanträge, da dieses ein gemeinsames Vorbringen mit demjenigen Rumäniens im Rahmen des Klagegrundes eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und des Diskriminierungsverbots durch die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen ist.

793.

Was das Vorbringen der Republik Litauen betrifft, dass zum einen der Markt entgegen den Bestimmungen der Beitrittsvereinbarung abgeschottet worden sei und zum anderen die Wartezeit mit den Vorgaben des von dieser Klägerin angeführten Weißbuchs der Kommission ( 490 ) unvereinbar sei, verweise ich auf Nr. 618 der vorliegenden Schlussanträge. Was das Argument betreffend eine unterschiedliche Behandlung gegenüber dem Luftverkehrssektor und Art. 4 Abs. 2 EUV betrifft, verweise ich auf Nrn. 619 und 624 der vorliegenden Schlussanträge.

794.

Was den Umfang der anwendbaren gerichtlichen Kontrolle betrifft, stellt die Republik Malta in Abrede, dass dem Unionsgesetzgeber in diesem Bereich ein weites Ermessen zuerkannt werde; dieses Vorbringen ist unter Verweis auf die bereits in Nr. 80 der vorliegenden Schlussanträge angeführte Rechtsprechung zurückzuweisen.

795.

Im Übrigen weise ich darauf hin, dass mit der Einführung einer Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei zulässigen Kabotagezeiträumen das Ziel verfolgt wird, den vorübergehenden Charakter der Kabotage zu stärken, indem ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Zugang gebietsfremder Verkehrsunternehmer zum inländischen Verkehrsmarkt, der nach Art. 91 Abs. 1 Buchst. b AEUV noch Bedingungen unterliegt, und dem Schutz der inländischen Verkehrsunternehmer, die höheren Betriebskosten ausgesetzt sind, angestrebt wird. Es handelt sich dabei um eine Maßnahme, die unterschiedslos alle Verkehrsunternehmer der Union trifft. Es bleibt daher zu prüfen, ob der Unionsgesetzgeber nicht unterschiedliche Sachverhalte gleichbehandelt hat.

796.

Die Republik Malta macht geltend, dass ihre besondere Situation als Inselstaat vom Unionsgesetzgeber nicht berücksichtigt worden sei. Es ist jedoch daran zu erinnern, dass der Unionsgesetzgeber dazu nicht verpflichtet war, da die Situation aller Mitgliedstaaten, aus denen die Union besteht, zu berücksichtigen ist ( 491 ). Diese Klägerin trägt außerdem vor, die Wartezeit würde die Inselstaaten stärker beeinträchtigen, und die im Hoheitsgebiet dieser Staaten niedergelassenen Verkehrsunternehmer könnten, da sie für die Durchführung ihrer Geschäfte auf einen Seeabschnitt angewiesen seien, nicht genauso behandelt werden wie Verkehrsunternehmer, die im Hoheitsgebiet eines „kontinentalen“ Mitgliedstaats der Union ansässig seien. Da die Wartezeit den vorübergehenden Charakter der Kabotagebeförderungen durch gebietsfremde Verkehrsunternehmer nur verstärkt, indem sie ihnen vorschreibt, nur ihre Kabotagetätigkeit für vier Tage auszusetzen, ist schwer zu verstehen, wie sich die Insellage eines Mitgliedstaats zwangsläufig zu Ungunsten der in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Verkehrsunternehmer auswirken würde. Aus den in Nr. 618 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Gründen kann dem Unionsgesetzgeber nicht vorgeworfen werden, die spezifischen geografischen Besonderheiten bestimmter Mitgliedstaaten nicht berücksichtigt zu haben, da die Verkehrsunternehmer, die am stärksten betroffen sein werden, tatsächlich diejenigen sein werden, die die Verpflichtung, den vorübergehenden Charakter der Kabotagebeförderungen zu beachten, bereits umgingen. Außerdem beruht ein Teil des Vorbringens der Republik Malta auf einem falschen Verständnis von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055, da dieser keine Verpflichtung zur Rückkehr des Fahrzeugs nach Malta beinhaltet.

797.

Das Vorbringen der Republik Litauen, die natürlichen Faktoren des Marktes und die Aufteilung von Angebot und Nachfrage auf den Markt seien nicht berücksichtigt worden, ist aus ähnlichen Gründen ebenfalls zurückzuweisen. Da die innerstaatlichen Beförderungen nicht vollständig liberalisiert sind, ist schwer verständlich, warum die in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Verkehrsunternehmer, die von dem nationalen Markt, auf dem sie tätig sein wollen, „weit entfernt“ sind, nicht ebenfalls einer Bedingung unterliegen sollten, die den vorübergehenden Charakter der Kabotagebeförderungen gewährleisten soll. Ebenso wenig überzeugt das Argument einer künstlichen Umverteilung des Marktes und einer angeblichen Beschränkung der Absatzmöglichkeiten für Verkehrsunternehmer mit Sitz in einem „peripheren“ oder „kleinen“ Mitgliedstaat. Zum einen stellt sich erneut die Frage nach der Definition solcher Staaten ( 492 ). Zum anderen ergab sich der vorübergehende Charakter der Kabotagebeförderungen bereits aus der Verordnung Nr. 1072/2009, was diese Staaten offensichtlich nicht daran gehindert hat, Zugang zum „zentralen“ Markt zu erlangen. Schließlich haben die Verkehrsunternehmer, um eine unterschiedliche Behandlung gebietsfremder Verkehrsunternehmer, die mit dem Primärrecht vereinbar ist, zu vermeiden, stets die Möglichkeit, von ihrer Niederlassungsfreiheit in vollem Umfang Gebrauch zu machen, um sich dauerhaft und tatsächlich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats niederzulassen.

798.

Nach alledem sind die Klagegründe eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot als unbegründet zurückzuweisen.

e)   Zu den Klagegründen eines Verstoßes gegen die Art. 26, 34 bis 36 und Art. 58 Abs. 1 AEUV

1) Vorbringen der Parteien

799.

Die Republik Litauen macht einen Verstoß gegen Art. 26 AEUV in Bezug auf die Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei Zeiträumen, in denen die Kabotagebeförderungen zulässig seien, geltend, da sie das Funktionieren des Binnenmarkts behindere und die Effizienz der logistischen Kette beschränke. Die Wartezeit verstoße fundamental gegen die Grundsätze des freien Marktes und behindere das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes und die Dienstleistungsfreiheit im Verkehrssektor grundlegend.

800.

Die Republik Bulgarien trägt vor, dass die Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei Zeiträumen zulässiger Kabotage die Freiheit der Verkehrsunternehmer, Verkehrsdienstleistungen zu erbringen, die ihnen die gemeinsame Verkehrspolitik garantiere, erheblich einschränke, was angesichts des naturgemäß vorübergehenden Charakters der Beschränkungen der Kabotagebeförderung Anlass zu Besorgnis gebe. Sie verstoße gegen Art. 58 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 91 AEUV. Der Rat und das Parlament hätten gegen ihre Verpflichtung verstoßen, die Anwendung der Grundsätze des freien Dienstleistungsverkehrs durch die gemeinsame Verkehrspolitik sicherzustellen. Für den Fall, dass der Gerichtshof dies für einschlägig halten sollte, macht die Republik Bulgarien auch einen Verstoß gegen Art. 56 AEUV geltend. Die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit im Bereich Verkehr, die in der Wartezeit von vier Tagen bestehe, könne nicht gerechtfertigt werden. Da das Parlament eingeräumt habe, dass der grenzüberschreitende Verkehr vollständig liberalisiert sei, sei der Standpunkt dieses Organs zurückzuweisen, dass die Verordnungen über die Bedingungen für die Liberalisierung dieses Sektors nicht gegen den freien Dienstleistungsverkehr verstoßen könnten.

801.

Im Übrigen macht die Republik Bulgarien geltend, dass die Einführung einer Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei zulässigen Kabotagezeiträumen schwerwiegende Folgen hätte, die den freien Warenverkehr beeinträchtigten und somit die gleichen Wirkungen wie mengenmäßige Beschränkungen hätten, die nach den Art. 34 bis 36 AEUV verboten seien.

802.

Das Parlament und der Rat sowie ihre Streithelfer beantragen, diese Klagegründe zurückzuweisen.

2) Würdigung

803.

Was die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 26 AEUV betrifft, weise ich darauf hin, dass Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 nicht allein anhand dieser Bestimmung geprüft werden kann ( 493 ). Die Republik Litauen macht geltend, dass die Einführung einer Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei zulässigen Kabotagezeiträumen die kleinen Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union weniger günstig behandele. Ich verweise hier auf meine Analyse dieser Argumente im Rahmen des Teils, der dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Diskriminierungsverbot gewidmet ist ( 494 ). Das Vorbringen dieser Klägerin, die Wartezeit stelle ein Hindernis für den Binnenmarkt dar, verstoße gegen diese Grundsätze und behindere das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und den freien Verkehr der Verkehrsdienstleistungen, verkennt offensichtlich die Tragweite von Art. 91 Abs. 1 Buchst. b AEUV.

804.

Bei Kabotagebeförderungen, d. h. beim Zugang zum inländischen Verkehrsmarkt, lässt der Vertrag selbst eine unterschiedliche Behandlung gebietsansässiger Verkehrsunternehmer und nicht ansässiger Verkehrsunternehmer zu. Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 zielt gerade darauf ab, die nicht ansässigen Verkehrsunternehmer einer neuen Anforderung zu unterwerfen, um den zeitweiligen Charakter der Kabotagetätigkeiten sicherzustellen ( 495 ), gemäß der Definition in Art. 2 Nr. 6 der Verordnung (EU) Nr. 1072/2009, die durch die Verordnung 2020/1055 nicht geändert wurde.

805.

Die von der Republik Bulgarien beanstandete Beschränkung der Freiheit der Verkehrsunternehmer, Verkehrsdienstleistungen zu erbringen, ergibt sich in Wirklichkeit aus der Verordnung Nr. 1072/2009 und schon zuvor aus dem Primärrecht, das den Unionsgesetzgeber ermächtigt, eine differenzierte Regelung vorzusehen.

806.

Ich weise darauf hin, dass das auf den Standpunkt des Parlaments gestützte Vorbringen der Republik Bulgarien den grundlegenden Unterschied zwischen internationalem Verkehr und innerstaatlichem Verkehr verkennt. Selbst wenn das Parlament der Auffassung ist, dass der internationale Verkehr vollständig liberalisiert ist, gilt dies somit offensichtlich nicht für den innerstaatlichen Verkehr, der im Mittelpunkt der Kabotagetätigkeiten steht.

807.

Was die Rüge eines Verstoßes gegen die Art. 34 bis 36 AEUV betrifft, beschränkt sich die Republik Bulgarien wiederum ( 496 ) auf allgemeine und unpräzise Behauptungen. Jedenfalls erscheinen die angeblichen beschränkenden Wirkungen der Wartezeit von vier Tagen zwischen zwei zulässigen Kabotagezeiträumen eindeutig zu ungewiss und zu mittelbar ( 497 ), um auf einen Verstoß gegen diese Bestimmungen schließen zu können.

808.

Nach alledem sind die Klagegründe eines Verstoßes gegen die Art. 26, 34 bis 36 und Art. 58 Abs. 1 AEUV als unbegründet zurückzuweisen.

f)   Ergebnis

809.

Die Klagen der Republik Litauen (C‑542/20), der Republik Bulgarien (C‑545/20), Rumäniens (C‑547/20) ( 498 ), der Republik Malta (C‑552/20) und der Republik Polen (C‑554/20), soweit sie gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerichtet sind, werden abgewiesen.

4.   Zur Möglichkeit, Beförderungen im kombinierten Verkehr einer Wartezeit zu unterwerfen (Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055, soweit er Art. 10 der Verordnung Nr. 1072/2009 einen Abs. 7 oder die „Schutzklausel“ hinzufügt)

810.

Nur die Republik Polen bestreitet die Rechtmäßigkeit von Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055, der Art. 10 der Verordnung Nr. 1072/2009 einen Abs. 7 anfügt. Sie macht insoweit drei Klagegründe geltend, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zweitens einen Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV und drittens einen Verstoß gegen Art. 94 AEUV rügt. Darüber hinaus macht die Republik Polen mit dem übergreifenden gemeinsamen Klagegrund gegen alle mit ihrer Klage in der Rechtssache C‑554/20 angefochtenen Bestimmungen der Verordnung 2020/1055 einen Verstoß gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta geltend.

811.

Art. 10 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1072/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung sieht vor, dass abweichend von Art. 4 der Richtlinie 92/106 ( 499 ) Mitgliedstaaten, wenn das zur Vermeidung von Missbrauch der letztgenannten Bestimmung durch unbegrenzte und ununterbrochene Verkehrsdienste in Form von Zu- oder Ablaufverkehren auf der Straße innerhalb eines Aufnahmemitgliedstaats als Bestandteil des kombinierten Verkehrs zwischen Mitgliedstaaten erforderlich ist, vorsehen können, dass Art. 8 der Verordnung Nr. 1072/2009 in der durch die Verordnung (EU) 2020/1055 geänderten Fassung für Verkehrsunternehmer im Fall solcher Zu- oder Ablaufverkehre auf der Straße innerhalb dieses Mitgliedstaats Anwendung findet, wobei die Mitgliedstaaten einen längeren als den von dieser Bestimmung vorgesehenen Zeitraum von sieben Tagen, in dem die Kabotage zulässig ist, und eine kürzere als die in diesem Artikel vorgesehene Wartezeit von vier Tagen vorsehen können.

a)   Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

1) Vorbringen der Parteien

812.

Zum ersten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht wird, trägt die Republik Polen vor, dass die Beschränkung der Kabotagebeförderungen im kombinierten Verkehr zu einer Umkehrung des durch die Liberalisierung im Bereich des Dienstleistungsverkehrs erworbenen Besitzstandes führe, die es bis dahin gestattet hätte, unter Beachtung der Voraussetzungen für den Zugang zum Beruf und für den Zugang zum Markt Zu- und/oder Ablaufverkehre auf der Straße, die Bestandteil des kombinierten Verkehrs sind, nach Art. 4 der Richtlinie 92/106 unbegrenzt durchzuführen. Eine solche Beschränkung beruhe auf willkürlichen Kriterien, sei nicht durch die angeblich mit der Verordnung 2020/1055 verfolgten Ziele gerechtfertigt und habe negative Folgen, die außer Verhältnis zu den erwarteten möglichen positiven Auswirkungen stünden.

813.

Der 22. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055 nehme Bezug auf Sozialdumping, es gebe jedoch keine objektiven Elemente, die es rechtfertigen könnten, die Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen den Mitgliedstaaten und die sich daraus ergebenden Lohnunterschiede mit Sozialdumping, d. h. einer nicht kostendeckenden Tätigkeit, gleichzustellen. Der den Mitgliedstaaten belassene beträchtliche Handlungsspielraum erlaube es den Mitgliedstaaten, in denen die Nachfrage nach Verkehrsdienstleistungen am konzentriertesten sei, die Anwendung der Schutzklausel zu verallgemeinern und so die Kabotagebedingungen nach Art. 8 Abs. 2a der Verordnung Nr. 1072/2009 zu verschärfen, der bereits unverhältnismäßig sei, und so die Verkehrsunternehmer der Mitgliedstaaten mit einem geringeren wirtschaftlichen Entwicklungsniveau, die meist in der Form von KMU bestünden, grundlegenden negativen Folgen auszusetzen, die sich aus der Beschränkung der Kabotagebeförderungen ergäben, wie dem Konkurs. In der Folgenabschätzung sei die Bestimmung über die Schutzklausel nicht berücksichtigt worden, und die Kommission habe insoweit Zweifel geäußert ( 500 ). Ziel der Richtlinie 92/106 sei nach ihrem Art. 3 die Bekämpfung der Überlastung der Straßen und der Umweltverschmutzung. Die Einführung einer Abweichung wie der Schutzklausel schade der Straßeninfrastruktur und der Umwelt, da bekannt sei, dass die Kabotage zur Verringerung der Zahl der Leerfahrten beitrage und den Betrieb der Fahrzeugflotte der Verkehrsunternehmer optimiere. Der Gesetzgeber habe diese negativen Auswirkungen nicht berücksichtigt, und der Kampf gegen Sozialdumping könne eine solche Beschränkung der freien Erbringung von Kabotagedienstleistungen nicht rechtfertigen. Der Gesetzgeber habe die Situation der an der Peripherie der Union ansässigen Verkehrsunternehmer nicht berücksichtigt. Die Kommission habe eine Studie über die Auswirkungen der Kabotagebeschränkung auf den kombinierten Verkehr erstellt ( 501 ), aus der hervorgehe, dass 8 % der Beförderungen auf Schiene/Straße auf die Straße verlagert werden könnten und dass ein Beschäftigungsrückgang von 5 % in diesem Sektor zu erwarten sei. Schließlich ist die Republik Polen der Ansicht, dass die Inanspruchnahme der Kabotage bereits in den bestehenden Rechtsvorschriften beschränkt gewesen sei, und stellt klar, dass sie nicht der Bekämpfung möglicher Missbräuche, sondern der Auferlegung neuer Beschränkungen für die Durchführung legaler Kabotagebeförderungen einschließlich im kombinierten Verkehr entgegentrete.

814.

Das Parlament und der Rat beantragen, diesen Klagegrund zurückzuweisen.

2) Würdigung

815.

Ich weise darauf hin, dass diese Maßnahme als solche nicht Gegenstand der Folgenabschätzung war, die dem Vorschlag zur Änderung der Verordnung Nr. 1072/2009, der in der Verordnung 2020/1055 enthalten war, gewidmet war, und nicht Teil der Maßnahmen war, die im Verordnungsvorschlag der Kommission enthalten waren. Wie der Rat geltend gemacht hat, hatte die Kommission jedoch 2017 eine Änderung der Richtlinie 92/106 ( 502 ) vorgeschlagen, d. h. einige Monate nach der Vorlage ihres Vorschlags zur Änderung der Verordnungen Nr. 1071/2009 und Nr. 1072/2009. Zwar heißt es im 16. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1072/2009, dass „[i]nländische Fahrten innerhalb eines Aufnahmemitgliedstaats, die nicht als Teil eines Transports im Rahmen des kombinierten Güterverkehrs nach der Richtlinie 92/106… durchgeführt werden, … unter die Definition von Kabotage [fallen] und … deshalb den Anforderungen dieser Verordnung unterliegen [sollten]“, doch war die Kommission der Ansicht, dass die Definition des kombinierten Güterverkehrs „Ungenauigkeiten [und] mangelnde… Klarheit“ ( 503 ) aufweise und schlug eine Klarstellung vor. Die Kommission hat auch die Tatsache berücksichtigt, dass einige Interessenträger der Ansicht waren, dass die Richtlinie 92/106 einer Umgehung der Kabotagevorschriften Tür und Tor öffne, da es schwierig sei, nachzuweisen, dass die Beförderung Teil eines grenzüberschreitenden kombinierten Verkehrs sei. Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Art. 4 der Richtlinie 92/106 und der Nichtanwendung der Kabotagevorschriften auf Beförderungen im kombinierten Verkehr waren bereits bei der REFIT‑Ex‑post-Bewertung der Richtlinie 92/106 angesprochen worden ( 504 ). 22 Mitgliedstaaten befreiten diese Beförderungen sodann vollständig von der Einhaltung der Kabotagevorschriften, während fünf Mitgliedstaaten die Kabotagebeschränkungen auf die Beförderungen im kombinierten Verkehr anwendeten ( 505 ).

816.

Daraus ergibt sich, dass der Unionsgesetzgeber zum Zeitpunkt des Erlasses der Schutzklausel in Art. 10 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1072/2009 bereits auf die Schwierigkeiten des Zusammenspiels zwischen den in dieser Verordnung vorgesehenen Regeln und Art. 4 der Richtlinie 92/106 aufmerksam gemacht worden war, wie auch der 22. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055 zeigt. Dieser bringt klar das Bestreben des Unionsgesetzgebers zum Ausdruck, dass die weitere Liberalisierung nach Art. 4 der Richtlinie 92/106 nicht missbraucht wird, während diese Bestimmung in einigen Teilen der Union dazu verwendet wurde, „den vorübergehenden Charakter der Kabotage zu umgehen und die Grundlage für die dauerhafte Präsenz von Fahrzeugen in einem anderen Mitgliedstaat als dem Niederlassungsmitgliedstaat des Unternehmens zu schaffen“. Aus dem Wortlaut dieses Erwägungsgrundes ergibt sich, dass der Kampf gegen Sozialdumping nicht das verfolgte Ziel ist, da dieser Erwägungsgrund den Wettbewerb, der sich aus diesem Missbrauch von Art. 4 der Richtlinie 92/106 ergibt, nicht als Sozialdumping einstuft, sondern lediglich auf die Gefahr hinweist, zu einem solchen Dumping zu führen. Somit ist der Unionsgesetzgeber entgegen dem Vorbringen der Republik Polen nicht davon ausgegangen, dass die Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen den Mitgliedstaaten der Union und die sich daraus ergebenden Lohnunterschiede ein Sozialdumping begründen. Dagegen hat der Unionsgesetzgeber auf diese Weise das Vorliegen unfairer Praktiken festgestellt, die im Übrigen eine Umgehung der Kabotagevorschriften bewirken, und die Auffassung vertreten, dass Maßnahmen erforderlich seien, um diesen Punkt zu klären und diese Regelung kohärent zu machen.

817.

Art. 10 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1072/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung verfolgt ein legitimes Ziel. Es bleibt zu prüfen, ob diese Bestimmung geeignet ist, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Hierzu ist festzustellen, dass Art. 10 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1072/2009 den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, unter ganz bestimmten Voraussetzungen auf eine Schutzklausel zurückzugreifen. Von dieser Möglichkeit wird nur Gebrauch gemacht, wenn eine festgestellte Gefahr des Missbrauchs von Art. 4 der Richtlinie 92/106 besteht. Die Schutzmaßnahme besteht darin, dass der kombinierte Verkehr der Regelung nach Art. 8 Abs. 2a der Verordnung Nr. 1072/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung unterworfen wird, wobei der Gesetzgeber den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, eine günstigere Regelung vorzusehen: der Zeitraum, in dem die Kabotage zulässig ist, kann länger sein, und die Wartezeit, in der die Kabotage nicht mehr möglich ist, kann kürzer sein als der Zeitraum, der in diesem Art. 8 Abs. 2a vorgesehen ist. Jeder Mitgliedstaat ist daher in der Lage, seine Antwort angesichts der Intensität des aufgetretenen Problems gegebenenfalls unter Bedingungen anzupassen, die allenfalls ebenso restriktiv sind wie bei dem nicht kombinierten Verkehr.

818.

In der mündlichen Verhandlung haben die beklagten Organe dem Gerichtshof mitgeteilt, dass drei Mitgliedstaaten der Kommission ihre Absicht mitgeteilt hätten, die Schutzklausel nach Art. 10 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1072/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung anzuwenden. Da es sich um eine fakultative Maßnahme handelt, sind ihre tatsächlichen Auswirkungen daher besonders schwer einzuschätzen ( 506 ), aber selbst wenn alle Mitgliedstaaten von ihr Gebrauch machen wollen, erfordert die Anwendung einer solchen Klausel die Einhaltung einer Reihe von Bedingungen, die im Hinblick auf etwaige protektionistische Tendenzen eines anderen Mitgliedstaats ebenso als Schutzvorkehrungen dienen. Die Schutzklausel, wie sie in diesem Art. 10 Abs. 7 formuliert ist, erscheint daher geeignet, das verfolgte Ziel zu erreichen, ohne über das hinauszugehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

819.

Nach alledem ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als unbegründet zurückzuweisen.

b)   Zu den Klagegründen eines Verstoßes gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

1) Vorbringen der Parteien

820.

Zum zweiten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV gerügt wird, und zum dritten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 94 AEUV gerügt wird und die zusammen zu prüfen sind, wiederholt die Republik Polen ihr Vorbringen im Rahmen der Klagegründe, mit denen ein Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV durch die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen gerügt wird, insbesondere was die negativen Auswirkungen der Schutzklausel auf den Betrieb der Verkehrseinrichtungen betrifft. In Bezug auf den behaupteten Verstoß gegen Art. 94 AEUV macht die Republik Polen geltend, dass der der angefochtenen Bestimmung zugrunde liegende Begriff „Sozialdumping“ ebenfalls belege, dass die Situation der in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union ansässigen Verkehrsunternehmer nicht berücksichtigt worden sei, und trägt vor, dass der Wille, eine absolute Gleichheit der Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, logischerweise gegen den Begriff des Wettbewerbs selbst verstoße. Die Bemühungen des Unionsgesetzgebers, die Beteiligung der Unternehmen mit Sitz in den weniger entwickelten Mitgliedstaaten an der Erbringung von Kabotagediensten zu begrenzen, zeigten, dass die wirtschaftliche Situation der Unternehmen im Hinblick auf das Wettbewerbsrecht nicht berücksichtigt worden sei.

821.

Das Parlament und der Rat beantragen, diese Klagegründe zurückzuweisen.

2) Würdigung

822.

Da sich die Republik Polen damit begnügt hat, ihr Vorbringen im Rahmen der Klagegründe zu wiederholen, mit denen geltend gemacht wurde, dass die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV verstoße, hat sie nicht dargetan, inwiefern die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, den kombinierten Verkehr von der Verpflichtung zur Einhaltung einer Wartezeit abhängig zu machen, für sich genommen den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen oder den Betrieb der Verkehrseinrichtungen ernstlich beeinträchtigen könnte (Art. 91 Abs. 2 AEUV) oder eine „Maßnahme auf dem Gebiet der Beförderungsentgelte und ‑bedingungen“ wäre, deren Erlass es erforderlich gemacht hätte, der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer Rechnung zu tragen (Art. 94 AEUV).

823.

Was die ernstliche Beeinträchtigung des Lebensstandards und der Beschäftigungslage sowie des Betriebs der Verkehrseinrichtungen betrifft, sind diese Rügen zurückzuweisen, da bereits festgestellt worden ist, dass Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 nur eine bloße Möglichkeit der Mitgliedstaaten verankert, deren Ausübung an klare und bestimmte Bedingungen geknüpft ist. Am Tag der mündlichen Verhandlung hatten nach den Erklärungen der beklagten Organe nur drei Mitgliedstaaten ihre Absicht bekundet, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Die Erhöhung der Zahl der Leerfahrten, die Überlastung der Straßeninfrastruktur und ihre Verschlechterung, auf die sich die Republik Polen beruft, sind nur Spekulationen ohne Grundlage, wenn man die tatsächliche Tragweite dieser Bestimmung betrachtet.

824.

Was die Berücksichtigung der Lage der Verkehrsunternehmer betrifft, ist, auch wenn Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 eine Maßnahme in Bezug auf die Beförderungsbedingungen vorsieht, festzustellen, dass sich aus den Nrn. 815 und 816 der vorliegenden Schlussanträge ergibt, dass der Unionsgesetzgeber über die näheren Umstände einer Klarstellung der geltenden Vorschriften für den kombinierten Verkehr hinreichend informiert war, um zu gewährleisten, dass diese nicht dazu genutzt werden, den vorübergehenden Charakter zu umgehen, der den Kabotagebeförderungen durch die Verordnung Nr. 1072/009 zugewiesen ist, und dass er gerade bei der Ausübung seines weiten Ermessens die Lage aller Verkehrsunternehmer berücksichtigt hat.

825.

Was schließlich das Vorbringen zur Bezugnahme auf Sozialdumping im 22. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055 betrifft, verweise ich auf Nr. 816 der vorliegenden Schlussanträge. Zum Argument, der Unionsgesetzgeber unternehme seine Bemühungen, um die Beteiligung der Unternehmen mit Sitz in den weniger entwickelten Mitgliedstaaten an der Erbringung von Kabotagediensten zu begrenzen, ist erneut darauf hinzuweisen, dass die einzigen Unternehmen, auf die sich Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 bezieht, diejenigen sind, die durch den Rückgriff auf den kombinierten Verkehr daraus Nutzen zogen, um das Verbot der systematischen Kabotage zu umgehen, und dass der Unionsgesetzgeber allein die Absicht hat, dem Markt die erforderlichen Instrumente zur Verfügung zu stellen, um etwaige Störungen zu beheben.

826.

Die Klagegründe eines Verstoßes gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV sind als unbegründet zurückzuweisen.

c)   Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta

1) Vorbringen der Parteien

827.

Mit dem übergreifenden gemeinsamen Klagegrund für alle mit ihrer Klage in der Rechtssache C‑554/20 angefochtenen Bestimmungen der Verordnung 2020/1055 macht die Republik Polen geltend, dass Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta verstoße und im Widerspruch zum europäischen Grünen Deal stehe. Aus der Ricardo-Studie von 2021 und der Studie über die Bestimmung, mit der eine Beschränkung der Erbringung von Kabotagediensten im Rahmen des kombinierten Verkehrs eingeführt worden sei ( 507 ), ergebe sich sowohl eine Bestätigung dafür, dass die Auswirkungen der letztgenannten Bestimmung auf die Umwelt zum Zeitpunkt ihrer Annahme nicht untersucht worden seien, als auch dafür, dass diese Auswirkungen negativ gewesen seien.

828.

Der Rat und das Parlament beantragen, alle diese Klagegründe als unbegründet zurückzuweisen.

2) Würdigung

829.

Ich erinnere daran, dass der neue Abs. 7, der durch die Verordnung 2020/1055 in Art. 10 der Verordnung Nr. 1072/2009 eingefügt wurde, die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten regelt, wenn das zur Vermeidung von Missbrauch von Art. 4 der Richtlinie 92/106 durch unbegrenzte und ununterbrochene Verkehrsdienste in Form von Zu- oder Ablaufverkehren auf der Straße innerhalb eines Aufnahmemitgliedstaats als Bestandteil des kombinierten Verkehrs zwischen Mitgliedstaaten erforderlich ist, vorzusehen, dass Art. 8 der Verordnung Nr. 1072/2009, der die allgemeinen Grundsätze der Kabotage definiert, auch für Beförderungen im kombinierten Verkehr Anwendung findet, wobei die Mitgliedstaaten einen längeren als den Zeitraum von sieben Tagen, in dem die Kabotage im Anschluss an eine grenzüberschreitende Beförderung zulässig ist, und einen kürzeren Zeitraum als die Wartezeit von vier Tagen, in der die Kabotagebeförderungen verboten sind, vorsehen können ( 508 ). Mitgliedstaaten, die sich dafür entscheiden, für den kombinierten Verkehr das Verfahren bei Schutzmaßnahmen nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1072/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung anzuwenden, müssen die Kommission vorab davon unterrichten und die zu diesem Zweck erlassenen Maßnahmen mindestens alle fünf Jahre überprüfen. Sie sind auch zur Veröffentlichung dieser Maßnahmen verpflichtet.

830.

Der neue Abs. 7 von Art. 10 der Verordnung Nr. 1072/2009 hat somit die unmittelbare Wirkung, dass die Mitgliedstaaten nach ihrer Beurteilung, aber im Hinblick auf die Erreichung eines ganz bestimmten Ziels, die Geltung der Wartezeit verlängern können, während der die Verkehrsunternehmer Beförderungen innerhalb des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet sie eingetroffen sind, unterlassen müssen ( 509 ). In der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof haben die beklagten Organe darauf hingewiesen, dass am Tag der mündlichen Verhandlung nur drei Mitgliedstaaten die Kommission von ihrer Absicht unterrichtet hätten, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Der Umstand, dass dieser Art. 10 Abs. 7 eine solche Möglichkeit vorsieht, von der man nicht im Voraus wissen kann, inwieweit sie ausgeübt werden wird, und den Mitgliedstaaten einen gewissen Spielraum bei der Festlegung der Bedingungen dieser Beschränkung der Kabotage lässt, macht die Prüfung anhand von Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta eher ungewiss ( 510 ). Diese neue Bestimmung veranschaulicht jedoch angesichts der festgestellten Probleme und der vorgeschlagenen gesetzgeberischen Lösung, dass der Unionsgesetzgeber eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vornimmt, indem er eine differenzierte Antwort auf ein Problem ermöglicht, das sich nicht mit der gleichen Intensität in der gesamten Union stellt.

831.

Jedenfalls verweise ich auf die folgenden Nummern der vorliegenden Schlussanträge: zur Frage der Tragweite von Art. 37 der Charta auf Nr. 565; zum Umfang der Prüfung nach Art. 11 AEUV auf die Nrn. 567 ff.; zur Rüge des Fehlens einer Folgenabschätzung auf Nr. 570; zur Rüge eines Widerspruchs zu den Zielen des europäischen Grünen Deals auf Nr. 594; zur Rüge des Beweiswerts der nach dem Erlass von Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 durchgeführten Studien auf Nr. 580.

832.

Folglich ist der Klagegrund eines Verstoßes von Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055, gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta sowie eines Widerspruchs zu den Zielen des europäischen Grünen Deals als unbegründet zurückzuweisen.

d)   Ergebnis

833.

Die Klage der Republik Polen in der Rechtssache C‑554/20, soweit sie gegen Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung (EU) 2020/1055 gerichtet ist, wird abgewiesen.

5.   Ergebnis zu den Klagen in Bezug auf die Verordnung 2020/1055

834.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, der auf die Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit dieser Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1071/2009 ändert, gerichteten Klage der Republik Litauen in der Rechtssache C‑542/20, der Republik Bulgarien in der Rechtssache C‑545/20, Rumäniens in der Rechtssache C‑547/20, der Republik Ungarn in der Rechtssache C‑551/20, der Republik Malta in der Rechtssache C‑552/20 und der Republik Polen in der Rechtssache C‑554/20 stattzugeben. Der Klage der Republik Zypern in der Rechtssache C‑549/20 ist in vollem Umfang stattzugeben.

D. Zur Richtlinie 2020/1057

1.   Vorbemerkungen

835.

Die Klagen von sechs Mitgliedstaaten, nämlich der Republik Litauen (Rechtssache C‑541/20), der Republik Bulgarien (Rechtssache C‑544/20), Rumänien (Rechtssache C‑548/20), der Republik Zypern (Rechtssache C‑550/20), Ungarn (Rechtssache C‑551/20) und der Republik Polen (Rechtssache C‑553/20), betreffen die Richtlinie 2020/1057. Diese Mitgliedstaaten beantragen, diese Richtlinie entweder insgesamt (als Hauptantrag oder hilfsweise) oder einige ihrer Bestimmungen für nichtig zu erklären.

836.

So beantragen erstens die Republik Bulgarien und die Republik Zypern mit ihren Klagen, die Richtlinie 2020/1057 insgesamt für nichtig zu erklären.

837.

Zweitens sind die Klagen der Republik Litauen, Rumäniens, Ungarns und der Republik Polen auf die Nichtigerklärung von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 gerichtet, der besondere Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern betrifft. Im Einzelnen beantragt Ungarn, diesen Artikel insgesamt für nichtig zu erklären; die Republik Litauen, Rumänien und die Republik Polen, sowie Ungarn hilfsweise, beantragen – wie unten in Nr. 869 näher auszuführen sein wird – die Nichtigerklärung bestimmter Absätze dieses Artikels. Hilfsweise beantragen die Republik Litauen, Rumänien und die Republik Polen, die Richtlinie 2020/1057 insgesamt für nichtig zu erklären.

838.

Drittens schließlich beantragt die Republik Polen die Nichtigerklärung von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1057, der die Frist für die Umsetzung dieser Richtlinie betrifft.

839.

Vor der Prüfung der verschiedenen Klagegründe, die diese sechs Mitgliedstaaten zur Stützung ihrer Klagen geltend machen, sind zunächst die Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 und insbesondere diejenigen über die besonderen Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern in ihrem Art. 1 darzustellen. Sodann wird es ebenfalls vorab erforderlich sein, die Tragweite der Klagen der Republik Bulgarien und der Republik Zypern in den Rechtssachen C‑544/20 bzw. C‑550/20 zu klären.

a)   Zur Richtlinie 2020/1057 und zu der dort vorgesehenen Regelung für die Entsendung von Kraftfahrern

840.

Wie aus ihrem Titel hervorgeht, soll die Richtlinie 2020/1057 im Wesentlichen zwei Hauptthemen regeln: erstens werden darin besondere Regeln im Zusammenhang mit der Richtlinie 96/71/EG ( 511 ) und der Richtlinie 2014/67/EU ( 512 ) für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor festgelegt; zweitens ändert sie bezüglich der Durchsetzungsanforderungen die Richtlinie 2006/22/EG ( 513 ) über Mindestbedingungen im Bereich Sozialvorschriften für Tätigkeiten im Kraftverkehr sowie die Verordnung 1024/2012 ( 514 ) über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt‑Informationssystems. Da die in Rede stehenden Klagen der sechs Mitgliedstaaten nicht das zweite von der Richtlinie 2020/1057 erfasste Thema betreffen, ist die Prüfung auf das erste zu konzentrieren.

841.

Wie aus seinem Abs. 1 hervorgeht, legt Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 besondere Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor sowie bestimmte Aspekte, die Verwaltungsanforderungen und Kontrollmaßnahmen für die Entsendung dieser Kraftfahrer betreffen, fest.

842.

Im ersten Erwägungsgrund der Richtlinie heißt es, dass mit der Einführung solcher besonderer Regeln „sowohl angemessene Arbeitsbedingungen und ein angemessener Sozialschutz für Kraftfahrer als auch angemessene Geschäftsbedingungen und ein fairer Wettbewerb für die Kraftverkehrsunternehmen … sichergestellt werden“ sollen, und zwar im „Interesse, einen sicheren, effizienten und sozial verantwortlichen Straßenverkehrssektor zu schaffen“. Diese sektorspezifischen Vorschriften haben angesichts „des hohen Grades der Arbeitskräftemobilität im Straßenverkehrssektor“ das Ziel, „für ein Gleichgewicht zwischen der Freiheit der Unternehmen zur Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen, dem freien Warenverkehr, angemessenen Arbeitsbedingungen und dem Sozialschutz für Kraftfahrer zu sorgen“.

843.

Wie ich in den vorstehenden Nrn. 38 bis 51 ausgeführt habe, ist der Verkehrssektor durch Besonderheiten gekennzeichnet, von denen eine der wichtigsten die extreme Mobilität der Arbeitskräfte ist. So werden in diesem Sektor, anders als das manchmal in anderen Sektoren der Fall ist, die Arbeitnehmer, d. h. die Kraftfahrer, in der Regel nicht für lange Zeiträume im Rahmen von Dienstleistungsverträgen in einen anderen Mitgliedstaat entsandt ( 515 ), sondern üben einen Beruf aus, der durch eine fast ununterbrochene Mobilität gekennzeichnet ist.

844.

Unter diesen Umständen soll, wie im achten Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057 ausgeführt, in Anbetracht der Besonderheiten des Straßenverkehrssektors mit den sektorspezifischen Vorschriften der Richtlinie 2020/1057 klargestellt werden, unter welchen Umständen die allgemeinen Bestimmungen über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen nach der Richtlinie 96/71, die grundsätzlich in allen Wirtschaftssektoren anwendbar sind ( 516 ), nicht für die Kraftfahrer gelten.

845.

Aus dem neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057 geht hervor, dass der Unionsgesetzgeber beschlossen hat, diese sektorspezifischen Vorschriften für die Entsendung auf das Kriterium des Vorliegens einer „hinreichenden Verbindung“ zwischen dem Kraftfahrer und der erbrachten Dienstleistung sowie mit dem Gebiet des jeweiligen Aufnahmemitgliedstaats zu gründen. Zu diesem Zweck hat der Gesetzgeber, „[z]ur Erleichterung der Durchsetzung dieser [sektorspezifischen] Vorschriften“, „zwischen den verschiedenen Arten von Beförderungen in Abhängigkeit vom Grad der Verbindung mit dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats“ unterschieden.

846.

So unterscheidet Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 in seinen Abs. 3 bis 7 in Verbindung mit den Erwägungsgründen 7 bis 13 dieser Richtlinie bei der Bestimmung einer Entsendung von Fahrern zwischen fünf Arten von grenzüberschreitenden Beförderungen und insbesondere zwischen: bilaterale Beförderungen, Transit, kombinierter Verkehr, Kabotage, nicht bilaterale grenzüberschreitende Beförderungen (auch „Beförderung im Dreiländerverkehr“ genannt).

847.

Was erstens die „bilateralen Beförderungen“ betrifft, so handelt es sich um Beförderungen von dem Mitgliedstaat, in dem das Verkehrsunternehmen niedergelassen ist, in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats oder eines Drittlands oder umgekehrt um Beförderungen von einem Mitgliedstaat oder Drittland zurück in den Niederlassungsmitgliedstaat des Verkehrsunternehmens ( 517 ).

848.

Nach Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 1 und Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 2020/1057 gilt ein Kraftfahrer nicht als entsandt im Sinne der Richtlinie 96/71, wenn er bilaterale Beförderungen von Gütern bzw. von Fahrgästen durchführt.

849.

Der zehnte Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057 legt nämlich dar, dass, „[w]enn ein Kraftfahrer bilaterale Beförderungen … durchführt, … die Art des Dienstes eng mit dem Niederlassungsmitgliedstaat verbunden [ist]. Es ist möglich, dass ein Kraftfahrer während einer Fahrt mehrere bilaterale Beförderungen durchführt. Es wäre eine unverhältnismäßige Einschränkung der Freiheit zur Erbringung grenzüberschreitender Straßenverkehrsdienstleistungen, wenn die Entsendevorschriften – und damit die im Aufnahmemitgliedstaat garantierten Beschäftigungsbedingungen – für solche bilateralen Beförderungen gelten würden.“

850.

In weiteren Unterabsätzen von Art. 1 Abs. 2 und 3 sieht die Richtlinie 2020/1057 sodann Ausnahmeregelungen für zusätzliche Tätigkeiten vor, und zwar sowohl für bilaterale Beförderungen von Gütern als auch für bilaterale Beförderungen von Fahrgästen ( 518 ).

851.

Was zweitens den Transit betrifft, handelt es sich um Beförderungen, bei denen der Kraftfahrer das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats durchfährt, ohne Fracht zu laden oder zu entladen und ohne Fahrgäste aufzunehmen oder abzusetzen ( 519 ). Da keine wesentliche Verbindung zwischen den Tätigkeiten des Kraftfahrers und dem im Transit durchfahrenen Mitgliedstaat besteht ( 520 ), sieht Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 2020/1057 vor, dass, wenn der Kraftfahrer das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats im Transit durchfährt, ohne Güter zuzuladen oder zu entladen und ohne Fahrgäste aufzunehmen oder abzusetzen, ein Kraftfahrer nicht als für die Zwecke der Richtlinie 96/71 entsandt gilt.

852.

Was drittens den kombinierten Verkehr betrifft, so ist diese Art des Verkehrs in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 92/106/EWG ( 521 ) definiert, auf die in der Richtlinie 2020/1057 ausdrücklich Bezug genommen wird. Es handelt sich im Wesentlichen um Güterbeförderungen zwischen Mitgliedstaaten, bei denen der Lastkraftwagen oder das andere mit dem Lastkraftwagen verbundene Mittel zur Beförderung der Güter die Zu- und Ablaufstrecke auf der Straße und den übrigen Teil der Strecke auf der Schiene oder auf einer Binnenwasserstraße oder auf See zurücklegt ( 522 ).

853.

Wie sich aus dem zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057 ergibt, war der Gesetzgeber für diese Art von Verkehr der Ansicht, dass, „[w]enn ein Kraftfahrer eine Beförderung im kombinierten Verkehr durchführt, gilt, dass die Art der erbrachten Dienstleistung auf der Zu- oder Ablaufstrecke auf der Straße eng mit dem Mitgliedstaat der Niederlassung verbunden ist, wenn die auf der Straße zurückgelegte Teilstrecke selbst eine bilaterale Beförderung darstellt. Wenn jedoch die Beförderung auf der Straße innerhalb des Aufnahmemitgliedstaats oder als nicht bilaterale grenzüberschreitende Beförderung durchgeführt wird, besteht eine hinreichende Verbindung mit dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats, und daher sollten die Entsendevorschriften Anwendung finden“.

854.

So bestimmt Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057, dass ein Kraftfahrer nicht als entsandt gilt, wenn der Kraftfahrer im kombinierten Verkehr die Zu- oder Ablaufstrecke auf der Straße zurücklegt, sofern die auf der Straße zurückgelegte Teilstrecke selbst aus bilateralen Beförderungen besteht.

855.

Was viertens die Kabotage betrifft, definiert der fünfte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1072/2009, wie sich aus den Nrn. 742 ff. der vorliegenden Schlussanträge ergibt, die Kabotagebeförderung als „die Erbringung von Dienstleistungen durch einen Verkehrsunternehmer in einem Mitgliedstaat, in dem er nicht niedergelassen ist“ ( 523 ), und gestattet sie grundsätzlich, „sofern sie nicht dergestalt durchgeführt wird, dass dadurch eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit in diesem Mitgliedstaat entsteht“ ( 524 ). Zu diesem Zweck wurden die Häufigkeit der Kabotagebeförderungen und der Zeitraum, in dem sie durchgeführt werden können, durch Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1072/2009 klarer bestimmt, bevor er, unter den oben geprüften Voraussetzungen ( 525 ), durch die Verordnung 2020/1055 geändert wurde.

856.

Aus dem 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057 geht hervor, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass, wenn ein Fahrer Kabotagebeförderungen durchführt, eine hinreichende Verbindung zum Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats gegeben ist, da die gesamte Beförderung in einem Aufnahmemitgliedstaat stattfindet und die Dienstleistung somit eng mit dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates verbunden ist.

857.

So sieht Art. 1 Abs. 7 der Richtlinie 2020/1057 vor, dass ein Kraftfahrer, der eine Kabotagebeförderung durchführt, als entsandt im Sinne der Richtlinie 96/71 gilt.

858.

Was fünftens die „nicht bilateralen“ grenzüberschreitenden Beförderungen (auch „Beförderung im Dreiländerverkehr“ genannt) betrifft, ergibt sich aus dem 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057, dass sie sich dadurch auszeichnen, dass der Kraftfahrer eine grenzüberschreitende Beförderung außerhalb des Niederlassungsmitgliedstaats des entsendenden Unternehmens durchführt. Es handelt sich also um Beförderungen aus einem anderen Mitgliedstaat als dem Niederlassungsmitgliedstaat des Verkehrsunternehmens, oder aus einem Drittland, in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats, der sich ebenfalls von diesem Niederlassungsmitgliedstaat unterscheidet, oder in das Hoheitsgebiet eines Drittlandes.

859.

In diesem 13. Erwägungsgrund hat der Gesetzgeber ausgeführt, dass, wenn ein Kraftfahrer nicht bilaterale grenzüberschreitende Beförderungen durchführt, da diese Art von Beförderung sich dadurch auszeichnet, dass der Kraftfahrer eine grenzüberschreitende Beförderung außerhalb des Niederlassungsmitgliedstaats des entsendenden Unternehmens durchführt, die erbrachten Dienste eher eine Verbindung mit dem jeweiligen Aufnahmemitgliedstaat als mit dem Niederlassungsmitgliedstaat aufweisen. Der Gesetzgeber war daher der Auffassung, dass in diesen Fällen sektorspezifische Vorschriften nur für die Verwaltungsanforderungen und Kontrollmaßnahmen erforderlich sind. Folglich sieht – anders als bei den anderen oben genannten Arten von Beförderungen – Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 in Bezug auf die Beförderungen im Dreiländerverkehr keinen Absatz vor, der die Entsendung von Kraftfahrern für diese Art von Beförderungen gesetzlich regelt.

b)   Zur Tragweite der Klagen der Republik Bulgarien und der Republik Zypern in den Rechtssachen C‑544/20 bzw. C‑550/20

860.

