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Document 62014CC0483

Schlussanträge des Generalanwalts Y. Bot vom 12. November 2015.
KA Finanz AG gegen Sparkassen Versicherung AG Vienna Insurance Group.
Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Übereinkommen von Rom – Anwendbares Recht – Grenzüberschreitende Verschmelzung – Richtlinie 78/855/EWG – Richtlinie 2005/56/EG – Verschmelzung durch Aufnahme – Gläubigerschutz – Übergang des gesamten Aktiv- und Passivvermögens der übertragenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft.
Rechtssache C-483/14.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2015:757

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

YVES BOT

vom 12. November 2015 ( 1 )

Rechtssache C‑483/14

KA Finanz AG

gegen

Sparkassen Versicherung AG Vienna Insurance Group

(Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs [Österreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Unternehmensrecht — Begriff ‚Gesellschaftsrecht‘ — Grenzüberschreitende Verschmelzung von Gesellschaften — Gläubigerschutz — Anwendbares Recht und Kollisionsnormen im Fall einer grenzüberschreitenden Verschmelzung von Gesellschaften — Rechte der Inhaber von mit Sonderrechten verbundenen Wertpapieren, die keine Aktien sind“

1. 

In der vorliegenden Rechtssache möchte der Oberste Gerichtshof wissen, welches Recht auf einen Rechtsstreit anwendbar ist, in dem sich die übernehmende Gesellschaft einem Gläubiger der übertragenden Gesellschaft gegenübersieht, und ob im Fall einer grenzüberschreitenden Verschmelzung die übernehmende Gesellschaft berechtigt ist, das Rechtsverhältnis zum Zeichner von Nachranganleihen einseitig zu beenden und ihn in vollem Umfang abzufinden.

2. 

In diesen Schlussanträgen werde ich darlegen, weshalb nach meiner Ansicht, wenn bei einer Verschmelzung die übertragende Gesellschaft Nachranganleihen der im Ausgangsverfahren geprüften Art ausgegeben hat, diese nur insoweit auf die übernehmende Gesellschaft übergehen, als am Tag der Verschmelzung die damit gebildeten ergänzenden Eigenmittel noch vorhanden waren, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist. Für diesen Fall werde ich erläutern, warum meines Erachtens Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2005/56/EG ( 2 ) dahin auszulegen ist, dass bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung Verträge wie die im Ausgangsverfahren von der übertragenden Gesellschaft geschlossenen auf die übernehmende Gesellschaft übergehen, was die Anwendung des von den Parteien im Zeitpunkt des ursprünglichen Abschlusses dieser Verträge festgelegten Rechts zur Folge hat. Sodann werde ich begründen, warum ich eine Auslegung von Art. 4 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 der Dritten Richtlinie 78/855/EWG ( 3 ) dahin befürworte, dass Forderungen, die aus Finanzinstrumenten wie den im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden Nachranganleihen entstanden sind, im Hinblick auf ihre Natur lediglich ein Schutz zuteil werden kann, der ihrem Schutz vor der grenzüberschreitenden Verschmelzung entspricht.

I – Rechtlicher Rahmen

A – Übereinkommen von Rom

3.

In Art. 1 des am 19. Juni 1980 in Rom zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ( 4 ) heißt es:

„(1)   Die Vorschriften dieses Übereinkommens sind auf vertragliche Schuldverhältnisse bei Sachverhalten, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen, anzuwenden.“

(2)   Sie sind nicht anzuwenden auf

e)

Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht, das Vereinsrecht und das Recht der juristischen Personen, wie z. B. die Errichtung, die Rechts- und Handlungsfähigkeit, die innere Verfassung und die Auflösung von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen sowie die persönliche gesetzliche Haftung der Gesellschafter und der Organe für die Schulden der Gesellschaft, des Vereins oder der juristischen Person;

…“

4.

Das Übereinkommen von Rom wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) ersetzt ( 5 ).

B – Unionsrecht

1. Dritte Richtlinie 78/855

5.

Die Dritte Richtlinie 78/855 sollte in allen Mitgliedstaaten einen Mindestschutz der Interessen von Gesellschaftern und Dritten bei Verschmelzungen von Aktiengesellschaften gewährleisten ( 6 ). Insbesondere wurde darauf geachtet, dass die Gläubiger einschließlich der Inhaber von Schuldverschreibungen sowie die Inhaber anderer Rechte der sich verschmelzenden Gesellschaften durch die Verschmelzung keinen Schaden erleiden ( 7 ).

6.

Die Dritte Richtlinie 78/855 sah vor:

„…

Artikel 13

(1)   Die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten müssen ein angemessenes Schutzsystem für die Interessen der Gläubiger der sich verschmelzenden Gesellschaften vorsehen, deren Forderungen vor der Bekanntmachung des Verschmelzungsplans entstanden und zum Zeitpunkt dieser Bekanntmachung noch nicht erloschen sind.

