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Judgment of the Court of First Instance (Second Chamber) of 10 March 2004.#Malagutti-Vezinhet SA v Commission of the European Communities.#General safety of goods - Community rapid alert system for food and feed - Claim for compensation.#Case T-177/02.
Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite Kammer) vom 10. März 2004. Malagutti-Vezinhet SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Allgemeine Produktsicherheit - Gemeinschaftsschnellwarnsystem für Lebensmittel - Schadensersatzklage. Rechtssache T-177/02.
Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite Kammer) vom 10. März 2004. Malagutti-Vezinhet SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Allgemeine Produktsicherheit - Gemeinschaftsschnellwarnsystem für Lebensmittel - Schadensersatzklage. Rechtssache T-177/02.
„Allgemeine Produktsicherheit – Gemeinschaftsschnellwarnsystem für Lebensmittel – Schadensersatzklage“
Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 10. März 2004
Leitsätze des Urteils
1. Außervertragliche Haftung – Voraussetzungen – Rechtswidrigkeit – Schaden – Kausalzusammenhang – Nichtvorliegen einer der Voraussetzungen
– Abweisung der Schadensersatzklage in vollem Umfang
(Artikel 288 Absatz 2 EG)
2. Rechtsangleichung – Allgemeine Produktsicherheit – Richtlinie 92/59 – Gemeinschaftsschnellwarnsystem für Lebensmittel – Jeweilige
Zuständigkeiten der nationalen Stellen und der Kommission
(Richtlinie 92/59 des Rates)
3. Rechtsangleichung – Allgemeine Produktsicherheit – Richtlinie 92/59 – Gemeinschaftsschnellwarnsystem für Lebensmittel – Grundsatz
der Vorsorge
(Richtlinie 92/59 des Rates)
1. Die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft ist von der Erfüllung mehrerer Voraussetzungen abhängig, nämlich davon, dass
das den Organen vorgeworfene Verhalten rechtswidrig war, dass tatsächlich ein Schaden eingetreten ist und dass ein ursächlicher
Zusammenhang zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden besteht. Ist eine dieser Voraussetzungen
nicht erfüllt, ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass die übrigen Voraussetzungen geprüft zu werden brauchten.
(vgl. Randnr. 32)
2. Das mit der Richtlinie 92/59 über die allgemeine Produktsicherheit errichtete Gemeinschaftsschnellwarnsystem für Lebensmittel
weist die Verantwortung für die Feststellung, ob eine ernste und unmittelbare Gefahr für die Gesundheit und Sicherheit der
Verbraucher vorliegt, allein den Mitgliedstaaten und nicht der Kommission zu. Somit obliegt es den Mitgliedstaaten, nachdem
sie eine ernste und unmittelbare Gefahr erkannt haben, deren Auswirkungen sich über ihr Staatsgebiet hinaus ausdehnen bzw.
ausdehnen könnten, die Kommission unverzüglich davon zu benachrichtigen und ihr Informationen zu liefern, die es gestatten,
das Erzeugnis und die Absatzkette zu identifizieren. Die Kommission ihrerseits beschränkt sich auf die Prüfung, ob diese Informationen
als solche in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen können, während die Richtigkeit der Feststellungen und Untersuchungen,
die die Mitgliedstaaten zur Übermittlung dieser Informationen veranlasst haben, nicht Gegenstand dieser Prüfung sind.
(vgl. Randnrn. 51-52)
3. Was die Verhütung von Gefahren für die Gesundheit der Verbraucher anbelangt und soweit Ungewissheiten bestehen können, kann
die zuständige Stelle nach dem im Bereich des Schutzes der öffentlichen Gesundheit geltenden Vorsorgegrundsatz verpflichtet
sein, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um bestimmten potenziellen Gefahren für die öffentliche Gesundheit vorzubeugen,
und zwar, ohne abzuwarten, dass das tatsächliche Vorliegen und die Ernsthaftigkeit dieser Gefahren in vollem Umfang nachgewiesen
sind. Müsste vor dem Erlass solcher Maßnahmen das Ergebnis aller erforderlichen Untersuchungen abgewartet werden, würde dem
Vorsorgegrundsatz seine praktische Wirksamkeit genommen. Diese Überlegung gilt auch für ein Schnellinformationssystem wie
das mit der Richtlinie 92/59 über die allgemeine Produktsicherheit errichtete; folglich muss ein Unternehmen, das Leidtragender
dieses zum Schutz der menschlichen Gesundheit errichteten Warnsystems geworden ist, dessen negative wirtschaftliche Folgen
hinnehmen, da dem Schutz der öffentlichen Gesundheit Vorrang vor wirtschaftlichen Erwägungen einzuräumen ist.
(vgl. Randnr. 54)
URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer) 10. März 2004(1)
In der Rechtssache T-177/02
Malagutti-Vezinhet SA, in gerichtlicher Liquidation, mit Sitz in Cavaillon (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte B. Favarel Veidig
und N. Boron, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M.-J. Jonczy und M. França als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
wegen Ersatzes des Schadens, den die Klägerin infolge einer von der Kommission verbreiteten Schnellwarnung erlitten haben
soll, in der über Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln in Äpfeln aus Frankreich informiert und die Klägerin als Ausführer
der fraglichen Waren namentlich genannt wurde,
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood sowie der Richter J. Pirrung und A. W. H. Meij,
Kanzler: B. Pastor, Hilfskanzlerin,
folgendes
Urteil
Rechtlicher Rahmen und Sachverhalt
Gemeinschaftsschnellwarnsystem
1
Die Richtlinie 92/59/EWG des Rates vom 29. Juni 1992 über die allgemeine Produktsicherheit (ABl. L 228, S. 24, nachfolgend:
Richtlinie) hat für alle auf den Markt gebrachten Produkte, die für die Verbraucher bestimmt sind oder von ihnen verwendet
werden können, gemeinschaftsweit eine allgemeine Sicherheitsanforderung geschaffen. Dazu ist mit der Richtlinie insbesondere
ein System für den raschen Informationsaustausch über Produktsicherheitsnotfälle errichtet worden. Es handelt sich um das
„Gemeinschaftsschnellwarnsystem für Lebensmittel“ (nachfolgend: GSWS), an dem sich auch die Unterzeichnerstaaten des Abkommens
über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), darunter die Republik Island, beteiligen.
