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Document 62015CJ0094

Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 16. Februar 2017.
Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen KG gegen Europäische Kommission.
Rechtsmittel – Kartelle – Europäischer Markt für Paraffinwachse und deutscher Markt für Paraffingatsch – Festsetzung der Preise und Aufteilung der Märkte – Begründungspflicht – Nachweis der Zuwiderhandlung – Verfälschung von Beweisen.
Rechtssache C-94/15 P.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2017:124

Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

16. Februar 2017(*)

„Rechtsmittel – Kartelle – Europäischer Markt für Paraffinwachse und deutscher Markt für Paraffingatsch – Festsetzung der Preise und Aufteilung der Märkte – Begründungspflicht – Nachweis der Zuwiderhandlung – Verfälschung von Beweisen“

In der Rechtssache C‑94/15 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 24. Februar 2015,

Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen KG mit Sitz in Hamburg (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen U. Itzen und J. Ziebarth,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch R. Sauer, C. Vollrath und L. Wildpanner als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt A. Böhlke,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt



DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça (Berichterstatter), der Richterin M. Berger sowie der Richter A. Borg Barthet, E. Levits und F. Biltgen,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel begehrt die Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen KG (im Folgenden: Tudapetrol) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 12. Dezember 2014, Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen/Kommission (T‑550/08, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2014:1079), mit dem ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung K (2008) 5476 endg. vom 1. Oktober 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39181 – Kerzenwachse) (im Folgenden: streitige Entscheidung) und, hilfsweise, auf Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße abgewiesen wurde.

 Rechtlicher Rahmen

2        Art. 23 („Geldbußen“) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) bestimmt in Abs. 2:

„Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig

a)      gegen Artikel 81 oder Artikel 82 [EG] verstoßen …

…“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

3        Der Sachverhalt ist in den Rn. 1 bis 13 des angefochtenen Urteils wie folgt dargestellt worden:

Verwaltungsverfahren und Erlass der [streitigen] Entscheidung

1      Mit der [streitigen] Entscheidung … stellte die Kommission … fest, dass … Tudapetrol … gemeinsam mit anderen Unternehmen eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG und gegen Art. 53 Abs. 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) begangen habe, indem sie sich an einem Kartell auf dem EWR-Markt für Paraffinwachse und dem deutschen Markt für Paraffingatsch beteiligt habe.

2      Die [streitige] Entscheidung ist an folgende Gesellschaften gerichtet: die Eni SpA, die Esso Deutschland GmbH, die Esso Société Anonyme Française, die ExxonMobil Petroleum and Chemical BVBA und die Exxon Mobil Corp. (im Folgenden zusammen: ExxonMobil), die H&R ChemPharm GmbH, die H&R Wax Company Vertrieb GmbH und die Hansen & Rosenthal KG (im Folgenden zusammen: H&R), Tudapetrol, die MOL Nyrt., die Repsol YPF Lubricantes y Especialidades SA, die Repsol Petróleo SA und die Repsol YPF SA (im Folgenden zusammen: Repsol), die Sasol Wax GmbH, die Sasol Wax International AG, die Sasol Holding in Germany GmbH und die Sasol Ltd (im Folgenden zusammen: Sasol), die Shell Deutschland Oil GmbH, die Shell Deutschland Schmierstoff GmbH, die Deutsche Shell GmbH, die Shell International Petroleum Company Ltd, die Shell Petroleum Company Ltd, die Shell Petroleum NV und die Shell Transport and Trading Company Ltd (im Folgenden zusammen: Shell), die RWE Dea AG und die RWE AG (im Folgenden zusammen: RWE) sowie die Total SA und die Total France SA (im Folgenden zusammen: Total) …

9      In der [streitigen] Entscheidung vertritt die Kommission aufgrund der ihr vorliegenden Beweise die Ansicht, dass die Adressaten – die meisten Paraffinwachs- und Paraffingatschhersteller im EWR – an einer einzigen, komplexen und fortdauernden Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen teilgenommen hätten, die den EWR betroffen habe. Die Zuwiderhandlung habe in Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen bestanden, die darauf abgezielt hätten, auf dem Markt für Paraffinwachse Preise festzusetzen und kommerziell empfindliche Informationen auszutauschen und offenzulegen (im Folgenden: Haupttatkomplex). Im Fall von RWE (später Shell), ExxonMobil, MOL, Repsol, Sasol und Total habe die Zuwiderhandlung auch darin bestanden, Paraffinwachs-Kunden und -Märkte aufzuteilen (im Folgenden: zweiter Tatkomplex). Die von RWE, ExxonMobil, Sasol und Total begangene Zuwiderhandlung habe auch auf dem deutschen Markt an Endabnehmer verkauftes Paraffingatsch betroffen (im Folgenden: Tatkomplex Paraffingatsch) …

10      Die rechtswidrigen Verhaltensweisen seien konkret bei wettbewerbswidrigen Treffen, die von den Teilnehmern als ‚technische Treffen‘ oder mitunter als ‚Blauer Salon‘ bezeichnet worden seien, und bei ‚Paraffingatsch-Treffen‘ erfolgt, die speziell Fragen zum Paraffingatsch gewidmet gewesen seien.

