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Document 62006CC0241

    Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 7. Juni 2007.
    Lämmerzahl GmbH gegen Freie Hansestadt Bremen.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen - Deutschland.
    Öffentliche Aufträge - Richtlinie 89/665/EWG -Nachprüfungsverfahren für die Vergabe öffentlicher Aufträge - Ausschlussfrist - Grundsatz der Effektivität.
    Rechtssache C-241/06.

    Sammlung der Rechtsprechung 2007 I-08415

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2007:329

    SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

    ELEANOR SHARPSTON

    vom 7. Juni 20071(1)

    Rechtssache C‑241/06

    Lämmerzahl GmbH

    gegen

    Freie Hansestadt Bremen

    „Vorabentscheidungsersuchen – Öffentliche Aufträge – Gemeinschaftsrechtliche Schwellenwerte – Nachprüfung von Entscheidungen in Ausschreibungsverfahren – Grundsatz der Effektivität – Fristen – Falsche Entscheidung für das nationale Ausschreibungsverfahren – Allgemeiner Ausschluss von den gemeinschaftsrechtlichen Nachprüfungsverfahren“





    1.        Mit dem vorliegenden Ersuchen möchte das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen vom Gerichtshof im Wesentlichen wissen, ob das Gemeinschaftsrecht dem entgegensteht, dass einem Bieter das Recht nach der Richtlinie 89/665(2), eine Nachprüfung von Vergabeentscheidungen zu beantragen, deshalb allgemein abgeschnitten wird, weil er eine Entscheidung, mit der das Ausschreibungsverfahren fälschlicherweise außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Richtlinie angesiedelt wurde, nicht innerhalb der vom nationalen Recht gesetzten Frist gerügt hat.

    2.        Die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens gab erfolglos ein Angebot für einen Softwareauftrag ab, dessen Vergabe nach dem nationalen Verfahren ausgeschrieben worden war. Daraufhin rügte sie, dass erstens wegen der Überschreitung des einschlägigen Schwellenwerts ein gemeinschaftsweites Ausschreibungsverfahren hätte erfolgen müssen und zweitens die nachfolgende Vergabeentscheidung rechtswidrig sei. Die Nachprüfungsanträge wurden mit der Begründung für unzulässig erklärt, dass die Frist für die Rüge der Wahl der Verfahrensart abgelaufen sei, so dass das Nachprüfungsverfahren für vom Gemeinschaftsrecht erfasste öffentliche Aufträge nicht offenstehe.

    3.        Mit der Vorlage wird der Gerichtshof um nähere Prüfung ersucht, unter welchen Umständen Rügefristen in Bezug auf Entscheidungen in öffentlichen Ausschreibungsverfahren den der Richtlinie 89/665 zugrunde liegenden Effektivitätsgrundsatz beeinträchtigen können.

     Einschlägige Rechtsvorschriften

     Richtlinie 89/665

    4.        Die Richtlinie 89/665 soll die tatsächliche Anwendung der in den einschlägigen Gemeinschaftsrichtlinien geregelten Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bau-, Lieferungs- oder Dienstleistungsaufträge sicherstellen. Zu diesem Zweck sieht sie ein System von Nachprüfungsverfahren und Abhilfen bei Verstößen vor.

    5.        Folgende Erwägungsgründe der Richtlinie 89/665 sind insoweit von Bedeutung:

    „[(1)] Die Gemeinschaftsrichtlinien im Bereich des öffentlichen Auftragswesens und insbesondere … die Richtlinie 77/62/EWG des Rates vom 21. Dezember 1976 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Liefer[auf]träge[(3)] … enthalten keine spezifischen Vorschriften, mit denen sich ihre tatsächliche Anwendung sicherstellen lässt.

    [(2)] Die auf einzelstaatlicher Ebene und auf Gemeinschaftsebene derzeit vorhandenen Mechanismen zur Durchsetzung dieser Regeln sind nicht immer ausreichend, um die Einhaltung der Gemeinschaftsvorschriften zu gewährleisten, vor allem dann, wenn Verstöße noch beseitigt werden können.

    [(3)] Die Öffnung des öffentlichen Auftragswesens für den gemeinschaftsweiten Wettbewerb setzt eine beträchtliche Verstärkung der Garantien im Bereich der Transparenz und der Nichtdiskriminierung voraus; damit diese Öffnung konkret umgesetzt werden kann, müssen für den Fall von Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die in Umsetzung dieses Rechts ergangen sind, Möglichkeiten einer wirksamen und raschen Nachprüfung bestehen.

    [(5)] … Die Kürze der Vergabeverfahren macht eine dringliche Behandlung der genannten Verstöße notwendig.

    …“

    6.        In Art. 1 der Richtlinie 89/665 heißt es:

    „(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der Richtlinien … 77/62/EWG und 92/50/EWG[(4)] fallenden Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge die Entscheidungen der Vergabebehörden wirksam und vor allem möglichst rasch nach Maßgabe der nachstehenden Artikel, insbesondere von Artikel 2 Absatz 7, auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, nachgeprüft werden können.

    (3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jedem zur Verfügung steht, der ein Interesse an einem bestimmten öffentlichen [Lieferauftrag] hat oder hatte und dem durch einen behaupteten Rechtsverstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht. Die Mitgliedstaaten können insbesondere verlangen, dass derjenige, der ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten beabsichtigt, den öffentlichen Auftraggeber zuvor von dem behaupteten Rechtsverstoß und von der beabsichtigten Nachprüfung unterrichten muss.“

    7.        Art. 2 der Richtlinie 89/665 regelt die Abhilfemaßnahmen, die im Rahmen der Nachprüfung zur Verfügung stehen müssen. Nach Art. 2 Abs. 7 müssen die „Mitgliedstaaten … sicher[stellen], dass die Entscheidungen der für Nachprüfungsverfahren zuständigen Instanzen wirksam durchgesetzt werden können“.

     Richtlinie 93/36(5)

    8.        Art. 10 der Richtlinie 93/36 setzt u. a. die Mindestfristen für den Eingang der Angebote in offenen Verfahren fest, bei denen der Schwellenwert für die Anwendbarkeit der Gemeinschaftsvorschriften überschritten wird. Art. 10 Abs. 1 bestimmt, dass solche Verfahren für mindestens 52 Tage ab Absendung der Bekanntmachung eröffnet bleiben müssen. Dieser Zeitraum kann auf generell mindestens 36 Tage, unter keinen Umständen aber auf weniger als 22 Tage verkürzt werden, wenn eine Vorinformation unter den Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 1a veröffentlicht wurde.

