Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62005CC0412

    Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 26. Oktober 2006.
    Alcon Inc. gegen Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum.
    Rechtssache C-412/05 P.

    Sammlung der Rechtsprechung 2007 I-03569

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2006:687

    SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

    JULIANE Kokott

    vom 26. Oktober 2006(1)

    Rechtssache C-412/05 P

    Alcon Inc.

    gegen

    Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt

    andere Beteiligte:

    Biofarma SA

    „Rechtsmittel – Gemeinschaftsmarke – Wortmarke ‚TRAVATAN‘ – Widerspruch des Inhabers der Marke ‚TRIVASTAN‘ – Verweigerung der Eintragung – Neues Vorbringen – Medizinische Produkte“





    I –    Einleitung

    1.     Der vorliegende Streit betrifft die Frage, ob zwei Marken für Medikamente, die Wortmarke TRAVATAN und die ältere italienische Wortmarke TRIVASTAN, verwechselt werden können, was zur Folge hätte, dass TRAVATAN nicht als Gemeinschaftsmarke eingetragen werden darf. Alle bisherigen Instanzen, d. h. die Widerspruchsabteilung und die Beschwerdekammer des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (im Folgenden: HABM oder Amt) und das Gericht erster Instanz, stellten fest, eine solche Verwechslungsgefahr bestehe.

    2.     Im Rechtsmittelverfahren ist einerseits zu prüfen, ob das Gericht zu Recht Vorbringen des Rechtsmittelführers als verspätet zurückgewiesen, und andererseits, ob das Gericht die Verwechslungsgefahr, insbesondere hinsichtlich des maßgeblichen Publikums, zutreffend geprüft hat.

    II – Rechtlicher Rahmen

    3.     Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke(2) regelt das relative Eintragungshindernis der Verwechslungsgefahr:

    „Auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke ist die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen,

    a)       …

    b)      wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.“

    4.     Der siebte Erwägungsgrund erläutert den Begriff der Verwechslungsgefahr im Fall der Ähnlichkeit von Marken und Waren oder Dienstleistungen: Sie „stellt die spezifische Voraussetzung für den Schutz dar; ob sie vorliegt, hängt von einer Vielzahl von Umständen ab, insbesondere dem Bekanntheitsgrad der Marke auf dem Markt, der gedanklichen Verbindung, die das benutzte oder eingetragene Zeichen zu ihr hervorrufen kann, sowie dem Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen und zwischen den damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen.“

    5.     Eine ältere Marke kann der Eintragung einer neuen Marke allerdings nur dann entgegenstehen, wenn die ältere Marke noch ernsthaft genutzt wird. Artikel 43 Absätze 2 und 3 der der Verordnung Nr. 40/94 sieht daher vor:

    „(2)      Auf Verlangen des Anmelders hat der Inhaber einer älteren Gemeinschaftsmarke, der Widerspruch erhoben hat, den Nachweis zu erbringen, dass er innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke die ältere Gemeinschaftsmarke in der Gemeinschaft für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist und auf die er sich zur Begründung seines Widerspruchs beruft, ernsthaft benutzt hat, oder dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen, sofern zu diesem Zeitpunkt die ältere Gemeinschaftsmarke seit mindestens fünf Jahren eingetragen ist. Kann er diesen Nachweis nicht erbringen, so wird der Widerspruch zurückgewiesen. Ist die ältere Gemeinschaftsmarke nur für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, benutzt worden, so gilt sie zum Zwecke der Prüfung des Widerspruchs nur für diese Waren oder Dienstleistungen als eingetragen.

    (3)      Absatz 2 ist auf ältere nationale Marken im Sinne von Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe a) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle der Benutzung in der Gemeinschaft die Benutzung in dem Mitgliedstaat tritt, in dem die ältere Marke geschützt ist.“

    III – Vorgeschichte des Rechtsstreits und Urteil des Gerichts

    6.     Das Gericht schildert die Vorgeschichte des Rechtsstreits in den Randnummern 1 bis 11 des angefochtenen Urteils vom 22. September 2005 in der Rechtssache T-130/03(3) wie folgt:

    „1      Die Alcon Inc. meldete am 11. Juni 1998 gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

    2      Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen TRAVATAN.

    3      Die Waren, für die die Eintragung beantragt wurde, gehören zur Klasse 5 im Sinne des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in seiner revidierten und geänderten Fassung und entsprechen folgender Beschreibung: ‚Ophthalmisch-pharmazeutische Präparate’.

    4      Diese Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 23/99 vom 22. März 1999 veröffentlicht.

    5      Am 22. Juni 1999 erhob die Biofarma SA gemäß Artikel 42 der Verordnung Nr. 40/94 Widerspruch gegen die Eintragung dieser Gemeinschaftsmarke. Der Widerspruch wurde mit dem Eintragungshindernis des Artikels 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 begründet und war auf die ältere nationale Wortmarke TRIVASTAN gestützt, die am 27. Januar 1986 unter der Nummer 394980 in Italien eingetragen worden war.

    6      Der Widerspruch richtete sich gegen alle in der Anmeldung genannten Waren. Er erstreckt sich auf alle von der älteren Marke erfassten Waren, d. h. ‚pharmazeutische, veterinärmedizinische und Sanitärprodukte; diätetische Erzeugnisse für Kinder oder Kranke; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von Unkraut und schädlichen Tieren’ der Klasse 5.