Vorab ist noch die Tragweite der von der Republik Bulgarien und der Republik Zypern erhobenen Klagen in den Rechtssachen C‑544/20 und C‑550/20 – wobei die Klagen nahezu identisch sind – zu klären. Mit diesen Klagen beantragen diese beiden Mitgliedstaaten, die Richtlinie 2020/1057 insgesamt für nichtig zu erklären.

861.

Das Parlament und der Rat machen jedoch geltend, dass die Klagen dieser beiden Mitgliedstaaten Argumente vorbrächten, die sich ausschließlich auf Art. 1 dieser Richtlinie bezögen und deren Rest nicht beträfen.

862.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung eine vollständige Nichtigerklärung eines angefochtenen Rechtsakts nicht erfolgen kann, wenn ein Klagegrund, der nur einen spezifischen Aspekt dieses Rechtsakts betrifft, ganz offensichtlich nur eine teilweise Nichtigerklärung rechtfertigen kann. Die Tatsache allein, dass es einen von der klagenden Partei zur Stützung ihrer Nichtigkeitsklage geltend gemachten Klagegrund für begründet hält, erlaubt dem Unionsgericht nämlich nicht, den angefochtenen Rechtsakt ohne Weiteres insgesamt für nichtig zu erklären ( 526 ).

863.

Die teilweise Nichtigerklärung eines Unionsrechtsakts ist jedoch nur möglich, soweit sich die Teile, deren Nichtigerklärung beantragt wird, vom Rest des Rechtsakts trennen lassen. Dieses Erfordernis ist nicht erfüllt, wenn die teilweise Nichtigerklärung eines Rechtsakts zur Folge hätte, dass der Wesensgehalt dieses Aktes verändert würde, was anhand eines objektiven und nicht eines subjektiven, vom politischen Willen des Organs, das den fraglichen Rechtsakt erlassen hat, abhängigen Kriteriums zu beurteilen ist ( 527 ).

864.

Im vorliegenden Fall beanstanden die Republik Bulgarien und die Republik Zypern in ihren beiden Klagen in den Rechtssachen C‑544/20 und C‑550/20 aber das, was sie als „hybrides Modell“ bezeichnen, das durch die Richtlinie 2020/1057 eingeführt worden sein soll. Wie sich aus ihren Klagen ergibt, besteht dieses hybride Modell „in dem Umstand, dass auf die Beförderung im Dreiländerverkehr ohne zeitliche Grenze die Entsendevorschriften angewendet werden und gleichzeitig die bilaterale Beförderung von diesen Vorschriften ausgenommen wird“ ( 528 ).

865.

Diese beiden Mitgliedstaaten stützen ihre Klagen auf fünf Klagegründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zweitens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, drittens einen Verstoß gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV, viertens einen Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2, Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV und Art. 94 AEUV und fünftens einen Verstoß gegen die Vertragsbestimmungen über den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr und die gemeinsame Verkehrspolitik geltend machen.

866.

Wie oben in Nr. 840 ausgeführt, soll die Richtlinie 2020/1057 im Wesentlichen zwei Hauptthemen regeln. Insbesondere sollen im Rahmen des ersten dieser Themen, wie ich oben in den Nrn. 845 ff. ausgeführt habe, mit der Richtlinie 2020/1057, insbesondere in ihrem Art. 1 Abs. 3 bis 7 in Verbindung mit den Erwägungsgründen 10 bis 13, besondere Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor eingeführt werden, indem zwischen den verschiedenen Arten von Beförderungen in Abhängigkeit vom Grad der Verbindung mit dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats unterschieden wird.

867.

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die Klagen der Republik Bulgarien und der Republik Zypern ausschließlich das erste durch die Richtlinie 2020/1057 geregelte Thema und nur zwei der fünf Beförderungsarten betreffen, auf die sich Art. 1 dieser Richtlinie bezieht. Selbst wenn der Gerichtshof einem oder allen Klagegründen stattgeben sollte, die diese beiden Mitgliedstaaten in ihren Klagen geltend gemacht haben, hätte dies folglich allenfalls die Nichtigerklärung der Richtlinie 2020/1057 zur Folge, soweit sie die Entsendung für die beiden Beförderungsarten regelt, auf die sich das Vorbringen dieser beiden Mitgliedstaaten bezieht, d. h. die bilaterale Beförderung und die Beförderung im Dreiländerverkehr. Nach der oben in den Nrn. 862 und 863 angeführten Rechtsprechung kann sich eine solche Nichtigerklärung nicht auf die in der Richtlinie vorgesehene Regelung für die anderen Beförderungsarten und erst recht nicht auf die anderen Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 erstrecken ( 529 ). Folglich sind die Klagen der Republik Bulgarien und der Republik Zypern hinsichtlich der letztgenannten Aspekte abzuweisen.

2.   Zu den Klagegründen betreffend die besonderen Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern

a)   Vorbemerkungen

868.

Alle sechs Mitgliedstaaten, die die Richtlinie 2020/1057 angefochten haben, wenden sich gegen deren Bestimmungen über die besonderen Regeln, die insbesondere in ihrem Art. 1 enthalten sind, für die Entsendung von Kraftfahrern.

869.

Genauer gesagt beantragt die Republik Litauen in der Rechtssache C‑541/20 die Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 3 und 7 der Richtlinie 2020/1057, die die bilateralen Beförderungen von Gütern bzw. die Kabotage betreffen. In der Rechtssache C‑548/20 beantragt Rumänien die Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 3 bis 6 der Richtlinie 2020/1057 betreffend die bilateralen Beförderungen von Gütern und von Fahrgästen, den Transit und den kombinierten Verkehr. In der Rechtssache C‑551/20 beantragt Ungarn, diesen Artikel insgesamt für nichtig zu erklären, hilfsweise, Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 betreffend den kombinierten Verkehr für nichtig zu erklären. In der Rechtssache C‑555/20 beantragt die Republik Polen die Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 3, 4, 6 und 7 der Richtlinie 2020/1057 betreffend die bilateralen Beförderungen von Gütern und von Fahrgästen, den kombinierten Verkehr und die Kabotage. Die Klagen der Republik Bulgarien und der Republik Zypern in den Rechtssachen C‑544/20 bzw. C‑550/20 betreffen, wie oben in den Nrn. 860 bis 867 erläutert, die Regelung der Richtlinie 2020/1057 in Bezug auf die bilateralen Beförderungen und die Beförderung im Dreiländerverkehr.

870.

Um die verschiedenen von diesen Mitgliedstaaten gegen diese besonderen Regeln vorgebrachten Klagegründe prüfen zu können, ist der Rechtsprechungsrahmen darzustellen, in den sich diese Regeln einfügen.

b)   Zur Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor

871.

Wie ich oben in Nr. 845 ausgeführt habe, hat der Unionsgesetzgeber im Rahmen der Richtlinie 2020/1057 die sektorspezifischen Vorschriften für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor auf das Kriterium des Vorliegens einer „hinreichenden Verbindung“ zwischen dem Kraftfahrer und der erbrachten Dienstleistung sowie mit dem Gebiet des jeweiligen Aufnahmemitgliedstaats gegründet.

872.

Damit hat der Gesetzgeber das vom Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Anwendbarkeit der Richtlinie 96/71 entwickelte Kriterium angewandt. Im Urteil vom 19. Dezember 2019, Dobersberger (C‑16/18, EU:C:2019:1110), hat der Gerichtshof nämlich festgestellt, dass ein Arbeitnehmer im Hinblick auf die Richtlinie 96/71 nur dann als in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsandt angesehen werden kann, wenn seine Arbeitsleistung eine „hinreichende Verbindung“ zu diesem Hoheitsgebiet aufweist ( 530 ). Dagegen kann ein Arbeitnehmer, der in dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in den er entsandt wird, Leistungen von sehr beschränktem Umfang erbringt, nicht als „entsandt“ im Sinne der Richtlinie 96/71 angesehen werden ( 531 ).

873.

Der Gerichtshof hat sodann Hinweise für die Prüfung gegeben, ob diese „hinreichende Verbindung“ besteht. Diese Analyse setzt somit eine Gesamtwürdigung aller Gesichtspunkte voraus, die die Tätigkeit des betreffenden Arbeitnehmers kennzeichnen. Außerdem kann sich das Vorliegen einer solchen Verbindung zu dem betreffenden Hoheitsgebiet insbesondere anhand der Merkmale der Dienstleistung, für deren Erbringung der betreffende Arbeitnehmer eingesetzt wird, zeigen. Ein relevanter Gesichtspunkt für die Beurteilung des Vorliegens einer solchen Verbindung stellt auch die Art der Tätigkeiten dar, die dieser Arbeitnehmer im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats verrichtet ( 532 ).

874.

Im nachfolgenden Urteil vom 1. Dezember 2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging – das nach dem Erlass der Richtlinie 2020/1057 und während des Ablaufs des schriftlichen Verfahrens in den Rechtssachen, die Gegenstand der vorliegenden Schlussanträge sind, verkündet wurde – hat der Gerichtshof darüber hinaus eine ganze Reihe wichtiger Klarstellungen zur rechtlichen Regelung der Entsendung mobiler Arbeitnehmer wie die im grenzüberschreitenden Verkehr tätigen Kraftfahrer unter der Geltung der Richtlinie 96/71 gegeben.

875.

So hat der Gerichtshof in diesem Urteil erstens klargestellt, dass die Richtlinie 96/71 auf die länderübergreifende Erbringung von Dienstleistungen im Straßenverkehrssektor anwendbar ist. Mit Ausnahme der Dienstleistungen, an denen die Schiffsbesatzungen von Unternehmen der Handelsmarine beteiligt sind – die durch Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 96/71 ausdrücklich ausgeschlossen sind –, gilt diese Richtlinie grundsätzlich für jede länderübergreifende Erbringung von Dienstleistungen, die mit einer Entsendung von Arbeitnehmern verbunden ist, unabhängig davon, zu welchem Wirtschaftssektor eine solche Dienstleistung gehört, also auch im Straßenverkehrssektor ( 533 ).

876.

Zweitens hat der Gerichtshof in diesem Urteil die Kriterien für die Feststellung des Vorliegens einer „hinreichenden Verbindung“ zu dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats für mobile Arbeitnehmer wie im grenzüberschreitenden Verkehr tätige Kraftfahrer klargestellt ( 534 ). So hat der Gerichtshof in Bezug auf diese Arbeitnehmer festgestellt, dass für das Vorliegen einer „hinreichenden Verbindung“ zu dem Hoheitsgebiet von Bedeutung ist, wie eng die Verbindung zwischen den Tätigkeiten, die ein solcher Arbeitnehmer im Rahmen der Erbringung der ihm zugewiesenen Beförderungsleistung verrichtet, und dem Hoheitsgebiet jedes betroffenen Mitgliedstaats ist. Sodann hat er ausgeführt, dass das Gleiche für den Anteil dieser Tätigkeiten an der Gesamtheit der betreffenden Dienstleistungen gilt, und dass insoweit das Be- oder Entladen von Waren, die Instandhaltung oder die Reinigung von Transportfahrzeugen von Bedeutung sind, sofern sie tatsächlich von dem betreffenden Fahrer und nicht von Dritten durchgeführt werden.

877.

Drittens hat der Gerichtshof im Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging auch genaue Kriterien für das Vorliegen einer „hinreichenden Verbindung“ für bestimmte Arten von grenzüberschreitenden Beförderungen entwickelt. So hat der Gerichtshof erstens festgestellt, dass ein Fahrer, der das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats im Rahmen eines Gütertransports auf der Straße nur durchquert, nicht als „entsandt“ im Sinne der Richtlinie 96/71 angesehen werden kann, da er in dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in den er entsandt wird, Leistungen von sehr beschränktem Umfang erbringt ( 535 ). Der Gerichtshof hat daher das Vorliegen einer „hinreichenden Verbindung“ zum Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats für den Transit, wie oben in Nr. 851 dargelegt, ausgeschlossen.

878.

Zweitens hat der Gerichtshof festgestellt, dass Gleiches für einen Fahrer gilt, der lediglich einen grenzüberschreitenden Transport vom Sitzmitgliedstaat des Transportunternehmens bis zum Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats oder umgekehrt durchführt ( 536 ). Der Gerichtshof hat daher entschieden, dass ein Fahrer, der „bilaterale Beförderungen“, wie oben in Nr. 847 dargelegt, durchführt, nicht als „entsandt“ im Sinne der Richtlinie 96/71 angesehen werden kann.

879.

Drittens hat der Gerichtshof auch entschieden, dass der Umstand, dass die Kabotagebeförderungen vollständig im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats stattfinden, die Annahme zulässt, dass die Arbeitsleistung des Fahrers im Rahmen solcher Beförderungen eine hinreichende Verbindung zu diesem Hoheitsgebiet aufweist ( 537 ). Der Gerichtshof hat daher entschieden, dass ein Fahrer, der Kabotagebeförderungen, wie oben in Nr. 855 dargelegt, durchführt, grundsätzlich als im Sinne der Richtlinie 96/71 in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats entsandt anzusehen ist.

880.

In demselben Zusammenhang hat der Gerichtshof auch entschieden, dass die Dauer der Kabotagebeförderungen an sich das Bestehen einer hinreichenden Verbindung zwischen der Arbeitsleistung des Fahrers, der sie durchführt, und dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats nicht in Frage zu stellen vermag ( 538 ).

881.

Die Klagegründe, mit denen die besonderen Regeln der Richtlinie 2020/1057 für die Entsendung von Kraftfahrern beanstandet werden, sind daher in diesem Rechtsprechungskontext zu prüfen.

c)   Zum Klagegrund der Nichtanwendbarkeit der Richtlinie 96/71 auf Kraftfahrer im Straßenverkehrssektor

1) Vorbringen der Parteien

882.

Im Rahmen seines Hauptantrags in der Rechtssache C‑551/20 auf Nichtigerklärung von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 insgesamt macht Ungarn mit Unterstützung der Republik Estland, der Republik Lettland und Rumäniens geltend, dass die „besonderen Regeln“ im Sinne dieses Artikels rechtswidrig seien, da die Kraftfahrer, die im internationalen Straßenverkehr tätig seien, in Anbetracht der besonderen Merkmale der von ihnen ausgeübten Tätigkeit im Allgemeinen nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 96/71 über die Entsendung von Arbeitnehmern fielen.

883.

Erstens komme nach Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 96/71 – auf den in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2020/1057 Bezug genommen wird – die Anwendbarkeit der Entsenderegelung auf Kraftfahrer, die im internationalen Straßenverkehr tätig seien, nur dann in Betracht, wenn zwischen dem sie beschäftigenden Verkehrsunternehmen und dem Empfänger der Entsendung ein Vertragsverhältnis bestehe. Ein solches Vertragsverhältnis sei aber im Rahmen von Beförderungsverträgen ungewöhnlich. Nach der Richtlinie 2020/1057 sei es keineswegs erforderlich, dass zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Empfängerunternehmen ein Vertrag geschlossen werde, damit eine Entsendung vorliege. Es genüge nämlich, dass der Fahrer eine nationale Grenze überschreite. Daraus folge, dass die Entsendevorschriften auf einem Grundgedanken beruhten, der dem der grenzüberschreitenden Beförderungstätigkeiten völlig fremd sei, so dass sie nach Ansicht der ungarischen Regierung nicht auf sie anwendbar seien.

884.

Zweitens stehe die Entsendung im Sinne der Richtlinie 96/71 in engem Zusammenhang mit einer Dienstleistung, die der Arbeitgeber im Aufnahmemitgliedstaat erbringe. Im Rahmen der Beförderungstätigkeit liege der Schwerpunkt jedoch nicht auf der vom Fahrer erbrachten Dienstleistung, sondern auf dem Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten. Es handele sich daher nicht um eine Tätigkeit, die die Anwendung der Entsendevorschriften nach der Richtlinie 96/71 rechtfertigen könne. Diese Argumentation werde durch die Antwort der Europäischen Union auf die durch die Covid‑19-Pandemie verursachte Krise gestützt. Nach der Einführung von Reisebeschränkungen durch verschiedene Mitgliedstaaten sei die Kommission fast sofort tätig geworden, um das möglichst reibungslose Funktionieren des Güterverkehrs zu gewährleisten.

885.

Drittens vertritt Ungarn wegen der hohen Mobilität der Arbeitnehmer im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr unter Bezugnahme auf das oben angeführte Urteil Dobersberger die Auffassung, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass diese Kraftfahrer ihre Arbeit vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat ausübten, sondern sie sich vielmehr ständig auf der Fahrt zwischen mehreren Mitgliedstaaten befänden. Ein kurzer Aufenthalt – sogar von einigen Stunden – in einem anderen Mitgliedstaat könne keine hinreichende Verbindung zum Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats schaffen.

886.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, diesen Klagegrund zurückzuweisen.

2) Würdigung

887.

Mit seinem einzigen Klagegrund, der zur Stützung seines Hauptantrags auf Nichtigerklärung von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 vorgebracht wird, macht Ungarn im Wesentlichen geltend, dass, da die durch die Richtlinie 96/71 eingeführte Entsenderegelung nicht auf den Straßenverkehrssektor anwendbar sei, die in Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Bestimmungen, die sich für die Definition ihres Anwendungsbereichs ausdrücklich auf die Richtlinie 96/71 bezögen, rechtswidrig seien.

888.

Insoweit habe ich jedoch oben in Nr. 875 darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof im Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging ( 539 ), das nach Erhebung der Klage durch Ungarn in der Rechtssache C‑551/20 ( 540 ) verkündet wurde, entschieden hat, dass die Richtlinie 96/71 auf die länderübergreifende Erbringung von Dienstleistungen im Straßenverkehrssektor anwendbar ist. Daraus folgt, dass die Voraussetzung des von Ungarn geltend gemachten Klagegrundes selbst fehlt, da sich dieser Klagegrund auf eine angebliche Unanwendbarkeit der Richtlinie 96/71 auf den Straßenverkehrssektor stützt. Unter diesen Umständen ist dieser Klagemittelgrund meines Erachtens zurückzuweisen.

889.

Im Übrigen hat Ungarn in seiner Erwiderung, die nach der Verkündung des Urteils Federatie Nederlandse Vakbeweging eingereicht worden ist ( 541 ), selbst darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof in diesem Urteil entschieden habe, dass die Richtlinie 96/71 im Straßenverkehrssektor anwendbar sei. Das bereits in der Klageschrift dargelegte und später in diesem Schriftsatz näher ausgeführte Vorbringen, wonach aufgrund der Ungewöhnlichkeit des Abschlusses eines Vertrags zwischen dem Verkehrsunternehmen, das die im grenzüberschreitenden Verkehr tätigen Fahrer beschäftige, und dem Empfänger der Entsendung, in vielen Fällen die Verkehrsdienstleistungen nicht die Voraussetzungen einer in den Anwendungsbereich der Richtlinie 96/71 fallenden Entsendung erfüllten, so dass die Kraftfahrer, die im grenzüberschreitenden Verkehr tätig seien, im Allgemeinen nicht als Personen angesehen werden könnten, die eine der länderübergreifenden Maßnahmen im Sinne der Richtlinie 96/71 träfen, geht meines Erachtens ins Leere.

890.

Denn selbst wenn man davon ausginge, dass die vorgetragenen Umstände zuträfen, könnten sie jedenfalls nicht die Rechtswidrigkeit der fraglichen Bestimmung belegen. Der etwaige Umstand, dass eine Regelung einen begrenzten Anwendungsbereich hat ( 542 ), so dass mehrere Fälle von ihr nicht erfasst werden, belegt in keiner Weise die Rechtswidrigkeit dieser Regelung.

891.

Nach alledem ist meines Erachtens der einzige Klagegrund, der zur Stützung des Hauptantrags Ungarns in der Rechtssache C‑551/20 auf Nichtigerklärung von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 geltend gemacht wird, zurückzuweisen.

d)   Zum Verstoß gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV

1) Vorbringen der Parteien

892.

Die Republik Bulgarien und die Republik Zypern tragen vor, dass Art. 91 Abs. 1 AEUV, der die Rechtsgrundlage der Richtlinie 2020/1057 darstelle, vom Unionsgesetzgeber verlange, gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des EWSA und des AdR zu entscheiden. Diese beiden Kläger machen geltend, der Rat und das Parlament hätten dadurch, dass sie diese beiden Ausschüsse nicht angehört hätten, obwohl das hybride Modell ( 543 ) während des Gesetzgebungsverfahrens eingeführt worden und nicht Teil des ursprünglichen Vorschlags der Kommission gewesen sei, gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV verstoßen. Eine solche Anhörungspflicht nach einer wesentlichen Änderung des ursprünglichen Entwurfs ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur beratenden Rolle des Europäischen Parlaments ( 544 ), als dieses noch nicht Mitgesetzgeber gewesen sei, die für den EWSA und den AdR entsprechend gelte, sowie aus den Arbeitsunterlagen zur Arbeitsweise des AdR. Die Schlussfolgerungen des Urteils in der Rechtssache C‑65/90 ( 545 ) seien auf die Modalitäten der Anhörung des AdR und des EWSA übertragbar und die damals vom Gerichtshof ausgelegte Bestimmung sei wortgleich mit Art. 91 Abs. 1 AEUV. Das hybride Modell berühre den Kern der Richtlinie. Die vollständige Anwendung der Vorschriften über die Entsendung von Arbeitnehmern unabhängig von der in einem Mitgliedstaat verbrachten Zeit auf den Dreiländerverkehr würde den betroffenen Verkehrsunternehmen eine wesentlich geänderte Verpflichtung auferlegen. Die Beförderungen im Dreiländerverkehr seien den bilateralen Beförderungen nicht mehr gleichgestellt, was den Wettbewerb verfälsche und ungerechtfertigte Unterschiede zwischen den Fahrern herbeiführe. Das im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eingeführte hybride Modell würde somit die Struktur des ursprünglichen Vorschlags beeinträchtigen. Die fehlende Anhörung der Ausschüsse könne sich auf den Inhalt und den Wesensgehalt der Maßnahme auswirken und habe zu mangelnder Sorgfalt bei der Ausarbeitung der Maßnahme geführt. Die Verpflichtung zur Anhörung dieser beiden Ausschüsse ergebe sich aus einem wesentlichen, eindeutigen und klaren Verfahrenserfordernis, auf das auch die Arbeitsunterlagen des AdR verwiesen. Eine wesentliche Änderung im Vorschlag für eine Verordnung des Parlaments und des Rates über die Bewertung von Gesundheitstechnologien und zur Änderung der Richtlinie 2011/24/EU ( 546 ) hätte den Mitgesetzgeber dazu veranlasst, eine erneute Anhörung des EWSA zu beschließen. Das Fehlen einer erheblichen Auswirkung der unterbliebenen Anhörung auf den Inhalt der letztlich erlassenen Maßnahmen könne, auch wenn sie, entgegen dem Vorbringen des Parlaments, nicht erwiesen sei, jedenfalls den obligatorischen Charakter der Anhörung nicht beeinträchtigen. Der Rat habe die entscheidende Rolle der Richtlinie 2020/1057 in seiner eigenen Pressemitteilung anerkannt ( 547 ).

893.

Der Rat und das Parlament sowie ihre Streithelfer beantragen, den Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV wegen fehlender Anhörung des EWSA und des AdR zurückzuweisen.

2) Würdigung

894.

Wie bereits in Nr. 535 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, sind nach Art. 91 Abs. 1 AEUV das Parlament und der Rat, wenn sie auf dieser Grundlage tätig werden, verpflichtet, den EWSA und den AdR anzuhören. Die Stellungnahmen des EWSA und des AdR zum Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie wurden am 18. Januar 2018 ( 548 ) bzw. am 1. Februar 2018 ( 549 ) eingeholt.

895.

Die Republik Bulgarien und die Republik Zypern stützen sich im Wesentlichen auf ein ähnliches Vorbringen wie im Kontext von Art. 1 Nr. 3 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 ( 550 ). Sodann werfen diese beiden Kläger dem Rat und dem Parlament vor, nach den Änderungen des Vorschlags für die Richtlinie, zu dem sie sich geäußert hätten, während des Gesetzgebungsverfahrens nicht erneut die Stellungnahme des EWSA und des AdR eingeholt zu haben. Während der Vorschlag der Kommission auf das Kriterium der im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Dauer gestützt gewesen sei, um die Anwendung der Entsendevorschriften auszulösen, hätten der Rat und das Parlament ein anderes Kriterium gewählt, und weder der EWSA noch der AdR seien zu der wesentlichen Änderung, die das hybride Modell darstelle, konsultiert worden.

896.

Ich habe bereits ausgeführt, dass sich die Verpflichtung zur erneuten Anhörung dieser Ausschüsse im Fall einer wesentlichen Änderung des Textes während des Gesetzgebungsverfahrens weder aus Art. 91 AEUV noch aus irgendeiner anderen Bestimmung des Primärrechts ergibt ( 551 ). Ich habe auch das Argument zurückgewiesen, dass die sich aus dem Urteil Parlament/Rat ergebenden Grundsätze auf die Fälle der Anhörung des EWSA und des AdR Anwendung fänden ( 552 ). Zum Inhalt der von der Republik Bulgarien und der Republik Zypern angeführten Arbeitsunterlagen des AdR verweise ich auf Nr. 538 der vorliegenden Schlussanträge

897.

Dies führt mich zu der Schlussfolgerung, dass der EWSA und der AdR meines Erachtens zum geplanten Gesetzesentwurf hinreichend Stellung nehmen konnten.

898.

Insbesondere weise ich darauf hin, dass der AdR bereits seine Bedenken „in Bezug auf die umfassende Einbeziehung grenzüberschreitender Verkehrsdienste in den Geltungsbereich der Entsenderichtlinie zum Ausdruck“ gebracht hat ( 553 ). Außerdem besteht das hybride Modell, wie es von den Klägern selbst definiert wird, in einer Ausnahme der bilateralen Beförderung von der Anwendung der Entsendevorschriften ( 554 ) und kann daher als zumindest teilweise den vom AdR zum Ausdruck gebrachten Bedenken entsprechend angesehen werden.

899.

Was den EWSA betrifft, so hatte er Gelegenheit, seine Auffassung zu äußern, dass die vorgeschlagenen Änderungen der Rechtsvorschriften über die Entsendung von Kraftfahrern den ermittelten Problemen nicht gerecht würden, da sie nicht dazu beitrügen, die Vorschriften einfacher, verständlicher und durchsetzbarer zu machen ( 555 ). Der EWSA begrüßte jedoch die die EU‑weite Anwendung der Entsendevorschriften im Straßenverkehr ( 556 ), die seiner Ansicht eine entscheidende Voraussetzung für die Sicherstellung jeweils gleicher Ausgangsbedingungen für Arbeitnehmer und Unternehmen war ( 557 ), und konnte sich zu der Frage der Anwendung dieser Vorschriften je nach Art der geplanten Beförderungen äußern ( 558 ). Der EWSA „unterstützt nachdrücklich, dass die Entsenderichtlinie bei Kabotagebeförderungen weiterhin ab dem ersten Tag angewendet werden sollte“ ( 559 ).

900.

Mir scheint daher, dass die Richtlinie 2020/1057 in Bezug auf den Grundsatz, dass Beförderungen den Vorschriften über die Entsendung unterliegen, an den Vorschlag der Kommission anknüpft. Sowohl der EWSA als auch der AdR konnten insoweit sachgerecht Stellung nehmen. Die Frage der Bestimmung des Umstands, der die Anwendung dieser Vorschriften auslöst, d. h. die vom Unionsgesetzgeber als relevant angesehene Einstufung der „hinreichenden Verbindung“ zum Niederlassungsmitgliedstaat (ein Aufenthalt von mehr als drei Tagen nach dem Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie oder die Berücksichtigung der Art der Beförderungen), fällt im Übrigen in das weite Ermessen des Unionsgesetzgebers, ohne dass davon ausgegangen werden könnte, dass die Stellungnahme des EWSA und des AdR erneut erforderlich war, nachdem der Rat und das Parlament diesen Vorschlag geändert hatten.

901.

Was das Vorbringen anbelangt, das Geschehen während des Gesetzgebungsverfahrens, das zum Erlass der Verordnung 2021/2282 geführt habe, sei als Präzedenzfall zu werten, verweise ich auf Fn. 265 der vorliegenden Schlussanträge und wiederhole, dass die Hinzufügung einer Rechtsgrundlage für den damals in Rede stehenden Rechtsakt, die gegebenenfalls die Pflicht zur Anhörung eines Ausschusses begründete, nicht mit der hier in Rede stehenden Ausgestaltung der Voraussetzungen für die Anwendung der Vorschriften über die Entsendung von Arbeitnehmern im Verkehrssektor vergleichbar ist.

902.

Ich schlage daher vor, die Klagegründe eines Verstoßes gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV wegen fehlender Anhörung des EWSA und des AdR zurückzuweisen.

e)   Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

903.

In ihren Klagen machen alle sechs Mitgliedstaaten, die die Richtlinie 2020/1057 angefochten haben, unterstützt durch die Republik Lettland und die Republik Estland, geltend, dass ihre insbesondere in Art. 1 enthalten Bestimmungen über die besonderen Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern nicht den Anforderungen genügten, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gemäß Art. 5 Abs. 4 EUV ergäben.

904.

Zum einen bestreiten fünf dieser Mitgliedstaaten die Verhältnismäßigkeit dieser Regeln als solche. Sie machen insbesondere geltend, dass die angefochtenen Bestimmungen dieser Richtlinie nicht geeignet seien, die erklärten Ziele zu erreichen, dass sie über das hinausgingen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sei, und dass ihre negativen Auswirkungen außer Verhältnis zu den erwarteten Vorteilen stünden.

905.

Zum anderen beanstanden alle sechs Mitgliedstaaten auch die vom Unionsgesetzgeber vorgenommene Prüfung der Verhältnismäßigkeit und insbesondere das Fehlen einer Folgenabschätzung zur endgültigen Fassung der Bestimmung, wie sie letztlich erlassen wurde.

906.

Diese beiden Aspekte sind getrennt zu prüfen.

1) Zu den Klagegründen betreffend einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

i) Vorbringen der Parteien

907.

Mit ihren Klagegründen machen fünf der sechs klagenden Mitgliedstaaten geltend, dass die verschiedenen Bestimmungen über die besonderen Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern, die sie beanstanden ( 560 ), nicht den Anforderungen genügten, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergäben, und zwar zum einen wegen der Ungeeignetheit dieser Regeln und zum anderen wegen der unverhältnismäßigen negativen Auswirkungen, die die Anwendung dieser Regeln verursache.

– Zur Ungeeignetheit des auf die Art von Beförderungen gestützten Kriteriums

908.

Mehrere der klagenden Mitgliedstaaten, insoweit unterstützt durch die Republik Lettland und die Republik Estland, machen geltend, dass das vom Gesetzgeber gewählte Kriterium, das auf die Art der Beförderungen gestützt sei, für die Anwendung der Vorschriften über die Entsendung auf die Fahrer im internationalen Straßenverkehr ungeeignet sei.

909.

Erstens ergebe sich die Ungeeignetheit des auf die Art der Beförderungen gestützten Kriteriums aus dem Umstand, dass der Unionsgesetzgeber, als er sich für die Anwendung dieses Kriteriums entschieden habe, das Vorliegen einer tatsächlichen Verbindung zwischen dem Fahrer und dem Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats nicht im Zusammenhang mit den Besonderheiten der Verkehrsdienstleistungen berücksichtigt habe.

910.

So macht die Republik Litauen geltend, dass die Anwendung der Entsendevorschriften nach Maßgabe der Natur der Beförderungen eine ungeeignete Maßnahme darstelle, die den Begriff der Entsendung nicht widerspiegele. Insbesondere seien die – von diesem Mitgliedstaat beanstandeten – Abs. 3 und 7 von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 ohne angemessene Prüfung der Natur der grenzüberschreitenden Beförderungen erlassen worden. Grundsätzlich sollten die Entsendevorschriften die zusätzlichen Kosten ausgleichen, die dem Arbeitnehmer dadurch entstünden, dass er seine Arbeitspflichten in einem anderen Staat als dem seines gewöhnlichen Aufenthalts erfülle. Die Besonderheit der Arbeit der Lkw-Fahrer sei jedoch ganz anders: in den Fällen von Kabotage von kurzer Dauer und grenzüberschreitenden Beförderungen hätten die Fahrer üblicherweise keine Verbindung zum Aufnahmemitgliedstaat, verbrächten in diesem Staat im Allgemeinen nur sehr wenig Zeit und trügen daher in diesem Staat nur minimale Kosten.

911.

Nach Auffassung Rumäniens sollten die Kriterien für die Durchführung der Entsenderegelung im Bereich des Verkehrs mit besonderer Aufmerksamkeit festgelegt werden, um ein angemessenes Gleichgewicht zwischen der Verbesserung der Sozial- und Arbeitsbedingungen für Kraftfahrer und dem Schutz der Dienstleistungsfreiheit im Straßenverkehr zu gewährleisten. Es sei daher erforderlich, die Umstände zu ermitteln, die das Vorliegen einer hinreichenden Verbindung zwischen dem Fahrer und dem Aufnahmemitgliedstaat erkennen ließen. Die hinreichende Verbindung als zentrales Element zur Feststellung der Fälle der Durchführung der Entsenderegelung sollte auf objektiven, unveränderlichen und leicht anwendbaren Kriterien beruhen, die an die Besonderheiten des Straßenverkehrs angepasst seien. So könne im Bereich des Verkehrs, der durch eine große Mobilität gekennzeichnet sei, die hinreichende Verbindung zum Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats nicht gerade durch die Beförderung bestimmt werden, die selbst durch den gleichen Grad der Mobilität bestimmt werde. Die Folgenabschätzung und mehrere andere Dokumente ( 561 ) hätten den Beitrag des Kriteriums der Beförderung bei der Bestimmung des hinreichenden Zusammenhangs nicht gezeigt.

912.

Die Republik Polen macht geltend, dass das Kriterium, das auf die Art der Beförderungen gestützt sei, für die Anwendung der Vorschriften über die Entsendung auf die Fahrer in Bezug auf die bilateralen Beförderungen, die Kabotage und den Dreiländerverkehr ungeeignet sei, da es weder den besonderen Charakter der Verkehrsdienstleistungen noch die tatsächliche Verbindung zwischen dem Fahrer und dem Aufnahmemitgliedstaat hinreichend berücksichtige.

913.

So führten die Fahrer erstens im Rahmen der grenzüberschreitenden Beförderungen im Allgemeinen verschiedenartige Beförderungen durch, die bilaterale Beförderungen, Dreiländerverkehr, Transit- und Kabotagebeförderungen kombinierten. Häufig würden neue Aufträge während des bereits laufenden Transports angenommen, um die Ladefläche der eingesetzten Transportmittel so weit wie möglich zu nutzen, indem den Verkehrsunternehmen ermöglicht werde, die verfügbaren Ressourcen zu optimieren, was die Gesamteffizienz des Verkehrs erhöhe. Die Entscheidung über die anwendbaren Arbeits‑ und Beschäftigungsbedingungen müsse daher sowohl die Verbindung zwischen dem Fahrer und dem Staat, dessen Hoheitsgebiet er durchquere, als auch die praktischen Schwierigkeiten und den administrativen und finanziellen Aufwand berücksichtigen, die mit der Anwendung einer beträchtlichen Anzahl von unterschiedlichen Regelungen und formalen Anforderungen während eines kurzen Zeitraums verbunden seien. Diese Gesichtspunkte seien vom Unionsgesetzgeber ignoriert worden.

914.

Zweitens ist nach Ansicht der Republik Polen das Kriterium, das auf die Art der Beförderungen gestützt sei, unangemessen, da es die tatsächliche Verbindung zwischen dem Fahrer und dem Hoheitsgebiet des betreffenden Staates nicht hinreichend berücksichtige. Zum einen weist die Republik Polen hinsichtlich der „engen Verbindung“ zum Niederlassungsstaat – auf die sich der zehnte Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057 für die Nichtanwendung der Entsendevorschriften auf bilaterale Beförderungen stützt – darauf hin, dass sie weder definiert noch berücksichtigt worden sei, wenn es um Kabotagebeförderungen und Dreiländerverkehr gehe, bei denen sich der Unionsgesetzgeber auf die Verbindung zum Aufnahmestaat konzentriert habe (neunter und 13. Erwägungsgrund). Zum anderen weist die Republik Polen in Bezug auf den anderen in diesem Erwägungsgrund angesprochenen Gesichtspunkt – der Umstand, dass ein Fahrer mehrere bilaterale Beförderungen während einer Fahrt durchführen kann – darauf hin, dass mehrere Beförderungen auch auf einer einzigen Fahrt im Rahmen der Kabotage und des Dreiländerverkehrs durchgeführt werden könnten.

915.

Außerdem rechtfertigten die Erwägungsgründe der Richtlinie 2020/1057 nicht die in Art. 1 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Ausnahmen für isolierte Beförderungen des Dreiländerverkehrs, deren Einführung eine Lücke in der so definierten Logik, die der Anwendung der Entsendevorschriften zugrunde liege, darstelle.

916.

In ihren Streithilfeschriftsätzen wiederholen die Republik Lettland und die Republik Estland diese Argumente im Wesentlichen. Insbesondere wirft die Republik Lettland den Unionsorganen vor, beim Erlass der in Rede stehenden Bestimmungen weder die Besonderheiten grenzüberschreitender Beförderungen noch das außerordentlich hohe Mobilitätsniveau derjenigen, die im Sektor der grenzüberschreitenden Beförderung arbeiteten, berücksichtigt zu haben. Die Republik Estland ist der Ansicht, dass es auf der Grundlage einer Klassifizierung nach dem Kriterium der Beförderung keinerlei Flexibilität gebe, wenn bei einer grenzüberschreitenden Beförderung die tatsächliche Verbindung des Fahrers zum Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats zu beurteilen sei. Außer beim Transit und bei der Kabotage sei bei allen anderen Beförderungsarten entweder von Fall zu Fall zu prüfen, ob eine Verbindung bestehe, oder das Kriterium der Dauer der Erbringung der Dienstleistung zusammen mit quantitativen Merkmalen heranzuziehen, wie der Natur und der Anzahl der Beförderungsvorgänge, die eindeutig mit der Arbeit im Aufnahmemitgliedstaat verknüpft seien.

917.

Zweitens tragen mehrere Mitgliedstaaten vor, dass es für die Bestimmung der Vorschriften über die Entsendung von Fahrern andere Kriterien oder Parameter gebe, die besser geeignet seien als das auf die Art der Beförderungen gestützte. Eines dieser Kriterien sei insbesondere das Kriterium, das auf der Dauer des Aufenthalts der Kraftfahrer im Aufnahmestaat beruhe, ein Kriterium, das von der Kommission im Vorschlag für eine Entsenderichtlinie ursprünglich herangezogen worden sei.

918.

So macht die Republik Litauen geltend, dass das Kriterium der Dauer des Aufenthalts des Fahrers im Aufnahmestaat ein Beispiel für objektive Kriterien sei, die eine faktische Verbindung mit dem Staat, in dem die Arbeit tatsächlich verrichtet werde, herstellten, selbst wenn andere Kriterien angewandt werden könnten, wenn sie objektiv gerechtfertigt seien, eine hinreichende Verbindung zu dem Mitgliedstaat, in dem die Arbeit verrichtet werde, gewährleisteten und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprächen. Als der Gerichtshof das zeitliche Kriterium im Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging beurteilt habe, habe er sich nur zu den Kabotagebeförderungen geäußert, aber die bilaterale Beförderung und die Beförderung im Dreiländerverkehr nicht anhand dieses Kriteriums beurteilt.

919.

Nach Ansicht der Republik Bulgarien und der Republik Zypern besteht eine geeignete und weniger belastende Maßnahme als die Anwendung des auf die Art der Beförderung gestützten Kriteriums darin, den grenzüberschreitenden Verkehr vollständig auszunehmen. Eine solche Ausnahme sei angesichts der besonderen Situation des grenzüberschreitenden Verkehrs und seiner äußerst mobilen Natur, die dazu führe, dass es keine hinreichende Verbindung zum Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten als des Niederlassungsmitgliedstaats gebe, gerechtfertigt. Eine vollständige Ausnahme würde alle verfolgten Ziele erreichen. Die Anwendung der Entsendevorschriften auf den gesamten Sektor des internationalen Verkehrs mit einer zeitlichen Grenze sei angemessener als das hybride Modell, werfe aber schwerwiegende Probleme auf, da seine Auswirkungen in Bezug auf die Kosten, den Verwaltungsaufwand für KMU und die Schwierigkeiten bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften stets unverhältnismäßig seien. Eine andere Alternative, die Klarheit biete und eine hinreichende Verbindung gewährleiste, sei im Rahmen von Beförderungen im Dreiländerverkehr die Erfüllung eines Minimums bestimmter, aufgezählter Aufgaben in einem spezifischen Mitgliedstaat in einem bestimmten Monat, z. B. das Be- oder Entladen von Waren, die Instandhaltung oder die Reinigung der Transportfahrzeuge.

920.

Rumänien trägt vor, die Relevanz der Anwendung des zeitlichen Elements (Mindestdauer der Tätigkeit) für die Feststellung einer hinreichenden Verbindung zum Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats ergebe sich sowohl aus dem für die Entsendung geltenden allgemeinen Rechtsrahmen als auch aus der Folgenabschätzung.

921.

So habe zum einen die Regelung der Entsendung im Bereich des Verkehrs ohne Berücksichtigung des zeitlichen Kriteriums erstens Auswirkungen, die dem verfolgten Ziel zuwiderliefen, ein Gleichgewicht zwischen der Verbesserung der Sozial- und Arbeitsbedingungen für Kraftfahrer und der Erleichterung der Ausübung der Dienstleistungsfreiheit auf der Grundlage eines fairen Wettbewerbs zu schaffen, und stelle zweitens einen Verstoß gegen Art. 5 des Protokolls (Nr. 2) zu den Verträgen über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit ( 562 ) dar, wonach jede Belastung so gering wie möglich gehalten werden und in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen müsse.

922.

Zum anderen werde in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil speziell auf Kosten hingewiesen, die für die Verkehrsunternehmer im Vergleich zu den Vorteilen für die Fahrer übermäßig seien, wenn die Entsenderegelung auf Beförderungen angewandt werde, die nicht häufig durchgeführt würden, oder wenn die Arbeit nicht erheblich oder bedeutend sei. In der Folgenabschätzung – Sozialer Teil werde der Schluss gezogen, dass ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den Verwaltungskosten und der Verbesserung der Sozial- und Arbeitsbedingungen für die Fahrer nur erreicht werden könne, wenn ein Fahrer während eines längeren Zeitraums im Aufnahmemitgliedstaat arbeite.

923.

Rumänien bezieht sich auf das Urteil des Gerichtshofs vom 15. März 2011, Koelzsch (C‑29/10, EU:C:2011:151, im Folgenden: Urteil Koelzsch), in dem der Gerichtshof, für die Zwecke der Anwendung des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, aufgelegt zur Unterzeichnung am 19. Juni 1980 in Rom ( 563 ), die Kriterien aufgestellt habe, die es gestatteten, „den Staat zu ermitteln, mit dem die Arbeit eine maßgebliche Verknüpfung aufweist“, wenn Beförderungstätigkeiten in mehreren Mitgliedstaaten ausgeübt würden. Der Gerichtshof habe festgestellt, dass im Hinblick auf das Wesen der Arbeit im internationalen Transportsektor, wenn es darum gehe, den Staat zu ermitteln, mit dem die Arbeit eine maßgebliche Verknüpfung aufweise, sämtlichen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen sei, die die Tätigkeit des Arbeitnehmers kennzeichneten, insbesondere der Ort, von dem aus der Arbeitnehmer seine Transportfahrten durchführe, Anweisungen zu diesen Fahrten erhalte und seine Arbeit organisiere und an dem sich die Arbeitsmittel befänden. Es sei auch zu prüfen, an welche Orte die Waren hauptsächlich transportiert würden, wo sie entladen würden und wohin der Arbeitnehmer nach seinen Fahrten zurückkehre.

924.

Die Republik Polen macht geltend, der Unionsgesetzgeber habe die anderen Gesichtspunkte, die die Verbindung zwischen dem Fahrer und dem Aufnahmestaat belegten, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Fahrers im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaats, nicht berücksichtigt. Das zeitliche Kriterium müsse berücksichtigt werden, um die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen zur Anwendung der Vorschriften über die Entsendung von Arbeitnehmern zu gewährleisten. Der Vorschlag für eine Entsenderichtlinie habe sich gerade auf dieses zeitliche Kriterium gestützt und in der von der Kommission ausgearbeiteten Folgenabschätzung sei festgestellt worden, dass dieses Kriterium am besten dem mobilen Charakter der Verkehrsdienstleistungen entspreche, wobei sowohl die Situation der Fahrer als auch die der Verkehrsunternehmer sowie die bestehenden und vorgeschlagenen rechtlichen Maßnahmen berücksichtigt worden seien.

925.

Die Republik Polen hebt hervor, dass die Dauer des Aufenthalts im Aufnahmestaat auch im Rahmen aller von ihr erwogenen Beförderungen, d. h. der bilateralen Beförderungen, des Dreiländerverkehrs und der Kabotagebeförderungen, vergleichbar sein könne. So könne die Dauer des Aufenthalts des Fahrers im Aufnahmestaat sowohl für den Dreiländerverkehr als auch für die Kabotagebeförderung sehr kurz sein. Bei diesen Arbeiten könne der Fahrer im Aufnahmestaat viel weniger Zeit verbringen als bei bilateralen Beförderungen oder Transitbeförderungen. Daher sei es schwierig, eine hinreichende Verbindung darzulegen, der die Anwendung der Entsendevorschriften rechtfertigen könne. Das Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging sei für den Unionsgesetzgeber nicht verbindlich, da dieses Urteil weder einer weitergehenden Ausnahme für die Kabotage noch der Festlegung eines zeitlichen Kriteriums als Kriterium für den Anwendungsbereich der Entsendevorschriften für die grenzüberschreitenden Beförderungen entgegenstehe.

926.

In diesem Zusammenhang verweist die Republik Polen auf das Urteil des Gerichtshofs vom 15. März 2001, Mazzoleni und ISA (C‑165/98, EU:C:2001:162, im Folgenden: Urteil Mazzoleni). Da die Verpflichtung, den Fahrern ein Entgelt zu garantieren, das dem Lohn des Aufnahmestaats entspreche, eine der wichtigsten Folgen der Anwendung der Vorschriften über die Entsendung von Kraftfahrern sei, sei dieses Urteil für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 relevant. In diesem Urteil habe der Gerichtshof entschieden, dass die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats für die Beurteilung, ob die Anwendung der dort geltenden Mindestlohnregelung erforderlich und verhältnismäßig sei, alle maßgeblichen Elemente bewerten müssten. Bei dieser Bewertung müssten die Behörden zum einen u. a. die Dauer der Dienstleistungen, ihre Vorhersehbarkeit und die Frage berücksichtigen, ob die Angestellten tatsächlich in den Aufnahmemitgliedstaat umgesetzt worden seien oder ob sie weiterhin der Operationsbasis ihres Arbeitgebers in dessen Niederlassungsmitgliedstaat angehörten. Zum anderen müssten sie sich vergewissern, dass der Schutz der Angestellten im Niederlassungsmitgliedstaat dem des Aufnahmemitgliedstaats gleichwertig sei.

927.

Die Republik Polen trägt vor, dass Art. 3 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 96/71 diese Kriterien teilweise berücksichtigt habe, indem er mögliche Ausnahmen von der Anwendung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Aufnahmestaats aufgrund der kurzen Dauer der Entsendung, der Natur der erbrachten Dienstleistungen oder des Charakters der geleisteten Arbeit vorgesehen habe. Keine dieser Ausnahmen sei jedoch auf die Fahrer anwendbar. Der angenommene Wortlaut der in Rede stehenden Bestimmungen lasse aber sowohl das zeitliche Kriterium als auch andere Anknüpfungspunkte des Fahrers zum Niederlassungsstaat, wie die im Urteil Koelzsch genannten Kriterien, außer Acht.