     Deutsches Recht(6)

    9.        Der Vierte Teil des deutschen Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) regelt die Vergabe öffentlicher Aufträge(7). § 100 Abs. 1 bestimmt: „Dieser Teil gilt nur für Aufträge, welche die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 festgelegt sind (Schwellenwerte).“(8)

    10.      § 107 GWB regelt die Anträge auf Nachprüfung bei der Vergabekammer. § 107 Abs. 3 GWB bestimmt die Fristen für Anträge, mit denen bei der Vergabekammer die Nachprüfung behaupteter Verstöße gegen die Vergabevorschriften begehrt wird, und sieht vor:

    „Der Antrag ist unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat. Der Antrag ist außerdem unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar[(9)] sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe oder zur Bewerbung gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden.“

    11.      In der Vergabeverordnung (VgV)(10) werden u. a. die in § 127 Abs. 1 GWB in Bezug genommenen Schwellenwerte(11) festgesetzt. Zur maßgeblichen Zeit bestimmte § 2 VgV:

    „Der Schwellenwert beträgt:

    3.     für alle anderen Liefer- und Dienstleistungsaufträge: 200 000 Euro.“

    12.      Teil A der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL/A)(12) enthält genaue Regelungen für die Vergabe von Liefer- oder Dienstleistungsaufträgen im Wege der Ausschreibung. § 17 regelt u. a. den Inhalt der Bekanntmachung. In § 17 Nr. 1 Abs. 2 heißt es:

    „Diese Bekanntmachung soll mindestens folgende Angaben enthalten:

    c)     Art und Umfang der Leistung …“(13)

     Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    13.      Am oder vor dem 21. März 2005 gab die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Freie Hansestadt Bremen (im Folgenden: Stadt Bremen), eine „Nationale Ausschreibung nach VOL/A“ für einen Softwareauftrag bekannt(14). Die Angebotsfrist lief am 12. April 2005 ab. Die Ausschreibungsbekanntmachung enthielt keine Quantifizierung des Auftragsumfangs oder -wertes. In der Rubrik „Menge und Umfang“ hieß es:

    „Für den Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales in Bremen wird eine Standardsoftware für den Bereich SGB XII (Sozialdienst Erwachsene und Wirtschaftliche Hilfen) zur pc-gestützten Sachbearbeitung gesucht, die den in den Verdingungsunterlagen erläuterten Anforderungen entspricht. Die Verdingungsunterlagen können kostenlos unter www.vergabe.bremen.de heruntergeladen werden. …“

    14.      Die Lämmerzahl GmbH (im Folgenden: Lämmerzahl), die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist, ist auf Behördensoftware spezialisiert. Sie erhielt ordnungsgemäß die Verdingungsunterlagen, zu denen folgende drei Unterlagen gehörten.

    15.      Im ersten Dokument, dem „Preisblatt/Preisaufstellung 1“ (im Folgenden: Preisdokument), sollten die Bieter im Abschnitt „Überlassungsvertrag“ nach etwaigen Liefermengen (11-50, 51-100, 101-200, 201-500 Lizenzen) gestaffelte Einheitspreise für Volllizenzen nennen. Alternativ dazu sollte eine Einheitspreisabgabe für Lizenzen mit nur lesendem Zugriff erfolgen (1-5, 6-10, 11-50, 51-100 Lizenzen). Als weitere Variante wurde nach dem Preis für eine „Landeslizenz“ gefragt(15). Im Abschnitt „Dienstvertrag“ sollten die Bieter den Preis für die Schulung von etwa 300 Mitarbeitern und 10 Administratoren angeben. Der tatsächliche Bedarf an Lizenzen wurde im Dokument an keiner Stelle beziffert.

    16.      Im zweiten Dokument, in dem der Auftragsgegenstand geschildert wurde (im Folgenden: Auftragsdokument), hieß es, dass ungefähr 200 Mitarbeiter im Bereich der Wirtschaftlichen Hilfen, 45 im Sozialdienst und 65 in den zentralen Einheiten mit dem Softwaresystem arbeiten würden.

    17.      Im dritten Dokument, dem „Leistungsverzeichnis“, war von der „Menge … mindest/geschätzt“ einer Einheit die Rede. Auch hier wurde der Gesamtbedarf an Lizenzen nicht beziffert.

    18.      Lämmerzahl stellte vier Fragen zu den Verdingungsunterlagen, die von der Stadt Bremen mit Schreiben vom 24. März 2005 beantwortet wurden. In diesem Stadium erkundigte sich Lämmerzahl weder nach der Zahl von Lizenzen noch nach der Auftragsmenge oder dem Auftragswert.

    19.       Am 4. April 2005 sandte Lämmerzahl dann eine E-Mail an die Stadt Bremen, mit der sie um weitere Auskünfte zu den Verdingungsunterlagen bat. Mit ihrer ersten Frage wollte sie wissen, ob sich die im Angebotsschreiben und im Leistungsverzeichnis abgefragten Gesamtpreise auf „die Summe der Preise des Preisblatts zum Überlassungsvertrag bezogen auf 310 Lizenzen (die im [Auftragsdokument] genannten 310 Mitarbeiter)“ bezögen oder ob noch andere Preise (z. B. Programmpflege- und Dienstleistungskosten) mit einfließen sollten. Weitere drei Fragen in der E-Mail von Lämmerzahl nahmen Bezug auf die „genannten 310 Lizenzen“.

    20.      Die Stadt Bremen antwortete mit Schreiben vom 6. April 2005. In Beantwortung der ersten Frage führte sie aus, dass der Komplettpreis der Ausschreibung (Gesamtpreis der Überlassungskosten, Programmpflegekosten und Dienstleistungen) in das Angebotsschreiben einzutragen sei. In keiner ihrer Antworten wurde auf die in den Fragen von Lämmerzahl angeführte Zahl von 310 Lizenzen Bezug genommen oder ausdrücklich eingegangen.

    21.      Lämmerzahl reichte sodann auf der Grundlage von 310 Lizenzen zuzüglich Schulung und Programmpflege ein Angebot über 603 500 Euro netto ein. Es wurde für die Testphase ausgewählt, an der mit der PROSOZ Herten GmbH (im Folgenden: PROSOZ) auch ein konkurrierender Bieter teilnahm.

    22.      Am 6. Juli 2005 teilte die Stadt Bremen Lämmerzahl schriftlich mit, dass sie nicht den Zuschlag erhalten habe, weil ihr Angebot nicht das wirtschaftlich günstigste gewesen sei.

    23.      Am 14. Juli 2005 sandte Lämmerzahl eine schriftliche Rüge an die Stadt Bremen, und am 21. Juli 2005 beantragte sie eine Vergabenachprüfung. Sie machte geltend, sie habe nach rechtlicher Beratung am 14. Juli 2005 festgestellt, dass die Stadt Bremen eine gemeinschaftsweite statt einer nationalen Ausschreibung hätte vornehmen müssen, da der Auftragswert den Schwellenwert von 200 000 Euro überschreite. Ferner behauptete sie, ihre Software sei nicht ordnungsgemäß getestet worden.

    24.      Am 2. August 2005 verwarf die Dritte Vergabekammer der Stadt Bremen (im Folgenden: Vergabekammer) den Antrag. Sie führte aus, selbst wenn der Schwellenwert überschritten worden und demzufolge das falsche Vergabeverfahren zur Anwendung gekommen wäre, wäre ein solcher Verstoß aus der Vergabebekanntmachung erkennbar gewesen. Dementsprechend seien die Rügen von Lämmerzahl nicht innerhalb der Frist des § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB erhoben worden.

    25.      Lämmerzahl legte dagegen sofortige Beschwerde beim vorlegenden Gericht ein. Sie machte erstens geltend, der Fehler bei der Verfahrenswahl sei aus der Ausschreibungsbekanntmachung nicht erkennbar gewesen. Zweitens wiederholte sie ihre Rüge zum Test- und Auswahlverfahren und behauptete, das Angebot von PROSOZ sei offensichtlich unvollständig gewesen und habe eine unzulässige Kostenkalkulation enthalten, was zu seinem Ausschluss hätte führen müssen (im Folgenden: Sachrügen).

