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Document 62013CC0382

Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar vom 10. September 2014.
C.E. Franzen u. a. gegen Raad van bestuur van de Sociale verzekeringsbank.
Vorabentscheidungsersuchen des Centrale Raad van Beroep.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer – Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 – Art. 13 Abs. 2 und Art. 17 – Gelegenheitsarbeit in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnsitzstaat – Anzuwendende Rechtsvorschriften – Ablehnung der Gewährung von Kindergeld und Kürzung der Altersrente durch den Wohnsitzstaat.
Rechtssache C-382/13.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2014:2190

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 10. September 2014 ( 1 )

Rechtssache C‑382/13

C. E. Franzen,

H. D. Giesen,

F. van den Berg

gegen

Raad van bestuur van de Sociale verzekeringsbank

(Vorabentscheidungsersuchen des Centrale Raad van Beroep [Niederlande])

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer — Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 — Art. 13 Abs. 2 und Art. 17 — Gelegenheitsarbeit in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnsitzstaat — Anzuwendende Rechtsvorschriften — Ablehnung der Gewährung von Kindergeld und Kürzung der Altersrente durch den Wohnsitzstaat — Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer“

I – Einleitung

1.

Fällt eine Person, die in bestimmten Zeiträumen ihres Berufslebens während einer beschränkten Anzahl von Stunden pro Woche oder pro Monat aufgrund von Aushilfsverträgen („Minijobs“) eine Tätigkeit in Deutschland ausgeübt hat, wobei sie in den Niederlanden wohnhaft war, unter die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 ( 2 )? Verbietet es diese Verordnung, dass diese Person, wenn sie den deutschen Sozialversicherungsvorschriften unterliegt, von der niederländischen gesetzlichen Altersrentenversicherung ausgeschlossen ist? Verbieten diese Verordnung oder die primärrechtlichen Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, dass die niederländischen Rechtsvorschriften diese Person vom nationalen System der sozialen Sicherheit, also dem niederländischen System, allein deshalb ausschließen, weil sie den deutschen Vorschriften der sozialen Sicherheit unterliegt, und zwar selbst dann, wenn sie auch in Deutschland keinen Anspruch auf Kindergeld oder Altersrentenversicherungsleistungen hat?

2.

Die vorliegende Rechtssache bietet dem Gerichtshof somit Gelegenheit zur Untersuchung der stets heiklen Problematik der Arbeitnehmer, die, weil sie ihr Freizügigkeitsrecht ausgeübt haben, entweder den von ihrem Wohnsitzstaat gewährten Schutz verloren haben, ohne den Schutz des Beschäftigungsstaats, dessen Rechtsvorschriften für prekäre Beschäftigungsverhältnisse nur formal gelten, erlangt zu haben, oder deren Altersrente auf einen Betrag gekürzt wird, der geringer als der Betrag ist, der der Gesamtdauer ihrer Tätigkeit entspricht, da die in ihrem Wohnsitzstaat zurückgelegten Beschäftigungszeiten nicht den in dem Beschäftigungsstaat zurückgelegten hinzugerechnet werden ( 3 ).

II – Rechtlicher Rahmen

A – Unionsrecht

3.

Art. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 lautet:

„Für die Anwendung dieser Verordnung werden die nachstehenden Begriffe wie folgt definiert:

a)

‚Arbeitnehmer‘ oder ‚Selbständiger‘: jede Person,

i)

die gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer oder Selbständige oder einem Sondersystem für Beamte erfasst werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist;

ii)

die im Rahmen eines für alle Einwohner oder die gesamte erwerbstätige Bevölkerung geltenden Systems der sozialen Sicherheit gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken pflichtversichert ist, die von den Zweigen erfasst werden, auf die diese Verordnung anzuwenden ist:

wenn diese Person aufgrund der Art der Verwaltung oder der Finanzierung dieses Systems als Arbeitnehmer oder Selbständiger unterschieden werden kann oder

wenn sie bei Fehlen solcher Kriterien im Rahmen eines für Arbeitnehmer oder Selbständige errichteten Systems oder eines Systems der Ziffer iii) gegen ein anderes in Anhang I bestimmtes Risiko pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist oder wenn auf sie bei Fehlen eines solchen Systems in dem betreffenden Mitgliedstaat die in Anhang I enthaltene Definition zutrifft;

…“

4.

Art. 2 („Persönlicher Geltungsbereich“) Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt:

„Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer und Selbständige sowie für Studierende, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.“

5.

Art. 13 in Titel II („Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften“) der Verordnung Nr. 1408/71 stellt folgende allgemeine Regeln auf:

„(1)   Vorbehaltlich der Artikel 14c und 14f unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(2)   Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt Folgendes:

a)

Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;

f)

eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiterhin unterliegt, ohne dass die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gemäß einer der Vorschriften in den vorhergehenden Buchstaben oder einer der Ausnahmen bzw. Sonderregelungen der Artikel 14 bis 17 auf sie anwendbar würden, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften.“

6.

Art. 17 („Ausnahmen von den Artikeln 13 bis 16“) dieser Verordnung bestimmt:

„Zwei oder mehr Mitgliedstaaten, die zuständigen Behörden dieser Staaten oder die von diesen Behörden bezeichneten Stellen können im Interesse bestimmter Personengruppen oder bestimmter Personen Ausnahmen von den Artikeln 13 bis 16 vereinbaren.“

7.

Anhang I Teil I Abschnitt E dieser Verordnung legt in Bezug auf Deutschland wie folgt fest, wer als „Arbeitnehmer“ oder „Selbständiger“ im Sinne von Art. 1 Buchst. a Ziff. ii der Richtlinie anzusehen ist:

„Ist ein deutscher Träger der zuständige Träger für die Gewährung der Familienleistungen gemäß Titel III Kapitel 7 der Verordnung, so gilt im Sinne des Artikels 1 Buchstabe a Ziffer ii der Verordnung

a)

als Arbeitnehmer, wer für den Fall der Arbeitslosigkeit pflichtversichert ist oder im Anschluss an diese Versicherung Krankengeld oder entsprechende Leistungen erhält …“

8.

Art. 84 („Zusammenarbeit der zuständigen Behörden“) der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt in den Abs. 1 und 2:

„(1)   Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten unterrichten einander:

a)

über alle zur Anwendung dieser Verordnung getroffenen Maßnahmen;

b)

über alle die Anwendung dieser Verordnung berührenden Änderungen ihrer Rechtsvorschriften.

(2)   Bei der Anwendung dieser Verordnung unterstützen sich die Behörden und Träger der Mitgliedstaaten, als handelte es sich um die Anwendung ihrer eigenen Rechtsvorschriften. Die gegenseitige Amtshilfe der Behörden und Träger ist grundsätzlich kostenfrei. Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten können jedoch die Erstattung bestimmter Kosten vereinbaren.“

B – Niederländisches Recht

1. Gesetz über die allgemeine Altersversicherung

9.

Nach Art. 2 des Gesetzes über die allgemeine Altersversicherung (Algemene Ouderdomstwet, im Folgenden: AOW) ist Gebietsansässiger im Sinne dieses Gesetzes, wer seinen Wohnsitz in den Niederlanden hat.

10.

Nach Art. 3 Abs. 1 AOW bestimmt sich der Wohnsitz einer Person nach den Umständen des Einzelfalls.

11.

Gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. a AOW ist nach den Bestimmungen dieses Gesetzes versichert, wer noch nicht das Renteneintrittsalter erreicht hat und Gebietsansässiger ist. Nach Art. 6 Abs. 3 kann abweichend von den Abs. 1 und 2 der Kreis der Sozialversicherungspflichtigen durch oder aufgrund einer Verordnung erweitert oder beschränkt werden.

12.

Mit Gesetz vom 29. April 1998 (Stb. 1998, 267) ist rückwirkend zum 1. Januar 1989 Art. 6a in die AOW eingeführt worden, der bestimmt:

„Gegebenenfalls abweichend von Art. 6 AOW und den darauf beruhenden Vorschriften gilt

a)

als versichert eine Person, deren Versicherung aufgrund dieses Gesetzes sich aus der Anwendung von Bestimmungen eines Vertrags oder Beschlusses einer internationalen Organisation ergibt;

b)

nicht als versichert eine Person, die aufgrund eines Vertrags oder Beschlusses einer internationalen Organisation den Rechtsvorschriften eines anderen Staates unterliegt.“

13.

Nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. a AOW werden die Rentenbeträge um 2 % für jedes Kalenderjahr gekürzt, in dem der Rentenberechtigte nach Vollendung des 15. Lebensjahrs, aber vor Vollendung des 65. Lebensjahrs nicht versichert gewesen ist.

14.

Nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. a AOW wird die Brutto-Zulage um 2 % für jedes Kalenderjahr gekürzt, in dem der Ehegatte des Rentenberechtigten nach Vollendung des 15. Lebensjahrs, aber vor Vollendung des 65. Lebensjahrs des Rentenberechtigten nicht versichert gewesen ist.

15.

Gemäß Art. 45 Abs. 1 Satz 1 AOW in der Fassung vom 1. April 1985 sind Versicherte und ehemalige Versicherte in den Fällen, unter den Voraussetzungen und nach Maßgabe des durch Verordnung festzusetzenden Tarifs zur Beitragszahlung für Zeiträume befugt, die nach Vollendung des 15. Lebensjahrs, aber vor Vollendung des 65. Lebensjahrs liegen und für die sie nicht versichert sind oder gewesen sind.

16.

Gemäß derselben Bestimmung in der Fassung vom 1. Januar 1990 können sich Versicherte und ehemalige Versicherte in den Fällen, unter den Voraussetzungen und nach Maßgabe des durch Rechtsverordnung festzusetzenden Tarifs für Zeiträume freiwillig versichern, die nach Vollendung des 15. Lebensjahrs, aber vor Vollendung des 65. Lebensjahrs liegen und für die sie nicht versichert sind oder gewesen sind.

2. Allgemeines Kindergeldgesetz

17.

Die Art. 2 und 3 Abs.1 des Allgemeinen Kindergeldgesetzes (Algemene Kinderbijslagwet, im Folgenden: AKW) entsprechen inhaltlich den Art. 2 und 3 Abs.1 AOW.

18.

Gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. a AKW ist nach den Bestimmungen dieses Gesetzes versichert, wer Gebietsansässiger ist.

19.

