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Document 62017CC0595

Schlussanträge des Generalanwalts N. Wahl vom 5. Juli 2018.
Apple Sales International u. a. gegen MJA.
Vorabentscheidungsersuchen der Cour de cassation (Frankreich).
Vorlage zur Vorabentscheidung – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 – Art. 23 – Gerichtsstandsvereinbarung in einem Vertriebsvertrag – Schadensersatzklage des Vertriebshändlers wegen Verstoßes des Lieferanten gegen Art. 102 AEUV.
Rechtssache C-595/17.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2018:541

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NILS WAHL

vom 5. Juli 2018 ( 1 )

Rechtssache C‑595/17

Apple Sales International,

Apple Inc.,

Apple retail France EURL

gegen

MJA als Liquidator von eBizcuss.com (eBizcuss)

(Vorabentscheidungsersuchen der Cour de cassation [Kassationsgerichtshof, Frankreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen – Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 – Gerichtsstandsvereinbarung in einem Vertriebsvertrag – Schadensersatzklage des Vertriebshändlers wegen Verstoßes des Lieferanten gegen Art. 102 AEUV“

Einleitung

1.

Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 ( 2 ), der Ausnahmen von den in dieser Verordnung aufgestellten allgemeinen Regeln für die internationale gerichtliche Zuständigkeit in den Fällen vorsieht, in denen die Parteien, von denen mindestens eine ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vereinbart haben, dass ein Gericht oder mehrere Gerichte eines Mitgliedstaats über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entscheiden sollen.

2.

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Unternehmen Apple Sales International, Apple Inc. und Apple retail France EURL einerseits und MJA als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma eBizcuss.com (im Folgenden: eBizcuss) andererseits betreffend eine Schadensersatzklage Letzterer wegen einer Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV.

3.

Der Gerichtshof soll damit klarstellen, ob und in welchem Rahmen von der Anwendung einer Gerichtsstandsklausel abgesehen werden kann, um die Effektivität von Klagen auf Ersatz der durch Verhaltensweisen von Unternehmen, die angeblich einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen, zu gewährleisten.

4.

Die Rechtssache bietet somit – angesichts der Lösung, die der Gerichtshof in der Rechtssache vertreten hat, in der das Urteil vom 21. Mai 2015, CDC Hydrogen Peroxide (C‑352/13, EU:C:2015:335), ergangen ist – erneut Gelegenheit, die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer in ihrer Eigenschaft als Verfasser der Gerichtsstandsklauseln einerseits und als Personen, die Klage auf Ersatz von angeblich durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht, insbesondere gegen Art. 102 AEUV, entstandenen Schäden in dem gemeinhin als „private enforcement“ bezeichneten Rahmen erheben wollen, andererseits, näher zu informieren.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

5.

Die Erwägungsgründe 2, 11 und 14 der Verordnung Nr. 44/2001 lauten:

„(2)

Die Unterschiede zwischen bestimmten einzelstaatlichen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen erschweren das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Es ist daher unerlässlich, Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen.

(11)

Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.

(14)

Vorbehaltlich der in dieser Verordnung festgelegten ausschließlichen Zuständigkeiten muss die Vertragsfreiheit der Parteien hinsichtlich der Wahl des Gerichtsstands, außer bei Versicherungs-, Verbraucher- und Arbeitssachen, wo nur eine begrenztere Vertragsfreiheit zulässig ist, gewahrt werden.“

6.

Art. 23 in Kapitel II Abschnitt 7 („Vereinbarung über die Zuständigkeit“) der Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt in seinem Abs. 1:

„Haben die Parteien, von denen mindestens eine ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, vereinbart, dass ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaats über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit entscheiden sollen, so sind dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats zuständig. Dieses Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaats sind ausschließlich zuständig, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Eine solche Gerichtsstandsvereinbarung muss geschlossen werden

a)

schriftlich oder mündlich mit schriftlicher Bestätigung,

b)

in einer Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, die zwischen den Parteien entstanden sind, oder

c)

im internationalen Handel in einer Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten.“

Französisches Recht

7.

Zur für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeit bestimmte Art. 1382 des Code civil (Zivilgesetzbuch): „Jegliche Handlung eines Menschen, durch die einem anderen ein Schaden zugefügt wird, verpflichtet denjenigen, durch dessen Verschulden der Schaden entstanden ist, diesen zu ersetzen“.

8.

Art. L 420-1 des Code de commerce (Handelsgesetzbuch) sieht vor:

„Abgestimmtes Vorgehen, Vereinbarungen, Absprachen – seien sie ausdrücklicher oder stillschweigender Art – oder Bündnisse, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs auf einem Markt bezwecken oder bewirken können, sind, auch wenn sie direkt oder indirekt über eine außerhalb Frankreichs niedergelassene Konzerngesellschaft zu Stande kommen, verboten, insbesondere wenn sie darauf abzielen,

1.

den Zugang zum Markt oder die freie Ausübung des Wettbewerbs durch andere Unternehmen zu beschränken;

2.

die Festlegung der Preise durch das freie Kräftespiel des Marktes zu behindern, indem sie ihre künstliche Erhöhung oder Senkung begünstigen;

3.

die Erzeugung, die Absatzmöglichkeiten, die Investitionen oder den technischen Fortschritt einzuschränken oder zu kontrollieren;

4.

die Märkte oder Versorgungsquellen aufzuteilen“.

9.

Art. L 420-2 des Code de commerce (Handelsgesetzbuch) lautet:

„Verboten sind, unter den Voraussetzungen des Art. L 420‑1 der Missbrauch einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein Unternehmen oder eine Gruppe von Unternehmen. Dieser Missbrauch kann insbesondere bestehen in einer Verkaufsverweigerung, Kopplungsgeschäften oder diskriminierenden Verkaufsbedingungen sowie aus dem Abbruch bestehender Geschäftsbeziehungen allein aus dem Grund, dass der Partner sich weigert, sich unangemessenen Geschäftsbedingungen zu unterwerfen.

Verboten ist ferner der Missbrauch der wirtschaftlichen Abhängigkeit eines gewerblichen Kunden oder Lieferanten durch ein Unternehmen oder eine Gruppe von Unternehmen, da dieser geeignet ist, das Funktionieren oder die Struktur des Wettbewerbs zu beeinträchtigen. Dieser Missbrauch kann insbesondere bestehen in einer Verkaufsverweigerung, Kopplungsgeschäften, diskriminierenden Praktiken im Sinne von Art. L 442‑6 oder Absprachen über die Produktpalette“.

Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

10.

Am 10. Oktober 2002 schloss eBizcuss, nunmehr vertreten durch MJA, mit der Gesellschaft irischen Rechts Apple Sales International einen Vertrag mit der Bezeichnung „Authorized Reseller Agreement“, mit dem ihr die Eigenschaft als Wiederverkäufer von Produkten der Marke Apple zuerkannt wurde. Dieser Vertrag, mit dem eBizcuss sich verpflichtete, nahezu ausschließlich die Erzeugnisse ihres Vertragspartners zu vertreiben, und der in der Folge mehrfach geändert wurde, enthielt eine Gerichtsstandsklausel zugunsten der irischen Gerichte.

11.