928.

Außerdem sei der Zusammenhang zwischen dem Geschäft und der Be- und/oder Entladung im Hoheitsgebiet des Staates, in dem der Verkehrsunternehmer ansässig sei, auch für die Bestimmung der Anwendbarkeit der Entsendevorschriften entscheidend. Die Be- und/oder Entladung im Aufnahmestaat erfolge nämlich im Rahmen aller angeführten Beförderungen. Schließlich sei die Fahrt des Fahrers als Ganzes zu betrachten. Denn auch wenn die gesamte Kabotagebeförderung im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaats durchgeführt werde, sei sie nur nach einer grenzüberschreitenden Beförderung möglich.

929.

Drittens ergebe sich die Ungeeignetheit des auf die Art von Beförderungen gestützten Kriteriums aus den Unsicherheiten und Schwierigkeiten bei der Anwendung dieses Kriteriums.

930.

So macht die Republik Litauen geltend, aus der Folgenabschätzung gehe hervor, dass die Umsetzung der Entsenderichtlinie wegen der sehr großen Mobilität im internationalen Straßenverkehrssektor zu besonderen rechtlichen Schwierigkeiten führe.

931.

Rumänien macht geltend, dass die Anwendung des Kriteriums der Art der Beförderung zu Unsicherheiten hinsichtlich der Bestimmung des Aufnahmemitgliedstaats und damit der anwendbaren Rechtsvorschriften führe. Diese Unsicherheiten seien die unmittelbare Folge der Regelung eines Kriteriums, das es nicht erlaube, eine hinreichende Verbindung zum Aufnahmemitgliedstaat herzustellen. So sei die Anwendung des Kriteriums der Art der Beförderung und der Variablen, die sich auf das Be- und Entladen von Waren und die Aufnahme/das Absetzen von Fahrgästen bezögen, schwierig. Der Unternehmer des Niederlassungsmitgliedstaats sollte in der Lage sein, die Situation seines Arbeitnehmers vor dem Beginn jeder Beförderung einzustufen. Art. 1 Abs. 11 Buchst. a der Richtlinie 2020/1057 verpflichte diesen Unternehmer nämlich, spätestens bei Beginn der Entsendung den zuständigen nationalen Behörden des Mitgliedstaats, in den der Kraftfahrer entsendet werde, eine Entsendemeldung zu übermitteln. Somit seien die Rechtssicherheit und die Klarheit bei der Bestimmung der Entsendefälle und der anwendbaren Sozialvorschriften eine Vorbedingung dafür, dass die Unternehmer die sich aus dem Unionsrecht ergebenden Verpflichtungen einhielten.

932.

Die Anwendung des Kriteriums der Art der Beförderung biete jedoch keine klare Lösung hinsichtlich der Bestimmung des Aufnahmemitgliedstaats und der anwendbaren Rechtsvorschriften. Somit sei unklar, ob die Anwendung des Kriteriums der Beförderung die Bestimmung eines einzigen Aufnahmemitgliedstaats voraussetze, zu dem der Fahrer im allgemeinen Kontext der betreffenden Beförderung eine hinreichende Verbindung habe, oder ob die in allen Mitgliedstaaten, in denen das Be-/Entladen durchgeführt werde, geltenden Rechtsvorschriften kumulativ anwendbar seien, solange sie nicht unter die in Art. 1 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Ausnahmen fielen. Die Anwendung allein des Kriteriums der Beförderung ermögliche es nicht, die Frage nach der Bestimmung der anwendbaren Rechtsvorschriften zu beantworten, da die Voraussetzungen einer hinreichenden Verbindung zwischen dem Fahrer und einem oder allen an den Beförderungen beteiligten Mitgliedstaaten nicht gesetzlich festgelegt seien.

933.

Im Übrigen ist nach der Ansicht Rumäniens die Verwendung des Gesichtspunkts Be-/Entladung in der Richtlinie 2020/1057 zur Bestimmung der hinreichenden Verbindung zwischen dem Fahrer und dem Hoheitsgebiet eines Aufnahmemitgliedstaats nicht optimal. Die Fahrer seien nicht für die Be- und Entladung von Waren zuständig, und in den meisten Fällen würden sie nicht aufgefordert, solche Tätigkeiten durchzuführen. Nur gelegentlich nähmen die Fahrer die Be-/Entladung von Waren vor. Die Anwendung des Kriteriums der Beförderung sei geeignet, die spezifische Flexibilität und Schnelligkeit in diesem Bereich zu beeinträchtigen, was, wie sich aus der Folgenabschätzung – Sozialer Teil ergebe, zu Situationen führe, in denen die Rechtsvorschriften nicht eingehalten würden. Bei einer Änderung der Zahl der zusätzlichen Tätigkeiten im Zusammenhang mit einer bilateralen Beförderung von Gütern oder Personen während der Beförderung, die zur Anwendung der Entsenderegelung führen könnte, scheine es für den Verkehrsunternehmer daher unmöglich zu sein, spätestens bei Beginn der Entsendung den zuständigen nationalen Behörden des Mitgliedstaats, in den der Kraftfahrer entsendet werde, eine Entsendemeldung zu übermitteln, wie es Art. 1 Abs. 11 Buchst. a der Richtlinie 2020/1057 verlange.

934.

Die Republik Polen macht geltend, dass die in Art. 1 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2020/1054 vorgesehenen Ausnahmen Zweifel an ihrer Auslegung aufwürfen, die darauf hindeuteten, dass sie auf unsachgemäß gestalteten Kriterien beruhten. Was Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2020/1057 betrifft, so handele es sich angesichts der Tatsache, dass die Be-/Entladung grundsätzlich nur in dem vom Fahrer durchquerten Staat erfolgen könne, offenbar nur um Staaten, die auf der Strecke der bilateralen Beförderung angesiedelt seien. Außerdem sei im Fall einer Ausnahme nicht klar, zu welchem Zeitpunkt die Anwendung der Vorschriften des Aufnahmestaats beginnen müsse, wenn der Fahrer eine zusätzliche Tätigkeit der Be-/Entladung vornehme, die nicht unter die Ausnahme falle. Ähnliche Zweifel bestünden hinsichtlich der Auslegung von Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2020/1057 in Bezug auf die Aufnahme von Fahrgästen. Außerdem sei es schwierig, die Gründe zu verstehen, aus denen zwei Ausnahmen für die Güterbeförderung genehmigt worden seien, während es nur eine für die Personenbeförderung gebe. Auch insoweit gebe es keine sachliche Rechtfertigung.

935.

Viertens macht Rumänien geltend, die Regelung der Entsendung im Bereich des Verkehrs nach Maßgabe des Kriteriums der Beförderung habe unmittelbare Auswirkungen auf den Markt. Sowohl die nicht bilateralen Beförderungen (die eigenständig oder als zusätzliche Tätigkeiten durchgeführt würden) als auch die kombinierten Beförderungen würden erschwert. In diesem Zusammenhang weist Rumänien auf die Besonderheiten des Verkehrsmarkts der Union hin, der hauptsächlich aus KMU bestehe.

– Zur Ungeeignetheit und mangelnden Erforderlichkeit des „hybriden Modells“, um zu den verfolgten Zielen beizutragen

936.

Die Republik Bulgarien und die Republik Zypern machen geltend, dass die in der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Maßnahmen durch die Wahl des oben in Nr. 864 angeführten „hybriden Modells“ ungeeignet seien, da es ihnen nicht gelinge, ein Gleichgewicht zwischen den mit ihnen verfolgten Zielen zu wahren, und sie es nicht ermöglichten, eines von ihnen zu erreichen.

937.

Was erstens das Ziel betreffe, angemessene Arbeitsbedingungen und einen angemessenen Sozialschutz für Kraftfahrer zu erreichen, beziehe sich das höhere Entgelt, das den Fahrern zugutekommen könnte, meist nur auf kurze Zeiträume im Land der Be- oder Entladung, so dass sich die Arbeitsbedingungen und der Sozialschutz der Fahrer nur geringfügig verbesserten.

938.

Was zweitens das Ziel betreffe, angemessene Geschäftsbedingungen und einen fairen Wettbewerb für die Kraftverkehrsunternehmen zu schaffen, so sei für die Verkehrsunternehmer, die Beförderungen im Dreiländerverkehr durchführten, das hybride Modell gleichbedeutend mit unlauterem Wettbewerb. Der komparative Vorteil der in den peripheren Mitgliedstaaten ansässigen Verkehrsunternehmen liege in ihren geringeren Kosten, die sich insbesondere aus niedrigeren Lebenshaltungskosten und damit aus niedrigeren Löhnen ergäben. Durch die Anwendung des hybriden Modells befänden sich die am Dreiländerverkehr beteiligten Verkehrsunternehmer in einer weniger wettbewerbsfähigen Position als die Verkehrsunternehmer, die bilaterale Beförderung durchführen. Dies verfälsche den Wettbewerb zwischen dem Zentrum der Union, wo die Verkehrsunternehmer vor allem bilaterale Beförderung betrieben, und den Mitgliedstaaten wie Bulgarien, wo die Verkehrsunternehmer vor allem Beförderungen im Dreiländerverkehr vornähmen. Was drittens das Ziel betreffe, die Freiheit zur Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen zu erleichtern, beschränke das hybride Modell diese Freiheit, da es zu höheren Kosten führe.

939.

Das hybride Modell sei daher weder geeignet noch erforderlich. Es gebe zu keinem der Länder, die der Fahrer durchquere, eine hinreichend starke Verbindung. Abgesehen vom Abfahrts- oder Bestimmungsmitgliedstaat verrichteten die Arbeitnehmer, die eine bilaterale Beförderung durchführten, die gleiche Arbeit wie die Arbeitnehmer, die eine Beförderung im Dreiländerverkehr durchführten. Der Abfahrts- oder Bestimmungsmitgliedstaat habe keinen Einfluss auf die Verbindung zwischen dem Fahrer und dem Aufnahmestaat. Dagegen bestehe im Rahmen von Kabotagebeförderungen eine offenkundige Anknüpfung an ein Hoheitsgebiet.

940.

Es gebe keinen triftigen Grund dafür, dass ein Arbeitnehmer, der mit einer Beförderung im Dreiländerverkehr betraut sei, bessere Arbeitsbedingungen und einen besseren Sozialschutz erhalte, während diese einem Arbeitnehmer, der mit einer bilateralen Beförderung betraut sei, nicht zugutekämen. Das Land der Abfahrt oder Bestimmung der Ladung sei kein relevantes Kriterium, um unterschiedliche Sozialschutzniveaus auf die Fahrer anzuwenden.

– Zu den unverhältnismäßigen negativen Auswirkungen

941.

Mehrere der klagenden Mitgliedstaaten machen geltend, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 für die Entsendung von Kraftfahrern gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstießen, da sie im Vergleich zu ihren Vorteilen unverhältnismäßige negative Auswirkungen hätten.

942.

So macht die Republik Litauen geltend, dass die Entsendevorschriften den Verkehrsunternehmer einen besonders hohen und ungerechtfertigten Verwaltungsaufwand auferlegten, der von der Erbringung von Dienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten abschrecke. Der Dienstleistungserbringer müsse sich nämlich bei der Durchführung kurzer Kabotagebeförderungen oder Beförderungen im Dreiländerverkehr an die Anforderungen des Mitgliedstaats des Ortes der Dienstleistung anpassen. Die Anwendung der Vorschriften über die Entsendung jedes Mal allein aufgrund der Art der Beförderung würde zu einer mittelbaren Diskriminierung der in den peripheren Staaten niedergelassenen Verkehrsunternehmen führen, die kurzfristige Erbringung von Dienstleistungen erschweren und im Wesentlichen den Wettbewerb einschränken. Dies betreffe vor allem KMU, die 99 % des gesamten Verkehrsmarktes der Union ausmachten. Es sei im Übrigen wahrscheinlich, dass die KMU die Durchführung von Kabotagebeförderungen und grenzüberschreitenden Beförderungen einstellten oder dass sie beschlössen, ihre Tätigkeit in die Mitgliedstaaten zu verlagern, die sich im Zentrum der Union oder um dieses herum befänden. Bis zum Erlass der Richtlinie 2020/1057 habe es in diesem Bereich keinen Verwaltungsaufwand gegeben. So könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Richtlinie 96/71 einen Verwaltungsaufwand mit sich gebracht habe, da es keine Einigkeit gegeben habe, die Kraftfahrer in ihren Anwendungsbereich einzubeziehen.

943.

Die Republik Bulgarien und die Republik Zypern machen geltend, die Anwendung der Entsendevorschriften auf die Beförderung im Dreiländerverkehr werde erheblichen Einfluss und nachteilige Auswirkungen auf die betroffenen Verkehrsunternehmen haben. Die Entsendevorschriften verursachten nämlich zusätzliche Arbeitskosten und vor allem sehr hohe Verwaltungskosten, die mindestens zwei Aspekte beträfen. Erstens umfassten sie die Kosten für die Einhaltung der Verwaltungsanforderungen und Kontrollmaßnahmen der einzelnen Mitgliedstaaten (die höher seien als die Kosten einer traditionellen Entsendung). Zweitens umfassten sie Kosten im Zusammenhang mit der Dokumentation jeder Entsendung und der Anwendung der Vorschriften des Aufnahmestaats. Angesichts der Vielzahl von Ländern und Beförderungen sowie der Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsvorschriften werde es für den Verkehrsunternehmer sehr schwierig sein, zu beurteilen, wann eine Entsendung vorliege und wann nicht.

944.

Diese Beurteilung werde noch komplizierter gemacht, da es der Richtlinie 2020/1057 an Klarheit darüber mangele, welche Entsendevorschriften auf die Beförderung im Dreiländerverkehr anzuwenden seien. Die Berechnung für die Feststellung, welche Tage und wie lange ein Fahrer entsendet worden sei, die die Verkehrsunternehmer durchzuführen hätten, indem sie zwischen Beförderung im Dreiländerverkehr und bilateraler Beförderung unterschieden und indem sie die verschiedenen nationalen Vorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten verstünden und sodann anwandten, stelle eine schwere Belastung für diese Verkehrsunternehmer dar, bei denen es sich zum größten Teil um KMU handele. Dieser Mangel an Klarheit führe darüber hinaus zu unterschiedlichen Auslegungen in den Mitgliedstaaten, was den Verwaltungsaufwand und die Kosten weiter erhöhen werde. Der Europäische Ausschuss der Regionen ( 564 ) sowie Studien hätten darauf hingewiesen, dass die Entsendevorschriften die administrativen Kosten für die Unternehmen in die Höhe treiben würden ( 565 ).

945.

Die Belastung der Verkehrsunternehmer durch den Dreiländerverkehr sei so schwer zu tragen, dass sie zu einer Neuorientierung zu anderen Arten von Tätigkeiten, zu einer Verlagerung in Drittländer, zu einem Umsatzrückgang oder sogar zum Konkurs führen könnte. Im Übrigen sei es wahrscheinlich, dass diese Belastung zu Ineffizienzen führe und die Umweltauswirkungen vergrößere. Außerdem drohe sie, den Wettbewerb zu verfälschen, da die angefochtene Richtlinie den Verkehrsunternehmern aus Staaten, die nicht der Union angehörten, keine Verpflichtung auferlege und auf sie nicht anwendbar sei.

946.

Rumänien macht ferner geltend, in Anbetracht der oben in den Nrn. 931 bis 933 angeführten Probleme im Zusammenhang mit der Beachtung des Grundsatzes der Rechtssicherheit (Schwierigkeiten bezüglich Identifizierung des Aufnahmemitgliedstaats, Schnelligkeit und Flexibilität) sei die in Rede stehende Regelung geeignet, die Erbringung von Verkehrsdienstleistungen durch KMU zu stören und ihnen Verpflichtungen aufzuerlegen, die außer Verhältnis zu den Vorteilen für die Fahrer stünden.

947.

Die Republik Polen macht geltend, dass den Verkehrsunternehmern infolge der Umsetzung der Bestimmungen über die Entsendung von Fahrern in der Richtlinie 2020/1057 hohe Kosten entstünden. Diese Kosten ergäben sich erstens aus der Notwendigkeit, die Vergütung der Fahrer an die in den durchfahrenen Staaten geltenden Tarife anzupassen, und zweitens aus dem Verwaltungsaufwand.

948.

Was erstens die Vergütung der Fahrer angehe, bestünden nach den Informationen in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil zwischen den Mitgliedstaaten grundlegende Unterschiede hinsichtlich der Höhe des Entgelts der Fahrer. Da die Lohnkosten etwa 30 % der Betriebskosten der Verkehrsunternehmer ausmachten, stelle eine derart erhebliche Gehaltsänderung eine enorme Belastung für die Unternehmen dar und sei für ihre Wettbewerbsfähigkeit von entscheidender Bedeutung. Wie die Kommission ausgeführt habe, beruhe der Wettbewerb in diesem Sektor hauptsächlich auf den Preisen. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass der Markt für Verkehrsleistungen von KMU dominiert werde, die über ein begrenztes Kapital verfügten. So hohe Ausgaben könnten daher über die finanzielle Leistungsfähigkeit dieser Unternehmen hinausgehen, was folglich zu ihrer Insolvenz und zu einem Anstieg rechtswidriger Praktiken und der Scheinselbständigkeit führen werde.

949.

Die Republik Polen setzt diese Kosten in Bezug zu den Vorteilen der Fahrer und weist darauf hin, dass, wie die Kommission ausgeführt habe, hinsichtlich der Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und der Unterbewertung der Löhne sich nur die Lage der Fahrer, die mehr Zeit in dem Staat, den sie durchquerten, verbrächten, verbessern würde. Denn die kurze Aufenthaltsdauer der anderen Fahrer werde eine wirksame Kontrolle verhindern. Daher sei die Anwendung der Rechtsvorschriften des Transitstaats ihnen gegenüber als ein unangemessenes Erfordernis anzusehen.

950.

Was zweitens den Verwaltungsaufwand betreffe, so werde dieser zusätzliche Kosten verursachen. Trotz einer beschränkten Anwendung der Erfordernisse der Richtlinie 2014/67/EU auf die Fahrer sei es erforderlich, zusätzliche Unterlagen für jeden Fahrer, für den die Entsendevorschriften gälten, vorzulegen und zu übersetzen. Wichtiger sei, dass die Verkehrsunternehmer gezwungen seien, die durchgeführten Beförderungen kontinuierlich zu analysieren, um die anwendbare Regelung zu bestimmen. Wenn die anwendbare Regelung die des Transitstaats sei, so müsse sie übersetzt und die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen geändert werden. Aus den vom Sektor vorgelegten Berechnungen gehe hervor, dass die Verwaltungskosten im Zusammenhang mit der Anwendung der Regelung des Aufnahmestaats über den Lohn der Fahrer für einen einzigen Verkehrsunternehmer bis zu 14000 Euro pro Jahr betragen könnten. Diese Kosten umfassten nicht einmal die Kosten im Zusammenhang mit etwaigen Kontrollen und Geldbußen.

951.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, alle diese Klagegründe zurückzuweisen.

ii) Würdigung

– Vorbemerkungen

952.

Aus der oben in den Nrn. 52 ff. angeführten Rechtsprechung geht hervor, dass der Gerichtshof im vorliegenden Fall, um über die Klagegründe eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entscheiden zu können, prüfen muss, ob der Unionsgesetzgeber, indem er in Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057, ausgelegt im Licht der Erwägungsgründe 7 bis 13 dieser Richtlinie, die besondere Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern im internationalen Straßenverkehrssektor vorsieht, offensichtlich das ihm zustehende weite Ermessen, über das er im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik verfügt, überschritten hat ( 566 ), indem er sich für Maßnahmen entschieden hat, die zur Erreichung der Ziele, die er verfolgen wollte, offensichtlich ungeeignet sind oder die unangemessene Nachteile im Verhältnis zu den angestrebten Zielen verursachen sollen.

953.

Insoweit weise ich darauf hin, dass der Gerichtshof auch anerkannt hat, dass die Unionsregelung über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen zu einem Bereich gehört, in dem die Tätigkeit des Unionsgesetzgebers sowohl politische als auch wirtschaftliche oder soziale Entscheidungen verlangt und in dem er komplexe Prüfungen und Beurteilungen vornehmen muss, und dass der Unionsgesetzgeber in diesem Bereich somit über ein weites Ermessen verfügt ( 567 ).

954.

Vor der Prüfung der Verhältnismäßigkeit muss ich noch vorab darauf hinweisen, dass, wie sich aus dem oben in Nr. 844 angeführten achten Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057 ergibt, die Bestimmungen dieser Richtlinie über die besonderen Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern die in der Richtlinie 96/71 vorgesehenen allgemeinen Bestimmungen über die Entsendung von Arbeitnehmern ergänzen. Indem sie das Vorliegen einer Entsendung im Fall bestimmter Arten von Beförderungen ausschließen und die Anwendbarkeit dieser Richtlinie in bestimmten anderen Fällen anerkennen, begrenzen die Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 zum einen den Anwendungsbereich der Richtlinie 96/71 und präzisieren ihn zum anderen. Im Verhältnis zu den in der letztgenannten Richtlinie enthaltenen Bestimmungen stellen die Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 somit eine lex specialis dar. Unter diesen Umständen sind diese Bestimmungen im Kontext der Rechtsvorschriften und der Rechtsprechung zur Richtlinie 96/71, in den sie sich einfügen, zu prüfen.

955.

In diesem Rahmen ist erstens darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof, wie oben in den Nrn. 874 ff. ausgeführt, im Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging im Wesentlichen implizit einen Ansatz im Bereich der Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor bestätigt hat, der auf einer Differenzierung nach der Art der Beförderung beruht, da er in diesem Urteil selbst der Auffassung war, dass die Entsenderegelung, die sich aus der Richtlinie 96/71 ergibt, auf verschiedene Arten von Beförderungen unter Anwendung des in seiner früheren Rechtsprechung und insbesondere im Urteil Dobersberger entwickelten Kriteriums der „hinreichenden Verbindung“ unterschiedlich anwendbar ist.

956.

Zweitens hat der Gerichtshof im Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging bereits spezifische Kriterien für das Vorliegen einer „hinreichenden Verbindung“ im Sinne der Rechtsprechung für bestimmte Arten von Beförderungen entwickelt. So hat er, wie ich oben in den Nrn. 877 bis 880 ausgeführt habe, zum einen entschieden, dass ein Fahrer, der das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats im Rahmen eines Gütertransports auf der Straße durchquert oder nur eine bilaterale Beförderung durchführt, nicht als „entsandt“ im Sinne der Richtlinie 96/71 angesehen werden kann, und zum anderen, dass ein Fahrer, der Kabotagebeförderungen durchführt, grundsätzlich als im Sinne der Richtlinie 96/71 in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats entsandt anzusehen ist.

957.

Der Gerichtshof hat hingegen keine spezifischen Kriterien für das Vorliegen einer „hinreichenden Verbindung“ für die beiden anderen Arten von Beförderungen entwickelt, die Gegenstand der in der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Regelung sind, nämlich den kombinierten Verkehr und die Beförderung im Dreiländerverkehr.

958.

Obwohl das Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging nach dem Erlass der Richtlinie 2020/1057 ergangen ist, ergibt sich aus der Ex‑tunc-Wirkung der Urteile des Gerichtshofs ( 568 ), dass die Regelung der Entsendung von Fahrern im internationalen Verkehr im Fall des Transits, der bilateralen Beförderungen und der Kabotage im Sinne der Richtlinie 96/71 in ihrer Auslegung durch dieses Urteil die Regelung darstellt, die vor dem Erlass der Richtlinie 2020/1057 in Kraft war.

959.

Daraus folgt zum einen, dass die Richtlinie 2020/1057 mit Ausnahme einiger Aspekte – wie etwa der in Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 3 und 4 und Abs. 4 Unterabs. 3 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Ausnahmen – für diese drei Beförderungsarten die Regelung der Entsendung von Kraftfahrern gegenüber der Situation, die unter der Geltung der Richtlinie 96/71 bestand, nicht geändert hat.

960.

Zum anderen würde folglich die Nichtigerklärung der diese drei Beförderungsarten betreffenden Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 im Wesentlichen – von einigen Aspekten abgesehen – keine Änderung der Regelung der Entsendung von Kraftfahrern mit sich bringen.

961.

Da der Erlass der Richtlinie 2020/1057 jedoch zeitlich vor der Verkündung des Urteils Federatie Nederlandse Vakbeweging liegt, kann im vorliegenden Fall – wie bei Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054, wie ich oben in Nr. 394 ausgeführt habe – nicht davon ausgegangen werden, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass dieser Richtlinie das bestehende Recht in Bezug auf diese drei Arten von grenzüberschreitenden Beförderungen tatsächlich „kodifiziert“ hat ( 569 ). Gleichwohl muss der Gerichtshof bei seiner Prüfung der Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Maßnahmen berücksichtigen, dass die frühere Regelung und die Regelung nach dem Erlass der in Rede stehenden Richtlinie zumindest für diese drei Arten von grenzüberschreitenden Beförderungen die gleichen sind.

962.

Unter diesen Umständen wird im Einklang mit der oben in den Nrn. 52 ff. angeführten Rechtsprechung im Einklang mit Nr. 952 oben im vorliegenden Fall die Prüfung der Klagegründe, mit denen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf Art. 1 Abs. 3, 4, 5 und 7 der Richtlinie 2020/1057 geltend gemacht wird, auf die Prüfung gerichtet sein, ob mit dem Erlass einer normativen Maßnahme, die die Regelung über die Entsendung von Fahrern in Bezug auf bilaterale Beförderungen, Transit und Kabotage gegenüber dem bestehenden Recht nicht ändert, der Unionsgesetzgeber das weite Ermessen, über das er im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik verfügt, offensichtlich überschritten hat, indem er sich für eine Maßnahme entschieden hat, die zur Erreichung der Ziele, die er verfolgen wollte, offensichtlich ungeeignet ist oder die Nachteile verursachte, die in unangemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen.

963.

Unter diesem Blickwinkel sind daher die verschiedenen von den klagenden Mitgliedstaaten geltend gemachten Klagegründe zu prüfen, mit denen die Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 in Frage gestellt werden soll.

– Zu den Zielen der in der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen besonderen Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern

964.

Um die Klagegründe eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit prüfen zu können, sind zunächst die mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziele zu bestimmen, deren Rechtmäßigkeit von den klagenden Mitgliedstaaten nicht bestritten wird.

965.

Wie sich aus den vorstehenden Nrn. 841 bis 844 und den dort angeführten Erwägungsgründen der Richtlinie 2020/1057 ergibt, besteht das allgemeine Ziel der Vorschriften über die Entsendung von Kraftfahrern darin, die Dienstleistungsfreiheit zu erleichtern, indem in koordinierter Weise festgelegt wird, welcher der Mitgliedstaat ist, dessen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für einen Arbeitnehmer in einer grenzüberschreitenden Situation gelten sollen. Das spezifische Ziel der Richtlinie 2020/1057 besteht darin, den Besonderheiten des Straßenverkehrssektors dadurch Rechnung zu tragen, dass bestimmte Kategorien von Vorgängen von den Entsendevorschriften ausgenommen werden und gleichzeitig ein angemessener Schutz der Arbeitnehmer erhalten bleibt. Diese Ziele sind im Licht der oben beschriebenen besonderen Aspekte des Verkehrssektors zu bewerten.

966.

Aus diesen Erwägungsgründen geht auch hervor, dass der rechtliche Rahmen der Entsendung auf einem Gleichgewicht zwischen zwei Interessen beruht, nämlich zum einen den Unternehmen die Möglichkeit zu gewähren, Dienstleistungen im Binnenmarkt zu erbringen, indem sie Arbeitnehmer aus ihrem Sitzmitgliedstaat in den Mitgliedstaat ihrer Leistungserbringung entsenden, und zum anderen, die Rechte der entsandten Arbeitnehmer zu schützen. Mit dem Erlass der Richtlinie 2020/1057 hat der Unionsgesetzgeber versucht, den freien Dienstleistungsverkehr auf einer fairen Grundlage sicherzustellen, d. h. in einem rechtlichen Rahmen, der einen Wettbewerb gewährleistet, der nicht darauf beruht, dass in ein und demselben Mitgliedstaat Arbeits‑ und Beschäftigungsbedingungen gelten, deren Niveau sich wesentlich danach unterscheidet, ob der Arbeitgeber in diesem Mitgliedstaat ansässig ist oder nicht.

– Zur Ungeeignetheit des auf die Art von Beförderungen gestützten Kriteriums

967.

Was zunächst das Vorbringen der klagenden Mitgliedstaaten betrifft, wonach das auf die Art von Beförderungen gestützte Kriterium ungeeignet sei, weise ich darauf hin, dass das weite Ermessen, über das der Unionsgesetzgeber sowohl im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik ( 570 ) als auch im Bereich der Unionsregelung über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen ( 571 ) verfügt, zweifellos auch die Wahl des Kriteriums umfasst, mit dem das Vorliegen einer „hinreichenden Verbindung“ zum Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats unter Beachtung der vom Gerichtshof in seiner Rechtsprechung angeführten Kriterien bestimmt wird.

968.

Jede Art der Beförderung, die in Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 berücksichtigt wird, weist jedoch eine andere Verbindung zum Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der Niederlassung des Verkehrsunternehmers oder zum Hoheitsgebiet eines oder mehrerer Aufnahmemitgliedstaaten auf. Daher lässt beispielweise im Fall der Kabotage der Umstand, dass die Beförderungen vollständig im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats stattfinden, die Annahme zu, dass die Arbeitsleistung des Fahrers im Rahmen solcher Beförderungen eine hinreichende Verbindung zu diesem Hoheitsgebiet aufweist ( 572 ). Bei einer bilateralen Beförderung hat die Beförderung den Abfahrts- oder Ankunftsort im Niederlassungsmitgliedstaat, während im Fall des Transits die Beförderung im Aufnahmemitgliedstaat stattfindet, ohne dass sich jedoch der Abfahrts- oder Ankunftsort der Beförderung in diesem Staat befindet, so dass davon ausgegangen werden kann, dass der Fahrer in dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in den er entsandt wird, Leistungen von sehr beschränktem Umfang erbringt ( 573 ). Bei nicht bilateralen Beförderungen (Beförderung im Dreiländerverkehr) findet die Beförderung hingegen zwischen zwei Aufnahmemitgliedstaaten statt, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die Leistung des Fahrers in keiner Beziehung zum Hoheitsgebiet des Niederlassungsmitgliedstaats des Verkehrsunternehmers steht.

969.

Diese Erwägungen zeigen meines Erachtens, dass, da jede der verschiedenen Arten der Beförderung eine unterschiedliche Verbindung zum Hoheitsgebiet des Niederlassungsmitgliedstaats oder der Aufnahmemitgliedstaaten aufweist, ein Kriterium, das sich auf die Art der Beförderung stützt, um das Vorliegen einer „hinreichenden Verbindung“ zwischen der Erbringung dieser Dienstleistung und dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats festzustellen, nicht offensichtlich ungeeignet erscheint. Außerdem trägt ein solches Kriterium entgegen dem Vorbringen einiger der klagenden Mitgliedstaaten dadurch, dass es die Regelung nach der Verbindung zwischen der Leistung und dem Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats differenziert, den Besonderheiten jeder dieser Arten von Verkehrsleistungen Rechnung. Anstatt sich ausschließlich auf das Hoheitsgebiet zu konzentrieren, in dem sich der Arbeitnehmer aufhält, hat der Unionsgesetzgeber die Verbindung der Art der erbrachten Dienstleistung mit dem Aufnahmemitgliedstaat und ihre Verbindung mit dem Niederlassungsmitgliedstaat verglichen, um den Unternehmen die Erbringung dieser Dienstleistungen zu erleichtern, ohne den Schutz der den Fahrern zustehenden Arbeitnehmerrechte ernstlich zu beeinträchtigen.

970.

Daraus folgt meines Erachtens, dass der Unionsgesetzgeber im Rahmen des weiten Ermessens, über das er in diesem Bereich verfügt, ein solches Kriterium wählen konnte.

971.

Im Übrigen hat der Gerichtshof, wie ich oben in Nr. 955 ausgeführt habe, im Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging im Wesentlichen implizit einen Ansatz im Bereich der Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor bestätigt, der auf einer Differenzierung nach der Art der Beförderung beruht. In diesem Urteil hat er nämlich selbst die Entsenderegelung, die sich aus der Richtlinie 96/71 ergibt, dahin ausgelegt, dass sie auf verschiedene Arten von Beförderungen unter Anwendung des Kriteriums der „hinreichenden Verbindung“ unterschiedlich anwendbar ist.

972.

Außerdem hat der Gerichtshof, wie ich oben in Nr. 956 ausgeführt habe, im Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging bereits spezifische Kriterien für das Vorliegen einer „hinreichenden Verbindung“ im Sinne der Rechtsprechung für die bilateralen Beförderungen, den Transit und die Kabotage entwickelt. Unter diesen Umständen können die klagenden Mitgliedstaaten nicht geltend machen, dass das auf die Art der Beförderungen gestützte Kriterium unangemessen sei, da es die tatsächliche Verbindung zwischen dem Fahrer und dem Hoheitsgebiet des betreffenden Staates nicht hinreichend berücksichtige.

973.

In Bezug auf den kombinierten Verkehr hat der Gerichtshof, auch wenn er keine spezifischen Angaben zu dieser Art der Beförderung gemacht hat, im Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging klargestellt, dass ein grenzüberschreitender Transport vom Sitzmitgliedstaat des Transportunternehmens bis zum Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats oder umgekehrt, nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie über die Entsendung von Arbeitnehmern fällt ( 574 ). Meines Erachtens erfasst diese Argumentation die Beförderungen, die in Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 angeführt sind, der nunmehr das Vorliegen einer Entsendung vollständig ausschließt, wenn im kombinierten Verkehr die Zu- oder Ablaufstrecke auf der Straße zurücklegt wird, sofern diese selbst aus bilateralen Beförderungen besteht, und ist daher auf sie anwendbar.

974.

Was die nicht bilateralen Beförderungen betrifft, habe ich oben in den Nrn. 858 und 859 ausgeführt, dass – anders als bei den anderen oben genannten Arten von Beförderungen – Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 keinen Absatz vorsieht, der die Entsendung von Kraftfahrern für diese Art von Beförderungen gesetzlich regelt. Die Richtlinie beschränkt sich auf die Feststellung im 13. Erwägungsgrund, dass, da diese Art von Beförderung sich dadurch auszeichnet, dass der Kraftfahrer eine grenzüberschreitende Beförderung außerhalb des Niederlassungsmitgliedstaats des entsendenden Unternehmens durchführt, die erbrachten Dienste eher eine Verbindung mit dem jeweiligen Aufnahmemitgliedstaat als mit dem Niederlassungsmitgliedstaat aufweisen.

975.

Folglich stellt die Richtlinie 2020/1057 nur klar, dass bei Beförderungen im Dreiländerverkehr immer eine Entsendung des Fahrers vorliegt, da die Leistung außerhalb des Niederlassungsmitgliedstaats erbracht wird und daher keine hinreichende Verbindung zu diesem Staat besteht. Sie stellt jedoch nicht genau klar, welche Regelung auf die Entsendung anwendbar sein wird, genauer gesagt, zu welchem der betreffenden Aufnahmemitgliedstaaten die Leistung eine hinreichende Verbindung aufweist.

976.

Insoweit weise ich darauf hin, dass nach der Rechtsprechung ein Erwägungsgrund, auch wenn er selbst keine Rechtsvorschrift darstellt und daher keine eigene rechtliche Bedeutung hat, jedoch Aufschluss über die Auslegung geben kann, die einer Vorschrift oder einem Rechtsbegriff zu geben ist, die in dem den Erwägungsgrund enthaltenden Rechtsakt vorgesehen ist ( 575 ). Daraus folgt, dass der Aufnahmemitgliedstaat, mit dem eine hinreichende Verbindung zwischen der Leistung und seinem Hoheitsgebiet besteht und dessen Rechtsvorschriften somit anwendbar sein werden, anhand der in der Rechtsprechung angegebenen Kriterien, wie sie oben in Nr. 876 dargestellt worden sind, zu bestimmen ist ( 576 ).

977.

In Bezug auf den Dreiländerverkehr ist jedoch auch darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber beschlossen hat, die Durchführung effizienter Beförderungen durch Unternehmen dadurch zu erleichtern, dass bestimmte Beförderungen im Dreiländerverkehr im Zusammenhang mit bilateralen Beförderungen vom Anwendungsbereich der Entsenderegelung ausgenommen werden, wie es in den Ausnahmen im Sinne von Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 3 und 4 und Abs. 4 Unterabs. 3 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehen ist. Für alle diese Beförderungen im Dreiländerverkehr liegt keine Entsendung vor, so dass die Vorschriften des Niederlassungsmitgliedstaats des Verkehrsunternehmers Anwendung finden.

978.

Aus all diesen Erwägungen ergibt sich, dass der Unionsgesetzgeber dadurch, dass er sektorspezifische Vorschriften für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor erlassen hat, die auf dem Vorliegen einer hinreichenden Verbindung zwischen dem Kraftfahrer und den erbrachten Dienstleistungen sowie mit dem Gebiet des jeweiligen Aufnahmemitgliedstaats basieren und auf einem Kriterium beruhen, das zwischen den verschiedenen Arten von Beförderungen in Abhängigkeit vom Grad der Verbindung mit dem Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats unterscheidet, im Rahmen des weiten Ermessens, über das er in diesem Bereich verfügt, kein Kriterium angewandt hat, das zur Erreichung der Ziele, die er mit der in Rede stehenden Regelung verfolgen wollte, offensichtlich ungeeignet ist.

979.

Diese Beurteilung kann durch das Vorbringen der klagenden Mitgliedstaaten nicht in Frage gestellt werden.

980.

Erstens machen die klagenden Mitgliedstaaten geltend, dass es für die Festlegung der Vorschriften über die Entsendung von Fahrern andere Kriterien oder Parameter gebe, die besser geeignet seien als das auf die Art der Beförderung gestützte.

981.

Was als Erstes das Vorbringen der Republik Bulgarien und der Republik Zypern betrifft, wonach eine geeignete und weniger belastende Maßnahme als die Anwendung des auf die Art der Beförderung gestützten Kriteriums darin bestehe, den grenzüberschreitenden Verkehr von den Vorschriften über die Entsendung und über die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen im Aufnahmemitgliedstaat vollständig auszunehmen, so würde dies nicht erlauben, ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen betroffenen Interessen zu wahren, da eine solche Lösung offensichtlich nicht dem primären Ziel der Richtlinie 2020/1057 des sozialen Schutzes der Arbeitnehmer entspräche und auch nicht dazu beitrüge, den fairen Wettbewerb zu verbessern und den freien Dienstleistungsverkehr auf einer fairen Grundlage sicherzustellen, d. h. in einem rechtlichen Rahmen, der einen Wettbewerb gewährleistet. Eine solche Lösung war im Übrigen von der Kommission bereits im Gesetzgebungsverfahren geprüft und verworfen worden ( 577 ).

982.

Was als Zweites die Verwendung eines auf der Dauer des Aufenthalts der Kraftfahrer im Aufnahmestaat beruhenden Kriteriums betrifft, so könnte es sich dabei abstrakt um ein Kriterium gehandelt haben, das der Unionsgesetzgeber bei der Festlegung der Vorschriften über die Entsendung von Kraftfahrern hätte berücksichtigen können. Tatsächlich hatte die Kommission, wie unten in den Nrn. 1024 ff. näher untersucht wird, dieses Kriterium im Vorschlag für eine Entsenderichtlinie herangezogen.

983.

Wie sich jedoch aus den vorstehenden Nrn. 53 und 56 und der dort angeführten Rechtsprechung ergibt, ist der Gerichtshof nicht berufen, die Beurteilung des Unionsgesetzgebers durch seine eigene zu ersetzen, wenn der Unionsgesetzgeber in einem Bereich tätig wird, in dem von ihm politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen verlangt werden und in dem er komplexe Beurteilungen vornehmen muss. Es ist nämlich Sache des Gerichtshofs, zu überprüfen, ob der Unionsgesetzgeber offensichtlich das ihm zustehende weite Ermessen bei den Beurteilungen und den komplexen Bewertungen, die er im vorliegenden Fall durchzuführen hatte, überschritten hat, indem er sich für, gemessen an dem verfolgten Ziel, offensichtlich ungeeignete Maßnahmen entschieden hat. Es geht somit nicht darum, ob eine in diesem Bereich erlassene Maßnahme die einzig mögliche oder die bestmögliche war; sie ist vielmehr nur dann rechtswidrig, wenn sie gemessen an dem Ziel, das die zuständigen Organe zu verfolgen beabsichtigen, offensichtlich ungeeignet ist.

984.

Aus der Analyse, die ich oben in den Nrn. 967 bis 978 vorgenommen habe, geht hervor, dass das vom Unionsgesetzgeber in der Richtlinie 2020/1057 verwendete Kriterium, das auf die Art der Beförderung gestützt ist, gemessen an den Zielen, die der Unionsgesetzgeber mit der in Rede stehenden Regelung zu verfolgen beabsichtigt, nicht offensichtlich ungeeignet ist.

985.

Außerdem ist es, wie bei der Analyse der anderen Rechtsakte des Mobilitätspakets festgestellt worden ist ( 578 ), Sache des Gesetzgebers im Rahmen des weiten Ermessens, über das er im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik verfügt, die verschiedenen betroffenen Ziele und Interessen abzuwägen und eine spezifische Maßnahme zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Fahrer zu wählen, die er für angebracht hält, sofern diese Maßnahme geeignet ist, die Ziele zu erreichen, die der Gesetzgeber zu verfolgen beabsichtigt. Das Streben nach diesem Gleichgewicht ist im Wesentlichen eine politische Entscheidung, für die der Gesetzgeber, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, über ein weites Ermessen verfügen muss ( 579 ).

986.

Selbst wenn unter diesen Umständen andere Maßnahmen zur Festlegung der Vorschriften über die Entsendung von Kraftfahrern, wie etwa Maßnahmen, die ein Kriterium anwenden, das auf der Dauer des Aufenthalts der Kraftfahrer im Aufnahmestaat beruht, denkbar gewesen wären, bedeutet dies keinen Verstoß des Unionsgesetzgebers gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da die vom Gesetzgeber gewählte Maßnahme nicht offensichtlich ungeeignet ist.

987.

Daraus folgt, dass alle anderen von den Mitgliedstaaten vorgebrachten Argumente, einschließlich derjenigen, die sich auf Präzedenzfälle in der Rechtsprechung des Gerichtshofs stützen ( 580 ), mit denen dargetan werden soll, dass das auf der Dauer beruhende Kriterium angemessener sei als das letztlich in der Richtlinie 2020/1057 herangezogene Kriterium, ins Leere gehen und daher zurückzuweisen sind.

988.

Zweitens tragen einige Mitgliedstaaten vor, dass das auf die Art von Beförderung gestützte Kriterium unangemessen sei, da es zu Unsicherheiten bei der Ermittlung des Aufnahmemitgliedstaats und damit der anwendbaren Rechtsvorschriften führe.

989.

Insoweit weise ich jedoch allgemein darauf hin, dass, wie sich ausdrücklich aus dem siebten Erwägungsgrund ergibt, der vom Gesetzgeber verfolgte Ansatz auf die Erleichterung der Durchsetzung der sektorspezifischen Vorschriften für die Entsendung von Kraftfahrern abzielte. Unter diesem Blickwinkel nimmt die Richtlinie 2020/1057 in Anwendung dieses Kriteriums, das auf die Art von Beförderung gestützt ist, bestimmte Beförderungen von der Anwendung der Richtlinie 96/71 aus, und umgekehrt unterliegen die Beförderungen, die nicht ausgenommen sind, weiterhin dieser Richtlinie in Bezug auf die Entsendung von Arbeitnehmern.

990.

So legt die Richtlinie 2020/1057 in Bezug auf bilaterale Beförderungen, Transit und Teile des kombinierten Verkehrs, wie sie nach ihrem Art. 1 Abs. 6 bestimmt sind, eindeutig fest, dass keine Entsendung des Fahrers vorliegt und daher das Recht des Niederlassungsmitgliedstaats des Verkehrsunternehmens Anwendung findet. In Bezug auf die Kabotage regelt die Richtlinie dagegen eindeutig, dass eine Entsendung in den Aufnahmemitgliedstaat vorliegt, in dessen Hoheitsgebiet die Beförderung stattfindet. Daher gelten die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats für die Entsendung. Schließlich stellt die Richtlinie 2020/1057, wie ich oben in den Nrn. 858, 859 und 974 ausgeführt habe, hinsichtlich der nicht bilateralen Beförderungen (Beförderung im Dreiländerverkehr) klar, dass eine Entsendung vorliegt, legt aber nicht fest, in welchen Aufnahmemitgliedstaat die Entsendung stattfindet. Dieser Staat ist von Fall zu Fall auf der Grundlage einer Analyse anhand der in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu bestimmen, was Sache des Unternehmens ist.

991.

In diesem Kontext sehe ich keine Unsicherheit, zu der die Richtlinie 2020/1057 der bei der Ermittlung des betreffenden Mitgliedstaats und damit der anwendbaren Rechtsvorschriften in Bezug auf die in der vorstehenden Nummer genannten Beförderungen führen würde. Vielmehr hat die Richtlinie 2020/1057 die Unsicherheit aufgrund der unterschiedlichen Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie 96/71 in den verschiedenen Mitgliedstaaten vor dem Erlass der neuen Regelung beseitigt.

992.

Rumänien und vor allem die Republik Polen beziehen sich jedoch auf die in Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 3 und 4 und Abs. 4 Unterabs. 3 der Richtlinie 2020/1057 festgelegten Ausnahmen.

993.

Was insoweit die Frage betrifft, ab welchem Zeitpunkt die Entsendevorschriften anwendbar sind, teile ich die Auffassung des Rates, dass sich schon aus dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2020/1057 eindeutig ergibt, dass, wenn mehr als eine zusätzliche Tätigkeit während der Hinfahrt einer bestimmten bilateralen Beförderung durchgeführt wird, die Ausnahme für die bilateralen Beförderungen von dem betreffenden Mitgliedstaat in keiner Weise angewandt werden kann. Zu den Zweifeln in Bezug auf Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2020/1057 ist festzustellen, dass die Republik Polen nicht erläutert, welche Zweifel sie hat. Was den Grund betrifft, aus dem eine einzige zusätzliche Tätigkeit gestattet ist und nicht mehr, handelt es sich um eine politische Entscheidung des Gesetzgebers, um ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den in Rede stehenden Interessen zu finden, in deren Rahmen dieser Gesetzgeber, wie u. a. oben in Nr. 985 ausgeführt, über ein weites Ermessen verfügt. Was schließlich den Grund betrifft, aus dem eine zusätzliche Tätigkeit im Rahmen einer bilateralen Fahrt aus dem Niederlassungsmitgliedstaat gestattet ist, aber zwei Tätigkeiten auf der Rückfahrt, wenn während der Fahrt aus dem Niederlassungsmitgliedstaat keine zusätzliche Tätigkeit durchgeführt wurde, so hat der Rat erläutert, dass er mit der Möglichkeit zusammenhängt, die im neunten Erwägungsgrund angeführten Vorschriften durchzusetzen. Wenn der Fahrer den Niederlassungsmitgliedstaat verlässt, ist es den Kontrollbehörden nicht möglich, festzustellen, wie viele zusätzliche Tätigkeiten der Fahrer anschließend auf der Rückfahrt durchführen wird. Während der Rückfahrt können die Kontrollbehörden jedoch feststellen, was der Fahrer zuvor getan hat.