2
Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie definiert als „sicheres Produkt“ „jedes Produkt, das bei normaler oder vernünftigerweise
vorhersehbarer Verwendung, was auch die Gebrauchsdauer einschließt, keine oder nur geringe, mit seiner Verwendung zu vereinbarende
und unter Wahrung eines hohen Schutzniveaus für die [Gesundheit] und Sicherheit von Personen vertretbare Gefahren birgt“.
3
Die Artikel 5 und 6 der Richtlinie bestimmen die Pflichten und Befugnisse der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Produktsicherheitskontrolle.
4
In Artikel 7 der Richtlinie heißt es:
„(1) Trifft ein Mitgliedstaat Maßnahmen, durch die das Inverkehrbringen eines Produkts oder eines Produktpostens beschränkt
oder seine Rücknahme vom Markt … angeordnet wird, so unterrichtet er hiervon unter Angabe der Gründe die Kommission … Diese
Verpflichtung besteht nicht, wenn die Maßnahmen einen Vorfall betreffen, der nur örtliche, auf jeden Fall auf das Hoheitsgebiet
des betreffenden Mitgliedstaats begrenzte Auswirkungen hat.
(2) Die Kommission konsultiert umgehend die betroffenen Parteien. Stellt die Kommission nach dieser Konsultation fest, dass
die Maßnahme gerechtfertigt ist, so unterrichtet sie unverzüglich den Mitgliedstaat, der die Maßnahme getroffen hat, sowie
die übrigen Mitgliedstaaten. Stellt die Kommission nach dieser Konsultation fest, dass die Maßnahme nicht gerechtfertigt ist,
so unterrichtet sie unverzüglich den Mitgliedstaat, der die Maßnahme getroffen hat.“
5
Zum GSWS bestimmt Artikel 8 der Richtlinie:
„(1) Trifft ein Mitgliedstaat Sofortmaßnahmen oder beschließt er die Einführung von Sofortmaßnahmen, welche die etwaige Vermarktung
oder Verwendung eines Produkts oder eines Produktpostens in seinem Hoheitsgebiet verhindern, einschränken oder besonderen
Bedingungen unterwerfen, weil das betreffende Produkt oder der betreffende Produktposten eine ernste und unmittelbare Gefahr
für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher darstellt, so unterrichtet er hiervon unverzüglich die Kommission …
(2) Bei Erhalt solcher Informationen überprüft die Kommission sie auf ihre Übereinstimmung mit der vorliegenden Richtlinie
und übermittelt sie den übrigen Mitgliedstaaten, die ihrerseits der Kommission unverzüglich mitteilen, welche Maßnahmen sie
ergriffen haben.“
6
Der Anhang der Richtlinie stellt die detaillierten Verfahrensregeln zur Durchführung des GSWS auf.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
7
Die Klägerin führt Obst und Gemüse aus Frankreich u. a. in die Niederlande und das Vereinigte Königreich aus.
8
Wie aus mehreren Rechnungen mit Datum August 2001 hervorgeht, verkaufte sie an die niederländische Firma van den Bosch mehrere
hundert Kisten Äpfel aus Frankreich, die mit dem Schädlingsbekämpfungsmittel Dicofol behandelt worden waren.
9
Am Donnerstag, dem 6. September 2001, wurde die Kommission im Rahmen des GSWS von der isländischen Kontaktstelle davon informiert,
dass die zuständige isländische Behörde am 4. September entschieden hatte, eine Partie Äpfel aus Frankreich, die über die
Niederlande in den Verkehr gebracht worden waren, aus dem Verkehr zu ziehen und zurückzuweisen, nachdem am 3. September festgestellt
worden war, dass diese Äpfel 0,8 mg/kg Dicofol enthielten. In der Information wurde angegeben, dass die Waren von der Firma
J. P. Viens SA über die Niederlande vertrieben worden waren und dass der isländische Einführer sie bei der niederländischen
Firma Greevecetrus gekauft hatte; dieser Nachricht war eine Kopie der Untersuchungsergebnisse beigefügt.
10
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Dicofol‑Höchstgehalt für Äpfel durch die zur maßgeblichen Zeit geltende Gemeinschaftsregelung
über die Höchstgehalte an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln in Obst und Gemüse auf 0,02 mg/kg festgesetzt war,
so dass dieser Höchstgehalt für die im September 2001 von Island untersuchten Äpfel galt.
11
Am Montag, dem 10. September 2001, übermittelte die Kommission nach Konsultation ihrer zuständigen technischen Dienststellen
die isländische Meldung mittels der Originalmitteilung 2001/KL an die Kontaktstellen der am GSWS beteiligten Staaten. In dieser
Mitteilung heißt es:
„pesticide residues (Dicofol) in apples from France via the Netherlands … The product has been recalled and will be rejected.
Exporter: JP Viens S.A. The contact points in France and in the Netherlands are kindly requested to provide the Commission
services with the possible distribution to other members of the E.E.A. of the product involved“ (Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln
[Dicofol] in über die Niederlande vertriebenen Äpfeln aus Frankreich … Die Ware ist aus dem Verkehr gezogen worden und wird
zurückgewiesen werden. Ausführer: J. P. Viens SA. Die Kontaktstellen in Frankreich und in den Niederlanden werden gebeten,
die Kommissionsdienststellen über einen etwaigen Vertrieb der betreffenden Ware in andere EWR‑Mitgliedstaaten zu informieren).
12
Am Freitag, dem 14. September 2001, erhielt die Kommission eine E‑Mail von der niederländischen Kontaktstelle, in der ihr
mitgeteilt wurde, wer am Inverkehrbringen der fraglichen Äpfel beteiligt war, wozu auch die Klägerin gehörte. Die Kommission
verbreitete diese Meldung unverzüglich als Zusatzinformation 2001/KL‑add01 an die GSWS‑Kontaktstellen. In dieser Information
heißt es:
„pesticide residues (Dicofol) in apples from France via the Netherlands. The company ‘Greve’ (NL) mentioned in the notification
received the apples from the company ‘Bosch’ situated in Alkmaar (NL) which in his turn receives them from the below mentioned
company:
Supplier in France: Company ‘Malagutti’ at Cavaillon (FR)
Tel. +33-4900-66767; Fax: +33-490066768
The Consignment has been received by the company ‘Greve’ on 20-08-2001 and no stock remained. The distribution is still subject
of investigation.