Diese auf Englisch abgefasste Klausel lautete in der letzten Fassung des Vertriebsvertrags vom 20. Dezember 2005 wie folgt:

„This Agreement and the corresponding relationship between the parties shall be governed by and construed in accordance with the laws of the Republic of Ireland and the parties shall submit to the jurisdiction of the courts of the Republic of Ireland. Apple reserves the right to institute proceedings against Reseller in the courts having jurisdiction in the place where Reseller has its seat or in any jurisdiction where a harm to Apple is occurring.“ ( 3 )

12.

Im April 2012 erhob eBizcuss vor dem Tribunal de commerce de Paris (Handelsgericht Paris, Frankreich) Klage auf Verurteilung der Firma Apple Sales International, der US-amerikanischen Muttergesellschaft Apple und der französischen Gesellschaft Apple retail France zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 62500000 Euro. Zur Stützung ihrer Klage trug eBizcuss im Wesentlichen vor, die beklagten Unternehmen hätten sich wettbewerbswidrige Verhaltensweisen und unlauteren Wettbewerb zuschulden kommen lassen, indem sie ab dem Jahr 2009 ihr eigenes Netz zum Nachteil von eBizcuss bevorzugt hätten ( 4 ). Sie machte in diesem Zusammenhang einen Verstoß gegen Art. 1382 des Code civil (jetzt Art. 1240 des Code civil), gegen Art. L 420‑2 des Code de commerce sowie gegen Art. 102 AEUV geltend.

13.

Mit Urteil vom 26. September 2013 gab das Tribunal de commerce de Paris (Handelsgericht Paris) der Einrede der Beklagten mit der Begründung statt, dass eine Gerichtsstandsklausel zugunsten der Gerichte in Irland im Vertrag zwischen Apple Sales International und eBizcuss enthalten sei.

14.

Mit Urteil vom 8. April 2014 wies die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) das Rechtsmittel von eBizcuss gegen dieses Urteil zurück und bestätigte damit die Unzuständigkeit der französischen Gerichte für die Entscheidung über die Schadensersatzklage.

15.

Mit Urteil vom 7. Oktober 2015 hob die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) dieses Urteil mit der Begründung auf, dass die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) dadurch gegen Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 in seiner Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil vom 21. Mai 2015, CDC Hydrogen Peroxide (C‑352/13, EU:C:2015:335), verstoßen habe, dass sie die im Vertrag zwischen eBizcuss und der Firma Apple Sales International enthaltene Gerichtsstandsklausel berücksichtigt habe, obwohl diese sich nicht auf Streitigkeiten betreffend die Haftung wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht bezogen habe.

16.

Mit Urteil vom 25. Oktober 2016 gab die Cour d’appel de Versailles (Berufungsgericht Versailles, Frankreich) dem Rechtsmittel von eBizcuss statt und verwies die Sache an das Tribunal de commerce de Paris (Handelsgericht Paris).

17.

Apple Sales International, Apple und Apple retail France legten gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde beim vorlegenden Gericht ein und machten im Wesentlichen geltend, dass, wenn eine eigenständige Klage im Sinne des Wettbewerbsrechts ihren Ursprung in der Vertragsbeziehung habe, eine Gerichtsstandsklausel Berücksichtigung finden müsse, selbst wenn diese Klausel sich nicht ausdrücklich auf eine solche Klage beziehe und zuvor keine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht von einer nationalen oder europäischen Behörde festgestellt worden sei.

18.

Das vorlegende Gericht führt aus, es habe in der Zwischenzeit Kenntnis von einem Urteil des Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof, Portugal) vom 16. Februar 2016, Interlog und Taboada/Apple, erlangt. Dieses betreffe ebenfalls Apple Sales International und eine vergleichbare, allgemein gefasste Gerichtsstandsklausel. Das Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof) habe befunden, dass diese Klausel in einem Rechtsstreit, der sich auf eine ebensolche Behauptung eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung im Sinne des Unionsrechts beziehe, auf die Parteien Anwendung finde, und die Unzuständigkeit der portugiesischen Gerichte festgestellt.

19.

Unter diesen Umständen hat die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Ist Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass er es dem nationalen Gericht, das über eine von einem Händler gegen seinen Lieferanten auf der Grundlage von Art. 102 AEUV erhobene Schadensersatzklage entscheidet, ermöglicht, eine Gerichtsstandsklausel anzuwenden, die in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag enthalten ist?

2.

Ist im Fall der Bejahung der ersten Frage Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass er es dem nationalen Gericht, das über eine von einem Händler gegen seinen Lieferanten auf der Grundlage von Art. 102 AEUV erhobene Schadensersatzklage entscheidet, ermöglicht, eine Gerichtsstandsklausel anzuwenden, die in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag enthalten ist, und zwar auch dann, wenn sich diese Klausel nicht ausdrücklich auf Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Haftung wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht bezieht?

3.

Ist Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass er es dem nationalen Gericht, das über eine von einem Händler gegen seinen Lieferanten auf der Grundlage von Art. 102 AEUV erhobene Schadensersatzklage entscheidet, ermöglicht, eine Gerichtsstandsklausel, die in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag enthalten ist, unangewendet zu lassen, wenn weder eine nationale noch eine europäische Behörde eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht festgestellt hat?

20.

Apple Sales International, eBizcuss, die französische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

Würdigung

21.

Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft im Wesentlichen die Auslegung von Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 im spezifischen Kontext einer von einem Händler gegen seinen Lieferanten auf der Grundlage von Art. 102 AEUV erhobenen Schadensersatzklage, d. h., wenn Letzterem ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung vorgeworfen wird.

22.

Wie die unterschiedlichen Standpunkte der französischen Gerichte, die sich im Ausgangsverfahren zu äußern hatten, zeigen, geht es hier offensichtlich um die genaue Tragweite der vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 21. Mai 2015, CDC Hydrogen Peroxide (C‑352/13, EU:C:2015:335), vertretenen Auslegung.

23.

Konkret stellt sich die Frage, ob eine Gerichtsstandsklausel betreffend alle Streitigkeiten aus einem Vertrag und aus den sich daraus ergebenden Beziehungen, die diese nicht spezifisch anführt – wie diejenige des Ausgangsverfahrens, die die Zuständigkeit der irischen Gerichte begründet – im Fall der Erhebung eigenständiger Schadensersatzklagen wegen eines angeblichen Verstoßes gegen Art. 102 AEUV unangewendet zu lassen ist. Der Gerichtshof wird um Auskunft ersucht, ob und in welchem Umfang eine zwischen den Parteien eines Vertrags (im vorliegenden Fall eines Vertriebsvertrags) getroffene Gerichtsstandsvereinbarung im Zusammenhang mit Streitigkeiten, in denen ein Verstoß gegen das europäische Wettbewerbsrecht geltend gemacht wird, ihre Wirkungen entfalten kann.

24.

Einer ersten Auslegung zufolge, die offenbar namentlich von der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) in ihrem Urteil vom 7. Oktober 2015 vertreten wurde, kann eine solche Gerichtsstandsvereinbarung nur berücksichtigt werden, wenn sie sich ausdrücklich auf Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Haftung wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht bezieht.

25.