Nach Art. 6a Buchst. b AKW gilt gegebenenfalls abweichend von Art. 6 AKW und den darauf beruhenden Vorschriften eine Person nicht als versichert, die nach einem Vertrag oder einem Beschluss einer internationalen Organisation den Rechtsvorschriften eines anderen Staates unterliegt.

3. Verordnung zur Erweiterung und Beschränkung des Kreises der Sozialversicherungspflichtigen

20.

Während des Zeitraums, um den es in den Ausgangsverfahren geht, wurden gemäß Art. 6 Abs. 3 AOW und AKW mehrere aufeinanderfolgende Verordnungen zur Erweiterung und Beschränkung des Kreises der Sozialversicherungspflichtigen (Besluit uitbreiding en beperking kring verzekerden volksverzekeringen, im Folgenden: BUB) erlassen. So waren auf die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umstände die Verordnung vom 19. Oktober 1976 (Stb. 557, im Folgenden: BUB 1976), die Verordnung vom 3. Mai 1989 (Stb. 164, im Folgenden: BUB 1989) und die Verordnung vom 24. Dezember 1998 (Stb. 746, im Folgenden: BUB 1999) anwendbar.

21.

Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a BUB 1976 ist nicht u. a. im Sinne des AOW versichert der Gebietsansässige, der außerhalb der Niederlande in einem Arbeitsverhältnis steht und wegen dieser Tätigkeit nach den im Beschäftigungsstaat geltenden Rechtsvorschriften über Leistungen bei Alter und Tod sowie über das Kindergeld versichert ist.

22.

Nach Ersetzung des BUB 1976 durch den BUB 1989 galt nach deren Art. 10 Abs. 1, in seiner vom 1. Juli 1989 bis 1. Januar 1992 geltenden Fassung, dass „nicht sozialversichert … der Gebietsansässige [ist], der ausschließlich außerhalb der Niederlande einer Erwerbstätigkeit nachgeht“. Für den Zeitraum vom 1. Januar 1992 bis zum 1. Januar 1997 hieß es in derselben Bestimmung des BUB, dass „nicht sozialversichert … der Gebietsansässige [ist], der während eines zusammenhängenden Zeitraums von mindestens drei Monaten ausschließlich außerhalb der Niederlande einer Erwerbstätigkeit nachgeht“. In der vom 1. Januar 1997 bis zum 1. Januar 1999 geltenden Fassung bestimmte Art. 10 Abs. 1 des BUB 1989, dass „nicht sozialversichert … der Gebietsansässige [ist], der während eines zusammenhängenden Zeitraums von mindestens drei Monaten ausschließlich außerhalb der Niederlande einer Erwerbstätigkeit nachgeht, es sei denn, diese Tätigkeit wird aufgrund eines Arbeitsverhältnisses mit einem in den Niederlanden wohnhaften oder ansässigen Arbeitgeber ausgeübt“.

23.

Am 1. Januar 1999 wurde der BUB 1989 durch den BUB 1999 ersetzt. Nach dessen Art. 12 „ist nicht sozialversichert, wer seinen Wohnsitz in den Niederlanden hat und während eines zusammenhängenden Zeitraums von mindestens drei Monaten ausschließlich außerhalb der Niederlande einer Erwerbstätigkeit nachgeht, es sei denn, diese Tätigkeit wird ausschließlich aufgrund eines Arbeitsverhältnisses mit einem in den Niederlanden wohnhaften oder ansässigen Arbeitgeber ausgeübt“.

24.

Sowohl der BUB 1989 als auch der BUB 1999 enthielten eine Härteklausel, Art. 25 bzw. 24, wonach der Raad van bestuur van de Sociale verzekeringsbank (Verwaltungsrat der Sozialversicherungsanstalt, im Folgenden: SVB) befugt war, in bestimmten Fällen von anderen Bestimmungen der Verordnung abzuweichen, um erheblichen Unbilligkeiten zu begegnen, die sich aus der Versicherungspflicht oder dem Ausschluss von der Versicherungspflicht nach der Verordnung ergeben können (BUB 1989), oder Artikel der Verordnung unangewendet zu lassen oder von ihnen abzuweichen, soweit die Anwendung angesichts des Interesses an der Erweiterung und Beschränkung der Versicherten zu einer erheblichen Unbilligkeit führt, die sich ausschließlich aus der Versicherungspflicht oder dem Ausschluss von der Versicherungspflicht nach der Verordnung ergibt (BUB 1999).

III – Sachverhalt des Ausgangsverfahrens

25.

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens, Frau Franzen, Herr Giesen und Herr van den Berg, alle niederländische Staatsangehörige sind und in den Niederlanden wohnen.

26.

Frau Franzen bezog in den Niederlanden nach der AKW Kindergeld für ihre Tochter, die sie alleine erzog. Im November 2002 teilte sie der SVB mit, dass sie seit dem 1. Januar 2001 in Deutschland 20 Stunden in der Woche als Friseurin erwerbstätig sei. Da die von Frau Franzen aus dieser Tätigkeit erzielten Einkünfte gering waren, war sie nur in der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung pflichtversichert, ohne Zugang zu einem der anderen Systeme der sozialen Sicherheit in Deutschland zu haben.

27.

Mit Bescheid vom 25. Februar 2003 strich die SVB das Kindergeld mit Wirkung vom 1. Oktober 2002.

28.

Da ihre deutschen Einkünfte nicht ausreichten, erhielt Frau Franzen von der niederländischen Gemeinde, in der sie wohnte, ergänzende Leistungen nach dem Allgemeinen Sozialhilfegesetz (Algemene bijstandswet) sowie dem Gesetz über Arbeit und Sozialhilfe (Wet Werk en Bijstand). Aus den von der SVB beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen geht hervor, dass es sich bei dieser Leistung um eine Form der Sozialhilfe handelt, auf die die Verordnung Nr. 1408/71 nach deren Art. 4 Abs. 4 nicht anzuwenden ist.

29.

Die SVB führt in ihren Erklärungen weiter aus, Frau Franzen habe durch ein Schreiben vom 21. September 2003 gemäß Art. 24 BUB 1999 beantragt, ihren Ausschluss von dem durch die Sozialversicherungen gewährten Schutz aufzuheben. Die SVB lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, Frau Franzen sei weder nach Unionsrecht noch nach den Bestimmungen des niederländischen Rechts versichert.

30.

Am 30. Januar 2006 stellte Frau Franzen erneut einen Antrag auf Kindergeld, dem die SVB mit Bescheid vom 27. März 2006 mit Wirkung vom ersten Quartal 2006 stattgab. Mit Schreiben vom 5. Juni 2007 wurde im Namen von Frau Franzen die Gewährung von Kindergeld ab dem vierten Quartal 2002 beantragt.

31.

Mit Bescheid vom 5. Juli 2007 stellte die SVB fest, dass Frau Franzen ab dem ersten Quartal 2006 keinen Anspruch mehr auf Kindergeld habe, entschied jedoch, den zu Unrecht gezahlten Betrag nicht zurückzufordern. Mit Bescheid vom 16. November 2007 wurde der Widerspruch von Frau Franzen gegen diesen Bescheid als unbegründet zurückgewiesen und auch der Antrag auf Neufeststellung abgelehnt.

32.

Noch während der Anhängigkeit der Klage gegen diesen Bescheid vom 5. Juli 2007 erließ die SVB am 6. Februar 2008 einen neuen Bescheid, mit dem die Begründung des Bescheids vom 16. November 2007 abgeändert und darauf hingewiesen wurde, dass die Anträge auf Kindergeld abgelehnt worden seien, weil gemäß Art. 13 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 ausschließlich die deutschen Rechtsvorschriften auf Frau Franzen Anwendung fänden und die niederländischen Sozialversicherungen daher ausgeschlossen seien.

33.

Die Rechtbank Maastricht wies die Klage gegen die Bescheide vom 16. November 2007 und vom 6. Februar 2008 mit Urteil vom 5. August 2008 als unbegründet ab. Die Parteien des Ausgangsverfahrens streiten vor dem vorlegenden Gericht darüber, ob Frau Franzen ab dem 1. Oktober 2002 nach der AKW versichert war.

34.

Die Ehefrau von Herrn Giesen war in Deutschland erwerbstätig, zunächst 1970 in zwei Zeiträumen und sodann als geringfügig Beschäftigte in der Zeit vom 19. Mai 1988 bis zum 12. Mai 1993. Sie war u. a. Verkäuferin in einem Bekleidungsgeschäft und übte diese Tätigkeit während einer begrenzten Stundenzahl im Monat aufgrund eines Aushilfsvertrags aus, nach dem sie auf Abruf ihres Arbeitgebers zur Arbeit erschien, jedoch nicht verpflichtet war, dessen Abrufen Folge zu leisten.

35.

Am 22. September 2006 beantragte Herr Giesen eine Altersrente und eine Partnerzulage nach der AOW, die die SVB mit Bescheid vom 3. Oktober 2007 gewährte. Die Partnerzulage wurde jedoch um 16 % gekürzt, da seine Ehefrau während der Zeit, in der sie in Deutschland gearbeitet habe, nicht sozialversichert gewesen sei. Herr Giesen legte Widerspruch gegen diesen Bescheid ein, soweit dieser die Kürzung der Zulage betraf. Mit Bescheid vom 20. Mai 2008 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.

36.

Die Rechtbank Roermond wies die Klage gegen den Bescheid vom 20. Mai 2008 mit Urteil vom 13. Oktober 2008 als unbegründet ab. Das Gericht stellte fest, dass die Ehefrau von Herrn Giesen nicht den niederländischen Rechtsvorschriften unterliege, da nicht erwiesen sei, dass sie nicht mehr als drei Monate lang in Deutschland gearbeitet habe. Die Parteien streiten vor dem vorlegenden Gericht darüber, ob die Ehefrau von Herrn Giesen in der Zeit vom 19. Mai 1988 bis zum 31. Dezember 1992 nach der AOW versichert war.

37.

Herr van den Berg war in der Zeit vom 25. Juni bis 24. Juli 1972 und vom 1. Januar 1990 bis 31. Dezember 1994 in Deutschland erwerbstätig. Die Vorlageentscheidung enthält keine Angaben zur Natur seiner Beschäftigung. Am 17. Januar 2008 beantragte Herr van den Berg eine Altersrente nach der AOW. Mit Bescheid vom 1. August 2008 gewährte die SVB ihm diese Rente, kürzte sie jedoch um 14 %, da Herr van den Berg mehr als sieben Jahre lang nicht versichert gewesen sei. Mit Bescheid vom 25. November 2008 wurde sein Widerspruch gegen den Bescheid teilweise für begründet erklärt und die Kürzung auf 10 % festgesetzt.

