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Document 62019TJ0868

Urteil des Gerichts (Vierte Kammer) vom 29. März 2023 (Auszüge).
Nouryon Industrial Chemicals BV u. a. gegen Europäische Kommission.
REACH – Bewertung des Registrierungsdossiers und Prüfung der von den Registranten übermittelten Informationen auf Erfüllung der Anforderungen – Anforderung zusätzlicher Studien zum Registrierungsdossier für Dimethylether – Studie zur Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität – Erweiterte Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität – Dosisfindungsstudie – Art. 51 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 – Tierversuche – Art. 25 der Verordnung Nr. 1907/2006 – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Verhältnismäßigkeit.
Rechtssache T-868/19.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2023:168

 URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

29. März 2023 ( *1 )

„REACH – Bewertung des Registrierungsdossiers und Prüfung der von den Registranten übermittelten Informationen auf Erfüllung der Anforderungen – Anforderung zusätzlicher Studien zum Registrierungsdossier für Dimethylether – Studie zur Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität – Erweiterte Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität – Dosisfindungsstudie – Art. 51 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 – Tierversuche – Art. 25 der Verordnung Nr. 1907/2006 – Offensichtlicher Beurteilungsfehler – Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache T‑868/19,

Nouryon Industrial Chemicals BV mit Sitz in Amsterdam (Niederlande),

Knoell NL BV mit Sitz in Maarssen (Niederlande),

Grillo-Werke AG mit Sitz in Duisburg (Deutschland),

PCC Trade & Services GmbH mit Sitz in Duisburg,

vertreten durch die Rechtsanwältinnen R. Cana, Z. Romata und H. Widemann,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch R. Lindenthal und K. Mifsud-Bonnici als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Königreich Dänemark, vertreten durch M. Søndahl Wolff als Bevollmächtigte,

durch

Königreich der Niederlande, vertreten durch M. Bulterman, A. Hanje und J. Langer als Bevollmächtigte,

durch

Königreich Schweden, vertreten durch A. Runeskjöld, C. Meyer-Seitz, M. Salborn Hodgson, H. Shev, H. Eklinder, R. Shahsavan Eriksson und O. Simonsson als Bevollmächtigte,

sowie durch

Europäische Chemikalienagentur (ECHA), vertreten durch M. Heikkilä, W. Broere, S. Mahoney und N. Herbatschek als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni sowie der Richter L. Madise (Berichterstatter) und P. Nihoul,

Kanzler: M. Zwozdziak-Carbonne, Verwaltungsrätin,

aufgrund des Beschlusses vom 30. April 2020, Nouryon Industrial Chemicals u. a./Kommission (T‑868/19 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:171), mit dem der Antrag der Klägerinnen auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen worden ist,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 15. September 2022

folgendes

Urteil ( 1 )

1

Mit ihrer auf Art. 263 AEUV gestützten Klage beantragen die Klägerinnen, die Nouryon Industrial Chemicals BV, die Knoell NL BV, die Grillo-Werke AG und die PCC Trade & Services GmbH, den Durchführungsbeschluss C(2019) 7336 final der Kommission vom 16. Oktober 2019 über die Prüfung einer Registrierung von Dimethylether, der gemäß Art. 51 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) nach Überweisung durch die Europäische Chemikalienagentur erlassen wurde (im Folgenden: angefochtener Beschluss), für nichtig zu erklären.

Vorgeschichte des Rechtsstreits

[nicht wiedergegeben]

4

Die Klägerinnen sind Hersteller oder Importeure von Dimethylether mit Sitz in der Europäischen Union bzw. Alleinvertreter, die für außerhalb der Union niedergelassene Hersteller dieses chemischen Stoffes handeln. Am 30. November 2010 reichten sie gemeinsam mit anderen Registranten im Einklang mit dem Grundsatz „Ohne Daten kein Markt“ gemäß Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. 2006, L 396, S. 1, im Folgenden: REACH-Verordnung) bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) einen Antrag auf Registrierung von Dimethylether für hergestellte oder importierte Mengen von 1000 Tonnen (t) oder mehr pro Jahr und pro Hersteller oder Importeur ein. Die Akzo Nobel Industrial Chemicals BV, später umbenannt in Nouryon Industrial Chemicals, handelte gemäß Art. 11 der REACH-Verordnung als federführender Registrant für das gemeinsame Registrierungsdossier.

5

Am 29. März 2016 leitete die ECHA auf der Grundlage von Art. 41 der REACH-Verordnung eine Prüfung des Registrierungsdossiers auf Erfüllung der Anforderungen ein.

[nicht wiedergegeben]

15

Im verfügenden Teil des angefochtenen Beschlusses gelangte die Kommission zu dem Ergebnis, dass die Registrierung von Dimethylether, was zwei unterschiedliche Wirkungen der Reproduktionstoxizität anbelange, nämlich die Wirkungen auf die pränatale Entwicklung und die Wirkungen auf die Eingenerationen-Reproduktion, nicht mit den Datenanforderungen im Einklang stehe (Art. 1 des angefochtenen Beschlusses). Die Kommission verpflichtet die Registranten im angefochtenen Beschluss daher zur Übermittlung von Informationen über die Wirkungen von Dimethylether, die erstens einer Studie zur Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität gemäß Anhang X Abschnitt 8.7.2 der REACH-Verordnung (im Folgenden werden die Anhänge der REACH-Verordnung ausschließlich durch ihre Nummerierung anhand von römischen Ziffern bezeichnet) mit inhalativer Exposition einer zweiten Versuchstierart, nämlich Kaninchen (Art. 2 des angefochtenen Beschlusses), und zweitens einer erweiterten Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität gemäß Anhang X Abschnitt 8.7.3 mit inhalativer Exposition von Ratten entstammen. In Bezug auf die zweite Studie sei eine „Dosisfindungsstudie“ durchzuführen, z. B. gemäß dem Leitfaden Nr. 421 der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für die Prüfung von Chemikalien, um u. a. Aufschluss über etwaige narkotisierende (d. h. einschläfernde) Wirkungen zu erlangen, insbesondere, um zu entscheiden, ob eine Einbeziehung der speziell für eine Prüfung auf (Entwicklungs‑)Neurotoxizität bestimmten Kohorten 2A und 2B erforderlich ist, was sich danach bemisst, ob narkotisierende Wirkungen bei einer bestimmten, für diese erweiterte Prüfung ausgewählten Konzentration auftreten (Art. 3 des angefochtenen Beschlusses). Der angefochtene Beschluss verpflichtet die Klägerinnen, der ECHA innerhalb von 36 Monaten nach Bekanntgabe eine aktualisierte Fassung des Registrierungsdossiers für Dimethylether mit den Ergebnissen der angeforderten Studien, gegebenenfalls einschließlich eines aktualisierten Stoffsicherheitsberichts, zu übermitteln (Art. 4 des angefochtenen Beschlusses).

Anträge der Parteien

16

In der Klageschrift beantragen die Klägerinnen, den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

17

Die Kommission beantragt, die Klage als unbegründet abzuweisen und den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

18

Das Königreich Dänemark, das Königreich der Niederlande, das Königreich Schweden und die ECHA als Streithelfer zur Unterstützung der Kommission beantragen, die Klage als unbegründet abzuweisen. Das Königreich der Niederlande und die ECHA beantragen außerdem, den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

Erster Klagegrund: Verstoß der Kommission gegen Art. 51 Abs. 7 der REACH-Verordnung durch Erlass des angefochtenen Beschlusses, der Aspekte abdeckt, über die der Ausschuss der Mitgliedstaaten eine einstimmige Einigung erzielt hat

19

Vorab ist auf die Umstände hinzuweisen, unter denen die Kommission den angefochtenen Beschluss zu erlassen hatte.

20

Der angefochtene Beschluss wurde im Rahmen des Verfahrens nach Art. 51 der REACH-Verordnung erlassen, der bestimmt:

„(1)   Die [ECHA] übermittelt ihren Entscheidungsentwurf nach den Artikeln 40 oder 41 zusammen mit den Bemerkungen des Registranten den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten.

(2)   Innerhalb von 30 Tagen nach der Übermittlung können die Mitgliedstaaten der [ECHA] Vorschläge zur Änderung des Entscheidungsentwurfs vorlegen.

(3)   Gehen innerhalb von 30 Tagen keine Vorschläge bei der [ECHA] ein, so erlässt sie die Entscheidung in der nach Absatz 1 übermittelten Fassung.