How the name ‘Viens’ is involved is completely unknown“ (Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln [Dicofol] in über die
Niederlande vertriebenen Äpfeln aus Frankreich. Die in der Mitteilung genannte Firma „Greve“ [NL] erhielt die Äpfel von der
Firma „Bosch“ mit Sitz in Alkmaar [NL], die sie wiederum von der nachstehend genannten Firma erhalten hatte: Lieferant in
Frankreich: Firma „Malagutti“ in Cavaillon [FR], Tel. +33-4900-66767; Fax: +33-490066768. Die Firma „Greve“ hat die Ware am
20. August 2001 erhalten, und es gibt keine Lagerbestände mehr. Ermittlungen über den Vertrieb laufen noch. Welche Rolle der
Name „Viens“ spielt, ist völlig unbekannt).
13
Am 17. und 18. September 2001 gaben zwei britische Einrichtungen (das „Pesticides Safety Directorate“ und das „Fresh Produce
Consortium“) Meldungen heraus, die auf die Gefährdung durch das Dicofol in den von der Klägerin ausgeführten Äpfeln hinwiesen.
Diese Meldungen wurden den Hauptbeteiligten im britischen Vertrieb mit dem ausdrücklichen Hinweis übermittelt, dass die Produkte
der Klägerin nicht eingeführt oder in den Verkehr gebracht werden dürften.
14
Daraufhin brach der Handel der Klägerin mit dem Vereinigten Königreich ab. Zwei bereits versandte Ladungen Äpfel wurden nach
Frankreich zurückgeschickt, und die Klägerin musste die Hin‑ und Rücktransportkosten und die Lagerkosten im Vereinigten Königreich
zahlen. Der Kauf einer dritten Ladung wurde rückgängig gemacht. All diese Ladungen wurden zu einem niedrigeren Preis als im
Vereinigten Königreich verkauft.
15
Am 19. September 2001 entnahmen die französischen Behörden dem Lager der Klägerin Äpfel der Kategorie der in Island zurückgewiesenen
Äpfel.
16
Am 20. September 2001 richtete die Klägerin ein Fax an die Kommission, in dem sie erklärte, dass sie niemals Äpfel nach Island
ausgeführt habe, und ein förmliches Dementi der Kommission forderte. Am 25. September 2001 unterrichtete sie die Kommission,
nachdem sie die Begründetheit der herausgegebenen Meldungen bestritten hatte, über den entstandenen Schaden.
17
Am 26. September 2001 teilte Frankreich der GSWS‑Kontaktstelle der Kommission das Ergebnis der Untersuchungen mit, die es
an den am 19. September bei der Klägerin entnommenen Äpfeln durchgeführt hatte. In dieser Mitteilung heißt es:
„Die amtlichen französischen Kontrolldienststellen haben beim betroffenen Unternehmen Proben entnommen. … In den fünf untersuchten
Proben wurde kein Dicofol festgestellt.“
18
Ebenfalls am 26. September 2001 brachte die Kommission den GSWS‑Kontaktstellen den vollständigen Wortlaut dieser Mitteilung
unter Hinweis darauf, dass sie ihn von der Kontaktstelle in Frankreich erhalten habe, mittels einer Zusatzinformation (2001/KL‑add02)
zur Kenntnis, die wie folgt lautet:
„outcome of investigation in France – Analysis for the detection of pesticide residues performed in France at the establishment
mentioned in notification 2001/KL‑add01 on 5 samples gave negative results (no detection of dicofol). The contact point in
the Netherlands is kindly reminded to the request for submission of accompanying documents of the consignments involved“ (Ergebnis
der Untersuchung in Frankreich – Die in Frankreich bei dem in Mitteilung 2001/KL-add01 genannten Unternehmen durchgeführte
Untersuchung von 5 Proben auf Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln hin ergab ein negatives Ergebnis [Dicofol wurde
nicht entdeckt]. Die Kontaktstelle in den Niederlanden wird nach wie vor gebeten, die Begleitdokumente der betreffenden Partien
zu übermitteln).
19
Am 29. November 2001 erhielt die Kommission eine Forderung auf Ersatz des Schadens, der der Klägerin infolge der im Rahmen
des GSWS verbreiteten Meldungen über die Entdeckung eines über das zulässige Maß hinausgehenden Dicofol‑Gehalts in den von
ihr ausgeführten Äpfeln entstanden sei.
20
Mit Schreiben vom 3. April 2002 wies die Kommission diese Schadensersatzforderung zurück.
Verfahren und Anträge der Parteien
21
Unter diesen Umständen hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 10. Juni 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist,
die vorliegende Klage erhoben.
22
Das Gericht (Zweite Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen.
23
In der Sitzung vom 4. November 2003 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. Bei dieser
Gelegenheit hat die Kommission ein Papier eingereicht. Nach der Übermittlung der schriftlichen Erklärungen der Klägerin zu
diesem Papier ist das mündliche Verfahren am 1. Dezember 2003 geschlossen worden.
24
Die Klägerin beantragt,
–
die Kommission zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 704 998,74 Euro zu verurteilen;
–
der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
25
Die Kommission beantragt,
–
die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet, abzuweisen;
–
der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Zur Zulässigkeit
26
Die Kommission ist, ohne förmlich eine Unzulässigkeitseinrede zu erheben, der Ansicht, dass die Klage unzulässig sei.
27
Denn die Kommission habe den Mitgliedstaaten die nach Artikel 8 der Richtlinie erhaltenen Informationen im Rahmen einer internen
Zusammenarbeit mit den nationalen Einrichtungen mitgeteilt, die mit der Anwendung der Gemeinschaftsregelung, nämlich des GSWS,
betraut seien. Eine solche Zusammenarbeit könne keine Haftung der Gemeinschaft gegenüber Einzelnen auslösen, da das Absetzen
der Warnung letztlich auf der Initiative und der Analyse allein der Mitgliedstaaten beruhe.