38.

Die Rechtbank Maastricht wies die Klage gegen den Bescheid vom 25. November 2008 mit Urteil vom 19. Oktober 2009 als unbegründet ab. Herr van den Berg und die SVB streiten vor dem vorlegenden Gericht darüber, ob Herr van den Berg in der Zeit vom 1. Januar 1990 bis zum 31. Dezember 1994 nach der AOW versichert war.

39.

Der Centrale Raad van Beroep (Berufungsinstanz für Fälle im Bereich Sozialversicherung), bei dem die Kläger des Ausgangsverfahrens Berufung einlegten, ist der Auffassung, dass diese für die streitigen Zeiträume als Arbeitnehmer im Sinne von Art. 2 in Verbindung mit Art. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 anzusehen seien und dass die AOW und die AKW in den sachlichen Geltungsbereich dieser Verordnung fielen.

40.

Es stelle sich jedoch die Frage, ob die Betroffenen in den streitigen Zeiträumen gemäß Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 den deutschen Rechtsvorschriften unterlegen hätten und, falls ja, ob die Ausschlusswirkung dieser Vorschrift dazu führe, dass die niederländischen Rechtsvorschriften keine Anwendung fänden. Das vorlegende Gericht verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil Kits van Heijningen (C‑2/89, EU:C:1990:183), das eine Teilzeitbeschäftigung zum Gegenstand hat, und fragt sich, ob diese Rechtsprechung auf einen Vertrag über Gelegenheitsarbeit übertragen werden könne.

41.

Nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts ist in den vorliegenden Rechtsstreitigkeiten unstreitig, dass die Betroffenen im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten nicht nach den deutschen Rechtsvorschriften versichert gewesen seien, auf deren Grundlage Anspruch auf Altersrente oder auf Kindergeld bestehen könne. Außerdem seien die Ehefrau von Herrn Giesen in der Zeit vom 1. Juli 1989 bis zum 31. Dezember 1992 sowie Herr van den Berg und Frau Franzen in den jeweiligen streitigen Zeiträumen nach nationalem Recht als nicht nach der AOW und der AKW versichert anzusehen. Um beurteilen zu können, ob das Unionsrecht diesem Ausschluss entgegensteht, seien die unionsrechtlichen Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 45 AEUV) und der Unionsbürger (Art. 20 AEUV und 21 AEUV) zu berücksichtigen.

IV – Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

42.

Unter diesen Umständen hat das vorlegende Gericht mit Urteil vom 1. Juli 2013, bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen am 4. Juli 2013, beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

a)

Ist Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen, dass Gebietsansässige eines Mitgliedstaats, die in den Geltungsbereich dieser Verordnung fallen und auf der Grundlage eines Vertrags über Gelegenheitsarbeit nicht mehr als zwei oder drei Tage pro Monat eine abhängige Tätigkeit im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ausüben, dort aus diesem Grund den Sozialversicherungsvorschriften des Beschäftigungsstaats unterliegen?

b)

Sofern Frage 1a bejaht wird: Unterliegen die erwähnten Gebietsansässigen in diesem Fall den Sozialversicherungsvorschriften des Beschäftigungsstaats sowohl während der Tage, an denen die Tätigkeiten ausgeübt werden, als auch während der Tage, an denen die Tätigkeiten nicht ausgeübt werden, und falls ja, wie lange gelten die genannten Vorschriften nach den zuletzt tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten noch fort?

2.

Steht Art. 13 Abs. 2 Buchst. a in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 dem entgegen, dass ein Wanderarbeitnehmer, der den Sozialversicherungsvorschriften des Beschäftigungsstaats unterliegt, nach einer nationalen Regelung des Wohnsitzstaats in diesem als nach der AOW versichert angesehen wird?

3.

a)

Ist das Unionsrecht, insbesondere die Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und/oder der Unionsbürger, dahin auszulegen, dass es unter den Umständen der vorliegenden Verfahren der Anwendung einer nationalen Vorschrift wie Art. 6a AOW und/oder AKW entgegensteht, wonach ein in den Niederlanden wohnhafter Wanderarbeitnehmer dort deshalb von der Versicherung nach der AOW und/oder der AKW ausgeschlossen wird, weil er ausschließlich den deutschen Sozialversicherungsvorschriften unterliegt, und zwar selbst dann, wenn dieser Arbeitnehmer in Deutschland als geringfügig Beschäftigter von der Altersrentenversicherung ausgeschlossen ist und keinen Anspruch auf Kindergeld hat?

b)

Ist es für die Beantwortung von Frage 3a noch von Belang, dass die Möglichkeit bestand, eine freiwillige Versicherung nach der AOW abzuschließen oder die SVB aufzufordern, eine Vereinbarung im Sinne von Art. 17 der Verordnung Nr. 1408/71 zu treffen?

43.

Schriftliche Erklärungen haben die SVB, die niederländische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission eingereicht. Die Vertreter von Frau Franzen und die Bevollmächtigten der Niederlande, des Vereinigten Königreichs und der Kommission haben in der Sitzung vom 25. Juni 2014 mündlich verhandelt.

V – Würdigung

44.

Was zunächst den Kontext der Ausgangsverfahren angeht, so betrifft dieser zum einen die Weigerung der Behörden des Wohnsitzstaats, hier der SVB, Frau Franzen Kindergeld zu gewähren, und zum anderen die Kürzung der Partnerzulage und der Herrn Giesen und Herrn van den Berg gewährten Altersrente durch diese Behörden, weil die Betroffenen in den streitigen Zeiträumen gemäß Verordnung Nr. 1408/71 den Rechtsvorschriften ihres Beschäftigungsstaats, nämlich den deutschen Rechtsvorschriften, unterlegen hätten. Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass sie in diesen Zeiträumen im Beschäftigungsstaat nur unfallversichert waren und weder in den Niederlanden (Wohnsitzstaat) noch in Deutschland (Beschäftigungsstaat) Anspruch auf Kindergeld bzw. auf Leistungen aus der Rentenversicherung hatten.

45.

Sodann ist festzustellen, dass die in Rede stehenden Leistungen unstreitig die Voraussetzungen erfüllen, um als „Leistungen bei Alter“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. c oder als „Familienleistungen“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. h der Verordnung Nr. 1408/71 zu gelten. Die Sachverhalte der Ausgangsverfahren fallen daher in den sachlichen Geltungsbereich dieser Verordnung.

46.

Was schließlich den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 betrifft, ist dieser Gegenstand der ersten Frage des vorlegenden Gerichts. Diese Frage, die meines Erachtens zu bejahen ist, wirft keine besonderen Schwierigkeiten auf und wird daher kurz erörtert.

A – Erste Frage

47.

Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen ist, dass ein Gebietsansässiger eines Mitgliedstaats, der in den Geltungsbereich dieser Verordnung fällt und auf der Grundlage eines Vertrags über Gelegenheitsarbeit nicht mehr als zwei oder drei Tage im Monat eine nichtselbständige Erwerbstätigkeit im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ausübt, den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats unterliegt, und, falls ja, ob dies für den Gebietsansässigen nur für die Arbeitstage oder auch für die anderen Tage gilt ( 4 ).

48.

Um diese Frage zu beantworten, werde ich zur Bestätigung, dass die in den Ausgangsverfahren Betroffenen als Arbeitnehmer im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 anzusehen sind, zunächst in kurzer Form auf den persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung eingehen. In einem zweiten Schritt werde ich die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 1408/71 im Zusammenhang mit Teilzeitarbeit analysieren, bevor ich auf die Folgen der Bestimmungen von Anhang I Teil I Buchst. E dieser Verordnung für den konkreten Fall von Frau Franzen eingehen werde.

1. Persönlicher Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71

49.

Der persönliche Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 ist in deren Art. 2 definiert. Nach dessen Abs. 1 sind drei Kriterien dafür erforderlich, dass ein Arbeitnehmer unter diese Verordnung fällt. Erstens muss er Arbeitnehmer oder Selbständiger sein ( 5 ). Diese beiden Begriffe bezeichnen jede Person, die pflichtversichert oder freiwillig versichert ist ( 6 ) im Rahmen eines der in Art. 1 Buchst. a Ziff. i und ii dieser Verordnung genannten Systeme der sozialen Sicherheit und gemäß den Voraussetzungen dieser Systeme ( 7 ). Zweitens muss der Arbeitnehmer Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats sein. Drittens ist erforderlich, dass die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten für ihn gelten oder galten.

50.

Der Gerichtshof hat festgestellt, dass eine Person die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der Verordnung Nr. 1408/71 besitzt, wenn sie auch nur gegen ein einziges Risiko im Rahmen eines der in Art. 1 Buchst. a dieser Verordnung genannten allgemeinen oder besonderen Systeme der sozialen Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig versichert ist, und zwar unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ( 8 ).

51.

Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Betroffenen in bestimmten Zeiträumen in Deutschland gearbeitet haben, in denen sie in diesem Mitgliedstaat versichert waren. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass sie eine geringfügige Beschäftigung unter dem für „geringfügig Beschäftigte“ ( 9 ) geltenden Status ausgeübt haben, was impliziert, dass sie zumindest unfallversichert waren. Meines Erachtens dürfte es daher kaum einen Zweifel daran geben, dass die in den Ausgangsverfahren Betroffenen als Arbeitnehmer im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 anzusehen sind.

2. Kurzer Überblick über die einschlägige Rechtsprechung

52.

Wie aus sämtlichen dem Gerichtshof unterbreiteten schriftlichen Erklärungen hervorgeht, ist die auf das Urteil Kits van Heijningen ( 10 ) zurückgehende Rechtsprechung auf die Umstände des vorliegenden Falls anzuwenden. Der Gerichtshof hat in diesem Urteil eine Auslegung von Art. 13 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 im Zusammenhang mit Teilzeitarbeit vorgenommen, die meines Erachtens auf Gelegenheitsarbeitsverhältnisse, wie sie im vorliegenden Fall gegeben sind, entsprechend übertragen werden muss.

