Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62005CC0307

    Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro vom 10. Januar 2007.
    Yolanda Del Cerro Alonso gegen Osakidetza-Servicio Vasco de Salud.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Juzgado de lo Social nº 1 de San Sebastián - Spanien.
    Richtlinie 1999/70/EG - Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge - Grundsatz der Nichtdiskriminierung - Begriff ‚Beschäftigungsbedingungen‘ - Dienstalterszulagen - Einbeziehung - Sachliche Gründe, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen - Fehlen.
    Rechtssache C-307/05.

    Sammlung der Rechtsprechung 2007 I-07109

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2007:3

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    M. Poiares Maduro

    vom 10. Januar 2007(1)

    Rechtssache C‑307/05

    Yolanda Del Cerro Alonso

    gegen

    Osakidetza (Servicio Vasco de Salud)

    (Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de lo Social de San Sebastián [Spanien])

    „Rahmenvereinbarung EGB, UNICE und CEEP – Befristete Arbeitsverträge – Arbeitsbedingungen – Dienstalterszulagen – Nichtzahlung aufgrund von Vereinbarungen zwischen gewerkschaftlicher Vertretung des Personals und Verwaltung – Ausreichende sachliche Gründe“






    1.        Mit Beschluss vom 6. Juli 2005 hat der Juzgado de lo Social de San Sebastián (Spanien) dem Gerichtshof gemäß Art. 234 EG ein Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Paragrafen 4 der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vorgelegt, die am 18. März 1999 abgeschlossen und mit der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 (ABl. L 175, S. 43) durchgeführt wurde (im Folgenden: Rahmenvereinbarung).

    I –    Rechtlicher und tatsächlicher Rahmen

    2.        Diesem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde. Frau Del Cerro Alonso ist in einem öffentlichen Krankenhaus beschäftigt, das dem öffentlichen Gesundheitsdienst der spanischen Autonomen Gemeinschaft des Baskenlandes angeschlossen ist. In ihrer Eigenschaft als fest angestelltes Mitglied des Statutspersonals beantragte sie Zulagen für vergangene Zeiträume, in denen sie zum befristet beschäftigten Statutspersonal gehört hatte.

    3.        Diese Dienstalterszulagen werden nach Zurücklegung von drei effektiven Dienstjahren gewährt. Sowohl das Dekret 231/2000 über die Beschäftigungsbedingungen für das Personal des Servicio Vasco de Salud (baskischer Gesundheitsdienst) wie das Gesetz 55/2003 vom 16. Dezember 2003 über das Rahmenstatut für das Statutspersonal der Gesundheitsdienste, das dieses Dekret für die spanische Autonome Gemeinschaft des Baskenlandes durchführt, bestimmen indessen, dass diese Zuschläge dem fest angestellten Personal vorbehalten sind.

    4.        Da über ihren Antrag nicht entschieden wurde, rief Frau Del Cerro Alonso das vorlegende Gericht an. Der öffentliche Gesundheitsdienst trat ihrem Antrag entgegen und machte geltend, die Klägerin habe, da sie zu der für den Antrag maßgeblichen Zeit nicht zum fest angestellten Personal gehört habe, keinen Anspruch auf diese Zuschläge.

    5.        Die Auseinandersetzung vor dem vorlegenden Gericht führte zu einer Frage der Auslegung von Gemeinschaftsrecht. Die Weigerung gegenüber der Klägerin war möglicherweise eine Diskriminierung zulasten befristet beschäftigter Arbeitnehmer. Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung sieht insoweit vor, dass „[b]efristet beschäftigte Arbeitnehmer … in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil für sie ein befristeter Arbeitsvertrag oder ein befristetes Arbeitsverhältnis gilt, gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden dürfen, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt“. Damit stellt sich die Frage, ob Zahlungen von Zulagen der im vorliegenden Fall streitigen Art als „Beschäftigungsbedingungen“ im Sinne der Richtlinie 1999/70 betrachtet werden können. Dies ist der Sinn der vom Juzgado de lo Social de San Sebastián gestellten Fragen.