28
Die Klägerin hätte deshalb das zuständige nationale Gericht anrufen müssen. Denn die Frage, ob ein Schaden zu ersetzen sei,
der Privatpersonen von nationalen Stellen entweder durch eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts oder durch ein gegen das
nationale Recht verstoßendes Tun oder Unterlassen bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts zugefügt worden sei, sei von den
nationalen Gerichten zu klären (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 101/78, Granaria, Slg. 1979,
623). Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass sie durch eine Schadensersatzklage vor den nationalen Gerichten des einen
oder des anderen beteiligten Staates keinen billigen Ersatz des geltend gemachten Schadens hätte erlangen können.
29
Jedoch rügt die Klägerin hier ein Fehlverhalten der Kommission, das nicht den nationalen Stellen zugerechnet werden kann.
30
Die Klägerin bringt nämlich vor, der Kommission komme im Rahmen des GSWS eine eigene Rolle zu: Nach Artikel 8 Absatz 2 der
Richtlinie und deren Anhang hätte sie vor der Übermittlung der erhaltenen Meldungen an die anderen Mitgliedstaaten die Übereinstimmung
dieser Meldungen mit der Richtlinie überprüfen und beurteilen müssen, ob die betreffende Gefahr tatsächlich bestehe und ob
sie unmittelbar drohe und ernst sei. Diese Überprüfung und Beurteilung sowie die Weitergabe der Warnung seien ausschließlich
Sache der Kommission. Hätte die Kommission den Namen der Klägerin nicht im Rahmen des GSWS rechtswidrig öffentlich gemacht,
hätten die britischen Einrichtungen, die – gestützt auf die von der Kommission verbreiteten amtlichen Warnmeldungen – zum
Boykott der Produkte der Klägerin aufgerufen hätten, ihre Boykottaufrufe, die der Klägerin schweren Schaden zugefügt hätten,
nicht verbreitet.
31
Die Klägerin hat somit schlüssig dargelegt, aus welchen Gründen das Verhalten der Kommission geeignet war, ihre wirtschaftlichen
Interessen zu verletzen und den entstandenen Schaden zu verursachen (siehe in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 28.
Januar 1986 in der Rechtssache 169/84, COFAZ u. a./Kommission, Slg. 1986, 391, Randnr. 28). Folglich ist die Klage zulässig,
wobei darauf hingewiesen sei, dass die Frage, ob das der Kommission vorgeworfene Verhalten tatsächlich rechtswidrig war, zur
Begründetheitsprüfung gehört.
Zur Begründetheit
32
Nach ständiger Rechtsprechung ist die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft von der Erfüllung mehrerer Voraussetzungen
abhängig, nämlich davon, dass das den Organen vorgeworfene Verhalten rechtswidrig war, dass tatsächlich ein Schaden eingetreten
ist und dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden besteht. Ist
eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass die übrigen Voraussetzungen geprüft
zu werden brauchten (siehe u. a. Urteile des Gerichts vom 13. Dezember 1995 in den Rechtssachen T‑481/93 und T‑484/93, Exporteurs
in Levende Varkens u. a./Kommission, Slg. 1995, II‑2941, Randnr. 80, und vom 24. April 2002 in der Rechtssache T‑220/96, EVO/Rat
und Kommission, Slg. 2002, II‑2265, Randnr. 39 und die dort zitierte Rechtsprechung).
33
Im vorliegenden Fall ist zunächst das Vorbringen der Klägerin zur Rechtswidrigkeit des der Kommission vorgeworfenen Verhaltens
zu prüfen.
Vorbringen der Parteien
34
Die Klägerin macht in Bezug auf die von ihr im Jahr 2001 ausgeführten Äpfel geltend, dass der Dicofolgehalt zur Zeit der Behandlung
dieser Äpfel im Januar 2001 nach den auf nationaler und auf Gemeinschaftsebene geltenden Vorschriften 1 mg/kg habe betragen
dürfen. Die Pflicht zur Verringerung des Dicofolgehalts auf 0,02 mg/kg ergebe sich für Frankreich aus dem im Journal officiel de la République française vom 3. April 2001 veröffentlichten Erlass vom 8. Februar 2001. Im Übrigen sei die Gemeinschaftsregelung, die die Verringerung
des Dicofolgehalts auf 0,02 mg/kg vorgesehen habe, erst am 1. Juli 2001 in Kraft getreten. Die Pflicht zur Verringerung sei
somit entstanden, als die fraglichen Äpfel bereits in den Verkehr gebracht gewesen seien.
35
Nach Ansicht der Klägerin war das Verhalten der Kommission rechtswidrig, da die Rechtspflicht, sie gemäß Artikel 7 Absatz
2 der Richtlinie vor Verbreitung der streitigen Warnungen zu konsultieren, nicht beachtet worden sei. Für die Klägerin besteht
kein Zweifel daran, dass sich die britischen Einrichtungen durchaus auf die von der Kommission verbreiteten Warnmeldungen
gestützt hätten, ohne die sie niemals zum Boykott der Produkte der Klägerin aufgerufen hätten.
36
Außerdem liege im Unterlassen der Konsultation eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, und die Verbreitung ihres Namens, ihrer
Adresse und ihrer Fax- und Telefonnummern verstoße gegen den Grundsatz der Vertraulichkeit.
37
Die Kommission hätte weiter prüfen müssen, ob die isländischen Maßnahmen im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
gestanden hätten. Noch einschränkendere Maßnahmen seien nicht möglich gewesen, da die Waren aus dem Verkehr gezogen worden
seien und zurückgewiesen werden sollten.
38
Es gebe keinen Beweis für die Herkunft der kontrollierten Produkte. Die von Island herausgegebene Meldung betreffe Äpfel,
die von einer anderen französischen Firma, nämlich der J. P. Viens SA, ausgeführt worden seien. Die Klägerin habe ihre Äpfel
aber an eine niederländische Firma verkauft. Deshalb sei nicht erwiesen, dass die in Island kontrollierten Äpfel von ihr selbst
gestammt hätten.
39
In der von Island herausgegebenen Meldung sei von keiner ernsten und unmittelbaren Gefahr die Rede, sondern nur von der Überschreitung
des Dicofol‑Höchstgehalts in einer Partie kontrollierter Äpfel. Im vorliegenden Fall habe in der Tat keinerlei ernste und
unmittelbare Gefahr bestanden. Im Übrigen habe die Kommission nicht das besondere Verfahren für Fälle ernster und unmittelbarer
Gefahr eingeleitet.