12      Die [streitige] Entscheidung enthält u. a. folgende Bestimmungen:

Artikel 1

Die folgenden Unternehmen haben eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] und – seit dem 1. Januar 1994 – gegen Artikel 53 EWR-Abkommen begangen, indem sie sich in den jeweils genannten Zeiträumen an einer fortdauernden Vereinbarung und/oder einer fortdauernden abgestimmten Verhaltensweise im Paraffinwachssektor auf dem Gemeinsamen Markt und, seit 1. Januar 1994, im Europäischen Wirtschaftsraum beteiligten:

[Tudapetrol]: vom 24. März 1994 bis zum 30. Juni 2002;

H&R Wax Company Vertrieb GmbH: vom 1. Januar 2001 bis zum 28. April 2005;

Hansen & Rosenthal KG: vom 1. Januar 2001 bis zum 28. April 2005;

H&R ChemPharm GmbH: vom 1. Juli 2001 bis zum 28. April 2005;

Artikel 2

Für die in Artikel 1 genannte Zuwiderhandlung werden folgende Geldbußen festgesetzt:

[Tudapetrol]: 12 000 000 [Euro];

Hansen & Rosenthal KG gesamtschuldnerisch mit … H&R Wax Company Vertrieb GmbH: 24 000 000 [Euro],

davon gesamtschuldnerisch mit

H&R ChemPharm GmbH: 22 000 000 [Euro];

…‘

Verhältnis zwischen der H&R-Gruppe und Tudapetrol

13      In der [streitigen] Entscheidung hat die Kommission festgestellt:

‚(22)      Die [H&R-]Gruppe … handelt weltweit mit Mineralölerzeugnissen. … Tudapetrol … war die Handels- und Vertriebsgesellschaft für Hansen & Rosenthal für Paraffinwachs und Paraffingatsch. Der Untersuchung zufolge sind Hansen & Rosenthal und Tudapetrol zwei getrennte und unabhängige Unternehmen, sie werden aber aufgrund der engen persönlichen Verbindungen einerseits … und der Vertriebsverbindungen zwischen Hansen & Rosenthal und Tudapetrol andererseits im Folgenden als ‚H&R/Tudapetrol‘ bezeichnet. …

(23)      H&R/Tudapetrol stieg am 24. März 1994 in das Paraffingeschäft ein, als die Hansen & Rosenthal KG im Rahmen einer gemeinsamen [Akquisition] von der Wintershall AG, einer Tochter der BASF, eine in Salzbergen angesiedelte Raffinerie für Schmierstoffe erwarb (SRS GmbH) und diese in eine Produktionsgesellschaft umwandelte.

(24)      Die Raffinerie in Salzbergen (SRS GmbH) wird von der H&R Chemisch-Pharmazeutische Spezialitäten GmbH, einer 100%igen Tochter der H&R ChemPharm GmbH, betrieben. Die H&R ChemPharm GmbH wiederum ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der H&R Wasag AG. Hauptanteilseigner der H&R Wasag AG ist die H&R Beteiligung GmbH. … Die H&R Beteiligung GmbH befindet sich im Eigentum der H&R Wax Company Vertrieb GmbH, einer 100%igen Tochter der Hansen & Rosenthal KG (der Muttergesellschaft der H&R-Gruppe).

(25)      Für den Vertrieb von Paraffinwachs und Paraffingatsch war ursprünglich das unabhängige Unternehmen Tudapetrol … zuständig. … Am 1. Mai 2000 wurde der Vertrieb auf die H&R Wax Company Vertrieb Komplementär GmbH & Co. KG transferiert, und seit dem 1. Januar 2001 liegt der Vertrieb bei der H&R Wax Company Vertrieb GmbH … Die Untersuchung hat jedoch ergeben, dass Tudapetrol ungeachtet des weitgehenden Rückzugs aus dem Paraffingeschäft am 1. Mai 2000 weiterhin Kontakt zu einigen Paraffin-Kunden hielt.