(2)   Zu diesem Zweck sehen die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zumindest vor, dass diese Gläubiger Anspruch auf angemessene Garantien haben, wenn die finanzielle Lage der sich verschmelzenden Gesellschaften einen solchen Schutz erforderlich macht und die Gläubiger nicht schon derartige Garantien haben.

(3)   Der Schutz kann für die Gläubiger der übernehmenden Gesellschaft und für die Gläubiger der übertragenden Gesellschaft unterschiedlich sein.

Artikel 14

Unbeschadet der Vorschriften über die gemeinsame Ausübung der Rechte der Anleihegläubiger der sich verschmelzenden Gesellschaften ist Artikel 13 auf diese Gläubiger anzuwenden, es sei denn, eine Versammlung der Anleihegläubiger – sofern die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften eine solche Versammlung vorsehen – oder jeder einzelne Anleihegläubiger hat der Verschmelzung zugestimmt.

Artikel 15

Die Inhaber anderer Wertpapiere, die mit Sonderrechten verbunden, jedoch keine Aktien sind, müssen in der übernehmenden Gesellschaft Rechte erhalten, die mindestens denen gleichwertig sind, die sie in der übertragenden Gesellschaft hatten, es sei denn, dass eine Versammlung der Inhaber – sofern die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften eine solche Versammlung vorsehen – der Änderung dieser Rechte oder dass jeder einzelne Inhaber der Änderung seines Rechts zugestimmt hat oder dass diese Inhaber einen Anspruch auf Rückkauf ihrer Wertpapiere durch die übernehmende Gesellschaft haben.

Artikel 19

(1)   Die Verschmelzung bewirkt ipso iure gleichzeitig Folgendes:

a)

Sowohl zwischen der übertragenden Gesellschaft und der übernehmenden Gesellschaft als auch gegenüber Dritten geht das gesamte Aktiv- und Passivvermögen der übertragenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft über;

b)

die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft werden Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft;

c)

die übertragende Gesellschaft erlischt.

(2)   Es werden keine Aktien der übernehmenden Gesellschaft im Austausch für Aktien der übertragenden Gesellschaft begeben, die sich

a)

im Besitz der übernehmenden Gesellschaft selbst oder einer Person befinden, die im eigenen Namen, aber für Rechnung der Gesellschaft handelt;

b)

im Besitz der übertragenden Gesellschaft selbst oder einer Person befinden, die im eigenen Namen, aber für Rechnung der Gesellschaft handelt.

(3)   Unberührt bleiben die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die für die Wirksamkeit der Übertragung bestimmter, von der übertragenden Gesellschaft eingebrachter Vermögensgegenstände, Rechte und Pflichten gegenüber Dritten besondere Förmlichkeiten erfordern. Die übernehmende Gesellschaft kann diese Förmlichkeiten selbst veranlassen; die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten können jedoch der übertragenden Gesellschaft gestatten, während eines begrenzten Zeitraums diese Förmlichkeiten weiter zu vollziehen; dieser Zeitraum kann nur in Ausnahmefällen auf mehr als sechs Monate nach dem Zeitpunkt, in dem die Verschmelzung wirksam wird, festgesetzt werden.

…“

7.

Die Dritte Richtlinie 78/855 wurde durch die Richtlinie 2011/35/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Verschmelzung von Aktiengesellschaften ( 8 ) ersetzt.

2. Richtlinie 2005/56

8.

Mit der Richtlinie 2005/56 wird das Ziel verfolgt, die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften unterschiedlicher Rechtsform, die dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen, zu erleichtern ( 9 ).

9.

Der dritte Erwägungsgrund dieser Richtlinie lautet:

„Um grenzüberschreitende Verschmelzungen zu erleichtern, sollte vorgesehen werden, dass für jede an einer grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligte Gesellschaft und jeden beteiligten Dritten weiterhin die Vorschriften und Formalitäten des innerstaatlichen Rechts gelten, das im Falle einer innerstaatlichen Verschmelzung anwendbar wäre, sofern diese Richtlinie nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften und Formalitäten des innerstaatlichen Rechts, auf die in dieser Richtlinie Bezug genommen wird, sollten keine Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit oder des freien Kapitalverkehrs einführen, es sei denn, derartige Beschränkungen lassen sich im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs und insbesondere durch die Erfordernisse des Gemeinwohls rechtfertigen und sind zur Erfüllung solcher vorrangigen Erfordernisse erforderlich und angemessen.“

10.