    1.      Meint die Richtlinie 1999/70/EG, wenn sie bestimmt, dass befristet beschäftigte Arbeitnehmer gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden dürfen, damit auch wirtschaftliche Bedingungen?

             Falls dies zu bejahen ist:

    2.      Stellt es einen ausreichenden sachlichen Grund dar, wenn Art. 44 des Gesetzes 55/2003 bestimmt, dass der mit dem Dienstalter verbundene Zuschlag, der den unbefristet angestellten Arbeitnehmern gewährt wird, nicht bezogen werden kann?

    3.      Stellen Vereinbarungen zwischen den gewerkschaftlichen Vertretern des Personals und der Verwaltung einen ausreichenden sachlichen Grund für die Weigerung dar, die Dienstalterszulage an befristet beschäftigtes Personal zu zahlen?

    II – Untersuchung

    A –    Vorerwägungen

    6.        Diese Vorlage wirft die vorab zu beantwortende Frage der Anwendbarkeit der Richtlinie 1999/70 auf den vorliegenden Sachverhalt auf. Für das vorlegende Gericht ist es nicht zweifelhaft, dass das Statutspersonal zu der Art von Arbeitnehmern gehört, die die Richtlinie erfassen will. Es wirft diese Frage daher in seinem Ersuchen gar nicht auf. Nicht alle Verfahrensbeteiligten teilen diese Gewissheit. Das gilt insbesondere für das Königreich Spanien, das diese Richtlinie im Ausgangsverfahren für nicht anwendbar hält; es beantragt, die Unzulässigkeit des Ersuchens um Vorabentscheidung festzustellen.

    7.        Vor der Beantwortung der vorgelegten Fragen ist sicherzustellen, dass die Richtlinie 1999/70 auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar ist, da dieser eine Bedienstete des Statutspersonals betrifft, für das eine öffentlich-rechtliche Regelung gilt.

    B –    Zur Anwendbarkeit der Richtlinie 1999/70 auf den vorliegenden Sachverhalt

    8.        Der Anwendungsbereich der Richtlinie ist in Paragraf 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung festgelegt. Dieser bestimmt: „Diese Vereinbarung gilt für befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder -verhältnis gemäß der gesetzlich, tarifvertraglich oder nach den Gepflogenheiten in jedem Mitgliedstaat geltenden Definition.“

    9.        Mit dieser Vorschrift hat sich der Gerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung befasst(2). Ihr ist zu entnehmen, dass die Vorschriften der Rahmenvereinbarung für befristete Arbeitsverträge und -verhältnisse gelten sollen, die mit Behörden und anderen öffentlichen Arbeitgebern geschlossen werden. Es steht nämlich fest, dass der Begriff „befristet beschäftigte Arbeitnehmer“ im Sinne der Rahmenvereinbarung sämtliche Arbeitnehmer ohne Unterscheidung danach umfasst, ob der Arbeitgeber, mit dem sie verbunden sind, zum öffentlichen oder zum privaten Sektor gehört. Offen bleibt jedoch die Frage, ob nach Eigenart und Natur des Verhältnisses zwischen Behörden und öffentlichen Einrichtungen zu ihrem Personal zu unterscheiden ist. Die Richtlinie 1999/70 gilt für Vertragsangestellte der öffentlichen Verwaltungen. Gilt sie aber auch für Statutsbedienstete? Genau diese Frage stellt sich im vorliegenden Verfahren.

    10.      Das vorlegende Gericht beruft sich in den Gründen seines Vorlagebeschlusses für die Bejahung dieser Frage auf das weite Verständnis des Begriffs „Arbeitnehmer“ in der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40). Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hält diese Bezugnahme im Kontext der vorliegenden Rechtssache für unzutreffend.