(28)      Die Personen, die bei der Unternehmensgruppe H&R/Tudapetrol mit der Leitung der Paraffinwachs- und Paraffingatschsparte betraut waren und H&R/Tudapetrol vertraten bzw. von den in [der streitigen] Entscheidung beschriebenen Verhaltensweisen wussten, sind unter anderem: …

[Herr H.]: 1994-1997 Auszubildender bei der SRS GmbH; 1997-2002 Verkaufs- und Marketingabteilung bei … Tudapetrol …; seit 2001 Vertriebsleiter bei der H&R Wax Company Vertrieb GmbH (seit 2002 [Geschäftsführer] in der H&R Wax Company Vertrieb GmbH);

[Herr G.]: 1994-2001 Produktmanager bei der SRS GmbH; seit 2001 Produktmanager bei der H&R Management & Service GmbH/H&R ChemPharm GmbH (2002 wurde die H&R Management & Service GmbH in H&R ChemPharm GmbH umfirmiert); 1999-2000 Verkaufsleiter bei … Tudapetrol …; seit 2001 Verkaufsleiter bei der H&R Wax Company Vertrieb GmbH);

[Herr W.]: 1994-1998 Verkaufsleiter bei … Tudapetrol …; 1999 Berater bei … Tudapetrol …; 2000-2001 Verkaufsleiter bei der SRS GmbH (ab Juli 2001 beschäftigt bei der H&R Management & Service GmbH, die 2002 in H&R Chem-Pharm GmbH umfirmiert wurde), vor 1994 Verkaufsleiter bei der Wintershall AG.

(29)      In [der streitigen] Entscheidung und sofern nichts Gegenteiliges genannt ist, bezieht sich ‚Hansen & Rosenthal‘ bzw. ‚H&R‘ auf Unternehmen der Unternehmensgruppe H&R/Tudapetrol, die an dem Kartell beteiligt waren.‘

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

4        Mit Klageschrift, die am 15. Dezember 2008 bei der Kanzlei des Gerichts einging, beantragte Tudapetrol, die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären und, hilfsweise, die gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen. Sie machte zwei Klagegründe geltend.

5        Mit gesondertem Schriftsatz, der am 4. Juni 2009 bei der Kanzlei des Gerichts einging, beantragte Tudapetrol, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache einstweilig die Rückzahlung der von ihr gemäß der streitigen Entscheidung gezahlten Geldbuße ohne Stellung einer Bankbürgschaft anzuordnen.

6        Mit Beschluss vom 30. Juni 2009, Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen/Kommission (T‑550/08 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:231), wies der Präsident des Gerichts diesen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurück. Die Kostenentscheidung blieb vorbehalten.

7        Mit dem angefochtenen Urteil wies das Gericht die Klage von Tudapetrol in vollem Umfang zurück.

 Anträge der Parteien

8        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt Tudapetrol,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        hilfsweise, die verhängte Geldbuße herabzusetzen;

–        weiter hilfsweise, die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

9        Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und Tudapetrol die Kosten aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

10      Tudapetrol macht drei Rechtsmittelgründe geltend.

 Zum ersten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 81 EG und Verletzung der Begründungspflicht

 Vorbringen der Parteien

11      Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht Tudapetrol geltend, das Gericht sei in den Rn. 55 bis 66 des angefochtenen Urteils bei der Prüfung der Zuwiderhandlung davon ausgegangen, dass sie und die Gesellschaften der H&R-Gruppe eine wirtschaftliche Einheit bildeten, habe es aber für zulässig erachtet, dass sie und die H&R-Gruppe, gegen die nicht eine gesamtschuldnerisch zu zahlende Geldbuße, sondern zwei Geldbußen verhängt worden seien, gesondert mit Sanktionen belegt worden seien. Das sei ein Widerspruch.

12      Für den Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 30. Juni 2002, in Bezug auf den die Kommission eine parallele Verantwortlichkeit von Tudapetrol und der H&R-Gruppe festgestellt habe, habe das Gericht folglich zu Unrecht eine Doppelbestrafung derselben Anknüpfungshandlungen derselben angeblichen Unternehmenseinheit „H&R/Tudapetrol“ bestätigt. Dies stelle auch einen Verstoß gegen den Grundsatz ne bis in idem dar.

13      Das Gericht habe im vorliegenden Fall nicht die nach gefestigter Rechtsprechung für die Beurteilung einer wirtschaftlichen Einheit relevanten Kriterien herangezogen. Auf die persönlichen Verbindungen zwischen Tudapetrol und H&R, die subjektive Wahrnehmung der anderen Kartellbeteiligten, die angebliche Prüfung der sämtliche Beweise enthaltenden Akte und die angebliche vertragliche „vertikale Beziehung“ zwischen Tudapetrol und H&R hätte es insoweit nicht abstellen dürfen.

14      Ferner werde mit den vagen und widersprüchlichen Begründungen des angefochtenen Urteils auf die in den Rn. 14 ff. der Klageschrift ausgeführten Rügen nicht angemessen eingegangen und auch nicht das Kriterium genannt, auf das das Gericht bei der Feststellung des Vorliegens einer Unternehmenseinheit abgestellt habe. Überdies habe das Gericht verkannt, dass es im Zusammenhang mit der Anwendung von Art. 81 EG nicht darum gehe, ob die Kommission die gemeinsame Bezeichnung „H&R/Tudapetrol“ habe verwenden dürfen, sondern darum, ob im vorliegenden Fall ein einheitliches Unternehmen im Sinne des Kartellrechts vorgelegen habe.