    7      Mit Schreiben vom 5. Mai 2000 beantragte die Klägerin, dass die Streithelferin gemäß Artikel 43 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 den Nachweis erbringe, dass die ältere Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke für alle Waren, auf die sich der Widerspruch stützte, in dem Mitgliedstaat, in dem diese Marke geschützt sei, ernsthaft benutzt worden sei. Mit Schreiben vom 29. Mai 2000 forderte die Widerspruchsabteilung die Streithelferin auf, diesen Nachweis innerhalb von zwei Monaten zu erbringen.

    8      Am 28. Juli 2000 übermittelte die Streithelferin dem HABM Unterlagen, die die ernsthafte Benutzung der älteren Marke in Italien belegen sollten. Dazu gehörten u. a. Rechnungen, der Beipackzettel des Arzneimittels der Streithelferin, ein Auszug aus dem italienischen Verzeichnis L’Informatore Farmaceutico und ein Auszug aus dem Pharmaceutical Trade Mark Directory.

    9      Mit Entscheidung vom 26. September 2001 entschied die Widerspruchsabteilung, dass die Benutzung der älteren Marke für ein bestimmtes Arzneimittel nachgewiesen worden sei, nämlich einen‚ peripheren Vasodilatator zur Behandlung peripherer und zerebraler vaskulärer Störungen und von vaskulären Störungen des Auges und des Ohrs’, und gab dem Widerspruch für alle beanspruchten Waren statt. Sie lehnte folglich die Eintragung der angemeldeten Marke mit der Begründung ab, dass in Italien Verwechslungsgefahr bestehe, die die Gefahr der gedanklichen Verbindung einschließe, da die Marken in bildlicher und klanglicher Hinsicht ähnlich seien und eine gewisse Warenähnlichkeit gegeben sei.

    10      Am 13. November 2001 erhob die Klägerin nach den Artikeln 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 beim HABM eine Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung.

    11      Mit Entscheidung vom 30. Januar 2003 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Dritte Beschwerdekammer die Beschwerde zurück. Sie führte im Wesentlichen aus, dass zwischen den fraglichen Marken Verwechslungsgefahr bestehe, die die Gefahr der gedanklichen Verbindung einschließe, da die mit ihnen gekennzeichneten Waren einen hohen Ähnlichkeitsgrad aufwiesen und in bildlicher und klanglicher Hinsicht sehr ähnlich seien.“

    7.     Das Gericht wies die Klage von Alcon gegen die Entscheidung der Beschwerdekammer ab.

    8.     Unzulässig, da verspätet und zudem vor der Beschwerdekammer nicht vorgetragen sei das Vorbringen, die Voraussetzungen für eine ernsthafte Benutzung gemäß dem Urteil MFE Marienfelde/HABM [HIPOVITON](4) lägen nicht vor (Randnrn. 19 ff.).

    9.     Alcon habe auch die Feststellung der Beschwerdekammer, dass die von der Streithelferin vorgelegten Beweise die ernsthafte Benutzung der älteren Marke für einen „peripheren Vasodilatator zur Behandlung peripherer und zerebraler vaskulärer Störungen und von vaskulären Störungen des Auges und des Ohrs“ belegten, nicht widerlegt (Randnrn. 29 ff.).

    10.   Schließlich hat die Beschwerdekammer nach Auffassung des Gerichts auch zu Recht eine Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Marken festgestellt. Sowohl die jeweiligen Waren seien einander sehr ähnlich (Randnrn. 55 ff.) als auch die zu vergleichenden Zeichen (Randnrn. 65 ff.). Insbesondere die italienischen Verbraucher könnten beide Zeichen verwechseln (Randnrn. 72 f.).

    IV – Das Rechtsmittel

    11.   Alcon wendet sich dagegen, dass das Gericht sein Vorbringen zu den Voraussetzungen ernsthafter Benutzung als unzulässig zurückgewiesen hat, und vertritt die Auffassung, dass das Gericht bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr Fehler beging, indem es insbesondere die Rolle medizinischer Fachleute unzureichend berücksichtigt hat.

    12.   Alcon beantragt daher,

    1.      die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

    2.      sofern erforderlich, die Sache an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen;

    3.      dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) und/oder der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen.

    13.   Das HABM hält das Rechtsmittel im Wesentlichen für unbegründet, in einigen Teilen auch für unzulässig und beantragt daher,

    1.      das Rechtsmittel als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet abzuweisen, und

    2.      dem Rechtsmittelführer die Kosten aufzuerlegen.

    14.   Biofarma hat sich erstmals in der mündlichen Verhandlung an dem Verfahren beteiligt und schließt sich den Anträgen des HABM an.

    V –    Würdigung

    A –    Zum ersten Rechtsmittelgrund – Zulässigkeit des Vorbringens zur ernsthaften Benutzung der älteren Marke

    15.   Das Gericht hat in Randnummer 20 des angefochtenen Urteils festgestellt, „dass die Klägerin in ihrer Klageschrift der Beschwerdekammer nicht zur Last gelegt hat, gegen Artikel 43 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen zu haben, weil die Voraussetzungen für die ernsthafte Benutzung der älteren Marke nicht erfüllt seien, sondern nur, weil die von der Streithelferin vorgelegten Beweise für die ernsthafte Benutzung nicht belegten, dass die ältere Marke tatsächlich für ophthalmische Präparate benutzt worden sei.“ Daraus schloss es, das Vorbringen Alcons in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Voraussetzungen für die ernsthafte Benutzung sei ein neues Angriffsmittel und daher unzulässig.