40
Eine rasche Überprüfung hätte die Feststellung erlaubt, dass die vorgenommenen Untersuchungen einen Dicofolgehalt ergeben
hätten, der mit den zur Zeit der Behandlung der Äpfel geltenden Vorschriften im Einklang gestanden habe, und dass die Verbraucher
keinerlei Gefahr ausgesetzt gewesen seien. Die im September und Oktober 2001 von französischen Labors durchgeführten Untersuchungen
hätten nachgewiesen, dass die für den englischen Markt bestimmten Äpfel die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben uneingeschränkt
erfüllt hätten. Zwar hätten diese Untersuchungen andere Partien zum Gegenstand gehabt als die, aufgrund deren Island gehandelt
habe, ihre negativen Ergebnisse sprächen jedoch in hohem Maße dafür, dass die von der Klägerin vertriebenen Produkte vorschriftskonform
gewesen seien.
41
Die Kommission weist darauf hin, dass sie im Rahmen des GSWS verpflichtet sei, jede Meldung zu verbreiten, in der von Problemen
und Gefahren in Bezug auf Lebensmittel die Rede sei, die nicht den Vorschriften über die Lebensmittelsicherheit entsprächen.
Nachdem sie von der isländischen Kontaktstelle davon in Kenntnis gesetzt worden sei, dass in Äpfeln aus Frankreich Dicofolrückstände
entdeckt worden seien, die den zulässigen Höchstgehalt überschritten hätten, habe sie somit die isländische Warnmeldung weiterleiten
müssen. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin sei ein Produkt mit einem höheren als dem nach dem Gemeinschaftsrecht zulässigen
Dicofolgehalt kein sicheres Produkt.
42
Folglich sei keiner der Vorwürfe, die die Klägerin gegen sie erhoben habe, begründet.
Würdigung durch das Gericht
43
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie für die Überwachung der Produktsicherheit einerseits und für den Erlass
angemessener Maßnahmen im Fall der Entdeckung eines gefährlichen Produkts andererseits zwei verschiedene Verfahren errichtet
hat.
44
Nach dem ersten, mit den Artikeln 6 und 7 der Richtlinie errichteten Verfahren haben die nationalen Behörden die Befugnis,
das Inverkehrbringen eines Produkts Vorbedingungen zu unterwerfen, um das Produkt sicher zu machen, jedes Inverkehrbringen
zu verbieten, wenn sich das betreffende Produkt als gefährlich erwiesen hat, und die Rücknahme eines bereits auf dem Markt
befindlichen gefährlichen Produkts zu organisieren (Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben d, g und h). Treffen nationale Behörden
eine der Maßnahmen nach Artikel 6 Absatz 1, müssen sie die Kommission davon unterrichten, die die betroffenen Parteien umgehend
konsultiert, prüft, ob die getroffene Maßnahme gerechtfertigt oder ungerechtfertigt ist, und die nationalen Behörden unverzüglich
davon unterrichtet (Artikel 7).
45
Das zweite, mit Artikel 8 der Richtlinie und deren Anhang errichtete Verfahren betrifft Notfälle auf Gemeinschaftsebene: Treffen
nationale Behörden Sofortmaßnahmen oder beabsichtigen sie, Sofortmaßnahmen zu treffen, um die Vermarktung eines Produkts zu
verhindern, weil dieses eine ernste und unmittelbare Gefahr für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher darstellt, so
unterrichten sie die Kommission unverzüglich davon, die bei Erhalt der betreffenden Informationen diese auf ihre Übereinstimmung
mit der Richtlinie überprüft und sie den übrigen nationalen Behörden übermittelt, die ihrerseits der Kommission unverzüglich
mitteilen, welche Maßnahmen sie ergriffen haben (Artikel 8). Die Einzelheiten dieses Schnellwarnsystems (GSWS) sind im Anhang
der Richtlinie geregelt.
46
So benachrichtigen die Mitgliedstaaten, sobald sie eine ernste und unmittelbare Gefahr erkannt haben, deren Auswirkungen sich
über ihr Staatsgebiet hinaus ausdehnen bzw. ausdehnen könnten, nachdem sie sich, soweit möglich, mit dem Hersteller oder Händler
des betreffenden Erzeugnisses in Verbindung gesetzt haben, unverzüglich die Kommission davon. Dabei sind u. a. die Angaben
zur Identifizierung des Erzeugnisses und, wenn möglich, die Absatzkette mitzuteilen, wobei wohlgemerkt die schnelle Übermittlung
der Informationen in dem System eine entscheidende Rolle spielt (Nrn. 3 und 4 des Anhangs). Die Kommission nimmt ihrerseits
nach Prüfung der Übereinstimmung der erhaltenen Informationen mit Artikel 8 der Richtlinie gegebenenfalls Fühlung mit dem
mitteilenden Land auf und übermittelt diese Informationen unverzüglich per Telex oder Telefax an die zuständigen Behörden
der übrigen Mitgliedstaaten (Nr. 7 des Anhangs).
47
Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem verwendeten Formular eindeutig, dass sich Island im Rahmen des GSWS an die Kommission
wandte und nicht, um zu fragen, ob die Rücknahme und Zurückweisung der über die Niederlande aus Frankreich eingeführten Äpfel
nach den Artikeln 6 und 7 der Richtlinie gerechtfertigt war. Da diese Äpfel einen Dicofolgehalt hatten, der 40-mal höher war
als der zulässige Höchstgehalt, und da ihr Vertrieb drei verschiedene Länder betraf, nämlich Frankreich, die Niederlande und
Island, war Island offenkundig der Ansicht, dass die Kommission von der Gefahr zu unterrichten sei, dass weitere Äpfel mit
einem gleichen Dicofolgehalt in anderen Ländern in den Verkehr gebracht worden sein könnten. Auf diese Information reagierte
auch die Kommission streng innerhalb der vom GSWS gezogenen Grenzen, indem sie die isländische Warnmeldung sowie die nachfolgenden
Meldungen an alle GSWS‑Kontaktstellen übermittelte.
48
Folglich kann die vorliegende Schadensersatzklage nur eine etwaige Haftung der Kommission im Rahmen des GSWS betreffen. Dagegen
ist sie nicht auf Ersatz des Schadens gerichtet, der dadurch entstanden ist, dass Island die fraglichen Äpfel am 4. September
2001 aus dem Verkehr gezogen und zurückgewiesen hat.