15      Zudem habe das Gericht in Rn. 64 des angefochtenen Urteils im Zusammenhang mit der Anwesenheit ihrer Mitarbeiter bei den technischen Treffen nicht begründet, weshalb eine Mehrfachbeschäftigung einer natürlichen Person, wie sie hier vorliege, stets zu einer automatischen „Doppelzurechnung“ des wettbewerbswidrigen Verhaltens führen solle.

16      Im Fall einer Doppelbeschäftigung führe die Zurechnung allein wegen der allgemeinen Berechtigung der natürlichen Person, für mehrere Unternehmen tätig zu werden, zu absurden Ergebnissen, wenn die Person Unternehmen vertrete, die auf völlig verschiedenen Märkten tätig seien. Deshalb setze die Zurechnung des wettbewerbswidrigen Verhaltens den Nachweis voraus, dass die betreffende Person für die Gesellschaft gehandelt habe, die wegen der ihr zur Last gelegten Zuwiderhandlung mit einer Sanktion belegt werden solle.

17      Die Kommission tritt dem Vorbringen von Tudapetrol entgegen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

18      Zunächst ist festzustellen, dass aus Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie Art. 168 Abs. 1 Buchst. d und Art. 169 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs hervorgeht, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss (Urteil vom 11. April 2013, Mindo/Kommission, C‑652/11 P, EU:C:2013:229, Rn. 21).

19      Demnach ist das Vorbringen von Tudapetrol, das Gericht sei auf die von ihr in den Rn. 14 ff. der Klageschrift erhobenen Rügen nicht angemessen eingegangen, als unzulässig zurückzuweisen. Der bloße Verweis auf die Klageschrift genügt den in der vorstehenden Randnummer genannten Anforderungen nämlich nicht.

20      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass sich die Pflicht zur Begründung von Urteilen aus Art. 36 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt, der gemäß deren Art. 53 Abs. 1 auf das Gericht anwendbar ist, und aus Art. 81 der Verfahrensordnung des Gerichts in der hier anwendbaren Fassung. Nach ständiger Rechtsprechung müssen aus der Begründung eines Urteils die Überlegungen des Gerichts klar und eindeutig hervorgehen, so dass die Betroffenen die Gründe für die Entscheidung des Gerichts erkennen können und der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (Urteil vom 11. April 2013, Mindo/Kommission, C‑652/11 P, EU:C:2013:229, Rn. 29).

21      Die Begründungspflicht verlangt jedoch nicht, dass das Gericht bei seinen Ausführungen alle von den Parteien des Rechtsstreits vorgetragenen Argumente nacheinander erschöpfend behandelt, weshalb die Begründung implizit erfolgen kann, sofern sie es den Betroffenen ermöglicht, die Gründe zu erkennen, aus denen das Gericht ihrer Argumentation nicht gefolgt ist, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben liefert, damit er seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2009, Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland/Kommission, C‑385/07 P, EU:C:2009:456, Rn. 114).

22      Das Verfahren vor den Gerichten der Union ist ein streitiges Verfahren. Mit Ausnahme der Gründe zwingenden Rechts wie dem Fehlen einer Begründung der angefochtenen Entscheidung, die der Richter von Amts wegen zu berücksichtigen hat, ist es Sache des Klägers, gegen die Entscheidung Klagegründe vorzubringen und sie zu belegen (Urteil vom 24. Oktober 2013, Kone u. a./Kommission, C‑510/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:696, Rn. 30).

23      Das gesamte Vorbringen, mit dem Tudapetrol geltend macht, die Begründung des angefochtenen Urteils sei hinsichtlich des Verhältnisses zwischen ihr und den Gesellschaften der H&R-Gruppe widersprüchlich, beruht auf einem unzutreffenden Verständnis des angefochtenen Urteils.

24      Die vom Gericht vorgenommene Beurteilung lässt nämlich in keiner Weise erkennen, dass Tudapetrol und die Gesellschaften der H&R-Gruppe eine wirtschaftliche Einheit im Sinne des Wettbewerbsrechts darstellten. Sie beruht vielmehr auf der gegenteiligen Annahme. Insoweit geht aus Rn. 13 des angefochtenen Urteils ausdrücklich hervor, dass das Gericht die in der streitigen Entscheidung enthaltene Feststellung berücksichtigt hat, wonach „Hansen & Rosenthal und Tudapetrol [der Untersuchung zufolge] zwei getrennte und unabhängige Unternehmen [sind]“.