(4)   Geht bei der [ECHA] ein Änderungsvorschlag ein, so kann sie den Entscheidungsentwurf ändern. Die [ECHA] überweist einen Entscheidungsentwurf zusammen mit den vorgeschlagenen Änderungen innerhalb von 15 Tagen nach Ablauf der 30-Tage-Frist nach Absatz 2 an den Ausschuss der Mitgliedstaaten.

(5)   Die [ECHA] übermittelt alle Änderungsvorschläge unverzüglich den betreffenden Registrierungspflichtigen oder nachgeschalteten Anwendern und räumt eine Frist von 30 Tagen zur Stellungnahme ein. Der Ausschuss der Mitgliedstaaten berücksichtigt sämtliche eingegangenen Bemerkungen.

(6)   Erzielt der Ausschuss der Mitgliedstaaten innerhalb von 60 Tagen nach der Überweisung einstimmig eine Einigung über den Entscheidungsentwurf, so erlässt die [ECHA] die entsprechende Entscheidung.

(7)   Gelangt der Ausschuss der Mitgliedstaaten zu keiner einstimmigen Einigung, so erstellt die Kommission den Entwurf einer Entscheidung, die nach dem in Artikel 133 Absatz 3 genannten Verfahren erlassen wird.

(8)   Gegen Entscheidungen der [ECHA] nach den Absätzen 3 und 6 dieses Artikels kann [vor der Widerspruchskammer der ECHA] Widerspruch eingelegt werden.“

21

Nach Übermittlung des überarbeiteten Entscheidungsentwurfs durch die ECHA einigte sich der Ausschuss der Mitgliedstaaten darauf, dass, wie von der ECHA gefordert, Informationen über Studien nach Anhang X Abschnitte 8.7.2 und 8.7.3 anzufordern seien, nämlich eine Studie zur Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität an Kaninchen als Vertretern einer zweiten Versuchstierart und eine erweiterte Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität an Ratten. Hinsichtlich des Inhalts der zweiten Prüfung gelangte der Ausschuss der Mitgliedstaaten jedoch nicht zu einer einstimmigen Einigung.

[nicht wiedergegeben]

23

Vor diesem Hintergrund übermittelte die ECHA unter Bezugnahme auf Art. 51 Abs. 7 der REACH-Verordnung ihren überarbeiteten Entscheidungsentwurf der Kommission zum Erlass einer endgültigen Entscheidung. Hätte der Ausschuss der Mitgliedstaaten dagegen eine einstimmige Einigung über den überarbeiteten Entscheidungsentwurf der ECHA erzielt, so hätte die ECHA gemäß Art. 51 Abs. 6 der REACH-Verordnung „die entsprechende Entscheidung [erlassen]“; mit anderen Worten hätte die ECHA selbst die endgültige Entscheidung erlassen.

[nicht wiedergegeben]

27

Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen geht aus Art. 51 Abs. 7 der REACH-Verordnung nicht hervor, dass die ECHA, sofern eine Meinungsverschiedenheit im Ausschuss der Mitgliedstaaten nur einen Teil ihres Entscheidungsentwurfs betrifft, die endgültige Entscheidung dahin gehend aufzuteilen hat, dass der eine Teil von ihr auf der Grundlage von Art. 51 Abs. 6 der REACH-Verordnung erlassen wird und der andere Teil – der Gegenstand der Meinungsverschiedenheit –, durch die Kommission gemäß Art. 51 Abs. 7 der REACH-Verordnung erlassen wird.

28

Art. 51 („Erlass von Entscheidungen im Rahmen der Dossierbewertung“) der REACH-Verordnung, bei dem es sich um einen Artikel mit Verfahrensbestimmungen handelt, legt nämlich in seinen einzelnen Bestimmungen die Bedingungen fest, wie die von der ECHA zu diesem Zweck erstellten Entscheidungsentwürfe zu prüfen sind, nämlich zunächst durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und sodann gegebenenfalls durch den Ausschuss der Mitgliedstaaten. Zudem bestimmt Art. 51 der REACH-Verordnung die Bedingungen für den Erlass endgültiger Entscheidungen im Sinne der Überschrift dieses Artikels für unterschiedliche Fälle. Art. 51 Abs. 7 der REACH-Verordnung betrifft den Sonderfall einer fehlenden einstimmigen Einigung im Ausschuss der Mitgliedstaaten über den „Entscheidungsentwurf“ der ECHA und sieht vor, dass in diesem Fall die Kommission „den Entwurf einer Entscheidung“ erstellt.

29

Bei der Auslegung von Art. 51 Abs. 7 der REACH-Verordnung sind nicht nur dessen Wortlaut, sondern auch sein Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der er gehört, verfolgt werden (Urteile vom 17. November 1983, Merck, 292/82, EU:C:1983:335, Rn. 12, und vom 19. Juli 2012, ebookers.com Deutschland, C‑112/11, EU:C:2012:487, Rn. 12). Hierzu ist auf die wörtliche, die kontextuelle (oder systematische) und die teleologische Auslegung zu verweisen.

30

Als Erstes ist im Rahmen einer wörtlichen Auslegung festzustellen, dass in dieser Verfahrensbestimmung nicht angegeben wird, dass die Kommission einen Entscheidungsentwurf „über die Aspekte, über die der Ausschuss der Mitgliedstaaten keine einstimmige Einigung erzielt hat“, zu erstellen habe. Zudem heißt es in Satz 2 von Art. 41 („Prüfung der Registrierungsdossiers auf Erfüllung der Anforderungen“) Abs. 3 der REACH-Verordnung, der seinerseits den Gegenstand des Entscheidungsentwurfs und sodann einer Entscheidung festlegt, die gegebenenfalls anlässlich einer solchen Prüfung erstellt wurden, dass „[d]iese Entscheidung“, d. h. die aus dem Entscheidungsentwurf hervorgegangene Entscheidung, „nach dem Verfahren de[s] Artikel[s] 51 zu treffen“ ist. Auch der Wortlaut derjenigen Absätze des Art. 51 der REACH-Verordnung, in denen von einem „Entscheidungsentwurf“ bzw. dem „Entwurf einer Entscheidung“ die Rede ist, liefert keinen Anhaltspunkt für einen Unterschied zwischen dem Gegenstand dieser Entwürfe und dem in Art. 41 Abs. 3 dieser Verordnung genannten, nämlich der Aufforderung zur Vorlage aller Informationen, die erforderlich sind, um sicherzustellen, dass das Registrierungsdossier die Anforderungen erfüllt. Der Wortlaut dieser Absätze spricht daher für eine Auslegung, nach der Art. 41 Abs. 3 der REACH-Verordnung auf den Erlass einer einzigen Entscheidung nach Abschluss des Verfahrens nach Art. 51 dieser Verordnung abzielt.

31

Als Zweites ist im Rahmen einer kontextuellen Auslegung festzustellen, dass Art. 51 Abs. 6 der REACH-Verordnung der ECHA eine Befugnis zum Erlass einer Entscheidung, deren Entwurf dem Ausschuss der Mitgliedstaaten übermittelt wurde, nur dann verleiht, wenn der Ausschuss innerhalb von 60 Tagen nach dieser Übermittlung eine einstimmige Einigung über diesen Entwurf erzielt (siehe oben, Rn. 20). Hieraus ergibt sich, dass die ECHA, sofern – wie im vorliegenden Fall – innerhalb dieser Frist keine solche einstimmige Einigung erzielt wird, die Befugnis zum Erlass einer Entscheidung nach Art. 51 der REACH-Verordnung im Anschluss an eine Prüfung des Registrierungsdossiers auf Erfüllung der Anforderungen verliert. Demzufolge umfasst die in Art. 51 Abs. 7 dieser Verordnung vorgesehene Befugnis der Kommission alle Aspekte, die vom Ausschuss der Mitgliedstaaten geprüft wurden, und zwar unabhängig davon, ob die Mitgliedstaaten innerhalb dieses Ausschusses eine einstimmige Einigung erzielt haben oder nicht.