53.

Der Gerichtshof hat entschieden, dass der Wortlaut von Art. 1 Buchst. a oder Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 nichts enthält, was es erlaubte, bestimmte Personengruppen aufgrund des zeitlichen Umfangs ihrer Beschäftigung vom Geltungsbereich der Verordnung auszuschließen. Deshalb fällt eine Person als in den Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71, wenn sie die in Art. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 der Verordnung aufgestellten Voraussetzungen erfüllt, unabhängig vom zeitlichen Umfang ihrer Beschäftigung ( 11 ). Nach Ansicht des Gerichtshofs unterscheidet Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 nicht danach, ob die Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis als Voll- oder Teilzeitbeschäftigung ausgeübt wird. Im Übrigen würde der Zweck der Verordnung vereitelt, wenn die Anwendung der Rechtsvorschriften des Beschäftigungsmitgliedstaats auf die Zeiträume beschränkt wäre, während deren die Beschäftigung ausgeübt wird, die Zeiten aber, während deren der Betroffene seine Beschäftigung nicht ausübt, nicht berücksichtigt würden ( 12 ).

54.

Insoweit ist für mich klar, dass das maßgebliche Element für die Eröffnung des persönlichen Geltungsbereichs der Verordnung, wie sich aus Nr. 50 der vorliegenden Schlussanträge ergibt, in dem Vorhandensein einer Pflicht- oder einer freiwilligen Versicherung, wenn auch nur gegen ein einziges Risiko, im Rahmen eines in Art. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 genannten allgemeinen oder besonderen Systeme der sozialen Sicherheit besteht. Auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, die Art des Arbeitsverhältnisses, den Umstand, dass es sich um einen Teilzeitvertrag oder um einen Vertrag über Gelegenheitsarbeit handelt, sowie auf die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden kommt es mithin nicht an ( 13 ). Demzufolge ist es vorliegend irrelevant, dass die in den Ausgangsverfahren Betroffenen Berufstätigkeiten geringeren Umfangs ausgeübt haben, die nicht über eine bestimmte, nach Stunden oder Einkünften bemessene Schwelle hinausgehen, beispielsweise als geringfügig Beschäftigte nach deutschem Recht.

55.

Ich stelle daher fest, dass Frau Franzen, Herr Giesen und Herr van den Berg die in Art. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 aufgestellten Voraussetzungen erfüllen, unabhängig vom zeitlichen Umfang ihrer Beschäftigung in den streitigen Zeiträumen. Folglich fallen sie in den persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung und unterliegen nach deren Art. 13 Abs. 2 Buchst. a den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats. Diese Geltung der deutschen Rechtsvorschriften betrifft nicht nur die Tage, an denen sie ihre Beschäftigung ausgeübt haben, sondern auch diejenigen, an denen sie ihre Beschäftigung nicht ausgeübt haben. Sie gelten so lange fort, wie der Betroffene in dem Beschäftigungsstaat gegen zumindest ein Risiko versichert ist ( 14 ).

3. Anhang I Teil I Abschnitt E („Deutschland“) der Verordnung Nr. 1408/71

56.

Was insbesondere Frau Franzen anbelangt, weist die Kommission darauf hin, dass der Eintrag in Anhang I Teil I Abschnitt E der Verordnung Nr. 1408/71 in Bezug auf Deutschland eine Änderung des persönlichen Geltungsbereichs der Verordnung zur Folge hat.

57.

Wie sich aus den Nrn. 49 bis 51 der vorliegenden Schlussanträge ergibt, fällt Frau Franzen in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71. Folglich handelt es sich gemäß Art. 13 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung bei den Rechtsvorschriften, die auf Frau Franzen zur Anwendung kommen, um die deutschen Rechtsvorschriften ( 15 ). Hat sie demzufolge Anspruch auf Kindergeld in Deutschland?

58.

Hierzu ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Definition in Art. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 durch diejenige in Anhang I Teil I Abschnitt E („Deutschland“) dieser Verordnung verdrängt wird, wenn ein deutscher Träger der zuständige Träger für die Gewährung der Familienleistungen gemäß Titel III Kapitel 7 dieser Verordnung ist ( 16 ). Somit können nur diejenigen Personen, die in einem der in Anhang I Teil I Abschnitt E der Verordnung Nr. 1408/71 genannten Systeme pflichtversichert sind, als „Arbeitnehmer“ oder „Selbständige“ im Sinne von Art. 1 Buchst. a Ziff. ii dieser Verordnung angesehen werden ( 17 ). Als Arbeitnehmer im Sinne der genannten Bestimmung dieses Anhangs gilt nämlich, „wer für den Fall der Arbeitslosigkeit pflichtversichert ist oder im Anschluss an diese Versicherung Krankengeld oder entsprechende Leistungen erhält“. Für Frau Franzen ist dies nicht der Fall. Sie fällt unter die „allgemeine Regel“ von Art. 1 Buchst. a Ziff. i der Verordnung Nr. 1408/71, d. h. die Definition des Arbeitnehmers im Sinne dieser Verordnung für diejenigen Leistungen, für deren Zwecke sie freiwillig versichert ist, vorliegend die Unfallversicherung. Umgekehrt kann sie nach Maßgabe der „Sonderregel“ in Anhang I für die Zwecke der Gewährung der deutschen Familienleistungen nicht als Arbeitnehmer gelten. Diese Regel hat gegenüber der allgemeinen Regel in Art. 1 Buchst. a der Verordnung somit besonderen Charakter. Durch Anhang I in Verbindung mit Art. 1 Buchst. a Ziff. ii der Verordnung Nr. 1408/71 wird nämlich der Kausalzusammenhang zwischen der Art der von dem Arbeitnehmer beantragten Leistungen (Familienleistungen) und den Voraussetzungen geklärt, die der Arbeitnehmer erfüllen muss, damit ihm der Anspruch auf die Leistung zuerkannt wird. Der Unionsgesetzgeber wollte mithin klären, was unter den Begriffen „Arbeitnehmer“ und „Selbständiger“ im Sinne der Verordnung zu verstehen ist, wenn für den Betroffenen ein System der sozialen Sicherheit maßgebend ist, das für alle Einwohner gilt, wie es für Familienleistungen in Deutschland der Fall ist ( 18 ). Demzufolge bin ich der Ansicht, dass Frau Franzen für die streitigen Zeiträume nicht als Arbeitnehmer im Sinne von Anhang I Teil I Abschnitt E der Verordnung Nr. 1408/71 angesehen werden kann, da sie nicht die Voraussetzungen von Art. 1 Buchst. a Ziff. ii in Verbindung mit Anhang I dieser Verordnung erfüllt, um Familienleistungen in Deutschland in Anspruch nehmen zu können.

59.

Im Hinblick auf die Gewährung von Familienleistungen nach den deutschen Rechtsvorschriften ist der Begriff des Arbeitnehmers daher dahin zu verstehen, dass er nur diejenigen Arbeitnehmer erfasst, die der Definition von Art. 1 Buchst. a Ziff. ii in Verbindung mit Anhang I Teil I Abschnitt E dieser Verordnung entsprechen.

4. Zwischenergebnis

60.

Meines Erachtens ist Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen, dass der Gebietsansässige eines Mitgliedstaats, der in den Geltungsbereich dieser Verordnung fällt und auf der Grundlage eines Vertrags über Gelegenheitsarbeit nicht mehr als zwei oder drei Tage pro Monat eine nichtselbständige Erwerbstätigkeit im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ausübt, gemäß Art. 13 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats unterliegt. Diese Geltung der Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats betrifft nicht nur die Tage, an denen er seine Beschäftigung ausübt, sondern auch diejenigen, an denen er seine Beschäftigung nicht ausübt. Sie gilt so lange fort, wie der Betroffene in dem Beschäftigungsstaat gegen zumindest ein Risiko versichert ist.

B – Zweite und dritte Vorlagefrage

61.

Ich schlage vor, die zweite und die dritte Frage zusammen zu prüfen. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 in Verbindung mit Abs. 1 dieses Artikels dem entgegensteht, dass die nationalen Rechtsvorschriften unter den vorliegend gegebenen Umständen den Wanderarbeitnehmer, der den Sozialversicherungsvorschriften des Beschäftigungsstaats unterliegt, von dem nationalen System der sozialen Sicherheit dieses Staates ausschließen. Daneben möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die primärrechtlichen Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und/oder die Unionsbürgerschaft einem solchen Ausschluss entgegenstehen, wenn der Wanderarbeitnehmer deshalb von seinem nationalen System der sozialen Sicherheit ausgeschlossen wird, weil er den Sozialversicherungsvorschriften des Beschäftigungsstaats unterliegt, obwohl er auch in dem Beschäftigungsstaat keinen Anspruch auf Kindergeld oder Leistungen aus der Altersrentenversicherung hat. Außerdem möchte es wissen, ob der Umstand, dass der Arbeitnehmer die Möglichkeit hatte, eine freiwillige Versicherung abzuschließen oder die zuständige Behörde aufzufordern, eine Vereinbarung im Sinne von Art. 17 der Verordnung Nr. 1408/71 zu treffen, eine Auswirkung auf die Beantwortung der vorliegenden Frage hat.

62.

Um dem vorlegenden Gericht eine zweckdienliche Antwort zu erteilen, sollte meines Erachtens vorab auf die Grundlagen des mit der Verordnung Nr. 1408/71 eingeführten Mechanismus zur Koordinierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit eingegangen werden.

1. Der mit der Verordnung Nr. 1408/71 eingeführte Koordinierungsmechanismus

63.

Erstens weise ich darauf hin, dass das mit der Verordnung Nr. 1408/71 eingeführte System nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs auf einer schlichten Koordinierung der nationalen Rechtsvorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit beruht und nicht deren Harmonisierung anstrebt ( 19 ). Da sich die Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten durch ihre Territorialität auszeichnen ( 20 ), gründet sich ihre Koordinierung insbesondere auf Anknüpfungsregeln, die denen des Internationalen Privatrechts entsprechen. Ziel der Koordinierung ist die Bestimmung der Rechtsvorschriften, die auf Arbeitnehmer und Selbständige anzuwenden sind, die unter verschiedenen Umständen von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen ( 21 ), wobei sie zugleich Unterschiede zwischen den Systemen der Mitgliedstaaten und folglich auch bezüglich der Ansprüche der dort Beschäftigten bestehen lässt ( 22 ). Die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten in diesem Bereich wird also durch die Koordinierung nicht angetastet, allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Unionsrecht und insbesondere im Einklang mit den Zielen der Koordinierungsverordnungen und den Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit handeln ( 23 ).