25      Im Übrigen ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten, dass sich Tudapetrol mit ihrem ersten Klagegrund nicht dagegen gewandt hat, dass die Kommission das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit von ihr und den Gesellschaften der H&R-Gruppe festgestellt hätten, sondern dagegen, dass die Kommission sie und diese Gesellschaften, obwohl sie sie als getrennte Unternehmen angesehen habe, bei der Prüfung der Beweise für die Zuwiderhandlung durch die gemeinsame Bezeichnung „H&R/Tudapetrol“ ohne jede Differenzierung behandelt habe.

26      Nach der oben in Rn. 22 dargestellten Rechtsprechung ist daher nicht zu beanstanden, dass das Gericht über die ihm nicht zur Entscheidung vorgelegte Frage, ob Tudapetrol und die Gesellschaften der H&R-Gruppe wettbewerbsrechtlich eine wirtschaftliche Einheit bildeten, nicht entschieden hat.

27      Soweit sich Tudapetrol schließlich gegen Rn. 64 des angefochtenen Urteils wendet, ist festzustellen, dass es dort heißt: „Die Anwesenheit eines Angestellten oder anderer Vertreter bei wettbewerbswidrigen Zusammenkünften ist … ein tatsächlicher Gesichtspunkt, der es der Kommission erlaubt, die Verantwortlichkeit eines Unternehmens für einen Verstoß gegen Art. 81 EG festzustellen. Nach der Rechtsprechung setzt nämlich die Befugnis der Kommission, ein Unternehmen, das eine Zuwiderhandlung begangen hat, mit einer Sanktion zu belegen, nur die rechtswidrige Handlung einer Person voraus, die im Allgemeinen berechtigt ist, für das Unternehmen tätig zu werden“.

28      Diese Erwägungen stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach die Anwendung von Art. 81 EG die Handlung einer Person, die berechtigt ist, für das Unternehmen tätig zu werden, voraussetzt, nicht hingegen eine Handlung der Inhaber oder Geschäftsführer des betreffenden Unternehmens und nicht einmal deren Kenntnis von der Zuwiderhandlung (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, EU:C:1983:158, Rn. 97, und vom 7. Februar 2013, Slovenská sporiteľňa, C‑68/12, EU:C:2013:71, Rn. 25).

29      Außerdem sind die betreffenden Erwägungen im angefochtenen Urteil in ihrem Gesamtkontext zu sehen. Aus den Rn. 9 und 108 des angefochtenen Urteils geht insoweit hervor, dass der „Haupttatkomplex“, an dem sich Tudapetrol beteiligt haben soll, in Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen bestanden habe, die darauf abgezielt hätten, Preise festzusetzen und kommerziell empfindliche Informationen auszutauschen und offenzulegen. Ferner ergibt sich aus den Rn. 13 und 49 des angefochtenen Urteils, dass Herr H. vom 1. Januar 2001 bis zum 30. Juni 2002 bei Tudapetrol in der Verkaufs- und Marketingabteilung beschäftigt gewesen sei.

30      Die Rüge, das Gericht habe im vorliegenden Fall die Rechtsprechung zur Zurechnung wettbewerbswidriger Handlungen von Mitarbeitern an ein Unternehmen rein mechanisch angewandt, d. h. unabhängig davon, ob Herr H. tatsächlich in der Lage gewesen sei, im Rahmen des fraglichen Kartells speziell im Interesse von Tudapetrol zu handeln, ist also nicht begründet.

31      Dass Herr H. im betreffenden Zeitraum, wie sich aus den Rn. 13 und 49 des angefochtenen Urteils ergibt, auch Vertriebsleiter bei der H&R Wax Company Vertrieb GmbH war, ist insoweit nicht von Belang. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass ein und dieselbe natürliche Person gleichzeitig im Interesse verschiedener Kartellteilnehmer tätig ist. Es ist Sache des Gerichts, bei der allein ihm zustehenden Beurteilung der Tatsachen und Beweise im Einzelfall zu überprüfen, ob dies der Fall ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Oktober 2014, ICF/Kommission, C‑467/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2274, Rn. 26).

32      Somit ist der erste Rechtsmittelgrund als teils unzulässig, teils unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Verletzung der Begründungspflicht

 Vorbringen der Parteien

33      Der zweite Rechtsmittelgrund besteht aus zwei Teilen. Mit dem ersten rügt die Rechtsmittelführerin, die Rn. 31 bis 54 des angefochtenen Urteils enthielten keine ausreichend individualisierten Ausführungen zum Tatvorwurf. Das Gericht habe die in der streitigen Entscheidung enthaltene Mischbegründung zum Verstoß der nicht näher qualifizierten gemeinsamen Einheit „H&R/Tudapetrol“ akzeptiert.