49
Zu diesem Zeitpunkt war insbesondere der Name der Klägerin noch nicht genannt und die Klägerin noch nicht als wahrscheinliche
Ausführerin der fraglichen Äpfel ausgemacht. Außerdem wurde die Kommission von den isländischen Maßnahmen erst nachträglich
unterrichtet, so dass sie insoweit keinesfalls haftbar gemacht werden kann. Daraus folgt, dass es für die Entscheidung des
vorliegenden Rechtsstreits nicht auf das konkrete Schicksal dieser Äpfel in Island ankommt und dass die Rüge eines Verstoßes
der Kommission gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zurückzuweisen ist.
50
Zum GSWS macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass es keinerlei Beweis dafür gebe, dass die von Island beanstandeten
Äpfel von ihr selbst ausgeführt worden seien. Sie behauptet, die Kommission hätte, wenn sie ihrer Pflicht nachgekommen wäre,
die Herkunft dieser Äpfel vor Auslösung der Schnellwarnung zu überprüfen, festgestellt, dass sie damit nichts zu tun gehabt
habe. Außerdem wirft sie der Kommission vor, nicht geprüft zu haben, ob die fraglichen Äpfel tatsächlich eine ernste und unmittelbare
Gefahr für die Gesundheit dargestellt hätten; allein die Überschreitung des Dicofol‑Höchstgehalts reiche hierfür nicht aus.
Zudem hätte jedenfalls, wie aus den im September und Oktober 2001 in Frankreich durchgeführten Untersuchungen ersichtlich
sei, eine rasche Überprüfung die Feststellung erlaubt, dass die von ihr ausgeführten Äpfel diesen Höchstgehalt nicht überschritten
hätten.
51
Hierzu ist festzustellen, dass das GSWS die Verantwortung für die Feststellung, ob eine ernste und unmittelbare Gefahr für
die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher vorliegt, allein den Mitgliedstaaten und nicht der Kommission zuweist, indem
es vorsieht, dass die nationalen Behörden zum einen „jeden Fall individuell prüfen“ müssen, weil „[g]enaue Kriterien für den
ernsten und unmittelbaren Charakter von Gefahren … nicht festgelegt werden“ können, und dass sie sich zum anderen „bemühen
[sollten], möglichst vollständige Informationen über die Erzeugnisse und die Art der Gefahr zu erhalten, ohne dabei die notwendige
zügige Bearbeitung zu gefährden“ (Nrn. 2 und 3 des Anhangs der Richtlinie). Außerdem obliegt es den Mitgliedstaaten, nachdem
sie eine ernste und unmittelbare Gefahr erkannt haben, deren Auswirkungen sich über ihr Staatsgebiet hinaus ausdehnen bzw.
ausdehnen könnten, die Kommission unverzüglich davon zu benachrichtigen und ihr Informationen zu liefern, die es gestatten,
das Erzeugnis und die Absatzkette zu identifizieren (Nr. 4 des Anhangs der Richtlinie).
52
Wenn Nummer 7 des Anhangs der Richtlinie die Kommission dazu verpflichtet, „die Übereinstimmung der erhaltenen Informationen
mit Artikel 8 [der] Richtlinie“ zu prüfen, so beschränkt sich diese Prüfung darauf, ob diese Informationen als solche in den
Anwendungsbereich der genannten Vorschrift fallen können, während die Richtigkeit der Feststellungen und Untersuchungen, die
die Mitgliedstaaten zur Übermittlung dieser Informationen veranlasst haben, nicht Gegenstand dieser Prüfung sind. Denn, wie
gerade ausgeführt, sind für diese Feststellungen und Untersuchungen allein die Mitgliedstaaten verantwortlich. Folglich war
die Kommission weder verpflichtet noch befugt, vor der Verbreitung ihrer Meldung vom 14. September 2001 zu prüfen, ob die
in Island beanstandeten Äpfel die von der Klägerin ausgeführten waren.
53
Was die Verhütung von Gefahren für die Gesundheit der Verbraucher anbelangt, so genügte es, dass der Kommission stichhaltige
Gesichtspunkte vorlagen, die auf eine Verbindung zwischen der Klägerin und den in Island beanstandeten Äpfeln hinwiesen. Die
von Island erhobenen und mitgeteilten Informationen nahmen Bezug auf über die Niederlande eingeführte Äpfel mit Herkunft aus
Frankreich und nannten insbesondere den Namen der niederländischen Firma Greevecetrus. Die von den Niederlanden erteilten
Informationen gaben sodann weitere Hinweise auf die an der Vermarktung beteiligten Firmen und nannten dabei die Firma „Greve“
(Niederlande), die Firma „Bosch“ mit Sitz in Alkmaar (Niederlande) und die Klägerin namentlich. Wie sich aber aus den Rechnungen
vom August 2001 ergibt, die die Klägerin selbst vorgelegt hat, führte die Klägerin Äpfel aus Frankreich an die niederländische
Firma van den Bosch in Alkmaar aus. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Kommission mit ihrer
Meldung vom 14. September 2001, die die niederländischen Informationen wiedergab, nicht stichhaltige Informationen verbreitete.
54
Soweit in dieser Hinsicht Ungewissheiten bestehen können, ist darauf hinzuweisen, dass die zuständige Stelle nach dem im Bereich
des Schutzes der öffentlichen Gesundheit geltenden Vorsorgegrundsatz verpflichtet sein kann, angemessene Maßnahmen zu ergreifen,
um bestimmten potenziellen Gefahren für die öffentliche Gesundheit vorzubeugen, und zwar, ohne abzuwarten, dass das tatsächliche
Vorliegen und die Ernsthaftigkeit dieser Gefahren in vollem Umfang nachgewiesen sind (siehe in diesem Sinne Urteile des Gerichts
vom 11. September 2002 in der Rechtssache T‑13/99, Pfizer Animal Health/Rat, Slg. 2002, II‑3305, Randnr. 139 und die dort
zitierte Rechtsprechung, und vom 21. Oktober 2003 in der Rechtssache T‑392/02, Solvay Pharmaceuticals/Rat, Slg. 2003, II-0000,
Randnrn. 121 und 122). Müsste vor dem Erlass solcher Maßnahmen das Ergebnis aller erforderlichen Untersuchungen abgewartet
werden, würde dem Vorsorgegrundsatz seine praktische Wirksamkeit genommen (Urteil Pfizer Animal Health/Rat, Randnrn. 142,
386 und 387). Diese Überlegung gilt auch für ein Schnellinformationssystem wie das mit der Richtlinie errichtete. Die Klägerin,
die Leidtragende dieses zum Schutz der menschlichen Gesundheit errichteten Warnsystems geworden ist, muss dessen negative
wirtschaftliche Folgen hinnehmen, da dem Schutz der öffentlichen Gesundheit Vorrang vor wirtschaftlichen Erwägungen einzuräumen
ist (Urteile Solvay Pharmaceuticals/Rat, Randnr. 121, und Pfizer Animal Health/Rat, Randnr. 456).