32

Als Drittes ist es aus teleologischer Sicht im Hinblick auf den in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union genannten Grundsatz der guten Verwaltung und im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit, einem allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts, der verlangt, dass den Betroffenen ermöglicht wird, den Umfang der ihnen auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. März 2011, ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a., C‑201/09 P und C‑216/09 P, EU:C:2011:190, Rn. 68 sowie die dort angeführte Rechtsprechung), sinnvoller, dass die Kommission im Fall einer Meinungsverschiedenheit im Ausschuss der Mitgliedstaaten, d. h. gemäß Art. 76 der REACH-Verordnung innerhalb einer Teileinheit der ECHA, von ihrer Gesamtzuständigkeit für die Prüfung des fraglichen Registrierungsdossiers auf Erfüllung der Anforderungen Gebrauch macht, um zu vermeiden, dass die Formulierung von Beurteilungen in Bezug auf die Bewertung der Wirkungen und der Gefahren eines chemischen Stoffes und sodann die zweitinstanzliche Prüfung dieser Beurteilungen zwischen unterschiedlichen Institutionen (der ECHA und der Kommission bzw. der Widerspruchskammer der ECHA und dem Gericht) aufgeteilt werden, was die Gefahr von Wertungswidersprüchen birgt, wo doch diese Beurteilungen das gleiche Registrierungsdossier eines Stoffes betreffen und ihre Gesamtkohärenz zu wahren haben.

33

Daher kann Art. 51 Abs. 7 der REACH-Verordnung nur dahin verstanden werden, dass jegliche Meinungsverschiedenheit im Ausschuss der Mitgliedstaaten über einen Aspekt eines Entscheidungsentwurfs der ECHA, der im Rahmen der Prüfung des Registrierungsdossiers auf Erfüllung der Anforderungen geprüft wird, eine Meinungsverschiedenheit über diesen Entwurf insgesamt darstellt, aus der sich die Befugnis für die Kommission ergibt, einen neuen Entscheidungsentwurf über die Bewertung des Registrierungsdossiers zu erstellen und anschließend nach einem Komitologie-Verfahren eine endgültige Entscheidung zu erlassen. Folglich macht die Kommission zu Recht geltend, dass diese Bestimmung die Zuständigkeit der Kommission nicht bloß auf die spezifischen Teile des Entscheidungsentwurfs der ECHA beschränkt, die Gegenstand einer Meinungsverschiedenheit im Ausschuss der Mitgliedstaaten sind, sondern ihr die Befugnis verleiht, über alle in diesem Entwurf angesprochenen Aspekte zu entscheiden.

34

Dieses Ergebnis wird durch das übrige Vorbringen der Klägerinnen nicht in Frage gestellt.

[nicht wiedergegeben]

36

Die Klägerinnen machen ferner geltend, dass sie mehr Garantien gehabt hätten, wenn die endgültige Entscheidung in Bezug auf die Aspekte, über die der Ausschuss der Mitgliedstaaten eine einstimmige Einigung erzielt hatte, von der ECHA erlassen worden wäre. Die Prüfung durch die Widerspruchskammer der ECHA unterscheide sich nämlich von derjenigen des Gerichts und beschränke sich nicht, wie im Fall des Gerichts, auf die Überprüfung, ob offensichtliche Fehler vorlägen.

37

Wie die Kommission und das Königreich der Niederlande im Wesentlichen hervorheben, entstammen die Unterscheidung zwischen den Fällen, in denen die Widerspruchskammer der ECHA im Verfahren zur Prüfung einer Verwaltungsentscheidung tätig werden darf, mit der Registranten zur Vervollständigung des Registrierungsdossiers eines chemischen Stoffes aufgefordert werden, und den Fällen, in denen ein Einschalten dieser Widerspruchskammer nicht vorgesehen ist, sowie die Folgen, die sich daraus für den Prüfungsumfang ergeben können, dem AEU-Vertrag und dem Rechtsrahmen der REACH-Verordnung, genauer gesagt Art. 51 der REACH-Verordnung, der im einen Fall (Gegenstand von deren Art. 51 Abs. 6) eine Entscheidung der ECHA und im anderen Fall (Gegenstand von Art. 51 Abs. 7 der REACH-Verordnung), und zwar dann, wenn im Ausschuss der Mitgliedstaaten und damit innerhalb der ECHA eine Meinungsverschiedenheit vorliegt, eine Entscheidung der Kommission vorsieht. Auf der einen Seite hat der Gesetzgeber bestimmt, dass die Widerspruchskammer als Verwaltungsgremium der ECHA, das berechtigt ist, eine Erstentscheidung der ECHA zu überprüfen, gemäß Art. 93 Abs. 3 der REACH-Verordnung alle Befugnisse der ECHA ausüben oder den Fall zur weiteren Entscheidung an das zuständige Gremium der ECHA überweisen kann. Auf der anderen Seite unterliegen nach Art. 263 AEUV die Entscheidungen der Kommission einer gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle durch den Unionsrichter. Die Wesensverschiedenheit dieser Prüfungshandlungen rechtfertigt die damit einhergehenden Verfahrensunterschiede und die unterschiedlichen Befugnisse der Institutionen, die diese Prüfungshandlungen vornehmen.

38

Insoweit bewirkt das in der vorliegenden Rechtssache anwendbare Unionsrecht, dass zwischen der Verwaltungsprüfung einer Erstentscheidung der ECHA durch eine übergeordnete Behörde, nämlich die Widerspruchskammer der ECHA, und der gerichtlichen Überprüfung einer Entscheidung der Kommission durch den Unionsrichter im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV zu unterscheiden ist. Soweit es, wie möglicherweise im vorliegenden Fall, um die Beurteilungen hochkomplexer wissenschaftlicher und technischer tatsächlicher Umstände geht, besteht nach der Rechtsprechung die Kontrolle durch den Unionsrichter bei einer Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 AEUV darin, zu prüfen, ob diese Beurteilungen offensichtlich fehlerhaft sind oder einen Ermessensmissbrauch darstellen oder ob die betreffende Behörde die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich überschritten hat (vgl. Urteil vom 20. September 2019, BASF Grenzach/ECHA, T‑125/17, EU:T:2019:638, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. ebenfalls in diesem Sinne Urteil vom 15. Oktober 2009, Enviro Tech [Europe], C‑425/08, EU:C:2009:635, Rn. 47). Diese Beschränkung gilt nicht für das Tätigwerden der Widerspruchskammer der ECHA, die, wie bereits ausgeführt, auch Teil der ECHA ist. In ihrem Tätigwerden beschränkt sich die Widerspruchskammer nämlich nicht darauf, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der ECHA insbesondere unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums, über den die ECHA verfügt, zu überprüfen. Sie prüft vielmehr im Rahmen der in den Rechtsvorschriften angegebenen Kriterien, ob die von der ECHA vorgenommenen Beurteilungen zu überdenken sind. Aus diesem Grund hat der Unionsgesetzgeber darauf geachtet, dass in der Widerspruchskammer Personen mitwirken, die über den für diese erneute Beurteilung erforderlichen technischen und wissenschaftlichen Sachverstand verfügen, und deswegen unterscheidet sich die Überprüfung durch die Widerspruchskammer bei zuvor innerhalb der ECHA vorgenommenen wissenschaftlichen und technischen Beurteilungen ihrem Wesen nach von einer Kontrolle durch den Unionsrichter (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. September 2019, BASF Grenzach/ECHA, T‑125/17, EU:T:2019:638, Rn. 88 und 89, sowie vom 20. September 2019, Deutschland/ECHA, T‑755/17, EU:T:2019:647, Rn. 55). Es steht dem Gericht nicht zu, diese Unterscheidung in Frage zu stellen und sich die Befugnisse eines Gremiums wie der Widerspruchskammer der ECHA einzuräumen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 25. Juli 2002, Unión de Pequeños Agricultores/Rat,C‑50/00 P, EU:C:2002:462, Rn. 44 und 45).

39

Außerdem lässt es, zumal die Klägerinnen keine Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 51 Abs. 7 der REACH-Verordnung erhoben haben, dieser Unterschied bei der Überprüfung der Beurteilung hochkomplexer wissenschaftlicher und technischer tatsächlicher Umstände nicht zu, entgegen dieser Bestimmung, wie sie im vorliegenden Urteil ausgelegt wird (siehe oben, Rn. 33), die Befugnis der Kommission zu beschränken, in Anwendung dieser Bestimmung über sämtliche Aspekte eines dem Ausschuss der Mitgliedstaaten übermittelten Entscheidungsentwurfs der ECHA zu entscheiden, wenn in diesem Ausschuss eine Meinungsverschiedenheit über einen oder mehrere Aspekte dieses Entwurfs besteht.