    26.      Mit Beschluss vom 7. November 2005 lehnte das vorlegende Gericht die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde ab, weil es der Ansicht war, dass diese keine Aussicht auf Erfolg habe. Es teilte die Ansicht der Vergabekammer, dass Lämmerzahl aufgrund der Frist des § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB mit den Rügen betreffend die Entscheidung für das nationale Verfahren und die Schätzung des Auftragswerts durch die Stadt Bremen präkludiert sei. Demzufolge stehe ihr das Nachprüfungsverfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, das nur für über dem Schwellenwert liegende Ausschreibungsverfahren eröffnet sei, nicht offen.

    27.      Die Stadt Bremen erteilte daraufhin PROSOZ den Zuschlag.

    28.      Im Vorlagebeschluss geht das nationale Gericht ersichtlich davon aus, dass der Auftragswert den Schwellenwert von 200 000 Euro überstieg(16). Dennoch ist es der Ansicht, dass der Zugang von Lämmerzahl zum Nachprüfungsverfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen aufgrund § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB präkludiert sei.

    29.      Zu diesem Ergebnis gelangt das nationale Gericht, ohne abschließend über die Frage zu entscheiden, ob nach nationalem Recht die Wendung „aufgrund der Bekanntmachung erkennbar“ bedeutet, dass ein Verstoß allein aus der Vergabebekanntmachung erkennbar sein muss. Seiner Ansicht nach hätte Lämmerzahl, wenn diese Wendung weitere Unterlagen erfassen könne, aus den Einzelheiten der Verdingungsunterlagen erkennen müssen, dass der Schwellenwert überschritten würde. Jedenfalls hätte sie dies aufgrund ihrer eigenen Kalkulation erkennen müssen. Wenn andererseits ein Verstoß aus der Vergabebekanntmachung allein erkennbar sein müsse, liege gerade im Fehlen von Angaben zum Auftragsumfang an sich ein erkennbarer Verstoß, da ein Unterbleiben solcher Angaben gegen § 17 Nr. 1 Abs. 2 Buchst. c VOL/A verstieße(17). Außerdem würde ein Bieter dadurch daran gehindert, die Wahl der Verfahrensart zu prüfen und erforderlichenfalls dagegen vorzugehen.

    30.      Das nationale Gericht hat jedoch Bedenken, ob sein Beschluss vom 7. November 2005 entgegen Art. 1 der Richtlinie 89/665 Bietern nicht ihr Recht auf wirksame Nachprüfung behaupteter Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht vorenthalten könnte. Es ist der Ansicht, dass die Präklusion nach § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB im Licht der Rechtsprechung des Gerichtshofs(18) im Grundsatz richtlinienkonform sei. Wenn allerdings der Auftragswert fälschlicherweise niedriger als der Schwellenwert geschätzt worden sei, könne ein Bieter, der nicht fristgemäß rüge, nicht nur diesen Verstoß nicht mehr nachprüfen lassen, sondern er werde auch mit seinen Sachrügen nicht gehört. Wenn eine Vergabebehörde einem unachtsamen Bieter durch einen erkennbaren Verstoß den Schutz in der Sache nehmen könne, gebe es ein Missbrauchspotenzial.

    31.      Das nationale Gericht fragt sich auch, ob die drakonischen Folgen der Präklusion nicht nur dann gelten sollten, wenn der Bieter anhand der Vergabebekanntmachung eindeutig feststellen könne, dass die Vergabebehörde von einem Auftrag unterhalb des Schwellenwerts ausgehe.

    32.      Vor diesem Hintergrund hat das vorlegende Gericht das Ausgangsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof zwei Fragen vorgelegt:

    1.      Ist es mit der Richtlinie 89/665/EWG, insbesondere mit Art. 1 Abs. 1 und 3, zu vereinbaren, wenn einem Bieter generell der Zugang zu einer Überprüfung der Entscheidung der Vergabebehörde über die Vergabe öffentlicher Aufträge verwehrt wird, weil der Bieter innerhalb der im nationalen Recht angeordneten Rügefrist schuldhaft einen Vergabeverstoß nicht geltend gemacht hat, der sich

    a)      auf die gewählte Form der Ausschreibung

    oder

    b)      auf die Richtigkeit der Festsetzung des Auftragswerts (erkennbar fehlerhafte Schätzung oder unzureichende Transparenz der Festsetzung)

    bezieht, und nach dem richtig festgesetzten oder richtig festzusetzenden Auftragswert eine Überprüfung weiterer und – isoliert gesehen – nicht präkludierter Vergabeverstöße möglich wäre?

    2.      Sind gegebenenfalls besondere Anforderungen an die für die Bestimmung des Auftragswerts maßgeblichen Angaben in der Vergabebekanntmachung zu stellen, um aus den die Schätzung des Auftragswerts betreffenden Vergabeverstößen einen generellen Ausschluss des Primärrechtsschutzes folgern zu können, auch wenn der richtig geschätzte oder zu schätzende Auftragswert den maßgeblichen Schwellenwert überschreitet?

    33.      Lämmerzahl, die Stadt Bremen, Österreich, Litauen und die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Lämmerzahl, die Stadt Bremen und die Kommission haben auch in der Sitzung am 28. März 2007 mündliche Ausführungen gemacht.

     Zulässigkeit

    34.      Die Stadt Bremen macht geltend, die Voraussetzungen für eine Vorlage nach Art. 234 EG lägen nicht vor. Es gehe um die konkrete Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift, deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht außer Zweifel stehe.

    35.      Dem kann ich nicht zustimmen. Hintergrund der ersten Frage des vorlegenden Gerichts ist es, ob Art. 1 der Richtlinie 89/665 der Möglichkeit eines generellen Ausschlusses des Nachprüfungsanspruchs unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens entgegensteht.

    36.      Was die zweite Frage des vorlegenden Gerichts angeht, ist völlig richtig, dass der Gerichtshof nicht auflisten kann, was genau Vergabebekanntmachungen enthalten sollen(19). Er ist jedoch für die Auslegung der einschlägigen Grundsätze und Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zuständig, um das nationale Gericht bei der Feststellung zu unterstützen, ob im konkreten Fall dagegen verstoßen wurde.

    37.      Die Vorlage ist somit zulässig.

     Die Vorlagefragen

     Vorbemerkung

    38.      Die beiden Fragen des vorlegenden Gerichts können wie folgt umformuliert werden:

    1.      Steht die Richtlinie 89/665, wenn ein Bieter eine Entscheidung, mit der eine öffentliche Ausschreibung fälschlicherweise außerhalb des gemeinschaftsrechtlichen Schutzbereichs angesiedelt wurde, nach nationalem Recht nicht fristgemäß gerügt hat, dem entgegen, dass er das von dieser Richtlinie verliehene Recht auf Nachprüfung weiterer Entscheidungen im Vergabeverfahren verliert?

    2.      Welche Angaben muss die Vergabebekanntmachung enthalten, damit ihr entnommen werden kann, dass der Auftragswert fälschlicherweise niedriger als der Schwellenwert geschätzt wurde, ab dem der Schutz nach der Richtlinie 89/665 greift?

    39.      Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts bezieht sich auf die Erkennbarkeit des fraglichen Verstoßes. Diese Frage ist von zentraler Bedeutung für die Feststellung, ob eine Frist für die Rüge dieses Verstoßes mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Ich werde deshalb die beiden Vorlagefragen gemeinsam prüfen. So sind im Übrigen auch die meisten Beteiligten, die Erklärungen abgegeben haben, vorgegangen.