    11.      Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zeigt uns, dass es im Gemeinschaftsrecht keinen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff gibt, sondern dass dieser Begriff je nach dem untersuchten Anwendungsbereich Unterschiede aufweist(3). So steht etwa fest, dass im Bereich der Gleichbehandlung von männlichen und weiblichen Arbeitnehmern der Begriff des Arbeitnehmers ein eigenständiger Begriff des Gemeinschaftsrechts ist, der weit ausgelegt werden muss. Somit kann nicht ausgeschlossen werden, dass Beamte als eine besondere Kategorie von Arbeitnehmern betrachtet werden können(4). Demgegenüber hat es den Anschein, dass im Bereich der Wahrung der Rechte der Arbeitnehmer beim Unternehmensübergang, den die Richtlinie nur teilweise harmonisieren soll, auf die Definition abzustellen ist, die die nationalen Rechtsvorschriften für den Bereich des Arbeitsrechts zugrunde legen. Wenn daher nach diesen Rechtsvorschriften ein öffentlich-rechtlicher Bediensteter nicht dem Arbeitsrecht unterstellt ist, kann er nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Gemeinschaftsrechts für Unternehmensübergänge behandelt werden(5).

    12.      Es trifft zu, dass die Richtlinie 1999/70 ausdrücklich auf die nationalen Rechtsvorschriften verweist. Die Rechtsprechung sieht jedoch eine solche Vorgehensweise für die Auslegung nicht als entscheidend an. So hat beispielsweise der Gerichtshof im Rahmen der Richtlinie über bestimmte Aspekte der Gestaltung der Arbeitszeit entschieden, dass der Begriff „Arbeitszeit“ ein autonomer Begriff des Gemeinschaftsrechts sei, der anhand objektiver Merkmale zu bestimmen sei, obwohl in der besagten Richtlinie selbst ausdrücklich auf die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften verwiesen wurde(6). Im Gegensatz hierzu hat der Gerichtshof für einen Bereich, der dem in der vorliegenden Rechtssache nahesteht und in der Rahmenvereinbarung über die Teilzeitarbeit geregelt wird, entschieden, dass ein Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder -verhältnis gemäß der gesetzlich, tarifvertraglich oder nach den Gepflogenheiten in jedem Mitgliedstaat geltenden Definition in den Anwendungsbereich dieser Vereinbarung fällt(7).

    13.      Anscheinend hängt dieser Unterschied in der Behandlung der Verweisungen im Sozialbereich mit der Art und Weise der Fragestellung zusammen, je nachdem, ob der Gerichtshof den Zweck oder das System der auszulegenden Regelung im Vordergrund sieht. Bei der Gestaltung der Arbeitszeit verweist der Gerichtshof darauf, dass die Richtlinie eine grundlegende soziale Zielrichtung verfolgt, nämlich einen besseren Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer sicherzustellen. Mithin ist, obwohl die besagte Richtlinie insoweit lediglich Mindestvorschriften festlegt, nur eine eigenständige Auslegung des Begriffs der Arbeitszeit, die eine einheitliche Anwendung sicherstellt, geeignet, dieser Richtlinie volle Wirksamkeit zu sichern. Im Gegensatz hierzu stellt der Gerichtshof(8) beim Unternehmensübergang wie bei der Teilzeitarbeit im Wesentlichen darauf ab, dass die betreffende Richtlinie nicht bezweckt, ein einheitliches Schutzniveau in der Gemeinschaft festzulegen, oder den Mitgliedstaaten einen gewissen Ermessensspielraum belässt. Dann aber muss man einräumen, dass der Begriff des Arbeitnehmers ausschließlich anhand der Verweisung auf das anzuwendende nationale Recht bestimmt wird.

    14.      In der vorliegenden Rechtssache schlage ich einen leicht abweichenden Ansatz vor. Grundsätzlich ist es richtig, dem Buchstaben der Rahmenvereinbarung zu folgen, die die Aufgabe, die Gruppe der Arbeitnehmer zu bestimmen, die ihr unterworfen sind, dem nationalen Recht zuweist. Im vorliegenden Fall scheint Frau Del Cerro Alonso nach Aktenlage nicht dem Arbeitsrecht zu unterliegen, da sie nach dem maßgebenden nationalen Recht nicht die Rechtsstellung eines Arbeitnehmers hat. Dies wird das vorlegende Gericht zu ermitteln haben. Diese Einstufung wird jedoch nicht ohne jede Berücksichtigung des Gemeinschaftsrechts erfolgen können. Bekanntlich will der Rahmen, wie ihn die Rahmenvereinbarung geschaffen hat, ganz allgemein Missbräuche ausschalten, die sich bei Verwendung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge und -verhältnisse ergeben. Daraus lässt sich wohl ableiten, dass der Mitgliedstaat den Begriff „Arbeitnehmer“ im Sinne dieser Vereinbarung unter Bedingungen festlegen und auslegen muss, die gleichzeitig die von der Richtlinie 1999/70 verfolgten Ziele und die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, insbesondere den fundamentalen Grundsatz der Gleichbehandlung, wahren.