    16.   Alcon hält dem entgegen, sein Vorbringen zu den Voraussetzungen der ernsthaften Benutzung sei nur ein neues Argument, um das eigentliche Angriffsmittel, die Verletzung von Artikel 43 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94, zu begründen.

    17.   Nach Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Ein Vorbringen, das eine Erweiterung eines bereits unmittelbar oder mittelbar in der Klageschrift vorgetragenen Angriffsmittels darstellt, ist jedoch zulässig.(5)

    18.   Die Anwendung dieser prozessrechtlichen Bestimmung wird durch Fälle aus anderen Rechtsgebieten als dem Markenrecht veranschaulicht. So hat der Gerichtshof bei einer ursprünglichen Rüge der Verletzung mehrerer Voraussetzungen von Artikel 87 Absatz 1 EG das erstmalige Vorbringen, die fragliche Maßnahme begünstige nicht nur Unternehmen im Sinne des Beihilferechts, sondern auch andere Personen, als zulässige Erweiterung anerkannt.(6) Ebenso hat er den Vorwurf einer unzureichenden Prüfung der Handelsbeeinträchtigung durch die Kommission als Erweiterung des Angriffsmittels angesehen, dass überhaupt keine Handelsbeeinträchtigung vorliege.(7) Als zulässige Erweiterung wurde auch die Rüge eines Verfahrensfehlers, d. h. einer fehlenden Anhörung, anerkannt, nachdem zunächst nur beanstandet worden war, die materiellen Voraussetzungen für den Erlass der fraglichen Schutzmaßnahme seien nicht hinreichend aufgeklärt worden.(8) Schließlich hat der Gerichtshof auch das erstmalig vorgetragene Argument, in einem dienstrechtlichen Auswahlverfahren hätte eine Altersgrenze öffentlich bekannt gemacht werden müssen, als Erweiterung des Angriffsmittels anerkannt, für die Anwendung der Altersgrenze fehle die Rechtsgrundlage.(9)

    19.   Ähnlich liegt der vorliegende Fall. Alcon hatte sich in der Klage gegen die Feststellungen zur ernsthaften Benutzung gemäß Artikel 43 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 gewandt. Biofarma habe keine Benutzung nachgewiesen, die geeignet gewesen wäre, der Marke einen ausreichenden Ruf beim relevanten italienischen Publikum zu verschaffen. Auch sei eine Benutzung des Medikaments für ophtalmische Zwecke nicht nachgewiesen worden. Nach Angaben des Gerichts in Randnummer 17 des angefochtenen Urteils, hat Alcon dann in der mündlichen Verhandlung „auf das Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004 in der Rechtssache T‑334/01 (MFE Marienfelde/HABM – Vétoquinol [HIPOVITON], Slg. 2004, II-2787) verwiesen, um geltend zu machen, dass die Voraussetzungen für die ernsthafte Benutzung nicht erfüllt seien, insbesondere wegen des geringen Handelsvolumens der älteren Marke.“

    20.   Dieses Vorbringen ergänzt offensichtlich die Begründung für das Angriffsmittel, Artikel 43 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 sei verletzt worden. Daher handelt es sich nicht um ein unzulässiges neues Angriffsmittel, sondern um die zulässige Erweiterung eines rechtzeitig vorgetragenen Angriffsmittels. Die Feststellung, dieses Vorbringen sei im gerichtlichen Verfahren verspätet, ist daher rechtsfehlerhaft.

    21.   Allerdings hat das Gericht die Zurückweisung dieses Vorbringens in Randnummern 23 des angefochtenen Urteils ergänzend auf eine zweite Begründung gestützt. Die Kontrolle durch das Gericht dürfe nicht über den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits hinausgehen, mit dem die Beschwerdekammer befasst war. Das Gericht stellte weiter zutreffend fest, dass Alcon nach den Akten gegenüber der Beschwerdekammer und der Widerspruchsabteilung tatsächlich nicht die ernsthafte Benutzung der früheren Marke in Frage gestellt, ja auf ein Bestreiten des Nachweises der ernsthaften Benutzung sogar ausdrücklich verzichtet hat.(10) Einwände richteten sich nur dagegen, dass die Marke für ein vergleichbares Produkt benutzt worden sei.(11) Daher kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Einwände gegen eine ernsthafte Benutzung der früheren Marke auch deswegen unzulässig seien, weil sie nicht Gegenstand des Verfahrens vor der Beschwerdekammer gewesen seien.

    22.   Diese alternative Begründung der Zurückweisung der Einwände gegen eine ernsthafte Benutzung entspricht Artikel 135 § 4 der Verfahrensordnung des Gerichts. Danach können die Parteien den vor der Beschwerdekammer verhandelten Streitgegenstand nicht ändern. Die Ernsthaftigkeit der Benutzung war wegen des Verzichts von Alcon, den entsprechenden Nachweis zu bestreiten, nicht Gegenstand des Streits vor der Beschwerdekammer. Daher hat das Gericht diesen Klagegrund zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.