     Erklärungen

    40.      Lämmerzahl macht geltend, dass eine Frist wie die des § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB zwar grundsätzlich mit der Richtlinie 89/665 vereinbar sei, aber eine Ausnahme vom Recht auf Nachprüfung bewirke. Dementsprechend müsse die Wendung „aufgrund der Bekanntmachung erkennbar“ eng ausgelegt werden. Sie könne nicht auf die Erkennbarkeit einer Unterlassung erstreckt werden, deren Rüge wiederum zur Erkennbarkeit des Fehlers der Stadt Bremen bei der Schätzung des Auftragswerts führen könnte. Dieser Fehler – und somit die falsche Verfahrenswahl – sei aus der Ausschreibungsbekanntmachung nicht erkennbar gewesen. Deshalb sei es Lämmerzahl unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert worden, ihre vom Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte wahrzunehmen.

    41.      Nach Ansicht Litauens werden die Rechte der Bieter nach dem Gemeinschaftsrecht, wenn mit der Veröffentlichung der Vergabebekanntmachung eine Frist zu laufen beginne, nur dann wirksam geschützt, wenn den Bietern zu diesem Zeitpunkt vollständige und objektive Angaben über die Auftragsmenge vorlägen. Andernfalls sollte die Frist erst dann zu laufen beginnen, sobald sie den fraglichen Verfahrensfehler feststellten oder feststellen könnten.

    42.      Die Stadt Bremen hält § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB für mit der Richtlinie 89/665 vereinbar. Das Kriterium der Erkennbarkeit stelle sicher, dass die Ausübung der Bieterrechte nach dem Gemeinschaftsrecht nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werde. Die Angabe des geschätzten Auftragswerts in der Vergabebekanntmachung könne den Wettbewerb verfälschen. Es reiche aus, dass der durchschnittlich erfahrene Marktteilnehmer den Auftragswert aus den zur Verfügung gestellten Eckdaten errechnen könne. In der mündlichen Verhandlung hat die Stadt Bremen darauf hingewiesen, dass es nach nationalem Recht auch ohne das Recht auf Nachprüfung gemäß der Richtlinie 89/665 allgemeine Rechtsbehelfe gebe. Sie hat jedoch eingeräumt, dass diese weniger wirksam seien als das Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen.

    43.      Österreich ist der Ansicht, dass ein allgemeiner Ausschluss vom gemeinschaftsrechtlichen Nachprüfungsverfahren wegen nicht fristgerechter Rüge des fraglichen Verstoßes mit der Richtlinie 89/665 vereinbar sei, sofern die konkrete Anwendung der Frist nicht den Grundsatz eines wirksamen Schutzes verletze.

    44.      Die Kommission vertritt einen ähnlichen Standpunkt. Sie weist darauf hin, dass durch die Sanktion der Präklusion die möglichst rasche Rüge von Verstößen sichergestellt werde. Angesichts der möglichen Folgen einer erforderlichen Neudurchführung des Ausschreibungsverfahrens sei dies wünschenswert. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission ausgeführt, dass das Unterbleiben der fristgemäßen Rüge eines Verstoßes nur dann eine Präklusion nach sich ziehen sollte, wenn der Bieter den Verstoß habe erkennen können oder ihn hätte erkennen müssen, wenn er die Sorgfalt hätte walten lassen, die von einem erfahrenen und umsichtigen Kaufmann erwartet werden könne.

    45.      Die Kommission ist ferner der Ansicht, dass tragende Grundsätze des EG-Vertrags wie der Gleichheitsgrundsatz und der Transparenzgrundsatz auch für Ausschreibungen gelten, die den gemeinschaftsrechtlichen Schwellenwert nicht erreichen(20).

     Würdigung

    46.      Der gemeinschaftsrechtliche Effektivitätsgrundsatz steht im Mittelpunkt des Schutzes, den die Richtlinie 89/665 vermittelt. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs gebietet dieser Grundsatz, dass die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird(21).

    47.      So wird in den ersten drei Erwägungsgründen der Richtlinie 89/665 betont, dass der Zweck der Richtlinie darin besteht, die tatsächliche Anwendung der harmonisierenden Gemeinschaftsrichtlinien im Bereich des öffentlichen Auftragswesens über ein System zur Nachprüfung von „Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die in Umsetzung dieses Rechts ergangen sind,“ sicherzustellen. Art. 1 Abs. 1 macht deutlich, dass eine wirksame Nachprüfung von Entscheidungen der Vergabebehörden gewährleistet sein muss. Nach Art. 2 Abs. 7 müssen Entscheidungen der zuständigen Nachprüfungsinstanzen wirksam durchgesetzt werden.

    48.      Im zweiten und im fünften Erwägungsgrund wird jedoch herausgestellt, dass Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge durch ihre kurze Dauer gekennzeichnet sind. Deshalb ist eine dringliche Behandlung von Verstößen in einem Stadium, in dem sie noch beseitigt werden können, notwendig. Die Schnelligkeit der Nachprüfung wird somit als ein Aspekt der Wirksamkeit angesehen und im dritten Erwägungsgrund sowie in Art. 1 Abs. 1 ausdrücklich benannt.

    49.      Die Richtlinie 89/665 sieht deshalb die Möglichkeit der Nachprüfung einer Entscheidung sogar vor Verursachung eines tatsächlichen Schadens vor. Nach Art. 1 Abs. 3 steht das Nachprüfungsverfahren „jedem zur Verfügung …, der ein Interesse an einem bestimmten öffentlichen [Lieferauftrag] hat oder hatte und dem durch einen behaupteten Rechtsverstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht“ (Hervorhebung nur hier). Auf derselben Linie können die Mitgliedstaaten nach Art. 1 Abs. 3 von den Betroffenen verlangen, den öffentlichen Auftraggeber vorab von ihrer Nachprüfungsabsicht zu unterrichten, womit die Notwendigkeit des Versuchs einer schnellstmöglichen Problemlösung unterstrichen wird.

    50.      Die Richtlinie gestattet nicht ausdrücklich den Rückgriff auf Fristen für die Stellung von Anträgen auf Nachprüfung von Entscheidungen der Vergabebehörden. Die Vorgabe von Fristen durch die in Umsetzung der Richtlinie erlassenen nationalen Rechtsvorschriften ist jedoch grundsätzlich mit dem Erfordernis einer raschen Nachprüfung vereinbar, da es schnell unpraktisch wird, solche Entscheidungen zu revidieren. Überdies hat der Gerichtshof seit Langem anerkannt, dass die Festsetzung angemessener Fristen ein Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit ist(22).

    51.      Im Urteil Universale-Bau(23) entschied der Gerichtshof, dass die Richtlinie 89/665 nicht daran hindert, im nationalen Recht angemessene Fristen für die Stellung von Anträgen auf Nachprüfung von Entscheidungen der Vergabebehörden festzusetzen. Eine Frist ist angemessen, wenn sie sowohl den Effektivitätsgrundsatz, wie er in der Richtlinie festgeschrieben ist, als auch den Grundsatz der Rechtssicherheit beachtet(24).