64.

Folglich hat der von Beginn des europäischen Aufbauwerks an eingerichtete Koordinierungsmechanismus ( 24 ) zum Ziel, die Mobilität von Personen innerhalb der Union zu erleichtern, unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Eigenheiten der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit, und Nachteile für diejenigen, die ihr Recht auf Freizügigkeit wahrnehmen, abzuwenden ( 25 ).

65.

Der Gerichtshof hat nämlich seit seinen ersten Urteilen zum Ausdruck gebracht, dass die aufgrund von Art. 48 AEUV ergangenen Verordnungen „im Licht des Zweckes dieses Artikels auszulegen [sind], der in der Herstellung einer größtmöglichen Freizügigkeit für die Wanderarbeitnehmer besteht“ ( 26 ). Er hat ausgeführt, dass die Art. 45 AEUV bis 48 AEUV Grundlage, Rahmen und Grenzen für die Verordnungen über die soziale Sicherheit sind ( 27 ). Der Gerichtshof befindet über die Koordinierung der nationalen Systeme mithin im Licht der Art. 45 AEUV und 48 AEUV.

66.

Zweitens resultieren die Konflikte zwischen anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften aus der Kombination zwischen der Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit zum einen und dem Fortbestehen der Systeme der nationalen Sicherheit zum anderen. Bei diesen Kollisionen von Gesetzen handelt es sich unabhängig davon, ob eine positive Kollision, im Fall des Zusammentreffens mehrerer auf einen bestimmten Sachverhalt anwendbarer Normen, oder eine negative Kollision, bei Fehlen einer anwendbaren Norm ( 28 ), gegeben ist, um Hindernisse dafür, sich im Gebiet der Union frei zu bewegen.

67.

Um diese positiven oder negativen Kollisionen anwendbarer Rechtsvorschriften zu vermeiden, bezwecken drittens die Bestimmungen von Titel II der Verordnung Nr. 1408/71 (zu denen Art. 13 gehört), die ein einheitliches und geschlossenes System von Kollisionsnormen bilden ( 29 ), dass die Betroffenen dem System der sozialen Sicherheit eines einzigen Mitgliedstaats unterliegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sollen diese Vorschriften nicht nur die gleichzeitige Anwendung von Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, vermeiden ( 30 ), sondern auch verhindern, dass Personen, die in den Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen, der Schutz auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit vorenthalten wird, weil keine Rechtsvorschriften auf sie anwendbar sind ( 31 ).

68.

Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 stellt in diesem Zusammenhang den Grundsatz der Einheitlichkeit der auf einen bestimmten Sachverhalt anwendbaren Rechtsvorschriften auf ( 32 ), was insbesondere darin zum Ausdruck kommt, dass Beiträge nur an ein einziges System der sozialen Sicherheit geleistet werden. Insbesondere sieht Art. 13 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung, soweit nicht die Art. 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, vor: „Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat“ (lex loci laboris) ( 33 ).

69.

Dieses auf dem Grundsatz der Einheitlichkeit der anwendbaren Rechtsvorschriften beruhende System zur Lösung von Kollisionen zwischen nationalen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit ist mithin vorbehaltlich der in der Verordnung Nr. 1408/71 vorgesehenen Ausnahmen ( 34 ) zwingend und hat nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Folge, dass „die Mitgliedstaaten nicht bestimmen [können], inwieweit ihre eigenen Rechtsvorschriften oder die eines anderen Mitgliedstaats anwendbar sind, da sie verpflichtet sind, die geltenden Vorschriften des Unionsrechts zu beachten“ ( 35 ).

70.

Im Licht dieser Erwägungen werde ich im Folgenden die zweite und die dritte Frage des vorlegenden Gerichts zusammen prüfen.

2. Zum Grundsatz der Einheitlichkeit der anwendbaren Rechtsvorschriften

71.

Wie sich aus den Nrn. 67 und 68 der vorliegenden Schlussanträge ergibt, unterliegen Arbeitnehmer, die innerhalb der Union zu- und abwandern, nach den Bestimmungen von Titel II der Verordnung Nr. 1408/71, die die auf sie anwendbaren Rechtsvorschriften bestimmen, dem System der sozialen Sicherheit eines einzigen Mitgliedstaats ( 36 ), um Kumulierungen anzuwendender nationaler Rechtsvorschriften und die sich daraus möglicherweise ergebenden Schwierigkeiten zu vermeiden ( 37 ). Den Regeln zur Bestimmung der anwendbaren Rechtsvorschriften kommt somit ausschließliche Wirkung zu, was bedeutet, dass vorbehaltlich der in der Verordnung Nr. 1408/71 vorgesehenen Ausnahmen ( 38 ), zu keinem Zeitpunkt andere als die aufgrund der Kollisionsnormen bestimmten Rechtsvorschriften zur Anwendung kommen können ( 39 ).

72.

Jüngere Urteile in Rechtssachen, in denen es um die Zahlung von Familienleistungen ging, scheinen jedoch auf eine Aufweichung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur strikten Anwendung des Grundsatzes der Einheitlichkeit hinzudeuten ( 40 ).

73.

Die Kommission führt in ihren schriftlichen Erklärungen aus, dass diese Aufweichung jedoch nicht dahin ausgelegt werden könne, dass auf den innerhalb der Union zu- und abwandernden Arbeitnehmer, auf den die Sozialversicherungsvorschriften des Beschäftigungsstaats anzuwenden seien, auch das Gesetz über die Altersversicherung des Wohnsitzstaats nach den nationalen Rechtsvorschriften dieses Staats anzuwenden sei.

74.

Dem stimme ich zu. Eine andere Auslegung hätte allgemein zur Folge, dass die Versicherten Beiträge an die zuständigen Behörden von zwei oder mehr Mitgliedstaaten zahlen müssten, was nicht mit dem in Nr. 68 der vorliegenden Schlussanträge hervorgehobenen Ziel der Verordnung Nr. 1408/71 vereinbar ist. Im neunten Erwägungsgrund dieser Verordnung heißt es hierzu, dass Zahl und Tragweite der Fälle, in denen ein Arbeitnehmer oder Selbständiger als Ausnahme von der allgemeinen Regel gleichzeitig den Rechtsvorschriften zweier Mitgliedstaaten unterliegt, so klein wie möglich zu halten sind.

75.

Aus Gründen der Klarheit und um dem vorlegenden Gericht eine zweckdienliche Antwort zu erteilen, halte ich es jedenfalls für erforderlich, diese jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs, die in bestimmten Fällen die gleichzeitige Anwendung von Rechtsvorschriften zweier Mitgliedstaaten zu akzeptieren scheint, zu untersuchen.

a) Kurzer Überblick über die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs: die Urteile Bosmann ( 41 ) sowie Hudzinski und Wawrzyniak ( 42 )

76.

Können die vorgenannten Urteile dahin ausgelegt werden, dass sie auf den vorliegenden Fall übertragen werden müssen? Die SVB und die Kommission sind in ihren schriftlichen Erklärungen der Ansicht, dass zwischen der auf den Urteilen Ten Holder ( 43 ) und Luijten ( 44 ) beruhenden Rechtsprechung und der in den Urteilen Bosmann ( 45 ) sowie Hudzinski und Wawrzyniak ( 46 ) begründeten Rechtsprechung zu unterscheiden sei. Wie sich aus Nr. 71 der vorliegenden Schlussanträge ergibt, hat der Gerichtshof in den ersten beiden Urteilen den Grundsatz der Einheitlichkeit der nach Titel II der Verordnung Nr. 1408/71 anwendbaren Rechtsvorschriften bestätigt. Dagegen hat er in den beiden letztgenannten Urteilen entscheiden, dass seine Auslegung von Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 nicht ausschließt, „dass ein Mitgliedstaat, der nicht der zuständige Mitgliedstaat ist und der den Anspruch auf eine Familienleistung nicht an eine Beschäftigung oder Versicherung bindet, einer in seinem Gebiet ansässigen Person eine solche Leistung gewähren kann, sofern sich diese Möglichkeit tatsächlich aus seinen Rechtsvorschriften ergibt“ ( 47 ).

77.

Wie die SVB und die Kommission bin ich der Ansicht, dass die letztgenannten Urteile nicht dahin ausgelegt werden können, dass sie auf den vorliegenden Fall übertragen werden müssen. Es sei daran erinnert, dass Frau Bosmann allein aufgrund ihres Wohnsitzes in Deutschland dort Kindergeld bezog und dass Herr Hudzinski aufgrund einer deutschen Vorschrift, nach der jede Person, die ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war oder so behandelt wurde, außerdem Anspruch auf Kindergeld hat. Anders als in der vorliegenden Rechtssache gewährten die deutschen Rechtsvorschriften den Betroffenen einen entweder auf den Wohnsitz oder auf die Einkommensteuerpflicht gestützten spezifischen Anspruch nach nationalem Recht, ohne dass diese Rechtsvorschriften Personen, die nach Unionsrecht den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats, wie etwa dem Wohnsitzmitgliedstaat, unterliegen, ausdrücklich von diesem Anspruch ausschließen.

78.

In den Ausgangsverfahren schließen Art. 6a Buchst. b AOW sowie Art. 6a AKW diejenigen Personen vom Geltungsbereich dieser Rechtsvorschriften aus, die nach der Verordnung Nr. 1408/71 den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats unterliegen. Frau Franzen, die Ehefrau von Herrn Giesen und Herr van den Berg unterliegen den deutschen Rechtsvorschriften und können daher grundsätzlich kein Kindergeld nach der AKW bzw. eine Altersversicherung nach der AOW in Anspruch nehmen.

79.

Um jedoch meine Vorschläge zur Beantwortung der Vorlagefragen an die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umstände anzupassen, sind meines Erachtens zwei gedankliche Schritte erforderlich.

b) Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften

80.

Als Erstes sind die gemäß Titel II der Verordnung Nr. 1408/71 auf die Umstände der Ausgangsverfahren anzuwendenden Rechtsvorschriften zu bestimmen. Hierzu ist meiner Analyse zur zweiten Frage zu entnehmen, dass nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 dieser Verordnung die deutschen Rechtsvorschriften auf die Situationen von Frau Franzen, der Ehefrau von Herrn Giesen und Herrn van den Berg anzuwenden sind.