994.

Drittens macht Rumänien geltend, die Richtlinie 2020/1057 habe unmittelbare Auswirkungen auf den Markt und sei geeignet, bestimmte Verkehrstätigkeiten zu erschweren.

995.

Wie ich oben in den Nrn. 841 bis 844 und 964 bis 966 ausgeführt habe, besteht das erklärte Ziel der Richtlinie 2020/1057 darin, ein angemessenes Gleichgewicht zu erreichen, um sowohl angemessene Arbeitsbedingungen und einen angemessenen Sozialschutz für Kraftfahrer als auch angemessene Geschäftsbedingungen und einen fairen Wettbewerb für die Kraftverkehrsunternehmen sicherzustellen. Daraus folgt, dass die Richtlinie 2020/1057, indem sie einen besseren Schutz der entsandten Arbeitnehmer gewährleistet, auf die Verwirklichung des freien Dienstleistungsverkehrs in der Union im Rahmen eines Wettbewerbs abzielt, der nicht von übermäßigen Unterschieden in den Arbeits‑ und Beschäftigungsbedingungen abhängt, die in ein und demselben Mitgliedstaat für die Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten gelten.

996.

In einem solchen Kontext kann die Gültigkeit der Richtlinie 2020/1057 nicht mit der Begründung in Frage gestellt werden, dass der Unionsgesetzgeber nicht bestimmte Tätigkeiten auf dem Markt zu Lasten der Verringerung des sozialen Schutzes der Arbeitnehmer begünstigt habe. Wie ich nämlich oben in Nr. 985 ausgeführt habe, liegt eine solche Abwägung vollständig im Ermessen, über das der Unionsgesetzgeber im vorliegenden Fall verfügt.

– Zur Ungeeignetheit und mangelnden Erforderlichkeit des „hybriden Modells“, um zu den verfolgten Zielen beizutragen

997.

Was die Klagegründe und Argumente betrifft, die die Republik Bulgarien und die Republik Zypern im Hinblick darauf vorgebracht haben, dass das „hybride Modell“ ungeeignet und nicht erforderlich sei, um zu den mit der Richtlinie verfolgten Zielen beizutragen, verweise ich zunächst auf die u. a. oben in Nr. 985 dargelegten Erwägungen, aus denen sich zum einen ergibt, dass es Sache des Unionsgesetzgebers ist, die verschiedenen in Rede stehenden Ziele und Interessen abzuwägen und eine spezifische Maßnahme zu wählen, die geeignet ist, um ein angemessenes Gleichgewicht zwischen diesen Interessen zu finden, und zum anderen, dass die Suche nach diesem Gleichgewicht eine politische Entscheidung ist, bei der der Gesetzgeber über ein weites Ermessen verfügt.

998.

Insoweit habe ich bereits oben in Nr. 60 darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen finden muss, indem er sich auf die Situation in der gesamten Union und nicht auf die besondere Situation eines einzigen Mitgliedstaats stützt. Außerdem habe ich oben in den Nrn. 219 und 220 darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Unionsgesetzgeber im Hinblick auf seine Aufgabe, über den Schutz der im AEU-Vertrag anerkannten allgemeinen Interessen zu wachen, nicht daran gehindert sein kann, einen Rechtsakt, u. a. im Sektor der gemeinsamen Verkehrspolitik, den veränderten Umständen oder neuen Erkenntnissen anzupassen und die übergreifenden Ziele der Union in Art. 9 AEUV zu berücksichtigen, zu denen u. a. die Erfordernisse im Zusammenhang mit der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus und der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes gehören ( 581 ).

999.

Insbesondere hat der Gerichtshof insoweit bereits anerkannt, dass der Unionsgesetzgeber unter Berücksichtigung der wesentlichen Veränderung des Binnenmarktes, vor allem durch die schrittweisen Erweiterungen der Union, berechtigt ist, einen Rechtsakt anzupassen, um einen Ausgleich der betroffenen Interessen vorzunehmen, um den sozialen Schutz der Fahrer durch eine Änderung der Bedingungen, unter denen die Dienstleistungsfreiheit ausgeübt wird, zu erhöhen ( 582 ).

1000.

Was unter diesem Blickwinkel das Vorbringen anbelangt, dass die Verkehrsunternehmer der an der Peripherie der Union gelegenen Mitgliedstaaten von den in der Richtlinie 2020/1057 erlassenen Vorschriften über die Entsendung von Kraftfahrern stärker betroffen seien, so wird die Entsenderegelung häufiger für die Unternehmen gelten, die öfter Arbeitnehmer entsenden, um Dienstleistungen zu erbringen, die keine Verbindung zum Hoheitsgebiet des Niederlassungsmitgliedstaats aufweisen. Die Maßnahmen der Union haben unweigerlich unterschiedliche Auswirkungen in den einzelnen Mitgliedstaaten und auf die verschiedenen Wirtschaftsteilnehmer, je nachdem, welche Entscheidungen diese hinsichtlich der Ausrichtung ihrer Geschäftstätigkeit und des Ortes ihrer Niederlassung treffen. Die betreffenden Vorschriften gelten jedoch gleichermaßen für alle Mitgliedstaaten.

– Zu den unverhältnismäßigen negativen Auswirkungen

1001.

Mehrere der klagenden Mitgliedstaaten machen geltend, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 für die Entsendung von Kraftfahrern gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstießen, da sie im Vergleich zu ihren Vorteilen unverhältnismäßige negative Auswirkungen hätten. Diese Mitgliedstaaten beziehen sich zum einen auf die Kosten für die Einhaltung der neuen Rechtsvorschriften (wie die Notwendigkeit, die Vergütung der Fahrer an die in den durchfahrenen Staaten geltenden Tarife anzupassen) und zum anderen auf die mit dem Verwaltungsaufwand verbundenen Kosten.

1002.

Insoweit weise ich jedoch darauf hin, dass die Richtlinie 2020/1057 in Bezug auf die bilateralen Beförderungen, den Transit und die Kabotage nicht als Quelle eines neu geschaffenen und strengeren Rechtsrahmens eingestuft werden kann. Wie nämlich oben aus Nr. 959 hervorgeht, entspricht die Entsenderegelung derjenigen, die bereits vor dem Erlass der Richtlinie 2020/1057 in Kraft war. Unter diesen Umständen kann für diese Beförderungsarten nicht geltend gemacht werden, dass die Belastungen für die Unternehmer in irgendeiner Weise erhöht worden seien, denn sie ergaben sich höchstens bereits aus der Richtlinie 96/71 selbst, lange vor dem Erlass der Richtlinie 2020/1057.

1003.

Was sodann die in Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehene Regelung für den kombinierten Verkehr betrifft, handelt es sich um eine Ausnahme von der Anwendung der Vorschriften der Richtlinie 96/71 für die dort genannten Fahrten, die normalerweise in den Anwendungsbereich der Richtlinie 96/71 fallen würden. Daraus folgt, dass auch diese Bestimmung im Zusammenhang mit der Entsendung der Kraftfahrer im Vergleich zur früheren Regelung keine zusätzlichen Kosten zur Folge haben kann.

1004.

Was die nicht bilateralen Beförderungen betrifft, weise ich darauf hin, dass die Richtlinie 2020/1057 zwar, wie sich aus der vorstehenden Nr. 975 ergibt, klarstellt, dass grundsätzlich eine Entsendung des Fahrers vorliegt, doch sieht diese Richtlinie in Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 3 und 4 und Abs. 4 Unterabs. 3 Ausnahmen für eine ganze Reihe von Beförderungen im Dreiländerverkehr im Zusammenhang mit einer bilateralen Beförderung vor.

1005.

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Beseitigung der auf die unterschiedliche Anwendung in den verschiedenen Mitgliedstaaten zurückzuführenden Unsicherheit im Allgemeinen geeignet ist, die Kosten der Unternehmen zu verringern. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber besondere, weniger belastende Verwaltungsvorschriften für alle Arten von Beförderungen erlassen, die dazu beitragen, den Aufwand für die Verkehrsunternehmer, die Fahrer entsenden, im Vergleich zu dem vor dem Erlass der Richtlinie 2020/1057 geltenden Rechtsrahmen zu verringern.

1006.

Jedenfalls haben die fraglichen Mitgliedstaaten nicht nachgewiesen, dass nach der oben in Nr. 59 angeführten Rechtsprechung die Nachteile für die Verkehrsunternehmen, die sich aus der in der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Regelung für die Beförderungen im Dreiländerverkehr ergeben, zu den im Übrigen mit ihr verbundenen Vorteilen völlig außer Verhältnis stünden.

1007.

Im Ergebnis bin ich nach alledem der Ansicht, dass alle Klagegründe zurückzuweisen sind, mit denen geltend gemacht wird, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass von Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057, ausgelegt im Licht der Erwägungsgründe 7 bis 13 dieser Richtlinie, die besondere Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern im internationalen Straßenverkehrssektor vorsieht, offensichtlich das ihm zustehende weite Ermessen überschritten hat.

2) Zu den Klagegründen in Bezug auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit durch den Unionsgesetzgeber

i) Vorbringen der Parteien

1008.

Alle sechs Mitgliedstaaten, die die Richtlinie 2020/1057 angefochten haben, beanstanden die vom Unionsgesetzgeber vorgenommene Prüfung der Verhältnismäßigkeit und insbesondere das Fehlen einer Folgenabschätzung in Bezug auf die endgültige Fassung der Bestimmungen über die besonderen Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor in Art. 1 Abs. 3 bis 7 dieser Richtlinie.

1009.

Die Republik Litauen macht geltend, beim Erlass von Art. 1 Abs. 3 und 7 der Richtlinie 2020/1057 seien wesentliche Formvorschriften verletzt worden, da die Wirkungen dieser Bestimmungen nicht bewertet worden seien. Sie verweist insoweit auf Art. 11 Abs. 3 EUV, auf die Art. 2 und 5 des Protokolls (Nr. 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit sowie auf die Interinstitutionelle Vereinbarung.

1010.

In ihrem Vorschlag für eine Entsenderichtlinie habe die Kommission unter den relevantesten Kriterien für die Entsendung von Arbeitnehmern die Dauer des Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat vorgeschlagen. Das Parlament und der Rat hätten jedoch der Natur der Beförderung den Vorrang eingeräumt, damit grundlegend neue Kriterien vorgeschlagen und folglich das Wesen der betreffenden Bestimmungen erheblich verändert. Diese Organe hätten daher eine Folgenabschätzung durchführen und die Gründe darlegen müssen, aus denen die vorgeschlagenen neuen Kriterien eine geeignetere Maßnahme als die im Vorschlag für eine Richtlinie vorgesehene darstellten.

1011.

Im vorliegenden Fall habe es keine objektiven Gründe gegeben, keine Folgenabschätzung durchzuführen, und die Unionsorgane hätten ihre Entscheidung, keine Folgenabschätzung durchzuführen, nicht begründet. Insoweit weist die Republik Litauen darauf hin, dass sie die fraglichen Bestimmungen nicht deshalb anfechte, weil der Unionsgesetzgeber keine zusätzliche Folgenabschätzung durchgeführt habe, sondern weil die Auswirkungen dieser Bestimmungen überhaupt nicht analysiert worden seien.

1012.

Nach Ansicht der Republik Litauen kann die Angemessenheit und Erforderlichkeit von Folgenabschätzungen nicht dahin ausgelegt werden, dass sie auf einer gänzlich subjektiven Beurteilung beruhe, die ausschließlich vom Willen des Unionsgesetzgebers abhänge. Vielmehr müsse diese Beurteilung auf bestehende objektive Daten gestützt werden, da dies das einzige Mittel sei, um sicherzustellen, dass der Unionsgesetzgeber sein Ermessen nicht missbrauche.

1013.

Die Republik Bulgarien und die Republik Zypern machen geltend, das Parlament und der Rat hätten gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, indem sie das hybride Modell ohne jede Folgenabschätzung erlassen hätten. Diese beiden Organe hätten nämlich weder über eine Folgenabschätzung verfügt, obwohl sie von Mitgliedstaaten mehrfach angefordert worden sei, noch über irgendeine andere Information, die bestätigen hätte können, dass die Maßnahme verhältnismäßig sei. Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission für eine Entsenderichtlinie habe für die Entsendung von Arbeitnehmern einen grundlegend anderen Ansatz vorgesehen.

1014.

Rumänien macht geltend, dass im vorliegenden Fall die Lösung, die darin bestehe, sich auf das Kriterium der Art der Beförderung zu beziehen, um die Fälle der Durchführung der Entsenderegelung im Bereich des Straßenverkehrs zu ermitteln, nicht Gegenstand der Folgenabschätzung der Kommission gewesen sei und nicht auf einen Bericht, eine wissenschaftliche Analyse oder Daten gestützt sei. Weder ein Bericht noch eine Analyse dieser Art seien während der Verhandlungen angeführt, mitgeteilt oder erörtert worden.

1015.

Um den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren, hätte der Unionsgesetzgeber seine gesetzgeberische Entscheidung auf Analysen, Berichte und Bewertungen stützen müssen, die speziell auf die Bestimmung der Voraussetzungen für die Anwendung der Entsenderegelung auf Kraftfahrer im Bereich des Straßenverkehrs, einschließlich des Kriteriums der gewählten Beförderung, abzielten, da solche Dokumente, in denen ausschließlich die Notwendigkeit einer gesetzgeberischen Maßnahme im Bereich der Entsendung untersucht werde, unzureichend seien. Die Ermittlung der zur Bekämpfung der festgestellten Mängel erforderlichen und geeigneten Lösungen könne sich nämlich nicht allein auf eine Beurteilung der bereits bestehenden Lage auf dem Verkehrsmarkt stützen. Außerdem sollten die erwarteten Folgen der geplanten Maßnahmen wirklich und umfassend bewertet werden.

1016.

In diesem Kontext seien wissenschaftliche Bewertungen und Daten angesichts der Besonderheiten der Materie und der Schwierigkeiten bei der Ermittlung einer hinreichenden Verbindung zum Aufnahmemitgliedstaat umso wichtiger. Außerdem hätten die Mitgesetzgeber gemäß Rn. 15 der Interinstitutionellen Vereinbarung Folgenabschätzungen in Bezug auf die von ihnen vorgenommenen wesentlichen Abänderungen am Kommissionsvorschlag durchführen können, insbesondere das neue Kriterium für die Bestimmung der Fälle von Entsendung im Verkehrsbereich. Insoweit gleiche der bloße Umstand, dass der Ansatz des Gesetzgebers nach Ansicht der Kommission dasselbe Ziel wie ihr Vorschlag gewährleiste, das Fehlen der Folgenabschätzung, die hätte durchgeführt werden müssen, nicht aus. Das mit einem Gesetzgebungsakt der Union verfolgte Ziel sei eine andere Frage als die Suche nach Maßnahmen, die zur Erreichung dieses Ziels geeignet seien, und die Beurteilung der Wirkungen, die solche Maßnahmen haben könnten.

1017.

Ungarn macht geltend, das Fehlen einer Folgenabschätzung in Bezug auf die Entsendung im Rahmen von Beförderungen im kombinierten Verkehr nach Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 stelle einen offensichtlichen Beurteilungsfehler des Unionsgesetzgebers und einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar. Der Vorschlag der Kommission für eine Entsenderichtlinie habe sich nicht auf die Beförderungen im kombinierten Verkehr bezogen, und die Regeln für diese Beförderungen seien nach Zustimmung des Rates und des Parlaments eingeführt worden, ohne dass ihre Auswirkungen auf den intermodalen Güterverkehr von diesen Organen geprüft worden seien. Außerdem habe die Kommission in einer Mitteilung vom 15. April 2020 ( 583 ) die Auffassung vertreten, dass die Einschränkungen für Beförderungen im kombinierten Verkehr insbesondere deshalb problematisch seien, weil diese Einschränkungen die Wirksamkeit der Förderung des multimodalen Güterverkehrs schmälern könnten.

1018.

Die Republik Polen weist auch darauf hin, dass hinsichtlich der Auswirkungen der von ihr angefochtenen Bestimmungen in Art. 1 Abs. 3, 4, 6 und 7 der Richtlinie 2020/1057 die Folgenabschätzung – Sozialer Teil Maßnahmen betroffen habe, die auf einem zeitlichen Kriterium beruhten. Dagegen seien die Auswirkungen der letztlich erlassenen Maßnahmen nicht bewertet worden. Daher könne nicht geltend gemacht werden, dass die Entscheidungen des Unionsgesetzgebers auf objektiven Daten beruhten und dass dieser in der Lage gewesen sei, ihre Folgen rationell zu analysieren.

1019.

Im vorliegenden Fall habe sich der Unionsgesetzgeber nicht in einer besonderen Lage befunden, die es erforderlich gemacht hätte, von einer ergänzenden Folgenabschätzung abzusehen, und habe nicht über ein ausreichendes Maß an Informationen verfügt, die es ihm ermöglicht hätten, die Verhältnismäßigkeit der letztlich erlassenen Maßnahmen zu beurteilen. Nichts deute darauf hin, dass der Rat und das Parlament über die erforderlichen Daten verfügt hätten, um die Auswirkungen der angefochtenen Bestimmungen auf die Umwelt, die wirtschaftliche Situation der verschiedenen Verkehrsunternehmer und den Straßenverkehrssektor insgesamt beurteilen zu können.

1020.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, alle diese Klagegründe zurückzuweisen.

ii) Würdigung

– Vorbemerkungen

1021.

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass, wie ich in Nr. 61 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, aus der Rechtsprechung hervorgeht, dass die Frage, ob der Gesetzgeber alle erheblichen Faktoren und Umstände der Situation, die mit dem Rechtsakt geregelt werden sollte, berücksichtigt hat und ob er eine Folgenabschätzung durchführen oder ergänzen musste, unter den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fällt. Folglich zielt der von der Republik Litauen geltend gemachte Klagegrund einer Verletzung wesentlicher Formvorschriften in Wirklichkeit darauf ab, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend zu machen, und ist daher im Rahmen der Prüfung der Klagegründe zu untersuchen, mit denen ein Verstoß gegen diesen Grundsatz geltend gemacht wird.

1022.

Sodann ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall feststeht, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass der Richtlinie 2020/1057 über eine Folgenabschätzung verfügte und dass diese Folgenabschätzung die Einführung von Bestimmungen über die besonderen Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor umfasste ( 584 ). So enthielt der von der Kommission angenommene Vorschlag für eine Entsenderichtlinie in Art. 2 Bestimmungen zur Einführung besonderer Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern in diesem Sektor.

1023.

In der endgültigen Fassung dieser Bestimmungen – insbesondere in den Abs. 3 bis 7 von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057, die Gegenstand der vorliegenden Klagen sind – hat der Unionsgesetzgeber jedoch Vorschriften erlassen, die sich von denen im Vorschlag der Kommission für eine Entsenderichtlinie unterschieden. Insoweit steht auch fest, dass die endgültige Fassung dieser Bestimmungen nicht Gegenstand einer spezifischen ergänzenden Folgenabschätzung war.

1024.

Genauer gesagt hatte die Kommission in ihrem Vorschlag für eine Entsenderichtlinie und speziell in deren Art. 2 Abs. 2 ( 585 ) ein System vorgeschlagen, in dessen Rahmen – ausgehend von der Prämisse, dass die Richtlinie 96/71 auf den Straßenverkehrssektor anwendbar ist, zwei der neun in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 aufgeführten Elemente der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Aufnahmemitgliedstaats ( 586 ) – nämlich der bezahlte Mindestjahresurlaub und die Entlohnung – nicht für Entsendungen von weniger als drei Tagen pro Monat gelten würden, wenn die Fahrer grenzüberschreitende Beförderungen im Sinne der Verordnung 1072/2009 und 1073/2009 durchführten.

1025.

Nach diesem Vorschlag stellten Zeiträume von weniger als drei Tagen jedoch weiterhin eine Entsendung dar, auf die die übrigen sieben in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 aufgezählten Elemente, und insbesondere die Verwaltungsanforderungen, u. a. die Vorlage einer Entsendemeldung vor der Entsendung, Anwendung fänden.

1026.

Da die Kabotagebeförderungen vom Begriff „grenzüberschreitende Beförderungen“ ausgenommen sind, weil bei diesen die gesamte Beförderung in einem Aufnahmemitgliedstaat stattfindet, hätten sie nach dem Vorschlag der Kommission vollständig unter die Entsendevorschriften der Richtlinie 96/71 fallen müssen. Folglich sollten laut diesem Vorschlag die Mindestlohnsätze und der bezahlte Mindestjahresurlaub des Aufnahmemitgliedstaats für die Kabotage gelten, unabhängig von Häufigkeit und Dauer der von einem Fahrer durchgeführten Beförderungen.

1027.

Aus der Analyse der im Vorschlag der Kommission enthaltenen besonderen Regelung für die Entsendung von Kraftfahrern ergibt sich erstens, dass dieser Vorschlag ein anderes Kriterium als die Richtlinie 2020/1057 für die Bestimmung der Anwendbarkeit der Vorschriften über die Entsendung auf die Kraftfahrer im Straßenverkehrssektor empfahl. Während nämlich der Vorschlag für eine Richtlinie ein zeitliches Kriterium verwendete, das auf die Dauer der Entsendung abstellte, bezieht sich die Richtlinie 2020/1057 nicht auf die Dauer, sondern wendet ein Kriterium an, das ausschließlich auf die Art der Beförderungen gestützt ist.

1028.

Zweitens hätte, während die Richtlinie 2020/1057, wie sich aus den vorstehenden Nrn. 846 bis 859 ergibt, das Vorliegen einer Entsendung und damit die Anwendung der Entsendevorschriften für bestimmte Arten von Beförderungen (nämlich die bilateralen Beförderungen, die Transitbeförderungen und bestimmte Beförderungen im Dreiländerverkehr im Zusammenhang mit einer bilateralen Beförderung sowie die Strecke auf der Straße im kombinierten Verkehr nach Art. 1 Abs. 6 dieser Richtlinie) ausschließt, nach dem Vorschlag der Kommission für eine Entsenderichtlinie jede grenzüberschreitende Beförderung zu einer Entsendung geführt. In Anwendung des angeführten zeitlichen Kriteriums wäre nur die Regelung des Aufnahmemitgliedstaats über den bezahlten Mindestjahresurlaub und die Entlohnung – die angeführten zwei der neun in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 aufgezählten Elemente – nicht angewandt worden, wenn die Dauer der Entsendung drei Tage oder weniger beträgt ( 587 ). Alle anderen sieben in diesem Absatz aufgeführten Elemente hätten für jede grenzüberschreitende Beförderung gegolten.

1029.

Was drittens die Kabotagebeförderung betrifft, sehen sowohl der Vorschlag der Kommission für eine Entsenderichtlinie als auch die endgültige Fassung der Richtlinie 2020/1057 die vollständige Anwendbarkeit der in der Richtlinie 96/71 vorgesehenen Entsenderegelung vor. Für diese Art von Beförderung besteht daher hinsichtlich der Entsendung kein Unterschied zwischen der im Vorschlag für eine Entsenderichtlinie enthaltenen Regelung und der Regelung in der endgültigen Fassung der Richtlinie 2020/1057.

– Zum Fehlen einer ergänzenden Folgenabschätzung für die endgültige Fassung der Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 für die Entsendung von Kraftfahrern

1030.

In dem in den vorstehenden Nummern dargelegten Kontext ist im Licht der Rügen, die die klagenden Mitgliedstaaten mit den Klagegründen vorgebracht haben, und der in den Nrn. 71 bis 74 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung zu prüfen, ob der Unionsgesetzgeber im vorliegenden Fall gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat, weil es an einer ergänzenden Folgenabschätzung zur endgültigen Fassung der Bestimmungen über die besonderen Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor, die schließlich in der Richtlinie 2020/1057 angenommen wurde, fehlt.

1031.

Insoweit sind meines Erachtens zunächst die von der Republik Litauen und der Republik Polen – den einzigen Mitgliedstaaten, die Art. 1 Abs. 7 der Richtlinie 2020/1057 beanstanden – erhobenen Rügen zurückzuweisen, wonach der Unionsgesetzgeber in Bezug auf die Kabotagebeförderung keine Folgenabschätzung durchgeführt habe und nicht über die erforderlichen Daten verfügt habe, um die Auswirkungen dieser Bestimmung zu beurteilen. Wie ich nämlich oben in Nr. 1029 ausgeführt habe, besteht hinsichtlich dieser Art von Beförderung kein Unterschied zwischen der Regelung über die Entsendung von Kraftfahrern im Vorschlag der Kommission für eine Entsenderichtlinie, die auf die Folgenabschätzung – Sozialer Teil gestützt war, und der letztlich in der Richtlinie 2020/1057 angenommenen Regelung. Unter diesen Umständen können diese beiden Mitgliedstaaten nicht das Fehlen einer ergänzenden Folgenabschätzung in Bezug auf die Kabotage geltend machen.

1032.

Sodann stellt sich die Frage, ob der Unionsgesetzgeber verpflichtet war, eine ergänzende Folgenabschätzung durchzuführen, weil, wie ich oben in Nr. 1027 ausgeführt habe, die endgültige Fassung der Richtlinie 2020/1057 letztlich ein anderes Kriterium als der Vorschlag für eine Entsenderichtlinie für die Bestimmung der Anwendbarkeit der Vorschriften über die Entsendung auf die Kraftfahrer im Straßenverkehrssektor angenommen hat. In diesem Fall hätte der Unionsgesetzgeber dadurch, dass er diese Richtlinie ohne eine solche ergänzende Folgenabschätzung erlassen hat, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.

1033.

Insoweit weise ich zunächst darauf hin, dass, wie ich oben in den Nrn. 66 und 70 ausgeführt habe, aus der Rechtsprechung hervorgeht, dass das Parlament und der Rat durch eine von der Kommission durchgeführte Folgenabschätzung nicht gebunden sind. Außerdem ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass es dem Parlament und dem Rat als Mitgesetzgebern gemäß Art. 294 AEUV und innerhalb der durch das Initiativrecht der Kommission gesetzten Grenzen freisteht, zu einer anderen Beurteilung der Situation als die Kommission zu gelangen und somit im Rahmen des Verfahrens zum Erlass eines Gesetzgebungsakts der Union einen anderen politischen Standpunkt einzunehmen. Daraus folgt, dass selbst dann, wenn das Parlament und der Rat vom Vorschlag der Kommission sowie der ihm zugrunde liegenden Folgenabschätzung abweichen und wesentliche Aspekte dieses Vorschlags ändern, der Umstand, dass sie die Folgenabschätzung nicht aktualisiert haben, nicht automatisch und zwangsläufig dazu führt, dass die erlassenen Unionsvorschriften ungültig sind. Dies wird im Übrigen durch Rn. 15 der Interinstitutionellen Vereinbarung bestätigt, aus der sich, wie ich oben in Nr. 66 ausgeführt habe, ergibt, dass, wenn das Europäische Parlament und der Rat wesentliche Abänderungen am Kommissionsvorschlag vornehmen, sie selbst Folgenabschätzungen durchführen können, wenn sie dies für zweckmäßig und erforderlich halten ( 588 ).

1034.

Wie ich jedoch oben in Nr. 71 ausgeführt habe, setzt eine tatsächliche Ausübung des Ermessens durch den Unionsgesetzgeber die Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren und Umstände der Situation voraus, die mit diesem Rechtsakt geregelt werden sollte.

1035.

Die klagenden Mitgliedstaaten machen im Wesentlichen geltend, der Gesetzgeber hätte eine ergänzende Folgenabschätzung vornehmen müssen, um zum einen die Angemessenheit des neuen, letztlich angenommenen Kriteriums, das auf die Art der Beförderung gestützt sei, und zum anderen die erwarteten Auswirkungen der in Anwendung dieses neuen Kriteriums geplanten Maßnahmen zu bewerten.

1036.

Was erstens die etwaige Notwendigkeit einer ergänzenden Folgenabschätzung für die Beurteilung der Angemessenheit des neuen Kriteriums betrifft, glaube ich nicht, dass der Unionsgesetzgeber im vorliegenden Fall verpflichtet war, eine solche Ergänzung vorzunehmen.

1037.

Zum einen verfügte der Unionsgesetzgeber nämlich, wie sich aus den Nrn. 42 und 953 der vorliegenden Schlussanträge ergibt, beim Erlass besonderer Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor über ein weites Ermessen, um die politische Entscheidung zu treffen, die es erlaubte, die verschiedenen in Rede stehenden Ziele und Interessen abzuwägen, insbesondere um ein Gleichgewicht zwischen dem Sozialschutz für Kraftfahrer und der Freiheit der Verkehrsunternehmen zur Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen herzustellen. Er verfügte in diesem Rahmen auch über ein weites Ermessen bei der Wahl des Kriteriums, das er zu diesem Zweck für am geeignetsten hielt und auf dessen Grundlage es nach der in den Nrn. 872ff. der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung möglich wäre, das Vorliegen einer „hinreichenden Verbindung“ zum Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats zu bestimmen, um das Vorliegen einer Entsendung eines Fahrers festzustellen.

1038.

Aus den vorstehenden Nrn. 967 bis 996 geht jedoch hervor, dass das Kriterium, das auf die Art der Beförderung gestützt ist, nicht offensichtlich ungeeignet ist, um festzustellen, ob eine solche „hinreichende Verbindung“ vorliegt, und um die mit der Richtlinie 2020/1057 verfolgten Ziele zu erreichen.

1039.

Im Übrigen weise ich darauf hin, dass der Vorschlag der Kommission für eine Entsenderichtlinie, in dem er die Kabotage ausdrücklich von der Anwendung der sektorspezifischen Vorschriften über die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor ausschloss, für die Zwecke der Anwendbarkeit dieser Vorschriften selbst eine Unterscheidung zwischen den Arten der Beförderungen vornahm. Das auf die Art der Beförderung gestützte Kriterium, das in der Richtlinie 2020/1057 angenommen wurde, erscheint somit gegenüber dem Vorschlag für eine Richtlinie nicht so neu, wie die klagenden Mitgliedstaaten vortragen.

1040.

Was zweitens die etwaige Notwendigkeit einer ergänzenden Folgenabschätzung für die Beurteilung der erwarteten Auswirkungen der in Anwendung dieses neuen Kriteriums geplanten Maßnahmen betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Folgenabschätzung – Sozialer Teil eine Analyse enthielt, die sich entgegen dem Vorbringen einiger Mitgliedstaaten nicht darauf beschränkte zu erläutern, warum die Gesetzgebungsinitiative der Kommission erforderlich war. Sie enthielt vielmehr auch Berechnungen und Schätzungen der quantitativen Auswirkungen in Bezug auf die Kosten des Vorschlags der Kommission, der auf dem zeitlichen Kriterium und speziell auf der in den vorstehenden Nrn. 1024, 1025 und 1027 angeführten Dauer der Entsendung von drei Tagen beruhte ( 589 ). Insbesondere wurde in der Folgenabschätzung eine Differenzierung zwischen „Verwaltungskosten“ wie den Kosten für Entsendemeldungen und „Kosten für die Einhaltung der Vorschriften“ vorgenommen, wie z. B. den Kosten, die sich aus der Notwendigkeit ergaben, die im Aufnahmemitgliedstaat geltende Entlohnung zu zahlen ( 590 ).

1041.

Diese Berechnungen und Schätzungen in der Folgenabschätzung beruhten auf einem wirtschaftlichen Referenzszenario, in dem nach der Regelung, wie sie im Vorschlag für eine Entsenderichtlinie vorgesehen ist, alle grenzüberschreitenden Beförderungen (einschließlich bilateraler Beförderungen, Transit und aller Beförderungen im Dreiländerverkehr) rechtlich gleichbehandelt würden und unter die Richtlinie 96/71 fielen. Wie oben in Nr. 1028 ausgeführt, schlug der Vorschlag für eine Entsenderichtlinie daher ein System vor, in dem jede grenzüberschreitende Beförderung zu einer Entsendung geführt hätte.

1042.

Im Vergleich zu diesem in der Folgenabschätzung berücksichtigten Referenzszenario scheint zum einen die Senkung der Verwaltungskosten grundlegend mit den Maßnahmen zusammenzuhängen, die abweichend von der Richtlinie 2014/67 die Verwaltungsanforderungen in Bezug auf die Entsendung von Fahrern verringern und Entsendemeldungen erleichtern ( 591 ). Diese Maßnahmen waren im Vorschlag für eine Richtlinie enthalten ( 592 ) und wurden im Wesentlichen in die Richtlinie 2020/1057 übernommen ( 593 ). Außerdem würde, wie der Rat geltend macht, die Nutzung des in dieser Richtlinie vorgesehenen Binnenmarkt‑Informationssystems die Verwaltungskosten im Vergleich zu dem System, das im Vorschlag der Kommission für eine Entsenderichtlinie vorgesehen war, noch weiter verringern ( 594 ).

1043.

Zum anderen hat der Unionsgesetzgeber, wie ich oben in Nr. 1028 ausgeführt habe, in dem von der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen System in Anwendung des auf die Art der Beförderung gestützten Kriteriums mehrere grenzüberschreitende Beförderungen vollständig von der Anwendung der in der Richtlinie 96/71 vorgesehenen Entsenderegelung und den in der Richtlinie 2014/67 vorgesehenen Verwaltungsanforderungen ausgenommen. Diese Ausnahmen führen dazu, dass die sich aus der Anwendung der Entsenderegelung ergebenden Verwaltungskosten und Kosten für die Einhaltung der Vorschriften für diese Arten von grenzüberschreitenden Beförderungen nicht mehr entstehen. Insbesondere ist für diese Art der grenzüberschreitenden Beförderung keine Entsendemeldung mehr erforderlich und es entstehen auch keine weiteren Kosten für die Einhaltung der Vorschriften, da die Rechtsvorschriften des Aufnahmestaats auf diese grenzüberschreitenden Beförderungen in keinem Fall Anwendung finden.

1044.

So führt die Richtlinie 2020/1057 in Bezug auf diese (oben in Nr. 1028 angeführten) Arten von Beförderungen zweifellos zu einer umfassenden Herabsetzung der Entsendungskosten gegenüber dem Vorschlag der Kommission für eine Entsenderichtlinie, der vorsah, dass jede grenzüberschreitende Beförderung, und damit alle diese Beförderungen, die nunmehr im Rahmen der Richtlinie 2020/1057 ausgenommen sind, zu einer Entsendung geführt hätte und der die Beförderungen mit einer Dauer unterhalb eines bestimmten Schwellenwerts nur von bestimmten Elementen der für entsandte Arbeitnehmer anwendbaren Bestimmungen ausnahm.

1045.

Was die Beförderungen im Dreiländerverkehr betrifft, die nicht mit einer bilateralen Beförderung in Zusammenhang stehen, wird zwar der Umstand, dass die Richtlinie 2020/1057, anders als der Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie, im Fall einer Dauer der Entsendung von drei Tagen oder weniger keine Ausnahme von der Anwendung der Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über den bezahlten Mindestjahresurlaub und die Entlohnung mehr vorsieht, in bestimmten Fällen zu höheren Kosten, insbesondere für die Einhaltung der Vorschriften, gegenüber dem System führen, das im Vorschlag der Kommission für eine Entsenderichtlinie vorgesehen war ( 595 ).

1046.

Die klagenden Mitgliedstaaten haben jedoch keine Anhaltspunkte – oder Argumente – vorgetragen, die in irgendeiner Weise belegen könnten, dass eine etwaige Erhöhung der Kosten für diese Art von Beförderungen die oben in Nr. 1044 angeführten Kostensenkungen, die sich aus der Anwendung der Richtlinie 2020/1057 auf die anderen Beförderungsarten ergeben, hätte ausgleichen oder kompensieren können, und die Gefahr bestanden hätte, dass die Nachteile, die sich aus der normativen Entscheidung des Unionsgesetzgebers ergeben, im Vergleich zu ihren Vorteilen unverhältnismäßig wären ( 596 ), so dass insoweit eine ergänzende Folgenabschätzung erforderlich gewesen wäre.

1047.

Darüber hinaus beziehen sich die Unionsorgane auf eine ganze Reihe öffentlich zugänglicher Dokumente und Informationen, wie z. B. von Eurostat veröffentlichte Daten pro Mitgliedstaat, die die Folgenabschätzung ergänzen und es ermöglichten, die Auswirkungen und Kosten zu schätzen, die sich aus der Anwendung der in der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Regelung ergeben, wie Schätzungen des Anteils der Waren, die Gegenstand bilateraler Beförderungen oder von Beförderungen im Dreiländerverkehr sind, oder anhand deren sich die Gehaltsunterschiede zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten schätzen lassen ( 597 ).

1048.

Was speziell das angebliche Fehlen einer Folgenabschätzung im Hinblick auf die Entsendevorschriften für die Beförderungen im kombinierten Verkehr in Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 betrifft, auf die sich die Klage Ungarns und auch Rumäniens sowie der Republik Polen bezieht, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die im Vorschlag der Kommission für eine Entsenderichtlinie enthaltene Regelung keine besonderen Regeln für den kombinierten Verkehr enthielt.

1049.

Aus den Akten geht jedoch hervor, dass die Kommission im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auf Fragen der Delegationen im Rat klargestellt hat, dass „die Zu- oder Ablaufstrecke auf der Straße, die integraler Bestandteil einer Beförderung im kombinierten Verkehr ist, als eine grenzüberschreitende Beförderung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 des Vorschlags [für eine Entsenderichtlinie] angesehen werden kann. Um jedoch eine ausreichende Rechtsklarheit zu gewährleisten, sollte weiter präzisiert werden, wie die Strecke auf der Straße im kombinierten Verkehr im Zusammenhang mit der lex specialis über die Entsendung im Straßenverkehrssektor zu behandeln ist“ ( 598 ).

1050.

Aus dieser Klarstellung der Kommission folgt zum einen, dass diese Fahrten unter die im Vorschlag für eine Entsenderichtlinie vorgesehenen Entsendevorschriften fielen. Zum anderen folgt daraus, dass nach dem System des Vorschlags für eine Entsenderichtlinie diese Zu- oder Ablaufstrecken auf der Straße im kombinierten Verkehr, die selbst aus bilateralen Beförderungen bestehen, daher wie alle anderen Beförderungen angesehen worden wären, die, wie sich aus den Nrn. 1024, 1025 und 1028 des vorliegenden Urteils ergibt, zu einer Entsendung geführt hätten, in deren Rahmen nur die Regelung des Aufnahmemitgliedstaats über den bezahlten Mindestjahresurlaub und die Entlohnung im Fall einer Entsendung einer Dauer von drei Tagen oder weniger pro Monat nicht anwendbar wäre.

1051.

Da Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 nunmehr das Vorliegen einer Entsendung vollständig ausschließt, wenn im kombinierten Verkehr die Zu- oder Ablaufstrecke auf der Straße zurücklegt wird, die selbst aus bilateralen Beförderungen besteht, und ebenso für die anderen (oben in Nr. 1028 angeführten) Arten von Beförderungen ausschließt, führt die Richtlinie 2020/1057 auch zu einer umfassenden Herabsetzung der Entsendungskosten gegenüber der Regelung, die im Vorschlag der Kommission für eine Entsenderichtlinie enthalten war. Da es für diese Beförderungen keine Entsendung mehr gibt, gibt es auch keine mit der Entsendung zusammenhängenden Kosten. Vor diesem Hintergrund kann nicht geltend gemacht werden, dass der Unionsgesetzgeber dadurch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe, dass er für diese Art von Beförderung keine spezifische ergänzende Folgenabschätzung durchgeführt habe.

1052.

Das Parlament und der Rat machen außerdem geltend, dass zahlreiche Informationen über den kombinierten Verkehr aus den Vorarbeiten zu den vorgeschlagenen Änderungen der Richtlinie 92/106/EWG vorgelegen hätten, darunter insbesondere die Folgenabschätzung zur Überarbeitung der Richtlinie 92/106/EWG ( 599 ) und andere einschlägige Dokumente ( 600 ).

1053.

Aus all diesen Erwägungen ergibt sich, dass das Parlament und der Rat dadurch, dass sie keine ergänzende Folgenabschätzung für die endgültige Fassung der Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 für die Entsendung von Kraftfahrern vorgenommen haben, nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen haben, da der Gesetzgeber über ausreichende Informationen verfügte, um sowohl die Änderungen der angefochtenen Richtlinie im Vergleich zur ursprünglichen Folgenabschätzung der Kommission als auch die wahrscheinlichen Auswirkungen der Maßnahmen zu beurteilen.

1054.

Daraus folgt, dass meines Erachtens auch die Klagegründe in Bezug auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit durch den Unionsgesetzgeber und folglich alle Klagegründe betreffend einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zurückzuweisen sind.

f)   Zum Verstoß gegen Art. 90 AEUV (in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV), Art. 91 Abs. 2 AEUV und Art. 94 AEUV

1) Vorbringen der Parteien

1055.

Die Republik Bulgarien, Rumänien, die Republik Zypern und die Republik Polen machen mehrere Klagegründe geltend, mit denen sie einen Verstoß gegen Art. 90 AEUV (in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV), Art. 91 Abs. 2 AEUV und Art. 94 AEUV geltend machen.

1056.

Die Republik Bulgarien und die Republik Zypern machen geltend, die angefochtene Richtlinie verstoße gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV, Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV und Art. 94 AEUV wegen der nachteiligen Auswirkungen dieser Richtlinie auf den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in Bulgarien und Zypern, und allgemein in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union sowie auf die wirtschaftliche Lage der Verkehrsunternehmer. Insbesondere würde die Anwendung der Entsendevorschriften die Beförderung im Dreiländerverkehr unpraktikabel machen. Es gebe auch negative Auswirkungen auf die Umwelt sowie eine Zunahme der Staubildung. In Bezug auf das hybride Modell sei jedoch keine Folgenabschätzung durchgeführt worden, und weder mit dem Europäischen Ausschuss der Regionen noch mit dem Wirtschafts- und Sozialausschuss sei hierzu eine Anhörung durchgeführt worden.

1057.

Rumänien äußert auch Zweifel an der Vereinbarkeit des Mobilitätspakets I mit Art. 94 AEUV und den in Art. 91 Abs. 2 AEUV festgelegten Zielen, da die Wettbewerbsfähigkeit der an der Peripherie der Union ansässigen Wirtschaftsteilnehmer durch diese Maßnahmen beeinträchtigt werde. Rumänien ist der Auffassung, dass es keinen echten sozialen Schutz geben könne, wenn diese Wirtschaftsteilnehmer vom Markt verdrängt würden. Der soziale Schutz müsse mit geeigneten Maßnahmen zur Unterstützung des freien Dienstleistungsverkehrs einhergehen.

1058.

Die Republik Polen macht erstens geltend, der Unionsgesetzgeber habe dadurch, dass er ein willkürliches Kriterium für die Anwendung der Entsendevorschriften auf die Beförderungen erlassen habe, gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV verstoßen, da er dem Umstand nicht Rechnung getragen habe, dass dieses Kriterium den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie den Betrieb der Verkehrseinrichtungen ernstlich beeinträchtigen könnte. Obwohl der Unionsgesetzgeber über ein weites Ermessen verfüge, bedeute dies nicht, dass sich die Pflicht zur Berücksichtigung bestimmter Auswirkungen darauf beschränke, davon Kenntnis zu nehmen. Nach ihrer Auslegung sei der Unionsgesetzgeber berechtigt, absolut jede Regelung zu erlassen, was im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs stehe. Insbesondere sei beim Erlass der angefochtenen Bestimmungen nicht berücksichtigt worden, dass sich die Zahl der Leerfahrten der Fahrzeuge erhöhe, die sonst an der Kabotagebeförderung und dem Dreiländerverkehr teilnähmen. Die wirtschaftliche Rechtfertigung für die Nutzung der Fahrzeuge im Dreiländerverkehr liege im Übrigen darin, dass die Verkehrsunternehmer unter Berücksichtigung der geografischen Perspektive die Entwicklung des Verkehrsbedarfs flexibel decken könnten, indem sie die Zahl der Leerfahrten minimierten und die ineffiziente Wartezeit bis zum erneuten Güterbeförderungsauftrag in den Niederlassungsstaat vermieden. Die Kabotagebeförderung weise im Bereich der Effizienz der Beförderungen ähnliche Eigenschaften auf.

1059.

Die Beschränkungen der Ausübung der Kabotage und des Dreiländerverkehrs, die durch diese von der Republik Polen angefochtenen Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 bewirkt würden, könnten den Rückzug der Verkehrsunternehmer vom Markt bedeuten, die nicht in der Lage seien, im Rahmen eines weniger leistungsfähige Beförderungen voraussetzenden Modells der Verkehrsdienstleistungen eine rentable Tätigkeit auszuüben. Diese Folgen würden für die Verkehrsunternehmer der an der Peripherie der Union gelegenen Mitgliedstaaten, deren Tätigkeit hauptsächlich auf der Kabotage und dem Dreiländerverkehr beruhe, besonders spürbar.

1060.

Die Folgenabschätzung beschränke sich auf eine oberflächliche Bewertung der Auswirkungen der angefochtenen Bestimmungen auf das Beschäftigungsniveau in bestimmten Regionen und betreffe jedenfalls die Anwendung eines zeitlichen Kriteriums für die Anwendung der Entsendevorschriften, das sich vom letztlich in der angefochtenen Richtlinie vorgesehenen Kriterium unterscheide und nicht dieselben Auswirkungen auf die Märkte der peripheren Staaten habe. Die Zunahme des Straßenverkehrs wirke sich auch negativ auf den Lebensstandard in den Gebieten in der Nähe der wichtigsten Verkehrsknoten aus. In diesem Zusammenhang sei es sinnvoll, insbesondere auf die Gefahr hinzuweisen, die die vorgenommenen Änderungen für die Straßenverkehrssicherheit mit sich brächten.

1061.

Zweitens macht die Republik Polen geltend, der Unionsgesetzgeber habe beim Erlass der angefochtenen Bestimmungen der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer nicht Rechnung getragen und damit gegen Art. 94 AEUV verstoßen. Im vorliegenden Fall habe die Folgenabschätzung entgegen dieser Bestimmung der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer aus den an der Peripherie der Union gelegenen Mitgliedstaaten mit einem geringeren wirtschaftlichen Entwicklungsniveau nicht Rechnung getragen, deren Tätigkeit sich im internationalen Straßenverkehrssektor in größerem Maße auf die Kabotage und den Dreiländerverkehr konzentriere. Die zusätzlichen Kosten, die den Verkehrsunternehmern aus den an der Peripherie gelegenen Mitgliedstaaten aus der Anwendung der Entsendevorschriften entstünden, versetzten diese Wirtschaftsteilnehmer in eine ungünstigere Lage als die der im geografischen Zentrum der Union ansässigen wettbewerbsfähigen Unternehmen.

1062.

Der Erlass der angefochtenen Bestimmungen während eines Zeitraums schwerwiegender wirtschaftlicher Störungen infolge der Covid‑19-Pandemie zeige, dass die wirtschaftliche Lage der Verkehrsunternehmer nicht berücksichtigt worden sei. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie seien besonders im Verkehrssektor spürbar gewesen, der nicht nur einem Rückgang der Nachfrage im internationalen Handel, sondern auch den Beschränkungen des Überschreitens der Binnengrenzen, die von den Mitgliedstaaten wieder eingeführt worden seien, besonders ausgesetzt gewesen sei. Diese Auswirkungen hätten bereits bei den Arbeiten zur Richtlinie 2020/1057 vorgelegen.

1063.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, alle diese Klagegründe zurückzuweisen.

2) Würdigung

1064.