34      Deshalb ergebe sich weder aus dem angefochtenen Urteil noch aus der streitigen Entscheidung, welche Handlungen welcher Mitarbeiter speziell ihr zugerechnet worden seien. Es werde nicht zwischen H&R einerseits und ihr andererseits differenziert. Zum Beispiel sei nicht klar, ob sie sich im Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 30. Juni 2002 für eine eigene Zuwiderhandlung zu verantworten habe oder ob insoweit das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit ursächlich für die auferlegte Sanktion gewesen sei. Es werde auch nicht präzisiert, ob mit der Bezeichnung „H&R/Tudapetrol“ ein oder zwei Unternehmen gemeint seien. Es könne nicht angehen, dass sich der Adressat einer Sanktion aus dem „Kontext der Entscheidung“, wie es in den Rn. 45 und 46 des angefochtenen Urteils heiße, Mutmaßungen über die ihm zugerechneten Umstände und Indizien zusammensuchen müsse, um die Verhängung einer Geldbuße durch die Kommission zu rechtfertigen.

35      Mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes wirft Tudapetrol dem Gericht vor, in den Rn. 140 ff. des angefochtenen Urteils selektiv lediglich acht der 20 Rügen geprüft zu haben, die sie im ersten Rechtszug zu ihrer Beteiligung an den verschiedenen technischen Treffen und deren rechtswidrigem Inhalt erhoben habe. Anders als das Gericht in Rn. 211 des angefochtenen Urteils angenommen habe, könne keine Rede davon sein, dass ihre Beteiligung am Haupttatkomplex, einschließlich des Beginns und Endes der Beteiligung, mehr als genug nachgewiesen worden sei.

36      Was das erste technische Treffen angehe, habe das Gericht in Rn. 145 des angefochtenen Urteils aus dem „MOL-Vermerk“ eine Stelle zitiert, die darin überhaupt nicht enthalten sei. Zudem werde Tudapetrol in diesem Vermerk nicht genannt. Da es sich um das erste Treffen handele, fehle es an einem zureichenden Nachweis für den Beginn der Zuwiderhandlung im Jahr 1994. Was die übrigen technischen Treffen angehe, seien die Erwägungen in den Rn. 140 bis 211 des angefochtenen Urteils nicht als Beleg dafür geeignet, dass sie eine fortgesetzte und einheitliche Zuwiderhandlung begangen habe.

37      Bei dem sechsten, dem siebten und dem achten technischen Treffen habe das Gericht lediglich auf die wirtschaftliche Einheit „H&R/Tudapetrol“ Bezug genommen. Es hätte aber eine individualisierte Begründung der Zuwiderhandlung vornehmen müssen. Bei dem zweiten technischen Treffen habe das Gericht allein die Ausführungen der Kommission wiedergegeben, obwohl sie dargelegt habe, dass den von der Kommission angeführten Dokumenten – dem „MOL-Vermerk“ und dem Vermerk „Blauer Salon“ – nicht entnommen werden könne, dass sie sich an einer Verhaltensabstimmung beteiligt habe. Bei dem dritten, dem vierten und dem fünften technischen Treffen habe das Gericht der Kommission, wie sich aus den Rn. 159, 171 und 180 des angefochtenen Urteils ergebe, unter Verstoß gegen den Grundsatz in dubio pro reo systematisch Beweiserleichterungen gewährt, indem es es als zulässig erachtet habe, dass die Kommission den Sachverhalt rekonstruiere und durch Schlussfolgerungen ergänze, wobei es teilweise reine Plausibilitätserwägungen habe genügen lassen.

38      Nach Auffassung der Kommission ist der zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

39      Mit dem ersten Teil ihres zweiten Rechtsmittelgrundes macht Tudapetrol im Kern geltend, das Gericht habe in Rn. 51 des angefochtenen Urteils rechtsfehlerhaft entschieden, dass die streitige Entscheidung eine hinreichende Begründung hinsichtlich der ihr zur Last gelegten, die Zuwiderhandlung begründenden Tatsachen enthalte und es erlaube, diese von den den Gesellschaften der H&R-Gruppe zur Last gelegten Tatsachen zu unterscheiden.

40      Nach gefestigter Rechtsprechung muss die nach Art. 253 EG erforderliche Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist anhand sämtlicher Umstände des Einzelfalls, insbesondere anhand des Inhalts des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und des Interesses zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 253 EG genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 147 und 150).

41      Im vorliegenden Fall hat das Gericht in den Rn. 41 bis 51 des angefochtenen Urteils geprüft, ob die streitige Entscheidung hinsichtlich des Verhaltens, das Tudapetrol und den Gesellschaften der H&R-Gruppe jeweils zur Last gelegt wird, eine hinreichende Begründung enthält.