[nicht wiedergegeben]

Zweiter Klagegrund: Verstoß der Kommission gegen Art. 13 Abs. 3 der REACH-Verordnung und Begehung eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers durch die Kommission durch die Anforderung von Studien, die geltenden rechtlichen Anforderungen zuwiderlaufen und technisch nicht durchführbar sind

41

Nach Ansicht der Klägerinnen hat die Kommission dadurch gegen Art. 13 Abs. 3 der REACH-Verordnung verstoßen und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, dass sie „Studien mit Konzentrationen“ angefordert habe, „die Wirkungen hervorrufen können, aber sicher sind“, und insbesondere, was die erweiterte Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität anbelangt, „eine Konzentration“ verlangt habe, „sodass bei der höchsten Dosis ein gewisser Grad an Toxizität induziert wird“.

[nicht wiedergegeben]

47

Zunächst ist festzustellen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss nirgends verlangt, für die angeforderten Studien Konzentrationen von Dimethylether zu überschreiten, die diese Versuche unter Verstoß gegen die geltenden Sicherheitsvorschriften gefährlich machen könnten. Im angefochtenen Beschluss verlangt die Kommission zwar in Art. 3 des verfügenden Teils, im Übrigen im Einklang mit einer Anweisung, die im Wesentlichen sowohl in Abschnitt 21 der Prüfmethode B.56 der Verordnung über die Prüfmethoden für die erweiterte Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität als auch in Abschnitt 1.6.3 Abs. 2 der Prüfmethode B.31 dieser Verordnung für die Studie zur Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität enthalten ist, für die Durchführung der erweiterten Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität eine „Konzentration, sodass bei der höchsten Dosis ein gewisser Grad an Toxizität induziert wird“. Die Kommission formuliert diese Anforderung jedoch im allgemeinen Rahmen für Versuche zur akuten Inhalationstoxizität, den sie ebenso wie die Registranten zu beachten hat. Dieser Rahmen empfiehlt tatsächlich, je nach Eigenschaften des geprüften Stoffes eine bestimmte Konzentration desselben nicht zu überschreiten. Bei diesen beiden Methoden, auf die im verfügenden Teil des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich Bezug genommen wird, heißt es in den genannten Bestimmungen, dass: „die Dosisstufen … auf der Grundlage der toxischen Wirkungen gewählt werden [sollten], es sei denn, es bestehen Beschränkungen aufgrund der physikalisch-chemischen Beschaffenheit der Prüfsubstanz“ (Prüfmethode B.56), und „[s]oweit keine Beschränkungen aufgrund der pysikalischen/chemischen Beschaffenheit oder der biologischen Eigenschaften der Prüfsubstanz bestehen, wird die höchste Dosis so gewählt, dass … eine gewisse [Toxizität] … herbeigeführt wird“ (Prüfmethode B.31).

[nicht wiedergegeben]

49

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der OECD-Leitfaden Nr. 39 – dessen Geltung die Kommission in ihren Schriftsätzen nicht bestreitet – in Abschnitt 5.1.4 Abs. 67 ausführt, dass „[b]ei potenziell explosiven chemischen Stoffen … dafür Sorge getragen werden [muss], Bedingungen zu vermeiden, die eine Explosion begünstigen“, und dass es sich „[a]us Sicherheitsgründen … im Allgemeinen empfiehlt, die Hälfte der [UEG] nicht zu überschreiten“. Daraus folgt, dass es sich bei dieser Grenze, die im vorliegenden Fall bei 1,65 % liegt, nicht um eine allgemeingültige Grenze handelt, die keinesfalls überschritten werden darf. Im Übrigen räumen die Klägerinnen in Rn. 61 der Klageschrift und in Rn. 15 der Erwiderung ein, dass Studien mit Dimethylether gegebenenfalls bis zu 2 % möglich seien.

50

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass es die Kommission den Registranten, selbstverständlich im Zusammenspiel mit ihren gegebenenfalls in Anspruch genommenen Laboren, überlassen hat, die höchste Dosis festzulegen, um eine gewisse Toxizität herbeizuführen, wobei jedoch Konzentrationen nicht überschritten werden dürfen, die sich angesichts der physikalisch-chemischen Eigenschaften von Dimethylether als gefährlich erweisen könnten.

51

Es ist somit keineswegs dargetan, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss vorgeschrieben hat, entgegen den geltenden Rechtsvorschriften Konzentrationen zu erreichen, die eine Gefährlichkeit für Studien zur akuten Inhalationstoxizität bewirken.

52

Im Übrigen ergibt sich aus den von den Klägerinnen vorgelegten Unterlagen (Anlagen A 12 und A 13), dass es mindestens zwei Labore gibt, die sich imstande fühlen, die fraglichen Studien bei einer Konzentration von 1,65 % – ein Labor sogar bei einer Konzentration von bis zu 2 % – durchzuführen. Das Vorbringen der Klägerinnen, mit dem die technische Durchführbarkeit der im angefochtenen Beschluss angeforderten Studien in Frage gestellt wird, ist daher zurückzuweisen.

[nicht wiedergegeben]

Dritter Klagegrund: Begehung eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers durch die Kommission durch die Anforderung von Studien, die keine relevanten Informationen über Dimethylether liefern

[nicht wiedergegeben]

61

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass einige der mit dem angefochtenen Beschluss angeforderten Studien auf Standarddaten abzielen, die gemäß Anhang X, der unter Berücksichtigung der angegebenen Herstellungs- oder Einfuhrmenge pro Jahr und pro Hersteller oder Importeur bei Mengen von 1000 t oder mehr anwendbar ist, in jedem Fall im Registrierungsdossier für Dimethylether vorzulegen sind. Die Klägerinnen bestreiten nicht, dass dies auf die erweiterte Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität im Basis-Prüfschema, die nur die Kohorten 1A und 1B umfasst, zutreffe; was die Auslegung der Anhänge IX und X anbelangt, stellen sie dies für die Studie zur Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität an einer zweiten Tierart in Abrede, wobei dieses Bestreiten im Rahmen der Prüfung des achten Klagegrundes zurückgewiesen wird (siehe unten, Rn. 168). Insbesondere was Studien betrifft, die gemäß Anhang X in jedem Fall durchzuführen seien, da sie auf die Erlangung von Standarddaten abzielten, sind die Klägerinnen, wie oben in Rn. 57 ausgeführt, im Wesentlichen der Ansicht, dass die Bestimmungen dieses Anhangs nicht zu streng angewandt werden dürften, um zu vermeiden, dass die Registranten zur Bereitstellung offensichtlich irrelevanter Informationen verpflichtet würden, indem sie unnötige Tierversuche durchführten.

62

Zur Prüfung dieses Vorbringens ist zunächst auf das Zusammenspiel und die Funktion der Anhänge der REACH-Verordnung zu verweisen.

[nicht wiedergegeben]

69

Aus dieser Darstellung geht hervor, dass die von den Registranten gemäß den Anhängen VII bis X angeforderten Informationen, insbesondere die Standarddaten in Spalte 1 dieser Anhänge, die, von einer möglichen Abweichung gemäß einer Bestimmung in Spalte 2 abgesehen, in jedem Fall vorzulegen sind, schrittweise nach Maßgabe der hergestellten oder importierten Stoffmengen angefordert werden. Im Übrigen ist hervorzuheben, dass diese Informationspflichten chemische Stoffe betreffen und laut Art. 1 der REACH-Verordnung sicherstellen sollen, dass die von der Herstellung, dem Inverkehrbringen und der Verwendung dieser Stoffe ausgehenden Gefahren bekannt sind und dass diese Stoffe bei ihrer Verwendung die menschliche Gesundheit oder die Umwelt nicht nachteilig beeinflussen. Folglich hat der Gesetzgeber, in Anbetracht der potenziellen Gefahren chemischer Stoffe sowie im Einklang mit dem Vorsorgeprinzip, aber auch unter Berücksichtigung des Ziels der Vermeidung unnötiger Wirbeltierversuche – auf diesen Grundsatz bzw. dieses Ziel ist der Artikel ebenfalls ausgerichtet –, bereits Vorkehrungen getroffen, damit von den Registranten Wirbeltierversuche nur verlangt werden, wenn sie unter Berücksichtigung der betreffenden Stoffmengen relevant erscheinen. Im Übrigen sieht Anhang XI noch weitere, über die in Spalte 2 der Anhänge VII bis X hinausgehende Abweichungsmöglichkeiten vor, auf die sich die Registranten berufen können, sofern sie der Auffassung sind, dass eine in diesen Anhängen vorgesehene Studie unnötig ist.