Zur Tragweite von Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV verweise ich auf die oben in den Nrn. 281 bis 293 angestellten Erwägungen, aus denen sich ergibt, dass die beiden Bestimmungen ein bloßes „Berücksichtigungsgebot“ vorsehen und daher keinen absoluten Charakter haben.

1065.

Meines Erachtens ist das Vorbringen der Republik Bulgarien, der Republik Zypern, Rumäniens und der Republik Polen in diesen Klagegründen von den Erwägungen umfasst, die ich im Rahmen der Prüfung der Klagegründe eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, einschließlich der Erwägungen zum angeblichen Fehlen einer ergänzenden Folgenabschätzung sowie der Erwägungen im Rahmen der Behandlung der Klagegründe eines Verstoßes gegen die Unionsvorschriften im Bereich der Umwelt, angestellt habe.

1066.

Was schließlich das Vorbringen der Republik Polen zur Covid‑19-Pandemie betrifft, verweise ich auf die Ausführungen oben in Nr. 306.

1067.

Vor diesem Hintergrund bin ich der Ansicht, dass die Klagegründe eines Verstoßes gegen Art. 90 AEUV (in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV), Art. 91 Abs. 2 AEUV und Art. 94 AEUV zurückzuweisen sind.

g)   Zur Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes

1) Vorbringen der Parteien

1068.

Die Republik Litauen macht geltend, Art. 1 Abs. 3 und 7 der Richtlinie 2020/1057 verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wie er sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs und aus Art. 20 der Charta ergebe, da diese Bestimmungen für die Arbeitnehmer unterschiedliche Regeln und soziale Garantien einführten, die allein auf der Grundlage der Art der grenzüberschreitenden (bilateralen oder nicht bilateralen) Beförderung festgelegt würden, obwohl die Arbeit als solche gleichartig sei. Die Unterscheidung zwischen diesen Beförderungen führe zu unterschiedlichen Entgeltvorschriften für die bei ein und demselben Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer, die die gleiche Arbeit ausführten. So würden gleiche Sachverhalte ohne objektive Rechtfertigung unterschiedlich behandelt.

1069.

Nach Ansicht der Republik Litauen sind die Vorschriften über die Entsendung von Arbeitnehmern nicht anwendbar, wenn ein Fahrer Güter von Vilnius über Warschau und Berlin nach Paris transportiere. Ein anderer Fahrer (auf dem Weg zum selben Bestimmungsort, nämlich Paris, der jedoch unterschiedliche Beförderungen durchführe, zunächst Güter in Warschau liefere, danach Güter in Berlin liefere und dann seinen Weg bis Paris fortsetze) würde aber bereits für den Teil der Fahrt von Warschau nach Berlin und den von Berlin nach Paris als entsandter Arbeitnehmer angesehen.

1070.

Die Republik Litauen hält den Standpunkt des Rates und des Parlaments für irrational, wonach die bilateralen und „Cross-border“-Beförderungen nicht gleichartig seien und eine unterschiedliche Verbindung zwischen dem Arbeitnehmer zum einen und dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats, in dem die Beförderung durchgeführt werde, zum anderen aufwiesen. Die Kriterien, auf die sich Art. 1 Abs. 3 und 7 der Richtlinie 2020/1057 stütze, beruhten zwar auf den ersten Blick auf objektiven Rechtfertigungen, sie seien aber völlig künstlich konzipiert, da sie in keinem Zusammenhang mit der Realität der Beförderungen stünden, und seien daher nicht gerechtfertigt. In der Praxis würden die Fahrer die gleiche Arbeit verrichten, aber wesentlich unterschiedlich behandelt werden. Die vom Unionsgesetzgeber insbesondere in Art. 1 Abs. 3 und 7 der Richtlinie 2020/1057 herangezogenen Unterscheidungskriterien schüfen künstliche Bedingungen für die Fahrer, die unterschiedlichen Entgelten unterlägen, obwohl die Beförderungen, an denen sie teilnähmen, ihrer Art nach gleichartig seien. Dadurch werde der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt.

1071.

Die Republik Bulgarien und die Republik Zypern machen geltend, das hybride Modell, das sich aus der Richtlinie 2020/1057 ergebe, verstoße gegen Art. 18 AEUV, die Art. 20 und 21 der Charta, Art. 4 Abs. 2 EUV und, falls der Gerichtshof dies für einschlägig halten sollte, gegen Art. 95 Abs. 1 AEUV. Dieses Modell führe zu einer unterschiedlichen Behandlung gleichartiger Sachverhalte. Erstens unterscheide es die Fahrer, die grenzüberschreitende Beförderungen durchführten, danach, ob es sich um Dreiländerverkehr oder um bilaterale Beförderungen handele, und biete einen besseren sozialen Schutz je nach der Staatsangehörigkeit ihres Arbeitgebers und dem Ort, an dem die Beförderungen stattfänden, oder führe sogar zu einer Diskriminierung zwischen Fahrern, die bei ein und demselben Verkehrsunternehmer beschäftigt seien. Zweitens unterscheide das hybride Modell zwischen dem Dreiländerverkehr und den bilateralen Beförderungen und zwischen den Verkehrsunternehmern, die diese Tätigkeiten jeweils ausübten. Die Verkehrsunternehmer, die Beförderungen im Dreiländerverkehr durchführten, befänden sich im Vergleich zu Verkehrsunternehmern, die bilaterale Beförderungen durchführten, in einer ungünstigeren Lage, obwohl diese beiden Tätigkeiten zwei Komponenten der Tätigkeit der grenzüberschreitenden Beförderung und zwei äußerst mobile Tätigkeiten seien, so dass die Verbindung zum Aufnahmemitgliedstaat in beiden Fällen völlig vergleichbar sei. Drittens führe das hybride Modell dazu, dass bestimmte Mitgliedstaaten und daher die dort niedergelassenen Verkehrsunternehmer stärker negativ getroffen würden, da die Verkehrsunternehmer der EU‑13 fast ausschließlich den Dreiländerverkehr betrieben, während die Verkehrsunternehmer der EU‑15 hauptsächlich in der bilateralen Beförderung tätig seien. Die Folgenabschätzung habe bereits bestätigt, dass die Anwendung der Entsendevorschriften für die Mitgliedstaaten wie Bulgarien viel stärkere wirtschaftliche Auswirkungen habe. Ein solches Ergebnis werde im Fall des hybriden Modells verstärkt, da dieses Modell im Gegensatz zu dem in der Folgenabschätzung analysierten ohne zeitliche Grenze angewandt werde. Schließlich verstoße das hybride Modell dadurch, dass es die Verkehrsunternehmer je nach Land der Be- oder Entladung unterschiedlichen Lohn- und Verwaltungskosten unterwerfe, gegen Art. 95 Abs. 1 AEUV, da es die Verkehrsunternehmer dazu verleite, in denselben Verkehrsverbindungen für die gleichen Güter je nach ihrem Herkunfts- oder Bestimmungsland unterschiedliche Tarife anzuwenden.

1072.

Die Republik Bulgarien und die Republik Zypern machen ferner geltend, dass die Richtlinie 2020/1057 eine künstliche Unterscheidung zwischen den Beförderungen im Dreiländerverkehr ohne hinreichende Verbindung zum Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats und den bilateralen Beförderungen treffe. Sie weisen die Rechtfertigungsgründe zurück, die insbesondere das Parlament in seiner Klagebeantwortung vorgebracht habe, nachdem es eingeräumt habe, dass es zu einer unterschiedlichen Behandlung bestimmter vergleichbarer Fälle kommen könne, und halten daran fest, dass sich die unterschiedliche finanzielle Belastung der Verkehrsunternehmer unmittelbar aus dem unterschiedlichen Niederlassungsmitgliedstaat ergebe, was eindeutig eine verbotene Diskriminierung darstelle. Die ungleichen Auswirkungen des hybriden Modells würden auch dadurch veranschaulicht, dass die Verkehrsunternehmer, die hauptsächlich bilaterale Beförderungen durchführten, bestimmte Beförderungen im Dreiländerverkehr durchführen könnten, ohne sich an die Entsendevorschriften zu halten.

1073.

Rumänien macht einen Verstoß gegen Art. 18 AEUV durch Art. 1 Abs. 3 bis 6 der Richtlinie 2020/1057 geltend und bringt vor, dass in Anbetracht der Struktur des Verkehrsmarktes die an der Peripherie der Union ansässigen Wirtschaftsteilnehmer durch die administrativen und finanziellen Kosten, die sich aus den Verpflichtungen aufgrund der angeführten Bestimmungen ergäben, stärker betroffen seien und daher davon abgeschreckt würden, Beförderungen durchzuführen, die in Art. 1 Abs. 3 bis 6 der Richtlinie 2020/1057 geregelt seien. Ihre Wettbewerbsfähigkeit werde auf null reduziert. Diese Wirkungen seien im Übrigen in ihrer Gesamtheit zu betrachten, d. h. durch Kumulierung mit den Auswirkungen der anderen Maßnahmen des Mobilitätspakets, insbesondere in Bezug auf die Kabotage, die Rückkehr des Fahrzeugs alle acht Wochen, die Rückkehr des Fahrers alle vier Wochen und das Verbot, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit in der Kabine zu verbringen. Rumänien erinnert daran, dass es bereits in seinen Klagen gegen die Verordnungen 2020/1054 und 2020/1055 darauf hingewiesen habe, dass diese Maßnahmen Handelsbarrieren schüfen und insbesondere Verkehrsunternehmern mit Sitz an der Peripherie der Union und mittelbar den für diese Verkehrsunternehmer arbeitenden Arbeitskräften schaden würden. Die Situation der an der Peripherie der Union ansässigen Verkehrsunternehmer sei nicht mit der „besonderen Situation nur eines Mitgliedstaats“ im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs vergleichbar und der Unionsgesetzgeber hätte folglich die Situation dieser Verkehrsunternehmer bei der Annahme des Mobilitätspakets berücksichtigen müssen. Die Rechtsvorschriften der Union sollten den Unterschieden in der Geografie, dem Grad der Entwicklung der Volkswirtschaften, Märkte und Infrastrukturen Rechnung tragen und sich bemühen, die Unterschiede zu verringern und eine einheitlichere Verteilung der Vorteile und Kosten der Mitgliedschaft in der Union verfolgen.

1074.

Rumänien äußert auch Zweifel an der Vereinbarkeit des Mobilitätspakets I mit Art. 94 AEUV und den in Art. 91 Abs. 2 AEUV festgelegten Zielen, da die Wettbewerbsfähigkeit der an der Peripherie der Union ansässigen Wirtschaftsteilnehmer durch diese Maßnahmen beeinträchtigt werde. Rumänien ist der Auffassung, dass es keinen echten sozialen Schutz geben könne, wenn diese Wirtschaftsteilnehmer vom Markt verdrängt würden. Der soziale Schutz müsse mit geeigneten Maßnahmen zur Unterstützung des freien Dienstleistungsverkehrs einhergehen.

1075.

Was insbesondere Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 betreffe, habe der Rat eingeräumt, dass er die bilateralen Beförderungen erleichtere, nicht aber die Beförderungen im Dreiländerverkehr, d. h. solche, die von den osteuropäischen Unternehmen durchgeführt würden, da sie außerhalb des Gebiets lägen, in dem sich der internationale Güterkraftverkehr der Union konzentriere. Die unverhältnismäßigen Auswirkungen, die für die Verkehrsunternehmer nur eines Teils der Mitgliedstaaten entstünden, gingen weit über die bloße Wirkung hinaus, die der unterschiedlichen Behandlung von Gebietsansässigen und Gebietsfremden innewohne.

1076.

Ungarn macht geltend, Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. In Bezug auf den kombinierten Verkehr gebe es zwei Arten von Beförderungen: begleitete Beförderungen (der Fahrer begleite das Fahrzeug während der gesamten Beförderung) und unbegleitete Beförderungen (der Fahrer begleite das Fahrzeug nur auf dem Beförderungsabschnitt auf der Straße).

1077.

In Bezug auf die begleiteten Beförderungen macht Ungarn geltend, dass, da der Fahrer während der gesamten Beförderung und während der gesamten Dauer der Beförderung anwesend sei, die Beförderung im kombinierten Verkehr in jeder Hinsicht mit einer bilateralen Beförderung vergleichbar sei. Die Vergleichbarkeit dieser Situationen sollte nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz erfordern, dass die in Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehene Ausnahme die gesamte Beförderung, d. h. beide Straßenstrecken, abdeckt. Der Wechsel des Verkehrsmittels rechtfertige keine unterschiedliche Behandlung und sollte sich nicht auf die Anwendbarkeit der Entsendevorschriften auswirken. Der Umstand, dass der Unionsgesetzgeber nicht vorgesehen habe, die für die bilateralen Beförderungen von Gütern vorgesehene Ausnahme zugunsten der begleiteten Beförderungen im kombinierten Verkehr auszuweiten, stelle einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar. Der Unionsgesetzgeber habe die Beförderungen im kombinierten Verkehr künstlich in zwei Straßenstrecken (die Zulaufstrecke und die Ablaufstrecke) aufgespalten, von denen eine die Voraussetzung für die bilateralen Beförderungen nicht erfülle. Wenn die kombinierte Beförderung im Niederlassungsland beginne, sei die auf der Straße zurückgelegte Teilstrecke keine bilaterale Beförderung, und wenn es sich um eine Rückfahrt handele, sei die Zulaufstrecke keine solche. Außerdem habe der Unionsgesetzgeber keine Analyse der Auswirkungen von Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 durchgeführt.

1078.

Ungarn fügt hinzu, dass die Tragweite von Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 weiter sei als zur Erreichung des vom Rat angeführten Ziels unbedingt erforderlich, da dieser Artikel die Fahrer in den Anwendungsbereich der Entsenderichtlinie einbeziehe, die eine bilaterale Beförderung durchführten, indem sie die Fahrzeuge auf der nicht auf der Straße zurückgelegten Teilstrecke begleiteten. Art. 1 der Richtlinie 92/106 könne dahin ausgelegt werden, dass die beiden dort genannten Alternativen einander nicht notwendigerweise ausschlössen und dass der Begriff der kombinierten Beförderung den Fall einschließen könne, dass der Fahrer die Zu- und Ablaufstrecke auf der Straße durchführe. Sollte dies nicht der Fall sein, hätte der Gesetzgeber eine Ausnahme in der Richtlinie für solche Fälle vorsehen müssen, und Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 sei rechtswidrig, da er eine zu enge Tragweite habe, die gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße.

1079.

Der Rat und das Parlament sowie ihre Streithelfer beantragen, die Klagegründe eines Verstoßes gegen Gleichbehandlungsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot als unbegründet zurückzuweisen.

2) Würdigung

1080.

Die folgende Würdigung wird sich an den in den Nrn. 75 ff. der vorliegenden Schlussanträge angeführten Grundsätzen und den vom Gerichtshof anerkannten und in Nr. 80 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegebenen Grenzen der gerichtlichen Kontrolle orientieren.

i) Vorbemerkungen

1081.

Das Vorbringen Rumäniens zu Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV geht, da es zumindest teilweise auf die anderen Maßnahmen des Mobilitätspakets abzielt, ins Leere, da die Klage Rumäniens in der Rechtssache C‑542/20 auf Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 3 bis 6 der Richtlinie 2020/1057 gerichtet ist. Im Übrigen verweise ich auf den Teil der Analyse der Richtlinie 2020/1057, der der Prüfung von Art. 91 Abs. 2 AEUV und Art. 94 AEUV gewidmet ist ( 601 ).

1082.

In Bezug auf die von der Republik Bulgarien und der Republik Zypern erhobene Rüge eines Verstoßes gegen Art. 95 Abs. 1 AEUV weise ich bereits jetzt mit dem Rat darauf hin, dass diese Rüge keinen Erfolg haben kann, da dieser Artikel Diskriminierungen verbietet, die darin bestehen, dass ein Verkehrsunternehmer in denselben Verkehrsverbindungen für die gleichen Güter je nach ihrem Herkunfts- oder Bestimmungsland unterschiedliche Frachten und Beförderungsbedingungen anwendet, wobei weder die Republik Bulgarien noch die Republik Zypern einen Nachweis erbracht haben, dass die Umsetzung der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen eine solche Wirkung hätte, und dass jedenfalls Art. 95 Abs. 1 AEUV die dem Parlament und dem Rat durch Art. 95 Abs. 2 AEUV zuerkannte Möglichkeit unberührt lässt, auf der Grundlage von Art. 91 Abs. 1 AEUV, der – wie gesagt – gerade die Rechtsgrundlage der Richtlinie 2020/1057 darstellt, Maßnahmen zu erlassen, die von diesem spezifischen Diskriminierungsverbot abweichen.

ii) Zum angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von bilateralen Beförderungen und Beförderungen im Dreiländerverkehr (Republik Litauen, Republik Bulgarien, Rumänien und Republik Zypern ( 602 ))

1083.

Was den Vorwurf eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von bilateralen Beförderungen und Beförderungen im Dreiländerverkehr betrifft, insbesondere den Klagegrund der Republik Litauen ( 603 ), der Republik Bulgarien und der Republik Zypern, ist mit dem Rat darauf hinzuweisen, dass die Entsendevorschriften das allgemeine Ziel haben, die Dienstleistungsfreiheit zu erleichtern, indem sie in koordinierter Weise die nationalen Rechtsvorschriften über die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen festlegen, die für einen Arbeitnehmer in einer grenzüberschreitenden Situation gelten sollen. Das spezifische Ziel der Richtlinie 2020/1057 besteht darin, besondere Vorschriften festzulegen, um den Besonderheiten des Verkehrssektors Rechnung zu tragen. Das vom Unionsgesetzgeber gewählte Kriterium ist die Art der Beförderung.

1084.

Das Vorbringen, die Anwendung unterschiedlicher Regeln auf Situationen, in denen die Art der Arbeit dieselbe sei, stelle einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot dar, wie es die Republik Litauen ausgeführt hat, berücksichtigt nicht die Realität einer Entsendung, die definitionsgemäß zur Ausübung der gleichen Arbeit, aber im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats führt. Es liegt auf der Hand, dass sich das, was der Fahrer bei einer bilateralen Beförderung tut, an sich nicht wirklich von dem unterscheidet, was er im Rahmen einer Beförderung im Dreiländerverkehr tut. Somit kann, wie der Rat geltend gemacht hat, das für die Entscheidung über die Vergleichbarkeit der Situationen nützliche Kriterium natürlich nicht allein das der Art der Arbeit sein, da sonst die objektiven inhärenten Unterschiede zwischen den verschiedenen Arten von Beförderungen durch eine übermäßige Verallgemeinerung beseitigt würden.

1085.

Die unterschiedliche Behandlung von bilateralen Beförderungen und Beförderungen im Dreiländerverkehr beruht somit darauf, dass im letzteren Fall der Arbeitnehmer Beförderungen von einem Mitgliedstaat in einen anderen durchführt und keiner dieser Staaten der Niederlassungsmitgliedstaat ist. Im Hinblick auf das Kriterium der Verbindung zwischen dem Niederlassungsmitgliedstaat und den Dienstleistungen ( 604 ) erscheinen diese beiden Situationen daher nicht vergleichbar. Ein solcher Unterschied ist vom Gerichtshof bereits im Kontext der Richtlinie 96/71 bestätigt worden ( 605 ). Die Prämisse, auf die sich die Republik Bulgarien und die Republik Zypern gestützt haben, ist daher grundlegend falsch, da das vom Unionsgesetzgeber in Ausübung seines weiten Ermessens gewählte Kriterium auf einem Vergleich zwischen der Verbindung der Art der erbrachten Dienstleistungen mit dem Aufnahmemitgliedstaat und der Verbindung mit dem Niederlassungsmitgliedstaat beruht, und da die bilateralen Beförderungen und die Beförderungen im Dreiländerverkehr im Hinblick auf das vom Unionsgesetzgeber verfolgte und in den Nrn. 952 ff. der vorliegenden Schlussanträge angeführte Ziel nicht vergleichbar sind.

1086.

Daraus folgt natürlich, dass sich die Fahrer selbst entgegen dem Vorbringen der Republik Bulgarien und der Republik Zypern nicht in einer vergleichbaren Situation befinden, je nachdem, ob sie mit einer bilateralen Beförderung oder einer Beförderung im Dreiländerverkehr befasst sind. Die Republik Bulgarien und die Republik Zypern können auch nicht geltend machen, dass die Situation von Verkehrsunternehmern, die Beförderungen im Dreiländerverkehr durchführen, ungünstiger sei als die von Verkehrsunternehmern, die in der bilateralen Beförderung tätig seien, obwohl es sich um zwei Unterkategorien der grenzüberschreitenden Beförderung handele, da die Vergleichbarkeit der Situationen, wie ich soeben ausgeführt habe, unter Berücksichtigung des mit der Richtlinie 2020/1057 verfolgten Ziels unter dem Gesichtspunkt der Art der Beförderung nach Maßgabe der sich daraus ergebenden Verbindung zum Niederlassungsmitgliedstaat zu betrachten ist.

1087.

Zu dem auf eine Verletzung der Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten gestützten Vorbringen ist festzustellen, dass die Mitgliedstaaten völlig gleich behandelt werden.

1088.

Insoweit weise ich mit dem Parlament zunächst darauf hin, dass die angefochtene Richtlinie keine förmliche Unterscheidung zwischen den Mitgliedstaaten und den Wirtschaftsteilnehmern aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit trifft.

1089.

Rumänien macht jedoch geltend, da sich das Zentrum dieses Marktes im Westen der Union befinde, sei der Anteil der Beförderungen im Dreiländerverkehr an der Tätigkeit der Unternehmen an der Peripherie der Union zwangsläufig viel größer. Diese Beförderungen seien aber aufgrund der Regelung, die sich aus der Richtlinie 2020/1057 in Bezug auf die Entsendung von Arbeitnehmern ergebe, für diese Wirtschaftsteilnehmer kostspieliger. Die Republik Bulgarien und die Republik Zypern machen ein ähnliches Vorbringen geltend.

1090.

Erstens erscheint es mir im Licht der Ausführungen des Rates ( 606 ) nach wie vor schwierig, genau zu bestimmen, was im Zentrum der Union ist und was deren Peripherie bildet. ( 607 ). Um die Vergleichbarkeit der Situationen festzustellen, muss jedoch ein genaues Kriterium festgelegt werden.

1091.

Zweitens bestand das Ziel des Gesetzgebers zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie 2020/1057, worauf der Rat und das Parlament hingewiesen haben, darin, die Regelungen zu koordinieren, die geeignet sind, den freien Dienstleistungsverkehr zu behindern. Das Gesetzgebungsvorhaben wurde von der ständigen Sorge geleitet, ein Gleichgewicht zwischen der Verbesserung des Sozialschutzes und der Arbeitsbedingungen für Kraftfahrer und der Erleichterung der Dienstleistungsfreiheit auf der Grundlage eines fairen Wettbewerbs zu schaffen. Damit zielt die Richtlinie auf die Verwirklichung der Dienstleistungsfreiheit im Rahmen eines Wettbewerbs ab, der nicht zu übermäßigen Unterschieden bei den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen führt. Ziel ist ein wirklich integrierter und wettbewerbsorientierter Binnenmarkt, der auch das Instrument einer echten sozialen Konvergenz sein soll. Es erscheint mir wichtig, darauf hinzuweisen, wie es das Parlament getan hat, dass die Beseitigung des Wettbewerbs im Hinblick auf die Kosten nicht das Ziel der Richtlinie 2020/1057 ist. Die Richtlinie 2020/1057 schafft auch keine Wettbewerbsverzerrung ( 608 ). Im Übrigen erfordert die Suche nach dem oben angeführten Gleichgewicht, nicht die besondere Situation eines einzelnen Mitgliedstaats, sondern die Situation aller Mitgliedstaaten der Union zu berücksichtigen ( 609 ).

1092.

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass, wie ich in den vorliegenden Schlussanträgen schon mehrfach ausgeführt habe, der Gerichtshof bereits anerkannt hat, dass der Unionsgesetzgeber berechtigt ist, einen Rechtsakt anzupassen, um einen Ausgleich der betroffenen Interessen vorzunehmen, um den sozialen Schutz der Fahrer durch eine Änderung der Bedingungen, unter denen die Dienstleistungsfreiheit ausgeübt wird, zu erhöhen. Eine Harmonisierungsmaßnahme der Union hat außerdem zwangsläufig unterschiedliche Auswirkungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten ( 610 ). Der Gesetzgeber kann nicht verpflichtet sein, die Kostenunterschiede zwischen den Wirtschaftsteilnehmern auszugleichen, die sich aus ihrer Wahl des Geschäftsmodells und den unterschiedlichen Bedingungen ergeben, unter denen sie aufgrund dieser Wahl stehen ( 611 ). Die Entscheidung, sich weit vom angeblichen Kern des Marktes niederzulassen oder angesiedelt zu bleiben, um in den Genuss geringerer Kosten, einschließlich sozialer Kosten, zu kommen und Fahrer, manchmal für lange Zeit, in die Mitgliedstaaten zu entsenden, in denen die Kosten hoch sind, ist eine unternehmerische Entscheidung, die ebenso wenig wie im Übrigen jede andere unternehmerische Entscheidung beanspruchen kann, vom Unionsgesetzgeber begünstigt zu werden.

1093.

Insbesondere hat der Gerichtshof insoweit bereits anerkannt, dass der Unionsgesetzgeber unter Berücksichtigung der wesentlichen Veränderung des Binnenmarktes, vor allem durch die schrittweisen Erweiterungen der Union, berechtigt ist, einen Rechtsakt anzupassen, um einen Ausgleich der betroffenen Interessen vorzunehmen, um den sozialen Schutz der Fahrer durch eine Änderung der Bedingungen, unter denen die Dienstleistungsfreiheit ausgeübt wird, zu erhöhen. Wenn nämlich ein Gesetzgebungsakt die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in einem bestimmten Bereich des Handelns der Union bereits koordiniert hat, kann der Unionsgesetzgeber im Hinblick auf seine Aufgabe, über den Schutz der im AEU-Vertrag anerkannten allgemeinen Interessen zu wachen, nicht daran gehindert sein, diesen Rechtsakt den veränderten Umständen anzupassen und die übergreifenden Ziele der Union in Art. 9 AEUV zu berücksichtigen, zu denen u. a. die Erfordernisse im Zusammenhang mit der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus und der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes gehören ( 612 ).

1094.

Die sozialen Folgen der Umsetzung der Richtlinie 2020/1057 werden von Rumänien nicht belegt, sollten aber in jedem Fall gegen die sozialen Fortschritte abgewogen werden, die mit der Richtlinie 2020/1057 für die Fahrer erzielt werden. Darüber hinaus erscheint es selbstverständlich unvermeidlich, dass die in der Richtlinie 2020/1057 festgelegten Vorschriften häufiger die Unternehmen treffen werden, die öfter Arbeitnehmer entsenden. Diese unterschiedlichen Auswirkungen erscheinen unvermeidlich, ohne dass die gleiche Anwendung dieser Vorschriften in Frage gestellt werden könnte ( 613 ).

1095.

Schließlich stelle ich mit dem Parlament fest, dass das Beispiel, das die Republik Litauen herangezogen hat, um eine unterschiedliche Behandlung zu veranschaulichen, die sich aus der Anwendung der Vorschriften der Richtlinie 2020/1057 auf gleichartige Beförderungen ( 614 ) ergäbe, nicht überzeugen kann. Nach meinem Verständnis könnte der erste Teil der Annahme unter eine in Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 2020/1057 geregelte Situation des Transits fallen, die von der Klage der Republik Litauen nicht erfasst wird. Außerdem stellen die von der Republik Litauen geltend gemachten Unterschiede in der Entlohnung aus den vom Rat dargelegten Gründen, auf die ich verweise ( 615 ), keinen Beweis für das Vorliegen einer Diskriminierung dar.

iii) Zum angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Beförderungen im kombinierten Verkehr und bilateralen Beförderungen (Ungarn)

1096.

In Bezug auf Beförderungen im kombinierten Verkehr geht aus Art. 1 Nr. 6 der Richtlinie 2020/1057 hervor, dass ungeachtet des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 ein Kraftfahrer nicht als entsandt im Sinne der Richtlinie 96/71 gilt, wenn der Kraftfahrer im kombinierten Verkehr im Sinne der Richtlinie 92/106 „die Zu- oder Ablaufstrecke auf der Straße“ zurücklegt, sofern die auf der Straße zurückgelegte Teilstrecke selbst aus bilateralen Beförderungen im Sinne von Abs. 3 dieses Art. 1 besteht.

1097.

Ungarn macht im Wesentlichen geltend, dass Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße, da bestimmte Beförderungen im kombinierten Verkehr mit bilateralen Beförderungen vergleichbar seien und hinsichtlich der Anwendung der Entsendevorschriften gleichwohl einer anderen rechtlichen Regelung unterlägen, und daher ohne objektive Rechtfertigung unterschiedlich behandelt würden.

1098.

Die von Ungarn erhobenen Rügen, mit denen zum einen das Fehlen einer Folgenabschätzung und zum anderen eine größere Tragweite von Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057, als es das verfolgte Ziel verlange, geltend gemacht werden, beziehen sich offensichtlich nicht auf die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und werden daher hier nicht geprüft.

1099.

Ungarn konzentriert sein Vorbringen im Wesentlichen darauf, dass die begleitete Beförderung im kombinierten Verkehr einer bilateralen Beförderung gleichzustellen sei, so dass die in Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehene Ausnahme tatsächlich für die gesamte Beförderung, d. h. für beide Straßenstrecken, gelten müsse. Ungarn geht somit von der Annahme aus, dass die Situation des Fahrers in diesen beiden Fällen vergleichbar sei, was nunmehr zu überprüfen ist.

1100.

Aus meiner Analyse der Verhältnismäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 ergibt sich, dass das Kriterium, das auf die Art der Beförderungen bei der Anwendung der Vorschriften über die Entsendung von Kraftfahrern im grenzüberschreitenden Verkehr gestützt ist, angemessen ist und dass jede der verschiedenen Arten von Beförderung eine unterschiedliche Verbindung zum Hoheitsgebiet des Niederlassungsmitgliedstaats oder dem des Aufnahmemitgliedstaats aufweist. Nichts anderes gilt meines Erachtens für den Fall des kombinierten Verkehrs. Es erscheint mir auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Beförderungen, die unter die Richtlinie 2020/1057 fallen, zu einem Grenzübertritt führen.

1101.

Nehmen wir den Fall eines kombinierten Verkehrs mit Abfahrt im Staat A. Der erste Teilabschnitt verläuft auf der Straße bis zu einem Bahnhof dieses Staates A. Der Lastkraftwagen ist beladen und der Fahrer begleitet ihn. Er wird im Staat B entladen, wo der Fahrer seine Fahrt bis zum Bestimmungsort im Staat B wiederaufnimmt. Der erste Teilabschnitt auf der Straße ist keine bilaterale Beförderung, ebenso wenig wie der Teilabschnitt am Ende. Wenn man nur vom Abfahrts- und Ankunftsort der Beförderung ausgeht (Beförderung von Waren vom Staat A in den Staat B), scheint die Beförderung insgesamt mit einer bilateralen Beförderung vergleichbar zu sein. Da es sich jedoch um eine grundsätzlich grenzüberschreitende Dienstleistung handelt, erscheint die Situation unter dem Gesichtspunkt der Dienstleistung nicht mehr vergleichbar.

1102.

Bei einer monomodalen bilateralen Beförderung erbringt der Fahrer nämlich die gesamte Leistung, auch in ihrer Dimension als grenzüberschreitender Verkehr. Übernimmt man die Arbeitshypothese, die ich soeben dargelegt habe, so ist die vom Fahrer und vom Lenker aufgewendete Zeit nicht notwendigerweise eine dem Verkehrsunternehmer gutzuschreibende Zeit: der Lastkraftwagen und der Fahrer sind „passiv“, die Beförderungsleistung wird (im Allgemeinen) von einem anderen Anbieter der modalen Beförderungskette (Eisenbahnbeförderungsunternehmen, Seefrachtführer usw.) erbracht. Im Übrigen ist die Zeit selbst nicht das vom Gesetzgeber in der Richtlinie 2020/1057 gewählte Kriterium. Daher scheint mir die Situation eines Fahrers, der eine Beförderung im kombinierten Verkehr insgesamt durchführt, nicht mit der eines Fahrers vergleichbar zu sein, der eine bilaterale Beförderung durchführt. Ich kann mich daher der Behauptung Ungarns nicht anschließen, dass es sich bei den begleiteten Beförderungen im kombinierten Verkehr um eine Beförderung „in einem Stück“ handele. Entgegen dem Vorbringen Ungarns ergibt sich die unterschiedliche Behandlung nicht aus dem Wechsel des Verkehrsmittels, sondern aus den objektiven Unterschieden zwischen den Beförderungsarten in Bezug auf die Modalitäten der Dienstleistung selbst. Ich neige daher mit dem Parlament zu der Auffassung, dass sich die Entscheidung des Gesetzgebers durch die Notwendigkeit erklärt, die Besonderheiten einer Beförderung dieser Art sowie die besondere Natur des Problems, mit dem er sich mit dem Erlass der Richtlinie 2020/1057 befasst hat, zu berücksichtigen.

1103.

Angesichts des äußerst unterschiedlichen Charakters der Beförderungen im kombinierten Verkehr erscheint es mir kaum vermeidbar, dass die Anwendung von Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 nur im Wesentlichen von Fall zu Fall anhand der dort genannten Kriterien erfolgen kann. Im Übrigen ergibt sich aus der in Nr. 80 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung, dass, auch was den Gleichbehandlungsgrundsatz betrifft, der Unionsrichter die Beurteilung des Unionsgesetzgebers nicht durch seine eigene ersetzen darf.

1104.

Schließlich weise ich mit dem Parlament darauf hin, dass Ungarn nicht bestreitet, dass es legitim ist, die Beförderungen im kombinierten Verkehr in Zu- oder Ablaufstrecken auf der Straße aufzuspalten, wenn die Beförderung im kombinierten Verkehr nicht begleitet wird. Diese Unterscheidung zwischen Zu- oder Ablaufstrecken auf der Straße wurde vom Unionsgesetzgeber beim Erlass der Richtlinie 2020/1057 nicht ex nihilo geschaffen, sondern sie übernimmt den Wortlaut der Definition (die Ungarn im gegen die Richtlinie 2020/1057 gerichteten Teil seiner Klage nicht in Frage stellen kann), der in Art. 1 der Richtlinie 92/106 enthalten ist und auf den Art. 1 Abs. 6 daher ausdrücklich Bezug nimmt.

1105.

Der Klagegrund der Republik Ungarn kann daher keinen Erfolg haben.

iv) Ergebnis

1106.

Sämtliche Klagegründe eines Verstoßes gegen die Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot durch Art. 1 Abs. 1, 3, 4, 5, 6 und 7 der Richtlinie 2020/1057 sind zurückzuweisen.

h)   Zum Verstoß gegen den freien Warenverkehr und die Dienstleistungsfreiheit

1) Vorbringen der Parteien

1107.

Was erstens den freien Warenverkehr betrifft, machen die Republik Bulgarien und die Republik Zypern in gleicher Weise geltend, dass die Anwendung des hybriden Modells schwerwiegende wirtschaftliche Folgen hätte, die den freien Warenverkehr beeinträchtigten. Ein solches Modell stelle eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen dar, die nach den Art. 34 und 35 AEUV verboten seien und nicht auf der Grundlage von Art. 36 AEUV gerechtfertigt werden könnten. Die Kommission habe anerkannt, dass die Anwendung der nationalen Rechtsvorschriften auf alle grenzüberschreitenden Beförderungen, die eine Be- und/oder Entladung im Inland umfassten, ohne Rücksicht auf die hinreichende Verbindung zum betreffenden Mitgliedstaat, eine unverhältnismäßige Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs und des freien Warenverkehrs darstelle und nicht gerechtfertigt sei, da sie zu einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand führe, der das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts behindere ( 616 ).

1108.

Was zweitens den freien Dienstleistungsverkehr und die gemeinsame Verkehrspolitik betrifft, machen die Republik Bulgarien und die Republik Zypern geltend, das hybride Modell beschränke den freien Verkehr der Verkehrsdienstleistungen unter Verstoß gegen Art. 58 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 91 AEUV. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebe sich, dass die Anwendung des Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit durch die Verwirklichung der gemeinsamen Verkehrspolitik erreicht werden müsse. Das hybride Modell führe wieder eine Form der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit des Dienstleistungserbringers oder des Ortes seiner Niederlassung ein und stelle einen Rückschritt bei der Einführung einer gemeinsamen Verkehrspolitik dar, die den freien Dienstleistungsverkehr gewährleiste. Da sich aus der Rechtsprechung auch ergebe, dass der Unionsgesetzgeber in diesem Bereich nicht über das Ermessen verfüge, auf das er sich in anderen Bereichen der gemeinsamen Verkehrspolitik berufen könne, hätten das Parlament und der Rat gegen ihre Verpflichtung verstoßen, die Anwendung der Grundsätze des freien Dienstleistungsverkehrs durch die gemeinsame Verkehrspolitik sicherzustellen.

1109.

Für den Fall, dass der Gerichtshof dies für relevant halten sollte, machen die Republik Bulgarien und die Republik Zypern geltend, dass aus denselben Gründen gegen Art. 56 AEUV verstoßen worden sei. Schließlich weisen sie darauf hin, dass sie den Gedanken zurückwiesen, wonach die Richtlinie 2020/1057 Ausnahmen von der strengeren rechtlichen Regelung der Richtlinie 96/71 einführe.

1110.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, diese Klagegründe zurückzuweisen.

2) Würdigung

1111.

Zum ersten Teil dieses Klagegrundes tragen die Republik Bulgarien und die Republik Zypern vor, dass das „hybride Modell“ eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen sei, die nach den Art. 34 und 35 AEUV verboten seien, und nicht auf der Grundlage von Art. 36 AEUV gerechtfertigt werden könne.

1112.

Diese Klägerinnen haben meines Erachtens nicht hinreichend dargetan, dass sich die Umsetzung des hybriden Modells auf Unionsebene insgesamt so auswirken würde, und sie haben sich mit allgemeinen und nicht untermauerten Behauptungen begnügt. Ein solcher Nachweis ist umso schwieriger, als die behaupteten beschränkenden Wirkungen des freien Warenverkehrs durch die Anwendung der Entsendevorschriften auf Beförderungen im internationalen Straßengüterverkehr unter den in der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Voraussetzungen eindeutig zu ungewiss und zu mittelbar erscheinen, als dass das „hybride Modell“ als geeignet angesehen werden könnte, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu behindern, und somit als Beschränkung im Sinne der Art. 34 und 35 AEUV angesehen werden könnte ( 617 ).

1113.

Das Zitat aus der Pressemitteilung der Kommission vom 27. April 2017 ( 618 ) hat es den Klägerinnen nicht ermöglicht, ihren Standpunkt zu konsolidieren. Zum einen äußerte sich die Kommission nämlich nicht zur Richtlinie 2020/1057, sondern zum Fall der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften auf grenzüberschreitende Beförderungen unter Bedingungen, die der betreffende Mitgliedstaat einseitig beschlossen hat. Zum anderen bedauerte die Kommission damals zwar, dass der Umstand, der die Anwendung der nationalen Rechtsvorschriften auslöse, allein die Tatsache sei, dass die betreffende grenzüberschreitende Beförderung eine Entladung oder Beladung im Inland umfasse, doch ist festzustellen, dass dies gerade nicht das Kriterium ist, das der Unionsgesetzgeber in der Richtlinie 2020/1057 herangezogen hat, um zu bestimmen, ob eine Entsendung vorliegt oder nicht. Im Übrigen hat die Kommission in dieser Pressemitteilung erklärt, dass es nicht gerechtfertigt sei, die nationalen Rechtsvorschriften auf grenzüberschreitende Beförderungen anzuwenden, die keinen hinreichenden Bezug zu dem betreffenden Mitgliedstaat aufwiesen.

1114.

Der erste Teil des vorliegenden Klagegrundes ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

1115.

Was den zweiten Teil des vorliegenden Klagegrundes betrifft, habe ich bereits auf den besonderen Charakter und die besondere Stellung des Verkehrssektors in den Verträgen hingewiesen ( 619 ), einem Sektor, der einer besonderen rechtlichen Regelung im Rahmen des Binnenmarkts unterworfen ist. Ich erinnere insbesondere daran, dass sich der Sonderstatus des Verkehrs im Rahmen der Regelung des Binnenmarkts dadurch unterscheidet, dass ein Niederlassungsrecht in jedem Mitgliedstaat, das auf dem Vertrag beruht, mit einem Recht der Verkehrsunternehmer auf freie Erbringung von Verkehrsdienstleistungen kombiniert wird, das nur insoweit garantiert wird, als dieses Recht durch vom Unionsgesetzgeber im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik erlassene Maßnahmen des abgeleiteten Rechts anerkannt wurde.

1116.

Was den behaupteten Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit angeht, weise ich zunächst darauf hin, dass weder die Republik Bulgarien noch die Republik Zypern ihre Behauptung, dass das „hybride Modell“ den freien Verkehr der Verkehrsdienstleistungen beschränke, in irgendeiner Weise untermauert haben.

1117.

Sollte der Gerichtshof dennoch diesen Teil des vorliegenden Klagegrundes prüfen, weise ich darauf hin, dass nach Art. 58 Abs. 1 und Art. 91 AEUV der freie Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs vom Unionsgesetzgeber durchgeführt wird.

1118.

Wie ich bereits ausgeführt habe, ist der Unionsgesetzgeber durchaus berechtigt, durch die Anpassung eines Gesetzgebungsakts zur Verbesserung des sozialen Schutzes der betroffenen Arbeitnehmer die Bedingungen zu ändern, unter denen die Dienstleistungsfreiheit im Bereich des Straßenverkehrs ausgeübt wird, da der Grad der Liberalisierung nach Art. 58 Abs. 1 AEUV nicht unmittelbar durch Art. 56 AEUV, sondern vom Unionsgesetzgeber selbst im Rahmen der Durchführung der gemeinsamen Verkehrspolitik bestimmt wird.

1119.

Unter diesen Umständen ist der zweite Teil des vorliegenden Klagegrundes jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen.

i)   Zum Verstoß gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta

1) Vorbringen der Parteien

1120.

Nach Ansicht der Republik Polen verstoßen die Bestimmungen in Art. 1 Abs. 3, 4, 6 und 7 der Richtlinie 2020/1057 gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta, da die Erfordernisse des Umweltschutzes nicht hinreichend berücksichtigt worden seien.

1121.

Aus diesen beiden Bestimmungen ergebe sich, dass die Unionsorgane verpflichtet seien, keine Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet seien, die Verwirklichung der Ziele des Umweltschutzes zu gefährden, und zwar über die bloßen Maßnahmen hinaus, die an die Art. 191 und 192 AEUV anknüpften. Der Grundsatz der Einbeziehung der Umwelterfordernisse in die anderen Politikbereiche der Union, der sich aus diesen Bestimmungen ergebe, ermögliche es, die Ziele und Erfordernisse des Umweltschutzes mit den anderen Interessen und Zielen der Union sowie mit der Verfolgung einer nachhaltigen Entwicklung in Einklang zu bringen. Ein solcher Grundsatz stelle an sich einen Grund für die Nichtigerklärung eines Unionsrechtsakts dar, wenn die Umweltinteressen offensichtlich nicht berücksichtigt worden oder völlig außer Acht gelassen worden seien, wie sich aus der Auslegung von Art. 6 EG durch Generalanwalt Geelhoed ergebe ( 620 ).

1122.

Angesichts des Querschnittcharakters von Art. 11 AEUV sei bei der Prüfung, ob eine bestimmte Maßnahme einen ausreichenden Beitrag zum Umweltschutz leiste, diese Maßnahme nicht isoliert von den anderen Maßnahmen der Union zu betrachten, die zu diesem Zweck in Bezug auf die betreffende Tätigkeit erlassen worden seien, sondern die Gesamtheit der von der Union in diesem Bereich erlassenen Maßnahmen bilde den geeigneten Rahmen für eine solche Beurteilung. Die gerichtliche Kontrolle, ob das Handeln des Unionsgesetzgebers mit diesem Grundsatz der Einbeziehung vereinbar sei, müsse der Kontrolle entsprechen, die das Gericht vorgenommen habe, als es zu prüfen gehabt habe, ob das Handeln der Kommission im Einklang mit dem Grundsatz der Energiesolidarität gestanden habe ( 621 ). Unter diesen Umständen sei es Sache des Gesetzgebers gewesen, vor dem Erlass der angefochtenen Maßnahmen die Umwelterfordernisse zu berücksichtigen, was u. a. eine Prüfung der Auswirkungen der geplanten Vorschriften auf die Umwelt und die Feststellung impliziere, dass diese nicht die Verwirklichung der Ziele beeinträchtigten, die in den anderen im Umweltbereich erlassenen Rechtsakten des abgeleiteten Rechts festgelegt seien.

1123.

Das Parlament und der Rat seien verpflichtet gewesen, die widerstreitenden Interessen gegeneinander abzuwägen und gegebenenfalls geeignete Änderungen vorzunehmen. Eine Auslegung von Art. 11 AEUV dahin, dass er nur Rechtsbereiche und keine besonderen Maßnahmen beträfe, würde dessen Bedeutung erheblich relativieren. Den Erfordernissen des Umweltschutzes sollte auch bei der Bestimmung der verschiedenen Maßnahmen, die in den betreffenden Bereich des Unionsrechts fallen, Rechnung getragen werden. Das Argument, dass die anderen Rechtsakte des abgeleiteten Rechts im Bereich der Bekämpfung der Luftverschmutzung nicht berücksichtigt werden könnten, sei zurückzuweisen, weil andernfalls erneut die Wirksamkeit von Art. 11 AEUV in Frage gestellt würde, da die Organe dann einen Rechtsakt erlassen könnten, der die Verwirklichung von Zielen, die in den im Umweltbereich erlassenen Rechtsakten festgelegt seien, erschweren oder behindern könne, obwohl die Klimakrise die wichtigste Herausforderung der Umweltpolitik der Union sei und die Organe bestrebt sein müssten, die Verwirklichung der von der Union angenommenen Klimaziele konsequent zu verfolgen. Es sei allgemein bekannt, dass die Luftverschmutzung durch die Emissionen des Verkehrs zu zahlreichen gesundheitlichen Problemen führe, zu denen hauptsächlich der Straßenverkehr beitrage. Durch die Anwendung der Vorschriften über die Entsendung von Kraftfahrern, die Kabotagebeförderungen und Beförderungen zwischen Drittländern durchführten, führt die Anwendung der Richtlinie 2020/1057 nach Ansicht der Republik Polen zu zusätzlichen Fahrten, insbesondere Leerfahrten und damit zu einer Erhöhung der CO2-Emissionen und der Luftschadstoffe, während die Organe im Gegenteil verpflichtet seien, keine Maßnahmen zu ergreifen, die die Wirksamkeit der bereits erlassenen Vorschriften zur Verringerung der Schadstoff- und CO2-Emissionen und die Verwirklichung der Umweltziele der Union in Frage stellen könnten, die sich insbesondere aus dem europäischen Grünen Deal, dem Ziel einer klimaneutralen Union bis 2050 durch eine Verringerung der Gesamtemissionen des Verkehrs bis 2050 um 90 % gegenüber dem Niveau von 1990 und den Zielen der einschlägigen Unionsvorschriften für die Mitgliedstaaten ergäben.

1124.

Im Übrigen seien die Auswirkungen der Richtlinie 2020/1057 auf die Umwelt auch im Licht der Tatsache zu beurteilen, dass sie zu den Auswirkungen hinzukämen, die auf die anderen Rechtsakte des Mobilitätspakets, nämlich die Verordnungen 2020/1054 und 2020/1055, zurückzuführen seien. Die negativen Auswirkungen der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge auf die Umwelt seien durch verschiedene Analysen belegt.