Art. 4 der Richtlinie 2005/56 lautet:

„(1)   Sofern diese Richtlinie nicht etwas anderes bestimmt,

a)

sind grenzüberschreitende Verschmelzungen nur zwischen Gesellschaften solcher Rechtsformen möglich, die sich nach dem innerstaatlichen Recht der jeweiligen Mitgliedstaaten verschmelzen dürfen,

b)

muss eine Gesellschaft, die sich an einer grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligt, die Vorschriften und Formalitäten des für sie geltenden innerstaatlichen Rechts einhalten bzw. erledigen …

(2)   Zu den in Absatz 1 Buchstabe b genannten Vorschriften und Formalitäten zählen insbesondere Bestimmungen über das die Verschmelzung betreffende Beschlussfassungsverfahren und – angesichts des grenzüberschreitenden Charakters der Verschmelzung – über den Schutz der Gläubiger der sich verschmelzenden Gesellschaften, der Anleihegläubiger und der Inhaber von Aktien oder sonstigen Anteilen sowie über den Schutz der Arbeitnehmer, soweit andere als die in Artikel 16 geregelten Rechte betroffen sind. Ein Mitgliedstaat, dessen Recht die an einer grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligten Gesellschaften unterliegen, kann Vorschriften erlassen, um einen angemessenen Schutz der Minderheitsgesellschafter, die die grenzüberschreitende Verschmelzung abgelehnt haben, zu gewährleisten.“

11.

Art. 14 der Richtlinie 2005/56 sieht vor:

(1)   Die gemäß Artikel 2 Nummer 2 Buchstaben a und c vollzogene grenzüberschreitende Verschmelzung bewirkt ab dem in Artikel 12 genannten Zeitpunkt Folgendes:

a)

Das gesamte Aktiv- und Passivvermögen der übertragenden Gesellschaft geht auf die übernehmende Gesellschaft über.

b)

Die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft werden Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft.

c)

Die übertragende Gesellschaft erlischt.

…“

C – Österreichisches Recht

12.

§ 226 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 31. März 1965 über Aktiengesellschaften ( 10 ) in der im Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: AktG) sieht vor, dass den Gläubigern der beteiligten Gesellschaften, wenn sie sich binnen sechs Monaten nach der Veröffentlichung der Eintragung der Verschmelzung zu diesem Zweck melden, Sicherheit zu leisten ist, soweit sie nicht Befriedigung verlangen können. Dieses Recht steht den Gläubigern jedoch nur zu, wenn sie glaubhaft machen, dass durch die Verschmelzung die Erfüllung ihrer Forderung gefährdet wird. Die Gläubiger sind in der Veröffentlichung der Eintragung auf dieses Recht hinzuweisen.

13.

Nach § 226 Abs. 2 AktG steht das Recht, Sicherheitsleistung zu verlangen, solchen Gläubigern nicht zu, die im Fall des Konkurses ein Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus einer nach gesetzlicher Vorschrift zu ihrem Schutz errichteten und behördlich überwachten Deckungsmasse haben.

14.

Nach § 226 Abs. 3 AktG sind den Inhabern von Schuldverschreibungen und Genussrechten gleichwertige Rechte zu gewähren oder die Änderung der Rechte oder das Recht selbst angemessen abzugelten.

15.

Nach Angabe des vorlegenden Gerichts soll diese Bestimmung Art. 15 der Dritten Richtlinie 78/855 umsetzen.

II – Ausgangsverfahren

16.

Die Sparkassen Versicherung AG Vienna Insurance Group (im Folgenden: Sparkassen Versicherung) mit Sitz in Österreich zeichnete im Jahr 2005 zwei von der Kommunalkredit International Bank Ltd (im Folgenden: Emittentin) mit Sitz auf Zypern begebene Nachranganleihen.

17.

Nach § 3 Abs. 1 der Emissionsbedingungen dieser beiden Anleihen werden die Wertepapiere mit 4,01 % bzw. 3,84 % verzinst. Im Übrigen stellen nach § 2 dieser Bedingungen die Verpflichtungen im Rahmen der Anleihen unbesicherte und nachrangige Verpflichtungen der Emittentin dar, die untereinander und gegenüber allen sonstigen nachrangigen Verpflichtungen der Emittentin gleichrangig sind. Im Fall der Auflösung, Liquidation oder des Konkurses der Emittentin können die Verpflichtungen im Rahmen der Anleihen erst nach Befriedigung der nicht nachrangigen Ansprüche von Gläubigern befriedigt werden. Im Hinblick auf die Anleihen sind jedenfalls so lange keine Beträge zahlbar, bis die Ansprüche aller nicht nachrangigen Gläubiger der Emittentin zur Gänze befriedigt wurden oder für diese Beträge umfassende Rückstellungen gebildet wurden. Kein Anleihegläubiger ist berechtigt, seine Ansprüche aus den Anleihen mit Ansprüchen der Emittentin aufzurechnen. Es kann und wird von der Emittentin oder einer anderen Person zu keinem Zeitpunkt in der Zukunft eine vertragliche Sicherheit zur Besicherung der Rechte der Anleihegläubiger im Rahmen der Anleihen beigebracht werden. Keine spätere Vereinbarung kann die Nachrangigkeit gemäß diesem § 2 beschränken oder den Fälligkeitstermin im Hinblick auf die Anleihen auf einen früheren Termin verlegen oder die geltende Kündigungsfrist verkürzen.

18.