    23.   Alcon vertritt zwar die Auffassung, eine so verstandene Beschränkung des zulässigen Streitgegenstandes vor Gericht auf den Gegenstand der Beschwerde vor der Beschwerdekammer würde Entscheidungen aufrecht erhalten, die im Licht späterer Rechtsprechung offensichtlich rechtswidrig sind. Diese Auffassung geht jedoch fehl. Wenn eine Partei sich durchgängig gegen ein bestimmtes Element der Rechtsanwendung des Amtes wendet, so kann sie diese selbstverständlich erfolgreich rügen, wenn das Gericht diese Rechtsfrage zwischenzeitlich in ihrem Sinne entschieden hat. Verzichtet eine Partei aber – wie in diesem Fall Alcon – darauf, Einwände zu einer bestimmten Frage zu erheben, so können ihr auch neuere Urteile nicht den Weg eröffnen, erstmals vor dem Gericht einen dahingehenden Klagegrund vorzutragen.

    24.   Der erste Rechtsmittelgrund ist daher abzuweisen.

    B –    Zum zweiten Rechtsmittelgrund – die Verletzung von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94

    25.   Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund trägt Alcon Einwände gegen die Anwendung von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 vor, die sie in sechs Teilrügen gliedert.

    1.      Zur sechsten Teilrüge – die Einschränkung des Warenverzeichnisses

    26.   Mit der sechsten Teilrüge, die zuerst zu behandeln ist, beanstandet Alcon die von der Beschwerdekammer und vom Gericht verglichenen Erzeugnisse. Alcon habe gegenüber der Beschwerdekammer die Beschreibung ihres Erzeugnisses ausdrücklich auf „ophthalmisch-pharmazeutische Präparate zur Glaukombehandlung“ beschränkt und damit die Ähnlichkeit der Waren weiter verringert.

    27.   Das Gericht hat in den Randnummern 51 bis 55 des angefochtenen Urteils dargelegt, dass diese Beschränkung nicht entsprechend den Anforderungen des Artikels 44 der Verordnung Nr. 40/94 und der Regel 13 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94(12) erfolgt sei. Die Beschränkung des Warenverzeichnisses einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung müsse ausdrücklich und unbedingt erfolgen. Alcon habe keinen Antrag auf Einschränkung der Erzeugnisse gestellt, sondern lediglich die Bereitschaft zur Einschränkung bestätigt. Daher seien entsprechend der Markenanmeldung alle ophthalmisch-pharmazeutischen Präparate zu berücksichtigen.

    28.   Grundsätzlich war Alcon berechtigt, vor der Beschwerdekammer die Beschreibung des Erzeugnisses einzuschränken, da Artikel 44 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 es erlaubt, jederzeit das in der Anmeldung einer Marke enthaltene Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen einzuschränken. Nur im gerichtlichen Verfahren steht einer Einschränkung Artikel 135 § 4 der Verfahrensordnung des Gerichts entgegen, da die Einschränkung den Streitgegenstand verändern würde.(13)

    29.   Das Gericht verlangt allerdings zu Recht in ständiger Rechtsprechung, dass die Beschränkung des Warenverzeichnisses einer Markenanmeldung ausdrücklich und unbedingt erfolgen muss.(14) Die Einschränkung des Warenverzeichnisses kann nämlich erhebliche Bedeutung für die Reichweite des mit der Marke verbundenen Schutzrechts haben sowie – wie vorliegend offensichtlich – für die Eintragungsfähigkeit der Marke.

    30.   Da Alcon die Einschränkung nicht erklärt hat, sondern nur die Bereitschaft zur Einschränkung, konnte das Gericht ohne Verfälschung der Erklärung Alcons zu dem Ergebnis kommen, das Verzeichnis sei nicht eingeschränkt worden.

    31.   Im Übrigen kann auch kein Verfahrensfehler der Beschwerdekammer darin gesehen werden, dass sie Alcon nicht zur Klarstellung ihrer Erklärung aufgefordert hat. Eine solche Klarstellung wäre zwar in verfahrensökonomischer Hinsicht vermutlich sinnvoll gewesen, doch gibt es keine Bestimmung, welche die Beschwerdekammer dazu verpflichten würde, eine solche Klarstellung herbeizuführen. Vielmehr bezieht sich Regel 13 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2868/95 auf einige andere (formale) Mängel, die das Amt dem Anmelder gemeinsam mit einer Frist zur Abhilfe mitteilen muss, wenn die Erfordernisse für den Antrag auf Änderung der Anmeldung nicht erfüllt sind. Diese Verpflichtung entsteht jedoch erst, nachdem der Anmelder einen solchen Antrag gestellt hat.

    32.   Im vorliegenden Fall besteht kein Anlass, dem HABM weitere, nicht ausdrücklich geregelte Hinweispflichten aufzubürden. Wie die meisten Beteiligten an Verfahren des HABM ist Alcon ein international tätiges Großunternehmen, das über ausreichenden Sachverstand verfügen muss, um eigenverantwortlich an einem markenrechtlichen Verfahren teilzunehmen oder sich – wie hier – qualifizierter Vertreter zu bedienen. Alcon hätte daher selber erkennen müssen, dass die Erklärung einer Bereitschaft, das Verzeichnis einzuschränken, nicht der Einschränkung des Verzeichnisses entspricht.