1125.

Der potenzielle Konflikt zwischen den angefochtenen Maßnahmen und den Klimazielen der Union habe im Übrigen die von Kommissarin Vălean geäußerten Befürchtungen verstärkt, dass das Mobilitätspaket, insbesondere die Verpflichtung zur Rückkehr des Fahrzeugs alle acht Wochen und die Beschränkungen für Beförderungen im kombinierten Verkehr, weder mit den Zielen des europäischen Grünen Deals noch mit dem vom Europäischen Rat festgelegten Ziel einer klimaneutralen Union bis 2050 im Einklang stünden ( 622 ). Die Republik Polen weist auch darauf hin, dass die Kommission im Jahr 2020 ehrgeizigere Klimaziele der Union ( 623 ) vorgesehen habe und dass die CO2-Emissionen aus den zusätzlichen Reisen, die durch die angefochtenen Maßnahmen vorgeschrieben würden, geeignet seien, die Verwirklichung dieses Ziels weiter zu behindern.

1126.

Die durch die angefochtenen Maßnahmen verursachten negativen Auswirkungen auf die Umwelt stellten die Verwirklichung der Ziele der Reduktion der Treibhausgasemissionen in der Verordnung 2018/842 ( 624 ), der Ziele der Reduktion der Emissionen bestimmter Luftschadstoffe in der Richtlinie 2016/2284 ( 625 ) und der Ziele betreffend die Luftqualität in der Richtlinie 2008/50 ( 626 ) durch die Mitgliedstaaten in Frage. Die zusätzlichen Stickstoffoxid- und Staubemissionen, die in Anwendung der angefochtenen Bestimmungen entstünden, könnten die Wirksamkeit der von den Mitgliedstaaten in den Plänen für den Schutz der Luft festgelegten Maßnahmen, insbesondere Pläne für die Gebiete und Ballungsräume in der Nähe der im internationalen Verkehr genutzten Verkehrswege, in Frage stellen.

1127.

Trotz all dieser negativen Auswirkungen hätten die beklagten Organe gegen ihre Verpflichtung verstoßen, eine angemessene Analyse der Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die Verwirklichung der Umweltziele der Union und die Einhaltung der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus Rechtsakten im Umweltbereich vorzunehmen. Keiner der Rechtsakte, aus denen sich das Mobilitätspaket zusammensetze, behandle in seiner Begründung Umweltfragen, und diese Fragen seien auch in der vor der Annahme des Mobilitätspakets erstellten Folgenabschätzung nicht geprüft worden, da sich die Kommission auf die Behauptung beschränkt habe, keine Auswirkungen der in Betracht gezogenen Optionen auf die Umwelt festgestellt zu haben ( 627 ).

1128.

Die beklagten Organe hätten somit nicht geprüft, wie sich die Durchführung der angefochtenen Bestimmungen auf die Umwelterfordernisse auswirke, obwohl deren Auswirkungen gegen die Ziele verstießen, die in den im Umweltbereich erlassenen Rechtsakten festgelegt seien. Diese Organe hätten diese Ziele nicht gegen die vom Mobilitätspaket verfolgten Interessen abgewogen. Die Erfordernisse des Umweltschutzes und das Ziel, ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen und die Umweltqualität zu verbessern, seien offensichtlich nicht berücksichtigt worden. In Bezug auf die Richtlinie 2020/1057 ergebe sich dies insbesondere daraus, dass die Anwendung der Entsendevorschriften auf die Teilabschnitte am Anfang oder am Ende der Beförderung im kombinierten Verkehr zum einen ihre Durchführung in Mitteleuropa für die Verkehrsunternehmer aus peripheren Staaten erschwere und es zum anderen weniger attraktiv mache, sie in Anspruch zu nehmen. Ausschließlich auf der Straße durchgeführte bilaterale Fahrten würden letztlich entgegen dem angestrebten Ziel bevorzugt, obwohl sie „nicht umweltfreundlich“ seien. Die für die Kommission ausgearbeitete Analyse der Auswirkungen der Kabotagebeschränkungen auf den kombinierten Verkehr habe bestätigt, dass die Beschränkungen der Erbringung von Kabotagediensten im Rahmen von Beförderungen im kombinierten Verkehr die Umwelt schädigten und den Postulaten betreffend den europäischen Grünen Deal widersprächen ( 628 ).

1129.

Folglich verstoße Art. 1 Abs. 3, 4, 6 und 7 der Richtlinie 2020/1057 gegen den in Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta niedergelegten Grundsatz der Einbeziehung.

1130.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, diesen Klagegrund zurückzuweisen.

2) Würdigung

1131.

Die meisten Argumente, die die Republik Polen im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes vorbringt, wiederholen diejenigen, die sie im Rahmen der Klagegründe eines Verstoßes gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta in ihren gegen die Verordnung 2020/1054 und die Verordnung 2020/1055 gerichteten Klagen vorgebracht hat. Für das Vorbringen zur Auslegung von Art. 11 AEUV und seiner Tragweite sowie zu Art. 37 der Charta, zur Tragweite des in Art. 11 AEUV zum Ausdruck gebrachten Grundsatzes der Einbeziehung der Umweltbelange und zu seiner gerichtlichen Kontrolle, zur notwendigen Berücksichtigung anderer umweltpolitischer Maßnahmen des Unionsgesetzgebers, die auch die Verkehrspolitik betreffen, zur Frage des Fehlens einer Folgenabschätzung als Verstoß gegen Art. 11 AEUV und zur Frage des Verhältnisses zwischen der Richtlinie und dem europäischen Grünen Deal verweise ich daher auf die Nrn. 565 ff. sowie auf die Nrn. 591 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

1132.

Daher ist im Einklang mit der Schlussfolgerung, die ich aus der Prüfung der Klagegründe, mit denen ein Verstoß gegen die Politik der Union im Bereich Umwelt und Klimawandel gerügt wird, im Rahmen der Klagen gegen die Verordnung 2020/1055 gezogen habe, festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber zum Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie 2020/1057 in voller Ausübung seines weiten Ermessens berechtigterweise davon ausgehen konnte, dass die etwaigen negativen Folgen aus der Umsetzung der Verpflichtungen aus der Richtlinie 2020/1057 für die Umwelt in Anwendung der bestehenden Rechtsvorschriften, die speziell die Umweltaspekte der in Rede stehenden Tätigkeit betreffen und die Verkehrsunternehmer beim technologischen Übergang zu einer weniger umweltschädlichen Mobilität begleiten sollen, eingedämmt werden könnten.

1133.

Ich füge hinzu, dass dies meines Erachtens umso mehr für die Richtlinie 2020/1057 gilt, als, wie das Parlament geltend gemacht hat, die Frage, ob sie tatsächlich zu zusätzlichen Schadstoffemissionen führt, aus mehreren Gründen umstritten ist.

1134.

Erstens weise ich darauf hin, dass der Zweck der Richtlinie 2020/1057 darin besteht, „sektorspezifische Vorschriften [festzulegen], um für ein Gleichgewicht zwischen der Freiheit der Unternehmen zur Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen, dem freien Warenverkehr, angemessenen Arbeitsbedingungen und dem Sozialschutz für Kraftfahrer zu sorgen“ ( 629 ) und dass Art. 1 dieser Richtlinie eine Reihe von Regeln aufführt, deren Anwendung es den Verkehrsunternehmern gestatten wird, zu bestimmen, welche Rechtsvorschriften, u. a. Sozialvorschriften, auf die Fahrer in Abhängigkeit von den Merkmalen, die der Unionsgesetzgeber für diese Bestimmung als relevant angesehen hat, anzuwenden sein werden. Somit drängt sich die Auswirkung der Bestimmung des auf einen Arbeitnehmer anwendbaren Sozialrechts auf die Themen im Zusammenhang mit der Umweltpolitik der Union nicht unmittelbar und offensichtlich auf. Sie könnten leichter allein als Folge des Willens der Verkehrsunternehmer erscheinen, ihren Betrieb so umzugestalten, dass sie der Anwendung der für sie kostspieligeren Verpflichtungen nach der Richtlinie 2020/1057 entgehen.

1135.

Zweitens sind jedenfalls, da der Gerichtshof in seinem Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging ( 630 ) entschieden hat, dass die Richtlinie 96/71 für die länderübergreifende Erbringung von Dienstleistungen galt, die mit einer Entsendung von Arbeitnehmern verbunden war, auch im Straßenverkehrssektor ( 631 ), und da diese Auslegung durch den Gerichtshof diejenige ist, die für die Richtlinie 96/71 seit ihrem Inkrafttreten gilt, waren die in ihr enthaltenen Entsendevorschriften im Straßenverkehrssektor anwendbar. Eines der wenigen Argumente der Republik Polen, die sich gerade gegen die Richtlinie 2020/1057 richten, besteht darin, geltend zu machen, dass die Anwendung der Entsendevorschriften auf die Beförderungen im kombinierten Verkehr ( 632 ) unter den in Art. 1 Abs. 6 dieser Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen vom Rückgriff auf solche Beförderungen abschrecken würde, deren umweltfreundliche Wirkung im Übrigen bekannt und anerkannt sei. Auf diese Weise verzichteten die Verkehrsunternehmer auf den multimodalen Verkehr, um sich nur dem Straßenverkehr zu widmen, wodurch der Umweltnutzen der Beförderungen im kombinierten Verkehr beseitigt werde.

1136.

Da die Entsendevorschriften jedoch bereits unter der alleinigen Geltung der Richtlinie 96/71 anwendbar waren, ist die Anwendung der Vorschriften über die Entsendung von Arbeitnehmern auf solche Beförderungen nach den Kriterien, auf die der Gerichtshof im Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging hingewiesen hat, wie das Parlament hervorhebt, nicht geeignet, die bereits bestehende rechtliche Regelung zu revolutionieren. Ich füge hinzu, dass Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 die Voraussetzungen festlegt, unter denen diese Vorschriften gelten, und „ein Kraftfahrer nicht als entsandt [gilt], wenn [der] Kraftfahrer im kombinierten Verkehr … die Zu- oder Ablaufstrecke auf der Straße zurücklegt, sofern die auf der Straße zurückgelegte Teilstrecke selbst aus bilateralen Beförderungen im Sinne von Absatz 3 [von Art. 1 dieser Richtlinie] besteht“. Die Entsendevorschriften der Richtlinie 2020/1057 gelten daher nicht in jedem Fall für die Beförderungen im kombinierten Verkehr.

1137.

Was das Vorbringen der Republik Polen bezüglich einer Erhöhung der Emissionen aufgrund der Anwendung der Vorschriften über die Entsendung von Arbeitnehmern auf die Kabotagebeförderungen betrifft, weise ich darauf hin, dass der 17. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1072/2009 bereits vorsah, dass „[d]ie Richtlinie 96/71… für Verkehrsunternehmen [gilt], die Kabotagebeförderungen durchführen“. Daher können, wie das Parlament geltend gemacht hat, die von der Republik Polen beschriebenen möglichen Auswirkungen auf die Umwelt, ihr Vorliegen unterstellt, nicht der Richtlinie 2020/1057 zuzuschreiben sein.

1138.

Schließlich kann das Vorbringen, die behaupteten Auswirkungen der Richtlinie 2020/1057 auf die Umwelt seien unter Berücksichtigung des Umstands zu beurteilen, dass sie mit den Auswirkungen kumuliert würden, die sich aus den anderen Komponenten des Mobilitätspakets ergäben, nicht durchgreifen, da die Letzteren jedenfalls nicht der Richtlinie selbst zuzuschreiben sind.

1139.

Nach alledem ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta als unbegründet zurückzuweisen.

3.   Zu den Klagegründen betreffend Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1057

1140.

Nur die Republik Polen bestreitet die Rechtmäßigkeit von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1057, mit dem der Unionsgesetzgeber beschlossen hat, die in dieser Richtlinie enthaltenen Maßnahmen ab dem 2. Februar 2022 für anwendbar zu erklären. Sie macht zu diesem Zweck drei Klagegründe geltend: Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Verstoß gegen Art. 94 AEUV. Die beiden letztgenannten Klagegründe werden gemeinsam geprüft.

a)   Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

1) Vorbringen der Parteien

1141.

Da die Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057, deren Nichtigerklärung die Republik Polen begehrt, ungenau seien und Auslegungsprobleme sowie praktische Schwierigkeiten bei der Bestimmung des auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen der Kraftfahrer, die Beförderungen im Straßenverkehr durchführten, anwendbaren Rechts aufwürfen, werde die Durchführung dieser Bestimmungen auf nationaler Ebene den Erlass von höherrangigen Rechtsakten erfordern, die z. B. in Polen lange Gesetzgebungsarbeiten umfassten. Die in der Richtlinie festgelegten 18 Monate reichten nicht aus, um die Entwicklung der nationalen Vorschriften und anschließend die Kenntnisnahme dieser Vorschriften durch die Verkehrsunternehmer sicherzustellen, um diesen nachzukommen. Bei den Verkehrsunternehmern seien auch die für den Sektor geltenden Tarifverträge sowie die verschiedenen nationalen Regelungen zu berücksichtigen. Abgesehen davon, dass die Richtlinie 2020/1057 für sich genommen bereits eine Reihe neuer Verpflichtungen enthalte und die Richtlinie 96/71 im Verkehrssektor für anwendbar erklärt habe, führe ihr Inkrafttreten auch zur Anwendung der Richtlinie 2018/957 ( 633 ) im Straßenverkehrssektor ( 634 ), was wiederum eine gewisse Anpassungszeit für die Verkehrsunternehmer erfordere. Unter diesen Umständen verstoße die Festlegung des Datums auf den 2. Februar 2022, d. h. kaum mehr als 18 Monate nach dem Erlass der Richtlinie 2020/1057, gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, der nach ständiger Rechtsprechung gebiete, dass Rechtsvorschriften klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar seien, damit sich die Betroffenen bei unter das Unionsrecht fallenden Tatbeständen und Rechtsbeziehungen orientieren könnten, und der insbesondere bei Rechtsvorschriften zu beachten sei, die finanzielle Belastungen mit sich bringen könnten. Das Fehlen einer Verpflichtung des Unionsgesetzgebers, eine spezifische Umsetzungsfrist festzulegen, könne insoweit nicht mit einem umfassenden Ermessen des Unionsgesetzgebers gleichgesetzt werden. Auch wenn das Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging ( 635 ) den Anwendungsbereich der Richtlinie 96/71 präzisiert habe, sei es erst 2020 ergangen und habe eine Reihe von Fragen offengelassen, so dass die Richtlinie 2020/1057 entgegen dem Vorbringen der beklagten Organe keine geringfügige Änderung der bestehenden Rechtslage der Verkehrsunternehmer darstelle. Den Verkehrsunternehmern mehr Zeit einzuräumen, um den neuen rechtlichen Rahmen aufzunehmen, hätte es ihnen ermöglicht, sich diesem Rahmen besser anzupassen.

1142.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer halten diesen Klagegrund für unbegründet.

2) Würdigung

1143.

Zum Prüfungsrahmen in Bezug auf den Grundsatz der Rechtssicherheit verweise ich auf die Nrn. 117 ff. der vorliegenden Schlussanträge und beschränke mich auf den Hinweis, dass die gerichtliche Kontrolle im Wesentlichen in der Prüfung besteht, ob eine Bestimmung derart unklar ist, dass ihre Adressaten etwaige Zweifel in Bezug auf ihre Reichweite oder ihren Sinn nicht mit hinreichender Sicherheit ausräumen können, so dass sie nicht in der Lage wären, ihre Rechte und Pflichten aus dieser Bestimmung eindeutig zu bestimmen.

1144.

Insoweit genügt meines Erachtens die Feststellung, dass Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1057 die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Vorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen, bis zum 2. Februar 2022 zu erlassen und zu veröffentlichen, wobei sie diese Vorschriften ab diesem Datum anwenden. Das Datum 2. Februar 2022 wird vom Unionsgesetzgeber klar festgelegt, und zwar ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Richtlinie. Es bestand daher kein Zweifel daran, zu welchem Zeitpunkt die Adressaten der Richtlinie – die Mitgliedstaaten – ihre jeweiligen nationalen Rechtsordnungen vorbereiten mussten, um den Verpflichtungen aus der Richtlinie 2020/1057 nachzukommen. Daher hatten sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Verkehrsunternehmer 18 Monate Zeit, um sich auf die Umsetzung der Richtlinie 2020/1057 vorzubereiten.

1145.

Die Republik Polen versucht zu überzeugen, dass Art. 9 der Richtlinie 2020/1057 mittelbar durch die Ungenauigkeit und Ungewissheit der durch die Richtlinie 2020/1057 angeblich neu erlassenen Bestimmungen beeinträchtigt werde. Der hier behandelte Klagegrund erscheint daher als ein neuer Versuch, bereits behandelte Argumente in Frage zu stellen ( 636 ). Ich möchte hinzufügen, dass, wie der Rat geltend gemacht hat, das Vorbringen der Republik Polen zu Art. 9 der Richtlinie 2020/1057 auch auf der falschen Annahme beruht, dass die Richtlinie 96/71 auf den Verkehrssektor nicht anwendbar sei und dass die Richtlinie 2020/1057 zur Folge habe, dass ein neuer, nicht vorbereiteter Sektor den neuen und komplexen Vorschriften über die Entsendung von Arbeitnehmern unterworfen werde. Ich habe jedoch bereits darauf hingewiesen, dass dies nicht der Fall ist, wie sich insbesondere aus dem Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging ergibt.

1146.

Folglich ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit als unbegründet zurückzuweisen.

b)   Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und gegen Art. 94 AEUV

1) Vorbringen der Parteien

1147.

Die Republik Polen macht geltend, der Unionsgesetzgeber habe gegen die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen verstoßen, da er keine objektiven Gründe angeführt habe, die die Festlegung einer Umsetzungsfrist von 18 Monaten rechtfertigten, obwohl die Frist für gleichartige Rechtsakte im Allgemeinen zwei Jahre betrage, wie dies bei den Richtlinien 2014/67 und 2018/957 der Fall gewesen sei, während die Richtlinie 96/71 eine noch längere Frist vorgesehen habe. Die Besonderheiten des Straßenverkehrssektors hätten es geboten, den Unternehmen genügend Zeit einzuräumen, um der neuen Regelung nachzukommen, und mindestens so viel Zeit, wie den anderen Dienstleistungssektoren eingeräumt worden sei. Der Unionsgesetzgeber hätte auch berücksichtigen müssen, dass sich die Verkehrsunternehmer gleichzeitig auch auf die Anwendung der sich aus den Verordnungen 2020/1054 und 2020/1055 ergebenden Anforderungen hätten vorbereiten müssen, die die Verkehrsunternehmer verpflichteten, die Modalitäten der Erbringung der Dienstleistungen wesentlich zu ändern. Der Unionsgesetzgeber habe auch nicht berücksichtigt, dass der Verkehrsmarkt von kleinen und mittleren Unternehmen dominiert werde, die mehr Zeit benötigten, um sich mit der neuen Regelung vertraut zu machen und sich daran anzupassen, insbesondere im Hinblick auf die für sie damit verbundenen Kosten. Die Lage der Verkehrsunternehmer sei durch die aufgrund der Covid‑19-Pandemie ergriffenen Maßnahmen noch erschwert worden. Im Übrigen macht die Republik Polen geltend, dass einige Mitgliedstaaten besonders strenge Sanktionen für den Fall vorgesehen hätten, dass die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen sowie die damit verbundenen formellen Anforderungen nicht eingehalten würden. Diese Sanktionen würden bei Ablauf der vom Gesetzgeber gesetzten Frist wirksam, so dass den Verkehrsunternehmern keine Zeit gelassen werde, sich an die neuen Vorschriften anzupassen. Die Festlegung einer Frist von 18 Monaten genüge daher nicht den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

1148.

Eine solche Festlegung verstoße auch gegen Art. 94 AEUV, da sie der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer nicht Rechnung trage. Die Republik Polen verweist auf ihre Ausführungen im Rahmen des Klagegrundes eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie verweist auch auf ihr Vorbringen im Rahmen des Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen Art. 94 AEUV durch Art. 1 Abs. 3, 4, 6 und 7 der Richtlinie 2020/1057 geltend gemacht wird, aus dem im Wesentlichen hervorgeht, dass die Änderungen, die sich aus der Anwendung der Vorschriften über die Entsendung von Kraftfahrern ergäben, für die Verkehrsunternehmen mit erheblichen Kosten verbunden sein würden, die zur Insolvenz eines Teils dieser Unternehmen führen werde, und dass die Anfälligkeit dieser Unternehmen weiter zunehmen werde, da die Richtlinie 2020/1057 in einer durch die Covid‑19-Pandemie gekennzeichneten Zeit der Wirtschaftskrise ergangen sei. Die Nichtberücksichtigung dieser Gesichtspunkte belege einen Verstoß gegen Art. 94 AEUV im Hinblick auf die erwarteten negativen Auswirkungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 auf die Verkehrsunternehmen.

1149.

Der Rat, das Parlament und ihre Streithelfer beantragen, diese beiden Klagegründe als unbegründet zurückzuweisen.

2) Würdigung

1150.

Was den Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angeht, beschränke ich mich mit dem Rat auf den Hinweis, dass nach der Rechtsprechung die Regierungen der Mitgliedstaaten an den vorbereitenden Arbeiten für die Richtlinien teilnehmen und somit in der Lage sein müssen, innerhalb der festgesetzten Frist die zu ihrer Durchführung erforderlichen Gesetzestexte auszuarbeiten ( 637 ). Der Unionsgesetzgeber verfügt bei der Festlegung der Frist für die Umsetzung von Richtlinien über ein weites Ermessen und ist nicht verpflichtet, besondere Gründe für die Festlegung einer Frist von 18 Monaten anzugeben.

1151.

Was den behaupteten Verstoß gegen Art. 94 AEUV betrifft, ist das Vorbringen der Republik Polen dahin zu verstehen, dass Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1057 nicht an sich gegen diese Bestimmung verstoße, sondern deshalb, weil er die in dieser Richtlinie festgelegten Verpflichtungen ab dem darin festgelegten Zeitpunkt u. a. für die Verkehrsunternehmer, die ihr unterliegen würden, verbindlich mache. Nach Ansicht der Klägerin verstoßen diese Verpflichtungen gegen Art. 94 AEUV.

1152.

Zunächst weise ich darauf hin, dass die Republik Polen nicht nachgewiesen hat, dass Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1057 eine „Maßnahme auf dem Gebiet der Beförderungsentgelte und ‑bedingungen“ im Sinne von Art. 94 AEUV darstellt, was im Übrigen berechtigterweise bezweifelt werden könnte, da sich dieser Art. 9 für sich genommen darauf beschränkt, einen Zeitpunkt für den Erlass und die Veröffentlichung der zur Umsetzung der Richtlinie 2020/1057 erforderlichen nationalen Vorschriften festzulegen. Sollte der Gerichtshof meine Zweifel teilen, könnte der vorliegende Klagegrund bereits zurückgewiesen werden.

1153.

Im Übrigen unterliegt das Vorbringen der Republik Polen dem gleichen Vorwurf wie dem im Rahmen der Prüfung des Klagegrundes eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit durch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1057 ausgeführten. Wie der Rat vorgebracht hat, sind die Argumente zum Anteil der kleinen und mittleren Unternehmen im Straßenverkehrssektor, zu den Kosten, die sich aus der Anwendung der Vorschriften über die Entsendung von Arbeitnehmern für diesen Sektor ergäben, zur fehlenden Rechtfertigung der mit der Richtlinie 2020/1057 erlassenen Maßnahmen und zu den Auswirkungen der Covid‑19-Pandemie bereits im Rahmen der Prüfung des Klagegrundes vorgetragen worden, mit dem ein Verstoß gegen Art. 94 AEUV durch Art. 1 Abs. 3, 4, 6 und 7 der Richtlinie 2020/1057 geltend gemacht wird, wobei die Republik Polen offensichtlich beabsichtigt, hier bereits erörterte und behandelte Fragen erneut in Frage zu stellen. Da bereits festgestellt worden ist, dass Art. 1 Abs. 3, 4, 6 und 7 der Richtlinie 2020/1057 nicht gegen Art. 94 AEUV verstößt ( 638 ), muss dieselbe Feststellung auch für Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1057 gelten.

1154.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Klagegründe, mit denen ein Verstoß von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1057 zum einen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und zum anderen gegen Art. 94 AEUV gerügt wird, als unbegründet zurückzuweisen.

4.   Ergebnis zu den Klagen in Bezug auf die Richtlinie 2020/1057

1155.

Die Klagen in den Rechtssachen C‑541/20 und C‑551/20, soweit sie die Richtlinie 2020/1057 betreffen, und die Klagen in den Rechtssachen C‑544/20, C‑548/20, C‑550/20 und C‑555/20 werden abgewiesen.

V. Kosten

1156.

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

1157.

Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung trägt jede Partei ihre eigenen Kosten, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Der Gerichtshof kann jedoch entscheiden, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt, wenn dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheint.

1158.

Im Licht dieser Erwägungen und in Anbetracht der besonderen Ausgestaltung der Klagen in den verbundenen Rechtssachen C‑541/20 bis C‑555/20 schlage ich dem Gerichtshof vor, über die Kosten wie folgt zu entscheiden.

1159.

Die Republik Litauen trägt die Kosten in der Rechtssache C‑541/20.

1160.

Die Republik Bulgarien trägt die Kosten in den Rechtssachen C‑543/20 und C‑544/20.

1161.

Rumänien trägt die Kosten in den Rechtssachen C‑546/20 und C‑548/20.

1162.

Das Parlament und der Rat tragen die Kosten in der Rechtssache C‑549/20.

1163.

Die Republik Zypern trägt die Kosten in der Rechtssache C‑550/20.

1164.

Die Republik Polen trägt die Kosten in den Rechtssachen C‑553/20 und C‑555/20.

1165.

In den Rechtssachen C‑542/20, C‑545/20, C‑547/20, C‑551/20, C‑552/20 und C‑554/20 trägt jede Partei ihre eigenen Kosten.

1166.

Im Übrigen tragen nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs die Republik Litauen und Rumänien, soweit sie als Streithelfer an den vorliegenden verbundenen Klagen teilgenommen haben, die Republik Estland, die Republik Lettland, das Königreich Belgien, das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Hellenische Republik, die Französische Republik, die Italienische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich und das Königreich Schweden ihre eigenen Kosten.

VI. Ergebnis

1167.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, in den verbundenen Rechtssachen C‑541/20 bis C‑555/20 wie folgt zu entscheiden:

1.

Der Klage der Republik Zypern in der Rechtssache C‑549/20 wird stattgegeben.

2.

Den Klagen der Republik Litauen in der Rechtssache C‑542/20, der Republik Bulgarien in der Rechtssache C‑545/20, Rumäniens in der Rechtssache C‑547/20, Ungarns in der Rechtssache C‑551/20, der Republik Malta in der Rechtssache C‑552/20 und der Republik Polen in der Rechtssache C‑554/20 wird stattgegeben, soweit sie gegen Art. 1 Nr. 3 der Verordnung (EU) 2020/1055 gerichtet sind.

3.

Folglich wird Art. 1 Nr. 3 der Verordnung (EU) 2020/1055 für nichtig erklärt, soweit er Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1071/2009 ändert.

4.

Im Übrigen werden die in Nr. 2 angeführten Klagen abgewiesen.

5.

Die Klagen der Republik Litauen in der Rechtssache C‑541/20, der Republik Bulgarien in den Rechtssachen C‑543/20 und C‑544/20, Rumäniens in den Rechtssachen C‑546/20 und C‑548/20, der Republik Zypern in der Rechtssache C‑550/20 und der Republik Polen in den Rechtssachen C‑553/20 und C‑555/20 werden abgewiesen.

6.

Die Republik Litauen trägt die Kosten in der Rechtssache C‑541/20.

7.

Die Republik Bulgarien trägt die Kosten in den Rechtssachen C‑543/20 und C‑544/20.

8.

Rumänien trägt die Kosten in den Rechtssachen C‑546/20 und C‑548/20.

9.

Das Parlament und der Rat tragen die Kosten in der Rechtssache C‑549/20.

10.

Die Republik Zypern trägt die Kosten in der Rechtssache C‑550/20.

11.

Die Republik Polen trägt die Kosten in den Rechtssachen C‑553/20 und C‑555/20.

12.

In den Rechtssachen C‑542/20, C‑545/20, C‑547/20, C‑551/20, C‑552/20 und C‑554/20 trägt jede Partei ihre eigenen Kosten.

13.

Die Republik Litauen und Rumänien, soweit sie als Streithelfer an den vorliegenden verbundenen Klagen teilgenommen haben, die Republik Estland, die Republik Lettland, das Königreich Belgien, das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Hellenische Republik, die Französische Republik, die Italienische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2020 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 hinsichtlich der Mindestanforderungen an die maximalen täglichen und wöchentlichen Lenkzeiten, Mindestfahrtunterbrechungen sowie täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten, und der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 hinsichtlich der Positionsbestimmung mittels Fahrtenschreibern (ABl. 2020, L 249, S. 1).

( 3 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2020 zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1071/2009, (EG) Nr. 1072/2009 und (EU) Nr. 1024/2012 im Hinblick auf ihre Anpassung an die Entwicklungen im Kraftverkehrssektor (ABl. 2020, L 249, S. 17).

( 4 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2020 zur Festlegung besonderer Regeln im Zusammenhang mit der Richtlinie 96/71/EG und der Richtlinie 2014/67/EU für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor und zur Änderung der Richtlinie 2006/22/EG bezüglich der Durchsetzungsanforderungen und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 (ABl. 2020, L 249, S. 49).

( 5 ) ABl. 1992, L 368, S. 38.

( 6 ) Folgenabschätzung, Begleitunterlage zum Vorschlag für eine Arbeitszeitverordnung und Vorschlag für eine Entsenderichtlinie (im Folgenden: Folgenabschätzung – Sozialer Teil) und Folgenabschätzung, Begleitunterlage zum Vorschlag für eine Niederlassungsverordnung (im Folgenden: Folgenabschätzung – Teil Niederlassung).

( 7 ) Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 27. April 2021 als Streithelfer zugelassen.

( 8 ) Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 27. April 2021 als Streithelfer zugelassen.

( 9 ) Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 21. April 2021 als Streithelfer zugelassen.

( 10 ) Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 29. April 2021 als Streithelfer zugelassen.

( 11 ) Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 3. Mai 2021 als Streithelfer zugelassen.

( 12 ) Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 29. April 2021 als Streithelfer zugelassen.

( 13 ) Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 22. April 2021 als Streithelfer zugelassen.

( 14 ) Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 22. April 2021 als Streithelfer zugelassen.

( 15 ) Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 12. Mai 2021 als Streithelfer zugelassen.

( 16 ) Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 29. April 2021 als Streithelfer zugelassen.

( 17 ) Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 13. April 2021 als Streithelfer zugelassen.

( 18 ) Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 22. April 2021 als Streithelfer zugelassen.

( 19 ) Obwohl der Klageantrag in diesem Sinne formuliert ist, richten sich die Rügen der Klage gegen Art. 2 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 (vgl. Rn. VIII der Klageschrift in der Rechtssache C‑552/20).

( 20 ) Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 27. April 2021 als Streithelfer zugelassen.

( 21 ) Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 27. April 2021 als Streithelfer zugelassen.

( 22 ) Mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofs vom 27. April 2021 als Streithelfer zugelassen.

( 23 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in den verbundenen Rechtssachen Trijber und Harmsen (C‑340/14 und C‑341/14, EU:C:2015:505, Nr. 29). Vgl. auch Urteil vom 1. Oktober 2015, Trijber und Harmsen (C‑340/14 und C‑341/14, EU:C:2015:641, Rn. 48).

( 24 ) Vgl. Gutachten 2/15 (Freihandelsabkommen mit Singapur) vom 16. Mai 2017 (EU:C:2017:376, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 25 ) Zu den besonderen Aspekten dieses Sektors gehören traditionell u. a. die notwendige Verbindung der Verkehrsdienste mit einer bestimmten Infrastruktur, der äußerst mobile Charakter der Produktionsmittel und das hohe Maß an Substituierbarkeit zwischen den kommerziellen Verkehrsdienstleistungen und der Eigenproduktion (d. h. dem individualisierten motorisierten Verkehr). In der Lehre werden auch mehrere weitere Aspekte angeführt.

( 26 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Mai 1985, Parlament/Rat (13/83, EU:C:1985:220, Rn. 49 und 50).

( 27 ) Urteil vom 9. September 2004, Spanien und Finnland/Parlament und Rat (C‑184/02 und C‑223/02, EU:C:2004:497, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 28 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. März 2014, International Jet Management (C‑628/11, EU:C:2014:171, Rn. 36). Vgl. auch Urteil vom 4. April 1974, Kommission/Frankreich (167/73, EU:C:1974:35, Rn. 27).

( 29 ) Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat (C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 159). Vgl. auch Urteil vom 22. Dezember 2010, Yellow Cab Verkehrsbetrieb (C‑338/09, EU:C:2010:814, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 30 ) Urteil vom 22. Dezember 2010, Yellow Cab Verkehrsbetrieb (C‑338/09, EU:C:2010:814, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 31 ) Vgl. in diesem Sinne z. B. Urteile vom 5. Oktober 1994, Kommission/Frankreich (C‑381/93, EU:C:1994:370, Rn. 13), und vom 6. Februar 2003, Stylianakis (C‑92/01, EU:C:2003:72, Rn. 24).

( 32 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat (C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 160), und vom 20. Dezember 2017, Asociación Profesional Elite Taxi (C‑434/15, EU:C:2017:981, Rn. 48).

( 33 ) Urteil vom 22. Dezember 2010, Yellow Cab Verkehrsbetrieb (C‑338/09, EU:C:2010:814, Rn. 33). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Prestige and Limousine (C‑50/21, EU:C:2022:997, Nr. 4).

( 34 ) Vgl. Kapitel III der Verordnung Nr. 1072/2009. Siehe auch Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 1/2, S. 2.

( 35 ) Vgl. Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Teil 1/2, S. 4.

( 36 ) Urteil vom 16. Februar 2022, Ungarn/Parlament und Rat (C‑156/21, EU:C:2022:97, Rn. 340 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 37 ) Siehe Nr. 42 der vorliegenden Schlussanträge.

( 38 ) Vgl. u. a. Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat (C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 112 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 16. Februar 2022, Polen/Parlament und Rat (C‑157/21, EU:C:2022:98, Rn. 354 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 39 ) Urteile vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat (C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 114 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung) und vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat, (C‑5/16, EU:C:2020:1001, Rn. 151).

( 40 ) Urteile vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat (C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 115), und vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 41 ) Urteile vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat (C‑5/16, EU:C:2020:1001, Rn. 170 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 118).

( 42 ) Urteil vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 118 und 119). Vgl. auch Urteil vom 12. Mai 2011, Luxemburg/Parlament und Rat (C‑176/09, EU:C:2011:290, Rn. 62 und in diesem Sinne die in Rn. 66 angeführte Rechtsprechung).

( 43 ) Urteile vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat (C‑5/16, EU:C:2020:1001, Rn. 170 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 17. Oktober 2013, Billerud Karlsborg und Billerud Skärblacka (C‑203/12, EU:C:2013:664, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 44 ) Urteile vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat (C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 116), und vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 45 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat (C‑5/16, EU:C:2020:1001, Rn. 177 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 46 ) Vgl. Urteile vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat, (C‑5/16, EU:C:2020:1001, Rn. 167), und vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat (C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 106).

( 47 ) Siehe Fn. 6 der vorliegenden Schlussanträge.

( 48 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 76 bis 81 sowie 84 und 85).

( 49 ) ABl. 2016, L 123, S. 1.

( 50 ) Vgl. Rn. 13 der Interinstitutionellen Vereinbarung sowie Urteil vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 83).

( 51 ) Urteil vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 84).

( 52 ) Vgl. Nr. 96 der Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:321), ausdrücklich angeführt in Rn. 82 des Urteils vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035).

( 53 ) Vgl. Nr. 96 der Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:321), ausdrücklich angeführt in Rn. 82 des Urteils vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035).

( 54 ) Urteil vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 82).

( 55 ) Urteil vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 85).

( 56 ) Vgl. Rn. 14 der Interinstitutionellen Vereinbarung sowie Urteil vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 83).

( 57 ) Urteile vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat, (C‑5/16, EU:C:2020:1001, Rn. 159) und vom 8. Juli 2010, Afton Chemical (C‑343/09, EU:C:2010:419, Rn. 57).

( 58 ) Vgl. Rn. 15 der Interinstitutionellen Vereinbarung sowie Urteile vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 83) und vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat (C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 43).

( 59 ) Vgl. Nr. 97 der Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:321), ausdrücklich angeführt in Rn. 82 des Urteils vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035).

( 60 ) Vgl. Nr. 98 der Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:321).

( 61 ) Urteil vom 4. Mai 2016, Pillbox 38 (C‑477/14, EU:C:2016:324, Rn. 64 und 65).

( 62 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat (C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 43).

( 63 ) Urteil vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat (C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 64 ) Urteil vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat (C‑5/16, EU:C:2018:483, Rn. 160 bis 163.

( 65 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2010, Afton Chemical (C‑343/09, EU:C:2010:419, Rn. 39).

( 66 ) Urteile vom 22. Februar 2022, Stichting Rookpreventie Jeugd u. a. (C‑160/20, EU:C:2022:101, Rn. 67), und vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 67 ) Urteil vom 3. Februar 2021, Fussl Modestraße Mayr (C‑555/19, EU:C:2021:89, Rn. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 68 ) Vgl. u. a. Urteil vom 14. Juli 2022, Kommission/VW u. a. (C‑116/21 P bis C‑118/21 P, C‑138/21 P und C‑139/21 P, EU:C:2022:557, Rn. 140 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 69 ) Vgl. u. a. Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat (C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 110 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 70 ) Urteil vom 24. Februar 2022, Glavna direktsia Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto (C‑262/20, EU:C:2022:117, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 71 ) Urteil vom 3. Februar 2021, Fussl Modestraße Mayr (C‑555/19, EU:C:2021:89, Rn. 99). Vgl. Urteil vom 12. Mai 2011, Luxemburg/Parlament und Rat (C‑176/09, EU:C:2011:290, Rn. 32).

( 72 ) Siehe Nr. 42 der vorliegenden Schlussanträge.

( 73 ) Vgl. Urteil vom 12. Mai 2011, Luxemburg/Parlament und Rat (C‑176/09, EU:C:2011:290, Rn. 34 und 35).

( 74 ) Urteile vom 13. September 2005, Kommission/Rat (C‑176/03, EU:C:2005:542, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 15. November 2005, Kommission/Österreich (C‑320/03, EU:C:2005:684, Rn. 72), vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission (C‑487/06 P, EU:C:2008:757, Rn. 91), vom 16. Juli 2009, Horvath (C‑428/07, EU:C:2009:458, Rn. 29), sowie vom 21. Dezember 2011, Kommission/Österreich (C‑28/09, EU:C:2011:854, Rn. 120).

( 75 ) Vgl. u. a. Urteile vom 13. September 2005, Kommission/Rat (C‑176/03, EU:C:2005:542, Rn. 42), vom 15. November 2005, Kommission/Österreich (C‑320/03, EU:C:2005:684, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 21. Dezember 2011, Kommission/Österreich (C‑28/09, EU:C:2011:854, Rn. 121).

( 76 ) Vgl. Urteil vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat (C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 128 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 77 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed in der Rechtssache Österreich/Parlament und Rat (C‑161/04, EU:C:2006:66, Nrn. 59 und 60).

( 78 ) Vgl. Urteil vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat (C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 130 und 131 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 79 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 31. März 1971, Kommission/Rat (22/70, EU:C:1971:32, Rn. 40), und vom 9. September 2015, Lito Maieftiko Gynaikologiko kai Cheirourgiko Kentro/Kommission (C‑506/13 P, EU:C:2015:562, Rn. 17). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Kommission/EIB (C‑15/00, EU:C:2002:557, Nr. 82).

( 80 ) Urteil vom 31. März 2022, Kommission/Polen (Besteuerung der Energieerzeugnisse) (C‑139/20, EU:C:2022:240, Rn. 55 und 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 81 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2015, Lito Maieftiko Gynaikologiko kai Cheirourgiko Kentro/Kommission (C‑506/13 P, EU:C:2015:562, Rn. 17 und 18).

( 82 ) Die Republik Litauen trägt ihre Argumente im Rahmen ihres in der Rechtssache C‑541/20 geltend gemachten Klagegrundes eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vor. In Anbetracht ihres Inhalts sind diese Argumente jedoch im Rahmen der Würdigung der Klagegründe zu prüfen, mit denen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit geltend gemacht wird.

( 83 ) In der mündlichen Verhandlung hat sich die Republik Litauen auch auf Sanktionen bezogen, die auf nationaler Ebene auf der Grundlage einer anderen Auslegung der in Rede stehenden Bestimmung als der von den Unionsorganen angegebenen verhängt worden seien.

( 84 ) Urteile vom 16. Februar 2022, Ungarn/Parlament und Rat (C‑156/21, EU:C:2022:97, Rn. 223 und die dort angeführte Rechtsprechung) und vom 16. Februar 2022, Polen/Parlament und Rat (C‑157/21, EU:C:2022:98, Rn. 319 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 85 ) Urteil vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat (C‑5/16, EU:C:2018:483, Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 86 ) Urteile vom 16. Februar 2022, Ungarn/Parlament und Rat (C‑156/21, EU:C:2022:97, Rn. 224 und die dort angeführte Rechtsprechung) und vom 16. Februar 2022, Polen/Parlament und Rat (C‑157/21, EU:C:2022:98, Rn. 320 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 87 ) Urteil vom 30. Januar 2019, Planta Tabak (C‑220/17, EU:C:2019:76, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 88 ) Urteile vom 16. Februar 2022, Ungarn/Parlament und Rat (C‑156/21, EU:C:2022:97, Rn. 225 und die dort angeführte Rechtsprechung) und vom 16. Februar 2022, Polen/Parlament und Rat (C‑157/21, EU:C:2022:98, Rn. 321 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 89 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. April 2005, Belgien/Kommission (C‑110/03, EU:C:2005:223, Rn. 31).

( 90 ) Hervorhebung nur hier.

( 91 ) Insoweit weise ich darauf hin, dass es keinen Zweifel daran gibt, dass die Lenkzeit zum Rückkehrort Arbeitszeit darstellt. Vgl. Art. 9 Abs. 2 der Verordnung 561/2006 in der durch Art. 1 Nr. 8 Buchst. b der Verordnung 2020/1054 geänderten Fassung. Vgl. auch entsprechend Urteil vom 10. September 2015, Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras (C‑266/14, EU:C:2015:578, Rn. 50).

( 92 ) Vgl. Urteile vom 11. November 2004, Adanez-Vega (C‑372/02, EU:C:2004:705, Rn. 37), und vom 25. Februar 1999, Swaddling (C‑90/97, EU:C:1999:96, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 93 ) Vgl. Urteil vom 12. April 2018, Kommission/Dänemark (C‑541/16, EU:C:2018:251, Rn. 28 und 31 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Art. 291 Abs. 1 AEUV.

( 94 ) Vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 30. Januar 2019, Planta Tabak (C‑220/17, EU:C:2019:76, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 95 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Kommission/Rat (C‑196/12, EU:C:2013:549, Nr. 85).

( 96 ) Vgl. Urteil vom 12. April 2018, Kommission/Dänemark (C‑541/16, EU:C:2018:251, Rn. 47).

( 97 ) Vgl. Rn. 25 dieses Schriftsatzes.

( 98 ) Vgl. zu Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit Urteil vom 2. September 2021, Kommission/Deutschland (Umsetzung der Richtlinien 2009/72 und 2009/73) (C‑718/18, EU:C:2021:662, Rn. 60), und zu Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat (C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 104 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 99 ) Vgl. u. a. Urteil vom 8. Juni 2023, Prestige and Limousine (C‑50/21, EU:C:2023:448, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 100 ) Urteil vom 8. Juni 2023, Fastweb u. a. (Abrechnungszeitrahmen) (C‑468/20, EU:C:2023:447, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Prestige and Limousine (C‑50/21, EU:C:2022:997, Nr. 50 und die in Fn. 19 angeführte Rechtsprechung).

( 101 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 2004, CaixaBank France (C‑442/02, EU:C:2004:586, Rn. 14).

( 102 ) Vgl. in diesem Sinne in Fällen, in denen es sowohl um die Niederlassungsfreiheit als auch um den freien Dienstleistungsverkehr ging, Urteile vom 29. März 2011, Kommission/Italien (C‑565/08, EU:C:2011:188, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 7. März 2013, DKV Belgium (C‑577/11, EU:C:2013:146, Rn. 35 und 36).

( 103 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Prestige and Limousine (C‑50/21, EU:C:2022:997, Nr. 50 und die in Fn. 20 angeführte Rechtsprechung).

( 104 ) Vgl. u. a. Urteil vom 2. September 2021, Institut des Experts en Automobiles (C‑502/20, EU:C:2021:678, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 105 ) Vgl. u. a. Urteil vom 8. Juni 2023, Prestige and Limousine (C‑50/21, EU:C:2023:448, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 106 ) Vgl. Art. 2 und 3 der Verordnung Nr. 561/2006. Der Begriff „Verkehrsunternehmen“ wird in Art. 4 Buchst. p dieser Verordnung definiert.

( 107 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat (C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 105).

( 108 ) Siehe Nr. 42 der vorliegenden Schlussanträge.

( 109 ) Diese Entwicklungen werden insbesondere in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil, insbesondere in Teil 1/2, S. 1 bis 11, 26 und 49, sowie in der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, insbesondere in Teil 1/2, S. 7 bis 22, beschrieben.

( 110 ) Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Teil 1/2, Punkte 2.1.1 und 2.2.2.

( 111 ) Folgenabschätzung – Sozialer Teil, S. 39.

( 112 ) Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Teil 1/2, S. 20. Insbesondere hatte die Kommission festgestellt, dass der Gefahr einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, einschließlich der unangemessenen Bedingungen für die Ruhezeit, der zeitlichen Zwänge und des Stresses der Fahrer, wegen Verstößen gegen die früheren Vorschriften und deren Lücken, der Starrheit ihrer Anwendung sowie des Drucks des Marktes nicht wirksam begegnet worden sei.

( 113 ) Vgl. zweiter Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054. Nach der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (vgl. Teil 1/2, S. 5 bis 6) gehörten zu den Hauptgründen für die Unwirksamkeit der Sozialgesetzgebung wenig klare und unangemessene Regeln sowie unterschiedliche Auslegungen und Anwendungen durch die nationalen Behörden.

( 114 ) Vgl. erster Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054.

( 115 ) Vgl. Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Teil 1/2, S. 19.

( 116 ) Vgl. Erwägungsgründe 3, 6 und 36 der Verordnung 2020/1054.

( 117 ) Aus demselben Grund ist meines Erachtens auch die Rüge der Republik Polen zurückzuweisen, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer gegen Art. 4 Buchst. f der Verordnung Nr. 561/2006 verstoße.

( 118 ) Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 561/2006 bestimmte nämlich vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1054, dass „[d]ie von einem Fahrer verbrachte Zeit, um zu einem in den Geltungsbereich dieser Verordnung fallenden Fahrzeug, das sich nicht am Wohnsitz des Fahrers oder der Betriebstätte des Arbeitgebers, dem der Fahrer normalerweise zugeordnet ist, befindet, anzureisen oder von diesem zurückzureisen, … nur dann als Ruhepause oder Fahrtunterbrechung anzusehen [ist], wenn sich der Fahrer in einem Zug oder auf einem Fährschiff befindet und Zugang zu einer Koje oder einem Liegewagen hat“. Abs. 3 dieses Artikels bezog sich auch auf den „Wohnsitz des Fahrers oder d[ie] Betriebsstätte des Arbeitgebers, dem der Fahrer normalerweise zugeordnet ist“.