Einer anderen Auslegung zufolge, die u. a. von den Vorinstanzen im Ausgangsverfahren, aber auch – wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens geltend macht – vom Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof) in seinem Urteil vom 16. Februar 2016, Interlog und Taboada/Apple ( 5 ), vertreten wurde, findet eine allgemein gefasste Gerichtsstandsklausel auf die Parteien eines Rechtsstreits im Zusammenhang mit dem angeblichen Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne des Unionsrechts Anwendung.

26.

Bevor ich auf die Vorabentscheidungsfragen eingehe, erscheint es mir angebracht, zunächst einige allgemeine Erwägungen zur Tragweite von Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 anzustellen.

Allgemeine Erwägungen zu Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001

27.

Der Gerichtshof ist bereits mehrfach ersucht worden, sich zur Auslegung von Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 und der entsprechenden vorausgehenden Bestimmung, nämlich Art. 17 des Brüsseler Übereinkommens, zu äußern ( 6 ).

28.

Wie der Gerichtshof stets festgestellt hat, müssen diese Bestimmungen, im Licht der vom Brüsseler Übereinkommen und von der Verordnung Nr. 44/2001 verfolgten allgemeineren Ziele ausgelegt werden, d. h., den Rechtsschutz der in der Union ansässigen Personen dadurch zu verbessern, dass ein Kläger ohne Schwierigkeiten festzustellen vermag, welches Gericht er anrufen kann, und einem verständigen Beklagten erkennbar wird, vor welchem Gericht er verklagt werden kann ( 7 ).

29.

Nach der allgemeinen Systematik der Verordnung Nr. 44/2001 ist Art. 23 eine grundlegende Bestimmung: Sie ist Ausdruck sowohl des Grundsatzes des Vorrangs des von den Parteien frei ausgedrückten Willens (vgl. 14. Erwägungsgrund der Verordnung) als auch des Erfordernisses eines hohen Maßes an Vorhersehbarkeit (elfter Erwägungsgrund dieser Verordnung). Ihr Ziel ist es, ein Gericht eines Vertragsstaats, das gemäß dem nach den in dieser Vorschrift geregelten strengen Formvoraussetzungen zum Ausdruck gebrachten übereinstimmenden Willen der Parteien ausschließlich zuständig sein soll, klar und eindeutig zu bestimmen. Es könnte leicht zu einer Gefährdung der mit dieser Vorschrift angestrebten Rechtssicherheit kommen, wenn einer Vertragspartei die Möglichkeit eingeräumt würde, das Eingreifen dieser Vorschrift allein durch die Behauptung zu vereiteln, dass der gesamte Vertrag aus Gründen des anwendbaren materiellen Rechts unwirksam sei ( 8 ).

30.

Wie der Gerichtshof bereits hervorgehoben hat, sind die in Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 aufgestellten formellen wie auch materiellen Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Gerichtsstandsklauseln insoweit eng auszulegen, als er eine Abweichung von den Zuständigkeitsvorschriften dieser Verordnung erlaubt ( 9 ). Wenn dagegen die in dieser aufgestellten formellen und materiellen Voraussetzungen erfüllt sind, muss die Gerichtsstandsvereinbarung angewandt werden können. Die Wahl des vereinbarten Gerichts kann nämlich nur anhand von Erwägungen geprüft werden, die im Zusammenhang mit den Erfordernissen des Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 stehen ( 10 ).

31.

Was die materielle Voraussetzung angeht, wonach die Begründung einer Zuständigkeit „eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit“ betreffen muss, soll hierdurch verhindert werden, dass eine Partei dadurch überrascht wird, dass die Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts für sämtliche Rechtsstreitigkeiten begründet wird, die sich eventuell aus den Beziehungen mit ihrem Vertragspartner ergeben und ihren Ursprung in einer anderen Beziehung als derjenigen haben, anlässlich deren die Begründung des Gerichtsstands vorgenommen wurde ( 11 ).

32.

Für den Fall, dass die Gültigkeit einer Gerichtsstandsklausel in Anbetracht dieser materiellen Voraussetzung in Frage gestellt wird, obliegt es allein dem nationalen Gericht, vor dem eine Gerichtsstandsklausel geltend gemacht wird, zu entscheiden, ob diese die Rüge betrifft, die Gegenstand des Rechtsstreits ist ( 12 ).

33.

Zwar kann diese Prüfung, die insbesondere verlangt, dass das angerufene Gericht prüft, ob der betreffende Rechtsstreit zu dem Zeitpunkt, zu dem die Parteien dieser Klausel zustimmten, für sie vernünftigerweise vorhersehbar war, nur von Fall zu Fall durchgeführt werden, doch sind meines Erachtens mehrere Auslegungslinien zu berücksichtigen.

34.

Zunächst einmal bedeutet der Vorrang der Vertragsfreiheit der Parteien, wie sie in der wirksam vereinbarten Gerichtsstandsklausel zum Ausdruck kommt, dass es darauf ankommt, ob die in Rede stehende Rechtsstreitigkeit – hier eine Klage auf Ersatz der angeblich aufgrund wettbewerbswidriger Verhaltensweisen erlittenen Schäden – mit dem in dieser Klausel bestimmten Rechtsverhältnis verknüpft werden kann, und zwar unabhängig von seiner deliktischen oder vertraglichen Natur im Sinne der Verordnung Nr. 44/2001 und erst recht im Sinne der anwendbaren nationalen Vorschriften.

35.

Somit kann ein Rechtsstreit außervertraglicher Natur, der jedoch im Rahmen der vertraglichen Beziehung entstanden ist, in den Geltungsbereich der Gerichtsstandsklausel fallen, da dieser Rechtsstreit seinen Ursprung in den Vertragsbeziehungen hat, in deren Rahmen diese Klausel vereinbart wurde.

36.

Sodann bedeutet die Verbindlichkeit der Klausel, dass es nicht erforderlich ist, dass das in dieser bezeichnete Gericht eine „Nähe“ zum Rechtsstreit aufweisen muss. Mit anderen Worten steht der Umstand, dass die Gerichtsstandsklausel einen Gerichtsstand vorsieht, der in keinem Zusammenhang mit den Beteiligten oder mit dem streitigen Rechtsverhältnis steht, ihrer Anwendung nicht entgegen ( 13 ).

37.

Im Übrigen kann der Umstand, dass die Gerichtsstandsklausel, wie es im Ausgangsverfahren der Fall ist, asymmetrisch oder einseitig ist, da nur eine Vertragspartei verpflichtet ist, ein ganz bestimmtes Gericht anzurufen, während die andere sich das Recht vorbehält, andere Gerichte anzurufen, für sich allein kein relevanter Gesichtspunkt bei der Beurteilung der Gültigkeit dieser Klausel im Hinblick auf die Anforderungen von Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 sein ( 14 ), da eine solche Klausel gleichwohl dem Ziel der Vorhersehbarkeit entspricht.

38.

Sie bedeutet schließlich, dass das auf den Rechtsstreit in der Sache anwendbare materielle Recht grundsätzlich keinen Einfluss auf die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit hat. Gerade diese Bedeutungslosigkeit der Vorschriften des materiellen Rechts im Hinblick auf die Gerichtsstandsvereinbarung stellt eine starke Garantie für die Rechtssicherheit und die Vorhersehbarkeit dar ( 15 ).