§ 4 Abs. 1 Buchst. b („Zinszahlung“) der Emissionsbedingungen der beiden Anleihen sieht vor, dass Zahlungen des Nennbetrags oder Zinszahlungen nur dann geleistet werden dürfen, wenn die zu berücksichtigenden Eigenmittel der Emittentin aufgrund dieser Zahlung nicht unter die Mindesterfordernisse fallen, die in der von der Zentralbank Zypern herausgegebenen jeweiligen Richtlinie über die Berechnung der Kapitalausstattung von Banken festgelegt sind.

19.

Nach Art. 9 Abs. 1 der Emissionsbedingungen ist im Fall der Liquidation, Abwicklung oder Auflösung der Emittentin (außer zum Zweck oder gemäß einer Verschmelzung, Umgründung oder Sanierung, solange sie solvent ist, bei der das weiterbestehende Unternehmen im Wesentlichen alle Vermögenswerte und Verpflichtungen der Emittentin übernimmt) jeder Anleihegläubiger berechtigt, seine Anleihen fällig zu stellen und deren sofortige Rückzahlung in Höhe des vorzeitigen Rückzahlungsbetrags samt allfälligen zum Rückzahlungstermin aufgelaufenen Zinsen zu verlangen.

20.

Nach § 12 Abs. 1 der Emissionsbedingungen unterliegen Form und Inhalt der Anleihen sowie alle Rechte und Pflichten der Anleihegläubiger und der Emittentin deutschem Recht.

21.

Ende des Jahres 2008 entsprach die Emittentin nicht mehr den in den Richtlinien der Zentralbank für Zypern festgelegten Mindestanforderungen an die Kapitalausstattung. Sie stellte daher die Zahlung der in den Emissionsbedingungen vereinbarten Zinsen ein.

22.

Am 18. September 2010 wurde die Verschmelzung der Emittentin (übertragende Gesellschaft) mit der KA Finanz AG (im Folgenden: KA Finanz) (übernehmende Gesellschaft) in das Firmenbuch eingetragen. Ferner führen das vorlegende Gericht und Sparkassen Versicherung aus, KA Finanz habe die beiden von Sparkassen Versicherung gezeichneten Nachranganleihen beendet. Sparkassen Versicherung führt insbesondere weiter aus, laut dem Gemeinsamen Verschmelzungsplan vom 27. April 2010 würden diese beiden Anleihen als besondere Rechte angesehen und nicht von der KA Finanz gehalten, sie seien bewertet worden und nach dieser Bewertung sei diesen besonderen Rechten ein Wert von null zugemessen worden. Laut diesem Plan würden diese besonderen Rechte daher mit Eintritt der Rechtswirksamkeit der grenzüberschreitenden Verschmelzung ohne Gewährung eines Ausgleichs beendet.

23.

Da die Emittentin keine Zinsen mehr zahlte, erhob Sparkassen Versicherung vor den nationalen Gerichten gegen KA Finanz Klage auf Zahlung von 1,57 Mio. Euro an Zinsen aus den beiden Nachranganleihen für 2009 und 2010. Nach Auffassung von Sparkassen Versicherung ist nämlich KA Finanz als übernehmende Gesellschaft der Emittentin deren Gesamtrechtsnachfolgerin. Hilfsweise beantragt sie die Feststellung, dass KA Finanz verpflichtet sei, ihr gleichwertige Rechte im Sinne von § 226 Abs. 3 AktG zu gewähren, und ihr für alle aus der Nichtgewährung entstehenden Schäden hafte. KA Finanz wendet ein, die Verpflichtungen der Emittentin seien nicht auf sie übergegangen, sondern vielmehr im Zuge der Verschmelzung wirksam beendet worden. Durch die Abhängigkeit der Zins- und Kapitalzahlungen von der Eigenkapitalausstattung der Emittentin komme den fraglichen Anleihen Eigenkapitalcharakter mit dem damit verbundenen Risiko des Totalverlusts zu. Sie seien daher Genussrechte im Sinne von § 226 Abs. 3 AktG. KA Finanz beantragte daher die Feststellung, dass die beiden Nachranganleihen im Zuge der Übernahme der Emittentin beendet worden seien, in eventu dass deren Verpflichtungen nicht auf sie übergegangen seien.

24.

Das als Erstgericht befasste Handelsgericht Wien wies den Zwischenfeststellungsantrag samt Eventualantrag ab. Bei den Nachranganleihen handle es sich weder um Genussrechte noch um sonstige aktienähnliche Rechte, hätten sie doch weder Eigenkapitalcharakter noch seien sie vom Gewinn des Unternehmens abhängig. Damit seien KA Finanz im Zuge der Verschmelzung keine Beendigungsrechte hinsichtlich der Nachranganleihen zugekommen. Vielmehr seien die Anleihen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf KA Finanz übergegangen. Nach Angabe des vorlegenden Gerichts hat das Handelsgericht Wien nicht über die Frage entschieden, welches Recht auf den bei ihm anhängigen Rechtsstreit anwendbar ist.

25.