42      Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt sich, dass das Gericht zu Recht festgestellt hat, dass in der streitigen Entscheidung

–        die Funktionsweise des „Haupttatkomplexes“ (Paraffinwachse) geschildert werde, des einzigen Tatkomplexes, an dem sich Tudapetrol beteiligt haben soll;

–        ausgeführt werde, dass die rechtswidrigen Verhaltensweisen konkret bei wettbewerbswidrigen Treffen, die als „technische Treffen“ bezeichnet worden seien, erfolgt seien;

–        die Dauer der Beteiligung von Tudapetrol an der Zuwiderhandlung getrennt festgestellt worden sei;

–        ausgeführt werde, dass bei der Bestimmung der Dauer der Beteiligung an der Zuwiderhandlung auf die Zeiträume, in denen bestimmte Personen bei Tudapetrol beschäftigt gewesen seien, und auf die bekannte Beteiligung dieser Personen an den technischen Treffen abgestellt worden sei;

–        diese Personen genannt würden;

–        die Dauer der Beschäftigung dieser Personen und die von ihnen wahrgenommenen Funktionen angegeben seien, insbesondere für den Überschneidungszeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 30. Juni 2002, für den die Kommission gleichzeitig die Verantwortlichkeit von Tudapetrol und der Gesellschaften der H&R-Gruppe festgestellt habe;

–        die 22 technischen Treffen bezeichnet würden, die im Zeitraum der Zuwiderhandlung stattgefunden hätten, und die Mitarbeiter von Tudapetrol genannt würden, die an 20 dieser Treffen teilgenommen hätten;

–        jeweils das Beweismittel bezeichnet werde, das die Anwesenheit eines Mitarbeiters von Tudapetrol bei diesen Treffen belege.

43      Bei den beiden übrigen Treffen hat das Gericht in den Rn. 45 und 46 des angefochtenen Urteils im Einklang mit der oben in Rn. 40 dargestellten Rechtsprechung geprüft, ob sich aus der streitigen Entscheidung im Kontext ihres Erlasses ergibt, welcher Mitarbeiter von Tudapetrol dort anwesend war, auch wenn er in dem in der streitigen Entscheidung genannten Beweismittel nicht benannt wird, und hat dies bejaht.

44      Die Feststellung des Gerichts, dass die Kommission die streitige Entscheidung hinreichend begründet habe, ist daher rechtlich nicht zu beanstanden.

45      Zum zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ist zunächst festzustellen, dass Tudapetrol, soweit sie sich gegen die Schlussfolgerung wendet, zu der das Gericht hinsichtlich ihrer Beteiligung am Haupttatkomplex zwischen dem 24. März 1994 und dem 30. Juni 2002 gelangt ist, versucht, die im ersten Rechtszug vorgenommene Würdigung der Tatsachen und Beweise in Zweifel zu ziehen.

46      Nach Art. 256 Abs. 1 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist ein Rechtsmittel aber auf Rechtsfragen beschränkt. Für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie die Beweiswürdigung ist allein das Gericht zuständig. Somit ist die Würdigung der Tatsachen und Beweise, vorbehaltlich ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterliegt (Urteil vom 9. Oktober 2014, ICF/Kommission, C‑467/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2274, Rn. 26).

47      Eine Verfälschung von Tatsachen oder Beweisen muss sich nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs in offensichtlicher Weise aus den Akten ergeben, ohne dass es einer neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf (Urteil vom 19. Dezember 2013, Siemens u. a./Kommission, C‑239/11 P, C‑489/11 P und C‑498/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:866, Rn. 42).

48      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass Tudapetrol nicht dargetan hat, dass das Gericht die Tatsachen und Beweise offensichtlich verfälscht hatte. Was insbesondere die von Tudapetrol gegen den „MOL-Vermerk“ erhobene Rüge angeht, ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten, dass dieser Vermerk, in dem Tudapetrol eindeutig genannt wird, die vom Gericht in Rn. 145 des angefochtenen Urteils wiedergegebene Stelle zu dem technischen Treffen vom 24. Juni 1994 enthält.

49      Zu dem Vorbringen von Tudapetrol, das Gericht habe in den Rn. 140 bis 211 des angefochtenen Urteils nur acht der 20 technischen Treffen untersucht, auf die sich ihr erstinstanzliches Vorbringen bezogen habe, ist festzustellen, dass dabei zum einen die Rn. 113 bis 138 des angefochtenen Urteils außer Acht gelassen werden, in denen eine „Gesamtwürdigung der Beweise für eine von der [Rechtsmittelführerin] begangene Zuwiderhandlung“ vorgenommen wird. Das Gericht hat in diesen Randnummern Beweise zum wettbewerbswidrigen Charakter sämtlicher technischer Treffen, die während des Zeitraums der Zuwiderhandlung stattfanden, und die Beteiligung von Tudapetrol an diesen Treffen geprüft.