    33.   Somit hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen, als es wie die Beschwerdekammer für den Vergleich der Erzeugnisse das Warenverzeichnis der Markenanmeldung, nämlich ophthalmisch-pharmazeutische Präparate heranzog. Diese Teilrüge ist daher unbegründet.

    2.      Zur zweiten Teilrüge – Vergleich der Erzeugnisse

    34.   Aus den Feststellungen zur sechsten Rüge ergibt sich gleichfalls, dass auch die zweite Teilrüge – soweit nicht bereits unzulässig – jedenfalls unbegründet ist.

    35.   Mit dieser Teilrüge beanstandet Alcon, dass das Gericht von Biofarma nicht den Nachweis der Ähnlichkeit beider Erzeugnisse gefordert habe. Travatan werde in Form von Augentropfen verabreicht, Trivastan dagegen als Tablette. Schon daher seien die Erzeugnisse einander nicht ähnlich.

    36.   Soweit diese Teilrüge äußerlich als Rüge des tatsächlichen Vergleichs der Erzeugnisse dargestellt wird, ist sie unzulässig. Wie sich aus den Artikeln 225 EG und 58 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofes ergibt, ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt. Für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie für die Beweiswürdigung ist allein das Gericht zuständig. Die Würdigung der Tatsachen und Beweismittel ist somit, vorbehaltlich ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofes im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge.(15) Eine Verfälschung von Beweismitteln ist hier nicht ersichtlich und wird von Alcon auch nicht vorgetragen.

    37.   Allerdings wendet sich Alcon mit dieser Teilrüge auch gegen die Bestimmung der Erzeugnisse, die verglichen werden. Ob der Vergleich sich auf zwei bestimmte Medikamente in ihrer jeweiligen Darreichungsform beschränken muss, ist eine im Rechtsmittel zu prüfende Rechtsfrage.

    38.   Alcon irrt allerdings mit dem Vorbringen, man müsse auf die Darreichungsform des Medikaments Travatan als Augentropfen abstellen. Wie bereits dargelegt, muss auf Seiten der angemeldeten Marke vorliegend die Warengruppe der ophthalmisch-pharmazeutischen Präparate herangezogen werden. Sie umfasst Medikamente, welche in unterschiedlichen Darreichungsformen vermarktet werden, also auch Medikamente, die wie das zu vergleichende Medikament in Tablettenform angeboten werden.

    39.   Auch diese Teilrüge ist daher zurückzuweisen.

    3.      Zur ersten Teilrüge – das maßgebliche Publikum

    40.   Mit der ersten Teilrüge trägt Alcon vor, das HABM habe das maßgebliche Publikum falsch abgegrenzt.

    41.   In Randnummer 49 des angefochtenen Urteils stellte das Gericht fest:

    „Die in Rede stehenden Erzeugnisse sind Arzneimittel, die vom Arzt verordnet werden müssen, bevor sie über Apotheken an die Endverbraucher abgegeben werden. Das maßgebliche Publikum besteht daher nicht nur aus Endverbrauchern, sondern auch aus Fachleuten, nämlich den Ärzten, die das Arzneimittel verordnen, und den Apothekern, die das verordnete Arzneimittel abgeben.“(16)

    42.   In den Ausführungen zur Verwechslungsgefahr, Randnummern 68 f. und 72 ff., bestätigt das Gericht die Erwägungen der Beschwerdekammer auf Basis der Wahrnehmung von Verbrauchern. Nur in Randnummer 73 werden Fachleute als möglicher Bestandteil des maßgeblichen Publikums erwähnt, wobei die Feststellungen wieder auf der Wahrnehmung der Verbraucher beruhen.

    43.   Alcon wendet sich dagegen, dass auch Endverbraucher in das maßgebliche Publikum eingeschlossen werden. Da die Erzeugnisse verschreibungspflichtig sind, treffe allein der Arzt die Entscheidung über den Erwerb. Daher sei nur die Wahrnehmung medizinischer Fachleute von Bedeutung. So hätten auch eine andere Beschwerdekammer des HABM(17), das Gericht(18) und der Gerichtshof(19) bereits entschieden.

    44.   Das Amt und Biofarma sind dagegen der Auffassung, es komme auch auf die Wahrnehmung der Patienten an. Das Amt betont, wenn er mit der Marke konfrontiert werde, dürfe sich der Patient nicht über die Herkunft der gekennzeichneten Ware täuschen. Seine Wahrnehmung sei nur dann unerheblich, wenn eine Konfrontation mit der Marke ausgeschlossen ist.(20) Biofarma ergänzt dies um das praktische Beispiel einer Verwechslung zweier Medikamente, die sich im heimischen Arzneischrank befinden.

    45.   Diese Teilrüge bezieht sich einerseits auf ein tatsächliches Element, nämlich die Feststellung, welches Publikum von den fraglichen Waren angesprochen wird, und ist insofern unzulässig.(21)

    46.   Andererseits wendet sie sich zugleich gegen die Auslegung von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 im Hinblick auf die Abgrenzung des maßgeblichen Publikums. Darüber hinaus impliziert sie eine unzureichende Begründung der Feststellungen des Gerichts, da die Einbeziehung der Endverbraucher trotz entgegenstehenden Vorbringens nicht begründet wird. Beide Aspekte betreffen Rechtsfragen, so dass diese Teilrüge insoweit zulässig ist.