Mit Urteil vom 26. April 2013 bestätigte das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht die Entscheidung des Handelsgerichts Wien. Es vertrat insbesondere die Auffassung, die Rechtswirkungen einer Verschmelzung seien dem Personalstatut zuzuordnen und die Rechtsnachfolge im Zuge der Verschmelzung sei daher nach dem Gesellschaftsstatut der übernehmenden Gesellschaft KA Finanz, also nach österreichischem Recht zu beurteilen.

26.

KA Finanz legte Revision beim vorlegenden Gericht ein. Dieses präzisiert, dieses Rechtsmittel betreffe die Frage, ob § 226 Abs. 3 AktG auf die von Sparkassen Versicherung gezeichneten Nachranganleihen anwendbar sei.

III – Vorlagefragen

27.

Da der Oberste Gerichtshof Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts hat, hat er das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Ist Art. 1 Abs. 2 Buchst. e des Übereinkommens von Rom dahin auszulegen, dass die Bereichsausnahme „Gesellschaftsrecht“

a)

Umgründungsvorgänge wie Verschmelzungen und Spaltungen und

b)

die Gläubigerschutzbestimmung des Art. 15 der Dritten Richtlinie 78/855 im Zuge der Umgründungsvorgänge

erfasst?

2.

Kommt man zu demselben Ergebnis, wenn Art. 15 der Richtlinie 2011/35 zur Anwendung gelangt?

3.

Wenn die Fragen 1 und 2 bejaht werden: Führt die Bereichsausnahme des Art. 1 Abs. 2 Buchst. d der Rom‑I-Verordnung – als Nachfolgeregelung des Art. 1 Abs. 2 Buchst. e des Übereinkommens von Rom – zu demselben Ergebnis oder muss diese anders ausgelegt werden? Wenn ja, wie?

4.

Sind dem europäischen Primärrecht, wie der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV, der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 AEUV oder dem freien Kapital- und Zahlungsverkehr gemäß Art. 63 AEUV Vorgaben zur kollisionsrechtlichen Behandlung von Verschmelzungen entnehmbar, insbesondere ob das nationale Recht des Staates der hinausverschmelzenden Gesellschaft oder das nationale Recht der Zielgesellschaft anzuwenden ist?

5.

Wenn Frage 4 verneint wird: Sind dem europäischen Sekundärrecht, wie der Richtlinie 2005/56 oder der Richtlinie 2011/35 oder der Sechsten Richtlinie 82/891/EWG des Rates vom 17. Dezember 1982 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrags betreffend die Spaltung von Aktiengesellschaften ( 11 ), Grundsätze über die kollisionsrechtliche Behandlung zu entnehmen, insbesondere, ob das nationale Recht des Staates der hinausverschmelzenden Gesellschaft oder das nationale Recht der Zielgesellschaft anzuwenden ist, oder steht es dem nationalen Kollisionsrecht frei, zu entscheiden, an welches nationale materielle Recht angeknüpft wird?

6.

Ist Art. 15 der Dritten Richtlinie 78/855 in der Weise auszulegen, dass der Emittent gegenüber dem Inhaber anderer Wertpapiere, die mit Sonderrechten verbunden sind, jedoch keine Aktien darstellen, insbesondere bei Nachranganleihen, im Falle einer grenzüberschreitenden Verschmelzung berechtigt ist, das Rechtsverhältnis zu beenden und die Berechtigten abzuschichten?

7.

Kommt man unter Anwendung des Art. 15 der Richtlinie 2011/35 zu demselben Ergebnis?

IV – Würdigung

28.

Die Rom‑I-Verordnung wird gemäß ihren Art. 28 und 29 Abs. 2 auf Verträge angewandt, die ab dem 17. Dezember 2009 geschlossen werden, und gilt ab diesem Zeitpunkt.

29.

Die Richtlinie 2011/35 ist gemäß ihrem Art. 33 am 1. Juli 2011 in Kraft getreten.

30.

Diese beiden Rechtsvorschriften sind daher auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar.

31.

Die Sechste Richtlinie 82/891 betrifft die Fragen der Spaltung von Aktiengesellschaften. Da der Ausgangsrechtsstreit die Verschmelzung von Aktiengesellschaften betrifft, ist diese Richtlinie für seine Entscheidung nicht erheblich.

32.

Meines Erachtens braucht daher die zweite, die dritte und die siebte Frage sowie die fünfte Frage, soweit sie die Sechste Richtlinie 82/891 und die Richtlinie 2011/35 betrifft, nicht beantwortet zu werden.

33.

Hinsichtlich der materiellen Rechtsvorschriften, um deren Auslegung der Gerichtshof ersucht wird, hängt eine Entscheidung für mich davon ab, welcher tatsächlichen Natur diese besondere Form der Unternehmensfinanzierung ist, die Nachranganleihen darstellen.

34.