    15.      Diese bedingte Verweisung scheint mir die Vorgehensweise zu sein, die sowohl dem Buchstaben als auch dem Geist der Gemeinschaftsregelung gerecht wird. Mithin darf sich der betreffende Mitgliedstaat nicht damit begnügen, sich auf die formale oder spezifische Natur der für bestimmte Arbeitsverhältnisse geltenden Regeln zurückzuziehen, um diese dann dem Schutz der Rahmenvereinbarung zu entziehen. Andernfalls wäre zu befürchten, dass diese jede Wirksamkeit verlöre. Es stünde dann jedem Mitgliedstaat frei, die Vertragsbediensteten der öffentlichen Arbeitgeber Sonderregeln zu unterstellen und damit die Lösungen in Frage zu stellen, die der Gerichtshof in den Urteilen Adeneler u. a., Marrosu und Vassallo erarbeitet hat. Folglich kann der Ausschluss öffentlicher Bediensteter aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie 1999/70 nur dann zugelassen werden, wenn nachgewiesen wird, dass das Arbeitsverhältnis, das sie mit der Verwaltung verbindet, seinem Wesen nach anders ist als das, das die Beschäftigten, die nach nationalem Recht zur Gruppe der Arbeitnehmer gehören, mit ihren Arbeitgebern verbindet. Aus den Akten scheint hervorzugehen, dass das Tribunal Supremo Gelegenheit hatte, sich zum Inhalt des besonderen Verhältnisses zu äußern, das die Verbindung zwischen dem Beamten und der Verwaltungsbehörde in dem Bereich kennzeichnet, um den es in dieser Rechtssache geht; mit der Lage von Arbeitnehmern, die nicht die Rechtsstellung von Beamten haben, lässt es sich nicht vergleichen. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, inwieweit diese Einstufung den Bedingungen entspricht, die das Gemeinschaftsrecht vorgibt.

    C –    Zum Begriff der Beschäftigungsbedingungen im Sinne von Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung

    16.      Die erste Frage des vorlegenden Gerichts gilt im Kern der Auslegung des Begriffs „Beschäftigungsbedingungen“ im Sinne des Paragrafen 4 der Rahmenvereinbarung. Sie geht dahin, ob die wirtschaftlichen Bedingungen und insbesondere die Zahlung von Zuschlägen wie den im Gesetz 55/2003 vorgesehenen in den Anwendungsbereich der Nichtdiskriminierungsklausel der Rahmenvereinbarung fallen.

    17.      Für die Kommission ist die Antwort nicht zweifelhaft. Sie bezieht sich zunächst auf das allgemeine Verständnis, wonach ein Arbeitsentgelt die erste und wichtigste Beschäftigungsbedingung sei. Sie verweist ferner darauf, dass es weder in der Vereinbarung noch in ihrem normativen Kontext einen Anhaltspunkt dafür gebe, dass das Arbeitsentgelt nicht zu den Beschäftigungsbedingungen gehören sollte. Art. 139 EG, auf den die Vereinbarung gestützt sei, verweise zwar auf Art. 137 EG, der in Abs. 5 bestimme, dass „[d]ieser Artikel … nicht für das Arbeitsentgelt … [gilt]“. Eine solche Vorschrift stehe indessen dem Erlass von Rechtsvorschriften nicht entgegen, die mittelbare Auswirkungen auf das Arbeitsentgelt haben.