    47.   Der Gerichtshof stellt darauf ab, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Art von Waren oder Dienstleistungen wirkt.(22) Im Allgemeinen spielt die Wahrnehmung der Verbraucher oder Endabnehmer eine entscheidende Rolle, denn der gesamte Vermarktungsprozess bezweckt den Erwerb der Ware innerhalb dieser Kreise.(23) Dies gilt allerdings nur, wenn der Endabnehmer über den Erwerb entscheidet.

    48.   Bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wird die Wahl zwischen verschiedenen Erzeugnissen nicht beim Erwerb, sondern bereits während der Konsultation des Arztes getroffen. Wegen der mit verschreibungspflichtigen Medikamenten verbundenen Risiken unterliegen sie besonderer Kontrolle durch den Arzt, aber auch durch den Apotheker. Dies rechtfertigt sogar Einschränkungen des innergemeinschaftlichen Handels(24) und ist im einschlägigen Sekundärrecht angelegt. Nach Artikel 88 Absatz 1 erster Spiegelstrich der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel(25) verbieten die Mitgliedstaaten nämlich die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel, die nur auf ärztliche Verschreibung abgegeben werden dürfen. Im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel sollen somit im Prinzip die medizinischen Fachleute und nicht der Endverbraucher über den Erwerb entscheiden.

    49.   Selbst wenn man den Patienten trotzdem grundsätzlich mitberücksichtigt, weil er – wie insbesondere das Amt in der mündlichen Verhandlung vortrug – die Verschreibung des Arztes beeinflussen kann, so ist sein Einfluss bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im Vergleich zu der Entscheidungsverantwortung des Arztes von sehr geringer Bedeutung.(26)

    50.   Insbesondere kann der mögliche Einfluss des Patienten nicht dazu führen, dass er als der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher dieser Erzeugnisse angesehen wird. Der Durchschnittsverbraucher muss vielmehr anhand der für die Entscheidung über den Erwerb eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels überwiegend maßgeblichen Gruppe ermittelt werden, d. h. anhand der verschreibenden Ärzte.

    51.   Auch die vom HABM und von Biofarma betonte Gefahr einer Verwechslung durch den Patienten, der unabhängig von der Verschreibung mit der Marke konfrontiert wird, ist zumindest markenrechtlich von geringer Bedeutung. Der Gerichtshof hat nämlich in dem Urteil Picasso den Zeitpunkt, in dem die Wahl zwischen den Produkten und den Marken getroffen wird, als entscheidend für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr angesehen.(27) Andere Zeitpunkte, zu denen der Verbraucher aufgrund geringerer Aufmerksamkeit eher zu Verwechslungen neigen könnte, sind demgegenüber nachrangig.(28)

    52.   Daher trifft die These Alcons zu, dass bei dem maßgeblichen Publikum für verschreibungspflichtige Arzneimittel medizinische Fachleute in den Blick zu nehmen sind, nicht aber die Patienten. Das Gericht setzt sich trotz dieses Vorbringens weder mit der Rechtsfrage auseinander, wie das Publikum nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 abzugrenzen ist, noch begründet es, warum es entgegen dem Vortrag von Alcon Endverbraucher diesem Publikum zuordnet.

    53.   Folglich ist zumindest die Begründung des angefochtenen Urteils unzureichend, sowohl was die Auslegung von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 angeht als auch im Hinblick auf die konkrete Einbeziehung von Endverbrauchern. Sollte das Gericht tatsächlich davon ausgehen, dass unabhängig von dem jeweiligen Erzeugnis immer der durchschnittliche Endverbraucher maßgeblich sei, so läge darin über den Begründungsmangel hinaus eine falsche Auslegung von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94.

    54.   Die Einbeziehung des Endverbrauchers lässt sich im vorliegenden Fall allerdings zumindest mit anderer Begründung aufrechterhalten. Vorliegend müssen nämlich nicht zwei rezeptpflichtige Medikamente verglichen werden, sondern einerseits die in der Anmeldung angegebene Warengruppe ophtalmisch-pharmazeutischer Präparate und andererseits das rezeptpflichtige Medikament, das unter der Marke TRIVASTAN vertrieben wurde. Wie Alcon auf Rückfrage in der mündlichen Verhandlung einräumte, sind aber auf dem italienischen Markt nicht alle ophtalmisch-pharmazeutischen Präparate rezeptpflichtig.

    55.   Im Hinblick auf Marken für rezeptfreie Medikamente ist die Wahrnehmung durch den Endverbraucher von sehr viel größerer Bedeutung. Diese Arzneimittel können zwar auch auf Veranlassung von Ärzten erworben werden, doch entscheiden Endverbraucher in vielen Fällen alleine über den Erwerb. Daher werden diese Medikamente auch gegenüber Endverbrauchern beworben.(29)

    56.   Die Wahrnehmung der Endverbraucher ist auch und gerade für die Prüfung einer Verwechslungsgefahr zwischen einer Warengruppe mit sowohl rezeptfreien als auch rezeptpflichtigen Medikamenten einerseits und einem rezeptpflichtigen Medikament andererseits von Bedeutung, wie sie hier vorzunehmen ist. Wenn der Endverbraucher das rezeptfreie Medikament erwerben will, aber aufgrund einer Verwechslung nach dem rezeptpflichtigen Medikament fragt, so wird die Apotheke dieses verweigern. Fragt er dagegen verwechslungsbedingt nach dem rezeptfreien Medikament, obwohl er aufgrund seines Leidens eigentlich das rezeptpflichtige Medikament wollte, so erhält er möglicherweise ein Medikament, das ihm nicht hilft.