70

Die Klägerinnen stellen die Gültigkeit dieser Entscheidungen, mit anderen Worten die Rechtmäßigkeit der Bestimmungen, insbesondere derjenigen von Anhang X, auf deren Grundlage im angefochtenen Beschluss von ihnen die Durchführung von Studien verlangt wird, nicht in Frage und berufen sich im Rahmen des vorliegend geprüften Klagegrundes nicht auf eine in Anhang XI vorgesehene Abweichungsmöglichkeit. Sie können daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass sie von Studien, die zur Erlangung von Standarddaten gemäß Anhang X in jedem Fall durchzuführen sind, aufgrund der fehlenden Relevanz dieser Standarddaten befreit seien.

[nicht wiedergegeben]

72

Das oben in Rn. 57 im letzten Satz genannte grundsätzliche Argument der Klägerinnen zugunsten einer rein rechtlichen Analyse wurde zurückgewiesen; zum Übrigen ist festzustellen, dass das Vorbringen zur Stützung des dritten Klagegrundes darauf abzielt, die Beurteilungen der Kommission hinsichtlich der verschiedenen angeforderten Studien in Frage zu stellen, soweit sie jedenfalls nicht nach Anhang X zwingend sind, nämlich die Beurteilung der Kommission hinsichtlich der Nützlichkeit des Teils der erweiterten Prüfung auf Reproduktionstoxizität unter Einbeziehung der Kohorten 2A und 2B für die Bewertung der (Entwicklungs‑)Neurotoxizität sowie hinsichtlich der Nützlichkeit der Dosisfindungsstudie.

73

Derartige Beurteilungen fallen in die Kategorie der Beurteilungen hochkomplexer wissenschaftlicher und technischer tatsächlicher Umstände durch eine Verwaltungsbehörde. Wie bereits oben in Rn. 38 ausgeführt, hat sich der Unionsrichter, wenn er solche Beurteilungen zu prüfen hat, auf die Prüfung zu beschränken, ob sie offensichtlich fehlerhaft sind oder einen Ermessensmissbrauch darstellen oder ob die betreffende Behörde die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich überschritten hat. Insoweit ist es ständige Rechtsprechung, dass ein die Nichtigerklärung eines angefochtenen Rechtsakts rechtfertigender offensichtlicher Fehler einer Verwaltungsbehörde bei der Würdigung eines Sachverhalts nur festgestellt werden kann, wenn die von der klagenden Partei beigebrachten Beweise ausreichen, um die Sachverhaltswürdigung in dem Rechtsakt als nicht plausibel erscheinen zu lassen. Abgesehen von dieser Plausibilitätskontrolle darf das Gericht seine Beurteilung hochkomplexer Tatsachen nicht an die Stelle der Beurteilung des Urhebers des angefochtenen Rechtsakts setzen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Dezember 1996, AIUFFASS und AKT/Kommission, T‑380/94, EU:T:1996:195, Rn. 59, und vom 19. September 2019, Arysta LifeScience Netherlands/Kommission, T‑476/17, EU:T:2019:618, Rn. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung). Hinsichtlich des wissenschaftlichen und technischen Vorbringens der Klägerinnen ist daher zu überprüfen, ob es die Beurteilung der Kommission unplausibel erscheinen lässt, dass sich selbst bei Durchführung der Studien unter Bedingungen, die eine Gefahrlosigkeit der Versuche sicherstellen sollen – d. h. einer Konzentration von 1,65 % bzw. 2 % (der Einfachheit halber wird im Folgenden nur auf den Wert von 1,65 % Bezug genommen) –, möglicherweise eine bestimmte Toxizität bei der höchsten Dosis zeigt.

74

Vor dem Einstieg in diese Prüfung ist jedoch auf den Standpunkt des Gerichts in Bezug auf den in der Klageschrift zum Ausdruck gebrachten Antrag hinzuweisen, das Gericht möge auf einen unabhängigen Sachverständigen zur Prüfung und Klärung bestimmter komplexer wissenschaftlicher Punkte zurückgreifen, die, wie die Klägerinnen in der Erwiderung klargestellt haben, im Übrigen die meisten ihrer Klagegründe betreffen. Das Gericht hätte von dieser in Art. 25 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union vorgesehenen Möglichkeit nur Gebrauch gemacht, wenn dies für die Beurteilung der Begründetheit bestimmter Klagegründe unter Berücksichtigung der Art der Kontrolle, die es über die Beurteilung hochkomplexer wissenschaftlicher und technischer tatsächlicher Umstände durch eine Verwaltungsbehörde ausübt (siehe oben, Rn. 73), erforderlich gewesen wäre. Wie sich jedoch aus der Würdigung des vorliegenden und folgenden Klagegrundes ergibt, hat sich dies im vorliegenden Fall als nicht erforderlich erwiesen.

[nicht wiedergegeben]

83

Was als Drittes das Vorbringen zu konkreten Verwendungen durch den Menschen sowie zur Bewertung und zum Risikomanagement in diesem Bereich betrifft, mit dem belegt werden soll, dass der Stoff im industriellen, beruflichen oder häuslichen Einsatzbereich beim Menschen nicht narkotisierend wirkt, weisen die Kommission, das Königreich Dänemark, das Königreich der Niederlande, das Königreich Schweden und die ECHA zutreffend darauf hin, dass es bei der Registrierung eines Stoffes nicht nur darum geht, dessen gefahrlose Verwendung im Rahmen seiner herkömmlichen Einsatzbereiche sicherzustellen, sondern auch darum, Wissen über den Stoff und seine Wirkungen auf Lebewesen und die Umwelt als solche, mit anderen Worten über seine inhärenten Eigenschaften zu generieren, was Versuche unter Bedingungen erfordern kann, die von den herkömmlichen Einsatzbereichen des betreffenden Stoffes abweichen. Insoweit legen die Anhänge VII bis X speziell diejenigen Informationen fest, die zwecks Generierung von Wissen über inhärente Stoffeigenschaften vorzulegen sind. Deswegen vermag die Gefahrlosigkeit des Stoffes für den Menschen in den herkömmlichen Einsatzbereichen, insbesondere das Fehlen narkotisierender Wirkungen bei solchen Verwendungen – vorausgesetzt, dass es nachgewiesen ist –, die Durchführung der gemäß den Anhängen VII bis X erforderlichen Studien nicht zu erübrigen, es sei denn, Anhang XI sieht eine Abweichungsmöglichkeit vor. Im Übrigen hebt die ECHA zu Recht hervor, dass sich die Einsatzbereiche eines Stoffes im Lauf der Zeit ändern können, während die inhärenten Stoffeigenschaften dieselben bleiben. Zudem beruht im vorliegenden Fall der Nachweis der Klägerinnen u. a. auf der Prämisse eines NOAEC von 2,5 %, der, wie oben in Rn. 81 ausgeführt, bei Studien zur Reproduktionstoxizität mit Unsicherheiten behaftet ist.

[nicht wiedergegeben]

88

Dass die Kommission die im angefochtenen Beschluss aufgeführten Versuche angefordert hat, lässt nach alledem trotz gewisser Unsicherheiten hinsichtlich der Konzentration, ab der möglicherweise schädliche Wirkungen von Dimethylether im Rahmen von Studien zur Reproduktionstoxizität beobachtbar sind, und trotz insoweit bestehender wissenschaftlicher Kontroversen nicht den Schluss auf einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu, zumal die Kommission verlangt hat, dass der erweiterten Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität eine Dosisfindungsstudie vorangeht. In diesem Zusammenhang ist nicht ausgeschlossen, dass die im angefochtenen Beschluss angeforderten Versuche eine Toxizität unterhalb der Konzentrationsstufe von 1,65 % belegen, die nach einer Empfehlung des OECD-Leitfadens Nr. 39 nicht überschritten werden sollte. Diese Versuche wären, selbst wenn sich unterhalb dieser Konzentrationsstufe keine Toxizität zeigen sollte, nicht unnötig und würden zur Beilegung der oben erwähnten Kontroversen beitragen.

[nicht wiedergegeben]

Vierter Klagegrund: Begehung eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers und Verstoß gegen Anhang X Abschnitt 8.7.3 Spalte 2 durch die Kommission durch die Aufforderung, die Kohorten 2A und 2B in die erweiterte Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität einzubeziehen

90

Das Vorbringen der Klägerinnen im Rahmen des vierten Klagegrundes gliedert sich im Wesentlichen in zwei Teile: Mit dem einen Teil wird geltend gemacht, dass die Kommission einen Rechtsfehler begangen habe, indem sie die Bedeutung des Ausdrucks „besondere Bedenken“ in Anhang X Abschnitt 8.7.3 Spalte 2 Abs. 2 verfälscht habe, und mit dem anderen, dass sie einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, indem sie davon ausgegangen sei, dass bei Dimethylether aufgrund des ersten und dritten Gedankenstrichs dieser Bestimmung „besondere Bedenken“ in Bezug auf die Neurotoxizität bestünden.