55
Wenn die Klägerin in diesem Zusammenhang geltend macht, dass das bloße Überschreiten des Dicofol‑Höchstgehalts von 0,02 mg/kg
nicht zwangsläufig eine ernste und unmittelbare Gefahr für die menschliche Gesundheit darstelle, zumal zuvor ein Gehalt von
1 mg/kg erlaubt gewesen sei, so genügt der Hinweis zum einen darauf, dass es der Kommission nicht zukommt, im Rahmen des GSWS
die Feststellungen und Untersuchungen in Frage zu stellen, aufgrund deren die Mitgliedstaaten von einer die Auslösung dieses
Systems erfordernden ernsten und unmittelbaren Gefahr ausgegangen sind, und zum anderen darauf, dass die beanstandeten Äpfel
unstreitig 0,8 mg/kg Dicofol enthielten, während der Höchstgehalt auf 0,02 mg/kg festgesetzt war. Die Klägerin – die die Rechtmäßigkeit
der Regelung über diesen Höchstgehalt nicht gemäß Artikel 241 EG angegriffen hat – hat nicht nachgewiesen, dass der Verzehr
von Äpfeln mit einem Dicofolgehalt, der 40-mal höher ist als der zulässige Höchstwert, keinerlei schädliche Auswirkung auf
die Gesundheit der Verbraucher hat, obwohl doch der wissenschaftliche Fortschritt auf diesem Gebiet ergeben hat, dass der
frühere Höchstgehalt durch den von 0,02 mg/kg zu ersetzen war.
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Zu den Rügen einer Verletzung von Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie und des rechtlichen Gehörs mit der Begründung, die Kommission
habe die Klägerin vor der Verbreitung ihres Namens, ihrer Adresse und ihrer Telefon- und Faxnummern im Rahmen des GSWS nicht
konsultiert, ist darauf hinzuweisen, dass dieses System der Kommission eine solche Konsultation nicht ausnahmslos vorschreibt,
da Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie nicht die Schnellwarnverfahren regelt, die mit der Richtlinie zum Schutz der Gesundheit
der Verbraucher eingerichtet worden sind. Dieses Ziel eines raschen Schutzes wäre außerdem schwer zu verwirklichen, wenn die
Kommission vor der Übermittlung einer von der Richtlinie erfassten Information an die anderen GSWS‑Kontaktstellen regelmäßig
den Erklärungen und Einwänden des betroffenen Unternehmens Rechnung tragen müsste.
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Die unterbliebene Konsultation der Klägerin durch die Kommission stellt auch keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches
Gehör dar. Denn zwar muss die Kommission den Betroffenen nach diesem Grundsatz vor Erlass einer ihn beschwerenden Maßnahme
anhören (siehe z. B. Urteil des Gerichts vom 8. Mai 2003 in der Rechtssache T‑82/01, Josanne u. a./Kommission, Slg. 2003,
II-0000, Randnr. 77 und die dort zitierte Rechtsprechung), im vorliegenden Fall hat sie jedoch keine Maßnahme getroffen, die
die Klägerin unmittelbar betroffen und beschwert hätte. Sie verbreitete nur eine Information, nämlich die am 14. September
2001 von der niederländischen Kontaktstelle erhaltene, die der Identifizierung der fraglichen Äpfel und der damit verbundenen
Absatzkette gemäß Nummer 4 des Anhangs der Richtlinie dienen sollte.
58
Zwar „kann“ die Kommission nach den Nummern 7 und 8 des Anhangs der Richtlinie zum einen mit dem vermutlichen Ursprungsland
des Erzeugnisses Fühlung aufnehmen, um die erforderlichen Prüfungen vorzunehmen, und zum anderen – „unter außergewöhnlichen
Umständen“ und „wenn sie dies für erforderlich hält“ – selbständig eine Untersuchung durchführen. Es scheint nicht ausgeschlossen,
dass die Kommission unter solchen Umständen gehalten sein kann, das von der Verbreitung einer Schnellwarnung betroffene Unternehmen
zu konsultieren. Die Klägerin hat jedoch nicht nachgewiesen, dass die Kommission unter den Umständen des vorliegenden Falles
einen Fehler begangen hat, indem sie sie nicht konsultierte.
59
Sie hat hierfür nur vorgebracht, dass der Dicofolgehalt der von der Klägerin im Jahr 2001 in die Niederlande ausgeführten
Äpfel zum Zeitpunkt ihrer Behandlung im Januar 2001 den damals in Frankreich zulässigen Höchstgehalt von 1 mg/kg nicht überschritten
habe. Die Klägerin scheint also davon auszugehen, dass ihre wirtschaftlichen Interessen von der Kommission über eine Konsultation
in Anbetracht der besonderen Lage hätten berücksichtigt werden müssen, die dadurch entstand, dass die Regelung über den zulässigen
Dicofol‑Höchstgehalt im Juli 2001 geändert wurde, als die aus Frankreich stammenden Äpfel eben in das Ausfuhrland verbracht
wurden.
60
Dem ist nicht zu folgen.
61
Zum einen hat nämlich die Klägerin ihre Ausfuhrdaten nicht näher dargetan, so dass sich die einzigen Angaben hierzu in den
Rechnungen vom August 2001 über Lieferungen an die Firma van den Bosch in Alkmaar (Niederlande) finden. Diese Angaben belegen
aber nicht, dass die im Januar 2001 behandelten Äpfel vor Juli 2001 Frankreich verließen und das Bestimmungsland erreichten.
Nicht weniger wahrscheinlich ist, dass die Äpfel erst im August 2001 ausgeführt wurden.