Im Grundsatz läuft die fragliche Nachranganleihe für den Investor darauf hinaus, dem Emittenten Mittel für einen besonders langen Zeitraum, hier 25 Jahre ( 12 ), zur Verfügung zu stellen. Ein höheres Entgelt als bei einem gewöhnlichen Darlehen ist ein Ausgleich sowohl für den Umfang der Bindung des investierten Kapitals als auch für das daraus resultierende Risiko in Bezug auf seine Rückzahlung. Das Kapital wird nämlich erst gezahlt, wenn vorher alle anderen Gläubiger, auch die nicht bevorrechtigten, befriedigt worden sind.

35.

Die Dauer der Kapitalbindung verursacht offensichtlich ein Risiko in Bezug auf die zukünftige Situation des Unternehmens nach so langen, manchmal gar unbestimmten Zeiträumen.

36.

Meines Erachtens ergeben sich daraus zwei unterschiedliche, aber komplementäre Folgen, eine für den Investor, die andere für den Emittenten. Für den Investor ist der Vertrag zweifellos spekulativ. Wer kann schon wissen, ob die Gesellschaft in 25 Jahren noch existiert und noch wirtschaftlich gesund ist? Für den Emittenten sind die so vereinnahmten Mittel auf Dauer gebunden und werden als solche wahrgenommen. Da es sich keineswegs um kurzfristige Verbindlichkeiten handelt, ermöglichen sie es dem Emittenten, seine Bilanzstruktur zu verbessern, wie Eigenkapital, auch wenn sie nicht dessen rechtlicher Definition entsprechen.

37.

Entsprechend einer allgemeinen Auffassung lässt sich sagen, dass die verschiedenen in der Lehre vertretenen Standpunkte auf die Feststellung hinauslaufen, dass es auf einem Gebiet, das bei Weitem noch nicht harmonisiert ist, an einheitlichen Begriffen fehlt.

38.

Aus diesem Grund muss meines Erachtens von einer Natur sui generis dieses spezifischen Vertrags ausgegangen und darauf hingewiesen werden, dass zum einen die Dauer und zum anderen der spekulative Charakter der Anlage den fraglichen Mitteln Eigenkapitalcharakter verleihen, auch wenn sie der Genauigkeit halber entsprechend der Qualifizierung des Basler Ausschusses eher als „Ergänzungskapital“ eingestuft werden sollten ( 13 ).

39.

In ihren schriftlichen Erklärungen hat Sparkassen Versicherung nämlich insoweit vorgetragen, ohne dass dem in der mündlichen Verhandlung widersprochen worden wäre, dass sich „[aus der Klausel über die Zahlung] und aus den weiteren Bestimmungen der Conditions of Issue ergibt …, dass die Nachranganleihen ‚Lower Tier 2‘-Kapital im Sinne der Emissions- und Bankaufsichtspraxis nach Basel I und Basel II sind“ ( 14 ). Lower Tier 2-Wertpapiere werden vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht als Ergänzungskapital eingestuft ( 15 ).

40.

Der Eigenkapitalcharakter wird durch die aleatorische Natur des Zeichnungsvertrags verstärkt, da diese Eigenmittel im Fall der Zahlungseinstellung und der Liquidation nicht zurückzuzahlen sind, solange noch nicht alle anderen Gläubiger befriedigt sind, was somit die Masse der Verbindlichkeiten entsprechend verringert.

41.

Ist die Situation der Gesellschaft so, dass eine Rückzahlung der genannten Eigenmittel nicht in Betracht kommt, verwirklicht sich in deren Verlust für den Investor das Risiko, das schon in der Natur des Vertrags selbst angelegt war, und er hat von vornherein keine Ansprüche. Das Verschwinden der Mittel, als mögliches Ergebnis des abgeschlossenen aleatorischen Vertrags, zieht nämlich das Verschwinden der Forderung nach sich, womit sich die Frage nach dem anwendbaren Recht nicht mehr stellt.

42.

Alles hängt daher davon ab, ob zum Zeitpunkt der Verschmelzung noch eine Forderung von Sparkassen Versicherung aus der Zeichnung der Nachranganleihen bestand, und somit davon, ob die Situation der Emittentin zum Zeitpunkt dieser Verschmelzung die Feststellung zulässt, dass die fraglichen Mittel existierten. Denn selbst wenn die Verschmelzung offensichtlich nicht die Liquidation der übertragenden Gesellschaft, die allerdings aufgelöst wurde, zur Folge hat, erscheint es notwendig, bei der Verschmelzung-Übernahme die Höhe des in die übernehmende Gesellschaft eingebrachten Aktiv- und Passivvermögens festzustellen, was normalerweise von Rechnungsprüfern aufmerksam zu untersuchen ist. Dass die Rechnungsprüfung bei diesem Anlass vorgenommen wird, halte ich für ein Gebot der Vorsicht, sei es auch nur, um zu vermeiden, dass wertlose Gegenstände berücksichtigt werden, die in Wirklichkeit fiktives Vermögen darstellen würden.

43.

Das im Leben einer Gesellschaft keineswegs unvorhersehbare Verschwinden der Forderung, das somit zu einem ungünstigen, gegenüber der ursprünglich vereinbarten Dauer vorzeitigen Ausgang führen würde, gehört meines Erachtens zu dem mit dieser Vertragsart verbundenen Risiko.