    52.      Die Notwendigkeit, diese beiden Grundsätze gegeneinander abzuwägen, unterscheidet Fristen von Ausnahmebestimmungen, mit denen Lämmerzahl Erstere gleichzusetzen versucht. Im Gemeinschaftsrecht gibt es viele Arten von Ausnahmen, die aus verschiedenen Gründen gerechtfertigt sind. Oft sind solche Ausnahmen Abweichungen von Rechten nach dem EG-Vertrag oder sonstigen allgemeinen Grundsätzen. In der Regel sind sie zulässig, wenn sie zum Schutz spezifischer Interessen erforderlich sind. Um vorrangigen Grundsätzen Wirkung zu verleihen, werden Ausnahmen typischerweise eng ausgelegt. Bei Fristen dagegen werden die Rechte des Einzelnen gegen das Allgemeininteresse abgewogen. Da sie dennoch Rechte beschränken, müssen sie sorgfältig daraufhin geprüft werden, ob ihre Anwendung nicht in Wirklichkeit den Grundsatz eines wirksamen Schutzes untergräbt.

    53.      Der Gerichtshof nahm eine solche Prüfung im Urteil Santex(25) vor. Darin führte er das Urteil Universale-Bau weiter und wandte Kriterien an, die er in früherer Rechtsprechung(26) zur Frage der Angemessenheit von Fristen im Kontext der Richtlinie 89/665 aufgestellt hatte. Er entschied, dass eine Fristbestimmung „unter Berücksichtigung [ihrer] Stellung … im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens“ zu prüfen ist. Auch wenn eine Frist nicht schon an sich gegen das Effektivitätsgebot verstößt, kann somit in ihrer Anwendung unter den Umständen des Einzelfalls ein solcher Verstoß liegen(27).

    54.      Im Urteil Grossmann Air Service wies der Gerichtshof darauf hin, dass es dem Betroffenen, der von einem Verstoß weiß, angesichts der Beschleunigungs- und Effizienzziele der Richtlinie 89/665 obliegt, den Verstoß zu beanstanden(28), und brachte wenig Verständnis für die Antragstellerin auf, die die Zuschlagsentscheidung abgewartet hatte, bevor sie eine angebliche Rechtswidrigkeit der Vergabebekanntmachung beanstandete(29).

    55.      Das Kriterium der Kenntnis oder des Wissens eines Bieters von einem Verstoß liegt nicht nur dem Urteil Grossmann zugrunde, sondern auch anderen Rechtssachen. Wenn eine Frist für die Beanstandung eines Verstoßes vor Kenntnis des Bieters zu laufen beginnt oder wenn ein Bieter sonst schlechter gestellt wird, weil er in einer Situation, in der er von einem Verstoß keine Kenntnis hatte und auch nicht haben konnte, keine Beanstandung erhoben hat, wird der Effektivitätsgrundsatz ausgehöhlt. In der Rechtssache Santex wusste der Bieter bis Fristablauf nichts von der Auslegung der streitigen Klausel durch die Vergabebehörde(30), und ihm durfte deshalb durch die Frist nicht die Nachprüfung abgeschnitten werden. Im Urteil GAT, das in einer Rechtssache erging, in der keine Frist in Rede stand, entschied der Gerichtshof, dass einem Antragsteller das Recht auf Ersatz des durch eine Entscheidung verursachten Schadens nicht deswegen abgesprochen werden kann, weil eine frühere Entscheidung rechtswidrig war. Dort war die frühere Entscheidung nicht beanstandet worden, und der Antragsteller wusste deshalb nicht notwendigerweise, dass sie mit einem Verstoß behaftet war(31).

    56.      Aus der vorstehend dargestellten Rechtsprechung des Gerichtshofs folgt, dass es mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, wenn die Ausübung des in der Richtlinie 89/665 vorgesehenen Nachprüfungsrechts nach nationalem Recht fristgebunden ist, sofern eine solche Frist die Ausübung dieses Rechts nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert. Bei der Feststellung, ob dies der Fall ist, sind neben der Länge der Frist auch die Umstände des fristgebundenen Nachprüfungsverfahrens zu prüfen. Wissen ist ein Schlüsselfaktor. Während es einem Betroffenen, der von einem Verstoß weiß, aufgrund der Beschleunigungs- und Effizienzziele der Richtlinie obliegt, den Verstoß zu beanstanden, kann einem solchen Beteiligten sein Recht auf Nachprüfung nicht durch eine Frist abgeschnitten werden, deren Lauf durch etwas ausgelöst wird, wovon er bei vernünftiger Betrachtung nichts wissen konnte.

    57.      Kann eine Frist auch dann noch mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sein, wenn das Unterlassen der fristgemäßen Beanstandung eines Verstoßes dem Bieter auch die Möglichkeit abschneidet, alle weiteren und späteren Verstöße im Vergabeverfahren zu beanstanden? Das ist sicherlich eine drastische Sanktion. Ist sie als solche zulässig?

    58.      Es steht fest, dass das Unterlassen der fristgemäßen Beanstandung der Entscheidung für das nationale Verfahren nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen dazu führt, dass es bei diesem Verfahren bleibt und das Vergabeverfahren danach aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie fällt. Anders verhielt es sich in der Rechtssache GAT, in der der Gerichtshof entschied, dass einem Bieter, da jede Entscheidung einer Vergabebehörde im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung gemäß der Richtlinie 89/665 nachprüfbar ist, das Recht, Schadensersatz wegen einer angeblich rechtswidrigen Zuschlagsentscheidung zu fordern, nicht mit der Begründung verwehrt werden kann, dass das Verfahren wegen einer früheren Entscheidung rechtswidrig gewesen sei (ohne dass es allerdings dadurch aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie gefallen wäre)(32).

    59.      Eine Möglichkeit wäre es, eine Ausnahme von der im Urteil Universale-Bau aufgestellten Regel einzuführen und zu entscheiden, dass die Möglichkeit zur Beanstandung einer Entscheidung, mit der das konkrete Vergabeverfahren fälschlicherweise außerhalb des gemeinschaftsrechtlichen Schutzbereichs angesiedelt wurde, nicht fristgebunden sein kann. Das scheint mir keine vernünftige Lösung zu sein. Erstens würde der Ausgleich zwischen Effektivität und Rechtssicherheit gestört, der mit der Richtlinie 89/665 hergestellt werden soll. Zweitens könnte ein Bieter versucht sein, das Verfahren nicht zu beanstanden (was sich schließlich zu seinen Gunsten auswirken könnte, indem der Wettbewerb beschränkt wird), wenn oder solange er nicht anhand der Zuschlagsentscheidung erkennt, dass das Recht auf Nachprüfung gemäß der Richtlinie 89/665 für ihn tatsächlich von Bedeutung war.

    60.      Der Vorschlag, eine längere Frist zu verlangen, wenn die Folgen einer Fristversäumnis drakonisch sind, scheint mir genauso viele Fragen aufzuwerfen wie zu beantworten.

    61.      Deshalb komme ich zu dem Ergebnis, dass eine Frist für die Beanstandung von Entscheidungen in einem Vergabeverfahren auch dann noch mit dem Effektivitätsgrundsatz in Verbindung mit dem Bedürfnis nach Schnelligkeit und Rechtssicherheit vereinbar ist, wenn der Bieter infolge des Unterlassens einer fristgemäßen Beanstandung eines Verstoßes den Schutz verliert, den ihm die Richtlinie 89/665 mit dem Nachprüfungsverfahren bietet.