62
Zum anderen besteht die Gemeinschaftsregelung über die Festsetzung des Dicofol‑Höchstgehalts in Obst und Gemüse aus einer
Reihe von Richtlinien des Rates, die an die Mitgliedstaaten gerichtet sind, damit diese sie umsetzen. Frankreich hat den Höchstgehalt
von 0,02 mg/kg durch den Erlass vom 8. Februar 2001 zur Änderung des Erlasses vom 5. August 1992 über die zulässigen Höchstgehalte
an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf und in bestimmten Erzeugnissen pflanzlichen Ursprungs (JORF vom 3. April
2001, S. 5200) eingeführt. Wie aus den Bezugsvermerken dieses Erlasses hervorgeht, ist er zur Umsetzung u. a. der Richtlinie
2000/42/EG der Kommission vom 22. Juni 2000 zur Änderung der Anhänge der Richtlinien 86/362/EWG, 86/363/EWG und 90/642/EWG
des Rates über die Festsetzung von Höchstgehalten an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf und in Getreide, Lebensmitteln
tierischen Ursprungs und bestimmten Erzeugnissen pflanzlichen Ursprungs, einschließlich Obst und Gemüse (ABl. L 158, S. 51)
ergangen, die nach ihrem Artikel 4 von den Mitgliedstaaten spätestens bis zum 28. Februar 2001 umgesetzt werden musste, wobei
die Umsetzungsmaßnahmen ab dem 1. Juli 2001 anzuwenden waren. Diese Richtlinie wurde im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 30. Juni 2000 veröffentlicht. Folglich musste jeder umsichtige und besonnene Wirtschaftsteilnehmer vom letztgenannten
Zeitpunkt an seine Geschäftstätigkeit so ausrichten, dass die zur Ausfuhr bestimmten Äpfel, die nach Juni 2001 in den Verkehr
gelangen konnten, den neuen Dicofol‑Höchstgehalt einhielten. Die Klägerin – die weder die Rechtmäßigkeit der Regelung zur
Festsetzung des Höchstwerts auf 0,02 mg/kg noch die Rechtmäßigkeit des Zeitpunkts des Wirksamwerdens dieser Regelung gemäß
Artikel 241 EG angegriffen hat – kann der Kommission somit nicht vorwerfen, dass diese die niederländische Meldung im Rahmen
des GSWS übermittelt hat, ohne sie zuvor konsultiert zu haben.
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Zudem hätte selbst eine vorherige Konsultation der Klägerin die Kommission nicht vernünftigerweise an der Verbreitung dieser
Meldung hindern können, die den Namen, die Adresse und die Telefon- und Faxnummern der Klägerin enthielt. Denn das einzig
wirksame Mittel, sich vor den negativen Auswirkungen des GSWS zu schützen, hätte für die Klägerin darin bestanden, unter der
Aufsicht einer unabhängigen Person oder Einrichtung eine Stichprobe aus der Partie der zur Ausfuhr in die Niederlande bestimmten
Äpfel zu entnehmen und eine amtlich beglaubigte Untersuchung des Dicofolgehalts dieser Probe durchzuführen. Nur die umgehende
Vorlage solch einer beglaubigten Untersuchung bei der Konsultation der Klägerin hätte die Verbreitung ihres Namens im Rahmen
des GSWS vermeiden können. Die Klägerin hat aber weder behauptet noch nachgewiesen, dass sie die fraglichen Äpfel zu einem
unverdächtigen Zeitpunkt in der eben beschriebenen Art habe untersuchen lassen.
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Zu den im September 2001 in Frankreich durchgeführten Untersuchungen, die den Nachweis erbracht haben sollen, dass die von
der Klägerin ausgeführten Äpfel der Gemeinschaftsregelung entsprachen, genügt der Hinweis, dass diese Untersuchungen nicht
die Partie der in Island beanstandeten Äpfel zum Gegenstand hatten. Damit konnte also nicht bewiesen werden, dass die isländischen
Untersuchungen fehlerhaft waren. Es konnte nur festgestellt werden, dass die im September 2001 untersuchten Äpfel den geltenden
Vorschriften entsprachen.
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In diesem Zusammenhang kann der Kommission auch nicht zugerechnet werden, dass die Partie der in Island untersuchten Äpfel
nach ihrer Marktrücknahme offenbar verschwunden ist und es deshalb nicht mehr möglich ist, die Richtigkeit der isländischen
Untersuchungen zu überprüfen oder die Äpfel als genau die von der Klägerin in die Niederlande ausgeführten Äpfel zu identifizieren.
Wie oben ausgeführt, beschränkt sich die Haftung der Kommission im Rahmen des GSWS auf die Verbreitung der Informationen als
solche.
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Schließlich kann die Klägerin der Kommission nicht vorwerfen, sie habe mit der Verbreitung ihres Namens und der übrigen Angaben
gegen eine Pflicht zur Wahrung der Vertraulichkeit verstoßen. In Nummer 6 des Anhangs der Richtlinie heißt es nämlich ausdrücklich,
dass die Notwendigkeit wirksamer Maßnahmen zum Schutz des Verbrauchers in der Regel Vorrang vor Vertraulichkeitserwägungen
hat. Da in der isländischen Warnmeldung aber von Dicofol in „über die Niederlande vertriebenen Äpfeln aus Frankreich“ die
Rede war, hatten sowohl die zuständigen Behörden als auch die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer ein absolutes Interesse an
einer weitestmöglichen Eingrenzung des Kreises der verwickelten Unternehmen, ohne die nicht auszuschließen gewesen wäre, dass
sämtliche Äpfel aus Frankreich boykottiert worden wären. Wie oben ausgeführt, musste die Nennung des Namens der Klägerin in
diesem Zusammenhang unter den Umständen des vorliegenden Falles als eine sowohl erhebliche als auch zum Schutz der Gesundheit
erforderliche Information angesehen werden.
67
Nach alledem hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Kommission einen Fehler begangen hat, der ihre Haftung auslösen
könnte. Die Klage ist deshalb insgesamt abzuweisen, ohne dass geprüft werden müsste, ob ein ursächlicher Zusammenhang besteht
und der behauptete Schaden tatsächlich eingetreten ist.
Kosten
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Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
DAS GERICHT (Zweite Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Forwood
Pirrung
Meij
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 10. März 2004.