91

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Anhang X Abschnitt 8.7.3 Spalte 1 als Standarddaten eine erweiterte Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität einschließlich der Kohorten 1A und 1B an Tieren einer Art verlangt. Nach Anhang X Abschnitt 8.7.3 Spalte 2 Abs. 2 kann von der ECHA oder gegebenenfalls der Kommission die Einbeziehung der Kohorten 2A und 2B in eine erweiterte Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität in Fällen verlangt werden, in denen besondere Bedenken in Bezug auf die (Entwicklungs‑)Neurotoxizität bestehen, die begründet sind durch:

vorhandene Daten über den Stoff selbst, die aus relevanten verfügbaren In-vivo-Prüfungen oder Methoden ohne Tierversuche stammen (z. B. Anomalien des ZNS, Beweise für nachteilige Auswirkungen auf Nerven- oder Immunsystem in Prüfungen an adulten oder pränatal exponierten Tieren), oder

spezifische Mechanismen/Wirkungsweisen des Stoffes in Verbindung mit (Entwicklungs‑)Neurotoxizität und/oder (Entwicklungs‑)Immunotoxizität (z. B. Cholinesterase‑Inhibition oder relevante Veränderungen der Schilddrüsenhormonwerte, die mit nachteiligen Auswirkungen in Verbindung stehen) oder

vorhandene Daten über Auswirkungen von Stoffen, deren Struktur Analogien zu dem zu prüfenden Stoff aufweist und die auf solche Auswirkungen oder Mechanismen/Wirkungsweisen schließen lassen.

[nicht wiedergegeben]

Zum ersten Teil: Begehung eines Rechtsfehlers durch die Kommission durch Verfälschung der Bedeutung des Ausdrucks „besondere Bedenken“ in Anhang X Abschnitt 8.7.3 Spalte 2 Abs. 2

95

Die Klägerinnen tragen vor, dass der Ausdruck „besondere Bedenken“, da er in Anhang X Abschnitt 8.7.3 Spalte 2 Abs. 2 nicht in Verbindung mit (Entwicklungs‑)Neurotoxizität definiert werde, im Licht anderer Bestimmungen der REACH-Verordnung und des Kapitels R.7a Abschnitt R.7.6.2 der ECHA-Leitlinien „Guidance on Information Requirements and Chemical Safety Assessment“ (Leitlinien zu Informationsanforderungen und Stoffsicherheitsbeurteilung, im Folgenden: ECHA-Leitlinien) zu definieren sei. Danach seien „starke“ Bedenken mit einem bestimmten Schweregrad gemeint, der sich in ernsthaften und schwerwiegenden Wirkungen von Neurotoxizität zeige.

[nicht wiedergegeben]

103

Unter Berücksichtigung dieser Auslegungen ist trotz des Fehlens einer genauen Definition dessen, was besondere Bedenken in Verbindung mit der (Entwicklungs‑)Neurotoxizität im Sinne von Anhang X Abschnitt 8.7.3 Spalte 2 Abs. 2 ausmacht, ersichtlich, dass die in dieser Vorschrift verwendeten Begriffe (siehe oben, Rn. 91) und insbesondere das Wort „Bedenken“, das in diesem Zusammenhang „Besorgnis“ bedeutet, dafürsprechen, dass das Bestehen solcher Bedenken daran geknüpft ist, dass die Registranten oder die zuständige Behörde über Informationen verfügen, wonach der fragliche Stoff eine (Entwicklungs‑)Neurotoxizität bewirkt, und zwar unabhängig von den Wirkungen, die mit einer allgemeinen Toxizität einhergehen, oder eine (Entwicklungs‑)Neurotoxizität auch nur vernünftigerweise befürchten lässt. Bei Vorliegen solcher Informationen bezweckt die erweiterte Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität einschließlich der Kohorten 2A und 2B die Präzisierung, Bestätigung oder Entkräftung dessen, dass der Stoff eine (Entwicklungs‑)Neurotoxizität bewirkt.

104

Daher ist es, wie das Königreich der Niederlande hervorhebt, sofern die Registranten dies nicht von sich aus getan haben, in einem konkreten Fall Sache der zuständigen Behörde, im Licht der vorliegenden Daten und auf der Grundlage der oben in Rn. 103 angeführten Grundsätze zu beurteilen, ob Bedenken in Bezug auf die (Entwicklungs‑)Neurotoxizität bestehen.

105

Um zu der Schlussfolgerung zu gelangen, dass Dimethylether „besondere Bedenken“ hervorruft, hatte die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen (siehe oben, Rn. 95) daher nicht bereits den Nachweis dafür zu erbringen, dass Dimethylether ernsthafte und schwerwiegende Wirkungen von Neurotoxizität hervorruft. Für die Annahme einer potenziellen (Entwicklungs‑)Neurotoxizität reicht es nämlich aus, dass einer der in Anhang X Abschnitt 8.7.3 Spalte 2 Abs. 2 erster bis dritter Gedankenstrich genannten Faktoren vorliegt und vernünftigerweise befürchten lässt, dass hinreichend ernsthafte oder schwerwiegende schädliche Wirkungen vorliegen.

[nicht wiedergegeben]

Fünfter Klagegrund: Verstoß der Kommission gegen Anhang X Abschnitt 8.7.3 Spalte 1 und Art. 25 der REACH-Verordnung durch die Anforderung, dass der erweiterten Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität eine Dosisfindungsstudie vorangeht

[nicht wiedergegeben]

133

Anhang X Abschnitt 8.7.3 ist daher dahin auszulegen, dass er die Kommission ermächtigt, vor einer erweiterten Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität eine Dosisfindungsstudie zu verlangen, so dass der Kommission insoweit kein Rechtsfehler angelastet werden kann.

134

Was als Zweites das Vorbringen betrifft, in Anhang VIII Abschnitt 8.7.1 werde klargestellt, dass eine Dosisfindungsstudie nicht erforderlich sei, sofern bereits eine Studie zur Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität verfügbar sei, ist auf die Ausführungen oben in Rn. 65 hinzuweisen. Gemäß der „Anmerkung zur Erfüllung der Anforderungen der Anhänge VI bis XI“, dem Einleitungsteil von Anhang VI, sind „[d]ie Basisangaben für die niedrigste Mengenstufe in Anhang VII aufgeführt“ und „[b]ei jedem Erreichen einer höheren Mengenstufe … zusätzlich die Angaben zu machen, die im für diese Stufe geltenden Anhang aufgeführt sind“, wobei „[d]ie erforderlichen Angaben … für jeden Stoff je nach Menge, Verwendung und Exposition unterschiedlich“ sind. Außerdem ist in den Präambeln der Anhänge VIII, IX und X jeweils ausgeführt, dass „die nach Spalte 1 dieses Anhangs vorgeschriebenen Angaben zusätzlich zu den Angaben in Spalte 1 [der vorausgehenden Anhänge] zu machen“ sind. Daraus lässt sich ableiten, dass die Anhänge VII bis X, was die Spalte 1 angeht, keine inhaltsgleichen Wiederholungen darstellen, da die Spalte 1 des Anhangs mit der jeweils höchsten Zahl nicht sämtliche Angaben der Spalte 1 vorausgehender Anhänge wiederholt. Da jedoch die bereitzustellenden Informationen, die zu den Standarddaten in Spalte 1 der einschlägigen Anhänge gehören, aufeinander aufbauen, sofern die pro Jahr und pro Hersteller oder Importeur hergestellte oder eingeführte Menge die Stufe der jeweiligen Anhänge erreicht, bleiben (im Umkehrschluss) die möglichen Abweichungen nach Spalte 2 dieser Anhänge bei einem Wechsel zwischen zwei Anhängen nur erhalten, wenn sie in beiden Anhängen erwähnt werden. Eine Abweichung kann nämlich für eine bestimmte Herstellungs- oder Importstufe in Betracht kommen, ohne dass dies auch für eine höhere Stufe gilt.