    62.      Ich wende mich nun der Prüfung der Frist einschließlich ihrer besonderen Merkmale im vorliegenden Fall zu.

    63.      Die Frist des § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB läuft ab der Ausschreibungsbekanntmachung bis zum Stichtag für die Angebotsabgabe. Im vorliegenden Fall scheint dieser Zeitraum zumindest 23 Tage betragen zu haben(33). In Anbetracht dessen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber einen Mindestzeitraum von 22 Tagen für die Vorbereitung und Abgabe eines Angebots für ausreichend hält(34), lässt sich kaum sagen, dass 23 Tage nicht ausgereicht hätten, um einen angeblichen Verstoß zu rügen. Eine solche Rügefrist verstößt somit vor allem unter Berücksichtigung der in der Richtlinie 89/665 betonten Notwendigkeit eines raschen Nachprüfungsverfahrens grundsätzlich nicht gegen den dieser Richtlinie zugrunde liegenden Effektivitätsgrundsatz(35).

    64.      Die Besonderheit der Frist des § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB liegt jedoch darin, dass sie zu laufen beginnt, wenn der angebliche Verstoß, um den es geht, aufgrund der Ausschreibungsbekanntmachung erkennbar ist.

    65.      Welcher Grad an Kenntnis oder welche Art von Kenntnis eines Verstoßes kann also einem Bieter entgegengehalten werden, ohne dass gegen den der Richtlinie 89/665 zugrunde liegenden Effektivitätsgrundsatz verstoßen wird?

    66.      Mir scheint, dass das Erfordernis tatsächlicher – oder subjektiver – Kenntnis des Bieters der Rechtssicherheit zuwiderlaufen würde. Darüber hinaus könnte es unter Umständen wie denen des vorliegenden Falls schwierig sein, zu beweisen, dass ein Bieter tatsächliche Kenntnis von einem Verstoß hatte, und das Erfordernis eines solchen Beweises stünde kaum im Einklang mit der Notwendigkeit eines raschen Nachprüfungsverfahrens.

    67.      Besser ist es deshalb, als Prüfungsmaßstab die vermutete – oder objektive – Kenntnis anzulegen. Der Gerichtshof wendet einen objektiven Maßstab bereits bei der Fähigkeit von Bietern zur Auslegung der Zuschlagskriterien gemessen an der Gleichbehandlung im öffentlichen Auftragswesen an, nämlich als Fähigkeit der „durchschnittlich fachkundigen Bieter … bei Anwendung der üblichen Sorgfalt“(36). Dieselbe Formel erscheint im Zusammenhang mit der Frage angemessen, welche Kenntnis eines Verstoßes im Vergabeverfahren bei einem Bieter vernünftigerweise vermutet werden kann.

    68.      Bei einem „durchschnittlich fachkundigen und im Rahmen des Üblichen sorgfältigen Bieter“ kann vermutet werden, dass er in seinem Fachbereich Erfahrung bei der Abgabe von Angeboten besitzt. Weiter kann von ihm erwartet werden, dass er mit den wichtigsten rechtlichen Gesichtspunkten der Märkte seines Tätigkeitsbereichs allgemein vertraut ist und sie versteht. Im Zusammenhang des vorliegenden Falls würde dies eine allgemeine Kenntnis der nationalen und gemeinschaftsweiten Ausschreibungsverfahren sowie der maßgeblichen Schwellenwerte einschließlich der Möglichkeiten zur Beanstandung von Entscheidungen nach beiden Verfahren und der Beanstandungsfristen bedeuten.

    69.      Welche Angaben müssen verfügbar sein, damit ein solcher Bieter unter Umständen wie denen des vorliegenden Falls feststellen kann, dass eine falsche Verfahrenswahl getroffen wurde?

    70.      Ich stimme der Stadt Bremen nicht zu, dass der Wettbewerb durch die Veröffentlichung des geschätzten Auftragswerts verfälscht würde. Schließlich gebietet das gemeinschaftliche Vergaberecht, das u. a. dem wichtigen Ziel dient, den Wettbewerb zu fördern, in bestimmten Fällen die Veröffentlichung der veranschlagten Auftragswerte(37).

    71.      Da sich die Wahl des Verfahrens nach dem geschätzten Gesamtauftragswert bemisst, müssen die Angaben den Bieter in die Lage versetzen, diesen Wert zu ermitteln. Dies würde nicht nur die zu liefernden Waren einschließen, sondern auch alle im Vertragsumfang enthaltenen Unterstützungs-, Schulungs- oder Programmpflegekosten. Ich stimme den Ausführungen Litauens in diesem Punkt zu, dass nur eine klare und vollständige Bekanntgabe von Umfang oder Menge des Vorhabens einem Bieter ermöglichen wird, den veranschlagten Gesamtwert auf der Grundlage seiner eigenen Erfahrung und Kenntnis der Markttarife zu errechnen.

    72.      Das Erfordernis solcher Angaben sollte in Verbindung mit der Anwendung des Kriteriums der einem durchschnittlich fachkundigen und im Rahmen des Üblichen sorgfältigen Bieter zurechenbaren Kenntnis und Erfahrung die Bedenken des vorlegenden Gerichts ausräumen, das hier insoweit ein Missbrauchspotenzial sieht, als eine Vergabebehörde die Unachtsamkeit eines Bieters ausnutzen könne(38).

    73.      Ich denke nicht, dass diese Angaben zwangsläufig in der Ausschreibungsbekanntmachung selbst enthalten sein müssen. Von einem Bieter darf erwartet werden, dass er Verweisen in der Bekanntmachung auf sonstige Unterlagen nachgeht, sofern eindeutig angegeben wird, wo diese erhältlich sind. Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass Zuschlagskriterien den Gleichbehandlungsgrundsatz beachten, wenn sie in den Verdingungsunterlagen oder in der Vergabebekanntmachung genannt werden(39). Sind die notwendigen Angaben zur Beschreibung des Auftragsumfangs in den Unterlagen enthalten, beginnt die Frist für die Beanstandung eines Verstoßes erst dann zu laufen, wenn der Bieter sie erhalten hat oder bei sofortigem Handeln hätte erhalten können.

    74.      Ich denke allerdings nicht, dass allein das Fehlen einer Aussage zum Umfang oder einer Schätzung der Auftragsmenge in der ursprünglichen Ausschreibungsbekanntmachung für einen durchschnittlich fachkundigen und im Rahmen des Üblichen sorgfältigen Bieter ein ausreichender Hinweis darauf wäre, dass die Vergabebehörde den Auftragswert falsch geschätzt hat. Selbst wenn dieses Fehlen für sich genommen einen Verstoß darstellt, scheint mir, dass insbesondere in Anbetracht der Frist die Ausübung der Bieterrechte übermäßig erschwert würde, wenn vom Bieter gefordert würde, dass er das Fehlen beanstandet, um zu erkennen, ob sich dahinter ein weiterer Verstoß verbirgt, der seine Rechte beeinträchtigen könnte. Dies gilt erst recht, wenn sich zumindest darüber streiten lässt, ob die Bekanntgabe des Auftragsumfangs gemäß § 17 Nr. 1 Abs. 2 Buchst. c VOL/A zwingend vorgeschrieben ist(40).