    57.   Die von Alcon geforderte Reduzierung des maßgeblichen Publikums auf Ärzte wäre daher im vorliegenden Fall nur zulässig, wenn die Verwechslungsgefahr für rezeptpflichtige ophtalmisch-pharmazeutige Präparate separat geprüft werden könnte. Das würde voraussetzen, dass das Warenverzeichnis geteilt werden kann.

    58.   Im Prinzip ist es möglich, die Anmeldung einer Marke nur für bestimmte Bestandteile des Warenverzeichnisses zuzulassen bzw. abzulehnen. Nach Artikel 43 Absatz 5 Satz 1 der Verordnung Nr. 40/94 wird die Anmeldung einer Marke nämlich nur für die Waren oder Dienstleistungen zurückgewiesen, für die eine Eintragung aufgrund des Widerspruches ausgeschlossen ist.

    59.   Dies spielt vorliegend jedoch keine Rolle, da Alcon den umfassenden Oberbegriff der ophtalmisch-pharmazeutischen Präparate nicht näher aufgeschlüsselt hat und weder das Amt noch die Gerichte von sich aus das Warenverzeichnis entsprechend korrigieren können. Es ist zwar möglich, die Eintragung für einzelne, ausdrücklich genannte Waren oder Warengruppen zu verweigern, doch die weitere Aufschlüsselung von Warengruppen würde in die Dispositionsbefugnis des Anmelders eingreifen. Darüber hinaus würden die formalen Anforderungen an eine Beschränkung des Warenverzeichnisses unterlaufen und es würde – im Fall einer Aufschlüsselung im gerichtlichen Verfahren – der Sachverhalt verändert, über den das Amt entschieden hat.(30)

    60.   Folglich konnte das Gericht die Verwechslungsgefahr allein aufgrund der Wahrnehmung des Endverbrauchers feststellen. Die erste Teilrüge des zweiten Rechtsmittelgrundes führt somit trotz der Rechtsfehler des angegriffenen Urteils nicht zu seiner Aufhebung.

    4.      Zur dritten und vierten Teilrüge – Vergleich der Zeichen

    61.   Mit der dritten und vierten Teilrüge beanstandet Alcon den visuellen und phonetischen Vergleich der Zeichen. Damit wendet sich Alcon allerdings ausschließlich gegen die tatsächlichen Feststellungen des Gerichts. Das Rechtsmittel ist daher insofern unzulässig.(31)

    5.      Zur fünften Teilrüge – Verwechslungsgefahr

    62.   Soweit Alcon die Beurteilung der Verwechslungsgefahr beanstandet, stützt sie sich im Wesentlichen darauf, dass Ärzte und Apotheker nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Wie bereits dargelegt, reicht allerdings eine Verwechslungsgefahr bei den Endverbrauchern aus, da das Warenverzeichnis für die Marke TRAVATAN auch rezeptfreie Medikamente einschloss.(32) Insofern ist das Rechtsmittel daher unbegründet.

    VI – Zu den Kosten

    63.   Gemäß Artikel 122 in Verbindung mit Artikel 118 und Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes sind der unterliegenden Partei auf Antrag die Kosten aufzuerlegen. Da Alcon mit ihrem Rechtsmittel unterliegt, hat sie die Kosten zu tragen.

    VII – Ergebnis

    64.   Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, wie folgt zu entscheiden:

    1.     Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

    2.     Die Alcon Inc. trägt die Kosten des Verfahrens.


    1 – Originalsprache: Deutsch.


    2 – ABl. 1994, L 11, S. 1.


    3 – Alcon/HABM, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht.


    4 – Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004 in der Rechtssache T‑334/01 (Slg. 2004, II‑2787).


    5 – Siehe zur gleich lautenden Verfahrensordnung des Gerichtshofes die Urteile vom 19. Mai 1983 in der Rechtssache 306/81 (Verros/Parlament, Slg. 1983, 1755, Randnr. 9), vom 22. November 2001 in der Rechtssache C‑301/97 (Niederlande/Rat, Slg. 2001, I‑8853, Randnrn. 166 und 169) und vom 15. Dezember 2005 in der Rechtssache C‑66/02 (Italien/Kommission, Slg. 2005, I‑10901, Randnrn. 85 f.).


    6 – Urteil Italien/Kommission (zitiert in Fußnote 5, Randnrn. 87 f.).


    7 – Urteil Italien/Kommission (zitiert in Fußnote 5, Randnrn. 103 und 108).


    8 – Urteil Niederlande/Rat (zitiert in Fußnote 5, Randnrn. 157 ff. und 169).


    9 – Urteil Verros/Parlament (zitiert in Fußnote 5, Randnrn. 7 und 10).


    10 – So die zweite Stellungnahme gegenüber der Widerspruchsabteilung, Anlage 7 zur Klage in erster Instanz, Blatt 70.


    11 – Siehe die Begründung der Beschwerde, Anlage 3 zur Klage in erster Instanz, Blatt 34.


    12 – ABl. L 303, S. 1.


    13 – Urteil vom 21. Oktober 2004 in der Rechtssache C‑447/02 P (KWS Saat/HABM, Slg. 2004, I‑10107, Randnr.  58).