135

Da aufgrund der im vorliegenden Fall registrierten Mengen die Stufe von Anhang X erreicht wird, d. h. eine Menge hergestellter oder importierter Stoffe von 1000 t oder mehr pro Jahr und pro Hersteller oder Importeur, können sich die Klägerinnen mit anderen Worten nicht auf die Abweichungsmöglichkeiten von Anhang VIII Abschnitt 8.7 Spalte 2 berufen, der für hergestellte oder importierte Stoffe gilt, die in Mengen von 10 t oder mehr hergestellt oder importiert werden, um einer an sie gerichtete Anforderung nach Anhang X zu entgehen. Das Vorbringen der Klägerinnen, die Kommission habe diese Bestimmung verkannt, ist daher unbegründet; der insofern behauptete Rechtsfehler ist nicht nachgewiesen.

136

Was als Drittes das Vorbringen betrifft, die Durchführung einer Dosisfindungsstudie stünde im Widerspruch zum Ziel von Art. 25 Abs. 1 der REACH-Verordnung, Wirbeltierversuche nur als letztes Mittel durchzuführen, sind die folgenden Faktoren zu berücksichtigen.

137

Zum einen ist das Ziel, Tierversuche zu vermeiden, im Licht weiterer Prinzipien umzusetzen, die der REACH-Verordnung zugrunde liegen, und zwar insbesondere im Licht des Vorsorgeprinzips. Nach Art. 1 Abs. 3 der REACH-Verordnung „[liegt] [i]hren Bestimmungen … das Vorsorgeprinzip zugrunde“. Nach der Rechtsprechung bedeutet dieses Prinzip, dass bei Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken für die menschliche Gesundheit Schutzmaßnahmen getroffen werden können, ohne dass abgewartet werden müsste, dass das Bestehen und die Schwere dieser Risiken vollständig dargelegt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Mai 1998, National Farmers’ Union u. a., C‑157/96, EU:C:1998:191, Rn. 63 und 64, sowie vom 1. Oktober 2019, Blaise u. a., C‑616/17, EU:C:2019:800, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung). Eine korrekte Anwendung des Vorsorgeprinzips im Hinblick auf einen Stoff, dessen Wirkungen nicht vollständig feststehen, erfordert nach der Rechtsprechung zudem erstens die Bestimmung der möglicherweise negativen Auswirkungen der vorgeschlagenen Anwendung des fraglichen Stoffes auf die Gesundheit und zweitens eine umfassende Bewertung des Gesundheitsrisikos auf der Grundlage der zuverlässigsten verfügbaren wissenschaftlichen Daten und der neuesten Ergebnisse der internationalen Forschung (vgl. entsprechend zu in Pflanzenschutzmitteln verwendeten Stoffen Urteil vom 22. Dezember 2010, Gowan Comércio Internacional e Serviços,C‑77/09, EU:C:2010:803, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall konnten das Vorsorgeprinzip und das Erfordernis, Tierversuche zu reduzieren, dadurch miteinander in Einklang gebracht werden, dass eine Dosisfindungsstudie im Rahmen einer erweiterten Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität angefordert wurde. Sofern bei Konzentrationen im Einklang mit einer gefahrlosen Durchführung der Versuche keine narkotisierende Wirkung feststellbar wäre, würden, wie die Kommission erläutert, die Kohorten 2A und 2B nämlich nicht in die erweiterte Eingenerationen-Prüfung auf Reproduktionstoxizität einbezogen.

[nicht wiedergegeben]

Sechster Klagegrund: Verstoß der Kommission gegen Art. 41 und Anhang XI der REACH-Verordnung, da es der angefochtene Beschluss den Klägerinnen nicht ermöglicht, den Umstand, dass die Registrierung von Dimethylether den Anforderungen nicht entspricht, durch Abweichungen von den in diesem Beschluss angeforderten Studien zu heilen

142

Die Klägerinnen kritisieren im Wesentlichen am angefochtenen Beschluss, dass sie und die anderen Registranten dazu gezwungen würden, die darin genannten Studien durchzuführen und deren Ergebnisse zu übermitteln (siehe oben, Rn. 15), ohne stattdessen geeignete Informationen übermitteln zu können, die aus anderen Quellen stammten. Nach einer gemäß Art. 41 der REACH-Verordnung erlassenen Entscheidung wie dem angefochtenen Beschluss habe die ECHA, wie aus Art. 42 der REACH-Verordnung hervorgehe, alle von den Adressaten dieser Entscheidung vorgelegten Informationen zu prüfen. In Art. 13 Abs. 1 der REACH-Verordnung heiße es, dass „Informationen über inhärente Stoffeigenschaften … durch andere Mittel als Versuche gewonnen werden [können], sofern die Bedingungen des Anhangs XI eingehalten werden“. Auch in den Anhängen IX und X Abschnitt 8.7 Spalte 2 seien Abweichungsmöglichkeiten von den im angefochtenen Beschluss als allein zulässig dargestellten Anforderungen vorgesehen.

[nicht wiedergegeben]

144

Nach der Rechtsprechung bewirken die einschlägigen allgemeinen Bestimmungen der REACH-Verordnung und das in diesen Bestimmungen zum Ausdruck gebrachte Ziel der Begrenzung von Tierversuchen, dass ein Registrant, den die ECHA aufgefordert hat, sein Registrierungsdossier durch eine Studie unter Einschluss von Tierversuchen zu vervollständigen, nicht nur die Möglichkeit hat, sondern sogar verpflichtet ist, dieser Anforderung, sofern dies aus wissenschaftlicher und technischer Sicht irgend möglich ist, dadurch nachzukommen, dass er im Hinblick auf die Gründe, mit denen diese Anforderung gerechtfertigt wurde, geeignete, aber aus alternativen Quellen zu dieser Studie stammende Informationen vorlegt. In einer solchen Situation gilt für die ECHA nach der Rechtsprechung ferner eine entsprechende Verpflichtung, zu überprüfen, ob diese alternativen Informationen den einschlägigen Anforderungen genügen, insbesondere zu ermitteln, ob sie als Abweichungen einzustufen sind, die im Einklang mit den Bestimmungen der betreffenden Anhänge der REACH-Verordnung stehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2021, Deutschland/Esso Raffinage, C‑471/18 P, EU:C:2021:48, Rn. 132 bis 136).

145

Nichts anderes kann dann gelten, wenn, wie im vorliegenden Fall, der Beschluss, mit dem der Registrant aufgefordert wird, sein Registrierungsdossier auf der Grundlage einer Studie mit Tierversuchen zu vervollständigen, im Rahmen des Verfahrens nach Art. 51 der REACH-Verordnung über den Erlass von Entscheidungen im Rahmen der Dossierbewertung nicht von der ECHA, sondern aufgrund von fehlender Einstimmigkeit über den Entscheidungsentwurf der ECHA im Ausschuss der Mitgliedstaaten von der Kommission erlassen wird.

146

Trotz seines zwingenden Wortlauts im Hinblick auf die im verfügenden Teil genannten Studien kann der angefochtene Beschluss daher in dem den Klägerinnen wohlbekannten Regelungszusammenhang nicht dahin ausgelegt werden, dass er es den Klägerinnen und den anderen Registranten verbietet, hierauf zu reagieren, indem sie im technischen Dossier gemäß den einschlägigen allgemeinen Bestimmungen der REACH-Verordnung und deren Ziel einer Begrenzung von Tierversuchen im Hinblick auf die Begründung der Anforderung solcher Versuche geeignete, aber aus alternativen Quellen zu diesen Studien stammende Informationen vorschlagen. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese Abweichungen in Bezug auf die im angefochtenen Beschluss angeforderten Versuche im Hinblick auf die in der REACH-Verordnung, insbesondere in Anhang XI, vorgesehenen Abweichungsmöglichkeiten und angesichts des bereits erfolgten Austauschs zwischen den Registranten, der ECHA und der Kommission nicht offensichtlich fern jeder Vernunft sein dürfen. Im gegenteiligen Fall könnte die ECHA zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Verlängerung des Verfahrens einfach erneut feststellen, dass die Registrierung den Anforderungen nicht genügt, ohne dass sie vorher auf die Modalitäten von Art. 42 Abs. 1 der REACH-Verordnung, der seinerseits auf deren Art. 41 verweist, zurückzugreifen bräuchte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2018, Esso Raffinage/ECHA, T‑283/15, EU:T:2018:263, Rn. 62 und 112).