    18.      Wie die an diesem Verfahren beteiligten Staaten teile auch ich diese Auffassung nicht.

    19.      Sowohl der Wortlaut wie auch die Zielsetzung der Richtlinie 1999/70 scheinen mir darauf hinzuweisen, dass sie nicht für das Arbeitsentgelt gilt. Nach ihrem vierzehnten Erwägungsgrund haben die Unterzeichnerparteien „ihren Willen bekundet, durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse zu verbessern“. Außerdem bezieht sich diese Richtlinie im Gegensatz zu anderen, die auf die Art. 13 EG(9), 57 Abs. 2 Buchst. c EG und 66 EG(10) oder 141 EG(11) gestützt sind, nicht auf die Entgeltbedingungen. In einem ähnlichen Fall hat der Gerichtshof, worauf die Regierung des Vereinigten Königreichs hinweist, bereits entschieden, dass der in der Richtlinie 76/207 über die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen verwendete Ausdruck „Arbeitsbedingungen“ nicht das Arbeitsentgelt umfasse. Insbesondere in der Rechtssache McKenna(12) hat der Gerichtshof auf das Vorbringen der Kommission, die Regelung des Krankenurlaubs, um die es in dieser Sache ging, gehöre zu den Arbeitsbedingungen im Sinne der Richtlinie 76/207 in der Fassung vor ihrer Änderung durch die Richtlinie 2002/73, weil sie sich auf das Arbeitsentgelt nur mittelbar auswirke, erwidert, dass „Entgelt im Sinne des Art. 141 EG und der Richtlinie 75/117 … nicht zugleich in den Anwendungsbereich der Richtlinie 76/207 fallen [kann]“.

    20.      Nach Auffassung der Kommission kann indessen der Umstand, dass die betreffende Richtlinie Arbeitsentgelte nicht erwähnt, diese nicht von ihrem Anwendungsbereich ausschließen. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung der Richtlinien 76/207 und 75/117 über die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, auf die sich die Regierung des Vereinigten Königreich berufe, sei im vorliegenden Fall nicht maßgeblich. Wenn der Gerichtshof mit dieser Rechtsprechung den Begriff der „Arbeitsbedingungen“ habe eng auslegen wollen, so deshalb, weil es in diesem Bereich eine klare Abgrenzung des Regelungsbereichs der Richtlinie 75/117, die sich speziell mit dem Arbeitsentgelt befasst habe, von dem der späteren und allgemeineren Richtlinie 76/207 gegeben habe. Gleiches gelte nicht für den Bereich, den die hier maßgebliche Richtlinie 1999/70 erfasse.

    21.      Es trifft zu, dass der Ausdruck „Arbeitsbedingungen“ in bestimmten Fällen, wenn gegenteilige Hinweise fehlen, das Arbeitsentgelt umfassen kann. So hat der Gerichtshof für den Bereich der Wahrung der Rechte der Arbeitnehmer beim Unternehmensübergang entschieden, dass eine Kürzung der Vergütung der von dem Übergang betroffenen Arbeitnehmer als „wesentliche Änderung der Arbeitsbedingungen“ im Sinne der Richtlinie 77/187 anzusehen sei(13). Es sei jedoch klargestellt, dass diese Richtlinie aufgrund der Vertragsbestimmungen über die Errichtung des Gemeinsamen Marktes erlassen wurde. Demgegenüber knüpft die betreffende Richtlinie genau wie die Richtlinien über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen an die Sozialvorschriften des Vertrags an. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung ein Text des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts, wenn er der Auslegung bedarf, in Übereinstimmung mit den Vorschriften des Vertrags auszulegen ist(14).

    22.      Rechtsgrundlage der Richtlinie 1999/70 ist Art. 139 Abs. 2 EG. Dort heißt es: „Die Durchführung der auf Gemeinschaftsebene geschlossenen Vereinbarungen erfolgt … – in den durch Artikel 137 erfassten Bereichen – auf gemeinsamen Vorschlag der Unterzeichnerparteien durch einen Beschluss des Rates auf Vorschlag der Kommission“ (Hervorhebung nur hier). Aus Art. 137 Abs. 5 EG ergibt sich jedoch eindeutig, dass der Rat nicht befugt ist, auf dieser Grundlage Maßnahmen bezüglich des Arbeitsentgelts zu beschließen(15). Damit ist das Fehlen jedes Hinweises auf das Arbeitsentgelt in der Richtlinie 1999/70 als ausdrücklicher Wille zu verstehen, dieses von ihrem Anwendungsbereich auszuschließen.