81.

Nach der Bestimmung der anzuwenden Rechtsvorschriften sind in einem zweiten Schritt im Licht der Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71 und der Grundfreiheiten die mit der Anwendung der Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats auf die besonderen, in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umstände verbundenen Folgen zu prüfen.

c) Die mit der Anwendung der Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats auf die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umstände verbundenen Folgen und deren Auslegung im Licht der Verordnung Nr. 1408/71 und des Primärrechts

82.

Im Hinblick auf die Umstände der Ausgangsverfahren erinnere ich daran, dass Frau Franzen, die Ehefrau von Herrn Giesen und Herr van den Berg nach der Verordnung Nr. 1408/71 den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats über soziale Sicherheit unterliegen. Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass sie in den streitigen Zeiträumen nur in der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung pflichtversichert waren, ohne Zugang zu einem anderen Zweig der sozialen Sicherheit in Deutschland zu haben, was den Verlust der Möglichkeit zur Folge hatte, sich nach niederländischem Recht im System der sozialen Sicherheit ihres Wohnsitzstaats zu versichern. Daraus folgt mithin, dass die in den Ausgangsverfahren Betroffenen den von ihrem Wohnsitzstaat gewährten Sozialversicherungsschutz verloren haben, ohne den Schutz des Beschäftigungsstaats erlangt zu haben. Daher werden sie tatsächlich weder – aufgrund der beschränkten Anzahl ihrer Arbeitsstunden und ihrer geringen Einkünfte – von dem Sozialversicherungssystem des Beschäftigungsstaats erfasst noch von dem System des Wohnsitzstaats, da sie den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats unterlagen. Frau Franzen hat daher ihren Anspruch auf Kindergeld verloren, während die Altersrente und die Partnerzulage von Herrn van den Berg bzw. Herrn Giesen auf einen geringeren Betrag als denjenigen herabgesetzt wurde, der der gesamten Dauer ihrer Tätigkeiten entspricht, da die in ihrem Wohnsitzstaat zurückgelegten Beschäftigungszeiten nicht den im Beschäftigungsstaat zurückgelegten hinzugerechnet wurden.

83.

Wie die Kommission zu Recht geltend macht, sind die in den Ausgangsverfahren Betroffenen aufgrund der Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit gegenüber einem Arbeitnehmer, der sein gesamtes Berufsleben in einem einzigen Mitgliedstaat verbracht hat, benachteiligt, da sie einen Teil ihrer Rentenansprüche verloren haben. Wären sie in den Niederlanden geblieben und hätten dort dieselben Tätigkeiten ausgeübt, hätten sie diese Ansprüche nicht verloren.

84.

Ist diese nachteilige Folge mit den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71, ausgelegt im Licht der primärrechtlichen Bestimmungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit, vereinbar?

85.

Wie die SVB, die Regierung der Niederlande und die Regierung des Vereinigten Königreichs geltend machen, hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die Mitgliedstaaten dafür zuständig bleiben, im Einklang mit dem Unionsrecht in ihren Rechtsvorschriften festzulegen, unter welchen Voraussetzungen die Leistungen eines Systems der sozialen Sicherheit gewährt werden ( 48 ). Weiterhin hat er entschieden, dass das Unionsrecht, insbesondere dessen Primärrecht, einem Versicherten hinsichtlich der sozialen Sicherheit nicht garantieren kann, dass ein Umzug in einen anderen Mitgliedstaat keine Auswirkungen auf die Art oder Höhe der Leistungen hat, die er in seinem Herkunftsstaat beanspruchen konnte ( 49 ). Somit kann die Anwendung – gegebenenfalls aufgrund der Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71 – einer nationalen Regelung, die in Bezug auf Leistungen der sozialen Sicherheit weniger günstig ist, infolge eines Wechsels des Wohnsitzmitgliedstaats grundsätzlich mit den Anforderungen des Primärrechts der Union auf dem Gebiet der Personenfreizügigkeit vereinbar sein ( 50 ). Die Tatsache, dass die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die soziale Sicherheit möglicherweise nicht neutral ist, d. h., je nach Einzelfall Vorteile oder gar Nachteile haben kann, ist eine unmittelbare Folge dessen, dass der zwischen den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bestehende Unterschied beibehalten wurde ( 51 ).

86.

Gleichwohl ist eine solche Vereinbarkeit nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs aber nur gegeben, soweit u. a. die fragliche nationale Regelung den betreffenden Arbeitnehmer im Vergleich zu Personen, die ihre gesamten Tätigkeiten in dem Mitgliedstaat ausüben, in dem diese Regelung gilt, nicht benachteiligt ( 52 ). Der Gerichtshof hat ferner festgestellt, dass der Zweck der Art. 45 AEUV und 48 AEUV verfehlt würde, wenn Wanderarbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, die Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlieren würden, die ihnen allein die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats sichern ( 53 ). Hinsichtlich von Titel II der Verordnung Nr. 1408/71 hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass mit diesen Bestimmungen vermieden werden soll, dass Personen, die in den Geltungsbereich dieser Verordnung fallen, der Schutz auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit vorenthalten wird, weil keine Rechtsvorschriften auf sie anwendbar sind ( 54 ).

87.

Die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umstände sind insbesondere durch dieses Fehlen anwendbarer Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit gekennzeichnet, aufgrund deren Frau Franzen Familienleistungen und Herr van den Berg und Herr Giesen Altersrenten beziehen könnten. Auch wenn es keinen Zweifel daran geben dürfte, dass es sich gemäß Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 bei den Rechtsvorschriften, die formal auf die Umstände der Ausgangsverfahren anzuwenden sind, um die deutschen Rechtsvorschriften handelt, ist deren Anwendung meines Erachtens weder mit der Verordnung Nr. 1408/71, die die Personenfreizügigkeit innerhalb der Union erleichtern soll, noch mit den ihr zugrunde liegenden Art. 45 AEUV und 48 AEUV vereinbar. Für die in den Ausgangsverfahren Betroffenen geht es nämlich nicht darum, ob die Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit mehr oder weniger vorteilhaft war oder gar von Nachteil, sondern dass es in den streitigen Zeiträumen vollständig an einem Schutz durch ein System der sozialen Sicherheit fehlt, was meines Erachtens nicht nur gegen die Verordnung Nr. 1408/71, sondern auch gegen die Art. 45 AEUV und 48 AEUV verstößt.

88.

Ich frage mich daher, inwieweit dieser ebenso bedauerlichen wie unakzeptablen Lage, in der sich die in den Ausgangsverfahren Betroffenen aufgrund der Ausübung ihres fundamentalen Rechts auf Freizügigkeit befinden, unter gleichzeitiger Beachtung des mit der Verordnung Nr. 1408/71 eingeführten Koordinierungsmechanismus, insbesondere des Grundsatzes der Einheitlichkeit, abgeholfen werden kann.

89.

Insoweit bin ich der Ansicht, dass im Rahmen der dem Gerichtshof vorzuschlagenden Lösung die Höhe der Leistungen zu berücksichtigen ist, die nach den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats in den Fällen gewährt werden, in denen diese Rechtsvorschriften, wie unter den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umständen, Arbeitnehmer vom Schutz der Hauptzweige der sozialen Sicherheit ausschließen. Diese Berücksichtigung des Schutzniveaus bei der Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften, wenn dieser Schutz, wie im Fall von Gelegenheits- oder geringfügigen Beschäftigungen, praktisch nicht vorhanden ist, entspricht dem Grundgedanken des sozialen Fortschritts, der durch den Vertrag gefördert wird und im ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1408/71 niedergelegt ist, wonach „[d]ie Vorschriften zur Koordinierung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit … zur Freizügigkeit von Personen [gehören] und … zur Verbesserung von deren Lebensstandard und Arbeitsbedingungen beitragen“.

90.

Meines Erachtens wäre es zweckmäßig, die Anwendung der Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats, wenn sie durch Verträge über Gelegenheitsarbeit von kurzer Dauer oder durch geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ausgelöst wird, vorübergehend auszusetzen und die Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaats anzuwenden. Diese Aussetzung sollte auf den Zeitraum beschränkt werden, in dem die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats den Ausschluss dieser Gruppen von Arbeitnehmern von den Hauptzweigen der sozialen Sicherheit mit Ausnahme der Unfallversicherung aufrechterhalten ( 55 ).

91.

Der Erlass einer solchen Aussetzung der Anwendung ergibt sich meines Erachtens aus der Auslegung von Art. 13 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 im Licht der Art. 45 AEUV und 48 AEUV und könnte verhindern, dass ein Arbeitnehmer, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat und in mehr als einem Mitgliedstaat beschäftigt war, ohne objektiven Grund schlechter gestellt wird als ein Arbeitnehmer, der seine gesamte berufliche Laufbahn in einem einzigen Mitgliedstaat zurückgelegt hat. Mit einer solchen Auslegung der Verordnung Nr. 1408/71 könnte außerdem neuen Arbeitsformen und beruflichen Laufbahnen der Unionsbürger – insbesondere prekären Arbeitsverhältnissen, wie sie bei Verträgen über Gelegenheitsarbeit oder geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen vorliegen – Rechnung getragen werden ( 56 ).

92.

Der Umstand, dass ein Arbeitnehmer die Möglichkeit hatte, eine freiwillige Versicherung abzuschließen ( 57 ) oder die zuständige Behörde aufzufordern, eine Vereinbarung im Sinne von Art. 17 der Verordnung Nr. 1408/71 zu treffen, hat meines Erachtens keinen Einfluss auf die Beantwortung der vorliegenden Frage.

93.

Ich weise jedoch darauf hin, dass die zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten oder die von diesen Behörden bezeichneten Stellen nach Art. 17 der Verordnung Nr. 1408/71 im Interesse bestimmter Personengruppen oder bestimmter Personen Ausnahmen von den Art. 13 bis 16 der Verordnung vereinbaren können. Eine Vereinbarung in diesem Sinne hätte von den zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten für Arbeitnehmer mit Verträgen über Gelegenheitsarbeit von kurzer Dauer oder geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen zur Vermeidung unerwünschter Situationen, wie sie in den Ausgangsverfahren gegeben sind, in Betracht gezogen werden können.