    75.      Letztlich ist es Sache des nationalen Gerichts als des alleinigen Tatsachengerichts, zu entscheiden, an welcher Stelle (wenn überhaupt) ein durchschnittlich fachkundiger und im Rahmen des Üblichen sorgfältiger Bieter hätte erkennen müssen, dass das falsche Verfahren angewandt wurde. Folgende Ausführungen mögen jedoch insoweit hilfreich sein.

    76.      Im vorliegenden Fall konnten die Verdingungsunterlagen leicht von der Webseite der Stadt Bremen heruntergeladen werden. Anscheinend waren jedoch weder in der Bekanntmachung selbst noch in den Verdingungsunterlagen Umfang oder Menge des Vorhabens angegeben.

    77.      Zwar war im Abschnitt „Dienstvertrag“ des Preisdokuments von der Schulung von etwa 300 Mitarbeitern und 10 Administratoren die Rede, und im Auftragsdokument wurde ausgeführt, dass ungefähr 310 Mitarbeiter mit dem System arbeiten würden. Doch konnte die Vorgabe der Nennung von Einheitspreisen für verschiedene mögliche Lizenzmengenstaffelungen im Abschnitt „Überlassungsvertrag“ des Preisdokuments durchaus so verstanden werden, dass eine geringere Lizenzmenge in Betracht kommen könnte oder dass über die endgültige Lizenzmenge noch nicht entschieden war (ganz zu schweigen von der Frage der Aufteilung zwischen Volllizenzen und Lizenzen mit nur lesendem Zugriff)(41).

    78.      Lämmerzahl wandte sich zumindest zweimal an die Stadt Bremen, um Aufschluss über weitere Einzelheiten der Auftragsausschreibung zu erlangen. In ihrem zweiten Fragenkatalog gab sie zu erkennen, dass sie von einem Bedarf von 310 Lizenzen ausging. Diese Zahl wurde jedoch von der Stadt Bremen nie ausdrücklich bestätigt. Allenfalls kann gesagt werden, dass die Stadt Bremen, indem sie dieser Zahl in ihrer Antwort vom 6. April 2005 nicht widersprach, der Annahme von Lämmerzahl, dass ungefähr 310 Lizenzen benötigt würden, stillschweigend zustimmte.

    79.      Kurz gesagt enthielten weder die Ausschreibungsbekanntmachung samt Verdingungsunterlagen noch die von der Stadt Bremen später gemachten Angaben eine ausdrückliche Quantifizierung des Lizenzbedarfs. Dennoch steht fest, dass Lämmerzahl in der Folge ein Angebot abgab, dessen Wert dreimal so hoch war wie der Schwellenwert für gemeinschaftsweite Ausschreibungsverfahren.

    80.      Vor diesem Hintergrund ist es Sache des nationalen Gerichts, zu entscheiden, ob unter all diesen Umständen bei Anwendung von § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB ein wirksamer Schutz gegeben war. Dies wäre der Fall, wenn ein durchschnittlich fachkundiger und im Rahmen des Üblichen sorgfältiger Bieter aufgrund der Angaben in der Ausschreibungsbekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen erkennen konnte, dass das falsche Verfahren angewandt wurde. Kann die genannte Bestimmung nicht als im Einklang mit Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 stehend ausgelegt werden, muss sie unangewandt bleiben(42) und stattdessen dieser Artikel, der unmittelbare Wirkung entfaltet(43), angewandt werden.

     Ergebnis

    81.      Nach alledem schlage ich vor, dass der Gerichtshof die beiden Vorlagefragen wie folgt zusammen beantworten sollte:

    Hat ein Bieter eine Verfahrenswahl, mit der die Ausschreibung eines öffentlichen Auftrags fälschlicherweise außerhalb des gemeinschaftsrechtlichen Schutzbereichs angesiedelt wurde, nicht innerhalb der vom nationalen Recht gesetzten Frist beanstandet, steht die Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge nicht dem entgegen, dass ihm das in dieser Richtlinie vorgesehene Recht auf Nachprüfung weiterer Entscheidungen im Vergabeverfahren abgeschnitten wird, sofern die Anwendung der Frist die Beanstandung der Verfahrenswahl unter den gegebenen Umständen nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert. Dies wäre der Fall, wenn für einen durchschnittlich fachkundigen und im Rahmen des Üblichen sorgfältigen Bieter die Angaben in der Ausschreibungsbekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen nicht ausreichen würden, um zu erkennen, dass das falsche Verfahren angewandt wurde. Es ist Sache des nationalen Gerichts, dies im Einzelfall zu prüfen.


    1 – Originalsprache: Englisch.


    2 – Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. L 395, S. 33) in der durch die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1) geänderten Fassung.


    3 – (ABl. 1977, L 13, S. 1). Diese Richtlinie wurde durch die Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (ABl. L 199, S. 1) in der durch die Richtlinie 97/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1997 (ABl. L 328, S. 1) und die Richtlinie 2001/78/EG der Kommission vom 13. September 2001 (ABl. L 285, S. 1) geänderten Fassung aufgehoben und ersetzt. Die Richtlinie 93/36 wiederum war eine der Richtlinien, die durch die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114) aufgehoben und ersetzt wurden.


    4 – Vgl. Fn. 2. Die Richtlinie 92/50 wurde durch die Richtlinien 93/36, 97/52 und 2001/78 geändert und durch die Richtlinie 2004/18 mit Ausnahme des Art. 41 (der Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 änderte) aufgehoben (vgl. oben, Fn. 3). Nach Art. 2 der Richtlinie 92/50 (und später Art. 1 Abs. 2 Buchst. d Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/18) gilt ein Auftrag, der sowohl Lieferungen als auch Dienstleistungen umfasst, als Dienstleistungsauftrag, wenn der Wert der Dienstleistungen den Wert der gelieferten Waren übersteigt. Der im vorliegenden Fall in Rede stehende Auftrag umfasst sowohl Lieferungen (Softwarelizenzen) als auch Dienstleistungen (Schulung und Programmpflege), deren jeweiliger Wert aus den Akten nicht ersichtlich ist. Somit ist nicht sicher, ob er als Lieferauftrag oder als Dienstleistungsauftrag einzuordnen wäre. Der Schwellenwert, ab dem ein Auftrag von der Richtlinie 89/665 erfasst wird, ist jedoch in beiden Fällen gleich.


    5 – Vgl. Fn. 3. Ähnliche Bestimmungen wie Art. 10 Abs. 1 und 1a der Richtlinie 93/36 finden sich für öffentliche Dienstleistungsaufträge in Art. 18 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 92/50. Sie wurden später jeweils durch Art. 38 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 2004/18 ersetzt.


    6 – Die Fußnote betrifft nur die englische Sprachfassung der Schlussanträge.


    7 – Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 26. August 1998 (BGBl. I S. 2521). Der Vierte Teil umfasst die §§ 97 bis 129. Er ist in drei Abschnitte unterteilt, deren zweiter (§§ 102 bis 124) die Nachprüfungsverfahren regelt.


    8 – § 127 Nr. 1 GWB ermächtigt die Bundesregierung, mit Zustimmung des Bundesrats Regelungen zur Umsetzung der Schwellenwerte der Gemeinschaftsrichtlinien über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge in das deutsche Recht zu erlassen.


    9 –      Die Fußnote betrifft nicht die deutsche Sprachfassung der Schlussanträge.


    10 – Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge vom 9. Januar 2001 (BGBl. I S. 110).


    11 – Vgl. oben, Fn. 8.