39.

Ich werde darauf noch näher eingehen, wenn ich mich speziell mit der Frage befasse, wie eine Gerichtsstandsklausel im Rahmen von Maßnahmen zur Gewährleistung der Wirksamkeit des Schutzes der Bürger gegenüber Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht zu beurteilen ist.

Zur ersten Frage: Anwendbarkeit einer Gerichtsstandsklausel im Rahmen einer von einem Vertriebshändler gegen seinen Lieferanten auf der Grundlage von Art. 102 AEUV erhobenen Schadensersatzklage

40.

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 allgemein die Anwendung einer Gerichtsstandsklausel zulässt, wenn die Schadensersatzklage auf einen angeblichen Verstoß gegen Art. 102 AEUV gestützt ist. Es geht mit anderen Worten um die Frage, ob Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass grundsätzlich ein Hinderungsgrund für die Anwendung einer Gerichtsstandsklausel auf einen Rechtsstreit besteht, der auf einen Verstoß gegen Art. 102 AEUV gestützt ist.

41.

Im vorliegenden Fall stimmen offensichtlich alle Verfahrensbeteiligten überein, dass Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass er dem nationalen Gericht in einem solchen Fall die Anwendung einer Gerichtsstandsklausel erlaubt – oder ihm zumindest nicht verwehrt.

42.

Dem kann nur zugestimmt werden.

43.

Im Einklang mit den vorstehenden Erwägungen und abgesehen von in der Verordnung Nr. 44/2001 spezifisch geregelten Fällen ( 16 ), kann die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsklausel nicht von der Einhaltung einer anderen materiellen Voraussetzung abhängen als dem Erfordernis betreffend den Gegenstand der Klausel, die sich auf „ein bestimmtes Rechtsverhältnis“ beziehen muss.

44.

Die Bedeutungslosigkeit der Vorschriften des materiellen Rechts im Hinblick auf die Gültigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung, die, wie ausgeführt, eine wichtige Garantie für die Wahrung der Parteiautonomie und der Vorhersehbarkeit darstellt, spielt namentlich eine Rolle, wenn im Rahmen des Rechtsstreits ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht geltend gemacht wird.

45.

Mangels einer spezifischen Bestimmung in der Verordnung Nr. 44/2001, die in einem solchen Fall eine Ausnahme von der Bindungswirkung einer Gerichtsstandsklausel erlauben würde, kann der Grundsatz der wirksamen Durchführung des Wettbewerbsrechts nicht geltend gemacht werden, um die Anwendung einer solchen Klausel auszuschließen.

46.

Zwar verlangt die praktische Wirksamkeit der Art. 101 und 102 AEUV, dass jedermann Ersatz des ihm angeblich durch einen Vertrag oder ein Verhalten, das geeignet ist, den freien Wettbewerb einzuschränken oder zu verfälschen, entstandenen Schadens verlangen könnte ( 17 ).

47.

Wie jedoch der Gerichtshof in der Rechtssache, in der das Urteil vom 21. Mai 2015, CDC Hydrogen Peroxide (C‑352/13, EU:C:2015:335), ergangen ist, befunden hat, darf das angerufene Gericht die Berücksichtigung einer den Erfordernissen des Art. 23 dieser Verordnung entsprechenden Gerichtsstandsklausel nicht – ohne hierdurch die Zielsetzung der Verordnung Nr. 44/2001 in Frage zu stellen – allein deshalb ablehnen, weil es der Ansicht ist, dass das in dieser Klausel bezeichnete Gericht nicht die volle Geltung des Grundsatzes der wirksamen Durchführung der Wettbewerbsregeln sicherstellen und dem durch – angebliche oder erwiesene – wettbewerbswidrige Verhaltensweisen von Unternehmen Geschädigten keinen vollen Ersatz seines Schadens zusprechen würde. Vielmehr ist in solchen Fällen davon auszugehen, dass das in jedem Mitgliedstaat eingerichtete Rechtsbehelfssystem, ergänzt durch das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV, den Rechtsbürgern eine ausreichende Garantie bietet ( 18 ).

48.

Schließlich steht das Erfordernis einer wirksamen Umsetzung des Verbots des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung per se nicht der Möglichkeit für die Parteien entgegen, mittels einer Gerichtsstandsvereinbarung von den in der Verordnung Nr. 44/2001 vorgesehenen Gerichtsständen abzuweichen.

49.

Nach alledem wird vorgeschlagen, auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass kein grundsätzliches Hindernis für die Anwendung einer Gerichtsstandsvereinbarung im Rahmen einer eigenständigen Schadensersatzklage wie der im Ausgangsverfahren von einem Händler gegen seinen Lieferanten wegen einer angeblichen Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV erhobenen Klage besteht.

Zur zweiten Frage: Erfordernis einer ausdrücklichen Bezugnahme auf Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Haftung wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht

50.

Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, ob Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 einer Gerichtsstandsklausel entgegensteht, die sich nicht ausdrücklich auf „Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Haftung wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht“ bezieht.

51.

Mit dieser Frage wird letztlich die Festlegung der Angaben bezweckt, die in einer Gerichtsstandsklausel enthalten sein müssen, damit diese im Zusammenhang mit Klagen auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts, im vorliegenden Fall einer Klage auf Ersatz des angeblich durch einen Verstoß gegen Art. 102 AEUV verursachten Schadens, angewandt werden kann.

52.

Insoweit ist festzustellen, dass – da Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 es den Parteien ausschließlich zum Zweck der Entscheidung über „eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit“ ermöglicht, von den darin festgelegten Zuständigkeitsregeln abzuweichen – es Sache dieser Parteien ist, die Klausel so zu formulieren, dass sie ihren Willen bestmöglich zum Ausdruck bringt.

53.

Die Frage, ob eine solche Klausel diese oder jene Klage erfasst, wird nämlich stets von ihrer Formulierung und der vom angerufenen Gericht jeweils vorgenommenen Auslegung abhängen.

54.

Somit kann nicht abstrakt, d. h. ohne Bezugnahme auf den Wortlaut der Gerichtsstandsklausel, um die es konkret geht, die Frage beantwortet werden, ob diese Klausel auf Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Haftung wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht in dem Fall anwendbar bleibt, in dem sie sich nicht ausdrücklich auf derartige Streitigkeiten bezieht. Es ist Sache des angerufenen nationalen Gerichts, dem allein die Aufgabe zukommt, die genaue Tragweite dieser Klausel zu bestimmen, zu beurteilen, ob die Streitigkeit betreffend die Haftung des Vertragspartners wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht ihren Ursprung in dem Rechtsverhältnis hat, anlässlich dessen diese Klausel vereinbart wurde.

55.

Was die Anwendbarkeit einer Gerichtsstandsklausel im Rahmen einer Klage auf Ersatz des durch ein wettbewerbswidriges Verhalten entstandenen Schadens angeht, ist nämlich nicht auszuschließen, dass diese in einem vertraglichen Zusammenhang steht und dass der Richter sie daher anwenden muss, unabhängig von der ausdrücklichen Bezugnahme auf „Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Haftung wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht“.