3. Zwischenergebnis

94.

Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 in Verbindung mit Abs. 1 dieses Artikels ist im Licht der Art. 45 AEUV und 48 AEUV dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass die nationalen Rechtsvorschriften den Wanderarbeitnehmer unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren deshalb von seinem nationalen System der sozialen Sicherheit ausschließen, weil er den Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit des Beschäftigungsstaats unterliegt. Falls der Arbeitnehmer jedoch angesichts des Umstands, dass nach den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats praktisch kein sozialer Schutz gewährt wird, keinen Anspruch auf Kindergeld oder Leistungen aus der Rentenversicherung im Beschäftigungsstaat hätte, sollte die Anwendung dieser Rechtsvorschriften, wenn sie durch Verträge über Gelegenheitsarbeit von kurzer Dauer oder durch geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ausgelöst wurde, vorübergehend ausgesetzt werden zugunsten der Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaats. Diese vorübergehende Aussetzung gilt nur für den Zeitraum, in dem die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats den Ausschluss dieser Gruppen von Arbeitnehmern von anderen Zweigen der sozialen Sicherheit als der Unfallversicherung aufrechterhalten, und ist auf diese anderen Zweige beschränkt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, im Hinblick auf die Umstände der Ausgangsverfahren die erforderlichen Nachprüfungen vorzunehmen.

95.

Dass der Arbeitnehmer die Möglichkeit hatte, eine freiwillige Versicherung abzuschließen oder die zuständige Behörde aufzufordern, eine Vereinbarung im Sinne von Art. 17 der Verordnung Nr. 1408/71 zu treffen, ist insoweit ohne Bedeutung.

VI – Ergebnis

96.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die vom Centrale Raad van Beroep vorgelegten Fragen wie folgt zu antworten:

1.

Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006, ist dahin auszulegen, dass der Gebietsansässige eines Mitgliedstaats, der in den Geltungsbereich dieser Verordnung fällt und auf der Grundlage eines Vertrags über Gelegenheitsarbeit nicht mehr als zwei oder drei Tage pro Monat eine nichtselbständige Erwerbstätigkeit im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ausübt, gemäß Art. 13 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats unterliegt. Diese Geltung der Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats betrifft nicht nur die Tage, an denen er seine Beschäftigung ausübt, sondern auch diejenigen, an denen er seine Beschäftigung nicht ausübt. Sie gilt so lange fort, wie der Betroffene in dem Beschäftigungsstaat gegen zumindest ein Risiko versichert ist.

2.

Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 in Verbindung mit Abs. 1 dieses Artikels ist im Licht der Art. 45 AEUV und 48 AEUV dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass die nationalen Rechtsvorschriften den Wanderarbeitnehmer unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren deshalb von seinem nationalen System der sozialen Sicherheit ausschließen, weil er den Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit des Beschäftigungsstaats unterliegt. Falls der Arbeitnehmer jedoch angesichts des Umstands, dass nach den Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats praktisch kein sozialer Schutz gewährt wird, keinen Anspruch auf Kindergeld oder Leistungen aus der Rentenversicherung im Beschäftigungsstaat hätte, sollte die Anwendung dieser Rechtsvorschriften, wenn sie durch Verträge über Gelegenheitsarbeit von kurzer Dauer oder durch geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ausgelöst wurde, vorübergehend ausgesetzt werden zugunsten der Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaats. Diese vorübergehende Aussetzung gilt nur für den Zeitraum, in dem die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats den Ausschluss dieser Gruppen von Arbeitnehmern von anderen Zweigen der sozialen Sicherheit als der Unfallversicherung aufrechterhalten, und ist auf diese anderen Zweige beschränkt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, im Hinblick auf die Umstände der Ausgangsverfahren die erforderlichen Nachprüfungen vorzunehmen. Dass der Arbeitnehmer die Möglichkeit hatte, eine freiwillige Versicherung abzuschließen oder die zuständige Behörde aufzufordern, eine Vereinbarung im Sinne von Art. 17 der Verordnung Nr. 1408/71 zu treffen, ist insoweit ohne Bedeutung.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Verordnung des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 (ABl. L 392, S. 1) (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71). Die Verordnung Nr. 1408/71 wurde aufgehoben und mit Wirkung vom 1. Mai 2010 durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166, S. 1, berichtigt in ABl. L 200, S. 1) ersetzt. Sie bleibt jedoch auf die Ausgangsverfahren anwendbar, da es darin um die Anfechtung von Verwaltungsentscheidungen geht, die unter der Geltung der alten Regelung erlassen wurden.

( 3 ) Zur negativen Kollision des anwendbaren Rechts vgl. u. a. Rodière, P., Droit social de l’Union européenne, LDGJ, 2014, S. 662.

( 4 ) Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, dass es sich bei den in den streitigen Zeiträumen auf Frau Franzen und Herrn van den Berg anwendbaren Rechtsvorschriften um die deutschen Rechtsvorschriften handele. Dagegen hat es Zweifel hinsichtlich der auf die Ehefrau von Herrn Giesen anwendbaren Rechtsvorschriften.

( 5 ) Dieser Artikel erfasst nicht nur Arbeitnehmer oder Selbständige, sondern auch Studierende, Staatenlose oder Flüchtlinge, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie deren Familienangehörige und Hinterbliebene. Seit dem Urteil Martínez Sala (C‑85/96, EU:C:1998:217) hat nämlich die Unionsbürgerschaft zu einer Ausweitung des Geltungsbereichs der Verordnung Nr. 1408/71 geführt. Diese Ausweitung des Kreises der Begünstigten wurde durch die Urteile Grzelczyk (C‑184/99, EU:C:2001:458) und Collins (C‑138/02, EU:C:2004:172) bestätigt. Die Unionsbürgerschaft hat mithin die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit um eine neue Dimension ergänzt. Vgl. Cornelissen, R., „The principle of territoriality and the Community regulations on social security (Regulations 1408/71 and 574/72)“, Common Market Law Review, 1996, 33, S. 439 bis 471. Vgl. auch Marzo, C., La dimension sociale de la citoyenneté européenne, Université Paul Cézanne – Aix-Marseille III, Collection B. Goldman, Presses Universitaires d’Aix-Marseille, S. 344.

( 6 ) Nach Art. 1 Buchst. a Ziff. iv der Verordnung Nr. 1408/71 fällt eine Person, die freiwillig gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den unter diese Verordnung fallenden Zweigen erfasst werden, im Rahmen eines Systems der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaats freiwillig versichert ist und nicht im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt ist, ebenfalls unter die Verordnung, wenn sie früher im Rahmen eines für Arbeitnehmer oder Selbständige desselben Mitgliedstaats errichteten Systems gegen das gleiche Risiko pflichtversichert war.

( 7 ) Im Rahmen der ersten, dem Gerichtshof im Bereich der sozialen Sicherheit gestellten Vorlagefrage hat dieser im Zusammenhang mit der Verordnung Nr. 3 des Rates vom 25. September 1958 über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer (ABl. 1958, Nr. 30, S. 561) entschieden, dass „der Begriff ‚ein Arbeitnehmer oder ihm Gleichgestellter‘ vom Gemeinschaftsrecht her zu verstehen [ist]. Er erstreckt sich auf alle Personen, die in dieser Eigenschaft, gleichviel unter welcher Bezeichnung, von den verschiedenen Systemen des innerstaatlichen Sozialversicherungsrechts erfasst werden“ (Urteil Unger, 75/63, EU:C:1964:19, S. 397 unter 1). Vgl. auch Urteil Megner und Scheffel (C‑444/93, EU:C:1995:442, Rn. 20).

( 8 ) Urteile Dodl und Oberhollenzer (C‑543/03, EU:C:2005:364, Rn. 34) sowie Borger (C‑516/09, EU:C:2011:136, Rn. 26).

( 9 ) Aus den Erklärungen der SVB geht hervor, dass der Status der geringfügigen Beschäftigung die Ausübung von Tätigkeiten betrifft, die nicht über eine bestimmte, nach Stunden oder Einkünften bemessene Schwelle hinausgehen.

( 10 ) EU:C:1990:183.

( 11 ) Ebd. (Rn. 10).

( 12 ) Ebd. (Rn. 14).

( 13 ) Ebd. (Rn. 9 und 11).

( 14 ) Darüber hinaus weise ich in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auf eine Person, die nicht mehr im Gebiet eines Mitgliedstaats im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt ist und die folglich die Voraussetzungen von Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 nicht mehr erfüllt und die auch nach keiner anderen Bestimmung dieser Verordnung den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. f und nach Maßgabe der Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, entweder die Rechtsvorschriften des Staates, in dem sie zuvor eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausgeübt hat, falls sie dort weiterhin wohnt, oder die Rechtsvorschriften des Staates, in den sie gegebenenfalls umgezogen ist, anwendbar sind. Vgl. Urteil Kuusijärvi (C‑275/96, EU:C:1998:279, Rn. 34).

( 15 ) Vgl. Nrn. 68 und 69 der vorliegenden Schlussanträge.

( 16 ) Urteil Kulzer (C‑194/96, EU:C:1998:85, Rn. 35).

( 17 ) Urteile Merino García (C‑266/95, EU:C:1997:292, Rn. 24 bis 26), Martínez Sala (EU:C:1998:217) und Schwemmer (C‑16/09, EU:C:2010:605, Rn. 34).

( 18 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts La Pergola in den verbundenen Rechtssachen Stöber und Piosa Pereira (C‑4/95 und C‑5/95, EU:C:1996:225, Nrn. 13 und 28).

( 19 ) Urteile Lenoir (313/86, EU:C:1988:452, Rn. 13), Hervein u. a. (C‑393/99 und C‑394/99, EU:C:2002:182, Rn. 52) und Pasquini (C‑34/02, EU:C:2003:366, Rn. 52).

( 20 ) Cornelissen, R., a. a. O., S. 439 bis 441.

( 21 ) Urteile Piatkowski (C‑493/04, EU:C:2006:167, Rn. 20), Nikula (C‑50/05, EU:C:2006:493, Rn. 20) und Derouin (C‑103/06, EU:C:2008:185, Rn. 20).

( 22 ) Vgl. u. a. Urteile Gravina (807/79, EU:C:1980:184, Rn. 7), Rönfeldt (C‑227/89, EU:C:1991:52, Rn. 12) und Leyman (C‑3/08, EU:C:2009:595, Rn. 40).