    14 – Siehe die Nachweise in Randnummer 51 des angefochtenen Urteils.


    15 – Siehe speziell für das Markenrecht die Urteile vom 7. Oktober 2004 in der Rechtssache C‑136/02 P (Mag Instrument/HABM, Slg. 2004, I‑9165, Randnr. 39) und vom 15. September 2005 in der Rechtssache C‑37/03 P (BioID/HABM, Slg. 2005, I‑7975, Randnr. 43), in diesem Sinne auch das Urteil vom 19. September 2002 in der Rechtssache C‑104/00 P (DKV/HABM, Slg. 2002, I‑7561, Randnr. 22) sowie allgemeiner die Urteile vom 11. Februar 1999 in der Rechtssache C‑390/95 P (Antillean Rice Mills u. a./Kommission, Slg. 1999, I‑769, Randnr. 29), vom 15. Juni 2000 in der Rechtssache C-237/98 P (Dorsch Consult, Slg. 2000, I-4549, Randnrn. 35 f.) und vom 7. Januar 2004 in den verbundenen Rechtssachen C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P (Aalborg Portland u. a./Kommission, Slg. 2004, I-123, Randnr. 49).


    16 –      Ähnlich das Urteil der ersten Kammer des Gerichts vom 17. November 2005 in der Rechtssache T‑154/03 (Biofarma/HABM- Bausch & Lomb Pharmaceuticals [ALREX], noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 45), das Rechtsmittel mit der Rechtssachennummer C‑95/06 P wurde mittlerweile zurückgenommen.


    17 – Alcon beruft sich auf die Entscheidung der ersten Beschwerdekammer vom 12. Mai 2004 in der Sache R 304/2003-1 Pierre Fabre Medicament, SA/Fujisawa Deutschland GmbH [RIBOMUSTIN/RIBOMUNYL].


    18 – Alcon beruft sich auf das Urteil der zweiten Kammer des Gerichts vom 5. März 2003 in der Rechtssache T‑237/01 (Alcon/HABM – Dr. Robert Winzer Pharma [BSS], Slg. 2003, II‑411, Randnr. 42).


    19 – Alcon beruft sich auf den Beschluss des Gerichtshofes vom 5. Oktober 2004 in der Rechtssache C‑192/03 P (Alcon/HABM – Dr. Robert Winzer Pharma [BSS], Slg. 2004, I‑8993, Randnr. 30).


    20 – So scheint es bei der Marke BSS zu liegen, die für ein Produkt für die Augenchirurgie verwendet wird und für deren Unterscheidungskraft die Wahrnehmung medizinischer Fachleute ausschlaggebend ist (siehe den Beschluss BSS, zitiert in Fußnote 19, Randnr. 30).


    21 – Siehe oben, Nr. 36.


    22 – Urteile vom 11. November 1997 in der Rechtssache C‑251/95 (Sabèl, Slg. 1997, I‑6191, Randnr. 23) und vom 22. Juni 1999 in der Rechtssache C‑342/97 (Lloyd Schuhfabrik Meyer, Slg. 1999, I‑3819, Randnr. 25) zu dem Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 entsprechenden Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 40, S. 1).


    23 – Urteil vom 29. April 2004 in der Rechtssache C‑371/02 (Björnekulla Fruktindustrier, Slg. 2004, I‑5791, Randnr. 24).


    24 – Urteil vom 11. Dezember 2003 in der Rechtssache C-322/01 (Deutscher Apothekerverband, Slg. 2003, I-14887, Randnr. 119).


    25 – ABl. L 311, S. 67.


    26 – Vgl. die Urteile des deutschen Bundesgerichtshofs vom 15. Oktober 1992 in der Rechtssache I ZR 259/90 (CORVATON/CORVASAL, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 1993, 118, 119), vom 2. Februar 1989 in der Rechtssache I ZR 150/86 (Herzsymbol, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 1989, 425, 428) und vom 25. Januar 1990 in der Rechtssache I ZR 83/88 (L-THYROXIN, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 1990, 453, 455). Ähnlich die Entscheidung des Hearings Officer S. J. Probert des UK Patent Office vom 29. Januar 1998 (Anmeldung Nr. 1582474 durch Dallas Burston Ashbourne Limited und den Widerspruch Nr. 42375 durch Warner-Lambert Company [DICLOTARD], http://www.patent.gov.uk/tm/legal/decisions/inter1998/o01198.pdf, S. 13, Zeile 12 ff.).


    27 – Urteil vom 12. Januar 2006 in der Rechtssache C‑361/04 P (Ruiz-Picasso u. a./HABM, Slg. 2006; I-643, Randnr. 40).


    28 – Urteil Picasso (zitiert in Fußnote 27, Randnrn. 41 ff.).


    29 – Vgl. Artikel 88 Absatz 2 der Richtlinie 2001/83.


    30 – Im Ergebnis ähnlich die Urteile des deutschen Bundespatentgerichts vom 20. November 1997 in der Rechtssache 30 W (pat) 123/97 („Plantapret“, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 1998, 725 [727]) und des deutschen Bundesgerichtshofs vom 12. Februar 1998 in der Rechtssache I ZB 32/95 („salvent/Salventerol“, BGH Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 1998, S.  924 [925]).


    31 – Siehe oben, Nr. 36.


    32 – Siehe oben, Nr. 54.

    Top