44.

Wie in Nr. 22 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt, scheint diese Bewertung stattgefunden zu haben mit dem Ergebnis, dass der Wert der fraglichen Anlagetitel gleich null war.

45.

Da es sich um eine Tatsachenfrage handelt, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu klären, ob die so gebildeten ergänzenden Eigenmittel am Tag der Verschmelzung in der übertragenden Gesellschaft vorhanden waren.

46.

Es ist jedoch in Betracht zu ziehen, dass die übertragende Gesellschaft wirtschaftlich gesund war.

47.

In diesem Fall würde sich tatsächlich die Frage stellen, welches Recht auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar ist. Da gemäß Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2005/56 die grenzüberschreitende Verschmelzung ab dem Zeitpunkt, an dem sie wirksam wird, bewirkt, dass das gesamte Aktiv- und Passivvermögen der übertragenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft übergeht ( 16 ), wird letztgenannte die Gesamtrechtsnachfolgerin der erstgenannten und tritt somit in alle vor der Verschmelzung geschlossenen Verträge ein, ohne dass es zu einer Novation kommt. Daher bleibt das von den Vertragsparteien beim Abschluss dieser Verträge gewählte Recht, im vorliegenden Fall das deutsche Recht, das auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbare Recht.

48.

Folglich ist diese Bestimmung dahin auszulegen, dass bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung Verträge wie die im Ausgangsverfahren von der übertragenden Gesellschaft geschlossenen auf die übernehmende Gesellschaft übergehen, was die Anwendung des von den Parteien im Zeitpunkt des ursprünglichen Abschlusses dieser Verträge festgelegten Rechts zur Folge hat.

49.

Im Übrigen muss etwaigen Forderungen, die auf offenen Beträgen an fälligen und nicht bezahlten Zinsen vor dem Verschwinden der Eigenmittel und ergänzenden Eigenmittel der Emittentin beruhen, ein Schutz zuteil werden, der dem Schutz nach dem ursprünglichen Vertrag entspricht, und solche Forderungen müssen den gleichen Risiken ausgesetzt sein. Gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2005/56 muss eine Gesellschaft, die sich an einer grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligt, die Vorschriften und Formalitäten des für sie geltenden innerstaatlichen Rechts einhalten bzw. erledigen, wobei zu diesen Vorschriften und Formalitäten u. a. Bestimmungen über den Schutz der Gläubiger der sich verschmelzenden Gesellschaften zählen ( 17 ). Daraus, dass die Mitgliedstaaten die Art. 13 bis 15 der Dritten Richtlinie 78/855 über den Gläubigerschutz bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen beachten müssen, ergibt sich meines Erachtens, dass die Richtlinie 2005/56 auf diese Bestimmungen verweist und dass die Gläubiger bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung den gleichen Schutz genießen müssen wie die von einer innerstaatlichen Verschmelzung betroffenen Gläubiger. Genauer gesagt erscheint mir unter den genannten Bestimmungen nur Art. 13 der Dritten Richtlinie 78/855 auf den Typus der betroffenen Anleihe aufgrund von deren Eigenart anwendbar. Dieser Art. 13 wird nämlich durch Art. 14 dieser Richtlinie auf den Fall der einfachen Anleihegläubiger ausgedehnt, die nicht mit den Inhabern von Nachranganleihen gleichzustellen sind.

50.

Art. 15 der Dritten Richtlinie 78/855 betrifft mit Sonderrechten verbundene Wertpapiere, die keine Aktien sind. Den Inhabern solcher Wertpapiere wird Anspruch auf einen Schutz gewährt, der mindestens dem gleichwertig ist, den sie vor der Verschmelzung hatten, und der also weiter sein kann. Diese Bestimmung kann aufgrund der Eigenart der in Rede stehenden Wertpapiere nicht auf diese angewandt werden. Der Typus der betroffenen Anleihe kann nämlich meines Erachtens nicht unter „Wertpapiere, die mit Sonderrechten verbunden sind“, subsumiert werden, da deren Sondercharakter dem Emittenten und nicht dem Zeichner Sonderrechte verleiht. Dieses Ungleichgewicht aufzuheben, und sei es nur in Bezug auf die Zinszahlung, deren Modalitäten von der Vertragsstruktur abhängen, würde mithin eine Vertragsumwandlung bedeuten.

51.

Es ist unerlässlich, dass die ursprüngliche Vertragsnatur der hier untersuchten Art von Verträgen genau beibehalten wird, denn andernfalls würde sich daraus eine Novation ergeben, die außerhalb der Definition der Verschmelzung liegt, weil sie mit der Stellung der übernehmenden Gesellschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin nicht vereinbar wäre.

52.

Angesichts der aleatorischen Natur dieses Vertrags und des Risikos des Investors würde jegliche zusätzliche Besicherung der Forderung das Risiko mindern oder gar beseitigen und damit die Natur des ursprünglichen Vertrags und potenziell den Charakter der eingesetzten Mittel und der daran geknüpften Ansprüche verändern.