    23.      Die Kommission tritt jedoch dieser Auslegung entgegen. Der Vertrag sei dahin auszulegen, dass die auf Art. 137 EG gestützten Rechtsakte Höhe oder Natur des Arbeitsentgelts nicht unmittelbar festlegen dürften. Hingegen stehe es ganz im Belieben des Gesetzgebers, Rechtsvorschriften wie die im vorliegenden Fall zu erlassen, die nur mittelbare oder beiläufige Auswirkungen auf das Arbeitsentgelt hätten. Nur unter dieser Voraussetzung könne die praktische Wirksamkeit des Art. 137 EG gewahrt bleiben. Folglich seien die Mitgliedstaaten durchaus befugt, die Modalitäten der Festlegung und das Niveau des Arbeitsentgelts festzulegen, hingegen dürften sie nicht zulassen, dass befristet beschäftigte Arbeitnehmer bei den Arbeitsentgelten diskriminiert würden.

    24.      Diese Auslegung ist gewiss verlockend. Sie findet jedoch in der ausgelegten Vorschrift keine tragfähige Stütze. Außerdem würde sie, wenn man ihr folgte, Art. 137 Abs. 5 EG jeglichen Sinn nehmen. Nach dieser Auslegung wäre es möglich, beim Erlass von Rechtsvorschriften über die Beschäftigungsbedingungen Bedingungen für das Arbeitsentgelt festzulegen. Es liegt indessen auf der Hand, dass die Angleichung der Entgeltbedingungen unmittelbaren Einfluss auf deren Niveau und Natur haben könnte. Eine solche Folge widerspräche offensichtlich den Absichten, die die Verfasser des Vertrags mit Art. 137 Abs. 5 EG verbunden haben. Welches immer die Bedeutung des Ziels der Gleichheit der Entgeltbedingungen für befristet beschäftigte Arbeitnehmer sein mag, es bleibt festzuhalten, dass unbezweifelbar Art. 139 Abs. 2 EG in Verbindung mit Art. 137 EG keine geeignete Grundlage hierfür sein kann.

    25.      Hieraus folgt, dass zwar Arbeitsentgelte in den Augen jedes Arbeitnehmers eine wesentliche Beschäftigungsbedingung darstellen mögen, dass aber gleichwohl die Richtlinie 1999/70 dahin auszulegen ist, dass Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung, der sie durchführt, wirtschaftliche Bedingungen und jede Art von Arbeitsentgelt von deren Anwendungsbereich ausschließt.

    D –    Zur zweiten und zur dritten Frage

    26.      Da diese Fragen dem Gerichtshof nur vorgelegt worden sind, falls die erste Frage zu bejahen sein sollte, sind sie nicht zu beantworten.

    III – Ergebnis

    27.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die vom Juzgado de lo Social de San Sebastián gestellten Fragen wie folgt zu antworten:

    Die Richtlinie 1999/70/EWG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge ist wie folgt auszulegen:

    –        Befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder ‑verhältnis gemäß der gesetzlich, tarifvertraglich oder nach den Gepflogenheiten in jedem Mitgliedstaat geltenden Definition fallen in den Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung im Anhang dieser Richtlinie. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, sicherzustellen, dass diese Einstufung vom nationalen Recht unter Bedingungen durchgeführt wird, die gleichzeitig die von der Richtlinie 1999/70 verfolgten Ziele und die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, insbesondere den fundamentalen Grundsatz der Gleichbehandlung, beachten. Der Ausschluss einer Gruppe des Personals aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie kann nicht allein damit gerechtfertigt werden, dass für diese Gruppe Sonderregeln gelten. Der Ausschluss muss vielmehr dadurch gerechtfertigt sein, dass ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, das seiner Art nach nicht mit den Arbeitsverhältnissen verglichen werden kann, die nach nationalem Recht den Vorschriften der Rahmenvereinbarung unterliegen.