56.

Meiner Ansicht nach wäre es unverhältnismäßig, in allen Fällen von den Parteien des Rechtsstreits zu verlangen, dass sie die Natur der Klagen, die unter die Gerichtsstandsklausel fallen sollen, genau angeben, wenn diese Klausel allgemein genug formuliert ist, um jede Klage zu erfassen, die eng oder entfernt mit dem Vertragsverhältnis zusammenhängt, anlässlich dessen die Klausel vereinbart wurde.

57.

Durch den Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung wollen die Parteien im Wesentlichen einen bestimmten Gerichtsstand für die Entscheidung über alle Fragen betreffend die zwischen ihnen bestehende Beziehung begründen, ohne stets die Natur der möglicherweise zwischen ihnen auftretenden Rechtsstreitigkeiten vorhersehen und anführen zu können. Anderenfalls wären die Funktion und die Tragweite einer solchen Klausel erheblich beeinträchtigt.

58.

Dieses Ergebnis ist meines Erachtens eine Fortentwicklung der Lösung in der Rechtssache, in der das Urteil CDC Hydrogen Peroxide ( 19 ) ergangen ist, siehe insbesondere dessen Rn. 69.

59.

Der Gerichtshof hat in diesem Urteil unter Hinweis darauf, dass es allein Sache des nationalen Gerichts ist, vor dem eine Gerichtsstandsklausel geltend gemacht wird, zu bestimmen, ob die betreffenden Streitigkeiten in deren Anwendungsbereich fallen (Rn. 67 des Urteils), im Hinblick auf Gerichtsstandsklauseln, die ganz allgemein „alle Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dem Vertrag ergeben oder mit diesem in Zusammenhang stehen“, erfassten, bestimmte Auslegungsmöglichkeiten als Leitlinien für das nationale Gericht aufgeführt (Rn. 68 bis 71).

60.

Der Gerichtshof hat u. a. ausgeführt, dass eine Klausel, die sich in abstrakter Weise auf Streitigkeiten aus Vertragsverhältnissen bezieht, nicht einen Rechtsstreit erfasst, in dem ein Vertragspartner aus deliktischer Haftung wegen seines einem rechtswidrigen Kartell entsprechenden Verhaltens belangt wird. Dagegen würde eine Klausel, die auf „Streitigkeiten aus Haftung wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht“ Bezug nimmt, das vorlegende Gericht zwingen, sich für unzuständig zu erklären ( 20 ).

61.

Die letztgenannte Erwägung muss jedoch meines Erachtens – unter Berücksichtigung der besonderen Umstände der Rechtssache, in denen dieses Urteil ergangen ist – in ihrem Zusammenhang gesehen werden.

62.

Erstens betraf der Rechtsstreit eine von der Firma CDC erhobene Sammelklage zur gerichtlichen und außergerichtlichen Durchsetzung von Schadensersatzforderungen. Gestützt war diese Klage auf ein angebliches rechtswidriges Kartell einiger in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässiger Unternehmen, die sich auf Gerichtsstandsklauseln beriefen, die in einigen der Kaufverträge zwischen ihnen und den durch das mit Entscheidung der Kommission ( 21 ) festgestellte Kartell angeblich geschädigten Unternehmen enthalten waren.

63.

Die Lösung des Gerichtshofs hatte in diesem Kontext den Vorteil, eine Aufsplitterung des Schadensersatzverfahrens zwischen verschiedenen Gerichtsständen/Gerichten zu vermeiden, die sich aus einer weiten Auslegung des Anwendungsbereichs der in den – meines Erachtens nicht mit dem rechtswidrigen Kartell zwischen einer der Parteien dieser Verträge und Dritten in Zusammenhang stehenden – Verträgen enthaltenen Gerichtsstandsklauseln ergeben hätte. Die von CDC gegen die Beklagten des Ausgangsverfahrens erhobene Schadensersatzklage betraf nämlich Unternehmen, die in fünf anderen Mitgliedstaaten als der Bundesrepublik Deutschland ansässig waren.

64.

Zweitens und vor allem war das fragliche Kartell naturgemäß geheim und fand sich somit nicht in den Kaufverträgen, anlässlich deren die streitigen Gerichtsstandsklauseln vereinbart worden waren. In einem solchen Fall sprach das Ziel der Vorhersehbarkeit, das die Anwendung der Gerichtsstandsklauseln rechtfertigte – und ihr Gegenstück, dass nämlich eine Partei dadurch „überrascht“ wird, dass die Zuständigkeit eines Gerichts begründet wird, die ihren Ursprung in einer anderen Beziehung als denjenigen hat, anlässlich deren die Klausel vereinbart wurde (vgl. Rn. 68 dieses Urteils) – für eine Nichtanwendung der streitigen Gerichtsstandsklausel.

65.

Meines Erachtens ist das Erfordernis einer ausdrücklichen Bezugnahme auf „Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Haftung wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht“ nur für Rechtsstreitigkeiten von Bedeutung, die ihren Ursprung offensichtlich nicht in dem Rechtsverhältnis haben, anlässlich dessen die Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen wurde.

66.

Die Hinweise des Gerichtshofs sind somit dahin zu verstehen, dass die betreffenden Streitigkeiten tatsächlich ihren Ursprung in den vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien des fraglichen Vertrags haben müssen (vgl. insbesondere Rn. 70 dieses Urteils). Dagegen kann die vom Gerichtshof gewählte Lösung meiner Ansicht nach nicht dahin ausgelegt werden, dass sie verlangt, dass eine Gerichtsstandsklausel alle Streitigkeiten deliktischer Natur, die zwischen den Parteien auftreten können, genau anführt.

67.

Insoweit kann meines Erachtens zum Beispiel nicht ausgeschlossen werden, dass bestimmte Verhaltensweisen, die angeblich ein Kartell oder einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen, wie diejenigen, die im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems vorkommen können, gegebenenfalls in Verbindung mit dem Vertriebsvertrag stehen und daher unter die in einem solchen Vertrag enthaltene Gerichtsstandsklausel fallen können, die allgemein, ohne ausdrückliche Angabe der möglichen Klagen wegen Verstoßes gegen die einschlägigen Wettbewerbsvorschriften, formuliert wurde.

68.

Wenn – wie dies anscheinend im Ausgangsverfahren der Fall ist – das behauptete Verhalten diskriminierende Preis‑ oder Lieferbedingungen betrifft, ist nicht auszuschließen, dass der Rechtsstreit seinen Ursprung in dem Rechtsverhältnis zwischen Lieferant und Vertriebshändler hat. Das nationale Gericht wird daher im Rahmen einer Klage wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln davon ausgehen können, dass die geltend gemachten Umstände im Zusammenhang mit der Vertragsbeziehung stehen, anlässlich deren eine Gerichtsstandsklausel vereinbart wurde, auch wenn diese allgemein gefasst ist.

69.

Eine wichtige Klarstellung ist erforderlich. Es geht hier nicht um eine unterschiedliche Anwendung von Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 – und speziell um eine unterschiedliche Beurteilung der Anwendbarkeit einer Gerichtsstandsklausel im Fall von Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Haftung wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht – je nachdem, ob ein Verstoß gegen das Kartellverbot (Art. 101 AEUV) oder ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung (Art. 102 AEUV) geltend gemacht wird.