    12 – Ausgabe 2002 vom 17. September 2002 (Bundesanzeiger Nr. 216a). Die Abschnitte 1 und 2 regeln die Vergabe unterhalb bzw. oberhalb des gemeinschaftsrechtlichen Schwellenwerts. Einander entsprechende Paragrafen beider Abschnitte tragen dieselbe Nummer. Der Wortlaut von § 17 Nr. 1 Abs. 2 Buchst. c ist in beiden Abschnitten deckungsgleich.


    13 – Die Fußnote betrifft nicht die deutsche Sprachfassung der Schlussanträge.


    14 – Die Fußnote betrifft nur die englische Sprachfassung der Schlussanträge.


    15 – In ihrem Schreiben vom 6. April 2005 (vgl. unten, Nr. 20) führte die Stadt Bremen aus, dass unter einer Landeslizenz eine unbeschränkte Anzahl von Lizenzen für den Einsatz in Bremen und Bremerhaven zu verstehen sei.


    16 – Es scheint, dass sich die Stadt Bremen des nationalen Ausschreibungsverfahrens infolge einer (2004 erfolgten) Schätzung auf 150 000 Euro, der 150 und nicht 310 Lizenzen zugrunde lagen, bediente.


    17 – Lämmerzahl hält diese Bestimmung der VOL/A für eine „Sollbestimmung“. Das vorlegende Gericht stellt jedoch fest, dass das Wort „soll“ im Allgemeinen die Verpflichtung zur Einhaltung der Bestimmung enthalte, wenn nicht zwingende Gründe entgegenstünden. Vgl. oben, Nr. 12 und die dazugehörige Fußnote. Es leitet seine Auslegung des Wortes „soll“ aus den „Allgemeinen Erläuterungen“ am Ende der VOL/A her.


    18 – Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen mit Art. 1 der Richtlinie 89/665 vereinbar ist: Urteil Universale-Bau u. a. (C‑470/99, Slg. 2002, I‑11617, Randnrn. 75 bis 79).


    19 – Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat für Aufträge, deren Wert den maßgeblichen Schwellenwert überschreitet, bestimmte harmonisierte Anforderungen vorgegeben: vgl. oben, Fn. 3.


    20 – In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Kommission/Finnland (C‑195/04, Slg. 2007, I‑0000) habe ich mich eingehend mit dieser These befasst.


    21 – Vgl. z. B. Urteile Peterbroeck (C‑312/93, Slg. 1995, I‑4599, Randnr. 12 und die dort angeführte Rechtsprechung) und Unibet (C‑432/05, Slg. 2007, I‑0000, Randnr. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    22 – Vgl. Urteil Preston u. a. (C‑78/98, Slg. 2000, I‑3201, Randnr. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    23 – Angeführt oben in Fn. 18.


    24 – Urteil Universale-Bau (Randnrn. 76 und 77).


    25 – Urteil Santex (C‑327/00, Slg. 2003, I‑1877, Randnrn. 49 bis 66).


    26 – Urteil Peterbroeck (angeführt oben in Fn. 21, Randnr. 14).


    27 – Ebd. (Randnrn. 56 und 57).


    28 – Urteil Grossmann Air Service (C‑230/02, Slg. 2004, I‑1829, Randnr. 37).


    29 – Die Antragstellerin in jener Sache fühlte sich durch die Spezifikationen der Ausschreibung diskriminiert. Bevor die Zuschlagsentscheidung erging, rügte sie weder diese Spezifikationen, noch gab sie ein Angebot ab. Der Gerichtshof entschied, dass die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 89/665 nicht beeinträchtigt wird, wenn einem Antragsteller unter diesen Umständen kein Interesse am Zuschlag des fraglichen Auftrags zuerkannt wird.


    30 – Urteil Santex (Randnr. 60).


    31 – Urteil C‑315/01 (Slg. 2003, I‑6351, Randnrn. 53 und 54); vgl. auch Nr. 46 der Schlussanträge von Generalanwalt Geelhoed.


    32 – Urteil GAT (angeführt oben in Fn. 31, Randnrn. 51 bis 54).


    33 – Vgl. oben, Nr. 13.


    34 – Vgl. oben, Nr. 8.


    35 – Untersuchungen durch die dafür zuständigen Dienststellen des Gerichtshofs haben ergeben, dass eine solche Frist für die Beanstandung von Ausschreibungsbekanntmachungen innerhalb der Bandbreite von Fristen liegt, die in anderen Mitgliedstaaten gelten. Folgende Fristen gelten in den Ländern, auf die sich die Untersuchungen erstreckt haben und in denen eine öffentliche Ausschreibung als justiziable Handlung gilt, deren Nachprüfung entweder ausdrücklich oder innerhalb eines allgemeinen Überprüfungssystems geregelt ist: 7 oder 14 Tage je nach Verfahren (Österreich, Polen), 14 Tage (Finnland), 15 Tage (Ungarn), ein Monat (Portugal), der Stichtag für die Angebotsabgabe (Slowenien), zwei Monate (Griechenland, Spanien), drei Monate (Irland, Vereinigtes Königreich). In Frankreich und in Luxemburg gibt es keine spezifische Frist. In Dänemark, den Niederlanden und Schweden kann die Ausschreibungsbekanntmachung auch nach Vertragsschluss noch beanstandet werden.


    36 – Urteil SIAC (C‑19/00, Slg. 2001, I‑7725, Randnr. 42). Eine alternative Formulierung, die vom Gebiet des Vertrauensschutzes herrührt, ist die des „umsichtigen und besonnenen Wirtschaftsteilnehmers“: vgl. z. B. Urteil Belgien und Forum 187 ASBL/Kommission (C‑182/03 und C‑217/03, Slg. 2006, I‑5479). Bremen und die Kommission haben weitere mögliche Formulierungen vorgeschlagen (oben, Nrn. 42 und 44).


    37 – Vgl. Anhang VII Teil A der Richtlinie 2004/18 (oben, Fn. 3), die nach der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Zeit in Kraft getreten ist. In Auftragsbekanntmachungen muss der veranschlagte Gesamtwert der Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen innerhalb von Rahmenvereinbarungen bekannt gegeben werden. In Vorinformationsbekanntmachungen über öffentliche Lieferaufträge muss entweder die Menge oder der Wert der zu liefernden Waren angegeben werden.


    38 – Vgl. oben, Nr. 30.


    39 – Urteil SIAC (angeführt oben in Fn. 36, Randnrn. 40 und 42).


    40 – Vgl. oben, Nr. 29 a. E.


    41 – Die Unstimmigkeit zwischen den verschiedenen Lizenzmengenstaffelungen und der Zahl von 310 Mitarbeitern ist durch die Austauschmöglichkeiten im Verhältnis zwischen Volllizenzen und Lizenzen mit nur lesendem Zugriff nicht ganz erklärbar. Die Höchstmenge an Lizenzen mit nur lesendem Zugriff, für die eine Preisangabe gefordert war, betrug 100; die ersten drei Staffelungen, für die eine Preisangabe für Volllizenzen gefordert war, liegen unter der Menge (210), die nötig wäre, um die Gesamtmenge auf 310 zu bringen.


    42 – Vgl. Urteil Santex (angeführt oben in Fn. 25, Randnrn. 63 bis 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).


    43 – Vgl. Urteil Koppensteiner (C‑15/04, Slg. 2005, I‑4855, Randnr. 38).

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