53.

So könnte beispielsweise die Anwendung einer Kollisionsnorm gleich welcher Art nicht zu einem Ergebnis wie dem des § 226 Abs. 1 AktG führen, wonach der Gläubiger, dessen Forderung nicht erfüllt werden konnte, in bestimmten Fällen Sicherheiten verlangen kann, wenn er nachweist, dass durch die Verschmelzung die Erfüllung seiner Forderung gefährdet wird.

54.

Ebenso könnte bei der Übernahme einer wirtschaftlich gesunden Gesellschaft sich die Möglichkeit der einen oder der anderen Partei des Emissionsvertrags, diesen im Fall einer späteren Verschmelzung zu beenden, nur aus einer beim ursprünglichen Vertragsabschluss vereinbarten ausdrücklichen Klausel ergeben, wobei diese Klausel jedenfalls nur zum Tragen käme, wenn die Situation des Verlusts der Eigenmittel vor der fraglichen Verschmelzung eingetreten wäre.

55.

Nach alledem bin ich daher der Ansicht, dass Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2005/56 in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 der Dritten Richtlinie 78/855 dahin auszulegen ist, dass Forderungen, die aus Finanzinstrumenten wie den im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden Nachranganleihen entstanden sind, im Hinblick auf ihre Natur lediglich ein Schutz zuteil werden kann, der ihrem Schutz vor der grenzüberschreitenden Verschmelzung entspricht.

V – Ergebnis

56.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Obersten Gerichtshof wie folgt zu antworten:

Wenn bei einer Verschmelzung die übertragende Gesellschaft Nachranganleihen der im Ausgangsverfahren geprüften Art ausgegeben hat, gehen diese nur insoweit auf die übernehmende Gesellschaft über, als am Tag der Verschmelzung die damit gebildeten ergänzenden Eigenmittel noch vorhanden waren, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

Bejahendenfalls ist Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten dahin auszulegen, dass bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung Verträge wie die im Ausgangsverfahren von der übertragenden Gesellschaft geschlossenen auf die übernehmende Gesellschaft übergehen, was die Anwendung des von den Parteien im Zeitpunkt des ursprünglichen Abschlusses dieser Verträge festgelegten Rechts zur Folge hat.

Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2005/56 in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 der Dritten Richtlinie 78/855/EWG des Rates vom 9. Oktober 1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften ist dahin auszulegen, dass Forderungen, die aus Finanzinstrumenten wie den im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden Nachranganleihen entstanden sind, im Hinblick auf ihre Natur lediglich ein Schutz zuteil werden kann, der ihrem Schutz vor der grenzüberschreitenden Verschmelzung entspricht.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten (ABl. L 310, S. 1).

( 3 ) Dritte Richtlinie des Rates vom 9. Oktober 1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften (ABl. L 295, S. 36).

( 4 ) ABl. L 266, S. 1, im Folgenden: Übereinkommen von Rom.

( 5 ) ABl. L 177, S. 6, und Berichtigung ABl. 2009, L 309, S. 87, im Folgenden: Rom‑I-Verordnung).

( 6 ) Vgl. Erwägungsgründe 3 und 4 dieser Richtlinie.

( 7 ) Vgl. sechster Erwägungsgrund der genannten Richtlinie.

( 8 ) ABl. L 110, S. 1.

( 9 ) Vgl. erster Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/56.

( 10 ) BGBl. I, 98/1965, S. 1089.

( 11 ) ABl. L 378, S. 47.

( 12 ) Vgl. die Anlagen zu den schriftlichen Erklärungen von Sparkassen Versicherung.

( 13 ) Der Basler Ausschuss wurde 1974 gegründet. Er soll die Solidität des globalen Finanzsystems stärken, die Bankenaufsicht effizienter machen und die Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden verbessern (https://acpr.banque-france.fr/international/la-cooperation-au-niveau-international/les-instances-internationales/secteur-banque/le-comite-de-bale.html).

( 14 ) Vgl. Rn. 5 dieser Erklärungen.

( 15 ) Vgl. S. 17 des Dokuments „Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen“ des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, Internet-Fundstelle: http://www.bis.org/publ/bcbs128ger.pdf.

( 16 ) Vgl. auch Art. 2 Nr. 2 Buchst. a dieser Richtlinie, wonach „Verschmelzung“ insbesondere der Vorgang ist, durch den eine oder mehrere Gesellschaften zum Zeitpunkt ihrer Auflösung ohne Abwicklung ihr gesamtes Aktiv- und Passivvermögen auf eine bereits bestehende Gesellschaft übertragen.

( 17 ) Im dritten Erwägungsgrund dieser Richtlinie ist ausgeführt, dass „für jede an einer grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligte Gesellschaft und jeden beteiligten Dritten weiterhin die Vorschriften und Formalitäten des innerstaatlichen Rechts gelten [sollten], das im Falle einer innerstaatlichen Verschmelzung anwendbar wäre“.

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