50      Zum anderen ergibt sich aus Rn. 139 des angefochtenen Urteils, dass mit der Beurteilung in dessen Rn. 140 bis 211 lediglich auf „bestimmte technische Treffen [eingegangen wird], um zu prüfen, ob die Kommission den Beginn und das Ende der Beteiligung der [Rechtsmittelführerin] an der Zuwiderhandlung richtig festgesetzt und zu Recht festgestellt hat, dass die betreffenden technischen Treffen tatsächlich den der [Rechtsmittelführerin] zur Last gelegten Haupttatkomplex betrafen“.

51      Soweit sich Tudapetrol gegen die Erwägungen in den Rn. 159, 171 und 180 des angefochtenen Urteils wendet, ist festzustellen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sowohl das Vorliegen als auch die Dauer eines wettbewerbswidrigen Verhaltens in den meisten Fällen aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden müssen, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. September 2006, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, C‑105/04 P, EU:C:2006:592, Rn. 95, und vom 21. Januar 2016, Eturas u. a., C‑74/14, EU:C:2016:42, Rn. 36).

52      Da das Verbot, an wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen und Vereinbarungen teilzunehmen, sowie die Sanktionen, die Zuwiderhandelnden auferlegt werden können, bekannt sind, ist es nämlich üblich, dass die Tätigkeiten, mit denen diese Verhaltensweisen und Vereinbarungen verbunden sind, insgeheim ablaufen, dass die Zusammenkünfte heimlich stattfinden – oft in einem Drittland – und dass die Unterlagen darüber auf ein Minimum reduziert werden. Selbst wenn die Kommission Schriftstücke findet, die – wie z. B. die Protokolle einer Zusammenkunft – eine unzulässige Kontaktaufnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen, handelt es sich normalerweise nur um lückenhafte und vereinzelte Belege, so dass es häufig erforderlich ist, bestimmte Einzelheiten durch Schlussfolgerungen zu rekonstruieren (Urteil vom 17. Juni 2010, Lafarge/Kommission, C‑413/08 P, EU:C:2010:346, Rn. 22).

53      Somit ist festzustellen, dass die von Tudapetrol angegriffenen Erwägungen mit der genannten Rechtsprechung im Einklang stehen und weder gegen allgemeine Rechtsgrundsätze noch gegen die für die Beweislast und den Beweisantritt geltenden Verfahrensvorschriften verstoßen.

54      Der zweite Rechtsmittelgrund ist daher als teils unzulässig, teils unbegründet zurückzuweisen.

 Zum dritten Rechtsmittelgrund: Verletzung der Verteidigungsrechte

 Vorbringen der Parteien

55      Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund rügt Tudapetrol, das Gericht habe die Verteidigungsrechte verletzt, indem es in Rn. 47 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass aus der streitigen Entscheidung „klar“ hervorgehe, dass zu ihren Lasten nur die Treffen berücksichtigt worden seien, an denen einer ihrer Mitarbeiter teilgenommen habe. Um die Voraussetzungen zu schaffen, die angelasteten Feststellungen gezielt zu prüfen und anzugreifen, hätten die Kommission und das Gericht angeben müssen, welche Handlungen welcher Mitarbeiter bei welchem Treffen den einzelnen Adressaten aufgrund welchen konkreten Beweismittels angelastet würden. Es seien aber, auch im Anhang der streitigen Entscheidung, auf den das Gericht in Rn. 44 des angefochtenen Urteils pauschal verwiesen habe, unklare Sammelbezeichnungen wie „H&R/Tudapetrol“ verwendet worden. Ein Pauschalverweis auf Beweise, die sich der Adressat selbst zusammensuchen müsse, verstoße überdies gegen den Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare.

56      Nach Auffassung der Kommission ist der dritte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

57      Das Vorbringen von Tudapetrol beruht auf der Annahme, dass die streitige Entscheidung unter einem Begründungsmangel leidet. Wie oben in den Rn. 40 bis 44 ausgeführt, trifft diese Annahme aber nicht zu. Ihr kann daher nicht gefolgt werden.

58      Der dritte Rechtsmittelgrund ist somit als unbegründet zurückzuweisen.

59      Da keiner der drei Rechtsmittelgründe von Tudapetrol durchgreift, ist das Rechtsmittel in vollem Umfang zurückzuweisen.

 Kosten

60      Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist, über die Kosten.

61      Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da Tudapetrol mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die durch das vorliegende Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2.      Die Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen KG trägt die Kosten.


Da Cruz Vilaça

Berger

Borg Barthet

Levits

 

Biltgen

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. Februar 2017.

Der Kanzler

 

Der Präsident der Fünften Kammer

A. Calot Escobar

 

J. L. da Cruz Vilaça


* Verfahrenssprache: Deutsch.

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