    –        Paragraf 4 der Rahmenvereinbarung im Anhang der Richtlinie 1999/70 gilt nur für Beschäftigungsbedingungen ausschließlich der Arbeitsentgelte.


    1 – Originalsprache: Portugiesisch.


    2 – Vgl. Urteile vom 4. Juli 2006, Adeneler u. a. (C‑212/04, Slg. 2006, I‑0000, Randnrn. 54 bis 57), vom 7. September 2006, Marrosu und Sardino (C‑53/04, Slg. 2006, I‑0000, Randnrn. 39 bis 41) und vom 7. September 2006, Vassallo, (C‑180/04, Slg. 2006, I‑0000, Randnr. 32).


    3 – Vgl. Urteil vom 12. Mai 1998, Martínez Sala (C‑85/96, Slg. 1998, I‑2691, Randnr. 31).


    4 – Vgl. Urteile vom 29. November 2001, Griesmar (C‑366/99, Slg. 2001, I‑9383, Randnr. 31), vom 12. September 2002, Niemi (C‑351/00, Slg. 2002, I‑7007, Randnr. 48), vom 23. Oktober 2003, Schönheit und Becker (C‑4/02 und 5/02, Slg. 2003, I‑12575, Randnr. 60) und vom 30. September 2004, Briheche (C‑319/03, Slg. 2004, I‑8807, Randnr. 18).


    5 – Vgl. Urteile vom 11. Juli 1985, Danmols Inventar (105/84, Slg. 1985, 2639, Randnrn. 26 bis 28) und vom 14. September 2000, Collino und Chiappero (C‑343/98, Slg. 2000, I‑6659, Randnrn. 36 bis 39).


    6 – Vgl. Urteile vom 9. September 2003, Jaeger (C‑151/02, Slg. 2003, I‑8389, Randnrn. 58 und 59) und vom 1. Dezember 2005, Dellas u. a. (C‑14/04, Slg. 2005, I‑10253, Randnrn. 44 und 45).


    7 – Vgl. Urteil vom 12. Oktober 2004, Wippel (C‑313/02, Slg. 2004, I‑9483, Randnr. 40).


    8 – Im Gegensatz zur Auffassung von Generalanwalt Alber, der dem Ziel der Richtlinie, die Rechte der Arbeitnehmer bei Unternehmensübergang zu wahren, Vorrang einräumte und eine extensive Auslegung unter Einschluss auch der Beamten befürwortete (vgl. seine Schlussanträge in der Rechtssache Collino und Chiappero, zitiert in Fn. 5, Nrn. 67 bis 79).


    9 – Vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. L 180, S. 22); vgl. auch Art. 3 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).


    10 – Vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. 1997, L 18, S. 1). Zur Anwendung dieser Vorschrift vgl. Urteil vom 14. April 2005, Kommission/Deutschland (C‑341/02, Slg. 2005, I‑2733).


    11 – Vgl. Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (ABl. L 45, S. 19); vgl. sodann Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40), geändert durch die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 (ABl. L 269, S. 15).


    12 – Urteil vom 8. September 2005, McKenna (C‑191/03, Slg. 2005, I‑7631, Randnr. 30); vgl. zuvor in gleichem Sinne Urteil vom 13. Februar 1996, Gillespie u. a. (C‑342/93, Slg. 1996, I‑475, Randnr. 24).


    13 – Vgl. Urteil vom 1. November 2004, Delahaye (C‑425/02, Slg. 2004, I‑10823, Randnr. 33).


    14 – Vgl. Urteil vom 29. Juni 1995, Spanien/Kommission (C‑135/93, Slg. 1995, I‑1651, Randnr. 37), oder zumindest nicht in gegenteiligem Sinne Urteil vom 9. Juni 1992, Delhaize und Le Lion (C‑47/90, Slg. 1992, I‑3669, Randnr. 26).


    15 – Wie die Rechtsprechung übrigens bestätigt hat: vgl. Urteil Dellas u. a. (zitiert in Fn. 6, Randnr. 39).

    Top