70.

Prozessual betrachtet und aus der Sicht der gerichtlichen Zuständigkeit spricht nichts grundsätzlich dagegen, diese Zuwiderhandlungen unterschiedlich zu behandeln. Insoweit kann ich mich kaum der Idee anschließen, dass die nach Art. 101 AEUV verbotenen Kartelle ihre nachteiligen Auswirkungen stets außerhalb jeglicher vertraglichen Beziehung entfalten, während Verhaltensweisen, die den nach Art. 102 AEUV verbotenen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen, ihren Ursprung zwangsläufig in dem zwischen dem durch das behauptete Verhalten Geschädigten und dem Urheber eines solchen Missbrauchs haben.

71.

Es muss in jedem Fall, und damit unabhängig von der Rechtsgrundlage der Klage, festgestellt werden, ob das Verhalten, das der Streitigkeit zugrunde liegt, in Zusammenhang mit der vertraglichen Beziehung steht, anlässlich deren die Gerichtsstandsklausel vereinbart wurde.

72.

Sofern der Rechtsstreit seinen Ursprung in dieser Beziehung hat, kann er in den Anwendungsbereich der allgemein, ohne Bezugnahme auf die etwaigen Grundlagen der zu erhebenden Klagen formulierten Gerichtsstandsklausel fallen.

73.

Somit kann eine Schadensersatzklage, die auf einen angeblichen Verstoß gegen Art. 102 AEUV gestützt ist, in den Genuss einer Gerichtsstandsvereinbarung kommen, wenn sie ihren Ursprung in dem Vertrag hat, und zwar ohne dass diese Klage ausdrücklich in der streitigen Klausel erwähnt sein muss.

74.

Dies ist offensichtlich auch die Auffassung, die vom Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof) in seinem Urteil vom 16. Februar 2016, Interlog und Taboada/Apple, vertreten wurde. Dieses Gericht war nämlich der Auffassung, dass die Klage, mit der es befasst war, „ein vom Gleichgewicht (oder Programm) des [streitigen] Vertrags abweichendes Verhalten“ betraf. Es schloss daraus, dass der bei ihm anhängige Rechtsstreit seinen Ursprung durchaus in dem Rechtsverhältnis hatte, in dessen Rahmen die Klausel vereinbart worden war. Seiner Ansicht nach war diese Klausel daher voll und ganz auf den fraglichen Sachverhalt anwendbar.

75.

In gleicher Weise ließe sich die Auffassung vertreten, dass eine – diesmal auf Art. 101 AEUV gestützte – Schadensersatzklage unter bestimmten Umständen ihren Ursprung in dem Rechtsverhältnis haben könnte, anlässlich dessen diese Klausel vereinbart wurde. Dies könnte bei einer Klage der Fall sein, die – gestützt auf eben diesen Artikel – wegen des Verhaltens eines Lieferanten an der Spitze eines selektiven oder exklusiven Vertriebsnetzes gegenüber seinen Vertriebshändlern erhoben wird.

76.

Abschließend ist festzuhalten, dass die Frage, ob eine Gerichtsstandsklausel auf Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Haftung wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht anwendbar ist, wenn sie nicht ausdrücklich auf diese Bezug nimmt, davon abhängt, wie sie von dem nationalen Gericht, vor dem die Klausel geltend gemacht wird, im Licht ihres Wortlauts und des Parteiwillens beurteilt wird.

77.

Wenn sich zeigt, dass die Parteien, die den möglichen Eintritt eines bestimmten Rechtsstreits nicht voraussehen konnten, nicht die Absicht hatten, diesen in den Anwendungsbereich einer abstrakt formulierten Gerichtsstandsklausel einzubeziehen, kann diese ihnen im Rahmen eines solchen Rechtsstreits nicht entgegengehalten werden. Dies würde namentlich bei einer Streitigkeit gelten, in der es um die Haftung einer dieser Parteien wegen ihrer Teilnahme an einem Kartell mit Drittunternehmen geht, die nicht an diesem Vertragsverhältnis beteiligt sind.

78.

Wenn sich der Rechtsstreit dagegen – auch wenn er auf einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht gestützt ist – auf den vertraglichen Rahmen bezieht, insbesondere die vertraglichen Bedingungen, auf die sich die Parteien geeinigt haben, kann er seiner Natur nach unter die Gerichtsstandsklausel fallen. Dies ist zum Beispiel denkbar im Fall von auf Art. 102 AEUV gestützten Klagen, in denen es um die in einem Vertriebsvertrag, der eine Gerichtsstandsklausel enthält, vereinbarten Preis- und Lieferbedingungen geht.

79.

Nach alledem ist meines Erachtens auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass er das mit einer auf Art. 102 AEUV gestützten Schadensersatzklage befasste Gericht zur Anwendung einer Gerichtsstandsklausel verpflichtet, wenn der fragliche Rechtsstreit seinen Ursprung in dem Rechtsverhältnis hat, anlässlich dessen diese Klausel vereinbart wurde. Es ist daher Sache des angerufenen nationalen Gerichts, in jedem Einzelfall festzustellen, ob der fragliche Rechtsstreit im Fall von Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Haftung wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht seiner Natur nach unter eine solche Klausel fallen kann, auch wenn diese allgemein gefasst ist.

Zur dritten Frage: Erfordernis der vorherigen Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht durch eine Wettbewerbsbehörde, um eine Gerichtsstandsklausel anwenden zu können

80.

Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Umstand, dass keine nationale oder europäische Wettbewerbsbehörde zuvor eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht festgestellt hat, es erlaubt, die Gerichtsstandsklausel unangewendet zu lassen.

81.

Es stellt sich mit anderen Worten die Frage, ob – ungeachtet dessen, dass sich im Urteil vom 21. Mai 2015, CDC Hydrogen Peroxide (C‑352/13, EU:C:2015:335), kein diesbezüglicher Hinweis findet – der Umstand, dass die streitige Schadensersatzklage wegen Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht eigenständig ist (eine sogenannte „Stand-alone“-Klage, im Unterschied zu einer „Follow-on“-Klage wie derjenigen, um die es in der Rechtssache ging, in der dieses Urteil ergangen ist), es ihrer Natur nach rechtfertigen kann, die Zuständigkeitsklausel unangewendet zu lassen.

82.

Anknüpfend an die vorstehenden Erwägungen schlage ich vor, diese Frage zu verneinen.

83.

Meiner Ansicht nach ist die Natur der Schadensersatzklage („Stand-alone“-Klage oder „Follow-on“-Klage), mit der der Richter befasst ist, kein relevantes Kriterium für die Prüfung der Anwendbarkeit einer Gerichtsstandsklausel. Das Fehlen oder Vorhandensein einer vorherigen Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln durch eine Wettbewerbsbehörde ist nämlich eine Erwägung, die nichts mit denen zu tun hat, die maßgeblich für die Entscheidung sind, ob eine Gerichtsstandsklausel auf eine bestimmte Streitigkeit und insbesondere auf eine Klage auf Ersatz des angeblich durch eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln entstandenen Schadens anzuwenden – oder im Gegenteil unangewendet zu lassen – ist.