( 119 ) Vgl. Urteil vom 29. April 2010, Smit Reizen (C‑124/09, EU:C:2010:238, Rn. 27). In sprachlicher Hinsicht entspricht der Begriff „Betriebsstätte“ dem Begriff „Hauptbetriebsstätte“, der in diesem Urteil sowie im Urteil vom 18. Januar 2001, Skills Motor Coaches u. a. (C‑297/99, EU:C:2001:37), verwendet wird, und auch in der ursprünglichen Fassung von Art. 5 Buchst. c der Verordnung Nr. 1071/2009 [„Betriebsstätte“].

( 120 ) Vgl. Urteil vom 29. April 2010, Smit Reizen (C‑124/09, EU:C:2010:238, Rn. 31).

( 121 ) Der Begriff „EU‑13“ bezeichnet alle Staaten, die der Europäischen Union nach 2004 beigetreten sind und zu den 15 Staaten, die bereits Mitglied waren („EU‑15“), hinzugekommen sind.

( 122 ) In der Folgenabschätzung wird insoweit auf eine Untersuchung verwiesen, die der polnische Arbeitgeberverband bei polnischen Fahrern durchgeführt hat und aus der hervorgeht, dass 23 % von ihnen 15 Tage auf der Straße verbringen; 15 % verbringen mehr als 30 Tage von ihrem Wohnsitz/ihrer Basis entfernt und 7 % weniger als 5 Tage außerhalb ihres Wohnsitzes/ihrer Basis. Vgl. Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Teil 1/2, S. 20.

( 123 ) Siehe insbesondere Nr. 203 der vorliegenden Schlussanträge.

( 124 ) Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat (C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 41 und 42 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

( 125 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2020 (Ungarn/Parlament und Rat, C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 41, 42, 61, 62, 64 und 128).

( 126 ) Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Teil 1/2, S. 51.

( 127 ) Siehe Fn. 122 der vorliegenden Schlussanträge.

( 128 ) Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Teil 1/2, S 20.

( 129 ) Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Teil 1/2, Kapitel 6.2.1, S. 63.

( 130 ) Vgl. Art. 16 der Verordnung Nr. 561/2006 und Art. 33 der Verordnung Nr. 165/2014.

( 131 ) Siehe Nr. 132 der vorliegenden Schlussanträge.

( 132 ) Siehe Nr. 47 der vorliegenden Schlussanträge.

( 133 ) Siehe Nrn. 219 und 220 der vorliegenden Schlussanträge.

( 134 ) Vgl. die in Nr. 56 der vorliegenden Schlussanträge angeführte Rechtsprechung.

( 135 ) Siehe Nr. 179 der vorliegenden Schlussanträge.

( 136 ) Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Teil 1/2, S. 49. Zwar hingen die in diesem Zusammenhang geprüften Maßnahmen mit dem etwaigen Verbot zusammen, die geplante Ruhezeit im Fahrzeug zu verbringen, doch besteht die gleiche Art von Schwierigkeiten bei der Feststellung, ob der Fahrer vom Verkehrsunternehmen in die Lage versetzt wurde, an seinen Wohnsitz oder an die Betriebsstätte zurückzukehren, sich aber dafür entschieden hat, dies nicht zu tun, oder ob auf ihn Druck ausgeübt wurde, um ihn von einer Rückkehr abzuhalten.

( 137 ) Stellungnahme EWSA 2017/02852, Punkt 1.7.

( 138 ) Art. 1 Nr. 5 Buchst. c des Vorschlags für eine Arbeitszeitverordnung sah die Einfügung eines Abs. 8b in Art. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 vor, der folgenden Wortlaut hatte: „Ein Verkehrsunternehmen plant die Arbeit der Fahrer so, dass die Fahrer in der Lage sind, innerhalb jedes Zeitraums von drei aufeinanderfolgenden Wochen mindestens eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder eine wöchentliche Ruhezeit von mehr als 45 Stunden als Ausgleich für eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit am Wohnort zu verbringen.“

( 139 ) Der Gesetzgeber hat den Zeitplan von drei Wochen für die Rückkehr nur für die Fahrer festgelegt, die zwei aufeinanderfolgende reduzierte wöchentliche Ruhezeiten genommen haben (Art. 8 Abs. 8a Unterabs. 2) und die daher nach der dritten Arbeitswoche als Ausgleich für die beiden reduzierten wöchentlichen Ruhezeiten eine regelmäßige Ruhezeit nehmen.

( 140 ) Die Republik Polen bezieht sich auch auf die nachteiligen Auswirkungen auf die Straßeninfrastruktur. Dieses Vorbringen wird in dem Teil, der sich auf die Klagegründe bezieht, die einen Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV betreffen, in den Nrn. 281 ff. der vorliegenden Schlussanträge behandelt.

( 141 ) Vgl. Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Teil 1/2, S. 48.

( 142 ) Vgl. Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Teil 1/2, S. 20, und Nrn. 217, 229, 236 und 260 der vorliegenden Schlussanträge.

( 143 ) Diese Zahl ergibt sich aus einem Vergleich zwischen, zum einen, der im offenen Brief der Internationalen Straßentransport-Union (IRU) vom 26. Oktober 2018 enthaltenen Beurteilung, in dem die Ansicht vertreten wurde, dass die Einführung einer Verpflichtung für die Fahrzeuge, alle drei bis vier Wochen zurückzufahren, geeignet sei, die gefahrenen Kilometer der Lastkraftwagen von 80 auf 135 Mio. Fahrzeugkilometer pro Jahr zu erhöhen, und, zum anderen, den Daten von Eurostat, aus denen sich ergab, dass der Güterverkehr im Jahr 2016 insgesamt 135725 Mio. Fahrzeugkilometer betrug. Der Rat wies darauf hin, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer nicht die Fahrzeuge betrifft, sondern die Fahrer, die nicht unbedingt immer mit dem Fahrzeug zurückkehren und die, wie sich aus der Folgenabschätzung ergibt (siehe Fn. 122 der vorliegenden Schlussanträge), bereits in den meisten Fällen alle drei bis vier Wochen zurückkehren.

( 144 ) Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Teil 1/2, Kapitel 2.3.1.1.

( 145 ) Ausgearbeitet von der amerikanischen Normungsorganisation AASHTO (American Association of State Highway and Transportation Officials), die die Auswirkungen der Fahrzeuge auf die Straßeninfrastruktur belegt.

( 146 ) Vgl. zu Art. 74 EG Schlussanträge von Generalanwältin Stix-Hackl in den verbundenen Rechtssachen Spanien und Finnland/Parlament und Rat (C‑184/02 und C‑223/02, EU:C:2004:194, Nr. 162).

( 147 ) Verordnung (EWG) Nr. 4058/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Preisbildung im Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. 1989, L 390, S. 1).

( 148 ) Vgl. zu Art. 74 EG Schlussanträge von Generalanwältin Stix-Hackl in den verbundenen Rechtssachen Spanien und Finnland/Parlament und Rat (C‑184/02 und C‑223/02, EU:C:2004:194, Nr. 163).

( 149 ) Vgl. Schlussanträge von Generalanwältin Stix-Hackl in den verbundenen Rechtssachen Spanien und Finnland/Parlament und Rat (C‑184/02 und C‑223/02, EU:C:2004:194, Nr. 164).

( 150 ) Vgl. zu Art. 9 AEUV Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat (C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 46).

( 151 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwältin Stix-Hackl in den verbundenen Rechtssachen Spanien und Finnland/Parlament und Rat (C‑184/02 und C‑223/02, EU:C:2004:194, Nr. 164).

( 152 ) Siehe Nr. 42 der vorliegenden Schlussanträge.

( 153 ) Vgl. entsprechend zu Art. 191 Abs. 3 AEUV Urteil vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat (C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 135 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 154 ) Siehe Fn. 143 der vorliegenden Schlussanträge.

( 155 ) Siehe Nr. 284 der vorliegenden Schlussanträge.

( 156 ) Siehe Nr. 222 der vorliegenden Schlussanträge.

( 157 ) Siehe Nrn. 291 und 292 der vorliegenden Schlussanträge.

( 158 ) Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Teil 1/2, insbesondere S. 60 und 61.

( 159 ) Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Teil 1/2, insbesondere S. 63 ff.

( 160 ) Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 11. Dezember 2019„Der europäische Grüne Deal“, COM(2019) 640 final (im Folgenden „europäischer Grüner Deal“).

( 161 ) Europäischer Grüner Deal, Ziffer 2.1.5.

( 162 ) Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates vom 12. Dezember 2019, EUCO 29/19 CO EUR 31 CONCL 9.

( 163 ) Erklärung von Kommissionsmitglied Vălean zur endgültigen Annahme des Mobilitätspakets I durch das Europäische Parlament, Brüssel, 9. Juli 2020, https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/statement_20_1319.

( 164 ) Vgl. Rn. 45 der Erwiderung in der Rechtssache C‑553/20.

( 165 ) Siehe Nrn. 564 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

( 166 ) Vgl. Urteil vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat (C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 129 bis 131). Eine Bestimmung, die als mit Art. 191 AEUV vereinbar angesehen wird, wird notwendigerweise als mit Art. 37 der Charta vereinbar angesehen: vgl. Urteil vom 21. Dezember 2016, Associazione Italia Nostra Onlus (C‑444/15, EU:C:2016:978, Rn. 61 bis 64).

( 167 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 11. März 1992, Compagnie commerciale de l’Ouest u. a. (C‑78/90 bis C‑83/90, EU:C:1992:118, Rn. 18).

( 168 ) Diese Rüge ist meines Erachtens nur so zu verstehen, dass sie sich nur auf die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen bezieht, da eine Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrer alle drei Wochen bereits im Vorschlag für eine Niederlassungsverordnung, der Gegenstand einer Folgenabschätzung war, enthalten war: vgl. Art. 1 Nr. 5 Buchst. c des „Vorschlags für eine Arbeitszeitverordnung“ und Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Begleitunterlage zu diesem Vorschlag.

( 169 ) Ich möchte klarstellen, dass ich in diesem Stadium der Prüfung nicht auf die Diskussion über die Zahlen im Zusammenhang mit den potenziellen oder tatsächlichen zusätzlichen Emissionen eingehen werde, die die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrer mit sich bringt, da dies erstens für die Prüfung des Vorbringens, mit dem ein Verstoß gegen die Umweltpolitik der Union geltend gemacht wird, nicht erforderlich ist und zweitens diese Diskussion bei der Behandlung des Vorbringens zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu behandeln sein wird.

( 170 ) Siehe Nrn. 575 f. der vorliegenden Schlussanträge.

( 171 ) Der Gesetzgeber hat nur den Fall in Betracht gezogen, dass die Rückkehr des Fahrers gegebenenfalls gleichzeitig mit der Rückkehr des Fahrzeugs in den Niederlassungsmitgliedstaat organisiert werden kann: vgl. achter Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055.

( 172 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in den verbundenen Rechtssachen Kommission/Rat (Meeresschutzzone Antarktis) (C‑626/15 und C‑659/16, EU:C:2018:362, Nr. 88) und Urteil vom 15. April 2021, Niederlande/Rat und Parlament (C‑733/19, EU:C:2021:272, Rn. 48).

( 173 ) Vgl. Urteil vom 15. April 2021, Niederlande/Rat und Parlament (C‑733/19, EU:C:2021:272, Rn. 44).

( 174 ) Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat (C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 119).

( 175 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2017, Elecdey Carcelen u. a. (C‑215/16, C‑216/16, C‑220/16 und C‑221/16, EU:C:2017:705, Rn. 40).

( 176 ) Vgl. Urteil vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat (C‑5/16, EU:C:2018:483, Rn. 86).

( 177 ) Siehe Nr. 47 der vorliegenden Schlussanträge.

( 178 ) Siehe Nr. 197 der vorliegenden Schlussanträge.

( 179 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. November 1990, Fedesa u. a. (C‑331/88, EU:C:1990:391, Rn. 19 und 20), und vom 17. Juli 1997, SAM Schiffahrt und Stapf (C‑248/95 und C‑249/95, EU:C:1997:377, Rn. 52, 63 und 64).

( 180 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juni 1958, Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie u. a./Hohe Behörde (13/57, EU:C:1958:10, S. 304).

( 181 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. November 1973, Werhahn Hansamühle u. a./Rat und Kommission (63/72 bis 69/72, EU:C:1973:121, Rn. 17).

( 182 ) Siehe Nr. 80 der vorliegenden Schlussanträge.

( 183 ) Siehe Nrn. 148 bis 150 der vorliegenden Schlussanträge.

( 184 ) Urteil vom 13. November 1990, Fedesa u. a. (C‑331/88, EU:C:1990:391, Rn. 20).

( 185 ) Siehe Nr. 90 der vorliegenden Schlussanträge.

( 186 ) Vgl. S. 18 dieser Folgenabschätzung.

( 187 ) Abschlussbericht der Studie über sichere und gesicherte Parkplätze für Lastkraftwagen (https://ec.europa.eu/transport/sites/transport/files/2019-study-on-safe-and-secure-parking-places-for-trucks.pdf), S. 8 und 18 bis 20.

( 188 ) Verordnung (EU) Nr. 1315/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über Leitlinien der Union für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 661/2010/EU (ABl. 2013, L 348, S. 1, im Folgenden: TEN‑V-Verordnung).

( 189 ) Nach Abs. 3 dieser Bestimmung „[kann a]n allen zertifizierten Parkflächen … darauf hingewiesen werden, dass sie gemäß den Normen und Verfahren der Union zertifiziert sind. Gemäß Artikel 39 Absatz 2 Buchstabe c der [TEN‑V-‑Verordnung … sind die Mitgliedstaaten gehalten, die Schaffung von Parkflächen für gewerbliche Straßennutzer zu fördern.“ Nach Abs. 4 dieser Bestimmung “[legt d]ie Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 31. Dezember 2024 einen Bericht über die Verfügbarkeit geeigneter Ruheeinrichtungen für Fahrer und über die Verfügbarkeit gesicherter Parkeinrichtungen sowie über den Ausbau sicherer und gesicherter Parkflächen, die gemäß den delegierten Rechtsakten zertifiziert sind, vor. Dieser Bericht kann eine Liste mit Maßnahmen zur Erhöhung der Zahl und der Qualität sicherer und gesicherter Parkflächen enthalten.“

( 190 ) Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Teil 1/2, S. 64.

( 191 ) Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Teil 1/2, S. 70.

( 192 ) Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Teil 1/2, S. 18.

( 193 ) Urteil vom 20. Dezember 2017, (C‑102/16, im Folgenden: Urteils Vaditrans, EU:C:2017:1012).

( 194 ) Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Teil 1/2, S. 46.

( 195 ) Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Teil 1/2, S. 18.

( 196 ) Nach Art. 4 Buchst. g der Verordnung Nr. 561/2006 bezeichnet im Sinne dieser Verordnung der Ausdruck „‘tägliche Ruhezeit‘ den täglichen Zeitraum, in dem ein Fahrer frei über seine Zeit verfügen kann und der eine ‚regelmäßige tägliche Ruhezeit‘ und eine ‚reduzierte tägliche Ruhezeit‘ umfasst“. Nach dem ersten Gedankenstrich dieser Bestimmung bezeichnet der Ausdruck „‘regelmäßige tägliche Ruhezeit‘ eine Ruhepause von mindestens 11 Stunden. Diese regelmäßige tägliche Ruhezeit kann auch in zwei Teilen genommen werden, wobei der erste Teil einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens 3 Stunden und der zweite Teil einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens 9 Stunden umfassen muss;“. Nach dem zweiten Gedankenstrich bezeichnet der Ausdruck „‘reduzierte tägliche Ruhezeit‘ eine Ruhepause von mindestens 9 Stunden, aber weniger als 11 Stunden“.

( 197 ) Nach Art. 4 Buchst. h der Verordnung Nr. 561/2006 bezeichnet im Sinne dieser Verordnung der Ausdruck „‘wöchentliche Ruhezeit‘ den wöchentlichen Zeitraum, in dem ein Fahrer frei über seine Zeit verfügen kann und der eine ‚regelmäßige wöchentliche Ruhezeit‘ und eine ‚reduzierte wöchentliche Ruhezeit‘ umfasst“. Nach dem ersten Gedankenstrich dieser Bestimmung bezeichnet der Ausdruck „‘regelmäßige wöchentliche Ruhezeit‘ eine Ruhepause von mindestens 45 Stunden“. Nach dem zweiten Gedankenstrich bezeichnet der Ausdruck „‘reduzierte wöchentliche Ruhezeit‘ eine Ruhepause von weniger als 45 Stunden, die vorbehaltlich der Bedingungen des Artikels 8 Absatz 6 auf eine Mindestzeit von 24 aufeinander folgenden Stunden reduziert werden kann“.

( 198 ) Urteil Vaditrans, Rn. 31, 32 und 48.

( 199 ) Siehe Nr. 42 der vorliegenden Schlussanträge.

( 200 ) Nach dem 13. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054 „[sollte z]ur Förderung des sozialen Fortschritts … angegeben werden, wo die wöchentlichen Ruhezeiten eingelegt werden können, um zu gewährleisten, dass Fahrern angemessene Bedingungen für die Ruhezeit zur Verfügung stehen. Von besonderer Bedeutung ist die Qualität der Unterbringung während der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit, die der Fahrer nicht in der Kabine des Fahrzeugs, sondern in einer geeigneten Unterkunft auf Kosten des Verkehrsunternehmens als Arbeitgeber verbringen sollte. Damit für gute Arbeitsbedingungen und die Sicherheit der Fahrer gesorgt ist, sollte die Anforderung präzisiert werden, dass den Fahrern eine hochwertige und geschlechtergerechte Unterkunft bereitgestellt wird, wenn sie ihre regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten nicht am Heimatort einlegen“.

( 201 ) Urteil Vaditrans (Rn. 31, 32 und 48).

( 202 ) Urteil Vaditrans (Rn. 43).

( 203 ) Urteil Vaditrans (Rn. 44).

( 204 ) Urteil Vaditrans (Rn. 45).

( 205 ) Urteil Vaditrans (Rn. 46 und 47).

( 206 ) Urteil Vaditrans (Rn. 44).

( 207 ) Urteil Vaditrans (Rn. 44).

( 208 ) Urteil Vaditrans (Rn. 44 und 45).

( 209 ) Urteil Vaditrans (Rn. 42).

( 210 ) Urteil Vaditrans (Rn. 44). Siehe Nr. 379 der vorliegenden Schlussanträge. Vgl. auch Beschluss der Vizepräsidentin des Gerichtshofs vom 13. April 2021, Litauen/Parlament und Rat (C‑541/20 R, EU:C:2021:264, Rn. 38).

( 211 ) Vgl. Art. 8 Abs. 6 der Verordnung Nr. 561/2006 in der durch die Verordnung 2020/1054 geänderten Fassung.

( 212 ) Nach dieser Bestimmung erhält Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 561/2006 folgende Fassung: „(1) Die Mitgliedstaaten erlassen Vorschriften über Sanktionen für Verstöße gegen die vorliegende Verordnung … und treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um deren Anwendung zu gewährleisten. Diese Sanktionen müssen wirksam und verhältnismäßig zum Schweregrad der Verstöße gemäß Anhang III der Richtlinie 2006/22/EG … sein. Kein Verstoß gegen die vorliegende Verordnung … darf mehrmals Gegenstand von Sanktionen oder Verfahren sein. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission diese Maßnahmen und Regeln sowie das Verfahren und die Kriterien, die auf einzelstaatlicher Ebene zur Bewertung der Verhältnismäßigkeit herangezogen wurden, mit. Die Mitgliedstaaten teilen etwaige spätere Änderungen daran, die Auswirkungen darauf haben, unverzüglich mit. Die Kommission informiert die Mitgliedstaaten über diese Regeln und Maßnahmen sowie über etwaige Änderungen. Die Kommission stellt sicher, dass diese Informationen in allen Amtssprachen der Union auf einer eigens hierfür eingerichteten öffentlichen Internetseite veröffentlicht werden, die detaillierte Informationen über die in den Mitgliedstaaten geltenden Sanktionen enthält.“

( 213 ) Vgl. Vorschlag für eine Arbeitszeitverordnung, Art. 1 Abs. 5 Buchst. c, in Nr. 11 der vorliegenden Schlussanträge angeführt.

( 214 ) Vgl. u. a. Urteil vom 20. Dezember 2017, Erzeugerorganisation Tiefkühlgemüse (C‑516/16, EU:C:2017:1011, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 215 ) Der Begriff „Fahrer“ wird in Art. 4 Buchst. c der Verordnung Nr. 561/2006 definiert.

( 216 ) Urteil Vaditrans (Rn. 44). Vgl. ebenso Nr. 379 der vorliegenden Schlussanträge. Vgl. auch Beschluss der Vizepräsidentin des Gerichtshofs vom 13. April 2021, Litauen/Parlament und Rat (C‑541/20 R, EU:C:2021:264, Rn. 38).

( 217 ) Siehe Nr. 80 der vorliegenden Schlussanträge.

( 218 ) Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Teil 1/2, S. 39.

( 219 ) Nach Art. 3 Abs. 4 der Verordnung Nr. 165/2014 in Verbindung mit Art. 6 Satz 3 der Durchführungsverordnung 2016/799 mussten Fahrzeuge, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem Zulassungsmitgliedstaat betrieben werden, ursprünglich innerhalb einer Frist von 15 Jahren nach dem Inkrafttreten der in Anhang IC dieser Durchführungsverordnung festgelegten Modalitäten für intelligente Fahrtenschreiber am 15. Juni 2019, d. h. bis spätestens 15. Juni 2034, mit einem intelligenten Fahrtenschreiber, der in den Art. 8 bis 10 der Verordnung Nr. 165/2014 geregelt wird, ausgestattet sein.

( 220 ) Durchführungsverordnung (EU) 2021/1228 der Kommission vom 16. Juli 2021 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) 2016/799 (ABl. 2021, L 273, S. 1).

( 221 ) Durchführungsverordnung (EU) 2023/980 der Kommission vom 16. Mai 2023 zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) 2016/799 (ABl. 2023, L 134, S. 28).

( 222 ) Kommission, „Study regarding measures fostering the implementation of the smart tachograph“, 2018, S. 9.

( 223 ) Europäisches Parlament (EPRS): Retrofitting smart tachographs by 2020: Costs and benefits (Nachrüsten von intelligenten Fahrtenschreibern bis 2020: Kosten und Vorteile), 2. Februar 2018 (https://www.europarl.europa.eu/thinktank/fr/document.html?reference=EPRS_STU%282018%29615643), S. 7.

( 224 ) Vgl. Schreiben der Kommission an den Rat vom 4. Oktober 2018, Anlage B4 in der Rechtssache C‑551/20.

( 225 ) Siehe Fn. 219 der vorliegenden Schlussanträge.

( 226 ) Urteile vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 153), und vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat (C‑5/16, EU:C:2018:483, Rn. 100 und 110).

( 227 ) Urteile vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 153) und vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat (C‑5/16, EU:C:2018:483, Rn. 111).

( 228 ) Urteil vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat (C‑5/16, EU:C:2018:483, Rn. 112).

( 229 ) Vgl. Urteil vom 20. Dezember 2017, Global Starnet (C‑322/16, EU:C:2017:985, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 230 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Dezember 2017, Global Starnet (C‑322/16, EU:C:2017:985, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 231 ) Vgl. u. a. Urteil vom 8. September 2022, Ministerstvo životního prostředí (Papageien Hyazinth-Ara) (C‑659/20, EU:C:2022:642, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 232 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 1988, Spanien/Rat (203/86, EU:C:1988:420, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 233 ) Dieser Artikel sieht als Ausnahmen Art. 1 Nr. 15 und Art. 2 Nr. 12 vor, die erst ab dem 31. Dezember 2024 gelten. Diese beiden Bestimmungen sind nicht Gegenstand der in den vorliegenden Rechtssachen erhobenen Klagen.

( 234 ) Nach diesen beiden genannten Organen würde nur der verschobene Zeitpunkt für die beiden in der vorstehenden Fußnote der vorliegenden Schlussanträge angeführten Bestimmungen auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der gesamten Verordnung vorgezogen.

( 235 ) Beschluss der Vizepräsidentin des Gerichtshofs vom 13. April 2021, Litauen/Parlament und Rat (C‑541/20 R, EU:C:2021:264, Rn. 31).

( 236 ) Urteil Vaditrans (Rn. 44).

( 237 ) Vgl. u. a. Urteil vom 15. Juli 2021, Kommission/Landesbank Baden-Württemberg und SRB (C‑584/20 P und C‑621/20 P, EU:C:2021:601, Rn. 104 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 238 ) Siehe Nr. 394 der vorliegenden Schlussanträge.

( 239 ) Vgl. Urteil vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat (C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 73 bis 75).

( 240 ) Vgl. Urteil vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat (C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 76).

( 241 ) Diese Bestimmung, die den Anforderungen für die Ausübung des Berufs des Kraftverkehrsunternehmers gewidmet ist, sieht vor, dass „Unternehmen, die den Beruf des Kraftverkehrsunternehmers ausüben, … über eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung in einem Mitgliedstaat verfügen [müssen]“.

( 242 ) Dieser Klagegrund in der Rechtssache C‑545/20 wird von der Republik Bulgarien sowohl im Hinblick auf Art. 1 Nr. 3 als auch auf Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgebracht. Aus Gründen der Verfahrensökonomie werde ich ihn nur hier prüfen, wobei die Schlussfolgerungen aus meiner Analyse im Hinblick auf Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 sinngemäß für Art. 2 Nr. 4 Buchst. a dieser Verordnung gelten.

( 243 ) Urteil vom 16. Juli 1992, Parlament/Rat (C‑65/90, EU:C:1992:325).

( 244 ) Urteil vom 16. Juli 1992, Parlament/Rat (C‑65/90, EU:C:1992:325).

( 245 ) COM(2018) 51 final vom 31. Januar 2018.

( 246 ) Die Republik Zypern hat in ihrer Klage C‑549/20 Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 nicht angefochten, so dass ihr Klagegrund einer Verletzung wesentlicher Formvorschriften nach Art. 91 Abs. 1 AEUV ausschließlich die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen betrifft.

( 247 ) Siehe Nr. 10 der vorliegenden Schlussanträge.

( 248 ) ABl. 2018, C 197, S. 38.

( 249 ) ABl. 2018, C 176, S. 57.

( 250 ) Vgl. AdR, Practical guide on the infringement of the subsidiarity principle, abrufbar unter https://portal.cor.europa.eu/subsidiarity/Publications/Documents/Guide%20on%20SubsidiarityFINAL.pdf.

( 251 ) Vgl. Art. 56 und 57 der Geschäftsordnung des AdR (ABl. 2014, L 65, S. 41 in ihrer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung [EU] 2020/1055 geltenden Fassung).

( 252 ) Vgl. Art. 59 der Geschäftsordnung des AdR in ihrer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung 2020/1055 geltenden Fassung.

( 253 ) Urteil vom 16. Juli 1992 (C‑65/90, EU:C:1992:325).

( 254 ) Urteil vom 5. Juli 1995 (C‑21/94, EU:C:1995:220).

( 255 ) Urteil vom 5. Juli 1995, Parlament/Rat (C‑21/94, EU:C:1995:220, Rn. 17 und 18).

( 256 ) Vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 17. März 2004, Kommission/Rat (C‑176/03, EU:C:2004:158, Rn. 9 bis 11).

( 257 ) Vgl. Rn. 1.1 der Stellungnahme des EWSA vom 18. Januar 2018.

( 258 ) Vgl. Rn. 1.4 und 3.2 der Stellungnahme des EWSA vom 18. Januar 2018.

( 259 ) Vgl. Rn. 1.6 der Stellungnahme des EWSA vom 18. Januar 2018.

( 260 ) Vgl. Rn. 5.2 der Stellungnahme des EWSA vom 18. Januar 2018.

( 261 ) Vgl. Rn. 5.2 der Stellungnahme des EWSA vom 18. Januar 2018.

( 262 ) Vgl. Rn. 5.2 der Stellungnahme des EWSA vom 18. Januar 2018.

( 263 ) Vgl. u. a. Rn. 6 bis 8 der Stellungnahme des AdR vom 1. Februar 2018.

( 264 ) Vgl. Rn. 9 der Stellungnahme des AdR vom 1. Februar 2018.

( 265 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 5. Juli 1995, Parlament/Rat (C‑21/94, EU:C:1995:220, Rn. 27). Anders verhielte es sich, wenn im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eine Rechtsgrundlage hinzugefügt wird, die es in vollem Umfang rechtfertigt, den EWSA erneut anzuhören, so wie es, wie die Republik Bulgarien und die Republik Zypern ausgeführt haben, beim Erlass der Verordnung (EU) 2021/2282 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2021 über die Bewertung von Gesundheitstechnologien und zur Änderung der Richtlinie 2011/24/EU (ABl. 2021, L 458, S. 1) der Fall war. Für beide Stellungnahmen dieses Ausschusses im selben Gesetzgebungsverfahren vgl. ABl. 2018, C 283, S. 38 und ABl. 2021, C 286, S. 95.

( 266 ) Vgl. insoweit Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 12. Dezember 2019 (EUCO 29/19 CO EUR 31 CONCL 9).

( 267 ) Europäischer Grüner Deal, Ziffer 2.1.5.

( 268 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 2021 zur Schaffung des Rahmens für die Verwirklichung der Klimaneutralität und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 401/2009 und (EU) 2018/1999 („Europäisches Klimagesetz“) (ABl. 2021, L 243, S. 1).

( 269 ) Vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament gemäß Art. 294 Abs. 6 AEUV betreffend den Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009, der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 im Hinblick auf ihre Anpassung an die Entwicklungen im Kraftverkehrssektor, einer Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 hinsichtlich der Mindestanforderungen in Bezug auf die maximalen täglichen und wöchentlichen Lenkzeiten, Mindestfahrtunterbrechungen sowie täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten und der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 in Bezug auf die Positionsbestimmung mittels Fahrtenschreibern sowie einer Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2006/22/EG bezüglich der Durchsetzungsanforderungen und zur Festlegung spezifischer Regeln im Zusammenhang mit der Richtlinie 96/71/EG und der Richtlinie 2014/67/EU für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 (COM[2020] 151 final).

( 270 ) Mobilitätspaket I zum Straßenverkehr – Erklärung der Kommission (ABl. 2020, C 252, S. 1).

( 271 ) Assessment of the impact of a provision in the context of the revision of Regulation (EC) no 1071/2009 and Regulation (EC) no 1072/2009, Final report [Folgenabschätzung zu einer Bestimmung im Zusammenhang mit der Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 und der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009, Abschlussbericht], MOVE/C1/SER/2050-557/SI2.830443 (im Folgenden: Ricardo-Studie von 2021“).

( 272 ) D. h., laut der Republik Litauen, Litauen, Polen, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Lettland und Estland. Die Republik Litauen trägt vor, dass der Lastkraftwagenbestand dieser sieben Mitgliedstaaten zusätzliche 3,2 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr ausstieße und dass 570000 Lastkraftwagen ohne Ladung alle acht Wochen an ihre Basis zurückkehren müssten, was 780 Mio. Leerkilometer und 188 Mio. Liter Kraftstoff, der jedes Jahr unnötig verbraucht werde, entspreche. Die Republik Litauen stützt sich hier auf Zahlen, die in einem auf der Website www.trans.info veröffentlichten Artikel erschienen sind.

( 273 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Festlegung verbindlicher nationaler Jahresziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2021 bis 2030 als Beitrag zu Klimaschutzmaßnahmen zwecks Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen von Paris sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 525/2013 (ABl. 2018, L 156, S. 26).

( 274 ) Vgl. die Erklärungen der Kommission und der Mitgliedstaaten betreffend die zusätzliche Einigung zwischen dem Rat und dem Parlament über das Mobilitätspaket I, wiedergegeben im Dokument des Rates vom 11. Februar 2020 (ST 5424 2020 ADD 4, S. 2).

( 275 ) Die Republik Malta stützt sich hier auf die angegebenen Prognosen über die Auswirkungen der Rechtsvorschriften der Union, die zum Zeitpunkt der Annahme der Mitteilung der Kommission vom 28. November 2018„Ein sauberer Planet für alle – Eine Europäische strategische, langfristige Vision für eine wohlhabende, moderne, wettbewerbsfähige und klimaneutrale Wirtschaft“ (COM[2018] 773 final, S. 5 bis 6) galten.

( 276 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (ABl. 2008, L 312, S. 3).

( 277 ) Die Republik Polen verweist hier auf das Urteil vom 10. September 2019, Polen/Kommission (T‑883/16, EU:T:2019:567, Rn. 77 und 78).

( 278 ) Vgl. Rn. 48 der Erwiderung in der Rechtssache C‑554/20, Polen/Parlament und Rat.

( 279 ) Das Vorbringen der Republik Malta zu Art. 91 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta wird in diesem Teil nicht behandelt.

( 280 ) Vgl. Urteil vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat (C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 129 bis 131). Eine Bestimmung, die als mit Art. 191 AEUV vereinbar angesehen wird, wird notwendigerweise als mit Art. 37 der Charta vereinbar angesehen: vgl. Urteil vom 21. Dezember 2016, Associazione Italia Nostra Onlus (C‑444/15, EU:C:2016:978, Rn. 61 bis 64).

( 281 ) Insbesondere in Rn. 30 seiner Klagebeantwortung in der Rechtssache C‑542/20.

( 282 ) Siehe Nr. 304 der vorliegenden Schlussanträge.

( 283 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 23. November 1999, Portugal/Rat (C‑149/96, EU:C:1999:574, Rn. 86). Vgl. auch Urteil vom 26. Juni 2019, Craeynest u. a. (C‑723/17, EU:C:2019:533, Rn. 33).

( 284 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 11. März 1992, Compagnie commerciale de l’Ouest u. a. (C‑78/90 bis C‑83/90, EU:C:1992:118, Rn. 18).

( 285 ) Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed in der Rechtssache Österreich/Parlament und Rat (C‑161/04, EU:C:2006:66, Nrn. 59 und 60).

( 286 ) Vgl. Streichungsbeschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 6. September 2006, Österreich/Parlament und Rat (C‑161/04, EU:C:2006:512).

( 287 ) Vgl. u. a. Urteile vom 13. September 2005, Kommission/Rat (C‑176/03, EU:C:2005:542, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 15. November 2005, Kommission/Österreich (C‑320/03, EU:C:2005:684, Rn. 72), vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission (C‑487/06 P, EU:C:2008:757, Rn. 91), vom 16. Juli 2009, Horvath (C‑428/07, EU:C:2009:458, Rn. 29) sowie vom 21. Dezember 2011, Kommission/Österreich (C‑28/09, EU:C:2011:854, Rn. 120).

( 288 ) Vgl. u. a. Urteile vom 13. September 2005, Kommission/Rat (C‑176/03, EU:C:2005:542, Rn. 42), vom 15. November 2005, Kommission/Österreich (C‑320/03, EU:C:2005:684, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 21. Dezember 2011, Kommission/Österreich (C‑28/09, EU:C:2011:854, Rn. 121).

( 289 ) Vgl. Urteil vom 16. Juli 2009, Horvath (C‑428/07, EU:C:2009:458, Rn. 29).

( 290 ) Vgl. Urteil vom 15. April 2021, Niederlande/Rat und Parlament (C‑733/19, EU:C:2021:272, Rn. 46).

( 291 ) Urteil vom 22. September 2020, Österreich/Kommission (C‑594/18 P, EU:C:2020:742, Rn. 42 und 100). Zu Art. 11 AEUV hat der Gerichtshof entschieden, dass „die Union … diese Bestimmung … beachten [muss], wenn sie eine ihrer Zuständigkeiten ausübt“ (Urteil vom 20. November 2018, Kommission/Rat [Meeresschutzzone Antarktis] [C‑626/15 und C‑659/16, EU:C:2018:925, Rn. 101]), ohne jedoch die dem Gesetzgeber insoweit obliegende Verpflichtung näher zu erläutern.

( 292 ) Zu dem, was Art. 11 AEUV nicht vorschreibt, vgl. Urteil vom 15. April 2021, Niederlande/Rat und Parlament (C‑733/19, EU:C:2021:272, Rn. 49).

( 293 ) Die Überschrift dieses dritten Teils bezieht sich, um genau zu sein, auf die internen Politiken und Maßnahmen der Union.

( 294 ) Siehe Nr. 308 der vorliegenden Schlussanträge.

( 295 ) Vgl. z. B. Urteil vom 15. April 2021, Niederlande/Rat und Parlament (C‑733/19, EU:C:2021:272, Rn. 50).

( 296 ) Ich möchte klarstellen, dass ich in diesem Stadium der Prüfung nicht auf die Diskussion über die Zahlen im Zusammenhang mit den potenziellen oder tatsächlichen zusätzlichen Emissionen eingehen werde, die die Verpflichtung zur Rückkehr mit sich bringt, da dies erstens für die Prüfung des Vorbringens, mit dem ein Verstoß gegen die Umweltpolitik der Union geltend gemacht wird, nicht erforderlich ist und zweitens diese Diskussion gegebenenfalls bei der Behandlung des Vorbringens zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu behandeln sein wird.

( 297 ) Vgl. erster Erwägungsgrund der Verordnung 2018/842. Zu den Zielen des Unionsgesetzgebers für den Verkehrssektor vgl. zwölfter Erwägungsgrund dieser Verordnung.

( 298 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 über Arsen, Kadmium, Quecksilber, Nickel und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe in der Luft (ABl. 2005, L 23, S. 3) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 219/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 (ABl. 2009, L 87, S. 109) und die Richtlinie (EU) 2015/1480 der Kommission vom 28. August 2015 (ABl. 2015, L 226, S. 4) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2004/107).

( 299 ) Vgl. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/107.

( 300 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. 2008, L 152, S. 1) in der durch die Richtlinie (EU) 2015/1480 der Kommission vom 28. August 2015 (ABl. 2015, L 226, S. 4) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2008/50).

( 301 ) Vgl. Art. 1 der Richtlinie 2008/50.

( 302 ) Zuletzt geändert durch die Richtlinie (EU) 2018/851 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 (ABl. 2018, L 150, S. 109).

( 303 ) Vgl. Art. 1 der Richtlinie 2008/98 in der durch die Richtlinie 2008/851 geänderten Fassung.

( 304 ) ABl. 1999, L 187, S. 42.

( 305 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2011 zur Änderung der Richtlinie 1999/62 (ABl. 2011, L 269, S. 1).

( 306 ) Vgl. erster Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/76.

( 307 ) Vgl. zweiter Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/76.

( 308 ) Vgl. dritter Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/76.

( 309 ) Vgl. siebter Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/76.

( 310 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Festsetzung von CO2-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und für neue leichte Nutzfahrzeuge und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 443/2009 und (EU) Nr. 510/2011 (ABl. 2019, L 111, S. 13).

( 311 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Festlegung von CO2-Emissionsnormen für neue schwere Nutzfahrzeuge und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 595/2009 und (EU) 2018/956 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Richtlinie 96/53/EG des Rates (ABl. 2019, L 198, S. 202). Vgl. auch zur Verbesserung der Energieeffizienz dieser Fahrzeuge die Verordnung (EU) 2019/1892 der Kommission vom 31. Oktober 2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1230/2012 hinsichtlich der Anforderungen an die Typgenehmigung bestimmter Kraftfahrzeuge mit verlängerten Führerhäusern und aerodynamischer Luftleiteinrichtungen und Ausrüstungen für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger (ABl. 2019, L 291, S. 17), insbesondere ihren sechsten Erwägungsgrund.

( 312 ) Vgl. Richtlinie 2009/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über die Förderung sauberer Straßenfahrzeuge zur Unterstützung einer emissionsarmen Mobilität (ABl. 2009, L 120, S. 5) in der durch die Richtlinie (EU) 2019/1161 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 (ABl. 2019, L 1888, S. 116) geänderten Fassung.

( 313 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 2020 über die Kennzeichnung von Reifen in Bezug auf die Kraftstoffeffizienz und andere Parameter, zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/1369 und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1222/2009 (ABl. 2020, L 177, S. 1).

( 314 ) Vgl. vierter Erwägungsgrund der Verordnung 2020/740.

( 315 ) Vgl. sechster Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055.

( 316 ) Vgl. sechster Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055.

( 317 ) Vgl. sechster Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055.

( 318 ) Vgl. zu Art. 130r und 130s EG-Vertrag Urteil vom 24. November 1993, Mondiet (C‑405/92, EU:C:1993:906, Rn. 26), und Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in den verbundenen Rechtssachen Kommission/Rat (Meeresschutzzone Antarktis) (C‑626/15 und C‑659/16, EU:C:2018:362, Nr. 88).

( 319 ) Vgl. entsprechend Urteile vom 21. Dezember 2016, Associazione Italia Nostra Onlus (C‑444/15, EU:C:2016:978, Rn. 46), und vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a. (C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 50).

( 320 ) Vgl. Urteile vom 18. Juli 2013, Schindler Holding u. a./Kommission (C‑501/11 P, EU:C:2013:522, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 80).

( 321 ) Vgl. Urteil vom 6. September 2017, Slowakei und Ungarn/Rat (C‑643/15 und C‑647/15, EU:C:2017:631, Rn. 221).

( 322 ) Vgl. Art. 192 Abs. 1 AEUV.

( 323 ) Zur Erinnerung: Diese Bestimmung sieht vor, dass Maßnahmen, welche die Wahl eines Mitgliedstaats zwischen verschiedenen Energiequellen und die allgemeine Struktur seiner Energieversorgung erheblich berühren, einstimmig beschlossen werden müssen.

( 324 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in den verbundenen Rechtssachen Kommission/Rat (Meeresschutzzone Antarktis) (C‑626/15 und C‑659/16, EU:C:2018:362, Nr. 88) und Urteil vom 15. April 2021, Niederlande/Rat und Parlament (C‑733/19, EU:C:2021:272, Rn. 48).

( 325 ) Ungarn beruft sich auf ein Vorsorgeprinzip, einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, den es insgesamt aus Art. 11 AEUV, Art. 168 Abs. 1 AEUV, Art. 169 Abs. 1 und 2 AEUV und Art. 191 Abs. 1 und 2 AEUV herleite. Ich werde daher keine getrennte Prüfung der Art. 168 und 169 AEUV vornehmen.

( 326 ) Vgl. Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a. (C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 327 ) Vgl. Urteil vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a. (C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 328 ) Vgl. Urteil vom 1. Oktober, Blaise u. a. (C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 50).

( 329 ) Vgl. Urteil vom 9. Juni 2016, Pesce u. a. (C‑78/16 und C‑79/16, EU:C:2016:428, Rn. 50).

( 330 ) Vgl. Urteil vom 12. Juli 2005, Alliance for Natural Health u. a. (C‑154/04 und C‑155/04, EU:C:2005:449, Rn. 68).

( 331 ) Das Vorbringen der Republik Bulgarien und der Republik Zypern hat sich im Laufe des schriftlichen Verfahrens etwas geändert (vgl. Rn. 8 der Erwiderung in der Rechtssache C‑545/20 und Rn. 10 der Erwiderung in der Rechtssache C‑549/20).

( 332 ) ABl. 2016, L 282, S. 1.

( 333 ) Vgl. Art. 2 Abs. 1 Buchst. a des Übereinkommens von Paris.

( 334 ) Vgl. Urteile vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 11. April 2013, HK Danmark (C‑335/11 und C‑337/11, EU:C:2013:222, Rn. 28), vom 18. März 2014, Z. (C‑363/12, EU:C:2014:159, Rn. 71), vom 13. Januar 2015, Rat u. a./Vereniging Milieudefensie et Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht (C‑401/12 P bis C‑403/12 P, EU:C:2015:4, Rn. 52), vom 13. Januar 2015, Rat und Kommission/Stichting Natuur en Milieu und Pesticide Action Network Europe (C‑404/12 P und C‑405/12 P, EU:C:2015:5, Rn. 44), vom 8. September 2020, Recorded Artists Actors Performers (C‑265/19, EU:C:2020:677, Rn. 62), sowie vom 3. Dezember 2020, Région de Bruxelles-Capitale/Kommission (C‑352/19 P, EU:C:2020:978, Rn. 25).

( 335 ) Das Übereinkommen von Paris trat am 4. November 2016 in Kraft.

( 336 ) Vgl. Urteil vom 13. Januar 2015, Rat u. a./Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht (C‑401/12 P bis C‑403/12 P, EU:C:2015:4, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 337 ) Vgl. Urteil vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 52 bis 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 338 ) Vgl. vierter Erwägungsgrund des Beschlusses 2016/1841.

( 339 ) Vgl. Art. 2 Abs. 1 des Übereinkommens von Paris im Anhang des Beschlusses 2016/1841.

( 340 ) Siehe Nr. 575 der vorliegenden Schlussanträge.

( 341 ) Vgl. Art. 2 Abs. 1 Buchst. c des Übereinkommens von Paris im Anhang des Beschlusses 2016/1841.

( 342 ) Vgl. Art. 2 Abs. 2 des Übereinkommens von Paris im Anhang des Beschlusses 2016/1841.

( 343 ) Art. 3 des Übereinkommens von Paris im Anhang des Beschlusses 2016/1841.

( 344 ) Art. 4 Abs. 1 des Übereinkommens von Paris im Anhang des Beschlusses 2016/1841.

( 345 ) Art. 4 Abs. 2 des Übereinkommens von Paris im Anhang des Beschlusses 2016/1841.

( 346 ) Diese Gründe sind denjenigen relativ ähnlich, mit denen der Gerichtshof die Möglichkeit verneint hat, sich im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens zur Prüfung der Gültigkeit auf das Kyoto-Protokoll zu berufen: vgl. Urteil vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 73 bis 78).

( 347 ) Vgl. Urteil vom 15. April 2021, Niederlande/Rat und Parlament (C‑733/19, EU:C:2021:272, Rn. 44).

( 348 ) Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat (C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 119).

( 349 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2017, Elecdey Carcelen u. a. (C‑215/16, C‑216/16, C‑220/16 und C‑221/16, EU:C:2017:705, Rn. 40).

( 350 ) Vgl. Urteil vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat (C‑5/16, EU:C:2018:483, Rn. 86).

( 351 ) Vgl. Abs. 2 der Erklärung von Kommissionsmitglied Vălean vom 9. Juli 2020 zur endgültigen Annahme des Mobilitätspakets I durch das Europäische Parlament.

( 352 ) Nämlich Deutschland, Frankreich, das Vereinigte Königreich, Spanien, Italien, die Niederlande und Belgien.

( 353 ) Weißbuch „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ (KOM[2011] 144 endgültig vom 28. März 2011).

( 354 ) Urteil vom 13. November 1990 (C‑331/88, EU:C:1990:391).

( 355 ) Siehe Nrn. 667 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

( 356 ) Siehe Nr. 597 der vorliegenden Schlussanträge.

( 357 ) Vgl. Rn. 131 der Klageschrift in der Rechtssache C‑547/20.

( 358 ) Vgl. Art. 2 Nr. 4 der Verordnung Nr. 1071/2009.

( 359 ) Vgl. achter Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055.

( 360 ) Im Übrigen hat die Republik Litauen nicht angegeben, welche Bestimmung des Beitrittsvertrags ihrer Ansicht nach die Aufhebung aller Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs durch litauische Verkehrsunternehmen in anderen Mitgliedstaaten innerhalb von fünf Jahren gewährleistet. Wie das Parlament zu Recht ausgeführt hat, sah dieser Vertrag nicht vor, dass die Republik Litauen in den Genuss einer Ausnahmeregelung kommen und von der Anwendung des abgeleiteten Rechts auf dem Gebiet des Verkehrs befreit wäre. Ich füge hinzu, dass zum Zeitpunkt des Beitritts Litauens zur Union bereits Art. 71 Abs. 1 EG u. a. die Besonderheiten des Verkehrs und die unterschiedliche Behandlung der gebietsfremden Verkehrsunternehmer hervorhob.