( 23 ) Vgl. entsprechend Urteil Kauer (C‑28/00, EU:C:2002:82, Rn. 26). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen in der Rechtssache Reichel-Albert (C‑522/10, EU:C:2012:114, Nr. 44).

( 24 ) Dieser Mechanismus wurde durch die Verordnung Nr. 3/58, die spätere Verordnung Nr. 1408/71, eingeführt. Die Verordnung Nr. 1408/71 und die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 (ABl. L 74, S. 1) sind mehrfach, sowohl zur Anpassung an die Entwicklungen der nationalen Rechtsvorschriften als auch zur Berücksichtigung der Rechtsprechung, geändert worden. Bei diesen Koordinierungsverordnungen handelt es sich um wesentliche Beiträge zur europäischen Integration. Vgl. in diesem Sinne Cornelissen, a. a. O., S 471.

( 25 ) Urteile Nikula (EU:C:2006:493, Rn. 20) und Tomaszewska (C‑440/09, EU:C:2011:114, Rn. 28). Die Änderung des anwendbaren Rechts darf nicht zu einer Unterbrechung der sozialen Absicherung oder zu diesbezüglichen Disparitäten führen. Vgl. Mavridis, P., La sécurité sociale à l’épreuve de l’intégration européenne, Bruylant, 2003, S. 34. Zur Deterritorialisierung des auf einen bestimmten Sachverhalt anwendbaren Rechts vgl. Cornelissen, a. a. O., S. 444 bis 446 und 470.

( 26 ) Vgl. u. a. Urteile Belbouab (10/78, EU:C:1978:181, Rn. 5), Buhari Haji (C‑105/89, EU:C:1990:402, Rn. 20), Chuck (C‑331/06, EU:C:2008:188, Rn. 28) und da Silva Martins (C‑388/09, EU:C:2011:439, Rn. 70).

( 27 ) Urteile Duffy (34/69, EU:C:1969:71, Rn. 6) und Massonet (50/75, EU:C:1975:159, Rn. 9).

( 28 ) Vgl. Rodière, P., a. a. O., S. 662, sowie Fn. 3.

( 29 ) Urteil Luijten (60/85, EU:C:1986:307, Rn. 12 bis 14).

( 30 ) Urteile Ten Holder (302/84, EU:C:1986:242, Rn. 19) und Luijten (EU:C:1986:307, Rn. 12).

( 31 ) Urteile Kits van Heijningen (EU:C:1990:183, Rn. 12) und Kuusijärvi (EU:C:1998:279, Rn. 28).

( 32 ) Der Koordinierungsmechanismus der Verordnung Nr. 1408/71 beruht außerdem auf den folgenden drei Grundsätzen: erstens, Gleichbehandlung von Inländern und Ausländern, zweitens, Zusammenrechnung der Versicherungszeiten (oder Wahrung von Anwartschaftsrechten), drittens, Export von Leistungen innerhalb der Union (Aufhebung der Wohnortklauseln oder Wahrung wohlerworbener Rechte).

( 33 ) Urteil Kits van Heijningen (EU:C:1990:183, Rn. 12).

( 34 ) Nach dem elften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1408/71 ist „[v]on dieser allgemeinen Regel … in besonderen Fällen, die andere Zugehörigkeitskriterien rechtfertigen, abzuweichen“. Die Ausnahmen von der lex loci laboris sind in den Art. 14 bis 17 der Verordnung Nr. 1408/71 vorgesehen. Art. 17 dieser Verordnung hat Vereinbarungen für bestimmte Personengruppen zum Gegenstand, die im Interesse der betroffenen Personen abzuschließen sind. Neben den in Titel II vorgesehenen sind weitere Ausnahmen „aus sozialen Erwägungen und Erwägungen praktischer Effizienz in Titel III dieser Verordnung“ (Mavridis, P., a. a. O., S. 443) vorgesehen.

( 35 ) Urteile Ten Holder (EU:C:1986:242, Rn. 21) und Luijten (EU:C:1986:307, Rn. 14).

( 36 ) Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Einheitlichkeit der anwendbaren Rechtsvorschriften mit dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 883/2004 (vgl. Art. 11 Abs. 1) bestätigt wurde.

( 37 ) Urteile Ten Holder (EU:C:1986:242, Rn. 19) und Luijten (EU:C:1986:307, Rn. 12).

( 38 ) Vgl. Fn. 34.

( 39 ) Morsa, M., Sécurité sociale, libre circulation et citoyennetés sociales, Anthemis, 2012, S. 142.

( 40 ) Urteile Bosmann (C‑352/06, EU:C:2008:290) sowie Hudzinski und Wawrzyniak (C‑611/10 und C‑612/10, EU:C:2012:339). Zu einem Überblick über die Reaktionen der Lehre auf diese Rechtsprechung vgl. u. a. Kessler, F., „Prestations familiales: une nouvelle remise en cause du principe d’unicité de la législation applicable“, Revue de jurisprudence sociale, 10 (2008), S. 770 bis 773; Lhernould, J.‑P., „Ouverture de droits à prestations familiales dans deux États membres de l’Union: consolidation de nouveaux principes?“, Revue de jurisprudence sociale, 8‑9 (2012), S. 583 bis 584; Devetzi, S., „The coordination of family benefits by Regulation 883/2004“, European Journal of Social Security, Bd. 11, 1‑2 (2009), S. 205 bis 216, S. 212.

( 41 ) EU:C:2008:290, Rn. 32.

( 42 ) EU:C:2012:339, Rn. 49.

( 43 ) EU:C:1986:242. Es sei daran erinnert, dass das Urteil Ten Holder den Fall einer Person betraf, die ihre Berufstätigkeit in Deutschland beendet hatte, dort nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats Krankengeld erhielt und in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats umgezogen war, ohne dort während des Bezugs dieses Krankengelds erneut eine Tätigkeit aufzunehmen, wobei jedoch nicht feststand, ob diese Person endgültig jede Berufstätigkeit aufgegeben hatte und in ihrem neuen Wohnsitzstaat keine neue Tätigkeit aufnehmen würde. Obwohl dieser Fall in keiner Bestimmung von Titel II der Verordnung Nr. 1408/71 ausdrücklich geregelt ist, hat der Gerichtshof entschieden, dass eine solche Person gemäß Art. 13 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung weiterhin den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats ihrer letzten Beschäftigung (Deutschland) unterliegt. Ich bemerke hierzu, dass diese Fallgruppen heute von Art. 13 Abs. 2 Buchst. f der Verordnung Nr. 1408/71 erfasst werden.

( 44 ) EU:C:1986:307. Es sei daran erinnert, dass der Gerichtshof im Urteil Luijten in Anbetracht der Gefahr der gleichzeitigen Anwendung von Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaats und des Wohnsitzstaats, nach denen die Versicherten eine Familienleistung beziehen können, erneut auf diesen Grundsatz der Ausschließlichkeit der anwendbaren Rechtsvorschriften verwiesen hat.

( 45 ) EU:C:2008:290. Diese Rechtssache geht auf die Entscheidung des für Familienleistungen zuständigen deutschen Trägers zurück, die Gewährung der Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder an Frau Bosmann, eine mit ihren Kindern in Deutschland wohnhafte belgische Staatsangehörige, einzustellen, nachdem sie eine Erwerbstätigkeit in den Niederlanden aufgenommen hatte. In diesem Mitgliedstaat erfüllten ihre Kinder nicht die Voraussetzungen des niederländischen Rechts, um entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen zu können.

( 46 ) EU:C:2012:339. Dieses im Rahmen zweier verbundener Rechtssachen ergangene Urteil betraf zwei mit ihren Familien in Polen wohnhafte Arbeitnehmer, die vorübergehend in Deutschland beschäftigt waren; einer – in Polen als Selbständiger tätig – als Saisonarbeitnehmer und der andere als abhängig Beschäftigter im Rahmen einer Entsendung.

( 47 ) Urteile Bosmann (EU:C:2008:290, Rn. 32) sowie Hudzinski und Wawrzyniak (EU:C:2012:339, Rn. 49).

( 48 ) Urteil van Delft u. a. (C‑345/09, EU:C:2010:610, Rn. 99).

( 49 ) Ebd. (Rn. 100).

( 50 ) Urteile von Chamier-Glisczinski (C‑208/07, EU:C:2009:455, Rn. 85 und 87) und da Silva Martins (EU:C:2011:439, Rn. 72).

( 51 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen in der Rechtssache Reichel-Albert (EU:C:2012:114, Nr. 45).

( 52 ) Urteil da Silva Martins (EU:C:2011:439, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 53 ) Ebd. (Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 54 ) Urteil Kits van Heijningen (EU:C:1990:183, Rn. 12).

( 55 ) Insoweit bemerke ich, dass sich die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach Art. 84 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1408/71 einander über alle die Anwendung dieser Verordnung berührenden Änderungen ihrer Rechtsvorschriften unterrichten. Weiterhin weise ich darauf hin, dass sich aus der mündlichen Verhandlung ergibt, dass die deutschen Rechtsvorschriften mit Wirkung vom Januar 2013 dahin geändert worden sind, dass auch geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer von der Alters- und der Krankenversicherung erfasst werden.

( 56 ) Es erscheint erforderlich, dass Überlegungen zu den Auswirkungen neuer Formen der Mobilität auf die Koordinierungsverordnungen im Bereich der sozialen Sicherheit angestellt werden. Vgl. u. a. Jorens, Y., und Van Overmeiren, F., „General principles of coordination in Regulation 883/2004“, European Journal of Social Security, Bd. 11, 1‑2 (2009), S. 47 bis 79, S. 73.

( 57 ) Der Gerichtshof hat entschieden, dass „[d]ie Schritte, die gebietsfremde Arbeitnehmer, die sich freiwillig versichern möchten, von sich aus unternehmen müssen, und die mit einer Versicherung dieser Art verbundenen Obliegenheiten wie die Einhaltung von Fristen für die Einreichung eines Versicherungsantrags … Umstände [sind], die gebietsfremde Arbeitnehmer, die nur über die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung verfügen, in eine ungünstigere Situation versetzen als gebietsansässige Arbeitnehmer, die pflichtversichert sind“. Vgl. Urteil Salemink (C‑347/10, EU:C:2012:17, Rn. 44).

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