84.

Wie sich aus den Erwägungsgründen 3, 12 und 13 der Richtlinie 2014/104/EU ( 22 ) ergibt, erzeugen die Art. 101 und 102 AEUV in den Beziehungen zwischen Einzelpersonen unmittelbare Wirkungen und lassen für diese Einzelpersonen Rechte und Pflichten entstehen, die die nationalen Gerichte durchzusetzen haben. So kann jede Person, die sich durch eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln geschädigt fühlt, Ersatz des entstandenen Schadens verlangen, und zwar unabhängig von der vorherigen Feststellung einer solchen Zuwiderhandlung ( 23 ).

85.

Außerdem steht fest, dass – im Unterschied zu den Rechtsstreitigkeiten über die von einer Verwaltungsbehörde in Ausübung ihrer unter den Begriff der „verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten“ fallenden Regulierungsbefugnisse verhängten Sanktionen – eine Klage auf Ersatz des durch angebliche Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht entstandenen Schadens zivil‑ und handelsrechtlicher Natur im Sinne der Verordnung Nr. 44/2001 ist und daher unter diese fällt ( 24 ).

86.

Nach Art. 23 Abs. 1 dieser Verordnung können die Parteien durch den Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung nicht nur von der allgemeinen Zuständigkeit abweichen, sondern auch von den in ihr vorgesehenen besonderen Zuständigkeiten. Das angerufene Gericht kann daher grundsätzlich durch eine von der allgemeinen wie auch den besonderen Zuständigkeiten nach dieser Verordnung abweichende Gerichtsstandsklausel gebunden sein ( 25 ).

87.

Ebenso wenig wie diese Möglichkeit durch das materielle Recht, das dem Rechtsstreit in der Sache zugrunde liegt, in Frage gestellt wird ( 26 ), kann sie davon abhängig sein, dass mit der streitigen Klage von den zuständigen Behörden zuvor festgestellte Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Union geahndet werden sollen. Die Vertragsautonomie der Parteien rechtfertigt nämlich den Vorrang, der bei der Wahl eines anderen als des nach der Verordnung Nr. 44/2001 eventuell zuständigen Gerichts eingeräumt wird ( 27 ).

88.

Schließlich stünde eine Unterscheidung zwischen „Stand-alone“-Klagen und „Follow-on“-Klagen im Rahmen der Entscheidung über die Anwendbarkeit einer Gerichtsstandsklausel auf einen Rechtsstreit diametral dem von Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 verfolgten Ziel der Vorhersehbarkeit in dem Sinn entgegen, dass diese Anwendung von der nachträglichen Feststellung einer Zuwiderhandlung einer Wettbewerbsbehörde abhängig gemacht würde. Ebenso wie eine solche Feststellung keine Voraussetzung darstellen dürfte, um eine Gerichtsstandsklausel unangewendet zu lassen, geht es nicht an, sich auf die Feststellung zu beschränken, dass der fragliche Rechtsstreit sich auf eine eigenständige („stand-alone“) Klage bezieht, um die Außerachtlassung einer solchen Klausel unabhängig von der konkreten Prüfung derselben und von dem Rechtsverhältnis, anlässlich dessen sie vereinbart wurde, zu vermeiden.

89.

Ich schlage daher vor, auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass das Fehlen der vorherigen Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht im Sinne von Art. 102 AEUV es nicht als solches erlaubt, im Rahmen einer auf die Wettbewerbsregeln gestützten Schadensersatzklage eine Gerichtsstandsklausel anzuwenden oder, im Gegenteil, unangewendet zu lassen.

Ergebnis

90.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Fragen der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) wie folgt zu antworten:

1.

Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass kein grundsätzliches Hindernis für die Anwendung einer Gerichtsstandsvereinbarung im Rahmen einer eigenständigen Schadensersatzklage wie der im Ausgangsverfahren von einem Händler gegen seinen Lieferanten wegen einer angeblichen Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV erhobenen Klage besteht.

2.

Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass er das mit einer auf Art. 102 AEUV gestützten Schadensersatzklage befasste Gericht zur Anwendung einer Gerichtsstandsklausel verpflichtet, wenn der fragliche Rechtsstreit seinen Ursprung in dem Rechtsverhältnis hat, anlässlich dessen diese Klausel vereinbart wurde. Es ist daher Sache des angerufenen nationalen Gerichts, in jedem Einzelfall festzustellen, ob der fragliche Rechtsstreit im Fall von Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Haftung wegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht seiner Natur nach unter eine solche Klausel fallen kann, auch wenn diese allgemein gefasst ist.

3.

Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass das Fehlen der vorherigen Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht im Sinne von Art. 102 AEUV es nicht als solches erlaubt, im Rahmen einer auf die Wettbewerbsregeln gestützten Schadensersatzklage eine Gerichtsstandsklausel anzuwenden oder im Gegenteil unangewendet zu lassen.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Verordnung des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

( 3 ) Die Parteien des Ausgangsverfahrens stimmen nicht überein, was die Übersetzung der hier hervorgehobenen Passage ins Französische angeht; sie übersetzen diese mit „et la relation correspondante“ („und die entsprechende Beziehung“) (Übersetzung der Klägerin) bzw. mit „et les relations en découlant“(„und die sich daraus ergebenden Beziehungen“ (Übersetzung der Beklagten). Ungeachtet dieses Unterschieds lässt sich diese Klausel wie folgt ins Französische übersetzen: „Le présent contrat et la relation correspondante (traduction de la requérante)/et les relations en découlant (traduction de la défenderesse) entre les parties seront régis par et interprétés conformément au droit d’Irlande et les parties se soumettent à la compétence des tribunaux d’Irlande. Apple se réserve le droit d’engager des poursuites à l’encontre du revendeur devant les tribunaux dans le ressort duquel est situé le siège du revendeur ou dans tout pays dans lequel Apple subit un préjudice.“ („Der vorliegende Vertrag und die entsprechende Beziehung [Übersetzung der Klägerin]/und die sich daraus ergebenden Beziehungen [Übersetzung der Beklagten[ zwischen den Parteien unterliegen irischem Recht, das auch für ihre Auslegung maßgeblich ist, und die Parteien unterwerfen sich der Zuständigkeit der irischen Gerichte. Apple behält sich das Recht vor, rechtliche Schritte gegen den Wiederverkäufer vor den Gerichten des Sitzes des Wiederverkäufers oder jedes Landes, in dem Apple einen Schaden erleidet, einzuleiten“).

( 4 ) Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten ergibt sich, dass sich die Klägerin – die durch ihren Beitritt zum Programm „Apple Premium Reseller“ angeblich ein Quasi-Alleinvertriebshändler von Apple-Produkten geworden war – insbesondere auf diskriminierende Praktiken ihr gegenüber im Vergleich zu denjenigen gegenüber den Apple Stores berief, sowohl was die Belieferung mit Appleprodukten als auch was die verlangten Preise angeht.