( 361 ) Siehe Nr. 584 der vorliegenden Schlussanträge.

( 362 ) Urteil vom 17. Juli 1997, SAM Schiffahrt und Stapf (C‑248/95 und C‑249/95, EU:C:1997:377, Rn. 55).

( 363 ) Vgl. Urteil vom 26. September 2013, ÖBB-Personenverkehr (C‑509/11, EU:C:2013:613, Rn. 47).

( 364 ) In der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung wurde bereits auf eine solche Asymmetrie im Fall der Stärkung der Niederlassungskriterien hingewiesen (vgl. Teil 1/2, S. 37).

( 365 ) Urteil vom 13. November 1990, Fedesa u. a. (C‑331/88, EU:C:1990:391, Rn. 19 und 20).

( 366 ) Die Rechtmäßigkeit der Anpassung der Regelung an die Entwicklung des Kontexts, in dem sie ihre Wirkungen entfaltet, kann nicht in Frage gestellt werden. Somit ist allgemein bekannt, dass die Beteiligung von Unternehmen aus Mitgliedstaaten, in denen im Allgemeinen Arbeits‑ und Beschäftigungsbedingungen gelten, die sich von denen in den anderen Mitgliedstaaten unterscheiden, am Verkehrsmarkt infolge der schrittweisen Erweiterungen nach seiner Beurteilung ein Tätigwerden des Unionsgesetzgebers erforderlich machen kann (vgl. Urteil vom 8. Dezember 2020, Polen/Parlament und Rat (C‑626/18, EU:C:2020:1000, Rn. 67). Zur Notwendigkeit, die Situation aller Mitgliedstaaten der Union zu berücksichtigen, vgl. u. a. Urteil vom 29. Mai 2018, Liga van Moskeeën en Islamitische Organisaties Provincie Antwerpen u. a. (C‑426/16, EU:C:2018:335, Rn. 74).

( 367 ) Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat (C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 128).

( 368 ) Vgl. die Definition dieser beiden Kategorien in der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 1/2, S. 1, Fn. 3.

( 369 ) Vgl. Ricardo-Studie von 2021, S. XI und 91.

( 370 ) Vgl. Ricardo-Studie von 2021, S. XI und 91.

( 371 ) Vgl. Ricardo-Studie von 2021, S. 6.

( 372 ) Der Rat und das Parlament halten diese Rüge, wie sie die Republik Litauen in der Rechtssache C‑542/20 vorgetragen hat, für unzulässig, da sie nämlich erst im Stadium der Erwiderung zutage getreten sei. Selbst wenn sie für unzulässig erklärt würde, müsste der Gerichtshof eine gleichartige Rüge prüfen, da sie auch von der Republik Bulgarien und der Republik Zypern geltend gemacht wird.

( 373 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 13. November 1990, Fedesa u. a. (C‑331/88, EU:C:1990:391, Rn. 20).

( 374 ) Vgl. die Klageschrift in der Rechtssache C‑542/20, insbesondere den Klagegrund eines ungerechtfertigten Verstoßes gegen das ordentliche Gesetzgebungsverfahren durch das Fehlen einer Folgenabschätzung.

( 375 ) Vgl. Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 1/2.

( 376 ) IRU, „Open letter on the potential consequences of obligatory return of the truck“, 26. Oktober 2018.

( 377 ) Anlage 9 zur Klageschrift in der Rechtssache C‑551/20.

( 378 ) Die Republik Malta bezieht sich hier auf die Erklärung von Kommissionsmitglied Vălean.

( 379 ) Die Republik Polen nennt hier das Urteil vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 85).

( 380 ) Urteil vom 3. Dezember 2019 (C‑482/17, EU:C:2019:1035).

( 381 ) Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 1/2, S. 37.

( 382 ) Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 1/2, S. 49.

( 383 ) Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 1/2, S. 20 und 21.

( 384 ) Der Rat zieht eine Parallele zum Urteil vom 4. Mai 2016, Pillbox 38 (C‑477/14, EU:C:2016:324, Rn. 66).

( 385 ) Als Reaktion, laut dem Rat, auf den Bericht des Europäischen Parlaments vom 7. Juni 2018 über den Vorschlag für eine Niederlassungsverordnung, der die Verpflichtung aller Fahrzeuge vorsah, alle drei Wochen im Mitgliedstaat der Niederlassung mindestens eine Be- oder Entladung von Gütern vorzunehmen (vgl. Änderungsantrag 18 des Berichts A8-0204/2018).

( 386 ) IRU, „Open letter on the potential consequences of obligatory return of the truck“, 26. Oktober 2016.

( 387 ) Klaus, P., Mobility Package I – Impact on the European road transport system (vgl. u. a. Anlage D.3 der Gegenerwiderung des Rates in der Rechtssache C‑542/20).

( 388 ) Abrufbar unter https://www.etf-europe.org/vehicle-activity-in-the-home-country-the-real-problem/.

( 389 ) Vgl. Nr. 13 der Interinstitutionellen Vereinbarung.

( 390 ) Vgl. Urteil vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 82).

( 391 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Tschechien/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:321, Nr. 98).

( 392 ) Vgl. Urteile vom 8. Juli 2010, Afton Chemical (C‑343/09, EU:C:2010:419, Rn. 57), und vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat (C‑5/16, EU:C:2018:483, Rn. 159).

( 393 ) Vgl. Urteil vom 4. Mai 2016, Pillbox 38 (C‑477/14, EU:C:2016:324, Rn. 64 und 65).

( 394 ) Urteil vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat (C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 43).

( 395 ) Urteil vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 85).

( 396 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat (C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 45).

( 397 ) Vgl. Urteil vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat (C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 398 ) Vgl. Urteile vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat (C‑5/16, EU:C:2018:483, Rn. 160 bis 163), und vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 399 ) Vgl. Art. 1 Nr. 3 des Vorschlags für eine Niederlassungsverordnung zum Vergleich.

( 400 ) Folgenabschätzung – Teil Niederlassung. Dies wird von der Kommission in ihrer Erklärung im Anschluss an die politische Einigung, zu der das Parlament und der Rat am 12. Dezember 2019 gelangt sind, bestätigt, die auch in der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament gemäß Art. 294 Abs. 6 AEUV betreffend den Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Verordnung 2020/1055 (COM[2020] 151 final vom 15. April 2020, S. 7) wiedergegeben wird.

( 401 ) Siehe Nr. 241 der vorliegenden Schlussanträge.

( 402 ) Vgl. Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, S. 30 und 31.

( 403 ) Vgl. S. 36 in Abschnitt 5.1.1 „Impacts on business“, gewidmet dem „policy package 3“, zu dem die fraglichen Maßnahmen der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung gehören, und allgemeiner Teil 5 dieser Folgenabschätzung.

( 404 ) Siehe Abänderung 128 der legislativen Entschließung des Europäischen Parlaments vom 4. April 2019 zu dem Vorschlag für eine Niederlassungsverordnung (Dokument P8_TA-PROV[2019]0341). Mit diesem Änderungsantrag wurde die Einfügung eines Art. 5 Buchst. aa in die Verordnung Nr. 1071/2009 vorgeschlagen, der vorschrieb, dass mit den Fahrzeugen im Rahmen eines Beförderungsvertrags alle drei Wochen im Mitgliedstaat der Niederlassung mindestens eine Be- oder Entladung von Gütern vorgenommen wird. Siehe auch den Bericht des Parlaments vom 7. Juni 2018 (Dokument A8-0204-2018).

( 405 ) Vgl. Teil 6 der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 1/2.

( 406 ) Siehe Nr. 253 der vorliegenden Schlussanträge.

( 407 ) Abgerufen unter https://www.etf-europe.org/vehicle-activity-in-the-home-country-the-real-problem/.

( 408 ) Da ein Teil der Rügen hier behandelt worden ist.

( 409 ) Nach den Angaben von Eurostat zum Umfang des Frachtverkehrs im Vergleich zum BIP pro Land (2018).

( 410 ) Die Republik Litauen bezieht sich hier auf die Ricardo-Studie von 2021.

( 411 ) Die Republik Bulgarien macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV und Art. 94 AEUV geltend, in dem sie eine gemeinsame Argumentation gegen Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 und Art. 2 Nr. 4 Buchst. a dieser Verordnung vorträgt.

( 412 ) In Bezug auf die letztgenannte Bestimmung macht Ungarn geltend, dass es sich bei Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 um eine Maßnahme in Bezug auf die „Beförderungsbedingungen“ handele.

( 413 ) Was das Vorbringen betrifft, das Fehlen einer Folgenabschätzung stelle einen Verstoß gegen die in Art. 91 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta vorgesehenen wesentlichen Formvorschriften dar, verweise ich auf Nr. 561 der vorliegenden Schlussanträge.

( 414 ) Siehe Nr. 645 der vorliegenden Schlussanträge.

( 415 ) Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte – Für eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft – 50 Vorschläge, um gemeinsam besser zu arbeiten, zu unternehmen und Handel zu treiben“ (KOM[2010] 608 endgültig).

( 416 ) Siehe Nrn. 36 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

( 417 ) Hervorhebung nur hier.

( 418 ) Siehe Nr. 149 der vorliegenden Schlussanträge.

( 419 ) Vgl. z. B. Urteil vom 23. Februar 2006, CLT‑UFA (C‑253/03, EU:C:2006:129, Rn. 13).

( 420 ) Vgl. Urteil vom 8. Oktober 1986, Keller (234/85, EU:C:1986:377, Rn. 9).

( 421 ) Siehe Nr. 167 der vorliegenden Schlussanträge.

( 422 ) Vgl. zu Art. 56 AEUV Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat (C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 107).

( 423 ) Vgl. entsprechend Urteile vom 21. September 1999, BASF (C‑44/98, EU:C:1999:440, Rn. 16), und vom 17. September 2020, Hidroelectrica (C‑648/18, EU:C:2020:723, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 424 ) D. h. die in Art. 5 Buchst. e der Verordnung Nr. 1071/2009 definierten, nämlich entsprechend den Rechtsvorschriften des Niederlassungsmitgliedstaats zugelassen oder in Betrieb genommen worden zu sein und eingesetzt werden zu dürfen.

( 425 ) Vgl. u. a. S. 30 und letzter Absatz auf S. 36 der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 1/2 (vgl. auch S. 18 von Teil 2/2 dieser Folgenabschätzung).

( 426 ) In einem meines Erachtens weniger einschränkenden Sinne.

( 427 ) Vgl. S. 6 der Mitteilung der Kommission gemäß Art. 294 Abs. 6 AEUV (COM[2020] 151 final vom 15. April 2020), in der die Kommission die Auffassung vertritt, dass der Standpunkt des Rates zu einer ausreichenden Personalausstattung beitragen soll, sofern es sich um eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung handelt, und dass er genügend Spielraum lässt, um die Freiheit der Unternehmer bei der Einstellung von Personal nicht unangemessen einzuschränken.

( 428 ) Vgl. Urteil vom 29. April 2010, Smit Reizen (C‑124/09, EU:C:2010:238, Rn. 31).

( 429 ) Siehe Nr. 108 der vorliegenden Schlussanträge.

( 430 ) Vgl. Urteil vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 148).

( 431 ) Siehe Nrn. 40 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

( 432 ) Vgl. Rn. 111 der Klageschrift in der Rechtssache C‑554/20, Polen/Rat und Parlament.

( 433 ) Zur Tragweite dieser beiden Artikel verweise ich auf die Nrn. 555 und 557 der vorliegenden Schlussanträge.

( 434 ) Rumänien beantragt auch die Nichtigerklärung von Art. 2 Nr. 4 Buchst. b und c der Verordnung 2020/1055, mit dem Abs. 3 geändert und in Art. 8 der Verordnung Nr. 1072/2009 ein Abs. 4a eingefügt wurde, ohne jedoch eine gesonderte Argumentation gegenüber derjenigen zu Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorzubringen.

( 435 ) Die Republik Litauen bezieht sich hier auf die S. 19 und 20 des Leitfadens des European Centre for International Political Economy (ECIPE) „Discrimination, Exclusion and Environmental Harm: Why EU Lawmakers Need to Ban Freight Transport Restrictions to Save the Single Market“, Nr. 3/2020 (im Folgenden: Leitfaden des ECIPE).

( 436 ) Vgl. Rn. 11 der Klageschrift in der Rechtssache C‑545/20. Für eine Zusammenfassung dieses Vorbringens siehe Nrn. 542 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

( 437 ) KOM(2011) 144 endgültig vom 28. März 2011. Die Republik Bulgarien führt insbesondere S. 6 dieses Weißbuchs an.

( 438 ) Da es sich um eine Option handelt, die die Kommission in ihrer Folgenabschätzung in Betracht gezogen hat (vgl. Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 2/2).

( 439 ) Vgl. 20. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055. Vgl. auch Art. 2 Nr. 6 der Verordnung Nr. 1072/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung.

( 440 ) Im Unterschied zu Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, der Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1071/2009 geändert hat, selbstverständlich.

( 441 ) Vgl. Rn. 78 der Klageschrift der Republik Polen in der Rechtssache C‑554/20.

( 442 ) Im Übrigen ist eine Fahrt mit einer Ladung zwar wirtschaftlich gerechtfertigt, um das Argument der Republik Polen aufzugreifen, aber je schwerer die Fahrzeuge sind, desto mehr verbrauchen sie, also stoßen sie CO2 aus und nutzen die Infrastruktur ab.

( 443 ) Siehe Nr. 561 der vorliegenden Schlussanträge.

( 444 ) Vgl. den Klagegrund eines ungerechtfertigten Verstoßes gegen das ordentliche Gesetzgebungsverfahren durch das Fehlen einer Folgenabschätzung, das gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 in der Rechtssache C‑542/20 vorgetragen wird.

( 445 ) Zur Begründung der Republik Litauen für die Verpflichtung des Unionsgesetzgebers, im Fall einer wesentlichen Änderung eine Folgenabschätzung durchzuführen, verweise ich auf die Zusammenfassung des Vorbringens der Republik Litauen im Rahmen des Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge alle acht Wochen durch den Gesetzgeber gerügt wird.

( 446 ) Folgenabschätzung – Teil Niederlassung.

( 447 ) Die Republik Bulgarien bezieht sich hier auf S. 13 des Berichts der Kommission an das Parlament und den Rat über den Stand des Kraftverkehrsmarkts in der Union (vgl. Anlage A.28 zur Klageschrift der Republik Bulgarien in der Rechtssache C‑545/20).

( 448 ) Die Republik Bulgarien verweist hier auf S. 18 des Berichts der Kommission an das Parlament und den Rat über den Stand des Kraftverkehrsmarkts in der Union (vgl. Anlage A.28 zur Klageschrift der Republik Bulgarien in der Rechtssache C‑545/20).

( 449 ) Zwar richtet sich der Klagegrund gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a, b und c der Verordnung 2020/1055, doch bezieht sich das Vorbringen ausschließlich auf die zusätzliche Beschränkung für Kabotagebeförderungen, die Art. 2 Nr. 4 Buchst. a dieser Verordnung darstellen soll.

( 450 ) Ich verweise daher hier auf die Zusammenfassung des Vorbringens Rumäniens in Nr. 619 der vorliegenden Schlussanträge.

( 451 ) Rumänien führt hier Bauer, M., „Discrimination, Exclusion and Environmental Harm: why EU lawmakers need to ban freight transport restrictions to save the single market“, policy brief Nr. 3/2020, ECIPE (Brüssel), an.

( 452 ) Laut den Zahlen der Nationalen Union der Kraftverkehrsunternehmer Rumäniens (UNTRR) (vgl. Rn. 78 der Klageschrift Rumäniens in der Rechtssache C‑547/20).

( 453 ) Rumänien bezieht sich hier auf Abschnitt 1.2.1 der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung.

( 454 ) Nach den von Rumänien angeführten Eurostat-Daten (vgl. Rn. 99 der Klageschrift in der Rechtssache C‑547/20) würden die polnischen Verkehrsunternehmer 40 %, die litauischen Verkehrsunternehmer 5,7 % und die rumänischen Verkehrsunternehmer 8,7 % aller Kabotagebeförderungen innerhalb der Union durchführen.

( 455 ) KOM(2011) 144 endgültig vom 28. März 2011.

( 456 ) Verordnung des Rates vom 25. Oktober 1993 zur Festlegung der Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Güterkraftverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind (ABl. 1993, L 279, S. 1).

( 457 ) 15. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1072/2009.

( 458 ) Vgl. vorletzter Satz des 15. Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 1072/2009.

( 459 ) ABl. 2005, C 21, S. 2.

( 460 ) „Ex-post evaluation of Regulation (EC) no 1071/2009 and Regulation (EC) no 1072/2009 – Final report“, Ricardo, 2015.

( 461 ) „Ex-post evaluation of Regulation (EC) no 1071/2009 and Regulation (EC) no 1072/2009 – Final report“, Ricardo, 2015 (S. 137).

( 462 ) „Ex-post evaluation of Regulation (EC) no 1071/2009 and Regulation (EC) no 1072/2009 – Final report“, Ricardo, 2015 (S. 137, Punkt 6.7.3).

( 463 ) Siehe Punkt 1.2.1 der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 1/2.

( 464 ) Vgl. Art. 2 Nr. 5 Buchst. a des Vorschlags für eine Niederlassungsverordnung.

( 465 ) Vgl. Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 2/2, S. 41. Vgl. auch S. 48: Was das Argument der Republik Bulgarien einer fehlenden Anhörung des EWSA und des AdR betrifft, verweise ich auf die Nrn. 525 ff. der vorliegenden Schlussanträge. Angesichts des Inhalts der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung ist offensichtlich, dass diese beiden Ausschüsse die Möglichkeit hatten, sich ausreichend zum Verordnungsentwurf (der Wartezeit von vier Tagen) zu äußern.

( 466 ) Vgl. Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 2/2, S. 41, letzte Spalte.

( 467 ) Vgl. Dokument COM(2020) 151 final, S. 6.

( 468 ) Vgl. Urteile vom 12. April 2018, Kommission/Dänemark (C‑541/16, EU:C:2018:251, Rn. 53), und vom 14. September 2023, Staatsanwaltschaft Köln und Bundesamt für Güterverkehr (Beförderung von Leercontainern) (C‑246/22, EU:C:2023:673, Rn. 25, 28 und 29).

( 469 ) Es genügte die Durchführung einer grenzüberschreitenden Beförderung in den Aufnahmemitgliedstaat, damit sich ein Zeitraum von sieben Tagen eröffnete, während dessen die Kabotagebeförderungen erlaubt waren. Nach Ablauf dieses Zeitraums konnten die Verkehrsunternehmer sofort eine weitere grenzüberschreitende Beförderung und eine Rückkehr in den Aufnahmemitgliedstaat organisieren, damit sich ein weiterer Zeitraum von sieben Tagen für die Kabotagebeförderungen eröffnete.

( 470 ) ABl. 2005, C 21, S. 2. Vgl. Punkt 3.1.1 dieser Mitteilung.

( 471 ) Vgl. Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 1/2, S. 40 (Fn. 96).

( 472 ) 3,14 Zeiträume von sieben Tagen nach Angaben des Parlaments.

( 473 ) Vgl. Urteil vom 26. September 2013, ÖBB-Personenverkehr (C‑509/11, EU:C:2013:613, Rn. 47).

( 474 ) Die Kommission hat die Frage der Auswirkungen der Aufhebung aller Kabotagebeschränkungen geprüft und ist zu dem Schluss gelangt, dass die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten es unmöglich machen, eine solche Aufhebung in Betracht zu ziehen: vgl. Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 2/2, S. 40.

( 475 ) Vgl. Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 1/2, S. 49.

( 476 ) Vgl. Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 1/2, S. 40.

( 477 ) Vgl. Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 1/2, S. 50.

( 478 ) Vgl. Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 1/2, S. 50.

( 479 ) Vgl. Urteil vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat (C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 106).

( 480 ) Vgl. S. 40 der Folgenabschätzung.

( 481 ) Siehe Nr. 301 der vorliegenden Schlussanträge.

( 482 ) Vgl. Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 1/2, S. 37 und 54.

( 483 ) Siehe Nr. 745 der vorliegenden Schlussanträge.

( 484 ) Vgl. Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 1/2, S. 39 und 40.

( 485 ) Vgl. u. a. Urteil vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat (C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 106).

( 486 ) Siehe Nr. 757 der vorliegenden Schlussanträge.

( 487 ) Der Rat hat in seiner Klagebeantwortung in der Rechtssache C‑554/20 beispielhaft die Verordnung (EU) 2020/698 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 2020 zur Festlegung besonderer und vorübergehender Maßnahmen im Hinblick auf den COVID‑19-Ausbruch hinsichtlich der Erneuerung oder Verlängerung bestimmter Bescheinigungen, Lizenzen und Genehmigungen und der Verschiebung bestimmter regelmäßiger Kontrollen und Weiterbildungen in bestimmten Bereichen des Verkehrsrechts (ABl. 2020, L 165, S. 10) und die Verordnung (EU) 2021/267 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2021 zur Festlegung besonderer und vorübergehender Maßnahmen im Hinblick auf die anhaltende COVID‑19-Krise hinsichtlich der Erneuerung oder Verlängerung bestimmter Bescheinigungen, Lizenzen und Genehmigungen, der Verschiebung bestimmter regelmäßiger Kontrollen und Weiterbildungen in bestimmten Bereichen des Verkehrsrechts und für die Verlängerung bestimmter in der Verordnung (EU) 2020/698 vorgesehenen Zeiträume (ABl. 2021, L 60, S. 1) angeführt.

( 488 ) Gemäß Art. 4 der Verordnung 2020/1055.

( 489 ) Weißbuch „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ (KOM[2011] 144 endgültig vom 28. März 2011).

( 490 ) Weißbuch „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ vom 28. März 2011 (KOM[2011] 144 endgültig).

( 491 ) Vgl. Urteil vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat (C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 106).

( 492 ) Siehe Nr. 612 der vorliegenden Schlussanträge.

( 493 ) Siehe Nrn. 668 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

( 494 ) Siehe Nrn. 781 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

( 495 ) Vgl. Urteil vom 8. Juli 2021, Staatsanwaltschaft Köln und Bundesamt für Güterverkehr (C‑937/19, EU:C:2021:555, Rn. 51).

( 496 ) Siehe Nr. 675 der vorliegenden Schlussanträge.

( 497 ) Siehe die in Fn. 422 der vorliegenden Schlussanträge angeführte Rechtsprechung.

( 498 ) Rumänien beantragt auch die Nichtigerklärung von Art. 2 Nr. 4 Buchst. b und c der Verordnung 2020/1055, mit dem Abs. 3 geändert und in Art. 8 der Verordnung Nr. 1072/2009 ein Abs. 4a eingefügt wurde, ohne jedoch eine gesonderte Argumentation gegenüber derjenigen zu Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorzubringen.

( 499 ) Dieser Art. 4 sieht vor, dass „[a]lle in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Verkehrsunternehmer, welche die Voraussetzungen für den Zugang zum Beruf und für den Zugang zum Markt für den Güterverkehr zwischen Mitgliedstaaten erfüllen, … im Rahmen des kombinierten Verkehrs zwischen Mitgliedstaaten innerstaatliche oder grenzüberschreitende Zu- und/oder Ablaufverkehre auf der Straße durchführen [dürfen], die Bestandteil des kombinierten Verkehrs sind“. Die Richtlinie 92/106 wurde zuletzt durch die Richtlinie 2013/22/EU des Rates vom 13. Mai 2013 zur Anpassung bestimmter Richtlinien im Bereich Verkehr aufgrund des Beitritts der Republik Kroatien (ABl. 2013, L 158, S. 356) geändert.

( 500 ) Die Republik Polen bezieht sich hier auf die Erklärung von Kommissionsmitglied Vălean.

( 501 ) Mobility Package 1 – Data gathering and analysis of the impacts of cabotage restrictions on combined transport road legs, final report, TRT, November 2020 (abrufbar unter https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/a6718302-72a1-11eb-9ac9-01aa75ed71a1/language-en) (im Folgenden: TRT‑Studie).

( 502 ) COM(2017) 648 final vom 8. November 2017.

( 503 ) Vgl. die ausführliche Erläuterung des Vorschlags COM(2017) 648 final (S. 13).

( 504 ) Arbeitsdokument der Kommission, REFIT ex-post evaluation of combined transport directive 92/106, final report [SWD(2016) 141 final vom 20. April 2016].

( 505 ) Vgl. Punkt 4.1 des Arbeitsdokuments der Kommission, REFIT ex-post evaluation of combined transport directive 92/106, 106, final report [SWD(2016) 141 final vom 20. April 2016].

( 506 ) Unter diesen Umständen beruht die TRT‑Studie, auf die sich die Republik Polen beruft und die von der Prämisse ausgeht, dass alle Mitgliedstaaten die Schutzklausel heranziehen werden, um deren Auswirkungen zu bewerten, auf einer falschen Annahme.

( 507 ) Vgl. TRT‑Studie.

( 508 ) Vgl. Art. 8 Abs. 2 und 2a der Verordnung Nr. 1072/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung.

( 509 ) Dessen Sinn sich auch aus dem 22. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055 ergibt.

( 510 ) Die TRT‑Studie bestätigt die Unsicherheit hinsichtlich der tatsächlichen Tragweite der künftigen Beschränkungen im kombinierten Verkehr (vgl. S. 11 dieser Studie).

( 511 ) Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. 1997, L 18, S. 1).

( 512 ) Richtlinie 2014/67/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71 und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt‑Informationssystems („IMI-Verordnung“) (ABl. 2014, L 159, S. 11).

( 513 ) Richtlinie 2006/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über Mindestbedingungen für die Durchführung der Verordnungen Nr. 3820/85 und Nr. 3821/85 über Sozialvorschriften für Tätigkeiten im Kraftverkehr sowie zur Aufhebung der Richtlinie 88/599/EWG des Rates (ABl. 2006, L 102, S. 35).

( 514 ) Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt‑Informationssystems und zur Aufhebung der Entscheidung 2008/49/EG der Kommission („IMI-Verordnung“) (ABl. 2012, L 316, S. 1).

( 515 ) Vgl. achter Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057.

( 516 ) Vgl insoweit Urteil vom 1. Dezember 2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging (C‑815/18, EU:C:2020:976, Rn. 33, im Folgenden: Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging).

( 517 ) Vgl. zehnter Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057. Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2020/1057 enthält die Definition der bilateralen Beförderungen von Gütern; Art. 1 Abs. 4 Unterabs. 2 dieser Richtlinie sieht die Definition der bilateralen Beförderungen von Fahrgästen vor.

( 518 ) Vgl. Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 3 und 4 bzw. Art. 1 Abs. 4 Unterabs. 3 der Richtlinie 2020/1057.

( 519 ) Elfter Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057.

( 520 ) Elfter Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057.

( 521 ) Richtlinie 92/106/EWG des Rates vom 7. Dezember 1992 über die Festlegung gemeinsamer Regeln für bestimmte Beförderungen im kombinierten Güterverkehr zwischen Mitgliedstaaten (ABl. 1992, L 368, S. 38).

( 522 ) Nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 92/106/EWG „gelten als ‚kombinierter Verkehr‘ Güterbeförderungen zwischen Mitgliedstaaten, bei denen der Lastkraftwagen, der Anhänger, der Sattelanhänger mit oder ohne Zugmaschine, der Wechselaufbau oder der Container von mindestens 20 Fuß Länge die Zu- und Ablaufstrecke auf der Straße und den übrigen Teil der Strecke auf der Schiene oder auf einer Binnenwasserstraße oder auf See, sofern diese mehr als 100 km Luftlinie beträgt, zurücklegt, wobei der Straßenzu- oder ‑ablauf erfolgt: entweder – für die Zulaufstrecke – zwischen dem Ort, an dem die Güter geladen werden, und dem nächstgelegenen geeigneten Umschlagbahnhof bzw. – für die Ablaufstrecke – zwischen dem nächstgelegenen geeigneten Umschlagbahnhof und dem Ort, an dem die Güter entladen werden. oder in einem Umkreis von höchstens 150 km Luftlinie um den Binnen- oder Seehafen des Umschlags“.

( 523 ) 15. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1072/2009.

( 524 ) 15. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1072/2009.

( 525 ) Siehe die Prüfung der vorliegenden Schlussanträge zu den Klagegründen, die gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerichtet sind.

( 526 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Dezember 2008, Kommission/Département du Loiret (C‑295/07 P, EU:C:2008:707, Rn. 104), und vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens (C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 37).

( 527 ) Urteil vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens (C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 38).

( 528 ) Vgl. Rn. 9 der Klageschrift der Republik Bulgarien und Rn. 8 der Klageschrift der Republik Zypern, in der der Begriff „System der Differenzierung“ verwendet wird.

( 529 ) Zumindest soweit diese Bestimmungen nicht die beiden Arten von Beförderungen betreffen, die von diesen beiden Mitgliedstaaten angeführt werden.

( 530 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2019, Dobersberger (C‑16/18, EU:C:2019:1110, Rn. 31); vgl. auch Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging, Rn. 45.

( 531 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Dezember 2019, Dobersberger (C‑16/18, EU:C:2019:1110, Rn. 31), und Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging, Rn. 49.

( 532 ) Vgl. Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging, Rn. 45 und 46.

( 533 ) Vgl. Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging, Rn. 32, 33 und 41.

( 534 ) Vgl. Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging, Rn. 47 und 48.

( 535 ) Vgl. Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging, Rn. 47 und 48.

( 536 ) Vgl. Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging, Rn. 47 und 48.

( 537 ) Vgl. Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging, Rn. 62.

( 538 ) Vgl. Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging, Rn. 64.

( 539 ) Vgl. Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging, Rn. 31 bis 41. In noch jüngerer Zeit hat der Gerichtshof in der Rechtssache, in der das Urteil vom 8. Juli 2021, Rapidsped (C‑28/19, EU:C:2021:548, Rn. 34 bis 36), ergangen ist, auf diese Rechtsprechung hingewiesen.

( 540 ) Ungarn hat seine Klageschrift am 26. Oktober 2020 eingereicht, während dieses Urteil am 1. Dezember 2020 erlassen worden ist.

( 541 ) Ungarn hat die Erwiderung in der Rechtssache C‑551/20 am 26. März 2021 eingereicht.

( 542 ) Art. 1 Abs. 2 der angefochtenen Richtlinie bestimmt, dass dieser Artikel für Kraftfahrer gilt, die bei in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmen beschäftigt sind, die die länderübergreifende Maßnahme nach Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 96/71 treffen. Die wichtigste Schlussfolgerung, die daraus gezogen werden kann, ist, dass die angefochtene Richtlinie nur dann einschlägig ist, wenn ein Sachverhalt unter Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 96/71 fällt. Insoweit hat der Rat darauf hingewiesen, dass die Bestimmungen von Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 den Anwendungsbereich der Richtlinie 96/71 einschränken, indem sie die Fälle erweitern, in denen die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Aufnahmemitgliedstaats keine Anwendung finden.

( 543 ) Zur Erinnerung: Die Republik Bulgarien und die Republik Zypern bezeichnen mit diesem Ausdruck den Umstand, dass auf die Beförderung im Dreiländerverkehr ohne zeitliche Grenze die Entsendevorschriften angewendet werden und gleichzeitig die bilaterale Beförderung von diesen Vorschriften ausgenommen wird (d. h. ihrer Ansicht nach ein Modell, das zwischen den Beförderungsarten unterscheidet): vgl. Rn. 8 der Klageschrift in der Rechtssache C‑544/20 und Rn. 8 der Klageschrift in der Rechtssache C‑550/20.

( 544 ) Urteil vom 16. Juli 1992, Parlament/Rat (C‑65/90, EU:C:1992:325).

( 545 ) Urteil vom 16. Juli 1992, Parlament/Rat (C‑65/90, EU:C:1992:325).

( 546 ) COM(2018) 51 final vom 31. Januar 2018.

( 547 ) Vgl. Anlage C2 zur Klageschrift in der Rechtssache C‑544/20.

( 548 ) ABl. 2018, C 197, S. 45.

( 549 ) ABl. 2018, C 176, S. 57.

( 550 ) Vgl. Nrn. 532 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

( 551 ) Siehe Nr. 537 der vorliegenden Schlussanträge.

( 552 ) Urteil vom 16. Juli 1992 (C‑65/90, EU:C:1992:325). Vgl. Nrn. 540 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

( 553 ) Vgl. Rn. 1 der Begründung der Stellungnahme des AdR.

( 554 ) Vgl. Rn. 8 und 9 der Klageschrift in der Rechtssache C‑544/20.

( 555 ) Vgl. Rn. 1.4 der Stellungnahme des EWSA.

( 556 ) Vgl. Rn. 1.15 der Stellungnahme des EWSA.

( 557 ) Vgl. Rn. 5.12 der Stellungnahme des EWSA.

( 558 ) Vgl. Rn. 1.16 der Stellungnahme des EWSA.

( 559 ) Vgl. Rn. 1.17 der Stellungnahme des EWSA. Hervorhebung nur hier. Siehe auch Rn. 5.9 dieser Stellungnahme.

( 560 ) Siehe oben, Nr. 869.

( 561 ) Rumänien bezieht sich auf die Ex-post-Bewertungsstudie, die Studie des Parlaments „Die sozialen und Arbeitsbedingungen von Güterkraftverkehrsunternehmern“, die Studie der Kommission über die Lage auf dem Verkehrsmarkt in der Union, die ursprünglichen öffentlichen Konsultationen der Kommission und die von der Kommission organisierten Arbeitsgruppen.

( 562 ) EU-Vertrag, konsolidierte Fassung vom 9. Mai 2008 – Protokoll (Nr. 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (ABl. 2008, C 115, S. 206).

( 563 ) ABl. 1980, L 266, S. 1.

( 564 ) Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen – Europa in Bewegung: Arbeitsrechtliche Aspekte des Straßengüterverkehrs (2018/C 176/13, ABl. C 176/57 vom 23.5.2018, Erwägungsgründe 23, 24 und 26).

( 565 ) Die Republik Bulgarien bezieht sich auf eine Studie von KPMG vom 8. Oktober 2019 mit dem Titel „Der bulgarische Güterkraftverkehrssektor – Marktstudie: Folgenabschätzung des Mobilitätspakets I“.

( 566 ) Siehe oben, Nr. 42.

( 567 ) Vgl. Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat (C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 112 und 113).

( 568 ) Vgl. Urteil vom 13. April 2010, Bressol u. a. (C‑73/08, EU:C:2010:181, Rn. 90). Siehe auch oben, Nr. 412.

( 569 ) Hierzu ist festzustellen, dass, wie mehrere Beteiligte hervorgehoben haben, zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Richtlinie ein großer Grad an Unsicherheit über die Anwendbarkeit der Richtlinie 96/71 auf den Straßenverkehrssektor bestand und dass die Mitgliedstaaten hierzu diametral entgegengesetzte Standpunkte einnehmen.

( 570 ) Siehe oben, Nr. 42.

( 571 ) Siehe oben, Nr. 953.

( 572 ) Vgl. Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging, Rn. 62.

( 573 ) Vgl. Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging, Rn. 49.

( 574 ) Vgl. Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging, Rn. 49.

( 575 ) Vgl. hierzu meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen Hessischer Rundfunk (C‑422/19 und C‑423/19, EU:C:2020:756, Nr. 114 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 576 ) Vgl. Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging, Rn. 47 und 48.

( 577 ) Vgl. Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Teil 2/2, S. 107.

( 578 ) Siehe u. a. Nrn. 222 und 240 der vorliegenden Schlussanträge.

( 579 ) Vgl. insoweit Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat (C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 112 und 113).

( 580 ) Rumänien und die Republik Polen verweisen auf das Urteil Koelzsch und das Urteil Mazzoleni.

( 581 ) Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat (C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 41 und 42 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

( 582 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2020 (Ungarn/Parlament und Rat, C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 41, 42, 61, 62, 64 und 128).

( 583 ) Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament gemäß Artikel 294 Absatz 6 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union betreffend den Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009, der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 im Hinblick auf ihre Anpassung an die Entwicklungen im Kraftverkehrssektor, einer Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 hinsichtlich der Mindestanforderungen in Bezug auf die maximalen täglichen und wöchentlichen Lenkzeiten, Mindestfahrtunterbrechungen sowie täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten und der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 in Bezug auf die Positionsbestimmung mittels Fahrtenschreibern sowie einer Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2006/22/EG bezüglich der Durchsetzungsanforderungen und zur Festlegung spezifischer Regeln im Zusammenhang mit der Richtlinie 96/71/EG und der Richtlinie 2014/67/EU für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 (COM[2020] 151 final).

( 584 ) Vgl. Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Teil 1/2, u. a. S. 43 und 45.

( 585 ) Nach Art. 2 Abs. 2 des Vorschlags der Kommission für eine Entsenderichtlinie „[wenden d]ie Mitgliedstaaten … Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstaben b und c der Richtlinie 96/71/EG nicht auf Fahrer an, die im Straßenverkehrssektor von in Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe a jener Richtlinie genannten Unternehmen beschäftigt werden, grenzüberschreitende Beförderungen nach den Verordnungen (EG) Nr. 1072/2009 und Nr. 1073/2009 durchführen und bei denen die Dauer der Entsendung für die Durchführung dieser Beförderungen in ihr Hoheitsgebiet in einem Kalendermonat höchstens 3 Tage beträgt.“ Nach Unterabs. 2 dieses Absatzes, „[wenn] die Dauer der Entsendung mehr als 3 Tage [beträgt], wenden die Mitgliedstaaten während der gesamten Dauer der Entsendung in ihr Hoheitsgebiet während eines Kalendermonats (siehe erster Unterabsatz) Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstaben b und c der Richtlinie 96/71/EG an.“

( 586 ) Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 „[sorgen d]ie Mitgliedstaaten … dafür, dass unabhängig von dem auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Unternehmen den in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmern bezüglich der nachstehenden Aspekte auf der Grundlage der Gleichbehandlung die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen garantieren, die in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Arbeitsleistung erbracht wird, festgelegt sind, – durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften und/oder – durch für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge oder Schiedssprüche oder durch Tarifverträge oder Schiedssprüche, die anderweitig nach Absatz 8 Anwendung finden: a) Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten; b) bezahlter Mindestjahresurlaub; c) Entlohnung, einschließlich der Überstundensätze; dies gilt nicht für die zusätzlichen betrieblichen Altersversorgungssysteme; d) Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften, insbesondere durch Leiharbeitsunternehmen; e) Sicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz; f) Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Schwangeren und Wöchnerinnen, Kindern und Jugendlichen; g) Gleichbehandlung von Männern und Frauen sowie andere Nichtdiskriminierungsbestimmungen; h) Bedingungen für die Unterkünfte von Arbeitnehmern, wenn sie vom Arbeitgeber für Arbeitnehmer, die von ihrem regelmäßigen Arbeitsplatz entfernt sind, zur Verfügung gestellt werden; i) Zulagen oder Kostenerstattungen zur Deckung von Reise‑, Unterbringungs- und Verpflegungskosten für Arbeitnehmer, die aus beruflichen Gründen nicht zu Hause wohnen.“

( 587 ) Siehe vorstehende Fußnote.

( 588 ) Vgl. Urteile vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 83), und vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat (C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 43).

( 589 ) Folgenabschätzung – Sozialer Teil, S. 65 ff., 74 und 75.

( 590 ) Folgenabschätzung – Sozialer Teil, S. 65 bis 69.

( 591 ) Im Vergleich zu den Anforderungen nach Art. 9 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2014/67.

( 592 ) Vgl. Art. 2 Abs. 4 des Vorschlags für eine Entsenderichtlinie.

( 593 ) Vgl. Art. 1 Abs. 11 bis 15 der Richtlinie 2020/1057 und Art. 9 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2014/67.

( 594 ) Die Kommission selbst hat dies in ihrer Mitteilung betreffend den Standpunkt des Rates in erster Lesung, COM(2020) 151, S. 4, bestätigt.

( 595 ) Es ist nicht ersichtlich, dass diese Situation zu einer Erhöhung der Verwaltungskosten führt, da es sich sowohl in Anwendung des Vorschlags für eine Entsenderichtlinie als auch in Anwendung der Richtlinie 2020/1057 stets um eine Entsendung handeln würde, wobei der einzige Unterschied darin besteht, dass im ersten Fall die Regelung des Aufnahmemitgliedstaats über den bezahlten Mindestjahresurlaub und die Entlohnung nicht anwendbar ist.

( 596 ) Vgl. entsprechend die oben in Nr. 59 angeführte Rechtsprechung.

( 597 ) Vgl. Eurostat, Road freight transport by journey characteristics, Dezember 2019; Eurostat, Road freight transport statistics – cabotage, August 2018; Eurostat, Eurostat-Statistiken, Kabotage und grenzüberschreitende Beförderung durch polnische Verkehrsunternehmer.

( 598 ) Dokument ST 12087/17 des Rates, S. 13 (vom Rat für die Zwecke der vorliegenden Klagebeantwortung übersetzter Abschnitt, da das Dokument nicht ins Französische übersetzt wurde).

( 599 ) Folgenabschätzung der Kommission, Begleitunterlage zum Vorschlag COM(2017) 648, SWD(2017) 362.

( 600 ) KombiConsult, 2015, Analysis of the EU Combined Transport; ISL/KombiConsult, 2017, Updating EU combined transport data; TRT Trasporti e Territorio srl, 2017, Gathering additional data on EU combined transport; KombiConsult, 2017, Consultations and related analysis in the framework of impact assessment for the amendment of Combined Transport Directive (92/106/EEC); die vier letzteren Studien wurden alle von der Kommission unter folgender Adresse veröffentlicht: https://ec.europa.eu/transport/themes/logistics/studies_en.

( 601 ) Siehe Nrn. 1064 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

( 602 ) Ich weise darauf hin, dass Rumänien in einem ersten Schritt geltend macht, dass die an der Peripherie der Union ansässigen Wirtschaftsteilnehmer die administrativen und finanziellen Kosten trügen, die mit der Entsendung verbunden seien, und die davon abgeschreckt würden, Beförderungen, wie die in Art. 1 Abs. 3 bis 6 der Richtlinie 2020/1057 geregelten, durchzuführen. Die angefochtenen Bestimmungen behandeln jedoch alle Mitgliedstaaten in gleicher Weise, wobei die sich aus ihnen ergebende unterschiedliche Behandlung nach Maßgabe der jeweiligen besonderen Beförderung definiert wird. Ich werde daher hier die von Rumänien in einem zweiten Schritt vorgebrachten Argumente prüfen, die sich auf eine unterschiedliche Behandlung bilateraler Beförderungen und Beförderungen im Dreiländerverkehr konzentrieren.

( 603 ) Dieser Klagegrund betrifft nur die Rüge eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und gegen Art. 20 der Charta wegen der behaupteten Ungleichbehandlung von bilateralen Beförderungen und Beförderungen im Dreiländerverkehr und betrifft nicht die Kabotage.

( 604 ) Vgl. zehnter Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057.

( 605 ) Vgl. Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging (Rn. 49).

( 606 ) Vgl. Fn. 26 der Gegenerwiderung des Rates in der Rechtssache C‑548/20.

( 607 ) Siehe Nr. 622 der vorliegenden Schlussanträge.

( 608 ) Entsprechend Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat (C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 125).

( 609 ) Vgl. Urteil vom 4. Mai 2016, Polen/Parlament und Rat (C‑358/14, EU:C:2016:323, Rn. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 610 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. November 1990, Fedesa u. a. (C‑331/88, EU:C:1990:391, Rn. 19 und 20), und vom 17. Juli 1997, SAM Schiffahrt und Stapf (C‑248/95 und C‑249/95, EU:C:1997:377, Rn. 52, 63 und 64).

( 611 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juni 1958, Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie u. a./Hohe Behörde (13/57, EU:C:1958:10, S. 304).

( 612 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2020 (Ungarn/Parlament und Rat, C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 41, 42, 61, 62, 64 und 128).

( 613 ) Vgl. Urteile vom 13. November 1990, Fedesa u. a. (C‑331/88, EU:C:1990:391), und entsprechend vom 17. Juli 1997, SAM Schiffahrt und Stapf (C‑248/95 und C‑249/95, EU:C:1997:377, Rn. 64).

( 614 ) Siehe Nr. 1069 der vorliegenden Schlussanträge.

( 615 ) Siehe Rn. 7 der Gegenerwiderung des Rates in der Rechtssache C‑541/20.

( 616 ) Vgl. Anlage A9 zur Klageschrift in der Rechtssache C‑544/20.

( 617 ) Vgl. entsprechend Urteile vom 21. September 1999, BASF (C‑44/98, EU:C:1999:440, Rn. 16), und vom 17. September 2020, Hidroelectrica (C‑648/18, EU:C:2020:723, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 618 ) Vgl. Anlage A.9 zur Klageschrift der Republik Bulgarien in der Rechtssache C‑544/20 und Anlage A.7 zur Klageschrift der Republik Zypern in der Rechtssache C‑550/20.

( 619 ) Siehe Nrn. 38 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

( 620 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed in der Rechtssache Österreich/Parlament und Rat (C‑161/04, EU:C:2006:66, Nrn. 59 und 60). Zu diesen Schlussanträgen vgl. Nrn. 567 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

( 621 ) Die Republik Polen verweist hier auf das Urteil vom 10. September 2019, Polen/Kommission (T‑883/16, EU:T:2019:567, Rn. 77 und 78).

( 622 ) Erklärung von Kommissionsmitglied Vălean zur endgültigen Annahme des Mobilitätspakets I durch das Europäische Parlament, Brüssel, 9. Juli 2020 (https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/statement_20_1319).

( 623 ) Vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Mehr Ehrgeiz für das Klimaziel Europas bis 2030 – In eine klimaneutrale Zukunft zum Wohl der Menschen investieren“ (COM[2020] 562 final vom 17. September 2020).

( 624 ) Siehe Fn. 273 der vorliegenden Schlussanträge.

( 625 ) Richtlinie (EU) 2016/2284 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 über die Reduktion der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffe, zur Änderung der Richtlinie 2003/35/EG und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/81/EG (ABl. 2016, L 344, S. 1).

( 626 ) Siehe Fn. 300 der vorliegenden Schlussanträge.

( 627 ) Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Rn. 6.

( 628 ) European Commission, Directorate-General for Mobility and Transport „Mobility Package 1 – Data gathering and analysis of the impacts of cabotage restrictions on combined transport road legs – Final report“, Amt für Veröffentlichungen, 2021 (abrufbar unter https://data.europa.eu/doi/10.2832/701828).

( 629 ) Erster Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057.

( 630 ) Urteil vom 1. Dezember 2020 (C‑815/18, EU:C:2020:976).

( 631 ) Vgl. Urteil Federatie Nederlandse Vakbeweging (Rn. 33).

( 632 ) Der Rat weist zwar darauf hin, dass das Argument von der Republik Polen erst im Stadium der Erwiderung vorgebracht worden sei, er scheint jedoch seine Zulässigkeit nicht in Frage zu stellen. Der Vollständigkeit halber werde ich daher auf dieses Vorbringen eingehen.

( 633 ) Richtlinie (EU) 2018/957 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2018 zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. 2018, L 173, S. 16).

( 634 ) Wie sich aus Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2018/957 ergibt.

( 635 ) Urteil vom 1. Dezember 2020 (C‑815/18, EU:C:2020:976).

( 636 ) Siehe Nrn. 913 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

( 637 ) Vgl. Urteil vom 1. März 1983, Kommission/Belgien (301/81, EU:C:1983:51, Rn. 11).

( 638 ) Siehe Nrn. 931 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

Top