[nicht wiedergegeben]

148

Hieraus ergibt sich, dass es der angefochtene Beschluss den Klägerinnen entgegen deren Vorbringen nicht verbietet, Abweichungen gegenüber den in diesem Beschluss angeforderten Studien vorzuschlagen. Der sechste Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Siebter Klagegrund: Verstoß der Kommission gegen Art. 41 und Anhang XI der REACH-Verordnung wegen vorzeitiger Ablehnung einer etwaigen Abweichung von den in diesem Beschluss angeforderten Studien

[nicht wiedergegeben]

152

Daraus geht zum einen hervor, dass mit der in dem angefochtenen Beschluss enthaltenen Stellungnahme zu einer etwaigen Abweichung von der Studie zur Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität an Kaninchen, die sich auf die ähnliche laufende Prüfung zu einem strukturellen Analogon, nämlich Diethylether, stützt, auf ein Begründungserfordernis im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerinnen reagiert wird. Zum anderen führt eine solche Stellungnahme unter Berücksichtigung der Ausführungen oben in den Rn. 144 bis 146 nicht von vornherein zu einer Ablehnung aller im Anschluss an den angefochtenen Beschluss im technischen Dossier gegebenenfalls unterbreiteten Abweichungsvorschläge in Bezug auf die darin angeforderten Studien; dies gilt insbesondere für alle Vorschläge, die die zwischenzeitlich vorliegenden Ergebnisse der Studie zur Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität von Diethylether an Kaninchen verwenden würden, sofern in Ergänzung der bereits vor dem Erlass des angefochtenen Beschlusses vorgetragenen Argumente vernünftige Argumente zur Unterstützung dieser Vorschläge vorgetragen würden.

153

Der siebte Klagegrund, der auf der Behauptung beruht, die Kommission habe eine etwaige Abweichung von den im angefochtenen Beschluss angeforderten Studien vorzeitig abgelehnt, ist daher zurückzuweisen.

Achter Klagegrund: Begehung eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers durch die Kommission aufgrund der Anforderung einer Studie zur Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität an Kaninchen ohne Berücksichtigung aller einschlägigen Informationen und Verstoß gegen Anhang IX Abschnitt 8.7.2 Spalte 2

[nicht wiedergegeben]

Zum ersten Teil: Begehung eines Rechtsfehlers durch die Kommission aufgrund Verstoßes gegen Anhang IX

[nicht wiedergegeben]

160

Aus den Wesenszügen des Aufbaus und Anwendungsbereichs der Anhänge VII bis X ist auf eine Selbständigkeit der Standarddatenanforderungen und der Abweichungen in Anhang X gegenüber den Standarddatenanforderungen und Abweichungen in Anhang IX zu schließen. Schon deshalb treffen die in Anhang IX Abschnitt 8.7.2 genannten Regelungen keine Aussage über die in Anhang X Abschnitt 8.7.2 definierten Standarddatenanforderungen und möglichen Abweichungen für einen Stoff, der in Mengen von 1000 t oder mehr pro Jahr und pro Hersteller oder Importeur hergestellt oder importiert wird. Die von den Klägerinnen angeführte Bestimmung in Anhang IX Spalte 2, wonach „[d]ie Prüfung … zunächst an einer Tierart vorzunehmen [ist]“ und „[ü]ber die Notwendigkeit einer Prüfung an einer weiteren Art auf dieser oder der folgenden Mengenstufe … nach dem Ergebnis der ersten Prüfung sowie unter Berücksichtigung aller sonstigen relevanten verfügbaren Daten zu entscheiden [ist]“, bedeutet insofern nur, dass das Erfordernis einer Prüfung an einer zweiten Tierart auf dieser Mengenstufe bei einem Stoff, der in Mengen zwischen 100 und 999 t pro Jahr und pro Hersteller oder Importeur hergestellt oder importiert wird, sofern die Bedingungen für die Durchführung einer solchen Prüfung vorliegen, gegebenenfalls auf den Zeitpunkt verschoben wird, in dem der Stoff die „folgende Mengenstufe“ erreicht, d. h., wenn der Stoff in Mengen von 1000 t und mehr pro Jahr und pro Hersteller oder Importeur hergestellt oder importiert wird.

161

Der Rechtsfehler, den die Klägerinnen der Kommission vorwerfen, nämlich gegen die Bestimmungen von Anhang IX verstoßen zu haben, ist somit nicht nachgewiesen.

Zum zweiten Teil: Begehung eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers durch die Kommission aufgrund der Anforderung einer Studie zur Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität für eine zweite Tierart trotz des Fehlens der Voraussetzungen von Anhang IX Abschnitt 8.7.2 Spalte 2

162

In Bezug auf die Beurteilung des zweiten Teils des achten Klagegrundes ist in dieser Phase der Prüfung hervorzuheben, dass eine der in Anhang IX Abschnitt 8.7.2 Spalte 2 vorgesehenen Abweichung entsprechende Abweichung aus den oben in den Rn. 159 und 160 dargelegten Gründen nicht auf Anhang X anwendbar ist, insbesondere weil die Spalte 2 von Anhang X Abschnitt 8.7.2 leer ist. Zur Bestimmung des Umfangs der durch Anhang X Abschnitt 8.7.2 begründeten Pflichten und zur gleichzeitigen Bestimmung des insoweit der Kommission eingeräumten Wertungsspielraums ist sodann zu klären, welche Standarddatenanforderung in Anhang X Spalte 1 verlangt wird.

163

Wie oben in Rn. 158 ausgeführt, ist der Wortlaut der Anhänge IX und X jeweils Abschnitt 8.7.2 Spalte 1 im Wesentlichen identisch, soweit er auf die „Prüfung auf [Toxizität] an einer Tierart“ abstellt. Wie bereits in derselben Randnummer ausgeführt, können diese Rechtstexte bei isolierter Betrachtung den Eindruck einer bloßen Wiederholung des gleichen Erfordernisses erwecken; sie könnten mit anderen Worten dahin ausgelegt werden, dass sie lediglich die Durchführung einer Studie zur Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität einer Art verlangen, und zwar unabhängig davon, ob der betreffende Stoff in der in Anhang IX oder in Anhang X genannten Menge hergestellt oder importiert wird.

164

Im Licht der oben in den Rn. 159 und 160 ausgeführten Wesenszüge des Aufbaus und Anwendungsbereichs der Anhänge VII bis X, wonach die Spalten 1 dieser Anhänge im Verhältnis zueinander keine inhaltsgleichen Wiederholungen darstellen, würde es jedoch keinen Sinn ergeben, in Spalte 1 ein und dieselbe Standarddatenanforderung zu wiederholen. Auch eine in Spalte 2 genannte Anpassungsmöglichkeit kann von einem Anhang zum anderen wiederholt werden, wenn diese Möglichkeit auf verschiedene Standarddatenanforderungen in unterschiedlichen Anhängen zutrifft, sofern eine solche Wiederholung nicht dieselbe Standarddatenanforderung betrifft, die bereits in Spalte 1 eines früheren Anhangs für eine niedrigere Herstellungs- oder Importmenge formuliert ist. Das in Anhang X Abschnitt 8.7.2 Spalte 1 aufgestellte Erfordernis einer „Prüfung auf [Toxizität] an einer Tierart“ ist daher dahin auszulegen, dass es sich von dem ähnlich formulierten Erfordernis in Anhang IX Abschnitt 8.7.2 Spalte 1 unterscheidet, was nur einen Schluss zulässt, nämlich dass die beiden fraglichen Studien jeweils an einer anderen Tierart durchzuführen sind. Mit anderen Worten ist das in Anhang X Abschnitt 8.7.2 Spalte 1 genannte Erfordernis der Durchführung einer „Prüfung auf [Toxizität] an einer Tierart“ dahin zu verstehen, dass es eine Prüfung an einer anderen Tierart als derjenigen meint, an der nach Anhang IX eine ähnliche Prüfung durchgeführt wurde. Da, worauf oben in Rn. 162 hingewiesen worden ist, in dieser Hinsicht in Anhang X Abschnitt 8.7.2 keine Abweichung vorgesehen ist, besteht eine Pflicht zu einer Studie zur Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität an einer zweiten Tierart, sofern der Stoff in den in Anhang X genannten Mengen hergestellt oder importiert wird, es sei denn, dass aufgrund anderweitiger Bestimmungen Abweichungen möglich sind.

[nicht wiedergegeben]

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Klage wird abgewiesen.

 

2.

Die Klägerinnen tragen neben ihren eigenen Kosten die der Europäischen Kommission entstandenen Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes.

 

3.

Das Königreich Dänemark, das Königreich der Niederlande, das Königreich Schweden und die Europäische Chemiekalienagentur (ECHA) tragen ihre eigenen Kosten.

 

Gervasoni

Madise

Nihoul

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 29. März 2023.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

( 1 ) Es werden nur die Randnummern des Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.

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