( 5 ) Offensichtlich sind die Parteien des Ausgangsverfahrens sich nämlich über die Auslegung und die genaue Tragweite dieses Urteils nicht einig. So hat eBizcuss in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt, dass die jeweils von der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) und dem Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof) in ihren Urteilen vertretenen Lösungen zwar unterschiedlich seien, es jedoch keine Unterschiede bei der Auslegung von Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 gebe. Insbesondere hätten die portugiesischen Richter die streitige Gerichtsstandsklausel im vorliegenden Fall für anwendbar erklärt, nachdem sie in freier Würdigung festgestellt hätten, dass der Sachverhalt des Rechtsstreits „Verstöße gegen ein vertragliches Programm und/oder Entschädigungen aufgrund einer Vertragskündigung, nicht aber ‚die Haftung wegen Verletzung des Wettbewerbsrechts‘“ betreffe.

( 6 ) Es ist darauf hinzuweisen, dass, da die Verordnung Nr. 44/2001 in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten an die Stelle des Brüsseler Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der Fassung der aufeinanderfolgenden Übereinkommen über den Beitritt neuer Mitgliedstaaten zu diesem Übereinkommen (ABl. 1972, L 299, S. 32, im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen) getreten ist, der vom Gerichtshof gegebenen Auslegung im Hinblick auf die Bestimmungen dieses Übereinkommens auch für diejenigen dieser Verordnung gilt, soweit die Bestimmungen dieser Rechtsakte als gleichbedeutend angesehen werden können. Dies ist in Bezug auf Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001, der Nachfolgebestimmung von Art. 17 Unterabs. 1 des Brüsseler Übereinkommens, der Fall (vgl. u. a. Urteil vom 28. Juni 2017, Leventis und Vafeias, C‑436/16, EU:C:2017:497, Rn. 31).

( 7 ) Vgl. Urteil vom 3. Juli 1997, Benincasa (C‑269/95, EU:C:1997:337, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 8 ) Vgl. Urteil vom 3. Juli 1997, Benincasa (C‑269/95, EU:C:1997:337, Rn. 29).

( 9 ) Vgl. entsprechend auch Urteile vom 14. Dezember 1976, Estasis Saloti di Colzani (24/76, EU:C:1976:177, Rn. 6 und 7), und vom 28. Juni 2017, Leventis und Vafeias (C‑436/16, EU:C:2017:497, Rn. 39).

( 10 ) Vgl. entsprechend, was die Auslegung von Art. 17 des Brüsseler Übereinkommens angeht, Urteil vom 16. März 1999, Castelletti (C‑159/97, EU:C:1999:142, Rn. 49).

( 11 ) Vgl. auch Urteile vom 10. März 1992, Powell Duffryn (C‑214/89, EU:C:1992:115, Rn. 31), und vom 21. Mai 2015, CDC Hydrogen Peroxide (C‑352/13, EU:C:2015:335, Rn. 68).

( 12 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Mai 2015, CDC Hydrogen Peroxide (C‑352/13, EU:C:2015:335, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 13 ) Vgl. Urteil vom 16. März 1999, Castelletti (C‑159/97, EU:C:1999:142, Rn. 46 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung), in dem festgestellt wird, dass Art. 17 des Brüsseler Übereinkommens, der Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 entspricht, von jedem objektiven Zusammenhang zwischen dem streitigen Rechtsverhältnis und dem vereinbarten Gericht absieht. Vgl. entsprechend, ebenfalls zur Auslegung von Art. 17 des Brüsseler Übereinkommens, Urteil vom 24. Juni 1981, Elefanten Schuh (150/80, EU:C:1981:148, Rn. 27), dem zufolge das Recht eines Vertragsstaats die Unwirksamkeit einer Gerichtsstandsklausel nicht allein deshalb vorsehen darf, weil von den Parteien eine andere als die nach diesem Recht vorgeschriebene Sprache verwendet worden ist.

( 14 ) Insoweit weicht der Wortlaut von Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 von dem des Art. 17 des Brüsseler Übereinkommens ab, der ausdrücklich bestimmte: „Ist eine Gerichtsstandsvereinbarung nur zugunsten einer der Parteien getroffen worden, so behält diese das Recht, jedes andere Gericht anzurufen, das … zuständig ist“. Er unterscheidet sich ebenfalls von Art. 25 der Verordnung Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil-und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1), die auf Verfahren anzuwenden ist, die ab dem 10. Januar 2015 eingeleitet wurden. Nach der letztgenannten Vorschrift sind die in einer Gerichtsstandsvereinbarung bestimmten Gerichte ausschließlich zuständig, „es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht [des betreffenden] Mitgliedstaats materiell nichtig“.

( 15 ) Vgl. Urteil vom 3. Juli 1997, Benincasa (C‑269/95, EU:C:1997:337, Rn. 27 und 29).

( 16 ) Es handelt sich um die Fälle der ausschließlichen Zuständigkeit, die in der Verordnung Nr. 44/2001 einerseits die Rechtsstreitigkeiten aus Versicherungsverträgen (Abschnitt 3), aus Verbraucherverträgen (Abschnitt 4) und aus individuellen Arbeitsverträgen betreffen, sowie andererseits die in Art. 22 dieser Verordnung aufgeführten Klagen.

( 17 ) Vgl. Urteil vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a. (C‑295/04 bis C‑298/04, EU:C:2006:461, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 18 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Mai 2015, CDC Hydrogen Peroxide (C‑352/13, EU:C:2015:335, Rn. 63).

( 19 ) Vgl. Urteil vom 21. Mai 2015, CDC Hydrogen Peroxide (C‑352/13, EU:C:2015:335).

( 20 ) Vgl. Urteil vom 21. Mai 2015, CDC Hydrogen Peroxide (C‑352/13, EU:C:2015:335, Rn. 69 und 71).

( 21 ) Im vorliegenden Fall die Entscheidung 2006/903/EG der Kommission vom 3. Mai 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen gegen Akzo Nobel NV, Akzo Nobel Chemicals Holding AB, EKA Chemicals AB, Degussa AG, Edison SpA, FMC Corporation, FMC Foret SA, Kemira OYJ, L’Air Liquide SA, Chemoxal SA, Snia SpA, Caffaro Srl, Solvay SA/NV, Solvay Solexis SpA, Total SA, Elf Aquitaine SA und Arkema SA (Sache Nr. COMP/F/C.38.620 – Wasserstoffperoxid und Perborat) (ABl. 2006, L 353, S. 54).

( 22 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (ABl. 2014, L 349, S. 1).

( 23 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juni 2011, Pfleiderer (C‑360/09, EU:C:2011:389, Rn. 28 und 29 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

( 24 ) Vgl. Urteil vom 28. Juli 2016, Siemens Aktiengesellschaft Österreich (C‑102/15, EU:C:2016:607, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 25 ) Vgl. Urteil vom 21. Mai 2015, CDC Hydrogen Peroxide (C‑352/13, EU:C:2015:335, Rn. 59 und 61 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

( 26 ) Vgl. Urteil vom 21. Mai 2015, CDC Hydrogen Peroxide (C‑352/13, EU:C:2015:335, Rn. 62 und 63 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

( 27 ) Vgl. Urteile vom 7. Juli 2016, Hőszig (C‑222/15, EU:C:2016:525, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 28. Juni 2017, Leventis und Vafeias (C‑436/16, EU:C:2017:497, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

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